9
Der Einsatz starker Opiode in der Hausarztpraxis Chancen optimieren, Risiken minimieren Die Linderung von Schmerzen gehört zu den zentralen Aufgaben des Hausarztes. Starke Analgetika sind eine der hierfür zu Verfü- gung stehenden Optionen und erfreuen sich einer zunehmenden Beliebtheit. Was aber tun, wenn Opioide nicht den in sie gesetzten Erwartungen entsprechen oder ihre Nebenwirkung mitunter belas- tender werden als der Schmerz selbst? Hier bekommen Sie das Rüst- zeug für diese Situationen. _ Vorrangiges Ziel des Einsatzes stark(wirksam)er Analgetika ist eine in- dividuell angemessene Schmerzlinde- rung bei guter Verträglichkeit [1, 2, 3], um Betroffenen so weit wie möglich eine aktive Teilhabe am privaten, sozialen und beruflichen Leben zu ermöglichen. Hierbei bedarf es einer vertrauensvollen Zusammenarbeit von Patient, Arzt, nicht ärztlichen erapeuten und Apo- theker. Um grundlegende Missver- ständnisse von vorneherein zu vermei- den, sollten vor jedem Einsatz stark(wirkend)er Analgetika Zielverein- barungen getroffen werden, was das ei- gentliche Behandlungsziel ist (z. B. Re- duktion der Schmerzintensität, Erhö- hung der Lebensqualität, Verbesserung der Funktionalität, oder Steigerung der psychosozialen Aktivität) und mit wel- chen Wirkungen (und Nebenwirkun- gen) realistischer Weise gerechnet wer- den kann bzw. muss [4, 5]. Erwartungen an starke Analgetika Aufgrund ihrer pharmakologischen Be- sonderheiten sind mit dem Einsatz stark(wirksam)er Opioide manchmal übertriebene Erwartungen (eine in je- dem Fall und von der zugrundliegen- den Schmerzursache unabhängige, starke analgetische Wirkung ohne jeg- liche organtoxische Nebenwirkung), aber auch Befürchtungen und Ängste (körperliche Gewöhnungseffekte, zen- trale Nebenwirkungen, Abhängigkeit, Sucht) verbunden. Die Wahrheit über die Sinnhaſtigkeit und den praktischen Nutzen der Verordnung der im prakti- schen Alltag zunehmend breitere An- wendung findenden starken Opioide liegt zwischen den bekannten Extrem- positionen der Befürworter und der Gegner der Analgetika. Definition starker Analgetika Landläufig werden heute die hochpoten- ten Opiate (d. h. die natürlicherweise vorkommenden Alkaloide des Opiums und die daraus abgeleiteten Produkte wie z. B. Morphin) und Opioide (d. h. die synthetisch und teilsynthetisch herge- stellten Substanzen mit morphinartigen Eigenschaſten wie z. B. Buprenorphin, Oxycodon, Hydromorphon oder Fenta- nyl) zur Gruppe der stark(wirksam)en zentralen Analgetika der WHO Stufe III gezählt. Ihre Verordnung unterliegt in Deutschland der Betäubungsmittelver- schreibungsverordnung (BtMVV). Wirkprinzip starker Analgetika Hochpotente Analgetika entfalten ihre Wirkungen über über eine Aktivierung körpereigener Prozesse. Sie binden an Die Schmerzwahrnehmung zu senken – das ist das Wirkprinzip der Opioide. © ktsimage / istockphoto This article is part of a supplement not sponsored by the industry. 62 MMW-Fortschr. Med. 2013; 155 (Sonderheft 2) ZERTIFIZIERTE FORTBILDUNG _ FOLGE 385 Priv.-Doz. Dr. med. Michael A. Überall Institut für Neurowissenschaften, Algesiologie & Pädiatrie, Nürnberg In Zusammenarbeit mit der Bayerischen Landesärztekammer Teilnahme unter www.springermedizin.de/ kurse-mmw

Chancen optimieren, Risiken minimieren

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Chancen optimieren, Risiken minimieren

Der Einsatz starker Opiode in der Hausarztpraxis

Chancen optimieren, Risiken minimieren

Die Linderung von Schmerzen gehört zu den zentralen Aufgaben des Hausarztes. Starke Analgetika sind eine der hierfür zu Verfü-gung stehenden Optionen und erfreuen sich einer zunehmenden Beliebtheit. Was aber tun, wenn Opioide nicht den in sie gesetzten Erwartungen entsprechen oder ihre Nebenwirkung mitunter belas-tender werden als der Schmerz selbst? Hier bekommen Sie das Rüst-zeug für diese Situationen.

_ Vorrangiges Ziel des Einsatzes stark(wirksam)er Analgetika ist eine in-dividuell angemessene Schmerzlinde-rung bei guter Verträglichkeit [1, 2, 3], um Betro� enen so weit wie möglich eine aktive Teilhabe am privaten, sozialen und beru� ichen Leben zu ermöglichen. Hierbei bedarf es einer vertrauensvollen Zusammenarbeit von Patient, Arzt, nicht ärztlichen � erapeuten und Apo-theker. Um grundlegende Miss ver-ständnisse von vorneherein zu vermei-den, sollten vor jedem Einsatz stark(wirkend)er Analgetika Zielverein-barungen getro� en werden, was das ei-gentliche Behandlungsziel ist (z. B. Re-duktion der Schmerzintensität, Erhö-hung der Lebensqualität, Verbesserung der Funktionalität, oder Steigerung der psychosozialen Aktivität) und mit wel-chen Wirkungen (und Nebenwirkun-

gen) realistischer Weise gerechnet wer-den kann bzw. muss [4, 5].

Erwartungen an starke Analgetika Aufgrund ihrer pharmakologischen Be-sonderheiten sind mit dem Einsatz stark(wirksam)er Opioide manchmal übertriebene Erwartungen (eine in je-dem Fall und von der zugrundliegen-den Schmerzursache unabhängige, starke analgetische Wirkung ohne jeg-liche organtoxische Nebenwirkung), aber auch Befürchtungen und Ängste (körperliche Gewöhnungse� ekte, zen-trale Nebenwirkungen, Abhängigkeit, Sucht) verbunden. Die Wahrheit über die Sinnha� igkeit und den praktischen Nutzen der Verordnung der im prakti-schen Alltag zunehmend breitere An-wendung � ndenden starken Opioide liegt zwischen den bekannten Extrem-positionen der Befürworter und der Gegner der Analgetika.

De� nition starker AnalgetikaLandläu� g werden heute die hochpoten-ten Opiate (d. h. die natürlicherweise vorkommenden Alkaloide des Opiums und die daraus abgeleiteten Produkte wie z. B. Morphin) und Opioide (d. h. die synthetisch und teilsynthetisch herge-stellten Substanzen mit morphinartigen Eigenscha� en wie z. B. Buprenorphin, Oxycodon, Hydromorphon oder Fenta-nyl) zur Gruppe der stark(wirksam)en zentralen Analgetika der WHO Stufe III gezählt. Ihre Verordnung unterliegt in Deutschland der Betäubungsmittelver-schreibungsverordnung (BtMVV).

