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alle – und der ideale Ausklang eines gelungenen Abends. So oder ähnlich werden sicherlich viele von uns den einen oder anderen Samstag- oder Sonntagmorgen in Erinnerung haben. Doch warum ist es eigentlich so, dass am Ende einer langen Nacht trotz aller Müdigkeit (und reichlich gezuckerten und/oder alkoholhaltigen – und damit energiereichen – Getränken) oft das Bedürf- nis nach Essen da ist? Und warum gerade nach Defti- gem oder Fettigem? Und das so kurz vor dem Zubett- gehen? Verantwortlich dafür ist unsere innere Uhr. In allen Organen unseres Körpers ticken moleku- lare Uhren, die zellphysiologische Prozesse an den Tag- Nacht-Rhythmus adaptieren. Werden diese so genann- ten circadianen Uhren (vom Lateinischen circa diem = „um den Tag herum“) gestört, ändert sich auch unser (Tages-) Stoffwechselprogramm. Im Falle unserer Nacht- schwärmer werden normale Zubettgeh-Programme durch die nächtliche Lichtexposition, soziale Einflüsse, Schlafentzug und durch die fortgeführte Energieauf- nahme überschrieben. Offenbar interpretiert unser Körper diese Situation als eine Art Stress – und signali- siert deshalb einen erhöhten Energiebedarf. Ein gestei- gerter Appetit, besonders auf energiereiche Nahrung, ist die Folge, und die aufgekratzte Stimmung bewirkt das ihre, um diesem Bedarf nachzukommen. Fast alle Spezies – von Cyanobakterien bis hin zum Menschen – verfügen über solche inneren Zeitmesser. Man geht davon aus, dass circadiane Uhren sich schon früh im Verlaufe der Evolution als Schutz gegen schäd- liche UV-Strahlung entwickelt haben [1]. Insbesondere für kleine, durchsichtige Organismen ist es von Vorteil, die DNA-Replikationsphase des Zellzyklus in die Dun- kelheit zu legen, um so vor mutagener UV-Licht-Expo- sition geschützt zu sein. Eine innere Uhr verleiht dabei eine gewisse Unabhängigkeit von den äußeren Licht- verhältnissen. Die Abenddämmerung kann mit ihrer Hilfe leicht von einem vorüberziehenden Gewitter un- terschieden werden. In höherentwickelten, großen und damit weitestgehend lichtundurchlässigen Lebe- wesen wie den Säugetieren spielt das natürlich keine Rolle mehr. Trotzdem finden selbst beim Menschen Zellteilungen immer noch verstärkt während der Nacht In allen unseren Zellen tickt ein eigenes mo- lekulares Uhrwerk. Dieses Uhrennetzwerk wird von einem zentralen Schrittmacher im Hypothalamus koordiniert, der Physiologie und Verhalten an den Tag-Nacht-Rhythmus adaptiert. Wird diese Rhythmik gestört, hat das insbesondere Konsequenzen für den Stoffwechsel. Der Energiestoffwechsel ist jedoch selbst ein wichtiger Regulator der inneren Uhr. Neue Untersuchungen beleuch- ten die komplexen Verflechtungen von Uhren und Metabolismus. Warum Schichtarbeit krank machen kann: Circadiane Uhren und Energiemetabolismus HENRIK OSTER DOI:10.1002/biuz.201410530 100 | Biol. Unserer Zeit | 2/2014 (44) © 2014 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Online-Ausgabe unter: wileyonlinelibrary.com D ie Party hatte sich gut entwickelt. Es wurde aus- giebig getanzt und zu guter Letzt landeten wir alle noch in diesem hippen Club am Bahnhof. Selbst als wir uns am nächsten Morgen mit der ersten Bahn auf den Heimweg machten, waren die meisten noch ganz auf- gekratzt. „Wie wär’s: Ich lade Euch noch auf ein Ome- lette zu mir ein“, schlug Jan vor. Eine tolle Idee, meinten ABB. 1 Nicht nur was wir essen, zählt – auch wann wir essen ist ent- scheidend für unsere Gesund- heit. Ein gestör- tes Zusammen- spiel von Nah- rungsaufnahme und inneren Uhren kann unter anderem zu Fettleibigkeit, Diabetes und vielen weiteren Stoffwechsel- erkrankungen führen. Bild: Maridav – Fotolia.com

Circadiane Uhren und Energiemetabolismus

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Page 1: Circadiane Uhren und Energiemetabolismus

alle – und der ideale Ausklang eines gelungenenAbends.

So oder ähnlich werden sicherlich viele von unsden einen oder anderen Samstag- oder Sonntagmorgenin Erinnerung haben. Doch warum ist es eigentlich so,dass am Ende einer langen Nacht trotz aller Müdigkeit(und reichlich gezuckerten und/oder alkoholhaltigen –und damit energiereichen – Getränken) oft das Bedürf-nis nach Essen da ist? Und warum gerade nach Defti-gem oder Fettigem? Und das so kurz vor dem Zubett-gehen? Verantwortlich dafür ist unsere innere Uhr.

