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Chemischer Transport fester Lösungen. 12 [1] Der Chemische Transport von Mischphasen im System ZnS/ZnTe C. Rose und M. Binnewies* Hannover, Institut für Anorganische Chemie der Universität Hannover Bei der Redaktion eingegangen am 23. Januar 2004. Inhaltsübersicht. Mithilfe chemischer Transportreaktionen (Trans- portmittel Iod, 1000 900 °C) konnten im System ZnS/ZnTe, das eine breite Mischungslücke aufweist, schwefelreiche und tellurrei- che Mischkristalle durch chemischen Transport erhalten werden. Während der Transport der tellurreichen Phasen ZnTe 1-x S x (x 0 Chemical Vapor Transport of Solid Solutions. 12. Chemical Vapor Transport von Mixed Phases in the System ZnS/ZnTe Abstract. By means of CVT methods using iodine as transport agent (1000 900 °C) in the system ZnS/ZnTe which shows a broad misciblity gap sulfur rich mixed crystals as well as tellurium rich ones could be prepared. The transport of the tellurium rich phase is congruently, the transport of the sulfur rich phase however leads to an enrichment of sulfur. Experiments with heterogenous 1 Einleitung Viele Feststoffe erhalten ihre besonderen Eigenschaften erst durch Fehlstellen oder durch Substitution [2]. Dies gilt für Metalle ebenso wie für ionische Verbindungen. Während sich die Anwendungsvielfalt ionischer Mischphasen auf den Gebieten der Halbleiter, der Leuchtstoffe, der elektroni- schen Bauelemente, in der Sensortechnik und in anderen Bereichen ständig erweitert, sind das Verständnis der physi- kalischen Grundprinzipien ihrer Wirkungsweise und auch die Präparationstechniken für solche Mischphasen ver- gleichsweise unterentwickelt. Durch eine Reihe von Arbeiten, insbesondere in jüngerer Zeit [1], konnte gezeigt werden, dass chemische Transport- reaktionen einen ausgezeichneten Zugang zu ionischen Mischphasen darstellen. Der überwiegende Teil aller Arbei- ten über Mischphasen befasst sich mit solchen Mischpha- sen, bei denen eine Substituion im Kationen-Teilgitter er- folgt. Mischphasen, bei denen eine Sustitution im Anionen- Teilgitter erfolgt, sind weit weniger gut untersucht. Dies gilt auch für den chemischen Transport solcher Phasen. Wir berichten in diesem Zusammenhang hier über ein erstes, in unserer Arbeitsgruppe untersuchtes Beispiel, den Transport von Mischphasen im System ZnS/ZnTe. * Prof. M. Binnewies Institut für Anorganische Chemie der Universität Callinstr. 9 D-30167 Hannover 1296 2004 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, 69451 Weinheim DOI: 10.1002/zaac.200400099 Z. Anorg. Allg. Chem. 2004, 630, 12961300 ... ca. 0,1) etwa kongruent erfolgt, kommt es beim Transport der schwefelreichen Mischkristalle ZnS 1-x T x (x 0 ... ca. 0,1) zu einer deutlichen Schwefelanreicherung. Aus der Mischungslücke heraus wird nur die tellurreiche Mischphase transportiert, danach kommt der Transport zum Erliegen. source material show only a transport of ZnTe 1-x S x (x 0 ... 0,1) but not of ZnS 1-x T x (x 0 ... 0,1) Keywords: Chemical vapor transport (CVT); Solid solutions; ZnS/ ZnTe mixed phases 2 Phasenbestand, Vorüberlegungen Zinksulfid und Zinktellurid sind isotyp, die kristallisieren bei Raumtemperatur im kubischen Zinkblende-Typ. Anders als Zinktellurid wandelt sich Zinksulfid bei ca. 1020 °C in die hexagonale Wurtzit-Modifikation um. Das Phasendia- gramm das Systems ZnS/ZnTe ist in Abbildung 1 darge- stellt [3]. Es zeigt eine breite Mischungslücke zwischen den beiden isotypen Verbindungen. Bei 1000 °C beträgt die ge- genseitige Löslichkeit der beiden Stoffe ineinander jeweils etwa 10 Mol %. Es war zu erwarten, dass innerhalb dieser recht schmalen Homogenitätsgebiete die Gitterkonstante li- near von der Zusammensetzung abhängt. Röntgenographi- sche Untersuchungen im Rahmen dieser Arbeit haben diese Erwartung bestätigt. So kann die Zusammensetzung der Mischphasen schnell und zuverlässig röntgenographisch be- stimmt werden. 3 Ergebnisse und Diskussion Um das Transportverhalten im System ZnS/ZnTe zu unter- suchen, haben wir sowohl einphasige Bodenkörper, ZnS 0 , 94 Te 0,06 , ZnS 0 , 96 Te 0,04 , ZnS 0 , 98 Te 0,02 und ZnTe 0 , 94 S 0,06 , ZnTe 0 , 96 S 0,04 , ZnTe 0 , 98 S 0,02 , als auch zwei- phasige (in 10 Mol %-Schritten) als Quellenbodenkörper eingesetzt. Alle Bodenkörper wurden gesondert in einer Vorreaktion durch Tempern präpariert. Der Transport er- folgte mit Iod (p 0 (I 2 ) 0,5 bar) im Temperaturgradienten 1000 900 °C. Aus den eingesetzten Bodenkörpern wurde