Wirkprinzip starker AnalgetikaHochpotente Analgetika entfalten ihre Wirkungen über über eine Aktivierung körpereigener Prozesse. Sie binden an

Die Schmerzwahrnehmung zu senken – das ist das Wirkprinzip der Opioide.

©

ktsi

mag

e / i

stoc

kpho

to

■ This article is part of a supplement not sponsored by the industry.

62 MMW-Fortschr. Med. 2013; 155 (Sonderheft 2)

?? _ Thema

?? _ Thema

?? _ Thema

ZERTIFIZIERTE FORTBILDUNG_FOLGE 385

Priv.-Doz. Dr. med. Michael A. ÜberallInstitut für Neurowissenschaften, Algesiologie & Pädiatrie,Nürnberg

In Zusammenarbeit mit der Bayerischen Landesärztekammer

Teilnahme unter www.springermedizin.de/kurse-mmw

Page 2: Chancen optimieren, Risiken minimieren

spezielle Opioidrezeptoren (OR), die sich auf der Ober�äche der Nervenzellen im ganzen Körper be�nden [6, 7]. Da-durch wirken sie bei allen somatisch be-dingten Schmerzen. Die kumulative Ad-dition erwünschter E�ekte entlang der Strukturen des nozizeptiven Systems er-klärt das zumindest theoretisch unbe-schränkte analgetische Potenzial der stark(wirksam)en zentralen Analgetika. Allerdings stellen sich mit zunehmender Dosiseskalation auch unerwünschte Wirkungen (z. B. gastrointestinale Obs-tipation, Sedation, Schwindel, kognitive Beeinträchtigungen) ein. Außerdem drohen im toxischen Bereich oder bei fehlerha�er bzw. missbräuchlicher An-wendung auch schwerwiegende Kompli-kationen (Atemstillstand, Sucht). In der Frühphase der Behandlung kann es pas-sager zu Übelkeit, Erbrechen, Kogni-tionsminderung und konsekutiver Ein-schränkung der Fahrsicherheit kommen [1, 2, 3, 8, 9, 10–14].

Charakterisierung stark wirksamer AnalgetikaDie meisten stark(wirksam)en Analgeti-ka (z.B. Morphin, Hydromorphon und Fentanyl) sind reine Agonisten. Sie be-sitzen eine hohe Opioidrezeptora�nität (Bindungsstärke) und entfalten an die-sen eine hohe intrinsische Aktivität (Wirkstärke). Ihre theoretisch unbe-grenzte analgetische Wirkung lässt sich durch Antagonisten komplett au�eben.

Im Gegensatz hierzu unterliegt die Rezeptorwirkung der sog. Partialagonis-ten (z.B. Buprenorphin) – zumindest tierexperimentell – einem sog. Ceiling-E�ekt: Trotz weiterer Dosissteigerung lässt sich ab einer bestimmten Wirk-sto�menge keine weitere Wirkungsstei-gerung mehr erzielen. Dies scheint in der täglichen Praxis jedoch keine therapeu-tische Relevanz zu besitzen, minimiert andererseits jedoch (zumindest bei sonst Gesunden) das Risiko behandlungsbe-dingter Atemdepressionen.

Daneben gibt es Arzneisto�e (z. B. Pentazocin) mit einer gemischt agonis-tisch-antagonistischen Wirkung auf ver-schiedene OR-Subtypen sowie reine An-tagonisten (z. B. Naloxon), die aufgrund ihrer hohen Rezeptora�nität andere

Opioide von den Rezeptoren kompetitiv verdrängen, ohne dort selbst Wirkungen zu entfalten. Sie werden heute entweder in reiner Form zur vorübergehenden (Notfall-)Behandlung von Opioidvergif-tungen, Überdosierungserscheinungen bzw. im Rahmen einer balancierten An-ästhesie zur Behandlung eines Opioid-überhanges eingesetzt oder dauerha� in Kombination mit Agonisten zur Präven-tion bzw. �erapie der opioidassoziier-ten Obstipation angewendet [10, 15].

Hinsichtlich Wirkeintritt und Wirk-dauer unterscheidet man zwischen kurz wirksamen Opioiden (sog. „Short Acting Opioids“, SAO), lang wirksamen Opioiden (sog. „Long Acting Opioids“, LAO) und ultraschnell wirkenden Opio-iden (sog. „Rapid Onset Opioids“, ROO), wobei sich für eine Dauertherapie nur lang wirkende (und konstante Wirk-sto�onzentrationen ermöglichende) Arzneimittel (z. B. in Form oraler Re-tard opioide oder transdermaler Opioid-p�aster) eignen (Tab. 1).

Eine weitere praktisch sinnvolle Un-terscheidung ergibt sich durch die Be-rücksichtigung der verfügbaren Darrei-chungsformen: oral-enteral, transder-mal, transmukosal sowie intravenös und intrathekal. Der zunehmende Trend hin zur (Erst-)Behandlung chronischer Schmerzen mit transdermalen thera-peutischen Opioidsystemen (TTS) er-klärt sich u. a. durch die Einfachheit der

Anwendung [16], kann jedoch (insbeson-dere für fentanylhaltige P�astersysteme) mit einem beträchtlichen Anwendungs-risiko einhergehen [17, 18]. Nachteilig sind bei TTS die temperaturabhängigen Wirksto�freisetzungs raten (die z. B. bei Fieber, aber auch bei der Verwendung von Heizkissen oder Wärmestrahlern sowie durch verstärkte Sonnenbestrah-lung oder Saunabesuch mit Serumkon-zentrationsanstiegen von bis zu 40% und entsprechenden klinischen Proble-men einhergehen können) [19–24]. Pro-blematisch ist auch die vom Vorhanden-sein eines ausreichenden subkutanen Fettdepots abhängige Wirksto�ereit-stellung. Bei kachektischen Patienten oder fehlerha�em Applika tionsort (z. B. über einem Gelenk) erfolgt keine ausrei-chende Wirksto�abgabe aus dem P�as-tersystem. Und schließlich können auf-grund der subkutanen Depotbildung und der von dort statt�ndenden Wirk-sto�freisetzung unerwünschte Neben-wirkungen auch nach Entfernung des wirksto�ragenden P�asters noch länge-re Zeit anhalten.

Verfügbare Wirksto�eDie Wahl des „richtigen“ Opioidanalge-tikums sollte sich primär nach den Er-fahrungen des Anwenders und den pa-tientenspezi�schen Besonderheiten (zu-grundeliegendes Schmerzsyndrom bzw. Relevanz der zu erwartenden uner-

Tabelle 1

Klassi�zierung stark analgetisch wirksamer Arzneisto�e nach Wirkeintritt und Wirkdauer

Long-acting Opioid (LAO) Short-acting Opioid (SAO)

Rapid-onset Opioid (ROO)

Wirkeintritt 1–2 Stunden 30–40 Minuten 10–15 Minuten

Wirkdauer 8–12 Stunden 4 Stunden 1–2 Stunden

Arzneisto�e Buprenorphin TDS

Fentanyl TDS

Morphin retard

Oxycodon retard

Oxycodon/Naloxon retard

Hydromorphon retard

Tapentadol retard

Morphin

Oxycodon

Hydromorphon

Fentanyl (sublingual, bukkal, intranasal)

© Ü

bera

ll

MMW-Fortschr. Med. 2013; 155 (Sonderheft 2) 63

FORTBILDUNG_ÜBERSICHT

Page 3: Chancen optimieren, Risiken minimieren

wünschten Opioidwirkungen für den je-weils betro�enen Patienten) richten (Tab. 2) [3, 5, 6, 26–31].

