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CHAMP – DER BLICK IN DAS INNERE DER ERDE PROJEKTE UND MISSIONEN

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CHAMP – DER BLICK IN DAS INNERE DER ERDE

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Der deutsche Satellit CHAMP leistet wichtigeBeiträge zur geowissenschaftlichen Grund-lagenforschung und zur Atmosphärenphysik.Während der fünfjährigen Betriebsphase wirder das Erdschwerefeld genauestens vermessenund dadurch zu neuen Erkenntnissen und An-wendungen in der Geodäsie, Geophysik undOzeanographie führen. Von der hochgenauenVermessung des Erdmagnetfeldes erwartetman neue Erkenntnisse über die Dynamik im Erdinnern und Aufschluss über die solar-terrestrischen Beziehungen. Somit ermöglichtCHAMP mit seinen präzisen Instrumentengleichsam einen Blick in das Innere der Erde.Die präzise Beobachtung der Atmosphäre undIonosphäre dient einer genaueren Wettervor-hersage, einer präziseren Navigation und einerbesseren Überwachung globaler Klimaverände-rungen.

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Titelbild: Der Blick ins Innere der Erde – wieihn der Satellit CHAMP ermöglichen wird.Zu erkennen sind der vorwiegend aus flüs-sigem Eisen bestehende Erdkern und imZentrum der feste, innere Kern. Die ther-misch getriebene Konvektion im flüssigenKern erzeugt das Magnetfeld der Erde.

Außerhalb der Erde beobachtet man eineMagnetfeldverteilung, die der eines Stab-magneten ähnelt. Lage und Richtung desfiktiven Magneten sind durch den gelbenPfeil angedeutet. In hohen Breiten wirkendie Magnetfeldlinien wie Führungszentrenfür geladene Teilchen. Sie leiten zum Bei-spiel hochenergetische Elektronen aus demWeltall auf die Atmosphäre, die dort diespektakulären Polarlichter aufleuchten las-sen. (Quelle: GFZ)

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Aufgaben und Ziele des Wissenschaftssatelliten CHAMP

Wir leben auf einem dynamischen Planeten, der sich – angetrieben durchgroßräumige Stoff- und Energieum-lagerungsvorgänge in seinem Innerenund durch vielfältige Einwirkungen vonaußen – in einem ständigen Wandelbefindet. Um den Lebensraum Erde inseiner ganzen Vielfalt und Komplexitätzu verstehen, ist die Erde als System zubetrachten: ein System, das die festen,flüssigen und gasförmigen Anteile imErdraum einschließt, die starken raum-zeitlichen Veränderungen unterworfensind und zwischen denen komplizierteAustauschvorgänge auf sehr unter-schiedlichen Raum-Zeit-Skalen wirken.Prozesse, die in und auf der Erde ab-laufen, sind miteinander gekoppelt undbilden verzweigte Ursache-Wirkungs-Ketten, die durch den Eingriff desMenschen zusätzlich beeinflusst seinkönnen.

Zur Charakterisierung eines so umfas-senden und komplexen Systems sindriesige globale und regionale Daten-sätze notwendig, die möglichst lang-fristig und gleichzeitig verschiedenstePhänomene und Prozesse erfassen, diesich innerhalb und zwischen den Sub-

systemen abspielen. EntsprechendeRechnerressourcen und mathematisch-physikalische Modellansätze sind unab-dingbar, um solche immensen Daten-mengen in weiterführende Modellin-formation umzusetzen.

Globale Datensätze sind in schnellerzeitlicher Abfolge nur mit Satelliten-techniken zu gewinnen, die aber wegen der einzuhaltenden minimalenFlughöhe in der Regel ein eingeschränk-tes Auflösungsvermögen haben. Ein Zusammenspiel von Satellitendatenund Daten von mehr konventionellenMesstechniken an der Erdoberflächebzw. in den erdnahen Schichten derErdatmosphäre ist deshalb das gefor-derte Vorgehen bei der Untersuchungdes Gesamtsystems Erde.

Vor diesem Hintergrund zielt die geo-wissenschaftliche KleinsatellitenmissionCHAMP (CHAllenging Minisatellite Pay-load) mit ihrer multifunktionalen undkomplementären Nutzlast auf Beiträgezu folgenden Systemkomponenten ab:

Geosphäre: Untersuchungen zu Struk-tur und Dynamik im Erdinnern, vomErdkern über den Erdmantel bis in dieErdkruste, und Untersuchungen zuWechselwirkungen mit dem Ozean undder Atmosphäre.

Hydrosphäre: Genauere Beobachtungder Ozeanzirkulation, der globalen Veränderungen des Meeresspiegelsund der Kurzzeitschwankungen im globalen Wasserhaushalt sowie Wech-selwirkungen mit Wetter und Klima.

Atmosphäre: Globale Sondierung dervertikalen Schichtung der neutralenund ionisierten Gashülle der Erde mitden Bezügen zum irdischen Wetter und zum sogenannten Weltraum-wetter.

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Vorhergehende Doppelseite: Genau ge-testet: Vor dem Start wurden für CHAMPbei der IABG (Industrieanlagen-Betriebsge-sellschaft mbH) in München in der Umwelt-und Simulationsanlage genauestens alle er-forderlichen Systemtests durchgeführt. ImHintergrund ist der Sonnensimulator zu se-hen. (Quelle DJO)

Abb. links oben: Im Geoid mit seinen Beulen und Dellen manifestiert sich die un-regelmäßige Massenverteilung der Erde.Das Geoid entspricht der ungestörtenMeeresoberfläche, wie sie sich aufgrundder Schwerkraftverteilung einstellt. (Quelle:GFZ)

Abb. links: Dynamische Prozesse im Erd-innern und an der Erdoberfläche sowie ihrebeobachtbaren geophysikalischen Signale.(Quelle: GFZ)

Mit CHAMP ist erstmals ein geowis-senschaftlicher Satellit in einer sehrniedrigen, nahezu polaren Umlaufbahninstrumentell so ausgestattet, dassgleichzeitig Schwerefeld- und Magnet-feld der Erde mit deutlich verbesserter räumlicher Auflösung beobachtet wer-den können und dies über einen Zeit-raum von fünf Jahren. Damit werdenzeitliche Änderungen in den Feldkom-ponenten gut erfassbar.

