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CLASS AKTUELL 2009/1 CLASS aktuell Association of Classical Independents in Germany Interview mit FRIEDRICH KLEINHAPL Noch Fragen? Beethoven und Mendelssohn mit dem Beethoven Quartett Prinz Louis Ferdinand von Preußen Der Abschluss einer Erfolgsserie Musik aus der Heide Mittelalterliches aus den Klöstern der Lüneburger Heide So jung im Herzen … Sir Roger Norrington feiert seinen 75. Geburtstag Historische Orgel in neuer Schönheit Ullrich Böhme spielt Sauer-Orgel der Leipziger Thomaskirche Happy Birthday, Chandos Das britische Erfolgslabel wird 30 Jahre alt Joseph Haydn Baumeister einer Epoche

CLASS aktuell 1-2009

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CLASS aktuell ist das Magazin der unabhängigen Klassiklabel in Deutschland, Association of Classical Independents in Germany

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Interview mit FRIEDRICH KLEINHAPL

Noch Fragen? Beethoven und Mendelssohn mit dem Beethoven Quartett

Prinz Louis Ferdinand von PreußenDer Abschluss einer Erfolgsserie

Musik aus der Heide Mittelalterliches aus den Klöstern der Lüneburger Heide

So jung im Herzen … Sir Roger Norrington feiert seinen 75. Geburtstag

Historische Orgel in neuer SchönheitUllrich Böhme spielt Sauer-Orgelder Leipziger Thomaskirche

Happy Birthday, Chandos Das britische Erfolgslabel wird 30 Jahre alt

Joseph HaydnBaumeister einer Epoche

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Vertrieb: Codaex Deutschland GmbHTel. 089-82000233 - Fax 089-82000093Gramola Wien: [email protected] Zürich: [email protected]

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C1_09_s00-00_linke Seite 05.03.2009 12:01 Uhr Seite 8

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AUSGABE 2009/1 3

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Im Vorwort eines Klassikmagazins rechnet der Leser mit Namen wie Karajan und Callas,

Paganini und Pavarotti, Villazón und Villa-Lobos. Ich möchte zur Abwechslung mal einen

ganz anderen Namen ins Spiel bringen: Freddy Breck. Der hat so Schnulzen gesungen

wie „Bianca“ und „Rote Rosen“ – und ich sehe schon, wie sich Leser und Leserin mit

Grausen abwenden. Selbst wenn ich hinzufüge, dass viele von Freddy Brecks Schlager-

erfolgen auf klassischen Melodien beruhen, will das Naserümpfen auf des Lesers

Riechorgan nicht weichen. Freddy Breck und die Klassik: Das ist wie Bierbrauwasser,

beworben mit Edvard Griegs „Morgenstimmung“. In jeder Hinsicht geschmacklos.

Micky Maus und KaffeelikörNun muss ich Sie aber bitten zu bedenken: Nicht jeder Mensch genießt das Glück, einen

Konzertmeister zum Vater zu haben. Nicht jedes Kindergartenkind wird vom Babyschnuller

direkt an die Blockflöte umgewöhnt. Nicht jeder Teenie wird am Wochenende von einer

bildungsbeflissenen Erbtante ins Sinfoniekonzert verschleppt. Mit anderen Worten: Es gibt

Menschen, für deren musikalische Erleuchtung erst ein Freddy Breck daherkommen

musste – so wie einst Johannes der Täufer den Messias ankündigte. Warum sonst sollte

jemand auf die Idee verfallen, ein Stück mit dem todlangweiligen Titel „Capriccio Italien“

auszuchecken, wenn nicht, um darin die „Bianca“-Melodie zu suchen?

Überhaupt Tschaikowsky: Kann einem jungen Menschen irgendetwas spießiger, uncooler,

prätentiöser erscheinen als Tschaikowsky? Nie hätte ich als Rockmusik-begeisterter

Teenager den Spaß an Tschaikowsky entdeckt ohne Dieter Hildebrandts Kabarettsendung

„Notizen aus der Provinz“ (1. Klavierkonzert, Kopfsatz), ohne Emerson Lake & Palmers

Konzertzugabe „Nutrocker“ (Marsch aus der Nussknacker-Suite), ohne Walt Disneys Film

„Fantasia“ (mit fast der kompletten Nussknacker-Suite) oder Deep Purples rockende

„Exposition“ (mit einem Thema aus „Romeo und Julia“). Nicht unterschlagen darf ich

Vicky Leandros’ Schmachtschlager von den wilden Schwänen („Tanz der Schwäne“ aus

Schwanensee) und eben Freddy Brecks „Bianca“: Ich habe sie wahrscheinlich gehasst,

aber man konnte ihnen nicht entkommen. So wenig wie der Brauwasserwerbung.

Viele Wege führen zur klassischen Musik. Und dass man auf verschlungenen Pfaden oft

interessantere Entdeckungen macht als auf viel befahrenen Autobahnen, das weiß jeder.

Wie hätte ich dem wilden Ginastera jemals begegnen sollen ohne den Eklektizisten Keith

Emerson? Die Bekanntschaft mit Dukas’ Impressionismus verdanke ich dem Zauberlehr-

ling Micky Maus. Borodins russischen Charme vermittelten mir die Broadway-Autoren

Wright und Forrest, die aus Borodins Melodien Musicalsongs machten, an denen selbst

Jazzmusiker nicht vorbeikamen. Und für die Entdeckung von Khatchaturians Ballett-

Melancholie stehe ich ganz in der Schuld des Filmregisseurs Stanley Kubrick sowie eines

beliebten Kaffeelikörs. Übrigens: Freddy Breck ist kurz vor Weihnachten gestorben. Ich

werde ihn nicht vergessen und wünsche auch Ihnen viele Entdeckungen am Wegesrand.

