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Peter BraunKOMPONISTEN

UND IHRE HÄUSER

Mit 59 Schwarzweißabbildungen

Deutscher Taschenbuch Verlag

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Originalausgabe Juni 2007© 2007 Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, Münchenwww.dtv.deDas Werk ist urheberrechtlich geschützt. Sämtliche, auch auszugsweise Verwertungen bleiben vorbehalten.Umschlagkonzept: Balk & BrumshagenUmschlagfoto: Nationalarchiv der Richard-Wagner-Stiftung, Bayreuth/Wilhelm RauhSatz: Greiner & Reichel, KölnGesetzt aus der Janson Text 10/13˙Druck und Bindung: Kösel, KrugzellGedruckt auf säurefreiem, chlorfrei gebleichtem PapierPrinted in Germany · ISBN 978-3-423-24613-2

Der Inhalt dieses Buches wurde auf einem nach den Richtlinien des Forest Stewardship Council zertifizierten Papier der Papierfabrik Munkedal gedruckt.

Die Schreibweise der Zitate wurde heutigen Schreibweisenangeglichen.

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Inhalt

Il caro sassoneGeorg Friedrich Händel, Halle . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

Das WunderkindWolfgang Amadeus Mozart, Salzburg, Wien . . . . . . . . . . . 27

Papa HaydnJoseph Haydn, Wien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 53

Der unbehauste KomponistLudwig van Beethoven, Bonn, Wien . . . . . . . . . . . . . . . . . 73

Der Teufel in der SoutaneFranz Liszt, Weimar, Bayreuth . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 95

Das schädelspaltende PumpgenieRichard Wagner, Graupa, Luzern, Bayreuth . . . . . . . . . . . 113

Der SchneckenhäuslerClara und Robert Schumann, Zwickau, Bonn . . . . . . . . . . 139

Einsam aber freiJohannes Brahms, Hamburg, Mürzzuschlag, Baden-Baden,Wien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 161

Der WalzerkönigJohann Strauß, Wien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 181

Adressen, Öffnungszeiten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 201Dank . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 205Bildnachweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 206

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Il caro sassoneGeorg Friedrich Händel, Halle

ändel in Halle. Händels Geburtshaus – steinerne Erinnerungan sein Leben. Händels Musik ist weltbekannt, doch Händel?Er galt als großzügig, als freigebig, seine Musik machte ihnwohlhabend. Händel liebte gutes Essen. Er aß reichlich, biser erheblich anschwoll. Händel, der »Mannberg«, den ein Spöt-ter an der Orgel sitzend zeichnete, als Sitzbank ein Bierfass, zuseinen Füßen eine gebratene Gans, an den Orgelpfeifen hängenSchinken, unter der mächtigen Perücke nur der Rüssel einesSchweins. Seine Briefe, zumeist französisch geschrieben, sagenwenig über ihn, sind sachlich, regeln Alltagsgeschäfte. HändelsLieben: völlig unbekannt. Er selbst berichtete kaum von sich,Freunde, Bekannte, Schüler ebenso wenig. Stattdessen Mun-keleien, Hörensagen, Geflüster: der kleine Händel, dem nach-drücklich verboten gewesen sein soll, ein Instrument zu spielen,selbst in ein Haus zu gehen, in dem eines stand, sich heimlichein Clavichord beschaffte, um nachts zu üben; der erwachseneHändel, der sich nach den Abendgottesdiensten in LondonsSt. Pauls-Kirche einschließen ließ, um die Orgel zu spielen, da-nach ins Wirtshaus ging, um gehörig zu zechen; Händel, »il sas-sone«, der Sachse, über den Domenico Scarlatti ausrief, dies seientweder der berühmte Sachse oder der Teufel, nachdem er ver-borgen Händel beim Spiel zugehört hatte; Händel, für dessenKonzert als Kleidervorschrift angegeben wurde, die Damen ha-ben ohne Reifrock, die Herren ohne Degen zu erscheinen, damitmehr Zuhörer in den Saal passen; Händel, dem nachgerechnetwurde, er habe mehr Noten geschrieben als Bach und Beethovenzusammen. Geschichten, die über Händel in Umlauf waren, ha-ben nur selten wirklichen Gehalt. Nichts bleibt, als das Haus inHalle mit der Vorstellung seines Lebens zu füllen.