Ein zusätzliches Ziel der Mission, dassich aus der erweiterten Nutzung eini-ger für die Feldbestimmung eingesetz-ter Instrumente an Bord des Satellitenergibt, ist die Bestimmung von Zu-standsgrößen in den Troposphären-,Stratosphären- und Ionosphären-Schichten der Erde wie z.B. Tempera-tur, Wasserdampfkonzentration undElektronendichte.

Das CHAMP-Projekt entstand 1994 alsLeitprojekt für die Raumfahrtindustriein den neuen Bundesländern, ausge-hend von einem Projektvorschlag desGeoForschungsZentrums Potsdam(GFZ). Gemeinsam mit dem DeutschenZentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR)und einem Konsortium von Industrie-firmen aus den neuen und alten Bun-desländern wurden unter der Führungdes GFZ Potsdam 1995 und 1996Machbarkeits- und Designstudiendurchgeführt und im Januar 1997 mitder Entwicklung und der Herstellungs-phase für die CHAMP-Mission begon-nen.

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Die Verantwortlichkeiten für die ver-schiedenen Missionselemente verteilensich auf

GFZ GeoForschungsZentrum Potsdam: Projektverantwortung und -manage-ment (mit EST, Flöha), Instrumente,Wissenschafts- und Datensysteme

DLR Deutsches Zentrum für Luft- undRaumfahrt e.V., Oberpfaffenhofen/Neustrelitz: Bodensysteme und Satellitenbetrieb, Datenempfang

DJO Jena-Optronik GmbH, Jena:Satellitenentwicklung und Bau (mitAstrium Friedrichshafen, RST Rostock)

Cosmos International GmbH, FuchsGruppe, Bremen: Startvorbereitungund Startrakete (mit Polyot, Omsk undOHB Bremen)

Internationale Partner haben sichdurch kostenlose Gerätebeistellungenin die Mission eingebracht. Es sind dies

NASA, USA: GPS TRSR-2 Bordempfänger (JPL)

CNES, Frankreich: STAR-Akzelerometer (ONERA)

AFRL, USA: Ionen-Drift Meter

Wenn CHAMP im Juli 2000 vom russischen Startplatz Plesetzk mit einerCOSMOS-Rakete in seine niedrige

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polare Umlaufbahn eingeschossenwird, wird eine Dekade der intensivenSchwere- und Magnetfelderkundungeingeläutet und ein neues Fernerkun-dungsverfahren für atmosphärischeZustandsgrößen in einem präoperatio-nellen Betrieb auf seine Nutzung fürdie Kurzfristwettervorhersage und Klimaüberwachung hin überprüft. Eineintensive Nutzung der Daten für dieErdsystemforschung und für wichtigepraktische Anwendungen ist zu erwar-ten.

Das Schwerefeld der Erde

Das globale Schwerefeld der Erde, die Laufzeitinformation von Erdbeben-wellen sowie das Magnetfeld der Erdesind die Schlüsselinformation zur Erkundung von Struktur und Dynamikdes Erdinnern. Über das Schwerefeldund seine Veränderungen wird esmöglich, Wechselwirkungen zwischendem Ozean, den großen Eisflächen,der Erdkruste und der Atmosphäre zuerfassen und damit Bezüge zum Klimaund seinen Veränderungen herzustel-len.

Erstmals in dieser Kombination istCHAMP mit Instrumenten so ausge-stattet, dass seine Position und Ge-schwindigkeit zu jedem Zeitpunkt überdie von CHAMP aus sichtbaren Satelli-ten der GPS-Konfiguration bestimmt

Sea-floorspreading

Gebirgs-bildung

MagnetischeVariationen

AtmosphärischeAnregung

Meeresspiegel-änderung

GlazialeIsostasie

Rotations-änderungen

Dynamische Geoid-und Schweranomalien

Mantel-konvek-tion

TopografischeKopplung

Elektro-magnet-kopplung

Geo-dynamo

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ren der Erde ablaufen und verknüpftsind mit z.B. der Mantelkonvektion und ihrer Kopplung an die Plattentektonik.CHAMP wird die langwelligen Geoid-signale, die aus Masseninhomogeni-täten im Erdmantel und Erdkern resul-tieren, mit Millimetergenauigkeit beob-achten können. Bei dieser Auflösungund Genauigkeit für das Schwerefeldwird CHAMP wesentliche Randbedin-gungen zur Evaluierung verschiedenerModelle, zur Umwandlung von seis-mischen Geschwindigkeiten in Dichte-werte und zu Untersuchungen vonStruktur- und statisch-dynamischerMassenkompensation an der Kern-Mantel-Grenze und im Bereich der Diskontinuitäten im oberen Mantel liefern.

Mit Massenumverteilungen in der At-mosphäre, dem Ozean und der fest-en Erde zusammenhängende zeitli-che Änderungen im Schwerefeldlaufen auf sehr unterschiedlichenräumlichen und zeitlichen Skalenab und sind in der Regel vomSignal her sehr klein. Bisherkonnten solche Änderungenmit einiger Genauigkeit nurfür den Ellipsoidanteil desFeldes bestimmt werden.Die lange CHAMP-Missi-onsdauer und die wieder-holte Schwerefeldmodellie-rung in dreimonatigem Ab-stand werden es möglichmachen, erstmals zwischenverschiedenen Signalen zuunterscheiden, die zu zeitli-chen Schwereänderungenführen. Die größten zu erwar-tenden, mit CHAMP messba-ren Signale resultieren ausMassenbewegungen in derAtmosphäre, Grundwas-seränderungen, Massenver-lagerungen der Ozeanströ-mung, aus der viskoelastischenAntwort der Lithosphäre aufglaziale Auflasten und aus Mas-senbewegungen des flüssigen Erd-kerns.

CHAMP läutet für das Schwerefeld dieinternationale Dekade der Geopoten-ziale ein. Die Folgemissionen GRACE(2001) und GOCE (2005) sind konse-quente Erweiterungen auf dem Wegeder Detailmodellierung des Schwer-feldes für die Erdsystemforschung.

werden können und nicht durch dasSchwerefeld verursachte Bahnstörun-gen mit einem Beschleunigungsmesseran Bord direkt gemessen und damiteliminiert werden können. Aus dendann ausschließlich auf das Schwere-feld zurückzuführenden Reststörungenim Bahnverlauf kann auf die räumlicheStruktur des globalen Schwerefeldesund seine zeitliche Veränderlichkeit geschlossen werden.