Ihr

Hans-Jürgen Schaal

CLASS aktuell 1/2009Inhalt

4 Schwingung direkt ins HerzInterview mit dem Cellisten Friedrich Kleinhapl

6 Musik aus der Heide Die Klostermusik der Lüneburger Heide

7 Prinz Louis Ferdinand von PreußenDer Abschluss einer Erfolgsserie

8 Die Dimension des GöttlichenDas Trio Cantraiano erweckt uralte Sonnengesänge zu neuem Leben

9 Bravourstück Hardy Rittner spielt Brahms im Originalklang

10 Mitten wir im Leben sindSiebenbürgische Passionsmusik

11 Leichtes SpielStefan Irmer präsentiert Sigismund Thalberg

12 Joseph HaydnBaumeister einer Epoche

19 High End 2009Leistungsschau der Edel-Elektronik

20 So jung im Herzen …Sir Roger Norrington feiert seinen 75. Geburtstag

21 Historische Orgel in neuer SchönheitUllrich Böhme spielt restaurierte Sauer-Orgel der Leipziger Thomaskirche

22 Noch Fragen?Beethoven und Mendelssohn im Dialog mit dem Beethoven Quartett

23 Happy Birthday, Chandos RecordsDas britische Erfolgslabel wird 30 Jahre alt

24 Blickpunkte Neuveröffentlichungen vorgestellt von CLASS

32 CLASS - Katalog Service Die neuen Klassik-Kataloge sind da

Auflage: 137.500 Titelfoto: © Christian Jungwirth · www.bigshot.at Grafik: Ottilie Gaigl

CLASS Association of Classical Independents in Germany e.V.Bachstraße 35, 32756 Detmoldwww.class-germany.de · [email protected]

Page 4: CLASS aktuell 1-2009

Er hat Sie also als Cellist maßgeblich geprägt?Ich verdanke ihm, wie Chronopoulos und

einigen anderen Lehrern, sehr viel. Außerdemhat mich Muller inspiriert, meine Technik nocheinmal völlig zu verändern und meinen eigenen,persönlichen Weg zu suchen. Darüber hinaushatte ich aber auch das Glück, vielen anderengroßen Musikerpersönlichkeiten zu begegnen wieYehudi Menuhin, Claudio Abbado, Tibor Varga.Allen voran aber dem berühmten Cellisten PaulTortelier, der mich enthusiastisch ermutigte,den solistischen Weg einzuschlagen.

Für jeden Solisten spielt Klang eine großeRolle. Doch bei Ihnen hat man den Eindruck,dass Klang so etwas wie ein Leitthema dar-stellt. Das geht aus den Booklet-Texten IhrerCDs ebenso hervor wie aus Ihrer Webseite.

Schon sehr früh hat sich so etwas wie eineKlangvision in meinem Kopf festgesetzt, die ichdann durch viele Jahre wie besessen zu reali-sieren versuchte. Endlos habe ich dabei an mei-ner Bogentechnik, meinem Vibrato gearbeitet.Ebenso intensiv war aber auch die klanglicheOptimierung meines Instruments. Jetzt habe ichdas Gefühl, diesen Klang gefunden zu haben.

Worauf führen Sie es zurück, dass Sie diese Klangvision, wie Sie es nennen, jetzterreicht haben?

Das hängt mit dem jetzigen Instrumentzusammen. Ich habe das Glück, seit 1998 aufCelli aus der Sammlung der ÖsterreichischenNationalbank zu spielen. Seit Juni letzten Jahresspiele ich ein Instrument, das für mich fast wieaus einer anderen Welt ist: ein Cello von Giovanni Battista Guadagnini, Piacenza 1743.Dieses Instrument war für mich von Anfang anmehr als ein Violoncello – fast wie ein Wesenmit einer ungeheuren Persönlichkeit und Kraft.

Friedrich Kleinhapl war im Frühjahr 2009zu Gast im Musiksalon der TageszeitungDie Presse im Wiener Musikverein. ImGespräch mit Musikkritiker Dr. Wilhelm

Sinkovicz entstand dabei ein aufschlussreichesPorträt des Musikers, das in der Folge auszugs-weise wiedergegeben wird.

Sinkovicz: Herr Kleinhapl, Sie gelten alsbesonders ausdrucksstarker Cellist. Was bedeutet das Violoncello für Sie?

Kleinhapl: Es ist mein Leben. Das Cello hatmich vom ersten Moment an fasziniert. SeineNähe zur menschlichen Stimme, der intensiveKontakt zum Körper des Cellisten – kein ande-res Instrument wird beim Spielen so umarmtwie das Cello. Physisch wie psychisch überträgt

sich seine Schwingung direkt ins Herz. Außer-dem liegt es im idealen Frequenzbereich desmenschlichen Ohrs, ist mit seinen klanglichenMöglichkeiten unglaublich farbenreich, viel-schichtig und ausdrucksstark.

Wie sind Sie zum Cello gekommen? Siestammen ja nicht wie viele andere Musikeraus einer Musikerfamilie.

Im Haus meiner Eltern spielte ständig klas-sische Musik. Dabei hatte es mir als dreijährigesKind ein altes großes Radiogerät besonders ange-tan. Wenn ich mich daneben ins Regal zwängte,konnte ich mein Ohr ganz nah an das Radio legenund die Schwingungen spüren. So wurde ich zur musikalischen Früherziehung gebracht. Mit 4oder 5 Jahren hatte ich dann den Wunsch, Dirigent

zu werden, wofür ich einStreichinstrument erlernenwollte. Meine Lehrer em-pfahlen mir das Cello. Da-bei bin ich geblieben, fas-ziniert von seinem Klangund seiner Wirkung.

Wie ging es dann weiter?Zuerst Konservatori-

um, mit 14 Jahren Wech-sel an die Musikhoch-schule Graz. Dabei hatteich das Glück, in den Jah-ren vor meinem Diplomregelmäßig Unterricht beidem renommierten Pro-fessor Phillippe Muller inParis zu erhalten. NachEnde meines Studiums zogich schließlich mit einemStipendium für zwei Jahreganz nach Paris, um beiMuller meine Ausbildungzu beenden.

4 AUSGABE 2009/1

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Friedrich Kleinhapl mit Andreas Woyke

FRIEDRICH KLEINHAPL

Schwingung direkt ins Herz

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AUSGABE 2009/1 5

Wie setzt sich Ihr Repertoire zusammen?Wie entwickelt es sich?