In allen Organen unseres Körpers ticken moleku-lare Uhren, die zellphysiologische Prozesse an den Tag-Nacht-Rhythmus adaptieren. Werden diese so genann-ten circadianen Uhren (vom Lateinischen circa diem= „um den Tag herum“) gestört, ändert sich auch unser(Tages-) Stoffwechselprogramm. Im Falle unserer Nacht-schwärmer werden normale Zubettgeh-Programmedurch die nächtliche Lichtexposition, soziale Einflüsse,Schlafentzug und durch die fortgeführte Energieauf-nahme überschrieben. Offenbar interpretiert unserKörper diese Situation als eine Art Stress – und signali-siert deshalb einen erhöhten Energiebedarf. Ein gestei-gerter Appetit, besonders auf energiereiche Nahrung,ist die Folge, und die aufgekratzte Stimmung bewirktdas ihre, um diesem Bedarf nachzukommen.

Fast alle Spezies – von Cyanobakterien bis hin zumMenschen – verfügen über solche inneren Zeitmesser.Man geht davon aus, dass circadiane Uhren sich schonfrüh im Verlaufe der Evolution als Schutz gegen schäd-liche UV-Strahlung entwickelt haben [1]. Insbesonderefür kleine, durchsichtige Organismen ist es von Vorteil,die DNA-Replikationsphase des Zellzyklus in die Dun-kelheit zu legen, um so vor mutagener UV-Licht-Expo-sition geschützt zu sein. Eine innere Uhr verleiht dabeieine gewisse Unabhängigkeit von den äußeren Licht-verhältnissen. Die Abenddämmerung kann mit ihrerHilfe leicht von einem vorüberziehenden Gewitter un-terschieden werden. In höherentwickelten, großenund damit weitestgehend lichtundurchlässigen Lebe-wesen wie den Säugetieren spielt das natürlich keineRolle mehr. Trotzdem finden selbst beim MenschenZellteilungen immer noch verstärkt während der Nacht

In allen unseren Zellen tickt ein eigenes mo-lekulares Uhrwerk. Dieses Uhrennetzwerkwird von einem zentralen Schrittmacher imHypothalamus koordiniert, der Physiologieund Verhalten an den Tag-Nacht-Rhythmusadaptiert. Wird diese Rhythmik gestört, hatdas insbesondere Konsequenzen für denStoffwechsel. Der Energiestoffwechsel ist jedoch selbst ein wichtiger Regulator der inneren Uhr. Neue Untersuchungen beleuch-ten die komplexen Verflechtungen von Uhrenund Metabolismus.

Warum Schichtarbeit krank machen kann:

Circadiane Uhren undEnergiemetabolismus HENRIK OSTER

DOI:10.1002/ biuz.201410530

100 | Biol. Unserer Zeit | 2/2014 (44) © 2014 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, WeinheimOnline-Ausgabe unter:wileyonlinelibrary.com

Die Party hatte sich gut entwickelt. Es wurde aus-giebig getanzt und zu guter Letzt landeten wir alle

noch in diesem hippen Club am Bahnhof. Selbst als wiruns am nächsten Morgen mit der ersten Bahn auf denHeimweg machten, waren die meisten noch ganz auf-gekratzt. „Wie wär’s: Ich lade Euch noch auf ein Ome-lette zu mir ein“, schlug Jan vor. Eine tolle Idee, meinten

A B B . 1 Nichtnur was wir essen, zählt –auch wann wiressen ist ent-scheidend fürunsere Gesund-heit. Ein gestör-tes Zusammen-spiel von Nah-rungsaufnahmeund inneren Uhren kann unter anderemzu Fettleibigkeit,Diabetes undvielen weiterenStoffwechsel -erkrankungenführen. Bild: Maridav – Fotolia.com

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statt. Neuere Forschungen zeigen, dass die circadianenUhren zudem sehr eng an den Energiestoffwechsel derZelle gekoppelt sind. Die Interaktion zwischen Uhr undMetabolismus ist dabei bidirektional [2]. So geht manheute davon aus, dass sich im Verlaufe der Evolutionbeide Funktionen weitestgehend parallel zueinanderentwickelt haben. Oft ist die Verzahnung so eng, dassman nicht mehr eindeutig zwischen beiden Prozessenunterscheiden kann.

Molekulare Uhren und ZellstoffwechselAuf molekularer Ebene basieren circadiane Uhren auftranskriptionell-translatorischen Rückkopplungsschlei-fen (Abbildung 2) [3]. In Säugetieren und beim Men-schen aktivieren die Transkriptionsfaktoren � CLOCK(Circadian locomotor cycles kaput) und BMAL1(Brain and muscle aryl hydrocarbon receptor nu-clear translocator-like 1) im Verlaufe des Tages drei Pe-riod- (Per1-3) und zwei Cryptochrome-Gene (Cry1/2).Nach der Translation der Boten-Ribonukleinsäure(mRNA) akkumulieren die PER- und CRY-Proteine imCytoplasma. Dort durchlaufen sie eine ganze Reihepost-translatorischer Modifikationen. Gegen Ende desTages liegen in großen Mengen reife � PER-CRY-Pro-teinkomplexe im Cytoplasma vor. Dies induziert derenTranslokation in den Zellkern, wo sie die Funktion vonCLOCK und BMAL1 – und damit ihre eigene Biosyn-these – inhibieren. Wie diese Inhibition funktioniert, istimmer noch nicht gut verstanden. Neue Arbeiten deu-ten darauf hin, dass epigenetische Prozesse wie die Mo-difikation von Histonproteinen im Bereich der Per- undCry-Promotoren dabei eine Rolle spielen könnten. Kon-sequenz ist letztendlich ein gradueller Abfall der cyto-plasmatischen und anschließend der nukleären PER-und CRY-Konzentrationen im Verlaufe der Nacht. GegenMorgen sind auch die letzten PER-CRY-Komplexe imZellkern abgebaut. Die Inhibition von CLOCK undBMAL1 ist damit aufgehoben, und ein neuer circadianerZyklus kann beginnen.