Chemischer Transport fester Lösungen. 12 [1] Der Chemische Transport von Mischphasen im System ZnS/ZnTe

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Chemischer Transport fester Lösungen. 12 [1]Der Chemische Transport von Mischphasen im System ZnS/ZnTe

C. Rose und M. Binnewies*

Hannover, Institut für Anorganische Chemie der Universität Hannover

Bei der Redaktion eingegangen am 23. Januar 2004.

Inhaltsübersicht. Mithilfe chemischer Transportreaktionen (Trans-portmittel Iod, 1000 � 900 °C) konnten im System ZnS/ZnTe, daseine breite Mischungslücke aufweist, schwefelreiche und tellurrei-che Mischkristalle durch chemischen Transport erhalten werden.Während der Transport der tellurreichen Phasen ZnTe1-xSx (x � 0

Chemical Vapor Transport of Solid Solutions. 12.Chemical Vapor Transport von Mixed Phases in the System ZnS/ZnTe

Abstract. By means of CVT methods using iodine as transportagent (1000 � 900 °C) in the system ZnS/ZnTe which shows abroad misciblity gap sulfur rich mixed crystals as well as telluriumrich ones could be prepared. The transport of the tellurium richphase is congruently, the transport of the sulfur rich phase howeverleads to an enrichment of sulfur. Experiments with heterogenous

1 Einleitung

Viele Feststoffe erhalten ihre besonderen Eigenschaften erstdurch Fehlstellen oder durch Substitution [2]. Dies gilt fürMetalle ebenso wie für ionische Verbindungen. Währendsich die Anwendungsvielfalt ionischer Mischphasen auf denGebieten der Halbleiter, der Leuchtstoffe, der elektroni-schen Bauelemente, in der Sensortechnik und in anderenBereichen ständig erweitert, sind das Verständnis der physi-kalischen Grundprinzipien ihrer Wirkungsweise und auchdie Präparationstechniken für solche Mischphasen ver-gleichsweise unterentwickelt.

Durch eine Reihe von Arbeiten, insbesondere in jüngererZeit [1], konnte gezeigt werden, dass chemische Transport-reaktionen einen ausgezeichneten Zugang zu ionischenMischphasen darstellen. Der überwiegende Teil aller Arbei-ten über Mischphasen befasst sich mit solchen Mischpha-sen, bei denen eine Substituion im Kationen-Teilgitter er-folgt. Mischphasen, bei denen eine Sustitution im Anionen-Teilgitter erfolgt, sind weit weniger gut untersucht. Dies giltauch für den chemischen Transport solcher Phasen.

