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Corax 15 (1993) Brutbestandsentwicklung und Verbreitung des Kolkraben (Corvus corax) in Schleswig-Holstein T. Grünkorn GRÜNKORN, T. (1993): Brutbestandsentwicklung und Verbreitung des Kolkraben (Corvus corax) in Schleswig-Holstein. Corax 15: 203 -210 1991 wurde auf acht Probeflächen (insg. ca. 7200 km2 ) der Brutbestand des Kolkraben von Mitglie- dern der OAG erfaßt und durch eine Umfrage innerhalb der Landesjägerschaft und der Forstäm- ter sowie zufälliger Einzelnachweise verschiedener Personen ergänzt. 344 Bruten wurden durch Horstfunde nachgewiesen. Die Siedlungsdichte reicht von 0,8 Bp/100 km2 im Westen (Kreis Dithmarschen) bis 10,3 Bp/ 100 km2 ) im Südosten des Landes (Kreis Hzgt. Lauenburg). Die Siedlungsdichte ist signifikant mit dem Waldflächenanteil der Probefläche korreliert. Diese hohe Abhängigkeit ermöglicht eine Schät- zung des Landesbestandes von 400-450 Brutpaaren (3 Bp/100 km 2). Sechs Probeflächen (insg. 5790 km2 ) wurden mindestens fünf Jahre untersucht. Auf allen Flächen hat der Brutbestand seit An- fang bzw. Mitte der achtziger Jahre deutlich zugenommen. Die Faktoren, welche die Verbreitung der Brutpaare beeinflussen, werden diskutiert. Besondere Bedeutung hat dabei die intraspezifische Konkurrenz. Thomas Grünkorn, Institut für Haustierkunde, Olshausenstr. 40, 24118 Kiel Einleitung Eine Vielzahl von Orts- und Flurnamen sowie zahlreiche Mythen und Sagen um den „Wotans- vogel" in Norddeutschland belegen, daß der Kolk- rabe weitverbreitet und „jahrhundertelang ein Charaktervogel der deutschen Urlandschaft" war (BRINKMANN 1933). EMEIS (1929) bezeichnet die Art als ein „Naturdenkmal der schleswig- schen Buchenwälder". Als auffälliger Großvogel zog er stets das Interesse der Jäger und später auch der Faunisten, Verhaltensforscher und Na- turschützer auf sich. Deshalb konnten Areal- und Bestandsveränderungen großräumig gut verfolgt werden. Im westlichen Mitteleuropa war abgese- hen vom Alpengebiet nur Schleswig-Holstein ständig besiedelt. Die Wiederbesiedlung Meck- lenburgs, Niedersachsens und Dänemarks in den 50er und 60er Jahren nahm hier ihren Ausgang (SCHULTZ-SOLTAU 1962, DYBBRO 1976, PRILL 1982). Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die Brutbe- standsentwicklung des Kolkraben in Schleswig- Holstein fortzuschreiben. Es wird diskutiert, wel- che Faktoren Verbreitung und Siedlungsdichte steuern. Neben eigenen Kartierungen konnte ich auf langjährige Untersuchungen von Mitgliedern der Ornithologischen Arbeitsgemeinschaft für Schles- wig-Holstein und Hamburg e. V. zurückgreifen, deren Ergebnisse hier erstmalig zusammenfas- send dargestellt werden. Danken möchte ich den Probeflächenbearbei- tern für die uneigennützige Überlassung ihrer langjährigen Ergebnisse: G. BUSCHE, C. CLE- MENS, R. DREIFKE, H. DÜRNBERG, V. LOOFT, H.-D. MARTENS, R. MEIER, H.-J. RADDATZ, H. ROBITZKY. Für die kritische Durchsicht des Manuskripts danke ich Dr. W. KNIEF und V. LOOFT. Methode Tab. 1: Abundanzen [Brutpaare (Bp)/100 km'] des Kolkraben 1991 auf Probeflächen Table 1: Densities [breeding pairs (Bp)/100 km'J of the Common Raven in 1991 in study areas Probefläche Größe [km'] Wald [/o] Bp Bp/100 km' Bearbeiter Kreis Dith- marschen 1450 2,9 11 0,8 Meier, Ro- bitzky, Rose Kreis Pinne- berg 660 5,9 11 1,7 Dürnberg, Raddatz Schleswig 2300 5,5 41 1,8 Looft, Grünkorn Dänischer Wohld 280 8,0 7 2,5 Martens, Günther Plön 900 10,0 32 3,6 Grünkorn Westensee 300 11,0 13 4,3 Clemens Segeberg 500 12,0 22 4,4 Grünkorn Lauenburg 800 24,4 82 10,3 Dreifke 7190 219 203

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Corax 15 (1993)