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H

Händel-Haus in Halle, Foto um 1871

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Zeitsprung: Deutschland 1685. Die Zeit des Barock. Hexen-wahn, Folter, Hunger, Seuchen, die Feldzüge des Dreißigjähri-gen Krieges hatten ein Menschenalter zuvor das Land verwüstet.Deutschland war zum Schlachtfeld der europäischen Herrschergeworden, auf dem der neue lutherische Glaube mit dem altenkatholischen um die Macht in Europa gekämpft hatte. Der Frie-de war geschlossen worden, die Gräben zwischen den Glauben-den blieben tief. Der Sieger des mörderischen Schlachtens hießFrankreich, und Frankreich war noch immer König Ludwig XIV.Le Roi-Soleil. Des Königs prachtvolle Hofhaltung war zum Vor-bild geworden. Das Schloss in Versailles, Tanz, Theater, Ballett,schöne Damen, gefährliche Liebschaften, verschwenderischeFeste, sich türmende Perücken, Kniehosen, Seidenstrümpfe,Schnallenschuhe, Zierdegen an der Seite – jeder noch so unbe-deutende Landesherr ahmte den Sonnenkönig nach. Die Höfewaren galant, die Fürsten geboten unumschränkt, der Adel sprachfranzösisch, im Gesang, in der Oper, in der Musik herrschte Ita-lien. 1685 wurden Domenico Scarlatti und Johann SebastianBach geboren – und Georg Friedrich Händel.

Händel, das Kind. Haus »Zum gelben Hirschen«, Winter1685, der 23. Februar. Die Wehen hatten eingesetzt. Sein Vater,Georg Händel, dreiundsechzig Jahre alt, vom Bader zum Wund-arzt in den Feldzügen des Dreißigjährigen Krieges, dann zumLeibarzt Herzog Augusts von Sachsen aufgestiegen, betreute dieGeburt seines Sohnes. Vor zwei Jahren hatte er die gut dreißigJahre jüngere Dorothea Taust geheiratet. Seine frühere FrauAnna Händel war an der Pest gestorben. Das Geburtshaus beimMarkt, nahe Schloss Moritzburg, ist weitläufig, zeugt von Wohl-stand. Ein großes Haus des vornehmsten Viertels. Georg Hän-del war angesehen, sein Dienst gefragt, nicht nur bei seinemLandesherrn. Er wurde gut bezahlt, vermehrte sein Vermögen.Das Vorrecht des Weinschanks, das einst mit dem Haus verbun-den war, hatte ihm sein Herzog ohne zu zögern wieder gewährt –zum Ärger des Rates von Halle. Im Jahr 1684 hatte sich GeorgHändel im langwierigen Gerichtsstreit verglichen, das von ihmverpachtete Recht gegen gute Entschädigung abgegeben. Georg

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Händels Kinder aus erster Ehe standen auf eigenen Füßen. CarlHändel, der Jüngste von ihnen, war im nahen Weißenfels Leib-arzt des Herzogs von Sachsen-Weißenfels geworden. Schick-salsstadt Weißenfels: Der Her-zog erkannte das MusikgeschickGeorg Friedrich Händels. Nacheinem Gottesdienst hatte er dieOrgel gespielt, der Herzog hör-te ihn, gab dem Vater den Rat,den Sohn weiter in der Mu-sik ausbilden zu lassen, um sichnicht zu versündigen, indem erdie Welt dieser Begabung be-raube. Der Herzog wusste, wo-von er sprach. Sein Hof warden schönen Künsten zugetan,das Musiktheater im Weißen-felser Schloss war weithin be-rühmt. Des Herzogs Ermunte-rung fruchtete. Georg FriedrichHändel erhielt in der Marktkir-che von Halle Musikunterricht.Eine gute Wahl, denn Halle folg-te nicht stur kirchlichen Musik-vorgaben, sondern war ebensoder weltlichen Musik Italiens zu-gewandt. Weißenfels gab Hän-del die Sinnenfreude seines barocken Hofes, Halle seine welt-offene Kirchenmusik mit auf den Weg.