Entscheidend für die rhythmische Natur dieserRückkopplungsschleife ist die zeitliche Trennung vonPer/Cry-Transkription und CLOCK/BMAL1-Inhibition.Die Zelle erreicht dies durch die bereits erwähntenpost-translatorischen Modifikationen der PER- undCRY-Proteine. Frisch gebildetes PER- und CRY-Proteinist extrem instabil. Erst deren Assoziation miteinanderund mehrere sequenzielle Phosphorylierungen, u.a.durch die Casein-Kinasen 1δ und 1ε ermöglichen denRe-Import in den Nukleus. Das Maximum im Tages-rhythmus der PER-Proteinkonzentration innerhalb derZelle liegt so letztendlich mehrere Stunden hinter demder zugehörigen mRNAs [4]. Das Maximum derCLOCK/BMAL1-Inhibierung liegt noch einmal 1-2 Stun-den später. Zusätzliche, so genannte akzessorischeRückkopplungsschleifen stabilisieren diesen Prozess.So regulieren die ebenfalls CLOCK/BMAL1-kontrollier-

ten Orphan-Kernrezeptoren Retinoid acid receptor-re-lated orphan receptor α (RORα) und Reverse erythro-blastic leukemia α (REV-ERBα oder NR1D1) die rhyth-mische Transkription von Bmal1. Weitere Kopplungenlaufen über die Transkriptionsfaktoren D-site albuminpromoter binding protein (DBP) und Nuclear factor,interleukin 3-regulated (NFIL3 oder E4BP4).

Die Zeitinformation dieses genetischen Uhrwerkswird über die rhythmische Aktivierung uhrenkontrol-lierter Gene (sog. clock-controlled genes oder CCGs) inphysiologisch relevante Signale umgewandelt [5]. Da-runter sind zahlreiche Schlüsselgene wichtiger Stoff-wechselprozesse wie beispielsweise der Glucose-Trans-porter Glut2 (Slc2a2) in der Leber oder die Hormon-sensitive Lipase Hsl in den weißen Fettzellen (sieheunten). Aber der Energiestoffwechsel der Zelle kannauch auf die circadiane Uhr rückkoppeln. So hat z.B.der zelluläre Redoxstatus einen Einfluss auf die Aktivi-tät von CLOCK und BMAL1 (Abbildung 3). Andere metabolische Sensoren wie die Protein-DeacetylaseSIRTUIN1 (SIRT1) oder der Hämoglobingrundstein Hämregulieren die Verfügbarkeit der Uhrenproteine PER2bzw. REV-ERBα. In Pflanzen und photosynthetischenMikroorganismen wie dem Cyanobakterium Synecho-coccus elongatus ist die Uhr zudem eng an die photo-synthetische Maschinerie – und damit die Energiever-fügbarkeit – gekoppelt. Säugetiere müssen ihre Energieüber die Nahrung zuführen. So ist es kein Wunder, dassdie circadiane Uhr einen starken Einfluss auf die Appe-titregulation hat, und dass unser Essensrhythmus einpotentes Zeitsignal für die Uhren der meisten mit dem

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Die mit einem grünen Pfeil markierten Begriffewerden im Glossarauf Seite 104 erklärt.

CLOCK

BMAL1

CRY

PER

REV-ERBα

RORα

DBP

E4BP4

+ -

+

+

+

-

+ -

Die Transkriptionsfaktoren CLOCK und BMAL1 aktivieren tagsüber dieTranskription der Per- und Cry-Gene. PER- und CRY-Proteine inhibierenCLOCK/BMAL1 – und damit ihre eigene Biosynthese – im Verlaufe derNacht. Akzessorische Rückkopplungsschleifen über REV-ERBα/RORαbzw. DBP/E4BP4 stabilisieren die 24h-Periode dieser Rhythmik.

ABB. 2 DA S M O L E KU L A R E U H RW E R K D E R S Ä U G E R Z E L L E

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Energiestoffwechsel verbundenen Organe wie Leber,Muskel oder Fettgewebe darstellt. So integriert das cir-cadiane System metabolische Informationen und adap-tiert die entsprechenden Stoffwechselprozesse überdie Programmierung assoziierter CCGs.