Brutbestandsentwicklung und Verbreitung des Kolkraben (Corvus corax) in Schleswig-Holstein

T. Grünkorn

GRÜNKORN, T. (1993): Brutbestandsentwicklung und Verbreitung des Kolkraben (Corvus corax)

in Schleswig-Holstein. Corax 15: 203 -210

1991 wurde auf acht Probeflächen (insg. ca. 7200 km2) der Brutbestand des Kolkraben von Mitglie-dern der OAG erfaßt und durch eine Umfrage innerhalb der Landesjägerschaft und der Forstäm-ter sowie zufälliger Einzelnachweise verschiedener Personen ergänzt. 344 Bruten wurden durch Horstfunde nachgewiesen. Die Siedlungsdichte reicht von 0,8 Bp/100 km2 im Westen (Kreis Dithmarschen) bis 10,3 Bp/ 100 km2) im Südosten des Landes (Kreis Hzgt. Lauenburg). Die Siedlungsdichte ist signifikant mit dem Waldflächenanteil der Probefläche korreliert. Diese hohe Abhängigkeit ermöglicht eine Schät-zung des Landesbestandes von 400-450 Brutpaaren (3 Bp/100 km2). Sechs Probeflächen (insg. 5790 km2) wurden mindestens fünf Jahre untersucht. Auf allen Flächen hat der Brutbestand seit An-fang bzw. Mitte der achtziger Jahre deutlich zugenommen.

Die Faktoren, welche die Verbreitung der Brutpaare beeinflussen, werden diskutiert. Besondere Bedeutung hat dabei die intraspezifische Konkurrenz.

Thomas Grünkorn, Institut für Haustierkunde, Olshausenstr. 40, 24118 Kiel

Einleitung

Eine Vielzahl von Orts- und Flurnamen sowie zahlreiche Mythen und Sagen um den „Wotans-vogel" in Norddeutschland belegen, daß der Kolk-rabe weitverbreitet und „jahrhundertelang ein Charaktervogel der deutschen Urlandschaft" war (BRINKMANN 1933). EMEIS (1929) bezeichnet die Art als ein „Naturdenkmal der schleswig-schen Buchenwälder". Als auffälliger Großvogel zog er stets das Interesse der Jäger und später auch der Faunisten, Verhaltensforscher und Na-turschützer auf sich. Deshalb konnten Areal- und Bestandsveränderungen großräumig gut verfolgt werden. Im westlichen Mitteleuropa war abgese-hen vom Alpengebiet nur Schleswig-Holstein ständig besiedelt. Die Wiederbesiedlung Meck-lenburgs, Niedersachsens und Dänemarks in den 50er und 60er Jahren nahm hier ihren Ausgang (SCHULTZ-SOLTAU 1962, DYBBRO 1976, PRILL 1982).

Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, die Brutbe-standsentwicklung des Kolkraben in Schleswig-Holstein fortzuschreiben. Es wird diskutiert, wel-che Faktoren Verbreitung und Siedlungsdichte steuern.

Neben eigenen Kartierungen konnte ich auf langjährige Untersuchungen von Mitgliedern der Ornithologischen Arbeitsgemeinschaft für Schles-

wig-Holstein und Hamburg e. V. zurückgreifen, deren Ergebnisse hier erstmalig zusammenfas-send dargestellt werden.

Danken möchte ich den Probeflächenbearbei-tern für die uneigennützige Überlassung ihrer langjährigen Ergebnisse: G. BUSCHE, C. CLE-MENS, R. DREIFKE, H. DÜRNBERG, V. LOOFT, H.-D. MARTENS, R. MEIER, H.-J. RADDATZ, H. ROBITZKY. Für die kritische Durchsicht des Manuskripts danke ich Dr. W. KNIEF und V. LOOFT.

Methode

Tab. 1: Abundanzen [Brutpaare (Bp)/100 km'] des Kolkraben 1991 auf Probeflächen

Table 1: Densities [breeding pairs (Bp)/100 km'J of the Common Raven in 1991 in study areas

Probefläche Größe [km'] Wald [/o] Bp Bp/100 km' Bearbeiter

Kreis Dith- marschen

1450 2,9 11 0,8 Meier, Ro-bitzky, Rose

Kreis Pinne- berg

660 5,9 11 1,7 Dürnberg, Raddatz

Schleswig 2300 5,5 41 1,8 Looft, Grünkorn

Dänischer Wohld

280 8,0 7 2,5 Martens, Günther

Plön 900 10,0 32 3,6 Grünkorn

Westensee 300 11,0 13 4,3 Clemens

Segeberg 500 12,0 22 4,4 Grünkorn

Lauenburg 800 24,4 82 10,3 Dreifke

7190 219

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T. GRÜNKORN: Brutbestandsentwicklung und Verbreitung des Kolkraben in Schleswig-Holstein

