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P. b . b . Erscheinungsort Wien, Verlagspostamt 1030 Wien 3299 BUNDESGESETZBLATT FÜR DIE REPUBLIK ÖSTERREICH Jahrgang 1973 Ausgegeben am 28. November 1973 135. Stück 569. Bundesgesetz: Verfahrenshilfegesetz 570. Bundesgesetz: Änderung der Rechtsanwaltsordnung 569. Bundesgesetz vom 8. November 1973, mit dem das Einführungsgesetz zur Zivil- prozeßordnung, die Zivilprozeßordnung, die Strafprozeßordnung, das Jugendgerichts- gesetz, das Verwaltungsgerichtshofgesetz und das Allgemeine Verwaltungsverfahrens- gesetz zur Regelung der Verfahrenshilfe geändert werden (Verfahrenshilfegesetz) Der Nationalrat hat beschlossen: Artikel I Änderung des Einführungsgesetzes zur Zivil- prozeßordnung Der Artikel XXXIII des Gesetzes vom 1. Au- gust 1895, RGBl. Nr. 112, betreffend die Ein- führung der Zivilprozeßordnung, zuletzt ge- ändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 181/ 1967, wird aufgehoben!. Artikel II Änderung der Zivilprozeßordnung Die Zivilprozeßordnung vom 1. August 1895, RGBl. Nr. 113, zuletzt geändert durch das Bun- desgesetz BGBl. Nr. 121/1973, wird wie folgt geändert: 1. Im Abs. 3 zweiter Satz des § 31 treten an die Stelle des Wortes „einjährige" das Wort „neunmonatige" und an die Stelle des Wortes „zweijährige" das Wort „achtzehnmonatige". 2. Der Siebente Titel des Ersten Abschnitts des Ersten Teiles hat zu lauten: „Siebenter Titel Verfahrenshilfe § 63. Verfahrenshilfe ist einer Partei so weit zu bewilligen, als sie außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchti- gung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. Als notwendiger Unterhalt ist derjenige Unterhalt anzusehen, den die Partei für sich und ihre Familie, für deren Unterhalt sie zu sorgen hat, zu einer einfachen Lebensführung benötigt. Als mutwillig ist die Rechtsverfolgung besonders anzusehen, wenn eine nicht die Verfahrenshilfe beanspruchende Partei bei verständiger Würdigung aller Umstände des Falles, besonders auch der für die Eintreibung ihres Anspruchs bestehenden Aussichten, von der Führung des Verfahrens absehen oder nur einen Teil des Anspruchs geltend machen würde. Einer juristischen Person oder einem sonstigen parteifähigen Gebilde ist die Verfahrenshilfe zu bewilligen, wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder von ihr (ihm) noch von den an der Führung des Verfahrens wirt- schaftlich Beteiligten aufgebracht werden können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint; das gleiche gilt für ein behördlich bestelltes Organ oder einen gesetz- lichen Vertreter, die für eine Vermögensmasse auftreten, wenn die zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel weder aus der Vermögens- masse noch von den an der Führung des Ver- fahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebracht werden können. Einer ausländischen Partei darf die Verfahrens- hilfe nur unter der Voraussetzung der Gegen- seitigkeit gewährt werden, soweit nicht durch Staatsverträge etwas anderes festgesetzt ist. Ist die Einhaltung der Gegenseitigkeit zweifelhaft, so ist darüber die Auskunft des Bundesministers für Justiz einzuholen. Staatenlose stehen Inlän- dern gleich. Die Bestimmungen über die Verfahrenshilfe gelten auch für den Nebenintervenienten. § 64. Die Verfahrenshilfe kann für einen be- stimmten Rechtsstreit und ein spätestens inner- halb eines Jahres nach Abschluß des, Rechtsstreits eingeleitetes Vollstreckungsverfahren die folgen- den Begünstigungen umfassen: 1. die einstweilige Befreiung von der Entrich- tung a) der Gerichtsgebühren, Ausfertigungskosten und anderen bundesgesetzlich geregelten staatlichen Gebühren; 12 291

BUNDESGESETZBLATT...135. Stück Ausgegeben am 28. November 1973 Nr. 569 3301 Das Prozeßgericht erster Instanz hat von Amts wegen oder auf Antrag auch des bestellten Rechtsanwalts

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P . b . b . Erscheinungsort Wien, Verlagspostamt 1030 Wien

3299

BUNDESGESETZBLATTFÜR DIE REPUBLIK ÖSTERREICH

Jahrgang 1973 Ausgegeben am 28. November 1973 135. Stück

569. Bundesgesetz: Verfahrenshilfegesetz5 7 0 . Bundesgesetz: Änderung der Rechtsanwaltsordnung

5 6 9 . Bundesgesetz vom 8. November 1973,mit dem das Einführungsgesetz zur Zivil-prozeßordnung, die Zivilprozeßordnung, dieStrafprozeßordnung, das Jugendgerichts-gesetz, das Verwaltungsgerichtshofgesetzund das Allgemeine Verwaltungsverfahrens-gesetz zur Regelung der Verfahrenshilfe

geändert werden (Verfahrenshilfegesetz)

Der Nationalrat hat beschlossen:

Artikel I

Änderung des Einführungsgesetzes zur Zivil-prozeßordnung

Der Artikel XXXIII des Gesetzes vom 1. Au-gust 1895, RGBl. Nr. 112, betreffend die Ein-führung der Zivilprozeßordnung, zuletzt ge-ändert durch das Bundesgesetz BGBl. Nr. 181/1967, wird aufgehoben!.

Artikel II

Änderung der Zivilprozeßordnung

Die Zivilprozeßordnung vom 1. August 1895,RGBl. Nr. 113, zuletzt geändert durch das Bun-desgesetz BGBl. Nr. 121/1973, wird wie folgtgeändert:

1. Im Abs. 3 zweiter Satz des § 31 treten andie Stelle des Wortes „einjährige" das Wort„neunmonatige" und an die Stelle des Wortes„zweijährige" das Wort „achtzehnmonatige".

2. Der Siebente Titel des Ersten Abschnittsdes Ersten Teiles hat zu lauten:

„Siebenter Titel

Verfahrenshilfe

§ 63. Verfahrenshilfe ist einer Partei so weitzu bewilligen, als sie außerstande ist, die Kostender Führung des Verfahrens ohne Beeinträchti-gung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten,und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oderRechtsverteidigung nicht als offenbar mutwilligoder aussichtslos erscheint. Als notwendigerUnterhalt ist derjenige Unterhalt anzusehen, den

die Partei für sich und ihre Familie, für derenUnterhalt sie zu sorgen hat, zu einer einfachenLebensführung benötigt. Als mutwillig ist dieRechtsverfolgung besonders anzusehen, wenn einenicht die Verfahrenshilfe beanspruchende Parteibei verständiger Würdigung aller Umstände desFalles, besonders auch der für die Eintreibungihres Anspruchs bestehenden Aussichten, von derFührung des Verfahrens absehen oder nur einenTeil des Anspruchs geltend machen würde.

Einer juristischen Person oder einem sonstigenparteifähigen Gebilde ist die Verfahrenshilfe zubewilligen, wenn die zur Führung des Verfahrenserforderlichen Mittel weder von ihr (ihm) nochvon den an der Führung des Verfahrens wirt-schaftlich Beteiligten aufgebracht werden könnenund die beabsichtigte Rechtsverfolgung oderRechtsverteidigung nicht als offenbar mutwilligoder aussichtslos erscheint; das gleiche gilt fürein behördlich bestelltes Organ oder einen gesetz-lichen Vertreter, die für eine Vermögensmasseauftreten, wenn die zur Führung des Verfahrenserforderlichen Mittel weder aus der Vermögens-masse noch von den an der Führung des Ver-fahrens wirtschaftlich Beteiligten aufgebrachtwerden können.

Einer ausländischen Partei darf die Verfahrens-hilfe nur unter der Voraussetzung der Gegen-seitigkeit gewährt werden, soweit nicht durchStaatsverträge etwas anderes festgesetzt ist. Istdie Einhaltung der Gegenseitigkeit zweifelhaft,so ist darüber die Auskunft des Bundesministersfür Justiz einzuholen. Staatenlose stehen Inlän-dern gleich.

Die Bestimmungen über die Verfahrenshilfegelten auch für den Nebenintervenienten.