Ob darüber hinaus für einzelne Wirksto�e klinisch relevante Unter-schiede hinsichtlich der zu erwartenden

Wirksamkeit vorliegen, ist bislang wis-senscha�lich nicht wirklich ausreichend belegt. Die im praktischen Alltag übli-chen Vorlieben beruhen weitgehend auf klinischen Erfahrungen bzw. auf der Unterstellung bestimmter Vor- und

Nachteile, die sich aus dem pharmako-logischen Pro�l der verschiedenen Wirksto�e ableiten lassen.

Morphin ist das am längsten bekannte stark wirksame Opiumderivat und in unterschiedlichsten Darreichungsfor-men verfügbar. Seine aktiven Metaboli-ten (Morphin-6- und Morphin-3-Glu-kuronid) akkumulieren bei einge-schränkter Nierenfunktion, woraus u. a. eine beträchtliche Verlängerung der Halbwertszeit resultieren kann. Dies er-schwert eine sichere Anwendung insbe-sondere bei Älteren [6, 17, 26–28, 32, 33].

Hydromorphon ist ein halbsyntheti-sches Opioid mit einer analgetischen Po-tenz (Morphinäquivalenz) von 7,5. Sein Einsatz ist wegen der im Vergleich zu Morphin deutlich geringeren Kumula-tionse�ekte bei Älteren und Patienten mit Nierenfunktionseinschränkungen weniger problematisch, seine Anwen-dung bei Mehrfachtherapien und multi-morbiden Patienten aufgrund seiner ge-ringen Eiweißbindung vorteilha�. Da-gegen ist bei Leberfunktionsstörungen mit entsprechend höheren Plasma-konzentrationen zu rechnen. Von allen Opioiden verursacht Hydromorphon am seltensten den manchmal extrem qualvollen opioidinduzierten Juckreiz.

Oxycodon ist ein halbsynthetisches Opioid mit einer analgetischen Potenz von 2. Oxycodon wird hepatisch meta-bolisiert und (zum Teil) renal eliminiert. Bei Leberfunktionsstörungen sind höhe-re und länger anhaltende Plasmakon-zentrationen zu erwarten, bei fort-geschrittener Niereninsu�zienz (GFR < 30 ml/min) eine verzögerte Ausschei-dung. Sein Nebenwirkungsspektrum ist opioidtypisch [3, 6, 9], sein bevorzugter Einsatz zur Behandlung nicht tumor-bedingter Schmerzen durch Studienda-ten nicht rational nachvollziehbar.

Oxycodon/Naloxon sind als �xe Arz-neimittelkombination verfügbar. Die pharmakokinetischen Pro�le der beiden Arzneisto�e führen bei oral-enteraler Anwendung dazu, dass prähepatisch die Wirkung des Antagonisten Naloxon

Tabelle 2

Die häu�gsten Nebenwirkungen der Opioidanalgetika

Nebenwirkung Opioid Dosisab-hängig-keit

Routenab-hängig-keit

Therapie

empfehlung

Obstipation 1–6 nein teilweise Laxanzien �x

Nausea/Emesis 1–7 nein teilweise Antiemetika

Gallenab�ussstörung 1, 4, 5, 7 neint teilweise Rotation,

Spasmolytika

Harnretention 1–4 nein ja Rotation,

Spasmolytika

Kreislau�nstabilität 2, 5, 7 ja ja Titration,

Etilefrin

Atemdepression alle ja ja Titration, Testen, Sedativa vermeiden

Depression/Exzitation alle ja nein Titration

Bronchokonstriktion 1, 2, 5 nein ja Rotation

Toleranz 1, 2 ja ja Rotation

Allergische Reaktion 1 nein nein Rotation

Hautreaktionen 2, 6 nein nein Rotation

Kopfschmerzen 5, 7 nein nein Rotation

Teratogenität 2, 4 nein nein Rotation

Hirndruckerhöhung 1, 2, 4 ja nein Titration

Abhängigkeit alle nein ja Retardpräparate, Auf-klärung, Beobachtung

Verminderte Libido, Amenorrhoe, Hypthyreose

1 nein ja Rotation

Juckreiz, Schwitzen 1, 2 nein ja Route wechseln

Immunsuppression 1, 3

1 = Morphin, 2 = Fentanyl-TTS, 3 = Methadon, 4 = Hydromorphon, 5 = Oxycodon, 6 = Buprenorphin-TTS, 7 = Oxycodon/Naloxon, 8 = Tapentadol

©Ü

bera

ll

64 MMW-Fortschr. Med. 2013; 155 (Sonderheft 2)

FORTBILDUNG_ÜBERSICHT

Page 4: Chancen optimieren, Risiken minimieren

überwiegt, der aufgrund seiner höheren Bindungsa�nität Oxycodon von den intestinalen Mu-Opioid-Rezeptoren (MOR) verdrängt, was mit einer signi�-kant geringeren Häu�gkeit und Schwere der opioidinduzierten Obstipation ein-hergeht). Posthepatisch (also systemisch und zentral) überwiegt die Wirkung des Agonisten, da Naloxon aufgrund eines sehr hohen First-pass-E�ekts und einer Bioverfügbarkeit von etwa 2% syste-misch keine E�ekte besitzt [15, 34, 35]. Zu beachten ist, dass es bei Patienten die wegen einer Obstipation von einem an-deren Opioid auf die Kombination Oxy-codon/Naloxon umgestellt werden, vor-übergehend zu einer Diarrhö kommen kann.

Buprenorphin wird aufgrund seiner ge-ringen oral-enteralen Bioverfügbarkeit überwiegend transdermal appliziert, und gilt aufgrund seines insgesamt gu-ten Sicherheitspro�ls als Mittel der ers-ten Wahl für Patienten in höherem Alter [16, 33, 36–38]. Seine analgetische Po-tenz wird mit (50–)100 angegeben. Seine Dosierung muss bei Nierenfunktions-störungen nicht angepasst werden. Im Vergleich zu anderen Opioiden weist der Wirksto� Buprenorphin ein insgesamt günstig(er)es Nebenwirkungspro�l mit einem geringeren Risiko für Obstipation und Juckreiz auf (wobei sich letztge-nannter Vorteil durch die Besonderhei-ten der transdermalen Verabreichung und p�asterbedingte kutane Lokalreak-tionen im Alltag relativiert).