Wir berichten in diesem Zusammenhang hier über einerstes, in unserer Arbeitsgruppe untersuchtes Beispiel, denTransport von Mischphasen im System ZnS/ZnTe.

* Prof. M. BinnewiesInstitut für Anorganische Chemie der UniversitätCallinstr. 9D-30167 Hannover

1296 2004 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, 69451 Weinheim DOI: 10.1002/zaac.200400099 Z. Anorg. Allg. Chem. 2004, 630, 1296�1300

... ca. 0,1) etwa kongruent erfolgt, kommt es beim Transport derschwefelreichen Mischkristalle ZnS1-xTx (x � 0 ... ca. 0,1) zu einerdeutlichen Schwefelanreicherung. Aus der Mischungslücke herauswird nur die tellurreiche Mischphase transportiert, danach kommtder Transport zum Erliegen.

source material show only a transport of ZnTe1-xSx (x � 0 ... 0,1)but not of ZnS1-xTx (x � 0 ... 0,1)

Keywords: Chemical vapor transport (CVT); Solid solutions; ZnS/ZnTe mixed phases

2 Phasenbestand, Vorüberlegungen

Zinksulfid und Zinktellurid sind isotyp, die kristallisierenbei Raumtemperatur im kubischen Zinkblende-Typ. Andersals Zinktellurid wandelt sich Zinksulfid bei ca. 1020 °C indie hexagonale Wurtzit-Modifikation um. Das Phasendia-gramm das Systems ZnS/ZnTe ist in Abbildung 1 darge-stellt [3]. Es zeigt eine breite Mischungslücke zwischen denbeiden isotypen Verbindungen. Bei 1000 °C beträgt die ge-genseitige Löslichkeit der beiden Stoffe ineinander jeweilsetwa 10 Mol %. Es war zu erwarten, dass innerhalb dieserrecht schmalen Homogenitätsgebiete die Gitterkonstante li-near von der Zusammensetzung abhängt. Röntgenographi-sche Untersuchungen im Rahmen dieser Arbeit haben dieseErwartung bestätigt. So kann die Zusammensetzung derMischphasen schnell und zuverlässig röntgenographisch be-stimmt werden.

3 Ergebnisse und Diskussion

Um das Transportverhalten im System ZnS/ZnTe zu unter-suchen, haben wir sowohl einphasige Bodenkörper,ZnS0,94Te0,06, ZnS0,96Te0,04, ZnS0,98Te0,02 undZnTe0,94S0,06, ZnTe0,96S0,04, ZnTe0,98S0,02, als auch zwei-phasige (in 10 Mol %-Schritten) als Quellenbodenkörpereingesetzt. Alle Bodenkörper wurden gesondert in einerVorreaktion durch Tempern präpariert. Der Transport er-folgte mit Iod (p0(I2) � 0,5 bar) im Temperaturgradienten1000 � 900 °C. Aus den eingesetzten Bodenkörpern wurde

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Chemischer Transport fester Lösungen. 12

Abb. 1 Phasendiagramm des Systems Zinksulfid/Zinktellurid

jeweils nur wenig in die kalte Zone transportiert, so dasssich während des Experimentes die Zusammensetzung desQuellenbodenkörpers nicht wesentlich änderte. Anschlie-ßend wurden die Gitterkonstanten der Produkte und dar-aus deren Zusammensetzung bestimmt. Alle erhaltenenMischphasen wiesen die kubische Zinblende-Struktur auf.Tabelle 1 gibt eine Übersicht über die durchgeführten Expe-rimente und ihre Ergebnisse. Abbildung 2 zeigt den Zusam-menhang zwischen den Zusammensetzungen der Bodenkör-per in Quelle und Senke in einer graphischen Darstellung.Die zusätzlich eingezeichnete Winkelhalbierende markiertden kongruenten Transport. Man erkennt drei wesentlicheErgebnisse:

1. Homogene tellurreiche Bodenkörper (ZnTe1-xSx, x < �0,1) werden in etwa kongruent transportiert.

2. Aus zweiphasigen Bodenkörpern (ZnSxTe1-x, 0,1 < x<0,9) wird nur die tellurreiche Phase in die kalte Zonetransportiert.