§ 64. Die Verfahrenshilfe kann für einen be-stimmten Rechtsstreit und ein spätestens inner-halb eines Jahres nach Abschluß des, Rechtsstreitseingeleitetes Vollstreckungsverfahren die folgen-den Begünstigungen umfassen:

1. die einstweilige Befreiung von der Entrich-tung

a) der Gerichtsgebühren, Ausfertigungskostenund anderen bundesgesetzlich geregeltenstaatlichen Gebühren;

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3300 135. Stück — Ausgegeben am 28. November 1973 — Nr. 569

b) der Kosten von Amtshandlungen außerhalbdes Gerichtes;

c) der Gebühren der Zeugen, Sachverständi-gen, Dolmetscher, Übersetzer und Beisitzer;

d) der Kosten der notwendigen Verlautbarun-gen;

e) der Kosten eines Kurators, die die Parteinach § 10 zu bestreiten hätte;

f) der notwendigen Barauslagen, die vondem vom Gericht bestellten gesetzlichenVertreter oder von dem der Partei beigege-benen Rechtsanwalt oder Vertreter gemachtworden sind; die unter den Buchstaben bbis e und die unter diesem Buchstabengenannten Kosten, Gebühren und Auslagenwerden vorläufig aus Amtsgeldern berich-tigt;

2. die Befreiung von der Sicherheitsleistungfür die Prozeßkosten;

3. sofern die Vertretung durch einen Rechts-anwalt gesetzlich geboten ist oder es nach derLage des Falles erforderlich erscheint, die vor-läufig unentgeltliche Beigebung eines Rechtsan-walts; dieser bedarf keiner Prozeßvollmacht, je-doch der Zustimmung der Partei zu einem Aner-kenntnis, einem Verzicht oder der Schließungeines Vergleiches;

4. sofern in einer Rechtssache, in der die Ver-tretung durch einen Rechtsanwalt gesetzlich nichtgeboten ist und der Partei auch ein Rechtsanwaltnicht beigegeben wird, die Klage bei einem Ge-richt außerhalb des Bezirksgerichtssprengeis ange-bracht werden soll, in dem die Partei ihren ge-wöhnlichen Aufenthalt hat, das Recht, die Klagegemeinsam mit dem Antrag auf Bewilligung derVerfahrenshilfe beim Bezirksgericht ihres ge-wöhnlichen Aufenthalts zu Protokoll zu erklärenund zu begehren, daß dieses Protokoll dem Pro-zeßgericht übersendet, und daß von diesem fürdie Partei zur unentgeltlichen Wahrung ihrerRechte bei der mündlichen Verhandlung ein Ge-richtsbediensteter oder ein Rechtspraktikant alsihr Vertreter bestellt werde; deren Auswahl ob-liegt dem Vorsteher des Gerichtes.

Bei Bewilligung der Verfahrenshilfe ist, aus-zusprechen, welche der im Abs. 1 aufgezähltenBegünstigungen und in welchem Ausmaß sie ge-währt werden. Die Begünstigung nach Abs. 1Z. 3 darf nur im vollen Ausmaß und nur zusam-men mit einer vollen Begünstigung nach Abs. 1Z. 1 Buchstabe a gewährt werden.

Die Befreiungen und Rechte nach Abs. 1 treten,soweit die Verfahrenshilfe bewilligt wird, mit demTag ein, an dem das Vermögensbekenntnis (§ 66)dem Gericht vorgelegt worden ist; wenn aberim Lauf des Rechtsstreits weitere Begünstigungenbewilligt werden, mit dem Tag der darauf be-züglichen Antragstellung.

§ 65. Die Verfahrenshilfe ist beim Prozeßge-richt erster Instanz schriftlich oder zu Protokollzu beantragen. Befindet sich der Sitz des Prozeß-gerichts außerhalb des Bezirksgerichtssprengeis,in dem die Partei ihren gewöhnlichen Aufenthalthat, so kann sie den Antrag beim Bezirksgerichtihres gewöhnlichen Aufenthalts zu Protokoll er-klären; im Fall des § 64 Abs. 1 Z. 4 kann siegemeinsam mit diesem Antrag die Klage zu Pro-tokoll erklären.

Über den Antrag auf Bewilligung der Verfah-renshilfe hat stets das Prozeßgericht erster In-stanz zu entscheiden, auch wenn sich die Notwen-digkeit hierzu erst im Verfahren vor einer höhe-ren Instanz ergibt. Der Beschluß über den Antragdarf dem Gegner frühestens mit der Klage zuge-stellt werden.

§ 66. In dem Antrag ist die Rechtssache be-stimmt zu bezeichnen, für die die Verfahrens-hilfe begehrt wird. Zugleich sind ein nicht mehrals vier Wochen altes Bekenntnis der Partei (ihresgesetzlichen Vertreters) über die Vermögens-,Einkommens- und Familienverhältnisse der Par-tei (Vermögensbekenntnis) und, soweit zumutbar,entsprechende Belege beizubringen; in dem Ver-mögensbekenntnis sind besonders auch die Bela-stungen anzugeben, weiter die Unterhaltspflichtenund deren Ausmaß, sowie ob eine andere Personfür die Partei unterhaltspflichtig ist. Für dasVermögensbekenntnis ist ein vom Bundesministerfür Justiz aufzulegendes und im Amtsblatt derösterreichischen Justizverwaltung kundzumachen-des Formblatt zu verwenden.

Über den Antrag ist auf der Grundlage desVermögensbekenntnisses zu entscheiden. Hat dasGericht gegen dessen Richtigkeit oder Vollstän-digkeit Bedenken, so hat es das Vermögensbe-kenntnis zu überprüfen. Hierbei kann es auchdie Partei unter Setzung einer angemessenenFrist zur Ergänzung des Vermögensbekenntnissesund, soweit zumutbar, zur Beibringung weitererBelege auffordern. Der § 381 ist sinngemäß anzu-wenden.

§ 67. Hat das Gericht die Beigebung einesRechtsanwalts beschlossen, so hat es den Aus-schuß der nach dem Sitz des Prozeßgerichts zu-ständigen Rechtsanwaltskammer zu benachrichti-gen, damit der Ausschuß einen Rechtsanwalt zumVertreter bestelle.

§ 68. Die Verfahrenshilfe erlischt mit dem Todder Partei. Das Prozeßgericht erster Instanz hatvon Amts wegen oder auf Antrag — auch desbestellten Rechtsanwalts — die Verfahrenshilfeso weit für erloschen zu erklären, als Änderungenin den Vermögensverhältnissen der Partei dieserfordern, oder die weitere Rechtsverfolgungoder Rechtsverteidigung als offenbar mutwilligoder aussichtslos erscheint.

135. Stück — Ausgegeben am 28. November 1973 — Nr. 569 3301

Das Prozeßgericht erster Instanz hat von Amtswegen oder auf Antrag — auch des bestelltenRechtsanwalts — die Verfahrenshilfe so weit zuentziehen, als sich herausstellt, daß die seinerzeitangenommenen Voraussetzungen nicht gegebengewesen sind. In diesem Fall hat die Partei dieim § 64 Abs. 1 Z. 1 genannten Beträge, von derenBestreitung sie einstweilen befreit gewesen ist,insoweit zu entrichten bzw. zu ersetzen und denihr beigegebenen Rechtsanwalt nach dem Tarifzu entlohnen. Über den Entlohnungsanspruchhat das Gericht mit Beschluß zu entscheiden.

Im Zug eines in den Abs. 1 und 2 vorgesehenenVerfahrens kann das Gericht die Parteien unterSetzung einer angemessenen Frist zur Beibrin-gung eines neuen Vermögensbekenntnisses und,soweit zumutbar, von Belegen auffordern. Der§ 381 ist sinngemäß anzuwenden.

Erklärt das Gericht die Verfahrenshilfe für er-loschen oder entzieht es sie, so bleibt der bestellteRechtsanwalt noch bis zum Eintritt der Rechts-kraft des Beschlusses berechtigt und verpflichtet,für die Partei zu handeln, soweit dies nötig ist,um sie vor Rechtsnachteilen zu schützen. Die Zu-stellung des Beschlusses, womit das Gericht dieVerfahrenshilfe für erloschen erklärt oder ent-zieht, an den Rechtsanwalt unterbricht den Laufder Frist zur Beantwortung der Klage bzw. Er-hebung von Rechtsmitteln gegen andere Entschei-dungen des Gerichtes bis zum Eintritt der Rechts-kraft des genannten Beschlusses. Mit dem Eintrittder Rechtskraft beginnt die volle Frist vonneuem zu laufen.

§ 69. Gegen denjenigen, der durch unrichtigeoder unvollständige Angaben im Vermögensbe-kenntnis (§ 66) die Verfahrenshilfe erschleicht,hat das Prozeßgericht erster Instanz eine Mut-willensstrafe (Ersatzfreiheitsstrafe) bis zum Zehn-fachen des im § 220 Abs. 1 genannten Ausmaßeszu verhängen. Derjenige, gegen den eine solcheMutwillensstrafe rechtskräftig verhängt wordenist, schuldet überdies — vorbehaltlich der Nach-zahlungspflicht der Partei (§ 68 Abs. 2) — dieGerichtsgebühren in zweifacher Höhe. Schließlichhat das Prozeßgericht den Sachverhalt in jedemFall der Staatsanwaltschaft anzuzeigen.