Kartierung

Das Brutvorkommen des Kolkraben wurde 1991 auf acht Probeflächen in den verschiedenen Na-turräumen Schleswig-Holsteins untersucht (Tab. 1). Die insgesamt bearbeitete Flächengröße be-trägt ca. 7200 km2 (46 % der Landesfläche). Von Mitte Februar bis zum Laubaustrieb (Ende April) wurde festgestellt, ob traditionelle Brut-plätze besetzt waren und gezielt nach neuen Hor-sten gesucht. Wir haben alle in Frage kommen-den Biotope, darüber hinaus aber auch die für den Kolkraben im allgemeinen nicht typischen Lebensräume, untersucht. In der Regel waren die Probeflächen seit mehreren Jahren bearbeitet und traditionelle Reviere sowie Aufbau und Al-terszusammensetzung des Waldes bekannt. In Waldbeständen, die der bisherigen Habitatpräfe-renz entsprechen, dürften nur sehr wenige Brut-paare übersehen worden sein. Kolkraben verhalten sich in Horstnähe durch ihre Warnrufe und weithin sichtbaren Balzflüge sehr auffällig. Dieses Verhalten weist bereits häu-fig auf den Brutplatz hin, so daß die gezielte Horstsuche weniger aufwendig wird. Zusätzlich können Schlafplätze eines Paares, Funde von Mauserfedern und Kotkleckse auf ein besetztes Revier hinweisen. In Einzelfällen wurde ein Horst erst im Folgejahr seines Bestehens entdeckt. Er ist — zumal bei Be-steigung des Horstbaumes — durch seinen Zustand und seine Schichten als vorjährig zu erkennen. Nur der Fund eines besetzten Horstes wurde als Brutnachweis gewertet. Im Unterschied zu verschiedenen Greifvogelar-ten schließen sich nicht geschlechtsreife Raben und adulte Nichtbrüter zu Freß- und Schlafplatz-

gemeinschaften zusammen (HUBER 1988, HEIN-RICH 1989) und treten nicht in den Brutwäldern auf. Ich habe deshalb jeden von Kolkraben neu gebauten oder erneuerten Horst als begonnene Brut gewertet. Wurden später zum Zeitpunkt der Beringung keine Nestjungen nachgewiesen, habe ich eine Brutaufgabe angenommen.

Die landesweite Brutbestandserfassung wurde 1991 durch Meldungen von Jägern und der Forst-amtsleiter unterstützt, deren Angaben in der Re-gel überprüft wurden. Mitarbeiter der Preussen Elektra und der Schleswag teilten Bruten auf Hochspannungsmasten mit.

Auf der Untersuchungsfläche Schleswig wurde von V. LOOFT und mir auch der Brutbestand des Habichts (Accipiter gentilis) kartiert.

Bestimmung der Dispersion der Brutpaare

In ungestörten Tierpopulationen sind die einzel-nen Individuen, Paare oder Kolonien in artspezi-fischer Weise im Raum verteilt. Dieser Zustand der Verteilung wird als Dispersion bezeichnet (WYNNE-EDWARDS 1962). Mit statistischen Ver-teilungstests (z. B. „Nearest-Neighbour-Method", CLARK & EVANS 1954) läßt sich die Zufälligkeit der Dispersion prüfen. Ich habe die Entfernun-gen zwischen benachbarten, besetzten Kolkra-benhorsten auf den Untersuchungsflächen Schleswig, Plön, Segeberg und Lauenburg be-stimmt. Dazu wurden die Horststandorte in die Kreiskarten (Schleswig 1:100 000, Segeberg und Plön 1:75 000) eingetragen und mit einer Genau-igkeit von einem Millimeter von der Karte abge-lesen. Für die Fläche Lauenburg lag eine Über-sichtskarte mit den Horststandorten im Maßstab 1:250 000 von R. DREIFKE vor.

50

45 •

40

35 •

I

30

25

g 20

15

10

10

Lauenburg NW (P< 0.001)

I 111111111

Ab

und

anz

(Bpt

loo

qkm

)

7

6

5

4 Westensee (Pc 0,05)

Dan. Wehld (Pc 0.001)

Kreis Pinneberg (Pc 0,05) Schleswig (Pc 0,001)

Kreis DrIhmerschen (Pc 0,001)

50 55 60 65 70 75 80 85 90

Jahre (1951 - 1993)

0

80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91

Jahre (1980-1991)

Abb. 1: Brutpaare (Bp) des Kolkraben auf der Probefläche „Schleswig" (2300 km2) von 1951 bis 1993 (Anga-ben bis 1980 aus LOOFT 1983)

Fig. 1: Common Raven breeding pairs (Bp) in the study area „Schleswig" (2300 km2) from 1951 to 1993 (data up to 1980 out of Looft 1983)