3. Bei homogenen schwefelreichen Bodenkörpern(ZnS1-xTex, x < �0,1) führt der Transport zu einer beträcht-lichen Anreicherung von Schwefel.

Bei länger andauernden Transportexperimenten mitzweiphasigen Bodenkörpern haben wir stets die Beobach-tung gemacht, dass zunächst die tellurreiche Phase in diekalte Zone transportiert wird und der Transport anschlie-ßend zum Erliegen kommt.

Z. Anorg. Allg. Chem. 2004, 630, 1296�1300 zaac.wiley-vch.de 2004 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, 69451 Weinheim 1297

Abb. 2 Zusammenhang zwischen den Bodenkörperzusammenset-zungen in Quelle und Senke. (Angegeben ist hier der Anteil vonSchwefel bezogen auf die Summe und Tellur (x(S) � n(S)/[n(S) �

n(Te)])

Den chemischen Transport von homogenen Mischphasen(hier die homogene schwefelreiche und die homogene tellur-reiche Mischphase, Experimente 1, 2, 3, 13, 14, 15) aus ther-modynamischer Sicht umfassend zu beschreiben, ist keintriviales Problem. Wir werden uns dieser Problematik, ins-besondere in Hinblick auf mögliche Anreicherungseffekte,in einer gesonderten Arbeit widmen. Lässt man den Trans-port homogener Mischphasen und mögliche Anreiche-rungseffekte hier einmal außer Betracht, kann das Trans-portverhalten im System ZnS/ZnTe aus thermodynamischerSicht folgendermaßen verstanden werden:

Der Transport von Zinksulfid mit Iod wird üblicherweiseauf folgende Transportgleichung zurückgeführt [4]:

ZnS(s) � I2(g) � ZnI2(g) � 0,5 S2(g) (1)

∆RH0298 � 128,2 kJ·mol�1, ∆RS0

298 � 114,2 J·mol�1·K�1,Kp(1323 K) � 8 bar0,5

Daneben spielt bei höheren Temperaturen die Dissoziationder Iod-Moleküle eine gewisse Rolle. Andere Schwefelspe-zies sowie das dimere Zinkiodid, Zn2I4, sind nur von unter-geordneter Bedeutung und müssen in diesem Zusammen-hang nicht betrachtet werden. Die Gleichgewichtslage die-ser Reaktion ist für einen endothermen Transport imBereich um 900 °C optimal. Der Transport der schwefelrei-chen Mischphase sollte ähnlich wie der Transport des rei-nen ZnS verlaufen.

Der Transport von Zinktellurid sollte sich durch eine ent-sprechende Transportgleichung beschreiben lassen.

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C. Rose, M. Binnewies

Tabelle 1 Übersicht über die durchgeführten Transportexperimente(p0(I2) � 0,5 bar, 1000 � 900 °C)

Exp. Zusammensetzung Transportdauer/h Gitterkonstante Stoffmengenanteildes QBK Masse SBK/mg a Senke des Zinksulfidsmg Transportate pm in der Senke

mg/h x (ZnS)

1 ZnS0,02Te0,98 * 45 609,50 0,011200 62

1,382 ZnS0,04Te0,96 * 44 607,47 0,040

200 451,02

3 ZnS0,06Te0,94 * 25 607,04 0,046200 45

1,804 ZnS0,1Te0,9 ** 19 603,73 0,094

150 90,47

5 ZnS0,2Te0,8 ** 19 603,77 0,093150 3

0,166 ZnS0,3Te0,7 ** 19 604,16 0,088

150 70,37

7 ZnS0,4Te0,6 ** 19 604,33 0,085150 10

0,538 ZnS0,5Te0,5 ** 19 603,95 0,091

150 40,21

9 ZnS0,6Te0,4 ** 19 603,81 0,093150 7

0,3710 ZnS0,7Te0,3 ** 19 604,42 0,084

150 60,32

11 ZnS0,8Te0,2 ** 19 603,80 0,093150 7

0,3712 ZnS0,9Te0,1 ** 19 603,82 0,092

150 100,53

13 ZnS0,94Te0,06 * 20 541,64 0,985200 9

0,4514 ZnS0,96Te0,04 * 82 541,22 0,991

200 590,72

15 ZnS0,98Te0,02 * 45 541,19 0,992200 132

2,93

*: einphasig; **: zweiphasig

ZnTe(s) � I2(g) � ZnI2(g) � 0,5 Te2(g) (2)