Circadianes System und EntrainmentCircadiane Uhren funktionieren unabhängig von äuße-ren Zeitsignalen. Allerdings ist ihre Periodenlänge spe-ziesspezifisch – und damit oft nicht exakt 24 h. Ent-sprechend muss die Uhr jeden Tag neu an die externeZeit adaptiert werden. Davon merken wir in der Regelnur etwas, wenn die Diskrepanz zwischen innerer undäußerer Zeit besonders groß wird, z. B. beim Jetlag (Abbildung 4). Das wichtigste Zeitsignal (oder der Zeit-geber) für die Synchronisation (� Entrainment) des cir-cadianen Systems bei Säugetieren ist Licht [6]. SpezielleLichtrezeptoren der inneren Retina, die erst Anfang die-ses Jahrhunderts entdeckten intrinsisch photosensiti-ven retinalen Ganglienzellen (ipRGCs), können Lichtüber längere Zeit integrieren und so sporadische Licht-signale von tageszeitabhängiger Illumination unter-scheiden (Abbildung 5). Die ipRGCs exprimieren dasblaulichtsensitive Photopigment Melanopsin (OPN4).Wie auch der Stäbchen-Lichtsensor Rhodopsin ist Me-lanopsin ein mit 11-cis-Retinal assoziierter G-Protein-

gekoppelter Rezeptor. Lichteinfall isomerisiert das Reti-nal, und Melanopsin-assoziierte Gq-Proteine aktivierendie Phospholipase c und damit die Produktion von Ino-sitol-3-Phosphat. Anders als beim Rhodopsin führt Lichtin ipRGCs allerdings zu einer Ca2+-vermittelten Depo-larisation. Signal- sowie Refraktionszeiten sind zudembedeutend länger. ipRGCs projizieren direkt zum hypo-thalamischen Nucleus suprachiasmaticus (� SCN), demzentralen Schrittmacher des circadianen Systems. DieAktivierung von Glutamatrezeptoren in SCN-Neuronenführt zu einer transkriptionellen Aktivierung der Per-Gene nach Lichtexposition [7]. Wird so z.B. am frühenAbend zusätzliches PER-Protein produziert, verlängertdieses nach Translokation in den Zellkern die Inhibie-rung von CLOCK/BMAL1 und verlangsamt so vorüber-gehend die Uhr. Dies führt letztendlich zu einer Pha-senverschiebung nach hinten. Umgekehrt führt dielichtinduzierte Produktion von PER zum Ende derNacht zu einer verfrühten Repression von CLOCK/BMAL1 – und damit zu einer Vorverschiebung der Uhr.Dieses tageszeitabhängige � Gating der Uhr kann be-sonders bei Jugendlichen ungünstige Folgen haben [8].Abendliches Licht verschiebt die Uhr nach hinten.Wenn nun, z.B. am Wochenende nach einer Party, weitin den Tag hinein geschlafen wird, verstreicht das fürdie Vorverschiebung der Uhr verfügbare Zeitfenster am

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Stress

Energiestatusendokrine Signale

HypoxieRedoxstatus

Physiologische Rhythmen

CCGs

Häm

cAMP

GR SIRT1

PGC1α

HIF1α

Zahlreiche intra- und extrazelluläre Prozesse haben Einfluss auf die Funk-tion der circadianen Uhr. So kann sich die Zelle über die Modulation derCCG-Aktivität optimal an tagesrhythmische Besonderheiten in ihrem Milieu adaptieren. Diese Interaktion ist bidirektional, da die Uhr über dieCCGs wiederum auf die Zellphysiologie einwirkt (cAMP – zyklisches Ade-nosinmonophosphat; GR – Glucocorticoidrezeptor; PGC1α – Peroxisomeproliferator activated receptor gamma coactivator 1, alpha; HIF1 α – Hypo-xia inducible factor 1, alpha; weitere Abkürzungen im Text).

ABB. 3 V E R K N Ü P F U N G VO N C I RC A D I A N E R U H R U N D Z E L L S TO F F W EC H S E L

0:00 8:00 16:00 0:00 8:00 16:00 0:00

Uhrzeit

1

10

20

30

Tag

e im

Exp

eri

me

nt

W

O

Jede horizontale Linie zeigt zwei Tage der Laufradakti-vität (schwarze senkrechte Markierungen) einer Mausunter 12h Licht:12h Dunkel-Bedingungen (Dunkel-phase grau unterlegt). Die Laufraddaten des zweitenTages sind auf der linken Seite der darunterliegendenLinie noch einmal kopiert (sog. Doppelplot). Dadurchsind über den Tageswechsel hinausreichende Aktivi-tätsphasen visuell besser erkennbar. An Tag 11 wurdeder Lichtzyklus um 8h nach hinten verschoben – ent-sprechend einem Westwärtsflug über 8 Zeitzonen(W). Wie man leicht erkennen kann, dauert es meh-rere Tage, bis die Laufradaktivität der nachtaktivenTiere komplett adaptiert ist. An Tag 27 erfolgte dasumgekehrte Experiment entsprechend einem Ost-wärtsflug (O).

ABB. 4 L AU F R A DA K T I V I T Ä T E I N E R M AU S I M J E T L AG

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C H R O N O N U T R I T I O N | I M FO KU S

Vormittag ungenutzt – und zum Wochenbeginn wird esdann doppelt schwer, wieder rechtzeitig aufzustehen.