Abb. 2: Entwicklung der Abundanz (Regressionsgeradcn) des Kolkraben auf Probeflächen seit Beginn bzw. Mitte der 80er Jahre. (Zugrundeliegende Daten S. GRÜNKORN 1991)

Fig. 2: Development of densities (linear regression) of the Common Raven in study areas since the beginning re-spectively the middle of the eighties

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Ergebnisse

Brutbestandsentwicklungen und Siedlungsdichten 1991

Auf sechs Probeflächen (Schleswig, Kreis Dith-marschen, Dänischer Wohld, Lauenburg NW, Kreis Pinneberg, Westensee) ist der Brutbestand seit mindestens fünf Jahren erfaßt worden, auf der Untersuchungsfläche Schleswig seit 1951. Hier ist der Brutbestand bis zum Ende der sieb-ziger Jahre stark zurückgegangen (Abb. 1). Auf allen Flächen zeichnet sich zwischen 1980 und

Corax 15 (1993)

1990 eine positive Bestandsentwicklung ab (Abb. 2). Die Zunahme war im Südosten des Landes (Lauenburg NW) am stärksten. Seit 1990 bleibt der Brutbestand auf der Probefläche Schleswig konstant.

1991 wurden 344 Bruten des Kolkraben in Schles-wig-Holstein nachgewiesen (Abb. 3). Die Sied-lungsdichten reichten von 0,8 Bp/100 km2 im We-sten (Kreis Dithmarschen) bis 10,3 Bp/100 km2 im Südosten des Landes (Lauenburg) (Tab. 1).

0 10 20 30 40 50 km

1 1

Abb. 3: Brutnachweise des Kolkraben 1991 in Schleswig-Holstein (eine Dokumentation der Horststandorte befindet sich im Ar- chiv der Staatlichen Vogelschutzwarte Schleswig-Holstein)

Fig. 3: Recorded breeding pairs of the Common Raven 1991 in Schleswig-Holstein

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T. GRÜNKORN: Brutbestandsentwicklung und Verbreitung des Kolkraben in Schleswig-Holstein

Dispersion der Brutpaare

Die Siedlungsdichte (Bp/100 km2) ist mit dem Waldflächenanteil der Untersuchungsfläche hoch-signifikant positiv korreliert (Abb. 4). Die Anzahl und Verteilung potentieller Bruthabitate ist die

12

10 E

8

‚5, = -0.823.0.4.6.1

2

10 15 20

25 Waldflächenanteil der Probefläche (%)

Abb. 4:

Abundanz [Brutpaare (Bp)/100 km2] des Kolkra- ben in Abhängigkeit vom Waldflächenanteil der Probefläche

Fig. 4: Density IBreeding pairs (Bp)/100 km2J of the Com- mon Raven in relation to the amount of woodland in the study area

Elmholz und Stenderup/ SL

Klosterforst Preetz/ PLÖ

• Brutplätze 1990

• Brutplatz, 1988

• Brutplätze 1991

• Brutplätze 1989

Schönwohld und Hansdorf/ RD

4

• Brutplätze 1989

• Brutplätze 1990

d

Abb. 5:

Fallbeispiele kleinräumiger Verlagerung von Horststandorten des Kolkraben nach An- oder Umsiedlung von benachbarten Brutpaaren (Schraffur A Waldfläche)

Fig. 5:

Examples of short distance changes of nest sites of the Common Raven after new or different breeding sites of neighbouring breeding pairs

bestimmende Größe der Siedlungsdichte des Kolkraben in Schleswig-Holstein. Die Marschen weisen aufgrund ihres geringen Baumbestandes nur wenige Brutpaare zumeist in Reiherkolonien auf. Die Nordseeinseln sind überhaupt nicht be-siedelt.

Neben dem relativen Flächenanteil ist das Alter eines Waldbestandes ein entscheidender Parame-ter für die Verbreitung und Siedlungsdichte des Kolkraben. Die Altersstruktur der schleswig-hol-steinischen Wälder ist ausgesprochen ungünstig, denn zwei Drittel aller Wälder sind jünger als 60 Jahre (MELFF 1989) und eignen sich im allge-meinen nicht als Bruthabitat.

Die hochsignifikante Korrelation von Siedlungs-dichte und Waldfläche (Abb. 4) ermöglicht eine Hochrechnung des Brutbestandes für jeden Landkreis. Daraus ergibt sich ein Brutbestand in Schleswig-Holstein von 400-450 Paaren (3 Brut-paare/100 km2).

Die Kolkrabenhorste sind auf den untersuchten Flächen signifikant regelmäßig verteilt. Der mitt-lere Abstand beträgt für die Flächen Schleswig 4,6 km, Segeberg 3,4 km, Plön 3,3 km und Lau-enburg 2,4 km.