∆RH0298 � 58,3 kJ·mol�1, ∆RS0

298 � 108,1 J·mol�1·K�1,Kp (1323 K) � 2213 bar0,5

Beim Transport von Zinktellurid treten zusätzlich die Tellu-riodide TeI2 oder TeI4 in kleinen Konzentrationen auf; Siebeeinflussen das Transportgeschehen jedoch nicht. Schwe-feliodide hingegen sind unbekannt. Aus den angegebenenGleichgewichtskonstanten Kp wird deutlich, dass dasGleichgewicht der Reaktion 2 bei gleicher Temperatur sehrviel weiter auf der rechten Seite liegt als das entsprechendeGleichgewicht (1). Der Transport der tellurreichen Misch-

2004 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, 69451 Weinheim zaac.wiley-vch.de Z. Anorg. Allg. Chem. 2004, 630, 1296�13001298

phase sollte ähnlich wie der Transport des reinen ZnTe ver-laufen.

Abbildung 3 zeigt den aus den thermodynamischen Da-ten (Tabelle 2) berechneten Verlauf der Gasphasenlöslich-keit λ von Zink über einem ZnS- bzw. ZnTe-Bodenkörperals Temperaturfunktion (p0(I2) � 0,5 bar). λ(Zn) ist hieridentisch mit λ(S) bzw. λ(Te), da pro Zink-Atom, das in dieGasphase übergeht auch jeweils ein Schwefel- bzw. Tellur-Atom verflüchtigt wird:

ZnS: λ(Zn) � λ(S) � [p(ZnI2) �2 p(Zn2I4)]/[0,5·p(I) � p(I2)� p(ZnI2) �2·p(Zn2I4)]

ZnTe: λ(Zn) � λ(Te) � [p(ZnI2) �2 p(Zn2I4)]/[0,5·p(I) � p(I2)� p(ZnI2) �2·p(Zn2I4)]

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Chemischer Transport fester Lösungen. 12

Tabelle 2 Thermodynamische Daten der in der Rechnung berücksichtigten Verbindungen

Substanz ∆H0298 S0

298 cp � a�b·10�3 T�c·106 T�2 � d·10�6T2 LiteraturkJ/mol J/ (mol·K) J/(mol·K)

a b c d

ZnSkub(s) �205 57,7 49,25 5,27 �0,49 0 [6]ZnTe(s) �119,2 77,8 44,1 18,74 [6]ZnI2(g) �78,9 318 58,16 0 0 0 [6, 7]S2(g) 128,6 228,2 35,06 2,58 �0,29 0 [6]I(g) 106,8 180,8 20,39 0,4 0,03 0 [6]I2(g) 62,2 260,2 37,25 0,78 �0,05 0 [6]Te2(g) 160,4 262,2 34,64 6,62 �0,03 0 [6]

Abb. 3 Gasphasenlöslichkeit von S und Te über reinem ZnS bzw.reinem ZnTe

Da die homogene, schwefelreiche und die homogene tellur-reiche Mischphase in ihrer thermodynamischen Stabilitätdem reinen Zinksulfid bzw. Zinktellurid recht ähnlich seinsollten, wird auch der Transport dieser Mischphasen wieder des reinen Zinksulfids bzw. Zinktellurids erfolgen. DieGasphase über einem zweiphasigen Bodenkörper im Sy-stem ZnS/ZnTe (ZnS0,9Te0,1 neben ZnS0,1Te0,9) sollte durchBerechnung einer Gasphase über einem aus reinem ZnSund reinem ZnTe bestehenden Bodenkörpers näherun-gsweise beschrieben werden können. Berechnet man auf die-ser Basis die Partialdrücke der einzelnen Gasphasenspezies,ergibt sich für die Gasphasenlöslichkeit von Tellur undSchwefel1) das in Abbildung 4 dargestellte Bild. Man er-kennt die hohe Gasphasenlöslichkeit des Tellurs, während