Neben Licht spielt der Zeitpunkt der Nahrungsauf-nahme eine wichtige Rolle in der Synchronisation derinneren Uhr. Allerdings betrifft dies hauptsächlichRhythmen in peripheren Organen, während die SCN-Uhr sich primär nach dem Licht richtet [9]. Soziale As-pekte – dazu zählt auch der Wecker – scheinen dagegennur eine untergeordnete Rolle zu spielen. So gelingt esvielen blinden – und damit lichtinsensitiven – Men-schen nur mit großer Mühe, sich an einen normalen24h-Rhythmus zu adaptieren. Entscheidend ist dabei,ob das ipRGC-System ebenfalls funktionell einge-schränkt ist.

Gewebeuhren und PhysiologieWie oben schon angedeutet ist der SCN nicht unsereeinzige Uhr. Man geht inzwischen davon aus, dass diemeisten unserer Organe und Zellen ihre eigenen inne-ren Uhren beherbergen. Experimente an Zell- und or-

ganotypischen Schnittkulturen konnten zudem zeigen,dass diese peripheren Uhren ganz unabhängig vomSCN funktionieren und auf einer ähnlichen molekula-ren Maschinerie basieren [10]. Der SCN dient lediglichals Koordinator peripherer Rhythmen untereinanderund mit dem Tag-Nacht-Zyklus. Er sorgt zudem dafür,dass in Abwesenheit äußerer Zeitsignale das Systemnicht desynchronisiert, sondern mit seiner endogenenPeriode weiterläuft. Beim Menschen beträgt diese Frei-laufperiode 24,5–25 h (in manchen Individuen wurdenauch schon bis zu 28h gemessen), bei nachtaktivenMäusen dagegen nur 23,5–23,7 h, bei Ratten 24,2–24,5 h.

Die Kommunikation zwischen SCN und Peripherieist noch sehr unzureichend verstanden. Rhythmisch sezernierte Hormone wie Cortisol oder � Melatoninscheinen dabei eine Rolle zu spielen. Aber auch das au-tonome Nervensystem sowie tagesrhythmische Ände-rungen der Körpertemperatur sind in der Lage, zellu-läre Uhren zu verstellen. Der vom SCN kontrollierteSchlafrhythmus beeinflusst zudem indirekt – über dieRegulation der Nahrungsaufnahme – die Phasenlageperipherer Uhren und Rhythmen.

Auf zellulärer Ebene wird das Zeitsignal über ge-websspezifische CCGs in physiologisch relevante In-formationen übersetzt. So konnte gezeigt werden, dassin der Leber der Glucosetransporter GLUT2 tages-rhythmisch exprimiert wird. Über GLUT2 steuert dieLeberuhr die Freisetzung von Glucose ins Blut. Paralleldazu regulieren Uhren in den ß-Zellen des Pankreas dieFreisetzung von Insulin – und damit die Aufnahme derGlucose durch Zielgewebe wie Muskel und Adipozy-ten. Dort wiederum regulieren Uhren die Sensitivitätdes Insulin-Signalwegs und somit die Interpretation desInsulinsignals. Unsere Arbeitsgruppe konnte kürzlichzeigen, dass im Fettgewebe die Freisetzung von Lipidencircadian reguliert ist [11]. Ist die Uhr gestört, kommt eszu einer Akkumulation von Fett in den Adipozyten beigleichzeitigem Mangel an Fettsäuren im Blut. Dieserscheinbare Energiemangel wiederum fördert eine er-höhte Nahrungsaufnahme mit dem Essen und der zu-sätzliche Einlagerung von Lipiden in den Adipozyten –ein Teufelszyklus.

Interaktion von circadianem System und Energiemetabolismus

Prinzipiell kann das circadiane System Stoffwechsel-vorgänge über vier verschiedene Routen beeinflussen:(1) Die Transkriptionskontrolle von CCGs und darüberletztendlich die Regelung der Konzentration der En-zyme, die für Stoffwechselwege zur Verfügung stehen;(2) eine systemweite Synchronisation der Stoffwech-selrate über die rhythmische Freisetzung von humora-len Faktoren; (3) die neuronale Regulation metaboli-scher Zielorgane, z. B. durch die Aktivierung und De -aktivierung sympathischer und parasympathischer

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außen

innen

visuelle Photorezeptoren

H H

RPE

B

A

A

RGCs

ipRGC ipRGC

Die visuelle Photorezeption findet in den Zapfen undStäbchen der äußeren Retina statt. Horizontale (H), bipolare (B) und amakrine Zellen (A) verschalten dievisuelle Information und leiten sie an die Ganglienzel-len (RGCs) der inneren Retina weiter. Von dort geht die Information in die visuellen Zentren des Gehirns.1–3% der RGCs sind intrinsisch photorezeptiv (ipRGCs).Sie exprimieren das Photopigment Melanopsin.ipRGCs sorgen für das Entrainment der circadianenUhr, spielen aber auch eine Rolle im Pupillenreflex undin der Regulation anderer autonomer Lichteffekte(RPE – retinales Pigmentepithel).