Auch kleinräumige Verteilungsmuster aufeinan-derfolgender Jahre weisen auf intraspezifische Konkurrenz hin (Abb. 5). Die Umsiedlung oder Revierneugründung eines Brutpaares beeinflußt den Horststandort der benachbarten Paare. Die Umsiedlungen verdeutlichen das Bestreben, den maximal möglichen Abstand zum Brutnachbarn einzuhalten.

Weiterhin habe ich die Lage und Anzahl von Ha-bichtsrevieren in bezug auf die Dispersion des Kolkraben untersucht. Auf der Probefläche Schleswig war die Siedlungsdichte des Habichts 1991 mit 1,9 Bp/100 km2 (44 Bp) gegenüber 1,8 Bp/ 100 km° (41 Bp) des Kolkraben fast iden-tisch.

Prüft man die Regelmäßigkeit der Abstände zwi-schen einem Kolkrabenhorst und dem jeweils nächsten Habichtshorst der Probefläche Schles-wig mit Hilfe der „Nearest-Neighbour-Method", ergibt sich eine signifikant geklumpte Verteilung (R = 0,6, p <0,05). Auf dieser Fläche brüteten 1991 in 16 der 41 Brutwälder des Kolkraben Ha-bichte im selben Wald. In diesen Wäldern zeigte sich jedoch keine Tendenz zu besonders naher oder weiter Entfernung der Horststandorte zu-einander.

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Corax 15 (1993)

Diskussion Brutbestandsentwicklung

Die Untersuchungen auf der Probefläche Schles-wig und die früheren landesweiten Angaben (Tab. 2) zeigen einen starken Rückgang des Brut-bestandes von 1950 bis 1970. Auf der Probefläche Schleswig stagniert der Brutbestand zwischen 1970 und 1980. Zwischen 1980 und 1990 ist die Brutbestandsentwicklung auf sechs Probeflächen positiv. Die Entwicklungstendenzen (1. Ab-nahme, 2. Stagnation, 3. Zunahme) sind aufgrund der Anzahl und der Ausdehnung der Probe-flächen sowie des langen Bearbeitungszeitraums glaubhaft. Tab. 2: Landesweite Angaben zum Brutbestand des Kolkra-

ben in Schleswig-Holstein

Table 2: Data of records and estimations of the breeding stock of the Common Raven in Schleswig-Holstein

Jahr Nachweise Schätzung Quelle

1961 (228) (250) KÖNIG 1952 1953 (300) SCHMIDT 1957

1966 192 LOOFT 1967 1978 128 LOOFT 1983 1982 110 MELF 1982 1991 344 400-450 GRÜNKORN 1991

Die Auswertung der bisher (1985-1993) im Rah-men der Brutvogelatlaskartierung bearbeiteten Flächen bestätigt die Größenordnung des für 1991 geschätzten Brutbestandes von 400-450 Brutpaaren (GALL in Vorb.).

Scinderjylland/DK wies 1991 mit 110 Brutpaaren eine Dichte von 2,7 Bp/100 km2 auf (H. CHRI-

STENSEN briefl.); für Mecklenburg wurde zuletzt eine Dichte von mindestens 4,7 Bp/100 km2 ange-geben (PRILL 1987).

Mit durchschnittlich 3 Bp/100 km2 liegt die Sied-lungsdichte in Schleswig-Holstein auf dem von Südosten nach Nordwesten abfallenden Dichte-gradienten.

Folgende Befunde weisen darauf hin, daß es in den fünfziger Jahren in Schleswig-Holstein mehr Raben gegeben hat als heute:

Auf der Untersuchungsfläche Schleswig stehen den 49 Brutnachweisen von 1951 (KÖNIG 1952) 41 für 1991 gegenüber. Die Angaben GÜNTHERS,

der die Erfassung im südöstlichen Landesteil durchführte, sind sicherlich zu niedrig ausgefal-len, da er seine Information ausschließlich über Umfragen erhielt. Eine flächendeckende Horst-suche unterblieb in diesem Landesteil. Auch eine Umfrage von BRÜLL (1957) ergab damals höhere

Brutbestände. Mit einer Umfrage in den Staats-forstrevieren des Forstamtes Schleswig ermittelte er im Jahr 1954 17 besetzte Kolkrabenhorste, während die flächendeckende Horstsuche 1991 lediglich 9 Brutnachweise erbrachte.