Mit den für die GPS/CHAMP-Inter-satellitenmessungen zu erhaltenden Beobachtungsgenauigkeiten lässt sichfür die wichtigste Niveaufläche desSchwerefeldes der Erde – das die un-gestörte Meeresoberfläche repräsen-tierende Geoid – eine Genauigkeits-steigerung von ein bis zwei Zehnerpo-tenzen gegenüber jetzigen Satelliten-Schwerefeldmodellen erreichen. DieseGenauigkeitssteigerung wird erhebli-che direkte und indirekte Auswirkun-gen auf Fragestellungen der Geodäsie,Geophysik, Ozeanographie und derSatellitennavigation haben. Denn dasSchwerefeld bzw. das globale Geoidbildet die Bezugsfläche für alle topo-grafischen Höhen auf den Kontinentenund den Ozeanen und ist die grundle-gende Voraussetzung für die genaueBahnbestimmung von niedrig fliegen-den Satelliten. Ein genaues Geoid- modell erfüllt zum Beispiel in der Fern-erkundung, Kartographie und Landes-vermessung wichtige Aufgaben bei der Erstellung grossräumiger topo-grafischer Geländemodelle, in derOzeanogrphie bei der Kartierung derStrömungssysteme und im anbrechen-den Zeitalter der intensiven Nutzungvon Navigations-, Kommunikations-und Fern- erkundungssatelliten bei dergenauen Bahnverfolgung dieser Satelli-ten und der Bereitstellung genauer Navigations- und Bildinformation fürden Nutzer.

In der unregelmäßigen Struktur desSchwerefeldes manifestieren sich Dich-teunregelmäßigkeiten, die einen we-sentlichen Schlüssel zum Aufbau undVerständnis der dynamischen Vorgän-ge darstellen, die sich im Inneren derErde abspielen. Schwere- und Magnet-feld sowie seismische Geschwindig-keiten sind die einzigen im Außen-raum der Erde messbaren Signale vondynamischen Vorgängen, die im Inne-

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Abb.: Das Erdschwerefeld, hier dargestelltdurch das Geoid (stark überhöht), lässt sichaus den mittels der GPS-Satelliten beobach-teten Bahnstörungen des CHAMP-Satellitenausmessen. (Quelle: GFZ)

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Das Magnetfeld der Erde

Das mit Satelliten auf erdnahen Bahnen gemessene geomagnetischeFeld ist physikalisch die Überlagerungvon Magnetfeldern von im Wesent-lichen drei Quellen:

dem im Erdkern ablaufenden Dynamo-prozess und Prozessen im Erdmantel(Hauptfeld)der Magnetisierung von Gesteinen undSedimenten in der Erdkruste (Krusten-anomalienfeld)den in der Erdionosphäre und -magne-tosphäre fließenden elektrischen Strö-men (Außenfeld).

Sowohl das Innen- als auch dasAußenfeld weisen deutliche zeitlicheÄnderungen auf, deren Perioden dasZeitmaß der Vorgänge in den Quellre-gionen widerspiegeln. Eine bemer-kenswerte rezente Säkularvariation

des Hauptfeldes ist die Abnahme desDipolfeldes.

An Hand von verlässlichen Beob-achtungen der vergangenen 150Jahre, aber auch aus Aufzeich-nungen vergangener Jahrhun-derte lässt sich schließen, dassdie Stärke des Magnetfeldeskontinuierlich abnimmt. Wasauf globalem Maßstab wie eine säkulare Variation desGeodynamos aussieht, stelltsich bei lokaler Betrachtungals eine unerwartet differen-zierte und dynamische Verän-derung dar. Während derletzten 20 Jahre, für die es

verlässliche Satellitenmessun-gen des globalen Magnetfeldes

gibt, hat sich das Magnetfeld imBereich des Südatlantiks bereits

um zehn Prozent reduziert. Einederart dramatische Abnahme führt

zum Beispiel zu einem lokal stark erhöhten Strahlungshintergrund.

Bereits heute erfahren niedrig fliegen-de Satelliten 90 Prozent ihrer Schädi-gungen durch hochenergetische Teil-chen im Bereich der südatlantischenAnomalie. Ein weiteres interessantesPhänomen sind die sogenannten Jerks,abrupte Änderungen im Magnetfeld.

Wenn ein solches Ereignis währendder CHAMP-Mission auftritt, wird eszum ersten Mal möglich sein, seineglobale Raum-Zeit-Struktur zu erfas-sen. Hieraus lassen sich Rückschlüsseauf die Leitfähigkeit des Materials imErdmantel ziehen.

Ganz besondere Erwartungen richtensich auf die globale Kartierung der magnetischen Anomalien im Krusten-feld. Ein Vergleich dieser Ergebnissemit anderen Beobachtungen, wie demSchwerefeld oder der Geologie derKruste, verspricht ein deutlich klareresBild der Plattentektonik und des Krus-tenaufbaus.

Die externen Quellen im Bereich derHochatmosphäre zeichnen sich durcheine große Variabilität aus. Ihre Ur-sache sind dynamische Vorgänge aufder Sonne. Zeiten großer magnetischerUnruhe bezeichnet man als „magneti-sche Stürme“, die sich in hohen Brei-ten durch Polarlichter manifestieren.Erfahrungen aus der jüngeren Vergan-genheit haben gezeigt, dass rapideMagnetfeldänderungen und die damitverbundenen Umkonfigurationen derPlasmapopulation im erdnahen Welt-raum zu empfindlichen Störungen moderner technischer Systeme (z.B.Ausfall von Telekommunikationssatelli-ten, Zusammenbruch von großenÜberlandstromversorgungsnetzen undSchädigungen an langen Pipelines)führen können. CHAMP wird mit seinen Beobachtungen einen Beitragzur Vorhersage des sogenannten Welt-raumwetters leisten können.

Die internationale Dekade der Geo-potenziale wurde im Bereich der Ma-gnetik vom dänischen Satelliten ørstedeingeläutet. CHAMP und später auchSAC-C werden hierin wichtige Bau-steine sein.

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Sondierung der Atmosphäre undIonosphäre

In jüngster Zeit ist mit der MissionGPS/MET das hohe Nutzungspotenzialfür die Fernerkundung der Neutral-atmosphäre und Ionosphäre mit GPSeindrucksvoll demonstriert worden.Mit verbesserter Empfängertechnikund einer den Anforderungen der numerischen Wettervorhersage besserangepassten Auswertestrategie solldieses als Radio-Okkultationstechnikbezeichnete Verfahren auf CHAMPwiederum eingesetzt werden.