Ich konzentriere mich auf das Konzert-repertoire, die Cello solo Literatur und auf dasDuo Cello-Klavier. Ich bin zutiefst Romantiker.In dieser Stilepoche ist mein Herz immer schonaufgegangen. Nach schweren gesundheitlichenKrisen in meinem zweiten Lebensjahrzehnt fandeine Öffnung zur zeitgenössischen Musik statt,danach zu Bachs Solosuiten. Im Augenblick ent-decke ich die Klassik, die für mich als expressivenMusiker sicherlich zum Schwierigsten gehört,gleichzeitig aber auch zum Spannendsten.

An Ihrem Repertoire fällt aber auch auf,dass Sie auch unbekanntere Literatur undUraufführungen spielen.

Das stimmt. Ich habe viele Konzerte uraufge-führt, wurde daher schon als Uraufführungs-Spezia-list bezeichnet. Mich interessieren aber auch seltengespielte Konzerte wie beispielsweise die von Rozsa,Rota, Honegger, Korngold oder Friedrich Gulda.

Sie sind also prinzipiell offen für Neues?Solange ich es emotional verstehe, ja. Schwie-

rig wird es, wenn ich nur einen rationalen Zugangfinde. Außerdem verkümmere ich emotional,wenn es keine Möglichkeiten gibt, das Cello klin-gen zu lassen. Etwas mehr Neugierde würde ichmir auch von Veranstaltern wünschen. Viele großeWerke weniger bekannter Komponisten werden oftnur selten gespielt. Interessante Stil übergreifendeExperimente werden oft pauschal und vorschnellin die Cross-Over Ecke abgeschoben.

Ihrer umfassenden Diskografie ist zu ent-nehmen, dass das Duo Cello-Klavier für Sieeine bedeutende Rolle spielt.

Diese Literatur war mir immer schon sehrwichtig. Dabei lag mein Wunsch seit je her ineinem festen Duo. Seit 2003 spiele ich fix mitdem deutschen Pianisten Andreas Woyke.

Und wie versteht man sich nach sechs Jahrenintensiver Zusammenarbeit, wenn man inEuropa, den USA, China reist und konzertiert?Daneben haben Sie bereits Ihre fünftegemeinsame SACD veröffentlicht.

Wunderbar! Musikalisch sind Andreas Woykeund ich wesensverwandt in unserem expressivenund emotionalen Spiel. Da hat sich so etwas wieblindes Verständnis und Vertrauen entwickelt.

Das heißt, Sie finden leicht zu gemein-samen Interpretationen?

Zumindest gibt es nur wenige Diskussionenund Erörterungen bei der Erarbeitung neuerLiteratur. Nach der anfänglich analytischen Aus-einandersetzung kann sich eine Interpretationso meist aus sich selbst heraus weiterentwickelnund vor allem in jedem Konzert ‚neu entstehen’.Das grenzt manchmal schon an ein Mysteriumdes gegenseitigen Verstehens im Augenblick.

Und was war Ihr bisher schönstes Konzerterlebnis?

Konzerte wie in der Londoner Wigmore Halloder im Wiener Musikverein waren sehrbeglückend. Herausragend war dabei sicherlichmeine Begegnung mit Valery Gergiev und demMariinsky Orchester, mit denen ich im letztenJahr Antonin Dvoraks Cellokonzert gespielthabe. Gergievs begeisterte Reaktion nach demKonzert hat dazu natürlich auch beigetragen.

Diskographie:

Schubert, Schnittke: Sonaten und LiederArs 38 028 (HybridSACD)

Franck, Rachmaninow: SonatenArs 38 025 (HybridSACD)

J.S. Bach: Solosuiten Nr. 1, 3 und 5Ars 38 018 (HybridSACD)

Johannes Brahms: Sonaten und LiederArs 38 015 (HybridSACD)

Dmitri Schostakowitsch: Sonaten Ars 38 003 (HybridSACD)

Gulda, Neumeister: CellokonzerteArs 368 403 (CD)

weitere Informationen unter:www.kleinhapl.com / www.ars-produktion.de

Exklusiv-Vertrieb für Deutschland:

Note 1 Musikvertrieb GmbH������������ ��������������� �������������

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Felix Mendelssohn BartholdyGesamtwerk für Orgel Vol. I

Martin SchmedingKuhn-Orgel der Philharmonie Essen

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Joseph Haydn

Die sieben letzten Worte unseres Erlösers am Kreuze

Anja SchiffelCappella Coloniensis Bruno Weil

ARS 38044 (2 Hybrid-SACD)

Olivier Messiaen

Le Banquet Céleste

La Nativité du Seigneur

Wolfgang Sieber, Kuhn-Orgel der Philharmonie Essen

ARS 38037 (Hybrid-SACD)

Die neue Einspielung: Ludwig van Beethoven Sonaten op. 5 Nr. 1, 2 und op. 69Ars 38 035 (HybridSACD)

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God sy gelovet Kloster Lüne

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Einspielungen auf Cantate:

Loff unde ere Kloster Medingen

Wy wullen alle vrolick syn Kloster Ebstorf

Vorlehn uns freden gnediglich Kloster Walsrode

Herre unser Herrscher Kloster Isenhagen

Danck unde Loff Kloster Wienhausen

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6 AUSGABE 2009/1

I m weitläufigen Gebiet der LüneburgerHeide gab und gibt es bis heute eine Reihevon Frauenklöstern, die nach der Reforma-tion als evangelische Einrichtungen weiter-

geführt wurden. In den Archiven der sechs Lüne-burger Klöster (bzw. in externen Bibliotheken)befinden sich zahlreiche bislang unbekannteMusikhandschriften des Mittelalters, die in ihrerEinzigartigkeit von nicht zu unterschätzenderBedeutung für die Geschichte der Klöster in derLüneburger Heide sind. Im Verlauf des 20. Jahr-hunderts hatten immer wieder Musikwissenschaft-ler einzelne, offensichtlich besonders interes-sante Manuskripte beschrieben. Hierbei wurdenallerdings z.B. in Unkenntnis der zeitgenössischenNotationspraxis scheinbar unnotierte Lieder mit„Neuschöpfungen“ des Editors versehen.