§ 70. Die im § 64 Abs. 1 Z. 1 genannten Be-träge, von deren Bestreitung die Partei einstwei-len befreit ist, sind unmittelbar beim Gegnereinzuheben, soweit diesem die Kosten des Rechts-streits auferlegt worden sind oder er sie in einemVergleich übernommen hat. Das Gericht hat auchdann, wenn die Partei zwar obsiegt, aber keinenKostenersatz beansprucht, darüber zu entschei-den, ob und wieweit der Gegner zum Ersatzder im § 64 Abs. 1 Z. 1 genannten Beträge ver-pflichtet ist. Ist der Gegner der Partei zumKostenersatz verpflichtet, so ist bei der Kosten-

festsetzung so vorzugehen, als wäre der Rechts-anwalt der Partei nicht vorläufig unentgeltlichbeigegeben worden.

§ 71. Die die Verfahrenshilfe genießende Parteiist mit Beschluß zur Nachzahlung der Beträgezu verpflichten, von deren Berichtigung sie einst-weilen befreit gewesen ist und die noch nichtberichtigt sind, wie ebenso zur tarifmäßigen Ent-lohnung des ihr beigegebenen Rechtsanwalts, so-weit und sobald sie ohne Beeinträchtigung desnotwendigen Unterhalts dazu imstande ist. NachAblauf von drei Jahren nach Abschluß des Ver-fahrens kann die Verpflichtung zur Nachzahlungnicht mehr auferlegt werden.

In dem Beschluß über die Nachzahlung ist derPartei zunächst der Ersatz der im § 64 Abs. 1Z. 1 Buchstaben b bis f genannten Beträge aufzu-erlegen, dann die Leistung der Entlohnung desRechtsanwalts unter gleichzeitiger Bestimmungihrer Höhe und endlich die Entrichtung der im§ 64 Abs. 1 Z. 1 Buchstabe a genannten Beträge;dieser Beschluß ist erst nach Eintritt der Rechts-kraft vollstreckbar.

§ 72. Die nach diesem Titel ergehenden Be-schlüsse sind ohne mündliche Verhandlung zufassen, sofern das Prozeßgericht eine solche nichtzur Erörterung ihm erheblich scheinender Tat-sachen für erforderlich hält.

Gegen die nach diesem Titel ergehenden Be-schlüsse steht auch dem Gegner der Rekurs zu.Sein Recht, einen Antrag nach § 68 Abs. 1 oder 2zu stellen, bleibt ihm vorbehalten.

Einer Vertretung durch Rechtsanwälte bedür-fen die Parteien bei den nach diesem Titel beiGericht vorzunehmenden Handlungen auch imAnwaltsprozeß nicht. Rekurse gegen Beschlüsseüber die Verfahrenshilfe können auch bei Ge-richtshöfen mündlich zu Protokoll erklärt wer-den.

§ 73. Weder der Antrag auf Bewilligung derVerfahrenshilfe noch ein anderer nach, diesemTitel zulässiger Antrag berechtigt die Parteien,die Einlassung in den Rechtsstreit oder die Fort-setzung der Verhandlung zu verweigern oderdie Erstreckung von Fristen oder die Verlegungvon Tagsatzungen zu begehren.

Hat die beklagte Partei im Anwaltsprozeß vorAblauf der Frist, innerhalb deren sie die Klagezu beantworten hätte, die Bewilligung der Ver-fahrenshilfe einschließlich der Beigebung einesRechtsanwalts beantragt, so beginnt die Fristzur Klagebeantwortung frühestens mit der Zu-stellung des Bescheides, womit der Rechtsanwaltbestellt wird, bzw. mit Eintritt der Rechtskraftdes Beschlusses, womit die Beigebung eines Rechts-anwalts versagt wird. Der Bescheid über dieBestellung des Rechtsanwalts ist durch das Ge-richt zuzustellen."

3302 135. Stück — Ausgegeben am 28. November 1973 — Nr. 569

3. Der Abs. 3 des § 464 hat zu lauten:

„Hat eine die Verfahrenshilfe genießende oderbeantragende Partei innerhalb dieser Frist dieBeigebung eines Rechtsanwalts beantragt, so be-ginnt für sie die Berufungsfrist mit der Zustel-lung des Bescheides über die Bestellung desRechtsanwalts und einer schriftlichen Urteilsaus-fertigung an ihn; der Bescheid ist durch dasGericht zuzustellen. Wird der rechtzeitig gestellteAntrag auf Beigebung eines Rechtsanwalts abge-wiesen, so beginnt die Berufungsfrist mit demEintritt der Rechtskraft des abweisenden Be-schlusses."

4. Der Abs. 1 des § 522 hat zu lauten:

„Richtet sich das Rechtsmittel gegen eine Straf-verfügung, gegen einen Beschluß prozeßleitenderNatur, gegen die Zurückweisung eines Rechts-mittels als verspätet oder unzulässig oder gegeneinen Beschluß, mit dem ein Antrag ohne An-hörung der Gegenpartei abgewiesen worden ist,so kann das Gericht oder der Richter, dessenEntscheidung oder Verfügung angefochten wird,dem Rekursbegehren selbst stattgeben."

5. Der Abs. 1 erster Satz des § 528 hat zulauten:

„Rekurse gegen Entscheidungen des Gerichteszweiter Instanz,

1. durch die der angefochtene erstrichterlicheBeschluß bestätigt worden ist,

2. über den Kostenpunkt,3. über die Verfahrenshilfe,4. über Gebühren der Sachverständigen,5. über einen Beschwerdegegenstand, der oder

dessen Wert 2000 S nicht übersteigt sowie6. in Streitigkeiten wegen Besitzstörung (§ 49

Abs. 2 Z. 4 JN)sind unzulässig."

Artikel III

Änderung der Strafprozeßordnung 1960

Die Strafprozeßordnung 1960, BGBl. Nr. 98,zuletzt geändert durch die Strafprozeßnovelle1972, BGBl. Nr. 143, wird wie folgt geändert:

1. Die Abs. 2 und 3 des § 41 haben zu lauten:

„(2) Ist der Beschuldigte (Angeklagte) außer-stande, ohne Beeinträchtigung des für ihn undseine Familie, für deren Unterhalt er zu sorgenhat, zu einer einfachen Lebensführung notwen-digen Unterhaltes die Kosten der Verteidigungzu tragen, so hat das Gericht auf Antrag desBeschuldigten (Angeklagten) zu beschließen, daßdiesem ein Verteidiger beigegeben wird, dessenKosten der Beschuldigte (Angeklagte) nicht zutragen hat, wenn und soweit dies im Interesse

der Rechtspflege, vor allem im Interesse einerzweckentsprechenden Verteidigung, erforderlichist. In diesem Sinn ist besonders die Beigebungeines Verteidigers zur Ausführung angemeldeterRechtsmittel, zur Erhebung des Einspruchesgegen die Anklageschrift, für die Hauptverhand-lung sowie für den Gerichtstag zur öffentlichenVerhandlung über ein Rechtsmittel erforderlich.Wird für die Hauptverhandlung oder zur Aus-führung einer Nichtigkeitsbeschwerde oder Be-rufung ein solcher Verteidiger beigegeben, so giltdessen Bestellung auch für das Rechtsmittelver-fahren.

(3) Wählt für die Hauptverhandlung vor demGeschwornengericht weder der Angeklagte selbstnoch sein gesetzlicher Vertreter für ihn einenVerteidiger und wird ihm auch kein Verteidigernach Abs. 2 beigegeben, so ist ihm von Amtswegen ein Verteidiger beizugeben, dessen Kostender Angeklagte zu tragen hat, es sei denn, daßdie Voraussetzungen für die Beigebung eines Ver-teidigers nach Abs. 2 vorliegen. Dasselbe gilt fürdie Hauptverhandlung vor dem Schöffengericht,wenn die Anklage wegen einer strafbaren Hand-lung erhoben worden ist, die mit einer fünf Jahreübersteigenden Freiheitsstrafe bedroht ist."

2. Die §§ 42 und 43 haben zu lauten:

„§ 42. (1) Hat das Gericht die Beigebungeines Verteidigers beschlossen, so hat es denAusschuß der nach dem Sitz des Gerichtes zu-ständigen Rechtsanwaltskammer zu benachrich-tigen, damit der Ausschuß einen Rechtsanwaltzum Verteidiger bestelle.

(2) In dringenden Fällen kann der Vorsteherdes Gerichtes auch bei Gericht tätige, zum Rich-teramt befähigte Personen mit ihrer Zustimmungzu Verteidigern bestellen.

§ 43. Mehreren gleichzeitig Beschuldigten (An-geklagten) kann ein gemeinschaftlicher Verteidi-ger beigegeben werden; doch ist auf Antrag einesder Beschuldigten (Angeklagten) oder des Ver-teidigers und selbst von Amts wegen für dieabgesonderte Vertretung der Beschuldigten (An-geklagten) Sorge zu tragen, bei denen sich einWiderstreit der Interessen zeigt."

3. Im Abs. 1 des § 45 a treten an die Stelle desWortes „einjährige" das Wort „neunmonatige"und an die Stelle des Wortes „zweijährige" dasWort „achtzehnmonatige".