Ins Bild paßt auch, daß BECKMANN (1951) ver-mutete, daß „in den Kreisen Eckernförde, Plön und Oldenburg wohl jedes Gutsgehölz sein Ra-benpaar hat". So dürften die landesweite Be-standsangabe von 1951 mit 250 Brutpaaren (Kö - NIG 1952) und die Bestandsschätzung von 1953 mit 300 Brutpaaren (SCHMIDT 1957) zu niedrig sein. Wahrscheinlich lag der Landesbestand An-fang der fünfziger Jahre in der Größenordnung des heutigen Bestandes oder — wie im Landesteil Schleswig — sogar darüber. Die zwischenzeitliche Abnahme des Brutbestan-des seit Anfang der sechziger Jahre und die anschließende Stagnation während der siebziger Jahre ist durch menschliche Verfolgung verur-sacht (LooFT 1967, 1971, 1983). Regionale Bestandsveränderungen können auch durch die Bestandsentwicklung in benachbarten Gebieten verursacht werden. Die Siedlungs-dichte kann sich durch die Ansiedlung von Jung-raben erhöhen. Später weichen dann in erster Li-nie Jungraben einem zunehmenden „Populati-onsdruck" durch Dismigration aus — ein Mecha-nismus aktiver intraspezifischer Dichteregula-tion. Im nördlichen Mitteleuropa ist die Bestand-sentwicklung hinreichend gut dokumentiert, so daß mögliche wechselseitige Beeinflussungen diskutiert werden können. Verschiedene Regio-nen zeigen gegenläufige Bestandsentwicklungen, welche sich in vier Phasen gliedern lassen. In der 1. Phase (1940-1950) ist das Brutareal des Kolkraben in der norddeutschen Tiefebene auf Schleswig-Holstein und den Süden Dänemarks beschränkt. Jungraben siedeln sich vermutlich im selben Gebiet an, der Brutbestand nimmt zu. Go-THE (1961) vermutet weiterhin einen Zuzug aus Schweden. Während der 2. Phase (1950-1970) nimmt der Bestand in Schleswig-Holstein stark ab (LooFT 1965, 1967, 1971), gleichzeitig dehnt sich das Brutareal auf Niedersachsen (ScHuLTz-SoLTAu 1962) und Mecklenburg (GoTHE 1961) aus. Die 3. Phase (1970-1980) ist gekennzeichnet durch eine Stagnation des Brutbestandes in Schleswig-Holstein und eine Zunahme in den Nachbargebieten Dänemark, Mecklenburg und Niedersachsen. Vermutlich steigt der Brutbe-

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T. GRÜNKORN: Brutbestandsentwicklung und Verbreitung des Kolkraben in Schleswig-Holstein

stand durch Ansiedlung autochthoner Jungraben an. Mit der Bestandszunahme in Mecklenburg geht eine Arealausdehnung einher. PRILL (1983) zeigt eine durch Ringfunde belegte Dismigration der Raben mit abnehmender Siedlungsdichte Richtung Südosten.

In der 4. Phase (1980-1990) ist ein steigender Brutbestand in Schleswig-Holstein bei gleichblei-bender Siedlungsdichte in Mecklenburg zu beob-achten. Die großräumige Siedlungsdichte Meck-lenburgs schätzte PRILL (1987) auf mindestens 4,7 Bp/100 km2. In Schleswig-Holstein wurde erst in den letzten Jahren wieder eine landesweite Abundanz von 3 Bp/100 km2 erreicht. Eine Dis-migration von Jungraben — dem Dichtegradien-ten von SE nach NW folgend — ist anzunehmen.

Dispersion: intra- und interspezifische Konkurrenz

Für das Verteilungsmuster einer Art können An-zahl und Verteilung der potentiellen Bruthabi-tate, intra- und interspezifische Rivalität, sowie Auftreten und Verfügbarkeit der Nahrung aus-schlaggebend sein.

Regelmäßige Verteilung von Brutpaaren setzt eine gleichmäßige Streuung potentieller Brut-plätze voraus. In Schleswig-Holstein gibt es eine annähernd gleichmäßige Verteilung der Brutha-bitate in jedem Naturraum. Mit Hilfe der „Nea-rest-Neighbour-Method" (CLA RK & EVANS 1954) konnte das Wirken intraspezifischer Kon-kurrenz nachgewiesen werden. Die Paare ver-suchten, den jeweils größtmöglichen Abstand zum nächsten Nachbarn einzunehmen.

Regelmäßige Abstände zwischen Horsten gelten als Indiz für intakte Populationen (BEDNAREK 1975), große Lücken und unregelmäßige Vertei-lung gäben einen Hinweis auf Störungen. Weiter-hin diskutiert BEDNAREK den Abstand zwischen Horsten als Maß für die Leistungsfähigkeit des Habitats.

Kolkraben brüten in Ermangelung der bevorzug-ten Altholzstandorte auch in Fichtenstangenhöl-zern, Baumreihen, Hochspannungsmasten u. a.. 1991 brüteten in Schleswig-Holstein fünf Paare in Hochspannungsmasten. DREIFKE (1990) beob-achtete auf der Fläche Lauenburg NW bei zu-nehmender Siedlungsdichte „eine vermehrte Be-siedlung kleiner Gehölze (und Baumreihen), die auf halber Strecke in geeignetem Revierabstand zwischen den 'Waldraben' liegen". Diese Ent-wicklung führte zu einer sehr gleichmäßigen Be-siedlung seiner Untersuchungsfläche.