Fentanyl, ein vollsynthetisches Opioid mit hoher Lipophilie und etwa 100-fa-cher Wirkstärke bzgl. Morphin gilt auf-grund seiner hohen Potenz und der (nach parenteraler Gabe) schnellen und gut steuerbaren An�utung im ZNS als Analgetikum der Wahl für den periope-rativen Einsatz im Rahmen einer balan-cierten Anästhesie. Für die Behandlung chronischer Schmerzen steht Fentanyl ausschließlich in Form transdermaler (P�aster-)Systeme zur Verfügung. Sei-ne starke analgetische Wirkung geht häu�g mit entsprechenden zentralen Nebenwirkungen einher und erfordert (insbesondere bzgl. der temperaturab-

hängigen E�ekte) eine entsprechend Au�lärung Betro�ener [1–3, 39–41].

Eine für viele Patienten mit tumorbe-dingten Durchbruchschmerzen wichti-ge (Neu-) Entwicklung stellen die seit ei-niger Zeit verfügbaren transmukosalen Darreichungsformen von Fentanyl dar, bei denen der Wirksto� vom Patienten selbst oral (über die bukkale oder sublin-guale Schleimhaut) oder intranasal ap-pliziert wird und über diesen Weg (unter Umgehung des enterohepatischen Kreis-laufs) auch sehr schnell zentral an�utet. Die derzeitige Anwendungsbeschrän-kung dieser Darreichungsformen von Fentanyl auf tumorbedingte Durch-bruchschmerzen erklärt sich durch das nicht nur medico-legal begründeten Be-dürfnis nach einer ausgewogenen Nut-zen-/Risikobetrachtung und das erhöhte Risiko missbräuchlicher (Fehl-)Anwen-dungen vor allem, aber nicht nur, bei nicht tumorbedingten Indikationen.

Tapentadol nimmt aufgrund seiner be-sonderen Wirkweise (Kombination aus MOR-Agonist und Noradrenalin-Wie-deraufnahmehemmsto�) eine Sonder-stellung ein. Seine analgetische Potenz liegt bzgl. Morphin bei 0,3–0,5, wobei ein großer Teil seiner Wirkung über die Noradrenalin-Wiederaufnahme-hemmung auf Rückenmarksebene ent-faltet wird (ein E�ekt, den Tapentadol u. a. mit schmerzmedizinisch eingesetz-ten Antidepressiva teilt) [42]. Nach ora-ler Aufnahme des Wirksto�s werden maximale Serumkonzentrationen nach

ca. 1,5–2 bzw. 3–6 Stunden (retardierte Form) erreicht. Die Elimination erfolgt über inaktive Metaboliten fast aus-schließlich renal. Entsprechend sind nur bei schwerwiegenden Einschränkungen der Nieren- (GFR < 30ml/min) und Le-berfunktion Dosis anpassungen vorzu-nehmen. Als praktisch relevant dür�e sich die unter Tapentadol bessere Ver-träglichkeit mit einer in klinischen Stu-dien (gegen Oxycodon) nachgewiesenen geringeren nebenwirkungsbedingten Abbruchrate erweisen [43, 44].

Aufgrund seines kombinierten Wirk-ansatzes und der zusätzlichen norad-renergen Wiederaufnahmehemmung [45, 46] scheint Tapentadol neben seinem Ein-satz bei nozizeptiven Schmerzen auch für die Behandlung neuropathischer oder ge-mischter Schmerzen entweder in Mono-therapie oder als Kombinationspartner für Ko-Analgetika und Lokaltherapeuti-ka geeignet zu sein.

Praktisches Vorgehen bei DauerschmerzenFür die Behandlung chronischer Schmerzen mit stark(wirksam)en An-algetika sollten bevorzugt lang wirken-de Opioide (sog. „long-acting opioids“) verwendet werden, die entweder (in re-tardierter Form) oral-enteral oder trans-dermal verabreicht werden können [30, 1–3, 5, 9, 39, 40, 47, 48]. Ziel ist es einer-seits, durch konstante (d. h. vom Schmerzverlauf unabhängige) Wirk-sto�spiegel eine kontinuierliche analge-tische Wirkung zu erreichen und das Ri-

Abb. 1 Dosisberechnungshilfe für den Fall einer Opioidrotation.

©

Sitt

l R e

t al.

Clin

The

rape

utic

s 20

05;2

7(2)

:225

–237

Abbildung 1

Tapentadol

Oxycodon

Buprenorphin TTS

Morphin

Hydromorphon

Tramadol

Fentanyl TTS

Morphin i.v.

Hydromorphon i.v.

100:12,5:1

1:2

7,5:1

1:5

100:1

3:1

5:1

MMW-Fortschr. Med. 2013; 155 (Sonderheft 2) 65

FORTBILDUNG_ÜBERSICHT

Page 5: Chancen optimieren, Risiken minimieren

siko missbräuchlicher Fehlanwendun-gen durch therapeutisch unnötige Kon-zentrationsspitzen zu minimieren. Dies-bezüglich hilfreich sind die von der WHO bereits 1986 formulierten Grund-prinzipien der Opioidtherapie „by the mouth“ & „by the clock“ [49], wobei er-gänzend betont werden muss, dass die anderen Simpli�zierungen des WHO-Stufenschemas den zugrunde liegenden komplexen (bio-psycho-sozialen) Pro-zessen chronischer Nichttumorschmer-zen nicht wirklich gerecht werden.

Im Gegensatz zu Nichtopioiden gibt es für die starken Opioidanalgetika keine allgemein gültige Dosisempfehlung. Grundsätzlich gilt, dass stark(wirksam)e Analgetika im Rahmen einer Erst-einstellung zunächst niedrig dosiert und die Dosis dann schrittweise langsam ge-steigert werden sollte, bis entweder eine zufriedenstellende analgetische Wirkung oder intolerable Nebenwirkungen au�re-ten [1, 2, 4, 6, 13]. Der hierfür zunächst als Mittel der 1. Wahl präferierte Wirksto� sollte immer in langwirkender Form und einer den Bedürfnissen des zu behan-delnden Patienten entsprechenden Dar-reichungsform verabreicht werden, wobei die oral-enteralen Opioide gegenüber den transdermalen Opioiden Vorteile hin-

sichtlich Wirkan�utung (bzgl. erwünsch-ter analgetischen Wirkungen) bzw. Wirk-nachlass (bzgl. möglicher unerwünschter Arzneimittelwirkungen) haben, ihr Ein-satz umgekehrt jedoch mit einer geringe-ren Anwenderfreundlichkeit und Com-pliance einhergeht [6, 16].

Opioidbedingte NebenwirkungenIm praktischen Alltag der Behandlung chronischer Schmerzen spielt die Be-einträchtigung der Atemfunktion bei Schmerzpatienten nur eine untergeord-nete Rolle. Selbst Patienten mit bekann-ter respiratorischer Insu�zienz können

– bei entsprechend vorsichtigem Vorge-hen – grundsätzlich auf Opioide einge-stellt werden. Wie sich gezeigt hat, pro-�tieren Patienten mit schwerer Atem-not manchmal sogar von einer entspre-chenden �erapie [50].