4. Im Abs. 1 des § 220 haben die letzten beidenSätze zu lauten:

„Falls er noch keinen Verteidiger hat, ist erzur Wahl eines Verteidigers aufzufordern undüber die Voraussetzungen der Beigebung einesVerteidigers nach § 41 Abs. 2 zu belehren. Wähltweder der Angeklagte selbst noch sein gesetzlicher

135. Stück — Ausgegeben am 28. November 1973 — Nr. 569 3303

Vertreter für ihn einen Verteidiger und wird ihmauch nicht nach § 41 Abs. 2 ein Verteidiger bei-gegeben, so ist ihm sofort nach § 41 Abs. 3 einVerteidiger beizugeben."

5. Im Abs. 2 des § 236 hat der zweite Satz zulauten:

„Kommt der Angeklagte einer solchen Auf-forderung nicht nach, so kann ihm auch vonAmts wegen ein Verteidiger beigegeben werden."

6. Der Abs. 4 des § 286 hat zu lauten:

„(4) Ist die strafbare Handlung, die dem Ange-klagten in der Anklageschrift oder im Urteilerster Instanz zur Last gelegt wird, mit einerfünf Jahre übersteigenden Freiheitsstrafe odereiner strengeren Strafe bedroht, so ist ihm, wenner noch keinen Verteidiger hat, von Amts wegenein Rechtsanwalt als Verteidiger beizugeben.Liegen die Voraussetzungen des § 41 Abs. 2 vor,so ist dem Angeklagten nach dieser Gesetzesstelleein Rechtsanwalt als Verteidiger beizugeben."

7. Der § 348 hat zu lauten:

„§ 348. Für den Gerichtstag beim OberstenGerichtshof ist dem Angeklagten, wenn er keinenVerteidiger hat, ohne Rücksicht auf Art undHöhe der für die strafbare Handlung, die demAngeklagten in der Anklageschrift oder im Ur-teil erster Instanz zur Last gelegt wird, ange-drohten Strafe, ein Rechtsanwalt als Verteidigerbeizugeben (§ 286 Abs. 4)."

8. Im Abs. 2 des § 393 treten an die Stelle desWortes „Armenvertreter" die Wörter „Ver-teidiger nach § 41 Abs. 2".

9. Im § 394 treten an die Stelle der Wörter„vom Gerichte bestellt" die Wörter „von Amtswegen beigegeben".

10. Die Z. 8 des § 452 hat zu lauten:

„8. Der § 41 Abs. 2 ist nicht anzuwenden."

11. In der Z. 2 des § 488 treten an die Stelleder Wörter „der Bestellung eines Armenver-treters" die Wörter „der Beigebung eines Ver-teidigers nach § 41 Abs. 2".

Artikel IV

Änderung des Jugendgerichtsgesetzes 1961

Das Jugendgerichtsgesetz 1961, BGBl. Nr. 278,zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl.Nr. 108/1973, wird wie folgt geändert:

Im Abs. 1 des § 38 hat die Einleitung zulauten:

„Einem jugendlichen Beschuldigten (Angeklag-ten) muß, wenn für seine Verteidigung nichtanderweitig gesorgt ist, von Amts wegen einVerteidiger, wenn aber die Verpflichtung zurZahlung der Verteidigungskosten sein Fortkom-men erschweren würde oder die Voraussetzun-gen des § 41 Abs. 2 der Strafprozeßordnung1960 vorliegen, nach dieser Gesetzesstelle einVerteidiger beigegeben werden:"

Artikel V

Änderung des Verwaltungsgerichtshofgesetzes1965

Das Verwaltungsgerichtshofgesetz 1965, BGBl.Nr. 2, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl.Nr. 459/1969 und der Kundmachung BGBl.Nr. 192/1973, wird wie folgt geändert:

1. Im Abs. 2 des § 14 wird das Wort „Armen-recht" durch das Wort „Verfahrenshilfe" ersetzt.

2. Der Abs. 3 des § 26 hat zu lauten:

„(3) Hat die Partei innerhalb der Frist zurErhebung der Beschwerde die Bewilligung derVerfahrenshilfe beantragt (§ 61), so beginnt fürsie die Frist zur Erhebung der Beschwerde mitder Zustellung des Bescheides über die Bestellungdes Rechtsanwaltes an diesen. Der Bescheid istdurch den Verwaltungsgerichtshof zuzustellen.Wird der rechtzeitig gestellte Antrag auf Be-willigung der Verfahrenshilfe abgewiesen, so be-ginnt die Frist zur Erhebung der Beschwerde mitder Zustellung des abweisenden Beschlusses andie Partei."

3. Der § 61 und die dazugehörende Überschrifthaben zu lauten:

„Verfahrenshilfe

§ 61. (1) Für die Voraussetzungen und dieWirkungen der Bewilligung der Verfahrenshilfegelten die Vorschriften über das zivilgerichtlicheVerfahren sinngemäß. Die Bewilligung der Ver-fahrenshilfe schließt das Recht ein, daß der Parteiohne weiteres Begehren zur Abfassung undUnterfertigung der Beschwerde oder des An-trages nach den §§ 45 und 46 und zur Vertretungbei der Verhandlung (§ 40) ein Rechtsanwaltbeigegeben wird.

(2) Hat der Verwaltungsgerichtshof die Ver-fahrenshilfe bewilligt (§ 14), so hat er den Aus-schuß der nach dem gewöhnlichen Aufenthaltder Partei zuständigen Rechtsanwaltskammer zubenachrichtigen, damit der Ausschuß einenRechtsanwalt zum Vertreter bestelle."

3304 135. Stück — Ausgegeben am 28. November 1973 — Nr. 569

4. Die Überschrift des § 69 hat zu lauten:

„Verfahrenshilfe".

5. Im § 69 werden die Wörter „des Armen-rechtes" durch die Wörter „der Verfahrenshilfe"ersetzt.

Artikel VI

Änderung des Allgemeinen Verwaltungsverfah-rensgesetzes

Das Allgemeine Verwaltungsverfahrensgesetz,BGBl. Nr. 172/1950, zuletzt geändert durch dasBundesgesetz BGBl. Nr. 45/1968, wird wie folgtgeändert:

Der § 79 hat zu lauten:„§ 79. Die in den §§ 76 bis 78 vorgesehenen

Leistungen sind nur insoweit einzuheben, alsdadurch der notwendige Unterhalt des Beteilig-ten und der Personen, für die er nach dem Ge-setz zu sorgen hat, nicht gefährdet wird."

Artikel VII

Ersetzung von Begriffen

(1) Soweit in anderen Bundesgesetzen oder inVerordnungen auf Bestimmungen verwiesen ist,die durch dieses Bundesgesetz geändert oder auf-gehoben werden, erhält die Verweisung ihrenInhalt aus den entsprechenden Bestimmungendieses Bundesgesetzes.

(2) Vorbehaltlich des Abs. 3 werden die inanderen Rechtsvorschriften vorkommenden Be-griffe wie folgt ersetzt:

(3) Soweit die nach Abs. 2 zu ersetzenden Be-griffe in zwischenstaatlichen Vereinbarungen vor-kommen, sind sie im neuen Sinn zu verstehen.

Artikel VIII

Schluß- und Übergangsbestimmungen

§ 1. (1) Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. Dezem-ber 1973 in Kraft.

(2) Mit dem Inkrafttreten dieses Bundesgeset-zes verlieren die folgenden Vorschriften ihreWirksamkeit:

1. die Verordnung des Ministeriums der Justiz,des Inneren und der Finanzen im Einvernehmen

mit dem Ministerium für Kultus und Unterrichtvom 23. Mai 1897, RGBl. Nr. 130, über dasArmenrecht und die Ausfertigung und Bestäti-gung von Zeugnissen zur Erlangung des Armen-rechtes,

2. die Verordnung des Bundesministers fürJustiz im Einvernehmen mit dem Bundeskanzlerund mit dem Bundesminister für Finanzen vom31. Juli 1933, BGBl. Nr. 351, über eine Änderungder Verordnung vom 23. Mai 1897, RGBl.Nr. 130,

3. die §§ 188 bis 195 samt der Überschrift„Armenrecht" der Verordnung des Bundesmini-steriums für Justiz vom 9. Mai 1951, BGBl.Nr. 264, womit die Geschäftsordnung für dieGerichte I. und II. Instanz (Geo.) teilweise ge-ändert und neu verlautbart wird, zuletzt ge-ändert durch die Kundmachung BGBl. Nr. 43/1973.

§ 2. Benötigt eine Partei zur Erlangung derVerfahrenshilfe oder einer ihr entsprechendenBegünstigung im Ausland ein behördliches Zeug-nis über ihre Einkommens- und Vermögensver-hältnisse, so hat der Bürgermeister des Ortes, indem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt, in Er-mangelung eines solchen ihren Aufenthalt hat,ein Zeugnis über die im § 66 Abs. 1 ZPO in derFassung des Art. II dieses Bundesgesetzes ange-führten Tatsachen auszustellen.

§ 3. (1) Die Bestimmungen der ZPO in derFassung des Art. II dieses Bundesgesetzes überdie Verfahrenshilfe gelten sinngemäß für dasVerfahren außer Streitsachen.