Das Verfahren basiert auf der Analysevon Mikrowellen-Signalen, die an Bordvon CHAMP von „untergehenden“GPS-Satelliten beim Durchgang durchdie Neutralatmosphäre oder Ionosphä-re empfangen werden. Bei stetigerAnnäherung an den Horizont wachsensowohl Brechungswinkel als auch dieausbreitungsbedingte Verzögerung derSignallaufzeit durch das Eintauchendes Strahls in immer dichtere Luft-schichten rasch an, so dass hierausSchlüsse über das Ausbreitungsmedi-um gezogen werden können. Aus dengemessenen Refraktionsprofilen kön-nen dann nach Durchführung geeigne-ter Korrekturen unter Zugrundelegungvon Zusatzannahmen vertikale Druck-

und Temperaturprofile für den tangen-tialen Bereich der einfallenden Strahlenabgeleitet werden. Die Höhenauflö-sung der Temperatur beträgt einige100 Meter, wobei der verbleibendeTemperaturfehler theoretisch unter einGrad Kelvin liegen kann. Derzeitig bekannte Verfahren zur Ableitung me-teorologischer Größen aus den Radio-Okkultationsdaten erreichen diese Genauigkeit jedoch noch nicht immer.Ihre Verbesserung und die Validierungder CHAMP/GPS-Messungen mit un-abhängigen meteorologischen Datengehören deshalb zu den vordringlichenwissenschaftlichen Aufgaben diesesTeiles der CHAMP-Mission.

Wegen seines signifikanten Beitragszum Brechungsindex erschwert vor-handener Wasserdampf eine Tempera-turbestimmung in der unteren Tropo-sphäre. Dies bietet auf der anderenSeite aber die Möglichkeit, den Was-serdampf – ein für die Meteorologieund Klimatologie außerordentlichwichtiges Spurengas in der Tropo-sphäre – selbst in diesem Bereich zubestimmen.

Neben diesen wichtigen Beiträgen zurBeobachtung des irdischen Wetter-geschehens liefern die mit dem GPS-Empfänger, dem Akzelerometer, demIonendriftmeter und den Magnetome-tern an Bord von CHAMP zu gewin-

nenden Daten und Ergebnisse vielfäl-tige Möglichkeiten für die weitere Erforschung und Überwachung desWeltraumwetters.

Gerade bei den im Jahr 2000zu erwartenden turbulenten Welt-raumwetterlagen und den damit ver-bundenen möglichen Störungen in einer Reihe von technischen Systemen(z.B. Hochspannungsnetze, Navigati-onssysteme, Satelliten) ist diese durchCHAMP gegebene Möglichkeit derÜberwachung von großer praktischerBedeutung. CHAMP wird einer der ersten Satelliten sein, der dieses viel-versprechende globale Verfahren derRadio-Okkultations-Messungen in Verbindung mit Messungen weitererSensoren kontinuierlich nutzt. Damitwird im Zusammenspiel mit den Mes-sungen von Folgesatelliten mit ähnli-cher Geräteausstattung (SAC-C, GRA-CE) der Weg für ein neues effizientesFernerkundungsverfahren der Atmo-sphäre eröffnet, das mit Messungenüber den Ozeanen, Kontinenten undPolargebieten die bestehenden Lückenim meteorologischen Beobachtungs-netz schließen hilft.

Abb.: Der CHAMP-Satellit nach der Fertig-stellung mit eingeklapptem Ausleger.(Quelle: GFZ)

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LaserretroreflektorEin vom GeoForschungsZentrum Pots-dam gefertigter Laserreflektor in einemneuartigen Design ist an der Unterseitedes Satelliten angebracht und dientder zentimetergenauen Entfernungs-bestimmung zwischen Laser-Boden-stationen und dem CHAMP-Satelliten.

AkzelerometerDas von der französischen Raumfahrt-behörde CNES beigestellte elektrosta-tische Akzelerometer STAR dient derMessung aller nichtgravitativen Be-schleunigungen, die auf den CHAMP-Satelliten einwirken. Das von ONERAentwickelte und gebaute Instrumentmisst die Beschleunigungen bis 10 m/s2

bei einer Auflösung von 3x10-9 m/s2.Zwei starr mit der Sensoreinheit desAkzelerometers verbundene Stern-sensoren dienen dazu, die genaueinertiale Lage des Akzelerometers imRaum festzulegen.

Overhauser und Fluxgate MagnetometerDas von der französischen Firma LETIhergestellte Overhauser-Magnetometermisst skalar die Magnetfeldstärke amOrt des Sensors. Es dient als magneti-sches Referenzinstrument und wird zurKalibrierung der beiden Fluxgate-Ma-gnetometer verwendet. Mit letzteren

Wissenschaftliche Instrumente

An Bord von CHAMP befinden sichsieben verschiedene Beobachtungs-instrumente, die in unterschiedlicherKombination für die Magnetfeld-, fürdie Schwerefeld- und für die Atmo-sphärensondierung eingesetzt werden.

GPS-EmpfängerDer von NASA/JPL beigestellte TurboRogue Space Receiver (TRSR) bestehtaus einem 16-Kanal-Empfänger undvier Antennen (eine in Richtung Zenit,eine in Nadir-Richtung und zwei in Ge-gen-Flugrichtung). Mit der zenitwei-senden Antenne können bis zu zwölfSatelliten gleichzeitig empfangen wer-den und aus den Trackingdaten diebordseitige Navigationslösung bzw. inder Offline-Prozessierung die präziseBahn des CHAMP-Satelliten gewonnenwerden. Eine Helix-Antenne an derUnterseite des Satelliten soll den Em-pfang von GPS-Signalen ermöglichen,die von der Meeres- oder Eisoberflächerückgestrahlt werden. Mit den zweiauf der Rückseite des Satelliten ange-brachten Antennen können Signaleder am Horizont auf- oder unterge-henden GPS-Satelliten für die Atmo-sphärensondierung empfangen werden.

werden alle drei Komponenten desMagnetfeldvektors ausgemessen. Umauch hier die Lage der Sensorachsenim Raum genau orientieren zu können,sind zwei Sternsensoren auf einer opti-schen Bank zusammen mit den Flux-gate-Magnetometern untergebracht.Die Fluxgate-Magnetometer wie auchdie Sternsensoren wurden von der Dänischen Technischen Universität ge-baut.