Mangels spezieller (z. B. telemetrischer) Unter-suchungen liegen keine Angaben zur Raum-Zeit-Nutzung und zur Revierausdehnung des Kolkra-ben vor. Als Näherung an diese Größe werden le-diglich über die Siedlungsdichte berechnete theo-retische Reviergrößen („Papierreviere") angege-ben. Ich habe in dieser Arbeit den Abstand zwi-schen zwei besetzten Rabenhorsten als Maß in-nerartlicher Konkurrenz und/oder Interferenz bestimmt. Dieser Abstand wurde bisher selten angegeben. In der Literatur werden häufig nur Minimalabstände angeführt, die für die jeweilige Siedlungsdichte keineswegs repräsentativ sind. Bei dichter Besiedlung gleichmäßig verteilter Bruthabitate kann eine regelmäßige Verteilung der Brutplätze als Indiz für intraspezifische Terri-torialität angesehen werden. Eine über den intra-spezifischen Horstabstand oder die Abundanzbe-stimmung berechnete „Reviergröße" ist lediglich ein Maß der Siedlungsdichte. Der Flächenan-spruch oder gar eine optimale „Reviergröße" kann auf diese Weise nicht bestimmt werden. Ei-nige Autoren werten die ihnen vertraute Abun-danz und die daraus berechnete „Reviergröße" als optimal oder sogar als Kapazitätsgrenze des Gebietes. GOTHE (1961) sah entsprechend der da-maligen Bestandssituation des Kolkraben in Meck-lenburg Reviergrößen um 50 km2 (2,1 Bp/100 km2) als günstig an: „Diese Fläche entspricht offen-sichtlich den optimalen Verhältnissen" und „der Kolkrabe scheint an einer bestimmten Revier-größe streng festzuhalten und somit ein bestimm-tes Raumbedürfnis zu zeigen." SELLIN (1991) stellte auf seiner Untersuchungsfläche in Vorpom-mern eine deutlich geringere theoretische Revier-größe fest und fand einen Bruterfolg von 0,8 Nestjungen pro Brutpaar. Daraus schließt er, daß die gegenwärtige Siedlungsdichte (1990: 21,4 Bp/100 km2) eine optimale Revierausdeh-nung eines Kolkrabenpaares nicht mehr ermög-licht. Die optimale Reviergröße eines Paares sollte durch den höchsten Reproduktionserfolg defi-niert werden. Für Vorpommern vermutet SELLIN eine Reviergröße mit maximalem Reproduktions-erfolg von 20 km2. Im Norden Schleswig-Holsteins ist bei einem Horstabstand von mehr als 2,5 Kilo-metern, der einer theoretischen Reviergröße von ca. 5 km2 entspricht, der Gesamtbruterfolg nicht beeinträchtigt (Abb. 6). Negative Auswirkungen intraspezifischer Konkurrenz waren ab diesem Horstabstand nicht mehr nachweisbar.

Interspezifische Territorialität ist nach ORIANS & WILLSON (1964) meist Ausdruck von Extrembe-

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Corax 15 (1993)

4 •

Ä 3

2

9=323 (-1/x) + 4,09, r= 094 p< 091 n=190

0

2 3 4 5 6

7

Intraspezifischer Horstabstand (Im)

Abb. 6: Gesamtbruterfolg des Kolkraben in Abhängigkeit vom intraspezifischen Horstabstand in 0,5-km-Klassen auf der Fläche Schleswig (1988-1991)

Fig. 6:

Breeding success of the Common Raven in relation to the intraspecific distance between eyries in a scale of 0.5 km in Schleswig (1988-1991)

dingungen, wie etwa einfach strukturierte Bio-tope, Mangel an Brut- oder Nahrungshabitaten. Im waldarmen Schleswig-Holstein sind es die we-nigen Altholzbestände, um die Kolkrabe und Ha-bicht konkurrieren. Zwischen beiden Arten wer-den häufig aggressive Auseinandersetzungen be-obachtet. Die mit Hilfe der „Nearest-Neighbour-Method" ermittelte geklumpte Verteilung ihrer Horste ist deshalb nur darauf zurückzuführen, daß sie ähnliche Ansprüche an das Bruthabitat stellen. Zudem vermutet KOSTRZEWA (1987), daß in unserer Kultur- und Erholungslandschaft kleinräumige Ruhezonen eine erhöhte Besied-lung zeigen (Inseleffekt). GOTHE (1962) hinge-gen vermutet neben ähnlichen Biotopansprüchen „engere Beziehungen" zwischen Kolkraben und Greifvögeln, diskutiert diese jedoch nicht. PRILL (1985) stellt einen überdurchschnittlichen Brut-erfolg der in Nachbarschaft von Kolkraben brü-tenden Greifvögel fest. Für das waldarme Dith-marschen teilt R. MEIER (briefl.) auffallend ge-ringe Horstabstände (70-200 m) zwischen Kolk-rabe und Habicht mit. Hingegen ist nach ELLEN-BERG & DREIFKE ( 1 992) im waldreichen Lauen-burg benachbartes Brüten selten. Die Wälder sind im südöstlichen Landesteil durchschnittlich größer. Damit können möglicherweise die beiden Arten hier den tatsächlich bevorzugten Abstand zueinander einnehmen.

