5
04-2017 FASSADE | FAÇADE – REPORT | 11 Im Schatten übermächtiger Hochhäuser zu bauen, kann für Architekten eine grosse Herausforderung sein. Hohe Gebäude beanspruchen im Stadt- bild meist viel Aufmerksamkeit für sich allein. In Frankfurt am Main mit Deutschlands bekanntester Hochhaus-Silhouette reagierte KSP Jürgen Engel Architekten auf diese selbstbezogene Vertikalität mit einer dynamischen Horizontalität, die im Stadtbild einen augenfälligen Kontrapunkt schafft. Frankfurts Stadtsilhouette ist aussergewöhnlich und international bekannt, vor allem wegen ihrer zahlrei- chen Hochhäuser, die sich wie Perlen auf einer Schnur durch die Stadt schlängeln: Sie beginnt gegenüber der Messe mit dem 195 m hohen Westend Gate (Architek- ten: Siegfried Hoyer und Richard Heil), das bei seiner Fertigstellung 1976 für kurze Zeit das höchste Haus Deutschlands und gleichzeitig der erste Wolkenkratzer im Land war, verläuft entlang der Friedrich-Ebert-An- lage und der Mainzer Landstrasse und endet schliess- lich mit dem 170 m hohen Opernturm (2011, Christoph Mäckler). Flankiert wird sie auf Höhe der Taunusanlage von einer Art Vertikal-Cluster aus mehreren Hochhäu- sern, zu dem auch der von Norman Foster 1997 errich- tete Commerzbank Tower gehört, der mit einer Höhe von 259 m bis heute das höchste Gebäude Deutsch- lands ist. Die bauliche Dichte in diesem Stadtgebiet ist zudem recht hoch. Es herrscht die Blockrandbebauung vor. Solitäre dazwischen mit nur wenig Abstand geben sich quasi die Hand. Thomas Geuder Der Raumjournalist www.derRaumjournalist.net Bürohaus «Vista» in Frankfurt am Main von KSP Jürgen Engel Architekten Fassadenflimmern 1

Bürohaus «Vista» in Frankfurt am Main von KSP Jürgen · PDF fileBürohaus «Vista» in Frankfurt am Main von KSP Jürgen Engel Architekten Fassadenflimmern 1. 12 ... zu durchbrechen

  • Upload
    ngomien

  • View
    215

  • Download
    1

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Bürohaus «Vista» in Frankfurt am Main von KSP Jürgen · PDF fileBürohaus «Vista» in Frankfurt am Main von KSP Jürgen Engel Architekten Fassadenflimmern 1. 12 ... zu durchbrechen

04-2017 FASSADE | FAÇADE – REPORT | 11

Im Schatten übermächtiger Hochhäuser zu bauen,kann für Architekten eine grosse Herausforderungsein. Hohe Gebäude beanspruchen im Stadt-bild meist viel Aufmerksamkeit für sich allein. InFrankfurt am Main mit Deutschlands bekanntesterHochhaus-Silhouette reagierte KSP Jürgen EngelArchitekten auf diese selbstbezogene Vertikalität miteiner dynamischen Horizontalität, die im Stadtbildeinen augenfälligen Kontrapunkt schafft.

Frankfurts Stadtsilhouette ist aussergewöhnlich undinternational bekannt, vor allem wegen ihrer zahlrei-chen Hochhäuser, die sich wie Perlen auf einer Schnurdurch die Stadt schlängeln: Sie beginnt gegenüber derMesse mit dem 195 m hohen Westend Gate (Architek-

ten: Siegfried Hoyer und Richard Heil), das bei seinerFertigstellung 1976 für kurze Zeit das höchste HausDeutschlands und gleichzeitig der erste Wolkenkratzerim Land war, verläuft entlang der Friedrich-Ebert-An-lage und der Mainzer Landstrasse und endet schliess-lich mit dem 170 m hohen Opernturm (2011, ChristophMäckler). Flankiert wird sie auf Höhe der Taunusanlagevon einer Art Vertikal-Cluster aus mehreren Hochhäu-sern, zu dem auch der von Norman Foster 1997 errich-tete Commerzbank Tower gehört, der mit einer Höhevon 259 m bis heute das höchste Gebäude Deutsch-lands ist. Die bauliche Dichte in diesem Stadtgebiet istzudem recht hoch. Es herrscht die Blockrandbebauungvor. Solitäre dazwischen mit nur wenig Abstand gebensich quasi die Hand.