Die Hannoveraner Musikerin Prof. UlrikeVolkhardt und die Musikwissenschaftlerin Dr.Ulrike Hascher-Burger haben nun, auf der Basisinzwischen erheblich erweiterter Kenntnisse dermittelalterlichen Musikhandschriften und ihrerTradierung eine erste systematische Sichtungdes musikalischen Materials in allenLüneburger Klöstern vorgenommen,bei der erstaunliche Funde, vor alleman „versteckten“ Orten wie auf undin Einbänden von Rechnungs- undanderen Büchern (wiederverwertete,nicht mehr im Gebrauch befindlichePergamente, teils aus karolingischerZeit), gemacht wurden. Die beiden For-scherinnen haben die Musik neu transkribiertund instrumentiert.

Fundierte Wissenschaft, künstlerische Praxisund Erfahrung in der Vermittlung von Inhaltenbeider Aspekte wirkten bei diesem Projekt ineinzigartiger Weise zusammen. So wurde für dieAufnahmen der „übersetzten“ Musik sogar eigensmittelalterliches Instrumentarium rekonstruiert.

Dies war möglich, weil erstmalig auch die Ikono-graphie der Musikausübung systematisch erfasstwurde – die Schreiber der meist prachtvoll aus-gestatteten mittelalterlichen Handschriften habenimmer wieder Musiker in Aktion abgebildet –was insofern von enormer Bedeutung ist, als esim Mittelalter kaum schriftliche Hinweise zuInstrumenten und musikalischer Praxis gibt.

Ausgewählte Beispiele dieser ganzbesonderen musikalischen Welt wer-den nun, eingespielt vom Ensembledevotio moderna, auf dem Label CAN-TATE erstmals der Öffentlichkeitzugänglich gemacht, wobei jede CDunter einem eigenen Thema steht.Neben klösterlichen Tagesabläufen

wird auch musikalisch jeweils eine besondereliturgische Feier zum Schwerpunkt gemacht. Die CDs sind mit ausführlichen, illustriertenBooklets ausgestattet, die in allen Aspekten überdiese einzigartige Musikkultur unterrichten.Diese Reihe bietet eine einzigartige Möglichkeit,in eine uns ferne (und, bezüglich z.B. der teilsheute noch gesungenen Choräle) zugleich dochso nahe Musikkultur einzutauchen. A. Rainer

Musik aus der Heide Mittelalterliche Musik aus den Klöstern Walsrode, Wienhausen, Medingen, Isenhagen, Lüne und Ebstorf in Ersteinspielung mit demEnsemble devotio moderna unter der Leitung von Ulrike Volkhardt

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Prinz Louis Ferdinand von PreußenAndante mit Variationen op. 4,Quartett op. 5 und Larghetto op. 11Trio Parnassus; Thomas Selditz, ViolaStanislau Anishchanka, KontrabassMDG 303 1549 2

Prinz Louis Ferdinand von PreußenSämtliche Klaviertrios Vol. 1 Trios opp. 2 + 10MDG 303 1347-2

Sämtliche Klaviertrios Vol. 2Trio op. 3, Klavierquartett op. 6 Trio Parnassus, Thomas Selditz, ViolaMDG 303 1361-2

Erich Wolfgang KorngoldTrio op. 1 / Suite op. 23 für 2 Violinen, Violoncello und KlavierTrio Parnassus; Matthias Wollong, ViolineMDG 303 1463-2

Peteris VasksKlaviertrio / KlavierquartettTrio Parnassus; Avri Levitan, ViolaMDG 303 1513-2 (CD)MDG 903 1513-6 (SACD)

Woldemar BargielSämtliche Klaviertrios Vol.1 Trio op. 20 & op. 37MDG 303 0805-2

Sämtliche Klaviertrios Vol.2Trio op. 6 / Adagio op. 38 Sonate op. 10MDG 303 0806-2

I m Herbst 2008 erhielt das Trio Parnassusden „ECHO Klassik” für seine fulminanteEinspielung des Klaviertrios op. 1 und derSuite op. 23 von Erich Wolfgang Korngold,

und bei den derzeit laufenden Verhandlungen umden BBC-Award gehören die drei Musiker eben-falls zu den heißesten Anwärtern, weil ihre Ausein-andersetzung mit der Kammermusik von PeterisVasks nicht nur den lettischen Komponisten selbstüber die Maßen entzückte.

Was dabei ganz generell überrascht, ist dasFingerspitzengefühl, mit dem das Ensemble vonWolfgang Amadeus Mozart bis zur aktuellenGegenwart den jeweiligen Puls der Werke ertastetund selbst solche Raritäten wie die Trio-Komposi-tionen von Woldemar Bargiel oder jetzt wiederLouis Ferdinand von Preußen gerade deshalb„entdeckt”, weil man nie nach unsinnigem Bedeu-tungsdunst strebt, sondern die Partituren ganz ein-fach beim Worte nimmt. So löst sich unversehensClara Wiecks Halbbruder aus der Schulmeister-lichkeit, die ihm oberflächliche Enzyklopädenangeheftet haben, und so wird aus dem Neffen des„Alten Fritz” tatsächlich jener „Romantiker derklassischen Periode”, den der oft so treffsichereRobert Schumann in ihm erkannte.

Auf zwei CDs hat das Trio Parnassus im Verbundmit einigen musikalischen Freunden die delikatenKreationen des Hohenzollern-Prinzen bislang dar-geboten. Jetzt beendet eine dritte Produktion dieSerie, in der wir einen Künstler vor uns sehen, dersowohl als Schaffender wie auch als Pianist inFachkreisen hohe Wertschätzung erfuhr unddurchaus hätte stilbildend wirken können, wenner nicht ob seines soldatischen Wagemutes im fal-schen Moment am falschen Ort gewesen und am10. Oktober 1806 bei der Schlacht von Saalfeldumgekommen wäre: „In hohem Grade geistreich,von feiner Lebensbildung, voll Witz, Belesenheitund Talenten mancher Art, unter anderem für dieMusik, denn er konnte auf dem Klavier für reinenVirtuosen gelten”, beschrieb General Carl vonClausewitz, der berühmte Militärstratege, den Ka-meraden, der da mit eben mal 34 Jahren auf demzweifelhaften Felde der Ehre seinen schöpferi-schen Geist ausgehaucht hatte.