Entscheidend für die regelmäßige Verteilung der Kolkrabenreviere ist die Menge und Verfügbar-keit der Nahrung. Solitäres Brüten tritt bei Vo-gelarten auf, deren Nahrung regelmäßig verteilt und vorhersagbar ist (CRooK 1975, LACK 1968, WARD & ZAHAVI 1973). Als Allesfresser ernährt sich der Kolkrabe außer von Aas insbesondere während der Jungenaufzucht von Kleinsäugern

und Wirbellosen. Bei gleichmäßig verteilter Nah-rung ist es ökonomischer für Individuen oder Paare, sich in verteidigten Territorien regelmäßig über die Fläche zu verteilen, um in einem be-grenzten Radius um den Horst nach Nahrung zu suchen. Außerhalb der Brutzeit werden fle-xiblere Strategien möglich, da die häufige Rück-kehr zum Neststandort entfällt. Sind zudem die Nahrungsquellen geklumpt und unvorhersagbar in Raum und Zeit, ist es effizienter, sich zusam-menzuschließen. Dabei werden größere Flächen nach Nahrung abgesucht, und die Raben können an den Funden anderer teilhaben. So ermöglicht der Zusammenschluß der nichtbrütenden Kolk-raben, gemeinsame Schlafplätze als „Informati-onszentren" (z. B. über Nahrungsquellen) zu nut-zen (WARD & ZAHAVI 1973, HEINRICH 1989).

In der Kulturlandschaft nutzen auch die Nicht-brüter vorhersagbare Nahrungsquellen in Form von offenen Hausmülldeponien. Die ursprünglich (als „evolutionary stable strategy") durch eine op-timierte Nahrungssuche entstandene Verbands-bildung erscheint heute lediglich als ein „Gesel-ligkeitsbedürfnis" nichtbrütender Kolkraben.

In offenen Landschaften (Nahrungshabitat) mit einem hohen Waldanteil (Nisthabitat) erreicht der Kolkrabe hohe Siedlungsdichten. Schleswig-Holstein ist waldarm (8,9 %). Die aufgestellte Be-ziehung zwischen zunehmender Siedlungsdichte und steigendem Waldanteil gilt nur für gering be-waldete Regionen. In diesen limitiert neben der Nahrungssituation vor allem die Anzahl und Ver-teilung potentieller Brutplätze die Siedlungs-dichte des Kolkraben. MARQUISS et al. (1978) be-legen, daß nach großflächigen Aufforstungen im Norden Englands (Lake Distrikt) traditionell be-setzte Reviere verwaisten, weil mit dem Rückzug der extensiven Schafhaltung den Raben das Nah-rungshabitat entzogen worden war.

Summary: Development and dispersion of the Common Raven (Corvus corax) breeding Popu-lation in Schleswig-Holstein

In 1991 a survey of breeding Common Raven was carried out in Schleswig-Holstein. Data was collected in eight study areas (total 7,200 km2) by members of the OAG, further data was provided by a survey carried out by the hunting and forestry organisation and by a number of other observers. 344 breeding pairs with eyries were reported.

The density ranges from 0.8 breeding pairs (Bp)/100 km2 in the west (Kreis Dithmarschen) to

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T. GRÜNKORN: Brutbestandsentwicklung und Verbreitung des Kolkraben in Schleswig-Holstein

Balzende Kolkraben Displaying Ravens

10.3 Bp/100 km2 in the southeast of Schleswig-Holstein (Kreis Hzgt. Lauenburg). The density is significantly correlated to the amount of wood-land in the study area. This relation allows a valid estimation of 400-450 breeding pairs (3 Bp/ 100 km2) for Schleswig-Holstein. The develop-ment of the number of breeding pairs is reported from six study areas which have been surveyed over a period of at least five years. Since the be-ginning, in some areas the middle, of the eighties the population development has been signifi-cantly positive. Intraspecific competition is discussed as an im-portant cause of the regular dispersion of indivi-duals of this species.

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Foto: GRÜNKORN

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