Thomas GeuderDer Raumjournalistwww.derRaumjournalist.net

Bürohaus «Vista» in Frankfurt am Main von KSP Jürgen Engel Architekten

Fassadenflimmern

1

Page 2: Bürohaus «Vista» in Frankfurt am Main von KSP Jürgen · PDF fileBürohaus «Vista» in Frankfurt am Main von KSP Jürgen Engel Architekten Fassadenflimmern 1. 12 ... zu durchbrechen

12 | REPORT – FASSADE | FAÇADE 04-2017

Horizontalschnitt

Vertikalschnitt

① Vertikale Lisene, geschosshoch Alu Eloxal E6/EV1

② Horizontale Verkleidung Alu Eloxal E6/EV1

③ Elementfassade Profilfarbe RAL 9005, tiefschwarz

④ Auf Profil verklebtes, aus schallschutztechnischen Gründen geloch-tes Blech mit dahinterliegender Akustikvlies-Einlage

⑤ Aus schallschutztechnischen Gründen gelochte Unter-sicht mit dahinterliegender Akustikvlies-Einlage

⑥ Dreifach-Isolierverglasung

⑦ Prallscheibe

⑧ Aussenliegender Sonnenschutz, schienengeführt. Dicke 80 mm, Farbe DB703

⑨ Dämmung Mineralwolle WLG 035/A1. Dicke insgesamt 140 mm

⑩ Innenliegender Blendschutz, Rollo motorisiert, auf Profil verschraubt

⑪ Hohlraumboden nass, 150 mm

⑫ Stahlbetondecke, Dicke 280 mm

1 In Frankfurt am Main habenKSP Jürgen Engel Architek-ten einen Büroneubauerrichtet, der mit derDynamik des Ortes spielt.

2 Das Bürohaus «Vista»reagiert auf den Ort mit einerhorizontalen Gliederung undvertikal erzeugter Dynamikin der Fassade.

3 In direkter Nachbarschaftbefinden sich Hochhäuserwie das markante Trianon,dessen Gebäudeform aufeinem Dreieck basiert.

4 Detail in der Musterfassade.

Fassadenansicht

Page 3: Bürohaus «Vista» in Frankfurt am Main von KSP Jürgen · PDF fileBürohaus «Vista» in Frankfurt am Main von KSP Jürgen Engel Architekten Fassadenflimmern 1. 12 ... zu durchbrechen

04-2017 FASSADE | FAÇADE – REPORT | 13

Neubauten, die in ebendiesem charakterstarken Kon-text errichtet werden sollen, haben es gestalterisch imStadtgefüge nicht ganz leicht, zu bestehen. Viel Raumfür die architektonische Selbständigkeit zwischen denHimmelstürmern bleibt nicht. Den Planern von KSP Jür-gen Engel Architekten (ebenfalls in Frankfurt behei-matet) stand für einen Büroneubau ein Baugrund inder Mainzer Landstrasse genau zwischen dem 1980erbauten und 142 m hohen FBC Frankfurt Büro Center(Architekt: Richard Heil) mit aufstrebender Fassaden-gestalt und dem markant dreieckigen, 186 m hohenTrianon-Hochhaus (1993, Architekten: Novotny MähnerAssoziierte, HPP International, Albert Speer & Partner)zur Verfügung. Beide Bauwerke sind bekannte und prä-gende Grössen in der Stadt. Auf dem geplanten Bau-grund befand sich bis vor Kurzem noch ein Gebäudeaus den 1980er-Jahren mit dunkler Fassade und gros-szügigen, verspiegelten Glasflächen, das Anfang 2015jedoch bereits abgebrochen wurde. Im Auftrag derGross & Partner Grundstücksentwicklungsgesellschaftentstand nun auf dem knapp 3.000 m² grossen Grund-

4

32

Page 4: Bürohaus «Vista» in Frankfurt am Main von KSP Jürgen · PDF fileBürohaus «Vista» in Frankfurt am Main von KSP Jürgen Engel Architekten Fassadenflimmern 1. 12 ... zu durchbrechen

14 | REPORT – FASSADE | FAÇADE 04-2017

stück nach Plänen von KSP Jürgen Engel Architektendas Bürogebäude «Vista», mit einer Bruttogeschossflä-che von insgesamt 10,385 m² auf sieben Vollgeschos-sen und einem Staffelgeschoss.