Georg Friedrich Händel erregte Aufmerksamkeit. Er spieltedem Kurfürsten von Brandenburg vor, Adelige erboten sich, fürseinen Unterhalt aufzukommen, sofern er Hofmusiker werde,doch sein Vater lehnte ab. »Von Kindesbeinen an hatte dieserHändel eine solche ungemeine Lust zur Musik bezeiget, dass seinVater, der ihn sonst zum Juristen bestimmet hatte, darüber inUnruhe geriet.« Die Entscheidung über das Leben des Sohnes

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Händels Geburtshaus, ältestebekannte Abbildung, 1859

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zu treffen, erschien ihm zu früh, ein Auskommen als Musiker zuunsicher. Georg Friedrich Händel war kaum älter als zehn Jahre.Die Entscheidung fiel trotzdem bald. 1697 starb Georg Händel.Dennoch stürzte sein Sohn sich nicht blindlings auf die Musik.Musik war höfische Musik, aber ein Hofleben ohne geschliffeneBildung war nicht denkbar. Georg Friedrich Händel schlossdie Lateinschule ab, schrieb sich Anfang 1702 an der UniversitätHalle ein. Vermutet wird, nach dem Willen des verstorbenen Va-ters, für die Rechtswissenschaft, die dem bürgerlichen Händeldie Aussicht auf eine Verwaltungsstellung an einem der vielenHöfe des zersplitterten Deutschen Reiches offen hielt. Ernsthaftbemühte er sich nicht. Wenige Wochen später wurde Händel alsAushilfe des Domorganisten in Halle angestellt. Sein Vorgängerwar zu oft betrunken.

Von Halle nach Hamburg. In Halle traf Händel Georg PhilippTelemann. Er war eigens wegen ihm gekommen. Sie lernten an-einander, miteinander, schrieben gemeinsam mal Lieder, malArien für die allerwärts beliebten Musiktheater. »Ach ja, damalskomponierte ich wie der Teufel!« Telemann riet nach Hamburgzu gehen, denn die Ratsherren hatten am Gänsemarkt eines derersten deutschen Opernhäuser gebaut. Aufbruch Händels imFrühsommer 1703. Er zeigte sich als findiger Kirchenmusiker,wandte sich aber allsbald der Oper zu, bei der er als Geiger un-terkam. Händel hörte zu, sah zu, lernte, tat, als ob er nicht »auffünfe« zählen könne, und hatte Glück. Ein Cembalist fiel aus, ersprang ein, spielte geschickt. Wieder fiel Händels Begabung auf,besonders Johann Mattheson, einem der schillerndsten MusikerHamburgs. Sie mochten sich, fuhren 1704 zusammen nach Lü-beck, weil an der Marienkirche ein Nachfolger für den hoch ge-schätzten Organisten Dietrich Buxtehude gesucht wurde. DerHaken: Der Bewerber musste die in die Jahre gekommene Toch-ter Buxtehudes heiraten, um ihm ein geruhsames Alter zu si-chern. Eine hohe Hürde. Zu hoch für Mattheson, zu hoch fürHändel, zu hoch für Johann Sebastian Bach, der im Jahr daraufzu Fuß von Thüringen nach Lübeck wanderte, um das Orgel-spiel des verehrten Musikers zu hören.

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Mattheson unterstützte Händel bei der Hamburger Oper,half ihm beim Schreiben seiner ersten Opernmusiken, die ihmzu lang, viel zu lang gerieten. Aus Händel wurde ein ernstzuneh-

mender Nebenbuhler um Aufträge für die Musiktheater, auchfür Mattheson. Streit stand an. 5. Dezember 1704, Hamburg,Aufführung einer Oper Matthesons, der bis zu seinem Bühnen-tod selbst mitsang, danach das Orchester übernehmen wollte,das Händel am Cembalo geleitet hatte. Händel dachte nicht da-ran, Platz zu machen. Er blieb sitzen, beleidigte damit Matthe-sons Ansehen vor aller Augen. Handgemenge in der Oper, sie zo-gen aufbrausend die Degen, Händel überlebte knapp. Die Klingeglitt an einem metallenen Knopf seines Fracks ab. Beider Wutverrauchte rasch. Noch am Abend besuchten sie eine Probe zu