Louis Ferdinand muss geahnt haben, dass erein Opfer seines aristokratischen Berufs werden

würde, denn noch wenige Monate vor seinemTode publizierte er eine ganze Reihe durchweghörenswerter, zumeist für kleinere Formationengeschriebene Kammermusiken, über deren elo-quente Eigenständigkeit wir nur staunen können.Dazu gehören auch die drei auf der abschließen-

den dritten CD des Trio Parnassus veröffentlichtenStücke, zu deren Einspielung Yamei Yu, MichaelGroß und Chia Chou ihre Kollegen Thomas Selditzund Stanislau Anishchanka eingeladen haben.Und wir fragen uns unwillkürlich, was denn wohlaus diesem Prinzen geworden wäre, der irgendwozwischen Haydn und Danzi begonnen, vor CarlMaria von Weber wie Carl Maria von Weber kom-poniert und gegen Ende seines kurzen Lebensexpressive Regionen des Ausdrucks erreicht hat,die namentlich in dem beinahe ETA-Hoffmannes-ken „Kreisleriana” des Opus 11 erahnen lässt, wasunter den Händen von Frédéric Chopin und RobertSchumann klingende Realität werden sollte.

Eckhardt van den Hoogen

Aktuelle Konzerte: Trio Parnassus

09. 04. 2009 Darmstadt 25. 04. 2009 Münsingen26. 04. 2009 Stuttgart27. 04. 2009 Nagold30. 04. 2009 Madlitz03. 05. 2009 Warwick05. 05. 2009 Southampton09. 05. 2009 Nottingham10. 05. 2009 London12. 07. 2009 Stuttgart21. 08. 2009 Santa Maria de

Vilabertran, Spanien23. 08. 2009 Graus, Spanien 05. 09. 2009 Brüssel, Flandernfestival

06. 09. 2009 Brüssel, Flandernfestival

04. 10. 2009 Usedom Festival18. 10. 2009 Stuttgart 26. 11. 2009 Ingolstadt

Weitere Informationen: www.trioparnassus.com

AUSGABE 2009/1 7

Prinz Louis Ferdinand von PreußenZum Abschluss der Serie: Trio Parnassus mit Folge 3

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8 AUSGABE 2009/1

Monatelang soll der be-wusst in Armut leben-de und 1228 heilig

gesprochene Franz von Assisi ingesuchter Einsamkeit in einerfinsteren Hütte verbracht haben,als er – völlig lichtblind und der Verzweiflung nahe – den„Sonnengesang“ dichtete. DreiMusiker setzen auf die Kraft der Sonne: Das TrioCantraiano interpretiert uralte Sonnengesängeund -gedichte, die von Komponisten des 21. Jahr-hunderts eigens für das Trio vertont wurden.Brigitte Krey (Sopran), Ele Grau (Flöte, Altflöte)und Albert Kaul (Klavier) verbinden dabei antike Kulturen und lebendige Gegenwart undbringen die Dimension des Göttlichen, die allenliterarischen Vorlagen immanent ist, klangvollzum Strahlen.

Walter Steffens hat Franz von Assisis „Dankan Gott für alle seine Kreaturen“ in Annäherungan alte kirchenmusikalische Kompositions-techniken als Bicinium für Sopran und Alt-flöte gesetzt. Der „Sonnen.Lieder.Zyklus“ vonThomas Buchholz entstand nach Texten vonLouize Labé, Friedrich Hölderlin und Georg Heymund reflektiert die späten Sonnender Liebe. Jörg Duda legt seinerKomposition zwei Gedichte zu-grunde. Der erste Gesang (nachEduard Mörike) beschreibt denstatischen Zustand samtweicherStille zwischen Traum und Wa-chen vor Tagesanbruch. Das zwei-te Lied (nach Theodor Körner)

schildert das Auflodern der Empfindungen beimAnblick der aufsteigenden Sonne.

Frank Michael vertont in „Sonnengesänge,verwehend“ Poesie von Nikolaus Cybinski, derenKnappheit und Melancholie den Komponistenvon jeher fasziniert. Der Österreicher ThomasDaniel Schlee interpretiert mit seiner Komposi-tion ein 1946 entstandenes Gedicht des LyrikersReinhold Schneider. Durch die Kombination vonSopran und Altflöte kostet er die speziellen Far-ben der klanglichen Grenzbereiche des tiefenInstrumentes aus und nutzt das komplette Spek-trum der Flöte. Zwei auf zeitgenössischen Textenbasierende Werke von Bernhard Schneyer undMichael Töpel runden eine exklusive Aufnahmeab, die im wahrsten Sinne unerhörte Klängedokumentiert. Thomas Trappmann

Die Dimension des Göttlichenklingt wunderbar „Trio Cantraiano“ lässt uralte Sonnengesänge und -gedichte lebendig werden

SonnengesängeWerke von Frank Michael,Michael Töpel, Jörg Duda,Thomas D. Schlee,Thomas Buchholz, Walter Steffensund Bernhard SchneyerTrio CantraianoBrigitte Krey, Sopran, Ele Grau, FlöteAlbert Kaul, KlavierAudiomax 703 1545-2

„Es war die Nachtigall und nicht die Lerche ...“ Liebes-Lyrik und -Musik aus fünf Jahrhunderten Trio CantraianoBrigitte Krey, SopranEle Grau, FlöteGunther Friedrich, KlavierAudiomax 703 1284-2

Trio Cantraiano www.trio-cantraiano.de

Felix MendelssohnSämtliche Streichquartette Oktett op. 20Orchesterwerke arr. für Violine, Violoncello und Klavier zu 4 Händen:Die Hebriden op. 26Sinfonie Nr. 1 op. 11Sinfonie Nr. 5 op. 107Ruy Blas op. 95Leipziger Streichquartett5 CDsMDG 307 1571-2