Vielseitiges FassadenspielBereits auf den ersten Blick ist deutlich spürbar: Der Bau-körper will alles andere sein als eine charakterlose Schuh-schachtel mit Schiessscharten-Fenstern nach Baukasten-prinzip. Zur Mainzer Landstrasse hin entwickelt sich durchgeschicktes Zusammenspiel von schwarzen, zurückge-setzten sowie aluminiumfarbenen Fassadenteilen eineZ-förmige Silhouette. Die Glas-Aluminium-Fassade selbstist dabei oberflächlich betrachtet zunächst horizontalgegliedert, was vor allemdurchdie horizontalenGeschoss-bänder über die gesamte Gebäudelänge erzeugt wird.Quer dazu verlaufen vertikale, geschosshohe Lisenen, dieebenfalls aus eloxiertem Aluminium bestehen. Es gibt sieallerdings in drei verschieden breiten Typen, angeordnetjeweils in einem anderen Winkel. Mit dieser Gestaltungs-idee legen die Architekten zunächst den Fokus auf dieHorizontale, womit sie einen Kontrapunkt im von der Verti-kalen geprägten Umfeld einnehmen. Dabei geht es ihnenjedoch nicht nur um die Begründung ihres Entwurfs durchdie Form: Der sich verändernde Lisenenwinkel führt auchdazu, dass sich abhängig von der Sonneneinstrahlungdas Fassadenbild immer wieder verändert. Die «Grund-idee war es, mit einer ‹flimmernden› Fassade die Dynamikder Mainzer Landstrasse architektonisch zu übersetzen»,erläutern die Architekten ihren Ansatz. «So entsteht eindynamischer, heller, silberfarbener und technisch anmu-tender Solitär zugleich.» In benannter Hochhaus-Perlen-

schnur behauptet das Bürogebäude «Vista» so seinenPlatz als prägnanter Punkt im Stadtbild.Zu diesem Spiel mit den Helligkeiten durch das Flimmernder Fassade gehört auch das Spiel mit der Tiefe, von denhellen Aluminiumelementen zu den dunklen Glasschei-ben. Als farblichen Vermittler sehen die Architekten denaussenliegenden Sonnenschutz sowie die Balkone, dieTechnikeinhausung und die die Glasbereiche umschlies-senden Rahmen, die allesamt in Anthrazit angelegt sind.Auch das gehört zu einem Bürohaus in der Stadt: DieMainzer Landstrasse ist eine wichtige und viel befah-rene Verkehrsachse in Frankfurt am Main, weswegen ausSchallschutzgründen die Süd- und die Westfassade mitPrallschreiben und in deren Sturzbereichen die horizon-talen Aluminiumelemente mit einer akustisch wirksamenLochung versehen sind.Schräg angeordnete Stützen im westlichen Sockelbereichermöglichen einen grosszügigen Zugang zum Innenhofüber zwei Fahrspuren. Hier scheint sich ausserdem dasGebäude vom Boden um zwei Stockwerke anzuheben,wodurch schliesslich der Haupteingang markiert wird. Dasgestalterische Pendant zum gläsernen Eingangsbereichbildet auf der gegenüberliegenden Seite der Z-Form einschwarzer Glaspavillon im fünften und sechsten Ober-geschoss, der als Konferenzbereich dient. Dessen zurück-versetzte, schwarze Glasfassade scheint sich förmlichaus dem Inneren des Bauwerks mit Aluminium-Skelettherauszudrücken. Verstärkt wird der besondere, aberauch elegante Charakter dieses Bauteils noch durch dieaussenliegenden, sechs Meter hohen Glasscheiben, eineDimension, die nur von wenigen Herstellern produziertwerden kann. Was hier zur Strassenseite noch als Pavillon

5 Eine Staffelung in der Tiefeerzeugen die Architekten durchdie Aluminium-Fassade mit denLisenen in Kombinationmit schwarzen Fassaden-elementen.

6 Drei verschieden breite,vertikale Lisenentypenerzeugen je nach Wetterlageund Sonneneinstrahlung einsich stets veränderndes undflimmerndes Bild im Stadtraum.

7 Schräg angeordnete Stützenim westlichen Sockelbereichmarkieren den Haupteingang.

65

Page 5: Bürohaus «Vista» in Frankfurt am Main von KSP Jürgen · PDF fileBürohaus «Vista» in Frankfurt am Main von KSP Jürgen Engel Architekten Fassadenflimmern 1. 12 ... zu durchbrechen

04-2017 FASSADE | FAÇADE – REPORT | 15

Bautafel

Projekt: Bürohaus «Vista»,Frankfurt am Main, DEArchitektur: KSP Jür-gen Engel Architekten,Frankfurt am Main, DEBauherr: G + P Metis GmbH &Co. KG, Frankfurt am MainMetallbauer Alu-Glas-Fassade: IGM GmbH &Co. KG, Medard, DETragwerksplanung/Baustatik:Kannemacher – Dr. Sturm + Part-ner mbB, Frankfurt am Main, DEBauphysik/-akustik: ITAIngenieurgesellschaft,Wiesbaden, DEFassadenberatung: AMPIngenieurgesellschaft mbH,Neuss, DE

erscheint, ist in der Hofansicht der Auftakt zum Anschlussdes Gebäudes an das Nachbargebäude. Kaskadenartigverlaufen von oben nach unten anthrazitfarbene Balkone,wobei sich deren Vorderkante an den Abstandsregelun-gen orientiert. Jedes Geschoss besitzt so einen kleinenFreiraum mit Bezug zum ruhigen Innenhof, der zusätzli-chen Abstand zum Nachbargebäude schafft.