Digitales IonendriftmeterDas vom amerikanischen Air Force Research Laboratory (AFRL) beigestellteIonendriftmeter misst in erster Linie dieGeschwindigkeit der den Satellitenfrontal anströmenden Ionen. Diese Geschwindigkeit ist die Summe ausder Strömungsgeschwindigkeit der Ionen und der Fluggeschwindigkeit des Satelliten. Bei Kenntnis der Ionen-geschwindigkeit ist es möglich, daselektrische Feld der Umgebung zu be-stimmen.

Abb.: Die wissenschaftlichenInstrumentean Bord von CHAMP. (Quelle: GFZ)

Optische Bank mit Fluxgate-Magnetometernund Sternsensoren

Sternsensoren

GPS-Zenitantenne

OverhauserMagnetometer Digitales Ionen-Driftmeter

und Langmuir-Sonde S-Band-Antenne

Akzelerometer (innerhalb desSatelliten im Massenzentrum)

Limb-Sondierungs-GPS-Antenne

Auf der Nadir-Seite: Laser-Retroreflektoren und GPS-Nadirantenne

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GeoForschungsZentrum Potsdam

Das GFZ Potsdam ist das 1992 gegrün-dete nationale Forschungszentrum derBundesrepublik Deutschland für dieGeowissenschaften. Forschungsgegen-stand des Zentrums ist das System Erde. Neben grundlagenspezifischenForschungsaktivitäten unterstützt das GFZ die geowissenschaftliche For-schung in Deutschland durch Koor-dination, Logistik und apparativeHilfestellung in gemeinsamen Pro-jekten und in internationaler Ko-operation. Mit seiner Strukturund rund 600 Mitarbeitern um-fasst das GFZ alle Disziplinender festen Erde von der Geo-däsie über die Geophysik, Ge-ologie und Mineralogie bis zurGeochemie in einem multidis-ziplinären Forschungsverbund.Es war deshalb nur konse-quent, dass das GFZ 1994 indie Diskussion um die Realisie-rung eines Leitprojektes für dieRaumfahrtindustrie in den neu-en Bundesländern eine Kleinsa-tellitenmission zur übergeordne-ten Thematik „Erdsystemforschung“einbrachte.

Projektzuständigkeiten der PartnerDas CHAMP-Projekt wurde durch dieProjektphasen A, B und C/D über eine80-prozentige Zuwendung des Bundesan das GFZ Potsdam und jeweils zehnProzent Eigenmittel der HGF-Einrich-tungen GFZ und DLR finanziert. Dem-entsprechend lag die Gesamtverant-wortung für das Projekt beim GFZPotsdam, das den Projektleiter stellteund in der Betriebsphase nach demStart den CHAMP-Projekt-Direktorstellt. Die technisch-wissenschaftlicheZuständigkeit des GFZ erstreckt sich inder Entwicklungs- und Betriebsphaseauf die technische Begleitung der Sa-tellitenherstellung, die wissenschaftli-chen Geräte an Bord des Satelliten, dieWissenschafts- und Datensysteme und

dieKoor-dinierungder wissen-schaftlichen Nutzer.Das DLR ist in allen Pha-sen des Projektes für die Bodensyste-me, den Satellitenbetrieb und denEmpfang der Kontroll- und Wissen-schaftsdaten zuständig. Der Satellitwurde von der Jena-Optronik GmbH inGemeinschaftsarbeit mit Astrium (vor-mals DSS Friedrichshafen) und RST Ro-stock entwickelt und gebaut. Mit derBeschaffung der COSMOS-Rakete (Polyot,Omsk), der Fertigung des Raketenadap-ters und den Vorbereitungen am Start-platz Plesetzk wurde die Firma COS-MOS International der Fuchs GruppeBremen beauftragt.

Das GFZ war von Anbeginn des Projektes CHAMP in den verschiede-nen Projektphasen

Phase A: 10/94 - 03/95:Definition und Machbarkeit

Phase B: 11/95 - 10/96: Design und Anforderungen

Phase C/D: 01/97 - 5/00:Entwicklung und Herstellung

für das Projektmanagement, die Fest-legung der wissenschaftlichen Zielset-zungen, die Definition der Anforderun-gen an die wissenschaftliche Nutzlastund die Erstellung der Missions- und

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Systemspezifikationen zuständig. Inder Entwicklungs- und Herstellungs-phase war es neben dem allgemeinenProjektmanagement und der Projekt-kontrolle zuständig für die Bereitstel-lung, die Tests und die Überwachungder Nutzlastinstrumente und auch fürden Aufbau, die Tests und die Inbe-triebnahme der Wissenschaftsdaten-systeme.

Das CHAMP Wissenschafts-datensystem Das vom GFZ Potsdam entwickelteund während der Mission von ver-schiedenen Abteilungen des Zentrumsbetriebene Wissenschaftsdatensystem

dientdazu, die

von CHAMPzur DLR-Empfangs-

station in Neustrelitz tele-metrierten wissenschaftlichen Mess-

daten zu entschlüsseln, in kalibrierteund korrigierte physikalische Messda-ten umzusetzen und daraus Standard-produkte unterschiedlicher Veredel-ungsstufen für das Schwerefeld, Ma-gnetfeld, für die Neutralatmosphäreund die Ionosphäre zu liefern. Ein In-formations- und Datenarchiv-Systemstellt diese Messdaten, Metadaten undDatenprodukte den Experimentatorenund Nutzern von CHAMP in effizienterWeise zur Verfügung.

Das GFZ-Wissenschaftsdatensystembesteht aus dem

Wissenschaftsdaten-Betriebssystem(SOS), in dem die empfangenen Instru-mentendaten entschlüsselt, überwachtund vorverarbeitet werden, Komman-dosequenzen für Parameteränderun-gen in den wissenschaftlichen Bord-geräten erstellt werden und über das

die Verbindung zwischen dem Verar-beitungssystem für die Wissen-schaftsdaten (SDS) und dem Missi-ons-Betriebssystem (MOS) desDLR hergestellt wird.