Limitierte AuflageUVP 39,95 EUR

"exzellentes Niveau" (Fono Forum)

"längst überfällig" (Ensemble)

"schieres musikalisches Feuer" (NMZ)

"sehr überzeugend und klang-prächtig, sie sind in dieser Hinsicht sicher mit das Beste, was derzeit zu haben und zu erleben ist."(Crescendo)

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MusikproduktionDabringhaus und Grimm

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Helmut LachenmannDal niente … Kammermusik

Das Ensemble Phorminx zeigt zentraleStationen aus dem Schaffen HelmutLachenmanns auf: ausgehend von demCellosolo „Pression“ aus dem Jahre1969 über Werke wie „Dal niente“ fürKlarinette, „Toccatina“ für Violine oder„temA“ für Flöte, Singstimme und Cellobis hin zum Trio „Allegro sostenuto“von 1986–88. Es sind Stationen, die sich in die Kon-tinuität seiner wichtigsten kompositori-schen Frage- und Problemstellungeneinreihen lassen, die aber ebenso nach-drücklich einen stets voranschreitendenEntwicklungsgang dokumentieren, dernirgendwo zum Stillstand kommt odersich gar zu einem „Stil“ beruhigt. „Dal niente … Kammermusik“ präsentiertdas Ergebnis einer engen Zusammen-arbeit von Ensemble und Komponist.

„Empfehlung – musikalisch wie aufnah-metechnisch auf hohem und höchstemNiveau“ (Neue Zeitschrift für Musik)

„Virtuos … ein Feuerwerk der Technikendes 20. Jahrhunderts“ (Fono Forum)

VertriebeDeutschland: Note 1, 06221/720351 · [email protected]Österreich: Lotus Records, 06272/73175 · [email protected]: Tudor, 044/4052646 · [email protected]

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restaurierten Bösendorfer-Flügel aus dem Jahr1849/50, den der in Wien lebende SammlerGert Hecher zur Verfügung stellte.

„Ein Programm stelle ich nicht gerne fest,ohne den Saal – und hauptsächlich den Flügelzu kennen“, äußert sich Brahms in einem Brief.Dass er den zwei Jahre vorher entstandenen 235 cm Flügel des Wiener Klavierbauers IgnazBösendorfer mit seinem unvergleichlich erdigen,dunklen Klang sehr schätzte, ist genau sogewiss. So ist es im Sinne des 19. Jahrhundertsabsolut logisch, Flügel zu verwenden, die diejeweiligen Stücke klanglich unterstützen.

Unzählige Lieder, Klavierstücke und Streich-quartette hatte Brahms schon komponiert, ver-worfen und umgehend vernichtet, bis er sich mit op. 1 erstmals öffentlich positionierte. Ganzbewusst schafft er Bezüge zu Beethoven: Hierein Hinweis auf die „Hammerklavier-Sonate“, dawerden Verbindungen zur „Waldsteinsonate“erkennbar… Mit der f-Moll-Sonate op. 5 ent-wickelt Brahms die fünfsätzige symmetrischeSonatenform, die sich Bélá Bartók später mitseiner „Brückenform“ zueigen machte. Kurz vorSchluss erklingt erstmals das Motto f-a-e (FreiAber Einsam), das für Brahms sein Leben lang vonBedeutung blieb. Und Anklänge des „Deutsch-landliedes“ mögen als Signal der Hoffnung aufein geeintes demokratisches Vaterland gelten.

Hardy Rittner präsentiert auch auf seinerzweiten SACD in aufregend authentischem Klang-gewand einen stürmischen Brahms, der sichimmer im Grenzbereich des klanglich geradenoch Darstellbaren bewegt. Wie scheinbar mühe-los der Pianist die spieltechnischen Widrigkeitender Wiener Prellmechanik mit feinstem Klang-sinn und ungebremster Musizierlust zu verbindenweiß, ist beeindruckend. Und bei jedem Wieder-hören tun sich neue Aspekte auf: Bravo!

Lisa Eranos

Mit Brahms Vol. 1 gelang Hardy Rittnerein Paukenschlag, der in der Musik-welt äußerst positiven Widerhall fand.

Nun legt der hochbegabte junge deutsche Pia-nist seine zweite Aufnahme mit den frühen Klaviersonaten Nr. 1 und 3 vor – auf einem bisher nicht dokumentierten, hervorragend

Bravourstück Brahms im Originalklang,

kraftvoll, expressiv und mit emotionaler Tiefe

Johannes Brahms Frühe Klavierwerke Vol. 2 / Sonaten op. 1 + 5

Hardy Rittner, Ignaz Bösendorfer-Flügel 1849/1850aus der Sammlung von Gert Hecher, Wien

SACD: MDG 904 1538-6

Johannes Brahms Frühe Klavierwerke Vol. 1 / Sonate Nr. 2 op. 2

Variationen op. 9, Balladen op. 10Hardy Rittner, Flügel von Johann Baptist Streicher1851 aus der Sammlung von Gert Hecher, Wien

CD: MDG 604 1494-2 / SACD: MDG 904 1494-6

Ignaz Bösendorfer-Flügel 1849/50

Hardy Rittner

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10 AUSGABE 2009/1

Mitten wir im Leben sindSiebenbürgische Passionsmusik

A lte kirchenmusikalische Traditionenleben in einer Ersteinspielung zeit-genössischer Musik wieder auf: HansPeter Türk hat eine Karfreitags-Pas-

sionsmusik für Soli, Chor und Orgel kompo-niert, die seit ihrer Uraufführung vor zwei Jah-ren nicht nur in den protestantischen Kirchenseiner Heimat Siebenbürgen oft zu hören ist.Anklänge an 1000 Jahre Musikgeschichte ord-nen sich in dem dreiteiligen Werk den Textenaus einem alten Gesangbuch unter, die aus Teilen des Matthäus-Evangeliums, Chorälen undPsalmen bestehen.