(2) Soweit das Gerichtsgebühren- und Ein-bringungsrecht Vorschriften über die Verfahrens-hilfe enthält, die von den Bestimmungen diesesBundesgesetzes abweichen, bleiben sie, vorbehalt-lich des Art. VII, unberührt.

§ 4. Hat eine Partei vor Inkrafttreten diesesBundesgesetzes die Bewilligung des Armenrechtsbeantragt, ist aber in diesem Zeitpunkt darübernoch nicht rechtskräftig entschieden, so ist dasvon ihr vorgelegte Armenrechtszeugnis als Ver-mögensbekenntnis nach § 66 ZPO in der Fassungdes Art. II dieses Bundesgesetzes anzusehen.

§ 5. Mit der Vollziehung1. der Art. I bis IV und VIII §§ 1, 3 und 4 ist

der Bundesminister für Justiz,2. des Art. VIII § 2 ist der Bundesminister für

Inneres und3. der Art. V, VI und VII ist die Bundes-

regierungbetraut

JonasKreisky Häuser Rösch BrodaSinowatz Androsch Weihs StaribacherLanc Kirchschläger Moser

Firnberg Leodolter

135. Stück — Ausgegeben am 28. November 1973 — Nr. 570 3305

570 . Bundesgesetz vom 8. November 1973,mit dem die Rechtsanwaltsordnung geändert

wird

Der Nationalrat hat beschlossen:

Artikel I

Die Rechtsanwaltsordnung vom 6. Juli 1868,RGBl. Nr. 96, zuletzt geändert durch das Bundes-gesetz BGBl. Nr. 159/1956, in der Fassung derKundmachung BGBl. Nr. 42/1973, wird wie folgtgeändert:

1. Der § 2 hat zu lauten:

„§ 2. Die zur Ausübung der Rechtsanwaltschafterforderliche praktische Verwendung hat in derrechtsberuflichen Tätigkeit bei Gericht und beieinem Rechtsanwalt zu bestehen; sie kann außer-dem in der rechtsberuflichen Tätigkeit bei einemNotar oder, wenn die Tätigkeit für die Aus-übung der Rechtsanwaltschaft dienlich ist, beieiner Verwaltungsbehörde, an einer Hochschuleoder bei einem Beeideten Wirtschaftsprüfer undSteuerberater bestehen. Die Tätigkeit bei derFinanzprokuratur ist der bei einem Rechtsanwaltgleichzuhalten.

Die praktische Verwendung im Sinn des Abs. 1hat fünf Jahre zu dauern. Hiervon sind imInland mindestens neun Monate bei Gericht unddrei Jahre bei einem Rechtsanwalt zu verbringen.

Auf die Dauer der praktischen Verwendung,die nicht zwingend bei Gericht oder einemRechtsanwalt im Inland zu verbringen ist, istauch eine im Sinn des Abs. 1 gleichartige prak-tische Verwendung im Ausland anzurechnen,wenn diese Verwendung für die Ausübung derRechtsanwaltschaft dienlich gewesen ist.

Die praktische Verwendung kann frühestensvom erfolreichen Abschluß der rechts- und staats-wissenschaftlichen Studien an gerechnet werden."

2. Der § 3 hat zu lauten:

„§ 3. Die Rechtsanwaltsprüfung kann abgelegtwerden, wenn der Bewerber die Erfüllung derErfordernisse nach § 1 Abs. 2 Buchstaben c undeine praktische Verwendung im Sinn des § 2Abs. 1 in der Dauer von drei Jahren, wovonmindestens zwei Jahre bei einem Rechtsanwaltim Inland verbracht worden sein müssen, nach-weist."

3. Die Abs. 2 und 3 des § 16 haben zu lauten:

„Der nach § 45 bestellte Rechtsanwalt hat dieVertretung oder Verteidigung der Partei nachMaßgabe des Bestellungsbescheides zu überneh-men und mit der gleichen Sorgfalt wie ein freigewählter Rechtsanwalt zu besorgen. Er hat andie von ihm vertretene oder verteidigte Partei,vorbehaltlich weitergehender verfahrensrecht-

licher Vorschriften, nur so weit einen Entloh-nungsanspruch, als ihr der unterlegene GegnerKosten ersetzt.

Für die Leistungen, für die die nach § 45 be-stellten Rechtsanwälte zufolge verfahrensrecht-licher Vorschriften sonst keinen Entlohnungs-anspruch hätten, haben die in der Liste einerösterreichischen Rechtsanwaltskammer eingetra-genen Rechtsanwälte an diese Rechtsanwalts-kammer einen Anspruch darauf, daß sie jedemvon ihnen aus dem ihr zugewiesenen Betrag derPauschalvergütung einen gleichen Anteil aufseinen Beitrag zur Alters-, Berufsunfähigkeits-und Hinterbliebenenversorgung anrechnet."

4. Dem § 22 wird folgender zweiter Absatz an-gefügt:

„Die Rechtsanwaltskammern sind Körperschaf-ten des öffentlichen Rechtes; sie sind berechtigt,das Staatswappen zu führen. Das Amtssiegeleiner Rechtsanwaltskammer hat das Staatswappenund als Umschrift die Bezeichnung der Rechts-anwaltskammer zu enthalten."

5. Der § 25 hat zu lauten:

„§ 25. Der Präsident, die Präsidenten-Stellver-treter und die übrigen Mitglieder des Ausschussessind für eine Amtsdauer von drei Jahren zuwählen; scheidet während dieser Zeit einer derGewählten aus und findet eine Ersatzwahl statt,so tritt der neu Gewählte für die restliche Amts-dauer an die Stelle des Ausgeschiedenen.

Nach Ablauf der Amtsdauer haben die Ge-wählten ihre Amtstätigkeit bis zur Wahl ihrerNachfolger weiter auszuüben.

Eine Wiederwahl ist zulässig, doch sind dieGewählten zur Annahme dieser Wiederwahlnicht verpflichtet.

Die Geschäftsordnung der Rechtsanwaltskam-mer kann bestimmen, daß im Fall der Neuwahldes gesamten Ausschusses die Präsidenten-Stell-vertreter und ein Teil der Mitglieder des Aus-schusses schon während der Amtsdauer von dreiJahren ausscheiden, um auf diese Weise einemöglichst gleichmäßige Führung der Geschäftedes Ausschusses zu gewährleisten.

Das Ergebnis jeder Wahl ist dem Bundes-minister für Justiz, dem Obersten Gerichtshofund dem nach dem Sitz der Rechtsanwaltskam-mer zuständigen Oberlandesgericht mitzuteilen."

6. Die Einleitung des Abs. 1 und dessen Buch-stabe a des § 27 haben zu lauten:

„Der Plenarversammlung sind folgende An-gelegenheiten zugewiesen:

a) die Festsetzung ihrer Geschäftsordnung undder des Ausschusses sowie der Satzung derVersorgungseinrichtung;"

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7. Die Abs. 2 und 3 des § 27 haben zu lauten:

„Die Plenarversammlung ist beschlußfähig,wenn mindestens ein Zehntel der Kammermit-glieder anwesend ist; sie faßt ihre Beschlüsse miteinfacher Mehrheit. Zur Beschlußfassung über dieGeschäftsordnungen der Rechtsanwaltskammerund des Ausschusses sowie über die Satzung derVersorgungseinrichtung ist jedoch die Anwesen-heit von mindestens einem Drittel der Kammer-mitglieder und eine Mehrheit von zwei Drittelnerforderlich. Der Vorsitzende hat nur bei Stim-mengleichheit ein Stimmrecht.

Die Geschäftsordnungen der Rechtsanwalts-kammern und der Ausschüsse sowie die Satzun-gen der Versorgungseinrichtungen bedürfen zuihrer Rechtswirksamkeit der Genehmigung durchden Bundesminister für Justiz. Sie sind dieseminnerhalb eines Monats nach der Beschlußfassungvorzulegen. Die Genehmigung ist zu erteilen,wenn die Geschäftsordnungen und die Satzungendem Gesetz entsprechen. Wird die Genehmigungnicht innerhalb von drei Monaten versagt, so giltsie als erteilt."

8. Der Abs. 1 Buchstaben i und k des § 28haben zu lauten:

„i) die Bestellung eines Rechtsanwalts nach§45;

k) die Einberufung der ordentlichen undaußerordentlicher Plenarversammlungender Rechtsanwaltskammer;"

9. Die Abs. 2 und 3 des § 28 haben zu lauten:

„Dem Ausschuß obliegen außerdem alle Auf-gaben, die nicht durch Gesetz einem anderenOrgan zugewiesen sind.

Eine außerordentliche Plenarversammlung isteinzuberufen, wenn es der Ausschuß für nötigfindet oder wenn es ein Fünftel der Kammer-mitglieder verlangt."