Sehr viel größere Probleme bereiten initial die (in den meisten Fällen vorü-bergehenden bzw. im zeitlichen Verlauf rückläu�gen) zentralnervösen uner-wünschten Opioidwirkungen wie z. B. Müdigkeit und Sedierung, Konzentra-tions- und Schlafstörungen sowie die gastrointestinalen Symptome Übelkeit und Erbrechen [1, 2, 9, 10, 27–29, 32]. Während erstgenannten Problemen in

den meisten Fällen durch eine niedrige Einstiegsdosis und eine langsame Do-sissteigerung retardierter Arzneisto�e begegnet werden kann, erfordern letzte-re – zumindest vorübergehend – eine rechtzeitige (prophylaktische) antieme-tische �erapie (Tab. 3).

Die in der Dauertherapie hartnä-ckigste und meist auch die Betro�enen am stärksten nachhaltig und anhaltend beeinträchtigende Opioidnebenwir-kung ist die Obstipation. Dieser muss nicht nur vorbeugend sondern auch an-haltend begegnet werden um – bei z. B. sonst guter Analgesie – die Compliance für eine längerfristige �erapie zu si-chern (Tab. 4) )[51]. Neben den genann-ten Zusatztherapien bietet sich zur Ver-meidung und Behandlung der opioid-induzierten Obstipation insbesondere auch die Verwendung des bereits er-wähnten Oxycodon/Naloxon-Kombi-nationspräparates an.

OpioidrotationSollte sich gar keine bzw. nur eine zeit-lich befristete oder insgesamt unzurei-chende Schmerzlinderung einstellen oder aufgrund von Verträglichkeitspro-blemen eine weitere Dosiseskalation trotz unzureichender Analgesie nicht möglich sein, so kann eine Opioidrota-tion, d. h. der Wechsel auf ein anderes stark(wirksam)es Analgetikum in Er-wägung gezogen werden. Hierbei erlau-ben unter Berücksichtigung der zuletzt eingenommenen Dosis entsprechende Umrechnungshilfen (Abb. 1) die Be-rechnung einer (zumindest theoretisch) äquipotenten Zieldosis für den neu ein-zusetzenden Wirksto�, von der wiede-rum zunächst (insbesondere bei Um-stellungen wg. Verträglichkeitsproble-men) nur die Häl�e als Startdosis ver-wendet und diese dann im weiteren Verlauf nach Wirkung und Verträglich-keit schrittweise angepasst werden soll-te [1, 2, 9, 39, 40, 48].

FahrsicherheitO� wird eine �erapie mit starken An-algetika aufgrund einer möglichen Be-einträchtigung der Fahrsicherheit abge-lehnt. Eine Opioidtherapie kann jedoch Patienten, die vorher wegen ihrer

Tabelle 3

Stufenschema der Therapie von Übelkeit und Erbrechen

Stufen Wirksto� Applikation Darreichungsform Dosierung

Stufe I Metoclopramid p.o., s.c., i.v. Trpf., Tbl., Amp. 3 x 10 mg (3 x 30 Tropfen)

Haloperidol p.o., s.c., i.v. Trpf., Amp. 3 x 0,5 mg (3 x 5 Tropfen)

Stufe II Dimenhydrinat p.o., rect., i.v. Amp., Supp., Drg. 3 x 100–200 mg

Scopolamin t.d. P�. 1 mg/72 h

Stufe III Ondansetron p.o., s.c., i.v. Tbl., Amp. 4–8 mg

Dexamethason p.o., s.c., i.v. Amp., Tbl. 1 x 4–8 mg

Stufe IV Midazolam p.o., i.v. Amp., Trpf. 5–10 mg / die (oral oder parenteral)

p.o.: oral; i.v.: intravenös; s.c.: subjutan; rect.: rektal; Amp.: Ampullen; Tbl.: Tabletten; Trpf.: Tropfen; P�.: P�aster; Drg.: Dragees; Supp: Zäpfchen

©Ü

bera

ll

66 MMW-Fortschr. Med. 2013; 155 (Sonderheft 2)

FORTBILDUNG_ÜBERSICHT

Page 6: Chancen optimieren, Risiken minimieren

Schmerzen kein Kra�fahrzeug mehr führen konnten, durch das Wegfallen der „Schmerzbremse“ wieder dazu befä-higen, am Straßenverkehr teilzunehmen.

Interessant ist in diesem Zusammen-hang auch eine Studie mit Menschen, die sich in einem Opioid-Substitutions-programm befanden. Sie wurden hin-sichtlich ihres Unfallrisikos bzw. ihrer psychomotorischen Funktion unter-sucht. Nach zwei bis drei Monaten Dau-ertherapie mit stabilen Opioiddosen (oral oder transdermal) war das Verhal-ten am Fahrsimulator oder in Tests für psychomotorische oder kognitive Leis-tungsfähigkeit bei den Versuchsperso-nen im Vergleich zu Kontrollen nicht be-einträchtigt [52].

Laut Straßenverkehrsgesetz § 24a(2)–(5) vom 28. April 1998 (letzte Änderung vom 21.06.2005) wird das Führen eines Kra�fahrzeugs „unter dem Ein�uss be-rauschender Mittel“ dann nicht als Ord-nungswidrigkeit eingestu�, „wenn die Substanz aus der bestimmungsmäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arznei-mittels herrührt“. Dies kann mit einem Opioidausweis nachgewiesen werden, wobei Schmerzpatienten nicht verp�ich-tet sind, einen solchen Ausweis mit sich zuführen.

Ob ein Schmerzpatient unter Opio-iden fahrtauglich ist, kann nur im Ein-zelfall beurteilt werden. Grundsätzlich sollte die Fahrzeugführung in der Ein-stellungsphase auf ein stark(wirksam)es Analgetikum, bei Dosisanpassungen, bei

einem Opioidwechsel und bei insgesamt schlechtem Allgemeinzustand (zumin-dest vorübergehend) unterlassen werden.

Der Arzt ist verp�ichtet, einen Schmerzpatienten auf die Probleme der Fahrsicherheit unter Opioiden hinzu-weisen, auch darauf, dass sich bei zusätz-lichem Alkoholgenuss bzw. der Einnah-me anderer psychotroper Substanzen die Fahrsicherheit deutlich verschlech-tern kann. Da bei nicht ausrei chend do-kumentierter Au�lärung der behan-delnde Arzt strafrechtlich verantwort-lich gemacht werden kann, sollte Wert auf eine ausreichende Dokumentation der Au�lärung gelegt werden.

Dauer der TherapieBei gutem Behandlungserfolg und Errei-chung der vereinbarten Behandlungszie-le kann nach drei (bis sechs) Monaten eine schrittweise Dosisreduktion erwo-gen werden [1, 2, 13, 40, 41]. Kommt es hierunter zu einer neuerlichen Schmerz-zunahme, kann die �erapie nach Ab-sprache mit den Betro�enen und ent-sprechenden �erapievereinbarungen durchaus auch über einen längeren Zeit-raum weiter fortgeführt werden, wenn sie in ein geeignetes Gesamtkonzept ein-gebunden wird [1, 13, 40, 41].