Siebenbürgen ist eine alte Kulturlandschaft,deren deutsche Siedlungsgeschichte in die Zeitdes Nibelungenliedes zurückreicht. Es ist einGebiet, in dem sich die Einflüsse mehrerer Kul-turen überschneiden, und eine geistliche Land-schaft, die in ihren deutschsprachigen Teilenvom Protestantismus und authentischen Musik-traditionen geprägt ist. In diesem Umfeld wuchsHans Peter Türk auf, der früh seinen eigenenVater verlor und sich stattdessen von einem Kirchenmusiker prägen und ausbilden ließ. Seinem großen Talent und der Fürsorge seinesMäzens verdankt es Türk, dass er trotz Rumä-niens Diktatur ohne Partei-mitgliedschaft promovierenund eine Stelle als Lektor fürTonsatz annehmen durfte. Erst1990 reiste er zu Verwandtennach Deutschland, kehrte aberimmer ins siebenbürgischeKlausenburg zurück, wo der68-Jährige heute als Komponistund Musikwissenschaftler lebt.

Der Ursprung von TürksPassionsmusik liegt in denDorf- und Wehrkirchen seinerHeimat, in denen traditionellPassionsmusiken aufgeführt werden. Und den-noch ist sein Werk alles andere als schlicht. ImGegenteil: Er lässt die frühe mittelalterlicheMehrstimmigkeit anklingen, nutzt und erweitertdie Formen- und Figurensprache des Barock,setzt starke Dissonanzen ein und hebt kunstvolldie Grenze zwischen Sprache und Musik auf.Große Bedeutung kommt dabei der Orgel zu.

Die Farben ihrer Register ergänzen die musika-lischen Konturen von Jesus, Judas oder Pilatus,die Gewalt ihrer Klangfülle überwältigt nachnüchtern gesprochenen Textstellen und sie vermag zugleich Erinnerungen an die Flöte spie-lenden Hirten in den siebenbürgischen Bergenzu wecken.

Die tragenden Säulen dieser Ersteinspie-lung, die Meißner Kantorei 1961, unter der

Leitung von ChristfriedBrödel, und die Organis-tin Ursula Philippi, habenauch die Uraufführungan der historischen Sauer-Orgel in Hermannstadt /Siebenbürgen und die

deutsche Erstaufführung im März 2008 in derDresdner Kreuzkirche mitgestaltet. Den Klang-eindruck der Uraufführung gibt bei dieser Auf-nahme die hervorragend klingende Sauer-Orgel(1904) in der Stadtkirche Burgstädt mit ihrerromantischen Vielfalt exzellent wieder. Eineebenso willkommene wie faszinierende Ent-deckung! Thomas Trappmann

Hans Peter Türk (*1940)Siebenbürgische Passionsmusik für KarfreitagSolisten / Meißner Kantorei 1961Ursula Philippi, OrgelChristfried Brödel, Ltg.MDG 902 1554-6 (SACD)

Aktuelle Konzerte:

Aufführungen der Passionsmusik:

04. 04. 2009 Burgstädt, Stadtkirche

05. 04. 2009 Leipzig, Michaeliskirche

09. 04. 2009 Sendung der Passionsmusik im Mitteldeutschen Rundfunk

a-cappella-Programm:

13. 08. 2009 Leisnig, St. Matthäi-Kirche

14. 08. 2009 Rochlitz, Kunigundenkirche

15. 08. 2009 Leipzig, Nikolaikirche

Das Notenmaterial wird auf Anforderung von der Meißner Kantorei 1961 kostenlos als pdf-Datei geliefert und kann frei kopiert werden.

www.meissner-kantorei.de

Die Meißner Kantorei 1961 unter der Leitung von Christfried Brödel Hans Peter Türk (Abb. links)

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um sich bis zu seinem Tode 1871 erfolgreichdem Weinbau zu widmen.

Die zwölf Etüden op. 26 stellen ein kom-plettes Kompendium von Thalbergs legendäremKlavierstil dar, dem man die „magische dritteHand“ unterstellte, und der bis heute für jedenVirtuosen schon allein handwerklich eine Her-ausforderung darstellt. Sie wurden in zwei Hef-ten a 6 veröffentlicht und widmen sich jeweilseiner ganz speziellen klavieristischen Thematik.Die Fantasie über Themen aus der Rossini-OperMoses aus dem Jahr 1837 ist Thalbergs bekann-teste Komposition. Zwar liegt die Inspiration inRossinis Opermelodien, es sind allerdings nurwenige Originalzitate, die der Komponist alsInspirationsquelle für eigene Erfindungen nutzt.Und natürlich steigert er seinen ebenso orche-stralen wie klanglich differenzierten Klaviersatzletztlich zu einem unfassbaren Klangrausch.

Noch intensiver und mit selbstverständlichhöchster Brillanz verarbeitet er die Rossini-Vor-lage La Donna del Lago in seiner Fantasie op.40.All dieses geht in Stefan Irmers unaufdringlicherVirtuosität und seinem klangsinnigen Spiel einehervorragende klangliche Symbiose mit demSteinway-Konzertflügel von 1901 ein, den MDG mit gewohnt perfekter Klangbalance auslotet.

Lisa Eranos

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Sigismund Thalberg (1812-1871)12 Études op. 26Fantaisie op. 33 + 40Stefan Irmer, KlavierMDG 618 1551-2

Stefan Irmer liebt das Besondere und wurde als herausragender Interpret unbekannter und selten gespielter Werke der Klavier-

literatur bekannt. Für seine Einspielung derspäten Sonaten von Clementi bei MDG

erhielt er den französischen Schallplattenpreis„CHOC“. Die Aufnahme sämtlicher

Klavierwerke von Rossini verhalf ihm zuminternationalen Durchbruch und wurde für die

beste editorische Leistung des Jahres mit dem „Echo Klassik 2008“ ausgezeichnet.