1) λ(S) � 2 p(S2)]/[0,5·p(I) � p(I2) � p(ZnI2) �2·p(Zn2I4)]λ(Te) � 2 p(Te2)]/[0,5·p(I) � p(I2) � p(ZnI2) �2·p(Zn2I4)]

Z. Anorg. Allg. Chem. 2004, 630, 1296�1300 zaac.wiley-vch.de 2004 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, 69451 Weinheim 1299

Abb. 4 Gasphasenlöslichkeit von S und Te über einem zweiphasigenBodenkörper ZnS/ZnTe

die des Schwefels nahe null ist. Die gasförmigen zinkhalti-gen Spezies werden also beinahe ausschließlich durch dieReaktion von ZnTe mit dem Transportmittel gebildet. Eskann also nicht zum Transport von ZnS kommen, da prak-tisch kein Schwefel in der Gasphase vorhanden ist. Für dasreale System ZnS/ZnTe mit seinen beiden Homogenitätsge-bieten wird so verständlich, dass bei einem zweiphasigenBodenkörper in der Quelle nur die tellurreiche Mischphasetransportiert werden kann. Aufgrund des weit auf der rech-ten Seite liegenden Transportgleichgewichts (2) wird prak-tisch das gesamte Transportmittel durch die Reaktion desZinktellurids verbraucht, so dass die zinksulfidreicheMischphase als Bodenkörper in der Quelle verbleibt. DieserEffekt führt auch zu der Schwefelanreicherung beim Trans-port schwefelreicher Mischphasen. Zu analogen Aussagenführt auch die Berechnung des Systems mit dem Computer-programm CVTrans [5]. In Tabelle 2 sind die für die Rech-nungen verwendeten thermodynamischen Daten zusam-mengestellt.

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C. Rose, M. Binnewies

Experimentelles

Die Transportreaktionen wurden in ausgeheizten Quarzglasampul-len (� � 0,9 cm, l � 15 cm) durchgeführt (experimentelle Randbe-dingungen siehe Tabelle 2).

Folgende Chemikalien wurden verwendet: I2: E. Merck AG, chem.rein; ZnS: Acros Organics, 99,9 %; ZnTe: Aldrich Chem. Co.,99,99 %.

Die analytischen Untersuchungen wurden mit folgenden Gerätendurchgeführt: Pulverdiffraktometer: Stadi P mit PSD, Stoe, Darm-stadt, Cu-Kα-Strahlung, 40 kV, 30 mA. Auswertungssoftware:WinXPow, Fa. Stoe.

Der Deutschen Forschungsgemeinschaft und dem Fonds der Che-mischen Industrie danken wir für die Unterstützung dieser Arbeit.

2004 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, 69451 Weinheim zaac.wiley-vch.de Z. Anorg. Allg. Chem. 2004, 630, 1296�13001300

Literatur

[1] Chemischer Transport fester Lösungen. 11, A. Pfeifer, M. Bin-newies, Z. Anorg. Allg. Chem. 2002, 628, 2605.

[2] J. Maier, Festkörper � Fehler und Funktion, Teubner, Stutt-gart, Leipzig (2000).

[3] The American Ceramic Society, Phase Equilibria DiagramsVolume IX, Westerville, OH (1992).

[4] H. Schäfer, Chemische Transportreaktionen, Verlag Chemie,Weinheim (1962).

[5] R. Gruehn, R. Glaum, O. Trappe, ComputerprogrammCVTrans, Universität Gießen, 1997.

[6] M. Binnewies, E. Milke, Thermochemical Data of Elements andCompounds, 2nd. Ed., Wiley-VCH, Weinheim, New York,2002.

[7] K. Hilpert, U. Niemann, Thermochim. Acta 1997, 299, 52.