ABB. 5 Q U E R S C H N I T T D U RC H D I E R E T I N A

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Afferenzen; sowie (4) indirekt über eine rhythmischeInteraktion mit der äußeren Umgebung, also über dieRegulation von Schlaf-Wach-Rhythmus und Verhalten(Abbildung 6). Genomik- und Proteomik-Studien habengezeigt, dass ein überraschend großer Anteil des Tran-skriptoms bzw. Proteoms eines bestimmten Gewebescircadian reguliert wird. Es wird angenommen, dass diemeisten dieser Gene/Proteine durch lokale Uhren re-guliert werden. Andere reagieren auf systemische Sig-nale. Es würde physiologisch keinen Sinn machen,wenn die Uhrenzielgene in jeder Zelle des Körpersidentisch wären. Wie weiter oben bereits erwähnt istnur ein Bruchteil der CCGs zwischen verschiedenenGeweben überlappend. So hat jedes Organ seinen ei-genen circadianen Fingerabdruck, der dessen physiolo-gische Rolle für den Organismus widerspiegelt. Die Me-chanismen dieser Gewebe-Spezialisierung der CCGssind bisher unbekannt. Ein Faktor ist wahrscheinlichdie gewebsspezifische Expression von transkriptionel-len Modulatoren, die mit den bekannten und ubiquitärrhythmischen Transkriptionsfaktoren CLOCK/BMAL1,REV-ERBα/RORα und DBP/E4BP4 interagieren.

Die umfangreichsten Untersuchungen zu CCGsexistieren für das circadiane System der Leber. Leber-

CCGs umfassen u.a. Gene mit Beteiligung am Nähr- undEnergiestoffwechsel wie den Glucose-Transporter Glut2(s.o.), den Glykolyse-Schrittmacher Pyruvatkinase, Lipin1, an der Cholesterinbiosynthese beteiligte Genewie 3-Hydroxy-3-Methylglutaryl-CoA-Reductase (Hmgcr)sowie Gene, die in der xenobiotischen Entgiftung eineRolle spielen wie die Methyltransferase Nnmt und dieorganischen Kationentransporter Slc22a1 und 2. CCGsin den Fettzellen sind Schlüsselregulatoren des Fett -säurestoffwechsels wie Fatp1 (Fettsäuretransport-Pro-tein 1), Acs1 (Fettsäure-Acyl-CoA-Synthetase 1), Adrp(Adipocyte differentiation-related protein), die hor-monsensitive Lipase (Hsl), das Sättigungshormon Lep-tin und andere so genannte � Adipokine wie Adipsin,Resistin, Adiponektin und Visfatin [12]. Weitere rhyth-mische Gene wurden in metabolisch relevanten Gewe-ben wie Magen, Skelettmuskel und Pankreas beschrie-ben.

Es bleibt zu zeigen, in welchem Ausmaß diese Genevon den lokalen inneren Uhren gesteuert werden oderinwiefern ihre Rhythmik eine Reaktion auf die oben er-wähnten systemischen Stimuli ist. Rhythmische Hor-mone mit starkem Einfluss auf Stoffwechselprozessesind z.B. das Cortisol der Nebenniere oder die Schild-drüsenhormone [13]. Weiterhin wichtig sind das epi-physäre Nachthormon Melatonin und hypothalami-sche Neuropeptid-Hormone wie � Orexin, Oxytozin

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SCN

periphere Uhren

lösliche FaktorenVerhalten / Temperatur

veget. Innervierung

Der SCN synchronisiert periphere Uhren in allen Gewe-ben miteinander und mit dem externen Tag-Nacht- Zyklus. Die Kommunikation zwischen SCN und Peri-pherie verläuft über humorale Signale wie die Hor-mone Cortisol und Melatonin, die Aktivierung desautonomen Nervensystems sowie indirekt über dieRegulation der Nahrungsaufnahme und der Körper-temperatur.

ABB. 6 DAS CIRCADIANE NETZWERK DES KÖRPERS

G LOSSA R

Adipokine: Peptidhormone des Fettgewebes mit teils zytokinähnlicher Wirkung. Be-kanntester Vertreter ist das Sättigungshormon Leptin.

CLOCK & BMAL1: Die aktivierenden Komponenten des zentralen Uhrwerks bei Säu-getieren. Beide Proteine gehören zur Klasse der Basic helix-loop-helix-Transkriptions-faktoren.

Entrainment: Die Synchronisation circadianer Rhythmen mit einem äußeren Zeitge-ber (z.B. Licht).

Gating: Die zeitliche Regulation der Sensitivität auf einen externen Stimulus. DerSCN zeigt ein Gating für Licht: In der frühen Nacht beschleunigt, in der späten Nachtdrosselt Lichtexposition den Gang der circadianen Uhr. Durch diese Mechanismenkann die Uhr z.B. an neue Zeitzonen adaptieren.

Melatonin: Hormon der Epiphyse (Pinealorgan, Zirbeldrüse), welches primär in derNacht sezerniert wird. Melatonin spielt eine Rolle bei der Synchronisation periphererUhren und bei der Schlafregulation.