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Händel-Haus, 1946

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Händels erster Oper ›Der in Kronen erlangte Glückswechsel,oder: Almira, Königin von Kastilien‹. Ihrer Aufführung am8. Januar 1705 folgte bereits wenige Wochen später Händelszweite Oper ›Die durch Blut und Mord erlangte Liebe, oder:Nero‹. Händel hatte sich stolz und selbstbewusst behauptet. Wasan ›Almira‹ indes von ihm selbst stammte, ist offen. Sich unbe-kümmert, großzügig, ungehemmt aus fremden Werken zu be-dienen war üblich, auch aus eigenen, älteren, bereits aufgeführ-ten Arbeiten, die als Steinbruch für ein neues Werk dienten. Amaugenfälligsten dafür: Händels späteres Opernpasticcio ›Giovein Argo‹, ›Jupiter in Argo‹, eine aus verschiedensten Zutaten zu-sammengerührte Opernpastete. Händel war keine Ausnahme. InHamburg hatte er die für die venezianische Oper geschriebeneGeschichte der Almira ausgeschlachtet, die bereits für Hamburggeschriebene Musik verwendet, nachdem das Bühnenwerk fal-len gelassen wurde, weil der Pächter der Gänsemarktoper aufder Flucht vor seinen Gläubigern war. Leicht verdauliche Liebes-wirren ineinander gestrickt, Ballett, Tänze, wilde Tiere auf derBühne, prächtige Gewänder, Hirten, Duell, Kerker – ›Almira‹,ein Erfolg. Zwanzig weitere Aufführungen. Weniger erfolgreich›Nero‹: abgesetzt nach zwei Abenden. Die Oper hatte sich garzu sehr hingezogen. Hamburg bevorzugte Kurzweil, doch Hän-del hatte nicht vor, seicht zu bleiben. Um zu lernen, sich weiter-zubilden, sein Glück in der Musik zu machen, berühmt zu wer-den und schließlich große Opern auf große Bühnen zu bringen,dafür war Hamburg nicht geeignet. Italien schon. Italien war dasLand der Oper. Ende 1706 reist Händel aus Hamburg ab. An-fang 1707: Händel in Florenz.

Doch Florenz war nur ein Zwischenhalt. Italien hieß für Hän-del vor allem Rom, denn Rom war die Kirche, und Kirche bedeu-tete Orgelspiel, mit dem sich Händel anfangs dem Kirchenadelempfahl, um einen Fuß in die Tür ihrer glänzenden Salons zu be-kommen. Die Kirchenfürsten unterschieden sich in nichts vomweltlichen Adel, allenfalls in der Kleidung. Jagden, gewagte Da-men, aufwendige Feste, geistreiche Abendplaudereien – »LangeBratwurst, kurz Gebet«. Malerei, Bauwerke, Bildhauerei, Musik

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standen auch bei ihnen hoch im Kurs. Am Lutheraner Händelim katholischen Rom nahm niemand Anstoß. Protestantischoder katholisch – gute Musik kennt keine Religion. Die um

Pracht, Geld, Macht miteinander wetteifernden Kardinäle ausden ältesten italienischen Adelshäusern gierten nach immerneuen künstlerischen Leckerbissen, die Händel lieferte. Prunk-voll teure Opernbühnenbilder aber waren in Rom seit einem ver-nichtenden Erdbeben untersagt. Ebenso untersagt: Auftritte vonSängerinnen bei geistlicher Musik. Kastraten waren die Sterneam römischen Musikhimmel. Händel richtete sich danach. Erverlegte sich auf Kantaten, die mit wenig Bühnengepränge in denEmpfangssälen der Kardinäle und des römischen Adels unter-zubringen waren. Rom hatte viele Empfangssäle, die Nachfrage

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Händel-Haus, 1958

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war groß. Die Verbote wurden dem Wort nach eingehalten, demSinn nach umgangen. Der Aufwand an Musikern war erheblich.Er richtete sich allein nach dem Geldbeutel des Adels. Papst-erlass hin oder her: Das Vergnügen zählte. Unerhört: Für Hän-dels ›La Resurrezione‹, die Wiederauferstehung, wurde die Sän-gerin Margherita Durastanti eingekauft. Erste Aufführung amOstermontag, den 8. April 1708. Der päpstliche Einspruch kamsofort. Wohlweislich war für die zweite Vorstellung am nächs-ten Tag bereits vorab der Kastrat Filippo Mattei, genannt Pippo,unter Vertrag genommen worden.