10. Im Abs. 4 des § 34 hat der erste Satz zuentfallen.

11. Der V. Abschnitt wird aufgehoben.

An seine Stelle treten folgende Bestimmungen:

„V. ABSCHNITT

Österreichischer Rechtsanwaltskammertag

§ 35. Der Österreichische Rechtsanwaltskam-mertag setzt sich aus den RechtsanwaltskammernÖsterreichs zusammen. Er ist eine Körperschaftdes öffentlichen Rechtes und hat seinen Sitz inWien. Sein Wirkungsbereich erstreckt sich aufdas gesamte Bundesgebiet.

Der Österreichische Rechtsanwaltskammertagist berechtigt, das Staatswappen zu führen; sein

Amtssiegel hat das Staatswappen und die Um-schrift Österreichischer Rechtsanwaltskammertag'zu enthalten.

Der Österreichische Rechtsanwaltskammertagist, soweit es die österreichische Rechtsanwalt-schaft in ihrer Gesamtheit betrifft, zur Wahrungihrer Rechte und Angelegenheiten sowie zu ihrerVertretung berufen.

§ 36. Dem Österreichischen Rechtsanwalts-kammertag obliegen besonders

1. die Erstattung von Gesetzesvorschlägen undGutachten zu Gesetzesentwürfen sowie die An-zeige von Mängeln der Rechtspflege und Ver-waltung bei der zuständigen Stelle und die Er-stattung von Vorschlägen zur Verbesserung vonRechtspflege und Verwaltung;

2. die Beschlußfassung über Maßnahmen zurFörderung der Ausübung des Rechtsanwalts-berufs.

Hierdurch werden Rechte der Rechtsanwalts-kammern nicht berührt.

§ 37. Der Österreichische Rechtsanwaltskam-mertag kann Richtlinien erlassen

1. zur Ausübung des Rechtsanwaltsberufs;2. zur Überwachung der Pflichten des Rechts-

anwalts;3. für die Ausbildung von Rechtsanwaltsan-

wärtern und die Anrechenbarkeit ihrer prakti-schen Verwendung;

4. für die von den Rechtsanwälten für ihreLeistungen zu vereinbarenden Entlohnungen.

§ 38. Die Organe des Österreichischen Rechts-anwaltskammertags sind die Vertreterversamm-lung und das Präsidium.

§ 39. Die Vertreterversammlung setzt sich ausDelegierten der einzelnen Rechtsanwaltskammernzusammen, wobei für je angefangene 100 Kam-mermitglieder ein Delegierter zusteht.

Zu den Delegierten gehören jedenfalls diePräsidenten der Rechtsanwaltskammern; die üb-rigen Delegierten sind jeweils von deren Aus-schuß aus dem Kreis der Ausschußmitglieder zuentsenden.

Die Vertretung eines Delegierten durch einenanderen derselben oder einer anderen Rechts-anwaltskammer ist zulässig.

§ 40. Die Vertreterversammlung ist beschluß-fähig, wenn mindestens fünf Rechtsanwaltskam-mern vertreten sind.

Die Vertreterversammlung faßt ihre Beschlüssemit einfacher Mehrheit. Hierbei hat jeder Dele-gierte eine Stimme. Für das Zustandekommeneines Beschlusses ist überdies erforderlich, daßfür ihn die Delegierten von mindestens fünfRechtsanwaltskammern stimmen. Bei Stimmen-gleichheit gibt die Stimme des Vorsitzenden denAusschlag; ist der Vorsitzende nicht auch Dele-gierter, so hat, er nur bei Stimmengleichheit einStimmrecht.

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Der Vertreterversammlung obliegen alle Auf-gaben, die nicht dem Präsidium zugewiesen sind.

§ 41. Die Vertreterversammlung wählt aus demKreis der Präsidenten und Präsidenten-Stellver-treter der einzelnen Rechtsanwaltskammern denPräsidenten und zwei Präsidenten-Stellvertreterdes Österreichischen Rechtsanwaltskammertags.Sie gehören für die Dauer ihres Amtes derVertreterversammlung auch dann an, wenn sienicht Delegierte sind, haben jedoch in diesemFall — vorbehaltlich des § 40 Abs. 2 letzterSatz — kein Stimmrecht.

Die Amtsdauer des Präsidenten und der Präsi-denten-Stellvertreter beträgt drei Jahre; sie endetjedoch früher, sobald der Gewählte die Eigen-schaft als Präsident oder Präsidenten-Stellver-treter seiner Rechtsanwaltskammer verliert. Der§ 25 Abs. 2 und 3 gilt sinngemäß.

Der Präsident oder einer der Präsidenten-Stellvertreter führt den Vorsitz in der Vertreter-versammlung.

Der Präsident hat die Vertreterversammlungnach Bedarf, mindestens jedoch einmal jährlichund überdies auf Verlangen von zwei Rechts-anwaltskammern oder von mindestens fünf Dele-gierten jederzeit einzuberufen. Zwischen Einbe-rufung und Tagung hat ein Zeitraum von min-destens vierzehn Tagen zu liegen.

§ 42. Das Präsidium des ÖsterreichischenRechtsanwaltskammertags besteht aus dessenPräsidenten und den beiden Präsidenten-Stellver-tretern.

Das Präsidium besorgt die laufenden Geschäfte.

Der Präsident oder einer der Präsidenten-Stellvertreter vertritt den ÖsterreichischenRechtsanwaltskammertag nach außen, vollziehtdie Beschlüsse der Vertreterversammlung undzeichnet die vom Österreichischen Rechtsanwalts-kammertag ausgehenden Schriftstücke.

§ 43. Der Österreichische Rechtsanwaltskam-mertag hat sich eine Geschäftsordnung zu geben.Sie hat nähere Bestimmungen besonders über diewirtschaftliche Gebarung, über die Geschäfts-führung der einzelnen Organe und über dieFührung der Kanzleigeschäfte zu enthalten.

§ 44. Die Rechtsanwaltskammern haben imVerhältnis der Anzahl ihrer Mitglieder zuein-ander die Kosten des Österreichischen Rechts-anwaltskammertags zu tragen. Die Höhe dieserKosten ist von der Vertreterversammlung jähr-lich festzustellen.

VI. ABSCHNITT

Bestellung von Rechtsanwälten, besonders zurVerfahrenshilfe

§ 45. Hat das Gericht die Beigebung einesRechtsanwalts beschlossen oder schließt die Be-

willigung der Verfahrenshilfe eine solche Bei-gebung ein, so hat die Partei Anspruch auf dieBestellung eines Rechtsanwalts durch die Rechts-anwaltskammer.

Die Bestellung für ein Verfahren vor demVerfassungsgerichtshof oder Verwaltungsgerichts-hof obliegt dem Ausschuß der nach dem gewöhn-lichen Aufenthalt der Partei, sonst dem Ausschußder nach dem Sitz des Gerichtes zuständigenRechtsanwaltskammer.

Müßte der bestellte Rechtsanwalt außerhalbdes Sprengeis des Gerichtshofs erster Instanz,wo er seinen Kanzleisitz hat, tätig werden oderist der Partei, die sich außerhalb dieses Sprengeisaufhält, die Zureise zu dem bestellten Rechts-anwalt für eine notwendige mündliche Aus-sprache wegen unüberwindlicher Hindernisseoder hoher Kosten unzumutbar, so hat der Aus-schuß der nach dem Ort der vorzunehmendenTätigkeit beziehungsweise nach dem Aufenthalts-ort der Partei zuständigen Rechtsanwaltskammerauf Antrag des bestellten Rechtsanwalts oder derPartei hierzu einen Rechtsanwalt zu bestellen,der im Sprengel des Gerichtshofs erster Instanz,wo dieser Ort liegt, seinen Kanzleisitz hat.

Von jeder Bestellung hat der Ausschuß derRechtsanwaltskammer in den Fällen des Abs. 2das benachrichtigende Gericht, in den Fällen desAbs. 3 das Gericht, bei dem das Verfahren inerster Instanz geführt wird, oder, falls der be-stellte Rechtsanwalt bei einem anderen Gerichteinzuschreiten hat, dieses zu verständigen.

§ 46. Die Ausschüsse der Rechtsanwaltskam-mern haben bei der Bestellung nach festenRegeln vorzugehen; diese haben eine möglichstgleichmäßige Heranziehung und Belastung derder betreffenden Kammer angehörenden Rechts-anwälte unter besonderer Berücksichtigung derörtlichen Verhältnisse zu gewährleisten. DieseRegeln sind in den Geschäftsordnungen der Aus-schüsse festzulegen.

Die Geschäftsordnungen können jedoch all-gemeine Gesichtspunkte festlegen, nach denenRechtsanwälte aus wichtigen Gründen von derHeranziehung ganz oder teilweise befreit sind.Als wichtige Gründe sind besonders die Aus-übung einer mit erheblichem Zeitaufwand ver-bundenen Tätigkeit im Dienst der Rechtsanwalt-schaft oder persönliche Umstände anzusehen,die die Heranziehung als besondere Härte er-scheinen ließen.