Metabolisches Syndrom (MS): Eine häufig mit Adipositas assoziierte komplexe me-tabolische Erkrankung. Laut WHO liegt ein MS vor, wenn folgende drei Symptome –Diabetes mellitus, Glucoseintoleranz und Insulinresistenz – sowie mindestens zweider folgenden Symptome vorliegen: arterielle Hypertonie (> 140/90 mmHg), Dyslipi-dämie (Tirglyceride > 1,7 mMol und HDL ≤ 1 mMol) oder viszerale Adipositas (BMI >30). MS ist der Hauptrisikofaktor für koronoare Herzerkrankungen.

Night eating syndrome: Essstörung, bei der Betroffene unter nächtlichem Heißhun-ger leiden.

Orexin: Hypothalamisches Neuropeptid. Orexin unterdrückt den Schlaf und wirktappetitfördernd. Orexinmangel führt zu Narkolepsie.

PER & CRY: Die negativen Komponenten des zentralen Uhrwerks bei Säugetieren.Zusammen inhibieren sie die Funktion von CLOCK/BMAL1.

SCN: Nucleus suprachiasmaticus. Der zentrale circadiane Schrittmacher bei Säuge-tieren. Der SCN umfasst knapp zehntausend dicht gepackte Neuronen und liegt di-rekt oberhalb des Chiasma opticum.

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C H R O N O N U T R I T I O N | I M FO KU S

und Vasopressin. Glucocortikoide signalisieren über nu-kleäre Hormonrezeptoren und können so Uhrengeneund CCGs in Zielgeweben synchronisieren. In der Le-ber erhöhen sie die Aktivität der Enzyme der Fettsäure-synthese und stimulieren die Sekretion von Lipoprotei-nen. Da Leberlipide an der Regulation der hepatischenInsulinsensitivität beteiligt sind, können Glucocorti-koide so indirekt zur Entwicklung des � metabolischenSyndroms beitragen. Im Fettgewebe fördern Glucocor-tikoide die Differenzierung von Präadipozyten zu Adi-pozyten und begünstigen die Entwicklung der Insulin-resistenz. Ähnliche Effekte zeigen sie im Muskel. Schild-drüsenhormone wirken stoffwechselaktivierend undstimulieren die Fettmobilisierung aus den Adipozyten(Lipolyse) sowie die Oxidation von Fettsäuren in Ziel-geweben. Eine Unterdrückung der Melatonin-Sekretion– z.B. durch nächtliche Lichtexposition – stört die Glu-cose-Homöostase und wurde mit Stoffwechselstörun-gen wie Typ-2-Diabetes in Verbindung gebracht. Inte-ressant ist, dass bei Typ-2-Diabetikern die endogeneGlucoseproduktion circadian rhythmisch ist, was beigesunden Menschen nicht beobachtet wurde. Melato-nin stimuliert direkt die Insulinsekretion in pankreati-schen β-Zellen und wirkt im Tiermodell unter Hoch-fettdiät leberprotektiv.

Hypothalamische Orexin-Neuronen projizieren zuden wichtigen Erregungszentren des Hirnstamms, wosie Wachsamkeit und Erregung signalisieren. Selberwerden sie durch periphere metabolische Signale wieLeptin, Glucose oder Ghrelin aktiviert. Somit stellt dasOrexin-System eine wichtige Verbindung zwischen pe-ripherem Energiestatus und der zentralen Koordina-tion von Schlaf-Wach-Zustand und motiviertem Verhal-ten dar.

Rhythmusstörungen und MetabolismusVieles deutet darauf hin, dass Störungen der circadia-nen Rhythmik auf breiter Ebene Auswirkungen auf dieRegulation der Energiehomöostase haben [14] (Abbil-dung 7). Epidemiologische Studien belegen klare circa-diane Effekte bei der Entwicklung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Stoffwechselkomplikationen. Quer-schnittsstudien zeigten, dass Schichtarbeiter häufigeram metabolischen Syndrom, an Adipositas, Typ-2-Diabe-tes und Herz-Kreislauferkrankungen erkranken. DieseErgebnisse und tierexperimentelle Befunde deuten darauf hin, dass eine chronische Phasenverschiebungzwischen dem Schlaf-Wach-Rhythmus und der Nah-rungsaufnahme die Entwicklung von Adipositas und In-sulin-Resistenz begünstigt. In Menschen stellt erhöhtenächtliche Nahrungsaufnahme (� Night Eating Syn-drome) zudem ein unabhängiges Risiko für Stoffwech-selerkrankungen dar.