Binnen eines Jahres hatte Händel in Rom einen Namen. Erlernte Alessandro und Domenico Scarlatti kennen, ArcangeloCorelli leitete Werke Händels. Er verdiente ungewöhnlich gut:allein für eine Kantate die achtfache Monatsgage des Kapell-meisters Corelli. ›Il Delirio amoroso‹ war entstanden, ›Ero eLeandro‹, der einer Oper schon sehr nahe kommende ›Il Trion-fo del Tempo e del Disinganno‹, der ›Triumph der Zeit und derErkenntnis‹, denn die Oper hatte er nicht aus den Augen ver-loren. Am 19. Juli 1708 die Aufführung ›Aci, Galatea e Polifemo‹für eine fürstliche Hochzeit in Neapel. Wiederum ein Jahr späterder wichtigste Erfolg Händels in Italien, die erste große Oper›Agrippina‹, die am 26. Dezember 1709 in Venedig aufgeführtwurde. »Die Zuhörer bei der Händel’schen Vorstellung wurdendermaßen bezaubert, dass ein Fremder aus der Art, mit welcherdie Leute gerühret waren, sie alle miteinander für wahnwitziggehalten haben würde. Sooft eine kleine Pause vorfiel, schriendie Zuschauer: ›Viva il caro sassone.‹ – Es lebe der liebe Sachse!«Händel hatte es geschafft und sich im führenden Musikland inder führenden Gattung durchgesetzt. Angebote kamen, Händelhatte die Wahl.

Den italienischen Jahren folgte ein Zwischenspiel: Händelentschied sich für Hannover, wo 1689 eine Oper eingerich-tet worden war, die nach gefeierten Anfangsjahren vor sich hindümpelte. Das Angebot: Übernahme der Hofmusik, wenig Ver-pflichtungen, ausführliche Reisen erlaubt, Jahresgage tausendTaler. Ein Vermögen. Händel, fünfundzwanzig Jahre alt, schlug

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ein. Ernennung zum Kapellmeister am 16. Juni 1710. DerWunsch lockte, mit eigenen Werken die Oper in Hannover wie-der nach oben zu bringen. Die Aussichten waren glorreich, dieWirklichkeit nicht. Allein ein würdiges Orchester zusammenzu-bringen, hieß Unsummen bereitzustellen, von bedeutenden Sän-gern, Sängerinnen, den bewunderten Kastraten zu schweigen.Hannovers Hof hatte die Summen nicht. Händel schrieb stattder erhofften Opern Kammermusik, vor allem für Sommerauf-führungen der Hofkapelle im Heckentheater von Schloss Her-renhausen. Gefragt war französisch geprägte Sonnenkönigs-musik. Nicht Händels Fall. Das Reich blieb für ihn so bloßeDurchgangsstation seines Opernmusikweges, der ihn nach Lon-don führte.

England bot sich für ihn an. Das Haus Hannover war mit demenglischen Königshaus eng verwandt, die von Händel begeister-ten Damen spielten ihre Beziehungen für ihn aus. Freistellungals Kapellmeister und noch im Spätherbst 1710 Ankunft in Lon-don. Mit gutem Grund. Die größte Stadt Europas war dabei,die italienische Oper für sich zu entdecken. »Zu derselben Zeitwaren Opern eine Art neuer Bekanntschaft, fingen aber an, sichbei dem hohen Adel in Gunst zu setzen.«

Allein, die Opern, die gegeben wurden, taugten nichts. »Ihreganze Anstalt, nämlich der Inhalt, die Poesie, Maschinen, Vor-stellungen und Auszierungen waren so läppisch und abge-schmackt, dass man fast nichts Ärgeres erdenken kann.« Nichtnur in England waren Opern zumeist einfach gestrickt. Der ers-ten Sängerin, dem ersten Sänger, Primadonna und Primouomo,war ein gleiches Gesangspaar untergeordnet, dazu Diener oderDienerin und weitere Nebenrollen abhängig vom Geld, das zurVerfügung stand. Liebe, Leidenschaft, Wirren, Eifersucht, Zorn,Verwechslungen – fertig war die Operngeschichte. Zudem wur-den die Klugheit, die Großmut, das Geschick, die Tugend vongriechischen Göttern, römischen Feldherren, königlichen Herr-schern verherrlicht. Die Lobpreisung von Königen, Fürsten,Adel untermauerte deren Herrschaftsanspruch auch auf der Büh-ne. Einfache Bürger, das Volk in den Gassen, bevorzugten dage-