Vielfältige RaumkonfigurationenIm Innenraum folgt zunächst ein zweigeschossiges Foyer,in dem die Idee der dynamisch bewegten Fassade fortge-führt wird. Die gefalteten Wandflächen aus grossformati-gen, dreieckigen Holzelementen bilden mit ihrer warmenMaterialität, die den Besuchern hier begegnet, nicht zuletztauch einen Gegenpol zur kühlen, technisch anmutendenMaterialität der Fassaden und zum hektischen Treiben derStadt. Das in der Fassade für die Tiefenstaffelung mitver-antwortliche Schwarz findet sich im schwarzen Bodenbe-lag des Foyers und in der schwarzen Glasverkleidung derAufzugskabine wieder. Um in den Stockwerken darüberdie Wege zwischen den Ebenen zu verkürzen und so diegeschossübergreifende Kommunikation zu erleichtern,gibt es zusätzlich zu den Aufzügen und den Fluchttreppenoffene Treppen mit gläsernen Brüstungen.Auf den Bürogeschossen haben die Architekten viel Platzfür unterschiedliche Raumkonfigurationen geschaffen: Dadie Stützen des Tragwerks sich in Fensterebene befindenund der gesamte Bau als Dreibund organisiert ist, sind dieGeschosse stützenfrei und flexibel nutzbar. So entstehenentlang der Fassade Arbeitsplätze mit viel Tageslicht, inder Mittelzone sind die Nebenräume und eine Mitarbei-terlounge untergebracht. Insgesamt bietet das Büro- und

Verwaltungsgebäude Raum für etwa 650 Büroarbeits-plätze. Im Erdgeschoss finden neben dem Foyer ausser-dem zwei Gastronomiebetriebe Platz.

Wahrzeichen im StadtbildDas Bürogebäude «Vista» hatte inmitten der FrankfurterHochhaus-Perlenschnur architektonisch zwar keinen ein-fachen Ausgangspunkt, doch den Planern von KSP Jür-gen Engel Architekten ist es gelungen, ein Bauwerk zuschaffen, das sich im Schatten der hoch gewachsenenUmgebung nicht verstecken muss. Besonders die Fassa-dengestaltung, die dem Strassenraum bei aller Vertika-lität zumindest an diesem Ort eine bewegte Horizontali-tät zurückgibt, ist eine selbstbewusste Reaktion auf dieUmgebung an der Mainzer Landstrasse. Der Trubel derStadt, der hier durch die allgegenwärtige Bewegung desVerkehrs gekennzeichnet ist, wird in der Aussenansichtthematisch aufgenommen und in eine Gestaltung über-setzt, die unaufgeregt Struktur schafft und städtebaulichwie architektonisch identifizierend und bereichernd wirkt.Das geschosshohe, dafür wenig breite Fensterformat, dassich derzeit an vielen Neubauten wiederfindet, muss manzwar nicht unbedingt mögen. Anregend ist jedoch, dasses KSP Jürgen Engel Architekten beim Bürohaus «Vista»gelungen ist, die Langeweile der vieler Bürobaufassadenzu durchbrechen und ein dynamisches Spiel mit Form undLicht zu generieren – und so zusammen mit dem Bauherrnein Gebäude zu errichten, das über den reinen architek-tonischen Grundbedarf hinausgeht und den Aufwand derwohlüberlegten Gestaltung nicht scheut. Ende April 2017hat das Büro- und Verwaltungsgebäude «Vista» die LEEDGold Zertifizierung erhalten.

Technische Daten

BGF: BGF 11'075 m²(8850 m² oberirdisch,2225 m² unterirdisch)BRI: 43'500 m³Wettbewerb: 2014, 1. Preis

HerstellerElementfassade: SchücoGläser: Guadrian SunguardSonnenschutz aussen/innen:WaremaMetall-Heiz-/Kühldecke: PeukertAussenbeleuchtung: BegaFertigstellung: 12/2016Fotografie: hiepler, brunier, KSP

7