In Anbetracht der Tatsache, dass metabolisch-regu-latorische Netzwerke unter extensiver circadianer Kontrolle stehen, könnte man erwarten, dass die Inte-

gration circadianer und metabolischer Zyklen einenadaptiven Vorteil verleiht, indem sie z.B. die Energie-ausnutzung optimiert. Diese Hypothese konnte in Cya-nobakterien und Pflanzen bereits bestätigt werden. DieVerfügbarkeit von mutierten Mäusen mit verschiede-nen circadianen Periodenlängen bietet nun die Mög-lichkeit, auch im Säugetier zu testen, ob eine circadiane„Resonanz“ (also die Synchronität zwischen dem ex-ternen Licht-Dunkel-Zyklus und der internen Periode)wichtig für die Stoffwechselregulation und Energie -bilanz ist. Homozygote Mäuse mit einer Mutation imClock-Gen zeigen erhebliche Veränderungen in derEnergiehomöostase mit Symptomen des metaboli-schen Syndroms wie Adipositas, Hyperlipidämie, Fettle-ber, Hyperglykämie und Hypoinsulinämie [15]. Die Füt-terungsrhythmen in diesen Mäusen sind gedämpft; d.h.die Tiere zeigen eine erhöhte Nahrungsaufnahme wäh-rend des Tages, was zu einer deutlich erhöhten Ge-samtenergieaufnahme führt. Es ist wahrscheinlich, dassdieser Phänotyp auf eine veränderte zentrale Rhyth-mik, z. B. bei der Expression von hypothalamischenNeuropeptiden wie CART (cocaine- and amphet-amine-regulated transcript) und Orexin, zurückge-führt werden kann. Ob der Verlust der Uhrenfunktionin peripheren Geweben der Clock-Mutanten auch zuderen metabolischen Phänotyp beiträgt, wurde bishernicht untersucht. Untersuchungen an fettgewebsspezi-fischen Bmal1-Mutanten deuten aber darauf hin, dass

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Gehirn

AppetitHedonischer Antrieb

Pankreas

InsulinGlucose-Sensitivität

LeberGluconeogeneseGlucose-Export

Adipozyten

Lipolyse

(Schichtarbeit / Jetlag / Genetische Störungen)

Störungen des circadianen Systems – seien sie endogen (z. B. Uhrengen-mutationen) oder exogen (z. B. Schichtarbeit oder Jetlag) – verändern dieRegulation des Energiemetabolismus über die Modulation von rhythmi-schen Prozessen in zentralen und peripheren Organen.

ABB. 7 E I N F LU S S D E R C I RC A D I A N E N R H Y T H M I K AU F D I E E N E RG I E -H O M Ö OS TA S E

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die Adipozytenuhren selber einen Einfluss haben aufdie Appetitregulation und die Verarbeitung von Nähr-stoffen in Energiespeichergeweben. Hier könnten sichwichtige (chrono-)pharmakologische Ansätze für diePrävention und Behandlung von metabolischen Er-krankungen ergeben, z. B. im Zusammenhang mitSchlafstörungen oder Schichtarbeit.

ZusammenfassungGenetisch codierte innere Uhren steuern Physiologie undVerhalten im 24h-Takt. Ein zentraler Schrittmacher im Nu-cleus suprachiasmaticus synchronisiert periphere Uhren inallen Geweben untereinander und mit dem äußeren Tag-Nacht-Rhythmus. Eine wichtige Funktion der circadianenUhr ist die Regulation des Energiestoffwechsels über dierhythmische Aktivierung von gewebsspezifischen uhren-kontrollierten Genen. In der Leber sind besonders der Glu-cose- und Fettstoffwechsel, in den Adipozyten die Fettsäure-freisetzung und die Sekretion von Adipokinen auf dieseWeise reguliert. Störungen der circadianen Rhythmik, z. B.bei Schichtarbeit, begünstigen die Entwicklung von Erkran-kungen des Energiestoffwechsels wie Adipositas und Typ-2-Diabetes.

Summary Chrononutrition – circadian clocks and energy metabolismGenetically encoded endogenous clocks regulate 24-hourrhythms of physiology and behavior. A central pacemakerresiding in the suprachiasmatic nucleus synchronizes pe-ripheral clocks found in all tissues with each other and with the external day-night cycle. One function of circadianclocks is the regulation of energy metabolism via rhythmicactivation of tissue-specific clock-controlled genes. In theliver, genes involved in glucose and lipid metabolism areregulated in this fashion, while in adipocytes, fatty acid re-lease and adipokine secretion are controlled by the circa-dian clock. Disruption of circadian rhythms as seen, for ex-ample, in shift workers promotes the development of meta-bolic disorders such as obesity and type-2 diabetes.

Schlagwortecircadiane Uhren, Metabolismus, Uhrengene, periphereUhren, Ernährung

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Der AutorHenrik Oster, geb. 1973, studierte Biochemie inHannover und promovierte 2002 an der UniversitätFribourg, Schweiz zum Thema „Interaktion vonPer- und Cry-Genen in der circadianen Uhr derMaus“. Nach Postdoc-Aufenthalten in Hannoverund Oxford leitete er von 2007–12 eine Emmy- Noether-Nachwuchsgruppe am MPI für Biophysika-lische Chemie in Göttingen. An der Georg-AugustUniversität Göttingen habilitierte er 2012 im FachBiochemie. Seit 2011 ist er Lichtenbergprofessorfür Chronophysiologie an der Universität zu Lübeck.

Korrespondenz:Prof. Dr. Henrik OsterAG Chronophysiologie, Medizinische Klinik IUniversität zu LübeckRatzeburger Allee 16023538 LübeckE-Mail: [email protected]

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