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gen schlichteres Musiktheater auf den Märkten, gepfefferteStegreifschauspiele der Wanderbühnen. Oper war Musik fürwenige. Die Musik selbst hatte ihre spätere Bedeutung als ein-

maliges, so und nicht anderszu spielendes Ereignis nochnicht erlangt. Opernmusikwurde geschrieben, aufge-führt, dann beiseite gelegt,um neuer Opernmusik Platzzu machen. Was zählte: raschnachliefern. Selten wurdenOpern von Häusern weite-rer Städte übernommen, fallsdoch, war die Musikgestal-tung freizügig. Oft wurde ge-strichen, umgearbeitet odermit dem ersetzt, was dem Ge-schmack der Zuhörer geradeentsprach oder was die Sän-ger zu leisten imstande wa-ren. Noch war Kompositioneher Handwerk. Englandaber war ein braches Feld,das wartete, beackert zu wer-den. Für Händel die Gele-genheit, zum ersten Musiker

der Weltmacht aufzusteigen. Sein italienischer Ruf war ihmvorausgeeilt. Noch vor seiner Ankunft hatten die Sänger Fran-cesca und Giuseppe Boschi, die schon in Venedig zu HändelsErfolg beigetragen hatten, die Neugier der Zuhörer geweckt.Francesca Boschi baute in eine Scarlattioper eine Arie aus Hän-dels ›Agrippina‹ ein, und beide hochangesehenen Sänger nutz-ten ihren Einfluss am Theatre in the Haymarket.

Londons Adel war gespannt, der Pächter des Haymarket wit-terte ein Geschäft. Er gab Händels erste englische Oper in Auf-trag und Händel war damit hurtig bei der Hand. Zwei Wochen

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Händels Cembalo in London

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brauchte er für ›Rinaldo‹. Aufführung am 24. Februar 1711, fünf-zehn Folgeabende, ein überragender Erfolg. Noch aber warHändel Kapellmeister zu Hannover. Die Sommerabende inSchloss Herrenhausen standen bevor, Händel kehrte für ein Jahrnach Hannover zurück.

Ab Herbst 1712 wirkte er wieder in London. Um an den Erfolgseiner ersten Oper anzuknüpfen, schob Händel kurz nach seinerAnkunft die Schäferoper ›Il pastor fido‹ nach. Uraufführung am22. November 1712, ein glatter Missgriff. Gar zu schlicht dieHandlung, zu wenig Bühnenzauber, keine guten Sänger. »DieKostüme waren alt – die Oper kurz.« Händel zögerte keinenTag. Schon wenige Wochen später, am 10. Januar 1713, hatte ermit ›Teseo‹ das nächste Eisen im Feuer, diesmal mit reichlichAusstattung, spektakulären Bühnenauftritten, überraschendenKulissenwechseln. Das zog. Unterhaltung war Trumpf. VomGewinn sah Händel freilich nichts. Der Theaterunternehmerbrannte mit der Kasse durch. Schlimm für das Haymarket, we-niger schlimm für Händel, der als Gast in Burlington House leb-te, vor allem aber bei Hof vorgelassen wurde. So gelang ihm eingewagter Streich, der ohne königliches Wohlwollen nicht zudenken war: Über ein Jahrzehnt hatte der Spanische Erbfolge-krieg gedauert, in den ganz Europa verwickelt war. Die See-macht England war einer der Sieger. Als wichtigster Gewinn warihr mit Gibraltar der Zugang zum Mittelmeer im Frieden vonUtrecht zugestanden worden, für den eine Staatsfeier ausgeru-fen wurde. Händel, der Ausländer, schrieb für sie ein ›Te deum‹,für das er unter der Hand den Zuschlag erhalten hatte. Für Hän-del hieß das glücklich zweihundert Pfund Leibrente das Jahr. Einzweites Glück: Über all dem war seine Freistellung längst abge-laufen, doch nach dem Tod der Königin wurde Ende 1714 seinBrotherr in Hannover als George I. König von England.