Wissenschaftsdaten-Verarbei-tungssystem (SDS), in dem dievorverarbeiteten wissenschaft-lichen Daten zu Bahn-/Schwe-refeld-, Magnetfeld- und At-mosphären/Ionosphären-Pro-dukten verarbeitet werden.Hierbei werden die Datenver-edelungsklassen 2 bis 4 unter-

schieden.

CHAMP-Informationssystem und Datenzentrum (ISDC), das

die Daten, Metadaten und Daten-produkte langzeitspeichert, gezielte

Informations- und Produktrecherchenermöglicht und die Online-Verfügbar-keit von Daten und Produkten für interne und externe Nutzer per www-Internetbrowser oder über direktenFTP-Zugriff gewährleistet.

Über das CHAMP-Wissenschaftsdaten-system plant das GFZ die nationalenund internationalen Nutzer vonCHAMP-Daten mit korrigierten undkalibrierten Daten und mit einer Viel-zahl von Standardprodukten verschie-dener Bearbeitungstiefe über die ge-samte Missionsdauer zu bedienen.

Abb.: Schwerefeldsignatur der Dichtevertei-lung im oberen Erdmantel bis 350 Kilome-ter Tiefe als Ergebnis einer gemeinsamenAnalyse von Schwerefeld und seismischerTomographie. Die Farbskala reicht von Rot(Schweredefizit = geringere Dichte, wär-mer) bis Blau (Schwereüberschuss = höhereDichte, kühler). (Quelle: GFZ)

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Deutsches Zentrum für Luft- undRaumfahrt

Beim Projekt CHAMP hat das DLR zweiwichtige Aufgaben: Es initierte dasProjekt und erfüllt bei der Steuerungdes Satelliten und dem Datenempfangwichtige Funktionen.

Das Raumfahrt-Kontrollzentrum

Die Betriebsphase von CHAMP ist auffünf Jahre ausgelegt. Während dieserZeit kommt dem Deutschen Raum-fahrt-Kontrollzentrum des DLR inOberpfaffenhofen eine wichtige Auf-gabe zu: Es ist für den Betrieb, die

Kontrolle des Satelliten sowie den Da-tenempfang zuständig. Die eigentlicheAufgabe des Raumfahrt-Kontrollzen-trums beginnt nach dem Start vonCHAMP im russischen Kosmodrom Plesetzk mit der ersten Kontaktauf-nahme zum Satelliten. Die COSMOS-Trägerrakete bringt CHAMP in einekreisförmige Umlaufbahn in 460 Kilo-meter Höhe über der Erde. Die Auf-stiegsbahn führt dabei fast über denNordpol, bei einer Inklination von 87Grad gegenüber dem Äquator. DieseBahn wird der Satellit praktisch – mitAusnahme einer langsam abnehmen-den Flughöhe – fünf Jahre beibehal-ten, wobei er jeden Ort der Erdober-fläche wiederholt überfliegt.

Nach einer Aufstiegsphase von etwa30 Minuten ist der endgültige Orbit er-reicht, und die Oberstufe der Raketetrennt den Satelliten über den Hawaii-Inseln ab. Bereits hier versucht man,den Satelliten optisch zu erfassen, mit-tels einiger im pazifischen Raum be-findlicher Laser-Tracking-Stationen.Endgültig geschieht die erste Kontakt-aufnahme ca. 20 Minuten nach Sepa-ration über der NASA-BodenstationMcMurdo in der Antarktis. Diese Bo-denstation gehört neben den beidenweiteren Stationen Poker Flat (in Alas-ka) und Svalbard (auf Spitzbergen)zum Polar-Netzwerk der NASA, das im

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Rahmen einer Kooperationsvereinba-rung zwischen DLR und NASA für dieerste Phase der CHAMP-Mission undauch zur eventuellen Notfallunterstüt-zung zur Verfügung steht. Die geogra-phische Lage dieser Bodenstationen inextremen nördlichen und südlichenBreiten ermöglicht eine Kontrolle derSatellitenmission auf nahezu jeder Erd-umkreisung.

Die ersten Daten des Satelliten werdenüber das Kommunikationsnetzwerkvon NASA und DLR direkt zum Raum-fahrt-Kontrollzentrum des DLR nachOberpfaffenhofen geschickt. Dort be-ginnt dann die erste wichtige Phase

der Mission: der Kontakt zu CHAMPauf seiner tatsächlichen Flugbahn, dieAnalyse des Zustandes, das Austestender Funktionsbereitschaft aller Systemesowie dessen Konfiguration für seineeigentlichen wissenschaftlichen Auf-gaben. Das Ausklappen des Auslegersmit den empfindlichen und hochge-nauen Sensoren, die Inbetriebnahmedes autonomen Bordsystems zur Posi-tions- und Lagebestimmung (auf Basisvon Daten der GPS-Satelliten sowieder eigenen Sternsensoren) und dieKommandierung auf immer genauereModi des Lageregelungssystems sindnur einige Beispiele dafür. Für diesenZweck und auch zur Kontaktierungdes Satelliten während der fünfjähri-gen Missionsdauer sind die beiden Antennen der DLR-Bodenstation Weil-heim das Hauptinstrument – unter-stützt in den ersten 30 Stunden vomPolar-Netzwerk der NASA.

Danach liegen die Kontrolle und derBetrieb von CHAMP ausschließlich inder Hand des Deutschen Raumfahrt-Kontrollzentrums. Das umfangreicheArbeitsprogramm für den Satellitenund seine Systeme und Sensoren wirdim Kontrollzentrum zusammengestelltund in komplexe Kommandosequen-zen umgesetzt. Diese werden währendder zirka zehn Minuten andauerndenStationsüberflüge von Weilheim zumSatelliten übertragen, innerhalb dererauch die gespeicherten Daten über eine hochratige Datenverbindung(1Mbps) zum Boden gebracht werdenmüssen. Aufgrund der durch die Satel-litenbahn begrenzten Sichtbarkeitenüber den DLR-Bodenstationen (rundvier- bis sechsmal pro Tag für jeweilsmaximal zehn Minuten) bedarf diesergesamte Prozess einer exakten Planungder Messungen an Bord sowie auchder Einsatzplanung der am Boden ver-fügbaren Ressourcen. Diese Betriebs-planung, Berichte über das Satelliten-verhalten sowie Betriebsanfragen wer-den über die Schnittstelle des MSI(Mission-, Science- and Operations-In-terface) mit dem GFZ in Potsdam unddamit mit wissenschaftlichen Nutzernweltweit ausgetauscht und abgestimmt.