Studien belegen, dass eine �erapie mit Opioiden nur dann nachhaltig zum Erfolg führen kann, wenn sie in ein mul-timodales interdisziplinäres �erapie-konzept eingebunden ist (das u. a. Ele-mente von Kra�- und Ausdauertraining, psychotherapeutischer Schmerzdistan-

zierung, Mobilisierung, physio-(ggf. auch ergo-)therapeutischen Übungsthe-rapien und physikalische �erapien um-fasst), die Betro�enen bzgl. ihrer aktiven Teilhabe aufgeklärt wurden und auch bereit und in der Lage sind diese Rolle aktiv zu übernehmen [1, 2, 5, 40]. Lassen sich Patienten nur passiv behandeln und sind sie z. B. nicht bereit, krankheitsför-dernde Lebensumstände zu ändern, birgt auch eine u. U. anfänglich wirksa-me Opioidtherapie langfristig nicht nur die Gefahr des Versagens [1, 2, 13, 41], sondern auch der Befundverschlechte-rung und der Fehlbehandlung [2].

Literatur unter mmw.de

Anschrift des Verfassers:PD Dr. med. Michael A. Überall, Institut für Neurowissenschaften, Algesiologie & Pädiatrie, Theodorstraße 1 D-90489 NürnbergE-Mail: [email protected]

Tabelle 4

Stufenschema der Obstipationsbehandlung

Stufen Wirksto� Dosierung

Stufe I Natriumpicosulfat 10–20 Tropfen, ein- bis zweimal täglich

Lactulose 3 x 15–30 ml (1 Esslö�el)

Macrogol 1–2 x 1 Beutel /die

Stufe II Para�n 1–2 x 0,5–1 Esslö�el

Sennosid 2 x täglich 1 Teelö�el

Stufe III Sorbitol Einläufe, digitale Ausräumung

KeywordsUse of strong opioids in general practice

opioids – chronic pain – long-term treatment– e�cacy – tolerability

Fazit für die PraxisStark(wirksam)e Opioide sind weder Wunder- noch Allheilmittel, spielen je-doch eine wichtige Rolle für eine ratio-nale schmerzmedizinische Versorgung – auch von Patienten mit nicht tumor-bedingten chronischen Schmerzen. Wirkungen und Nebenwirkungen ge-hen häu�g Hand in Hand und erfor-dern eine individuelle Einstellung und Begleitung.

Interessenkon�iktDer Autor erklärt, dass er sich bei der Erstellung des Beitrages von keinen wirtschaftlichen Interessen lei-ten ließen. Er legt folgende potenzielle Interessen-kon�ikte o�en: Honorare für Vorträge oder Beratungsaktivität von Almirall-Hermal, Archimedes, Bene-Arzneimittel, Grünenthal, Janssen-Cilag, MSD, Mucos, Mundipharma, P�zer, ProStrakan, TEVA. Der Verlag erklärt, dass die inhaltliche Qualität des Beitrags von zwei unabhängigen Gutachtern geprüft wurde. Werbung in dieser Zeitschriftenausgabe hat keinen Bezug zur CME-Fortbildung. Der Verlag garantiert, dass die CME-Fortbildung sowie die CME-Fragen frei sind von werblichen Aussagen und kei-nerlei Produktempfehlungen enthalten. Dies gilt insbesondere für Präparate, die zur Therapie des dargestellten Krankheitsbildes geeignet sind.

©

Übe

rall

MMW-Fortschr. Med. 2013; 155 (Sonderheft 2) 67

FORTBILDUNG_ÜBERSICHT

Page 7: Chancen optimieren, Risiken minimieren

Diese CME-Fortbildungseinheit ist von der Bayerischen Landes ärztekammer mit zwei bzw. drei Punkten zur zertifizierten Fort bildung anerkannt.

Teilnehmen und Punkte sammeln, können Sieals e.Med-Abonnent an allen Kursen der e.Akademie, als Abonnent einer Fachzeitschrift an den Kursen der abonnier-ten Zeitschrift oder als Leser dieses Magazins – zeitlich begrenzt – unter Verwendung der FIN.

CME-Fragebogen gültig bis 2.12.2013

FIN MM132496

Starke Opioide in der HausarztpraxisStarke Analgetika vom Opioidtyp

⃞ sind eine einheitliche Arzneistoffgrup-pe.

⃞ wirken vorwiegend peripher. ⃞ wirken bei psychogenen Schmerzen. ⃞ sind bei nicht tumorbedingten

Schmerzen nur als Mittel der letzten Wahl indiziert.

⃞ entfalten ihre Wirkung über eine Aktivierung körpereigener Prozesse.

Stark(wirksam)e Opioide ⃞ haben keine organtoxischen Wir-

kungen. ⃞ entfalten nur in der Frühphase der Be-

handlung Nebenwirkungen. ⃞ sollten nur bei Tumorpatienten im End-

stadium eingesetzt werden. ⃞ wirken unspezifisch, d. h. bei allen so-

matisch bedingten Schmerzen. ⃞ können nur oral verabreicht werden.

Bzgl. der Wirkstoffauswahl ⃞ spielt das zugrundeliegende Schmerz-

syndrom keine Rolle. ⃞ sind patientenspezifische Besonder-

heiten zu berücksichtigen. ⃞ ist Morphin immer Mittel der ersten

Wahl. ⃞ sind transdermale Darreichungsformen

zu bevorzugen. ⃞ muss die analgetische Wirkung im

Rahmen eines i.v.-Opioidtests getestet werden.

Bei der Ersteinstellung eines chronischen Schmerzpatienten auf ein stark(wirksam)es Analgetikum

⃞ kann unmittelbar mit der Zieldosis be-gonnen werden.

⃞ sollten nicht retardierte Arzneimittel bevorzugt eingesetzt werden.

⃞ sollten die Arzneistoffe im Tagesver-lauf variabel nach Bedarf verabreicht werden.

⃞ sollten die Arzneistoffe nach einem festen Therapieplan eingenommen werden.

⃞ müssen Nichtopioide abgesetzt wer-den.

Der Einsatz von Morphin bei älteren Men-schen

⃞ ist bei eingeschränkter Nierenfunktion problematisch.

⃞ ist grundsätzlich problemlos möglich. ⃞ wird nur selten von opioidtypischen

Nebenwirkungen begleitet. ⃞ ist aufgrund seiner geringen Kosten als

unimodales Verfahren das Mittel der ersten Wahl.

⃞ führt regelhaft zu einer stärkeren Schmerzlinderung als der von Nicht-opioiden.

Wenn ein stark(wirksam)es Opioid nicht ausreichend wirkt,

⃞ wirken auch andere zentral wirkende Analgetika nicht.

⃞ kann eine Opioidrotation sinnvoll sein. ⃞ muss ein zweites Opioid kombiniert

werden. ⃞ ist zu unterstellen, dass der Patient sei-

ne Medikamente nicht einnimmt. ⃞ ist eine Operation in Erwägung zu

ziehen.