Der König liebte Musik, bemühte sich in ihr mit den Herr-schern Frankreichs, Italiens, Spaniens gleichzuziehen. LondonsGesellschaftsleben bekam mit ihm neuen Schwung, Händel bliebin England. Im Todesjahr Ludwigs XIV. von Frankreich kamam 25. Mai 1715 Händels Oper ›Amadigi‹ heraus, für die mit

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einem Kniff geworben wurde: Adelige nahmen sich oft dasRecht, ihren Stuhl auf die Bühnenseite zu stellen, um von allengesehen nah dran zu sein. Angekündigt wurde, wer immer sichso setze, laufe Gefahr für Leib und Leben, ob der Unzahl Deko-rationen und Maschinen, die zu bewegen seien. Feuer, Was-serfall, Geisterauftritte, ein aus dem Schnürboden herabsausen-der Wagen und plötzlich aus dem Boden auftauchende Kulissensicherten ›Amadigi‹ den Beifall, Gewinn warfen sie nicht ab.Trotz doppelten Eintritts und erheblichen Vorauszahlungen warall die Pracht schlicht zu teuer.

1715 bis 1719 folgten Ruhejahre. Nur wenig ist bekannt. Einesaber doch: Am 17. Juli 1717 fuhr die Barke des Königs auf derThemse von Whitehall nach Chelsea, neben ihr ein Boot fürfünfzig Musiker, die zwei Suiten spielten, die Händel geschrie-ben hatte. »Sie gefielen dem König so gut, dass er sie dreimalwiederholen ließ, obwohl jede Vorführung eine Stunde dauerte.«Händels ›Wassermusik‹. Danach zog Händel sich aufs Land zu-rück, lebte für zwei Jahre in Diensten des Earls of Carnavon, desspäteren Duke of Chandos, wenige Meilen von London in Can-nons. Ein Musiknarr, der eine herausragende eigene Kapelle mitausgezeichneten Sängern unterhielt. Die ›Chandos Anthems‹für Gottesdienste entstanden. 1719 waren die beschaulichen Jah-re in Cannons vorbei. Händel hatte Pläne.

Bislang waren die englischen Opern an den Kosten zuschan-den gegangen, doch Händel hatte seine Absicht nicht aufgege-ben, die große italienische Oper in England einzubürgern. Mitköniglicher Rückendeckung und finanzieller Hilfe über tausendPfund wurde die »Royal Academy of Music« gegründet, eineAktiengesellschaft, die sich der italienischen Oper verschrieb.Händel, dessen Ruhm sich längst auch auf dem Festland herum-gesprochen hatte, segelte über den Kanal, um Musiker und Sän-ger aufzutreiben. Die Reise ging über Halle nach Dresden, dennam Hof August des Starken war für eine Hochzeit angeheuertworden, was die Opernbühne an Glänzendem zu bieten hatte.Händel machte einen guten Fang. Er warb Maddalena Salvi anund Margherita Durastanti, die er aus Rom kannte und die sei-

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ne ›Agrippina‹ in Venedig gesungen hatte. Senesino zu holen,den berühmtesten Kastraten dieser Jahre, gelang nicht. Dieserkam erst für die zweite Spielzeit Ende 1720 nach England. Wäh-rend Händels Reise liefen die Vorbereitungen für London wei-ter, und am 27. April 1720 ging seine Oper ›Radamisto‹ über dieBühne. »Viele, die ihren Eintritt mit Ungestüm, ihrem Rangeund Geschlecht unanständigerweise, behauptet hatten, fielenwegen großer Hitze und Ermangelung der Luft wirklich in Ohn-macht. Verschiedene Edelleute und Herren, die zehn Reichstalerfür eine Stelle auf der Galerie geboten hatten, nachdem sie keineweder im Parterre noch in den Logen erhalten konnten, wurdenschlechterdings abgewiesen.«