VII. ABSCHNITT

Pauschalvergütung

Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hinterbliebenen-versorgung

§ 47. Der Bund hat dem ÖsterreichischenRechtsanwaltskammertag für die Leistungen dernach § 45 bestellten Rechtsanwälte, für die diese

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zufolge verfahrensrechtlicher Vorschriften sonstkeinen Entlohnungsanspruch hätten, jährlichspätestens zum 30. September für das laufendeKalenderjahr eine angemessene Pauschalvergütungzu zahlen.

Im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundes-gesetzes ist eine Pauschalvergütung von32,000.000 S jährlich als angemessen anzusehen.

Der Bundesminister für Justiz hat im Ein-vernehmen mit dem Bundesminister für Finan-zen und dem Hauptausschuß des Nationalratsdurch Verordnung die Höhe der Pauschalver-gütung entsprechend neu festzusetzen, und zwar

1. wenn sich die wirtschaftlichen Verhältnissewesentlich geändert haben;

2. a) im Lauf des Jahres 1974 für dieses Jahr,wenn seit dem Inkrafttreten dieses Bun-desgesetzes die Anzahl der jährlichen Be-stellungen oder der Umfang der Leistungenim Sinn des Abs. 1 um mehr als 10 v. H.gestiegen oder gesunken ist,

b) in der unmittelbaren Folge, wenn seit demInkrafttreten dieses Bundesgesetzes dieunter a) genannten Veränderungen mehrals 20 v. H. und

c) in der weiteren Folge, wenn seit der jeweilsletzten Neufestsetzung diese Veränderun-gen mehr als 20 v. H. betragen; oder

3. wenn es sich als notwendig erweist, dieVergütung für die Leistungen im Sinn des Abs. 1dort, wo keine gesetzlichen Tarife bestehen, derEntlohnung anzunähern, die nach den Standes-richtlinien der Rechtsanwälte als angemessen an-gesehen wird.

§ 48. Der Österreichische Rechtsanwaltskam-mertag hat die Pauschalvergütung auf die einzel-nen Rechtsanwaltskammern verhältnismäßig nachder Anzahl ihrer am vorangegangenen 31. De-zember in die Liste der Rechtsanwälte einge-tragenen Mitglieder zu verteilen.

Die Rechtsanwaltskammern haben die Pau-schalvergütung für die Alters-, Berufsunfähig-keits- und Hinterbliebenenversorgung derRechtsanwälte zu verwenden.

§ 49. Die Rechtsanwaltskammern haben Ein-richtungen zur Versorgung ihrer Mitglieder fürden Fall des Alters und der Berufsunfähigkeitsowie zur Versorgung der Hinterbliebenen fürden Fall des Todes des Mitgliedes mit einer zubeschließenden Satzung zu schaffen und aufrecht-zuerhalten.

Zwei oder mehr Rechtsanwaltskammern kön-nen auch eine gemeinsame Versorgungseinrich-tung mit einer einheitlichen Satzung schaffen.

Kommt eine Rechtsanwaltskammer ihrerPflicht zur Schaffung und Aufrechterhaltung derVersorgungseinrichtung trotz Aufforderungdurch den Bundesminister für Justiz nicht oder

nicht in einer dem Gesetz entsprechenden Weisenach, so hat der Bundesminister für Justiz durchVerordnung die Satzung zu erlassen. Eine solcheVerordnung tritt außer Kraft, sobald die Rechts-anwaltskammer den gesetzgemäßen Zustand her-stellt. Der Bundesminister für Justiz hat dasAußerkrafttreten im Bundesgesetzblatt kundzu-machen.

§ 50. Jeder Rechtsanwalt und seine Hinter-bliebenen haben bei Vorliegen der Voraussetzun-gen und bei Eintritt des Versorgungsfalls An-spruch auf Alters-, Berufsunfähigkeits- und Hin-terbliebenenversorgung.

Dieser Anspruch ist in den Satzungen derVersorgungseinrichtungen nach festen Regelnfestzusetzen. Hierbei sind folgende Grundsätzezu beachten:

1. Anspruchsberechtigt sind nur Rechtsanwälte,die zur Zeit des Eintritts des Versorgungsfallsin die Liste einer österreichischen Rechtsanwalts-kammer eingetragen gewesen sind, sowie dieWitwe und die Kinder eines Rechtsanwalts, derim Zeitpunkt seines Todes in die Liste einerösterreichischen Rechtsanwaltskammer eingetra-gen gewesen ist oder einen Anspruch auf eineVersorgungsleistung gehabt hat.

2. Voraussetzungen für den Anspruch sinda) die Eintragung in der Liste einer öster-

reichischen Rechtsanwaltskammer durchinsgesamt zehn Jahre; diese Frist erhöhtsich auf fünfzehn Jahre, wenn der Rechts-anwalt erstmals nach Vollendung seines50. Lebensjahrs eingetragen worden ist. Fürden Fall der Altersversorgung muß derRechtsanwalt mindestens fünf Jahre ohneUnterbrechung unmittelbar vor Eintrittdes Versorgungsfalls eingetragen gewesensein. Die Frist von zehn Jahren vermindertsich für den Fall der Berufunfähigkeits-und der Hinterbliebenenversorgung auffünf Jahre, wenn der Rechtsanwalt erstmalsvor Vollendung seines 50. Lebensjahrs ein-getragen worden ist;

b) im Fall der Altersversorgung die Voll-endung des 68. Lebensjahrs;

c) im Fall der Alters- und der Berufsunfähig-keitsversorgung der Verzicht auf die Aus-übung der Rechtsanwaltschaft;

d) im Fall der Witwenversorgung, daß dieEhe vor Vollendung des 65. Lebensjahrsdes verstorbenen Rechtsanwalts geschlossenworden ist, es sei denn, daß der Alters-unterschied zwischen dem verstorbenenRechtsanwalt und der Witwe weniger als30 Jahre beträgt oder daß der Ehe Kinderentstammen.

3. Jeder Versorgungsanspruch wird mit Ablaufdes Monats wirksam, in dem alle Voraussetzun-gen des betreffenden Anspruchs erfüllt sind.

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4. Der Versorgungsanspruch der Witwe endetmit ihrer Wiederverehelichung.

5. Der Versorgungsanspruch des Kindes endetmit dem der Vollendung des 19. Lebensjahrsfolgenden Jahresletzten; im Fall einer darüberhinausgehenden ordnungsgemäßen Berufsausbil-dung mit deren Abschluß, spätestens jedoch mitdem letzten Tag des Jahres, in dem das Kinddas 26. Lebensjahr vollendet hat.

§ 51. Die Plenarversammlung der Rechtsan-waltskammer hat eine Leistungsordnung und all-jährlich eine Umlagenordnung zu beschließen.In der Leistungsordnung ist die Höhe der vonder Versorgungseinrichtung zu erbringendenLeistungen festzusetzen, in der Umlagenordnungdie Höhe der Beiträge zur Aufbringung der dazunotwendigen Mittel.

§ 52. Der Mindestanspruch aus der Versor-gungseinrichtung entspricht den nach § 293 Abs. 1und 2 des Allgemeinen Sozialversicherungsgeset-zes, BGBl. Nr. 189/1955, in der Fassung desBundesgesetzes BGBl. Nr. 31/1973 jeweils gel-tenden Richtsätzen. Er erhöht sich für jedesvollendete Jahr, das der Rechtsanwalt längerals die Mindestzeit (§ 50 Abs. 2 Z. 2) eingetragengewesen ist, um 1 v. H. dieser Richtsätze.

Sind nach einem Rechtsanwalt zwei oder mehrPersonen mit Anspruch auf Hinterbliebenenver-sorgung vorhanden, so darf die Summe der Lei-stungen für diese Anspruchsberechtigten nichthöher sein als die Leistung, auf die der Rechts-anwalt selbst Anspruch hätte. Innerhalb diesesHöchstausmaßes sind die Leistungen an die ein-zelnen Anspruchsberechtigten verhältnismäßig zukürzen.

Erreicht die Summe der in einem Kalenderjahrvon der Versorgungseinrichtung erbrachten Lei-stungen nicht mindestens die Höhe des der be-treffenden Rechtsanwaltskammer zukommendenTeiles der Pauschalvergütung, so ist der unterBerücksichtigung des § 53 Abs. 1 zweiter Satzverbleibende Rest dieses Teiles auf die Anspruchs-berechtigten im Verhältnis ihrer Ansprüche ausden Abs. 1 und 2 aufzuteilen.

Die Leistungsordnung kann über die vorste-henden Bestimmungen hinausgehende Leistun-gen, besonders höhere Versorgungsleistungen undTodfallsbeiträge, vorsehen, um den Anspruchs-berechtigten eine den durchschnittlichen Lebens-verhältnissen eines Rechtsanwalts angemesseneLebensführung zu ermöglichen. Bei der Bemes-sung solcher zusätzlicher Leistungen ist jedoch aufdie wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Kam-mermitglieder Bedacht zu nehmen.