In der Frühphase der Opioideinstellung ⃞ muss den opioidtypischen Nebenwir-

kungen wie Übelkeit und Erbrechen frühzeitig vorbeugend begegnet werden.

⃞ kann die Dosis bis zum Eintreten zen-tralnervöser Nebenwirkungen zügig gesteigert werden.

⃞ ist die Fahrsicherheit noch nicht beein-trächtigt.

⃞ können die Opioide noch gar keine Wirkungen zeigen.

⃞ muss der Patient Bettruhe bewahren.

Für die Behandlung nicht tumorbedingter Dauerschmerzen mit Opioiden

⃞ gelten grundsätzlich andere Regeln als für die Tumorschmerztherapie.

⃞ sind Arzneistoffe mit einem retar-dierten Freisetzungsverhalten nicht geeignet.

⃞ ist Morphin aufgrund seiner pharma-kologischen Eigenarten nicht mehr zwangsläufig Mittel der ersten Wahl.

⃞ spielen arzneistoffspezifische Unter-schiede keine Rolle.

⃞ sind zuvor vereinbarte individuelle Be-handlungsziele unbedeutend.

Die Langzeitanwendung von Opioiden ⃞ ist nur bei Tumorpatienten sinnvoll. ⃞ kann bei initial gutem Ansprechen

ohne Nachkontrollen langfristig fortge-führt werden.

⃞ erfordert nur selten eine begleitende Langzeitbehandlung der opioidindu-zierten Obstipation.

⃞ sollte stets in ein multimodales Be-handlungsprogramm eingebunden werden.

⃞ erfordert keine nennenswerte Zusam-menarbeit von Patient und Therapeut.

Unter einer effektiven Dauertherapie mit stark(wirksam)en zentralen Analgetika

⃞ ist die deutliche Mehrzahl der Patienten in der Regel weder geistig noch körper-lich relevant eingeschränkt.

⃞ verlieren Patienten dauerhaft ihre Fahr-erlaubnis.

⃞ dürfen Patienten nicht arbeiten. ⃞ sind auch bei nicht regelmäßiger Ein-

nahme körperliche Entzugssymptome ausgeschlossen.

⃞ dürfen Patienten keinen Alkohol mehr zu sich nehmen.

springermedizin.de/eAkademie

DO

I 10.

1007

/s15

006-

013-

2127

-y

68 MMW-Fortschr. Med. 2013; 155 (Sonderheft 2)

Page 8: Chancen optimieren, Risiken minimieren

Literatur1. American Pain Society, American Academy

of Pain Medicine. Use of chronic opioid the-rapy in chronic non-cancer pain.

2. Arbeitsgemeinschaft wissenschaftlich medi-zinischer Fachgesellschaften. LONTS - Lang-zeitanwendung von Opioiden bei nicht tumorbedingten Schmerzen. Verfügbar on-line über:http://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/041-003l.pdf. Zuletzt aufgerufen am 16.09.2013

3. Berland D, Rodgers P. Rational use of opioids for management of chronic nonterminal pain. Am Fam Physician 2012;86(3):252–258

4. Prommer E, Ficek B. Management of pain in the elderly at the end of life. Drugs Aging 2012;29(4):285–305

5. Sarzi-Puttini P, Vellucci R, Zuccaro SM, Che-rubino P, Labianca R, Fornasari D. The appro-priate treatment of chronic pain. Clin Drug Investig 2012;32(Suppl 1):21–33

6. Reder RF. Opioid formulations:tailoring to the needs in chronic pain. Eur J Pain 2001;5(suppl A):109–111

7. Waldhoer M, Bartlett SE, Whistler JL. Opioid receptors. Annual Review of Biochemistry 2004;73:953–990

8. Ballantyne JC, Shin NS. E�cacy of opioids for chronic pain:a review of the evidence. Clin J Pain 2008;24(6):469–478

9. Ballantyne JC. Safe and e�ective when used as directed“:the case of chronic use of opio-id analgesics. J Med Toxicol 2012;8(4):417–423

10. Camilleri M. Opioid-induced constipation: challenges and therapeutic opportunities. Am J Gastroenterol 2011;106(5):835–842

11. Manchikanti L, Vallejo R, Manchikanti KN, Benyamin RM, Datta S, Christo PJ. E�ectiven-ess of long-term opioid therapy for chronic non-cancer pain. Pain Physician 2011;4(2):133–156

12. Martell BA, O‘Connor PG, Kerns RD, Becker WC, Morales KH, Kosten TR, Fiellin DA. Syste-matic review:opioid treatment for chronic back pain:prevalence, e�cacy, and associa-tion with addiction. Ann Intern Med 2007;146(2):116–127

13. National Opioid Use Guideline Group (NOUGG). Canadian guideline for safe and e�ective use of opioids for chronic non-can-cer Pain 2010.

14. Nelsen D Jr. Opioids for the management of non-cancer pain. J Ark Med Soc 2013;109(12):252–253

15. Leppert W. The role of opioid receptor anta-gonists in the treatment of opioid-induced constipation:a review. Adv Ther 2010;27(10):714–730

16. Davis MP. Twelve reasons for considering bu-prenorphine as a frontline analgesic in the management of pain. J Support Oncol 2012;10(6):209–219

17. Garbe E, Jobski K, Schmid U. Utilisation of transdermal fentanyl in Germany from 2004 to 2006. Pharmacoepidemiol Drug Saf 2012;21:191–198

18. Arzneimittelkommission der deutschen Ärz-teschaft. Die unkritische Anwendung von Fentanylp�astern erhöht das Risiko für schwerwiegende Nebenwirkungen (UAW-News International) Deutsches Ärzteblatt 2012;14:A 724–725

19. Shomaker TS, Zhang J, Ashburn MA. Asses-sing the impact of heat on the systemic deli-very of fentanyl through the transdermal fentanyl delivery system. Pain Med. 2000 Sep;1(3):225–230

20. Fröhlich M, Gianotti A, Modell JH. Opioid overdose in a patient using a fentanyl patch during treatment with a warming blanket. Anesth Analg 2001;93:647–648

21. Sindali K, Sherry K, Sen S, Dheansa B. Life-th-reatening coma and full-thickness sunburn in a patient treated with transdermal fenta-nyl patches:a case report. J Med Case Rep. 2012 Jul 26;6(1):220. doi:10.1186/1752-1947-6-220.