Rohdatenzentrum in NeustrelitzNach einer mehrwöchigen intensivenPhase der Inbetriebnahme verlagertsich der Schwerpunkt im Routinebe-trieb auf die Gewinnung von Messda-

ten zum Gravitations- und Magnetfeldder Erde, sowie der Iono- und Atmo-sphäre. Diese im Massenspeicher anBord kontinuierlich gesammelten Da-ten werden regelmässig bei Überflü-gen über Deutschland zur Bodenstati-on Neustrelitz (DLR) übertragen, wo diewissenschaftliche Daten direkt extra-hiert und im ebenfalls in Neustrelitzangesiedelten Rohdatenzentrum (RawData Center – RDC) archiviert und fürdie Weitergabe an das GFZ vorbereitetwerden. Hier befindet sich auch dasnationale Bodensegment des ebenfallszum DLR gehörenden Deutschen Fern-erkundungsdatenzentrums (DFD), das eine Vielzahl an Daten von hochauflö-senden Fernerkundungssatelliten, aberauch wissenschaftlichen Kleinsatelliten,empfängt.

Die vom Satelliten CHAMP im Mittelviermal täglich gesendeten Daten wer-den zunächst auf einem Plattensystemin Echtzeit gespeichert. Danach wer-den aus dem Datenstrom gezielt Infor-mationen über die einzelnen Sensorenund den Satelliten extrahiert und andas Betriebszentrum der Mission inOberpfaffenhofen übermittelt sowiean das wissenschaftliche Zentrum derMission am GFZ in Potsdam weiterge-leitet. Von dort erfolgt die weitere Ver-edelung und Auswertung der Datensowie die Weitergabe an die interna-tionale Forschergemeinschaft.

Nach der Inbetriebnahmephase vonmehreren Wochen werden die Datenvon CHAMP rund fünf Jahre lang rundum die Uhr – teilweise hochautomati-siert – empfangen. Erstmals kommtbei einer Kleinsatellitenmission dieneue Datenmanagement-Infrastrukturdes DFD zum Einsatz, die missions-übergreifend den gesamten Produkt-lebenszyklus einschließlich Robotarchi-vierung begleitet. Die empfangenen,sogenannten Rohdaten von CHAMPwerden im Rohdatenzentrum (RDC) in Neustrelitz zur Sicherung langzeit-archiviert.

Abb.: Die 30-Meter-Antenne des DLR inWeilheim/Lichtenau wird für die Komman-dogabe, den Telemetrie-Datenempfang sowie die Bahnvermessung von interplane-taren Raumsonden eingesetzt. (Quelle:DLR)

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Jena Optronik GmbH

Die Jena-Optronik GmbH wurde alsHauptauftragnehmer im April 1997vom GeoForschungsZentrum Potsdammit der Entwicklung, Fertigung, Testund Lieferung des Satelliten beauf-tragt. Das Auftragsvolumen belief sichauf 30,5 Millionen Mark.

Ein integriertes Industrieteam, an demAstrium (ehemals Dornier Satellitensys-teme GmbH in Friedrichshafen) unddie RST Raumfahrt und UmweltschutzGmbH aus Rostock unter Führung desUnternehmens in Thüringen beteiligtwaren, nahm seine Arbeit auf. Dabeigriff man auf die umfangreichen Er-fahrungen von Astrium im Satelliten-bau zurück.

CHAMP entstand aus dem bei Astriumentwickelten Flexbus-Konzept, welchesden erfolgreichen Einstieg in die Ent-wicklung und Fertigung von Kleinsatel-liten ermöglicht. Der Erfolg diesesKonzeptes basiert auf der Entwicklungkostengünstiger und intelligenter Kom-ponenten, die den Entwicklungs- undTestablauf sowie den operationellenBetrieb des jeweiligen Satelliten we-sentlich vereinfachen. Neben Aufga-ben für wissenschaftliche Missionenkann Flexbus auch für die Erderkun-dung, Kommunikation und Navigationausgerüstet und eingesetzt werden.

Ein zweites Projekt auf der Grundlagevon Flexbus ist die Gravitationsfeld-mission Grace für die amerikanischeRaumfahrtbehörde NASA. Zudem be-steht weltweites Interesse, das flexibleKonzept mit seinen intelligenten und

preisgünstigen Komponentenlösungenfür kommerzielle Raumfahrtprojekteeinzusetzen.

Durch das Flexbus-Konzept von Astriumwurde CHAMP zu einem vergleichs-weise kostengünstigen Forschungs-projekt.

Die Jena-Optronik verantwortete in derHauptauftragnehmerrolle im integrier-ten Team (IT) das Management des ge-samten Projektes CHAMP. Dazu zähl-ten alle System-Engineering-Arbeiten,das technische Konzept sowie die De-finition der erforderlichen Subsystemeauf Spezifikationsebene, und das Un-ternehmen betreute zudem Entwick-lung und Bau des Satelliten währendder gesamten Projektlaufzeit

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vom Design bis zur Abnahme. CHAMPist ein dreiachsen-stabilisierter Klein-satellit mit einer Masse von 522 Kilo-gramm und einer Länge von acht Me-tern einschließlich des wissenschaftli-chen Auslegers. Bahnänderungsmanö-ver können mittels eines Lageregelungs-systems AOCS (Attitude and Orbit Con-trol System) auf der Basis von Kaltgasvorgenommen werden. Dafür sindzwei Tanks mit je 32 Kilogramm Stick-stoff vorgesehen. Die Stromversorgungerfolgt mittels Solarzellen und einerBatterie. Die Gesamtleistung beträgt140 Watt. Die Satellitenstruktur wurdespeziell für die Mission optimiert undfür den Start mit einer russischen Trä-gerrakete vom Typ Kosmos ausgelegt.Der Satellit besteht aus einer Alu-

minium-Sandwich-Struktur, die zur Er-höhung der Steifigkeit zusätzlich eineVerstärkung erhielt.

Die wichtigsten Einzelkomponenten,die integriert wurden, waren unter anderem:

Akzelerometer zur Bestimmung derauf den Satelliten wirkenden Störbe-schleunigungen.Ein GPS-Empfänger, um die genauePosition und Geschwindigkeit vonCHAMP zu bestimmen.Ein Laser Retro Reflektor zur Bestim-mung der Entfernung zwischen demSatelliten und der Bodenstation mit einer Genauigkeit im Zentimeterbe-reich.