Die Anfangsbedingungen für das Unternehmen Oper warengut, Geld war genug vorhanden, der Verkauf der Anteilsscheinewar höchst beruhigend gelaufen, die Anleger erhofften sich hoheGewinne auch aus Händels Opernwagnis. Englands Schiffe lan-deten an allen Küsten der Welt, London war im Geldrausch, dervom Überseehandel geschürt wurde. Das Südseefieber war aus-gebrochen, Vermögen wurden in die Handelsunternehmen ge-steckt, die gewaltige Gewinnsummen in Aussicht stellten. Risi-kokapital, Börsenhausse, Spekulation – eine Seifenblase, die baldplatzte. Auch Händel erlitt mit seinen Handelsanteilen Schiff-bruch. Gedrückte Stimmung, die sich auswirkte. Der Zuspruchfür Händels Opernunternehmen nahm merklich ab. Um nichtallein nur Händel zu spielen, sondern um mehr Farbe in denSpielplan zu bringen, wurde daher Giovanni Battista Bononciniangestellt, dessen eingängige Musik bei den Zuhörern überausbeliebt war. Ein Wettstreit war geboren, bei dem beider Opernin die Fänge der Auseinandersetzungen um die Macht im Landgerieten. Händels Anhänger scharten sich hinter dem König,Bononcinis hinter dem Prince of Wales. Den Schaden hattenbeide, dennoch erreichte Händel, die Opernaufführungen halb-wegs am Leben zu halten. Mit seinem Ansehen gelang es ihm,für ›Ottone‹, ›Flavio‹, ›Giulio Cesare‹, ›Tamerlano‹, ›Rodelin-da‹, ›Scipone‹, ›Alessandro‹ oder ›Admeto‹ immer wieder dieausgezeichnetsten Stimmen nach England zu holen.

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Aber: Viele Gesangsgrößen auf einer Bühne – Flöhe hü-ten war leichter. Sängereitelkeiten. Francesca Cuzzoni weigertesich, eine Liebesklage zu singen, die ihr nicht angemessen er-schien. Händel drohte, sie aus dem Fenster zu werfen. Sie sang.Faustina Bordoni geriet mit Francesca Cuzzoni auf der Büh-ne aneinander. Schlägerei, Haareraufen, Aufruhr. Das schürtezwar die Neugier der Zuhörer, doch nicht auf Dauer. DasGezänk der Rampensäue langweilte je länger je mehr, und Hän-del geriet in weitere Bedrängnis, als sein großzügiger GönnerGeorge I. starb. Sein alter Gegner, der weniger großzügigePrince of Wales wurde als George II. zum König gekrönt. Ob-wohl auch er sich als König der Herrscherverherrlichung durchdie Oper bediente, lag Händels Unterfangen in den letztenZügen. Weitaus erfolgreicher als er war am Ende die ›Beggar’sopera‹, die Bettleroper, die am 28. Januar 1728 an Lincoln’s InnFields Theatre die italienische Oper verspottete. Keine säu-selnden Liebeswirren mehr. Macheath ist mit sechs Damen zu-gleich zugange. Keine hehren Gefühle. Macheath führt eineRäuberbande. Keine Helden standen auf der Bühne, sonderneinfache Leute, die englisch sangen, nicht italienisch, das kaumeiner verstand. Die englische Musik begann, sich von Italien ab-zusetzen. Die ›Beggar’s Opera‹ mit ihren Gassenhauern wurdedas erfolgreichste Musiktheaterstück Englands. Die Besucherhatte nach neuen Reizen gelüstet. Händel stellte seinen Opern-betrieb am 1. Juni 1728 vorzeitig ein. Aufgegeben hatte er nochlange nicht.

Trotz der Südseepleite hatte er in den Londoner Jahren reich-lich Geld zurückgelegt. Georg Friedrich Händel war geschäfts-tüchtig. Er verdiente an seinen Opern, die eine Ausnahme waren,weil sie auch auf dem Festland nachgespielt wurden, er zog Ge-winn aus seinen Kammermusiken, seinen Klavierwerken, seinemMusikunterricht bei Hof. Händel hatte die englische Staatsbür-gerschaft angenommen, sich ein Haus in der Lower Brook Streetgekauft, das er bis zu seinem Tod bewohnte, war zum »Composerof Music to the Royal Chapel« ernannt worden und war damitzum ranghöchsten englischen Musiker erhoben. Händel setzte

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