22. Matsuki Y, Mizogam M, Tabata M, Matsuki Y, Yasuda Y, Shigemi K. Suspected respiratory depression associated with use of transder-mal fentanyl patch. Pain Physician. 2012 Jul-Aug;15(4):E 536–537

23. Meldung der Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker;Deutsches Ärzteblatt 23. Juli 2010.

24. Meldung der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände, 01. August 2013.

25. Fachinformationen Fentanyl26. Caraceni A, Pigni A, Brunelli C.Is oral morphi-

ne still the �rst choice opioid for moderate to severe cancer pain? A systematic review within the European Palliative Care Research Collaborative guidelines project. Palliat Med 2011;25(5):402–409

27. Gianni W, Ceci M, Bustacchini S, Corsonello A, Abbatecola AM, Brancati AM, Assisi A, Scuteri A, Cipriani L, Lattanzio F. Opioids for the treatment of chronic non-cancer pain in older people. Drugs Aging 2009;26 Suppl 1:63–73

28. Hunold KM, Esserman DA, Isaacs CG, Dickey RM, Pereira GF, Fillingim RB, Sloane PD, Mc-Lean SA, Platts-Mills TF. Side e�ects from oral opioids in older adults during the �rst week of treatment for acute musculoskeletal pain. Acad Emerg Med 2013 Aug 27. doi:10.1111/acem.12212.

29. King S, Forbes K, Hanks GW, Ferro CJ, Cham-bers EJ. A systematic review of the use of opioid medication for those with moderate to severe cancer pain and renal impairment:a European Palliative Care Re-search Collaborative opioid guidelines pro-ject. Palliat Med 2011;25(5):525–552

30. Overholser BR, Foster DR. Opioid pharmaco-kinetic drug-drug interactions. Am J Manag Care 2011;17 Suppl 11:S276–287

31. Schwender T. Schmerztherapie bei schwer nierenkranken Patienten. Sonderreport Pal-liativmedizin 2009. Online verfügbar unter:http://www.rosen�uh.ch/rosen�uh/articles/download/690/Schmerztherapie_bei_schwer_nierenkranken_Patienten.pdf;zuletzt aufgerufen am 16.09.2013.

32. Gustor� B. Opioide in der Therapie alter und dementer Patienten. JATROS Neurologie & Psychiatrie 2008.31. Chan BK, Tam LK, Wat CY, Chung YF, Tsui SL, Cheung CW. Opioids in chronic non-cancer pain. Expert Opin Pharmacother 2011;12(5):705–720

33. Wol� RF, Aune D, Truyers C, Hernandez AV, Misso K, Riemsma R, Kleijnen J. Systematic review of e�cacy and safety of buprenor-phine versus fentanyl or morphine in pati-ents with chronic moderate to severe pain.

Curr Med Res Opin 2012;28(5):833–84534. Combined oral prolonged-release

oxycodone and naloxone in opioid-induced bowel dysfunction:review of e�cacy and sa-fety data in the treatment of patients expe-riencing chronic pain. Clemens KE, Mikus G. Expert Opin Pharmacother 2010;11(2):297–310

35. Mercadante S, Giarratano A. Combined oral prolonged-release oxycodone and naloxo-ne in chronic pain management. Expert Opin Investig Drugs 2013;22(1):161–166

36. Plosker GL. Buprenorphine 5, 10 and 20 μg/h transdermal patch:a review of its use in the management of chronic non-malignant pain. Drugs 2011;71(18):2491–2509

37. Überall MA, Müller-Schwefe GH. Low-dose 7-day transdermal buprenorphine in daily clinical practice - perceptions of elderly pati-ents with moderate non-malignant chronic pain. Curr Med Res Opin 2012;28(10):1585–1595

38. Wahle K, Krings D, Schwenke K. Pain therapy in the elderly:7-day transdermal bu-prenorphine patch in clinical practice. Re-sults of a non-interventional study. MMW Fortschr Med 2013;155 Suppl 1:25–31

39. Almakadma YS, Simpson K. Opioid therapy in non-cancer chronic pain patients:Trends and e�cacy in di�erent types of pain, pati-ents age and gender. Saudi J Anaesth 2013;7(3):291–295

40. Chan BK, Tam LK, Wat CY, Chung YF, Tsui SL, Cheung CW. Opioids in chronic non-cancer pain. Expert Opin Pharmacother 2011;12(5):705–720

41. Noble M, Treadwell JR, Tregear SJ, Coates VH, Wi�en PJ, Akafomo C, Schoelles KM. Long-term opioid management for chronic non-cancer pain. Cochrane Database of Systematic Reviews 2010, Issue 1. Art. No.:CD006605. DOI:10.1002/14651858.CD006605.pub2.

42. Tzschentke TM, Jahnel U, Kogel B et al. Ta-pentadol hydrochloride:a next-generation, centrally acting analgesic with two mecha-nisms of action in a single molecule. Drugs Today 2009;45(7):483–496

43. Riemsma R, Forbes C, Harker J, Worthy G, Misso K, Schäfer M, Kleijnen J, Stürzebecher S. Systematic review of tapentadol in chro-nic severe pain. Curr Med Res Opin. 2011 Oct;27(10):1907–1930

44. Merchant S, Provenzano D, Mody S, Ho KF, Etropolski M. Composite measure to assess e�cacy/gastrointestinal tolerability of ta-pentadol ER versus oxycodone CR for chro-nic pain:pooled analysis of randomized studies. J Opioid Manag 2013;9(1):51–61

45. Meske DS, Xie JY, Oyarzo J, Badghisi H, Ossi-pov MH, Porreca F. Opioid and noradrener-gic contributions of tapentadol in experimental neuropathic pain. Neurosci Lett. 2013 Aug 19. doi:pii:S0304-3940(13)00750-7. 10.1016/j.neulet.2013.08.017.

46. Christoph T, Schroder W, Tallarida RJ, Devry J, Tzschentke TM. Spinal-supraspinal and in-trinsic μ-opioid receptor agonist-norepine-phrine reuptake inhibitor (MOR-NRI) synergy of tapentadol in diabetic heat hy-peralgesia in mice. J Pharmacol Exp Ther 2013 Sep 19 [Epub ahead of print]

FORTBILDUNG_ÜBERSICHT

Page 9: Chancen optimieren, Risiken minimieren

47. Manchikanti L, Ailinani H, Koyyalagunta D, Datta S, Singh V, Eriator I, Sehgal N, Shah R, Benyamin R, Vallejo R, Fellows B, Christo PJ. A systematic review of randomized trials of long-term opioid management for chronic non-cancer pain. Pain Physician 2011;14(2):91–121

48. van Ojik AL, Jansen PA, Brouwers JR, van Roon EN. Treatment of chronic pain in older people:evidence-based choice of strong-ac-ting opioids. Drugs Aging 2012;29(8):615–625

49. Zeppetella G. The WHO analgesic ladder:25 years on.Br J Nurs 2011;20(17):S4–6

50. Simon ST, Köskeroglu P, Gaertner J, Voltz R. Fentanyl for the Relief of Refractory Breathlessness:A systematic review. J Pain Symptom Manage 2013 Jun 4. pii:S0885-3924(13)00239-X

51. Maier C, Kindler D. Medikamentöse Schmerztherapie – Analgetika. In Diener H. Ch. und Maier C. (Hrsg). Schmerztherapie (2. Aufl.). Urban & Fischer

52. Strand MC, Fjeld B, Arnestad M, Mørland J. Can patients receiving opioid maintenance therapy safely drive? A systematic review of epidemiological and experimental studies on driving ability with a focus on concomi-tant methadone or buprenorphine adminis-tration. Traffic Inj Prev 2013;14(1):26–38