Um die wissenschaftlichen Missionszie-le zu erfüllen, mussten anspruchsvolletechnische Lösungen realisiert werden:

Integration des Akzelerometers inner-halb des Satellitenschwerpunktes mit einer maximalen Abweichung von +/-2 mm über die gesamte MissionsdauerIntegration des Laser Retro Reflektorsinnerhalb eines Radius von 5 mm vomSchwerpunkt des SatellitenSymmetrische Anordnung der Kalt-gastanks um den Schwerpunkt des SatellitenOptimierung des Satelliten bezüglicheines minimalen atmosphärischen Widerstands

Die Jenaer Spezialisten arbeiteten anverschiedenen Arbeitspaketen mit, wo-bei sie in einigen Aufgabenbereichenauch die Systemführung inne hatten.Dazu zählen unter anderem:

System Control S/W EngineeringBasic & Interface S/WEntwicklungsumgebung, S/W Versions-und KonfigurationskontrolleAOCS Engineering (Attitude and OrbitControl System)Operation Engineering

Als eine Hauptkomponente des Satelli-tensystems hat die Jena-Optronik dasSoftware-Paket OBDH (On-Board DataHandling) entwickelt und geliefert.Diese Software ist für das sichere Funk-tionieren und Zusammenspiel aller Teil-systeme des Satelliten zuständig – fürdie Erfassung und Verarbeitung der System- und Instrumentendaten, dieGewährleistung aller Betriebsmodi, die

Aufbereitung der Daten zur Übertra-gung zum Boden sowie der zur Kom-mandoausführung vom Boden emp-fangenen Daten.

Eine verantwortungsvolle Aufgabeübernahm das Unternehmen auch mitden Integrations- und Funktionstestsdes Satelliten, die alle erfolgreich ver-liefen. Die Integrationsarbeiten fandenbei Astrium in Friedrichshafen und beiJena-Optronik in Jena statt. Bei derIABG in Ottobrunn bei München wur-de ein umfangreiches Verifikations-Testprogramm durchgeführt. Im Ergeb-nis der elektromagnetischen Verträg-lichkeitsuntersuchungen, der Überprü-fung der mechanischen und akusti-schen Belastungen und schließlich derTests unter Weltraumbedingungen inder Vakuumkammer der IABG konntendie erforderlichen Parameter des Satel-litensystems bestätigt werden. Danacherfolgte der Transport zum russischenStartplatz nach Plesetzk.

Mit der Realisierung des KleinsatellitenCHAMP hat die Jena-Optronik ihre Systemfähigkeit auf diesem Gebietnachdrücklich bestätigt und weiterausgebaut.

Abb.: Präziser Zusammenbau: Die einzel-nen Elemente von CHAMP werden bei derelektrischen Integration Stück für Stückumfangreichen Tests unterzogen. (Quelle:DJO)

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Deutsches Zentrumfür Luft- und Raumfahrt

Das DLR ist das nationale Zentrumder Bundesrepublik Deutschland

für Luft- und Raumfahrt. So betreibt dasDLR umfangreiche Forschungs- und Entwicklungsarbeiten in nationaler undinternationaler Kooperation. Über die eigene Forschung hinaus ist das DLR als Raumfahrtagentur im Auftrag derBundesregierung für die Umsetzung der deutschen Raumfahrtaktivitäten zuständig.

Mit ca. 4.500 Mitarbeiterinnen undMitarbeitern verfügt das DLR über achtStandorte in Köln-Porz (Sitz des Vor-stands), Berlin, Bonn, Braunschweig, Göttingen, Lampoldshausen, Ober-pfaffenhofen und Stuttgart sowie Bürosin Brüssel, Paris und Washington.

Jena-Optronik GmbH

Die Jena Optronik GmbH besteht alseigenständige Firma seit Ende 1991.

Sie ist ein Unternehmen der AstriumGmbH und der Jenoptik-Gruppe. Die Je-na-Optronik beschäftigt ca. 115 Mitar-beiter und hat ihren Sitz in Jena, einemZentrum der deutschen Optikindustrie.

Aufbauend auf den ca. 30-jährigen Er-fahrungen in der Entwicklung von Raum-fahrttechnik und den grundsätzlichenKompetenzen in der Opto-Elektronik, derbildgebenden Sensorik und bildverarbei-tenden Elektronik sowie Software konzi-piert, entwickelt, fertigt und qualifiziertdie Jena-Optronik hochwertige Systemefür Anwendungen in der Raumfahrt undauf der Erde für den gesamten Prozessvon der Datengewinnung bis zur Verar-beitung und aufgabenspezifischen Inter-pretation.

Wesentliche Produktgruppen der Jena-Optronik sind:

Lagemesssensoren für die RaumfahrtOptische Systeme für Raumfahrt-Forschung und ErdbeobachtungSatelliten-on-board-Software und Erd-beobachtungs-DatenprozessorenIntelligente optische Messsysteme für diemedizinische Diagnose und biochemischeAnalyseSatellitendatenauswertungs-Dienstleis-tungen

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GeoForschungsZentrum Potsdam

Das GFZ wurde 1992 als nationalesZentrum für die Geoforschung auf

dem traditionsreichen Potsdamer Telegra-fenberg gegründet. Das GFZ umfasst mitseinen heute etwa 600 Mitarbeitern alleDisziplinen der Wissenschaften der festenErde von der Geodäsie über die Geophy-sik, Geologie und Mineralogie bis zurGeochemie in einem multidisziplinärenForschungsverbund.

Forschungsgegenstand des GFZ ist das„System Erde“, d.h. der Planet, auf demwir leben, mit den in seinem Innern undan der Oberfläche ablaufenden geodyna-mischen, physikalischen und chemischenProzessen sowie den komplexen Wech-selbeziehungen zwischen den Subsyste-men Geo-, Hydro-, Bio- und Atmosphäre.

Ziel ist es, über das Prozessverständnis zueinem effizienteren Geo- und Umwelt-management zu gelangen und zur Lö-sung hochaktueller Problerme von globa-ler Bedeutung in internationaler Koope-ration beizutragen. Satelliten-, Flugzeug-und Boden-gestützte Messsysteme sowieLaborexperimente sind wichtige Elemen-te für die Erreichung dieses Zieles.

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