§ 53. Die Umlagenordnung hat die Beiträge fürdie Versorgungseinrichtung so zu bemessen, daßunter Berücksichtigung des der betreffendenRechtsanwaltskammer zukommenden Teiles derPauschalvergütung die für die Versorgungsein-richtung erforderlichen Mittel aufgebracht wer-

den. Die Umlagenordnung kann jedoch bestim-men, daß jährlich eine Rücklage von höchstens5 v. H. der erforderlichen Mittel angelegt wird,doch darf die Rücklage nie mehr als 120 v. H.der jährlich erforderlichen Mittel übersteigen.

Die Beiträge sind für alle Kammermitgliedergleich hoch zu bemessen. Die Umlagenordnungkann jedoch bestimmen, daß

1. Kammermitglieder, die bereits die Voraus-setzungen zur Inanspruchnahme der Versorgungs-einrichtung erfüllen, Leistungen aus dieser jedochnicht in Anspruch nehmen, von der Leistung derUmlage ganz oder teilweise befreit werden;

2. die Höhe der Umlagen nach Alter, Ge-schlecht und Dauer der Standeszugehörigkeit derRechtsanwälte abgestuft wird;

3. Umlagen in berücksichtigungswürdigen Fäl-len gestundet und allfällige Rückstände mit denLeistungen aus der Versorgungseinrichtung auf-gerechnet werden.

§ 54. Über einen Antrag auf Gewährung vonLeistungen aus der Versorgungseinrichtung hatder Ausschuß der Rechtsanwaltskammer läng-stens innerhalb dreier Monate zu entscheiden.

§ 55. Der Österreichische Rechtsanwaltskam-mertag hat jährlich spätestens zum 31. März desjeweils folgenden Kalenderjahrs dem Bundes-minister für Justiz zu berichten über

1. die Verteilung der Pauschalvergütung an dieRechtsanwaltskammern unter Angabe der ein-zelnen Beträge;

2. die Verwendung der einzelnen Beträge derPauschalvergütung durch die Rechtsanwalts-kammern;

3. die Anzahl der im abgelaufenen Kalender-jahr geleisteten Vertretungen und Verteidigun-gen (§ 47 Abs. 1).

§ 56. Die Rechtsanwaltskammern haben überdie Bestellungen im Sinn des § 45 für jedesKalenderjahr ein besonderes Register zu führen.In dieses sind mindestens einzutragen

1. die mit 1 beginnende fortlaufende Geschäfts-zahl;

2. die Bezeichnung und das Aktenzeichen desGerichtes, das die Beigebung eines Rechtsanwaltsbewilligt hat;

3. der Name und der Kanzleisitz des be-stellten Rechtsanwalts;

4. der Tag des Bestellungsbescheides.Die Rechtsanwaltskammern haben diese Regi-

ster durch sieben Jahre vom Schluß des jeweili-gen Kalenderjahrs aufzubewahren und dem Bun-desminister für Justiz auf dessen Verlangen jeder-zeit vorzulegen."

Artikel II

Schluß- und Übergangsbestimmungen

§ 1. Dieses Bundesgesetz tritt mit 1. Dezember1973 in Kraft.

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§ 2. Der Art. I 2. 1 und 2 gilt auch für dievor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes ver-brachte praktische Verwendung.

§ 3. Durch den § 37 Z. 4 der Rechtsanwalts-ordnung in der Fassung dieses Bundesgesetzeswird das Kartellgesetz, BGBl. Nr. 460/1972, nichtberührt.

§ 4. Die erste Vertreterversammlung ist vomPräsidenten der Rechtsanwaltskammer für Wien,Niederösterreich und das Burgenland innerhalbvon neun Monaten nach dem Inkrafttreten die-ses Bundesgesetzes einzuberufen. Er führt bis zurWahl des Präsidenten und der Präsidenten-Stell-vertreter im Sinn des § 41 der Rechtsanwalts-ordnung in der Fassung dieses Bundesgesetzes denVorsitz in der Vertreterversammlung.

§ 5. Rechtsanwälte, die vor dem Inkrafttretendieses Bundesgesetzes zu Armenanwälten, Ar-menverteidigern oder Pflichtverteidigern bestelltworden sind, gelten als nach § 45 der Rechts-anwaltsordnung in der Fassung dieses Bundes-gesetzes bestellt. Die Bestellung anderer Verteidi-ger bleibt unberührt.

§ 6. Sofern die Geschäftsordnungen der Aus-schüsse der Rechtsanwaltskammern nicht bereitsdem § 46 der Rechtsanwaltsordnung in derFassung dieses Bundesgesetzes entsprechen, sinddie erforderlichen Änderungen innerhalb vonsechs Monaten nach dem Inkrafttreten diesesBundesgesetzes zu beschließen.

§ 7. (1) Das Bundesgesetz vom 22. Mai 1969,BGBl. Nr. 191, in der Fassung des Bundes-gesetzes vom 15. Feber 1972, BGBl. Nr. 69, überdie Zahlung einer Pauschalvergütung für dieTätigkeit von Rechtsanwälten als Armenvertre-tern in gerichtlichen Verfahren, wird aufgehoben.

(2) Für die Leistungen der Rechtsanwälte alsArmenvertreter in der Zeit vom 1. Jänner 1973bis 30. November 1973 hat der Bund dem Öster-reichischen Rechtsanwaltskammertag in Ergän-zung des im Abs. 1 genannten Bundesgesetzeseinen einmaligen Betrag von 3,000.000 S späte-stens zum 30. September 1974 zu zahlen.

(3) Ein Zwölftel der auf Grund des im Abs. 1genannten Bundesgesetzes vom Bund den Rechts-anwaltskammern für das Jahr 1973 geleistetenPauschalvergütung in der Höhe von insgesamt16,000.000 S ist auf die nach § 47 Abs. 2 derRechtsanwaltsordnung in der Fassung diesesBundesgesetzes für Dezember 1973 zu zahlendePauschalvergütung anzurechnen.

(4) Der ferner auf Grund des im Abs. 1 ge-nannten Bundesgesetzes vom Bund der Rechts-anwaltskammer für Wien, Niederösterreich unddas Burgenland für das Jahr 1973 zusätzlich zu-gewiesene Betrag von 500.000 S gilt auch für denMonat Dezember 1973 als zur Unterstützungvon im Ausland lebenden ehemaligen Österrei-

chischen Rechtsanwälten und Rechtsanwaltsan-wärtern, die bereits vor dem 1. Juli 1927 in denListen einer österreichischen Rechtsanwaltskam-mer eingetragen gewesen sind, in der Folgekeinen Anspruch auf Sozialversicherung erworbenhaben und aus rassischen oder politischen Grün-den ausgewandert und jetzt bedürftig sind, oderihren bedürftigen Hinterbliebenen zugewiesen.

(5) Der Bund hat dem Österreichischen Rechts-anwaltskammertag für das Jahr 1974 und diefolgenden Jahre, solang ein Bedarf besteht, jähr-lich spätestens zum 30. September für das lau-fende Kalenderjahr einen Betrag von 500.000 Sjährlich zu dem im Abs. 4 genannten Zweck zuzahlen.

(6) Der Österreichische Rechtsanwaltskammer-tag hat diesen Betrag im Sinn des Abs. 5 zu ver-wenden.

(7) Die hierdurch einem ehemaligen österrei-chischen Rechtsanwalt, Rechtsanwaltsanwärteroder deren Hinterbliebenen zukommende Unter-stützung darf, auf den Monat bezogen, nichthöher sein als die im § 52 Abs. 1 und 2 derRechtsanwaltsordnung in der Fassung diesesBundesgesetzes vorgesehenen Mindestbeträge.

(8) Der Österreichische Rechtsanwaltskammer-tag hat jährlich spätestens zum 31. März desfolgenden Kalenderjahrs dem Bundesminister fürJustiz über die Verwendung des ihm nach Abs. 5zugewiesenen Betrages unter Angabe der Namenund Anschriften der unterstützten Personen so-wie der Höhe der jeweils zugewiesenen Beträgezu berichten.

(9) Der Bundesminister für Justiz hat im Ein-vernehmen mit dem Hauptausschuß des Natio-nalrats durch Verordnung die Höhe des im Abs. 5genannten Betrages niedriger festzusetzen oderihn ganz aufzuheben, sobald sich der Bedarf imSinn des Abs. 5 vermindert oder er nicht mehrbesteht.

§ 8. Die Rechtsanwaltskammern haben die im§ 49 Abs. 1 der Rechtsanwaltsordnung in derFassung dieses Bundesgesetzes vorgeschriebenenSatzungen ihrer Versorgungseinrichtungen erst-mals innerhalb von neun Monaten nach demInkrafttreten dieses Bundesgesetzes mit Wirksam-keit vom 1. Dezember 1973 zu beschließen.

§ 9. Der im § 55 vorgeschriebene Bericht isterstmals zum 31. März 1975 zu erstatten.

§ 10. Mit der Vollziehung dieses Bundesgesetzesist der Bundesminister für Justiz, hinsichtlich desArt. I Z. 11 § 47 der Rechtsanwaltsordnung inder Fassung dieses Bundesgesetzes und hinsicht-lich des Art. II § 7 im Einvernehmen mit demBundesminister für Finanzen betraut.

JonasKreisky Broda Androsch