Leichtes Spiel Stefan Irmer präsentiert Sigismund Thalberg, einen der

bedeutendsten Pianisten des 19. Jahrhunderts

Für Sigismund Thalberg war GioacchinoRossini ein musikalischer Held. Ihm wid-mete der deutsche Tastenvirtuose und Kom-ponist nicht nur zahlreiche seinerzeit kaum

nachspielbare Opernphantasien, er vermochte auchdessen meisterhaften Gesangsstil wie kein andereraufs Klavier zu übertragen. Wen wundert es, dasssich Stefan Irmer von diesem italienischen Einflussin Thalbergs Musik inspirieren lässt, um denerfolgreichen Aufnahmen sämtlicher KlavierwerkeRossinis nun eine furiose Ersteinspielung derEtüden von Sigismund Thalberg folgen zu lassen.

An Thalberg kam Mitte des 19. Jahrhundertsin der adeligen Musikwelt Europas kaum jemandvorbei. Es war die Zeit der reisenden Virtuosenund des künstlerischen Wettstreits. Für Heinrich

Backkatalog / Diskografie

Gioacchino Rossini: „Péchés de Vieillesse“Vol. 1: MDG 618 0654-2 Vol. 2: MDG 618 0918-2Vol. 3: MDG 618 1108-2 Vol. 4: MDG 618 1260-2Vol. 5: MDG 618 1353-2 Vol. 6: MDG 618 1386-2Vol. 7: MDG 618 1426-2 Vol. 8: MDG 618 1448-2

Muzio Clementi: KlavierwerkeVol. 1: 3 Sonaten op. 40 MDG 618 0651-2

Vol. 2: 3 Sonaten op. 50 MDG 618 0652-2

Vol. 3: Sonate op. 25, 4-6; 33, 1+2 MDG 618 0653-2

George Onslow: Grand Septuour op.79, Nonett op. 77Stefan Irmer, Klavier,Consortium Classicum MDG 301 1480-2

Aktuelle Konzerte: Stefan Irmer

11. 03. 2009 Luxemburg, Nationaltheater

03. 04. 2009 Zwickau, Schumannhaus

09. 05. 2009 München, Prinzregententheater

Weitere Informationen: www.stefan-irmer.de

Heine war er „der“ Gentleman-Pianist. Der deut-sche Dichter stellte den in Genf geborenen Sohneiner Baronin und eines Fürsten auf eine Stufe mitChopin und Liszt. In Sachen Etikette und Aus-strahlung zog er den virtuosen deutschen Roman-tiker sogar dem großen Konkurrenten Liszt vor.Auch Clara Schumann lobte das Spiel des in derÖffentlichkeit ausschließlich mit eigenen Werkenauftretenden Pianisten in den höchsten Tönen:„Ihm missglückt kein Ton, seine Läufe kann manmit Perlenreihen vergleichen, seine Oktaven sinddie schönsten, die ich je gehört.“

Nach seinem phänomenalen Debut in Paris1835 bereiste Thalberg als Konzertpianist dieganze Welt. 1863 – welche Parallele zu Rossini– zog er sich völlig aus dem Musikleben zurück,

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Mit anderen Worten: Wie kaum ein andererstand Haydn mit einem Bein noch im Hoch-oder Spätbarock, mit dem anderen aber schonin der Überwindung der Wiener Klassik durchdie Romantik. Und er schaffte es, die verschie-denen Stile, den sich um die Mitte des 18. Jahr-hunderts in der so genannten „MannheimerSchule“ anbahnenden Stilwandel, fortgeführt inder Zeit des „Sturm und Drang“, als ein ge-wisser Carl Philipp Emanuel Bach mit seinenOrchesterwerken das Publikum zum Weinenbrachte, all dies zu kanalisieren und eine neue,gültige Formensprache zu finden, die das Stil-empfinden einer ganzen Musikepoche prägensollte: die Zeit der „Wiener Klassik“. Die Instru-mentalmusik dieser Zeit gründet auf zwei Gat-tungen: Sinfonie und Streichquartett. Und fürbeide fand Haydn die gültige Form, ohne diesüberhaupt beabsichtigt zu haben, denn der lang-jährige Kapellmeister in Diensten des Fürsten-hauses Esterhazy war alles andere als ein Theo-retiker. Und doch folgte er, der offenbar nieeinen wirklich planmäßigen Unterricht in Kom-position genossen hatte, der von allen „großen“Komponisten wohl am meisten Autodidakt war,einem systematischen musikalischen Denken,das ihn die klassischen Formen finden ließ. Diesist umso erstaunlicher, als er sein Leben vorwie-gend als Kapellmeister in der Abgeschiedenheiteines Landsitzes zubrachte. Er sagt selbst: „Ichwar von der Welt abgesondert, niemand in meinerNähe konnte mich an mir selbst irremachen undquälen, und so musste ich original werden.“

Die SinfonienIm Alter von 29 Jahren wurde Haydn auf

Schloss Esterhazy angestellt, und hier entwickelteer sich über die nächsten dreißig Jahre zueinem hauptsächlich sinfonischen Komponisten.Davor war er Kapellmeister bei Baron Fürnbergin der Nähe von Melk; dort begann er, Streich-quartette zu schreiben, danach wurde er Musik-direktor im böhmischen Lukavec bei Graf Morzin.Obwohl präzise Daten fehlen, so muss es dochin dieser Zeit, von 1757 an, gewesen sein, als erseine ersten Sinfonien schrieb. Stilistisch sindsie als Werke anzusehen, die italienische undösterreichische, leichte und ernsthafte, traditio-nelle und moderne Elemente verbinden und über-wiegend dreisätzig sind. Strukturell gesehenbesteht jeder Satz aus zwei Teilen, die jeweilswiederholt werden. Sie wurden für die ur-sprüngliche Besetzung Streicher, 2 Oboen, 2 Hör-ner und eine Bassgruppe geschrieben, die aus

Undank ist der Welt Lohn, wie wir alleaus leidvoller Erfahrung wissen. Auchin der (europäischen) Musikgeschichtestoßen wir immer wieder auf Per-

sönlichkeiten, die zu Lebzeiten hoch geschätzt,vielleicht auch dekoriert wurden, dann aber inVergessenheit gerieten oder der Geringschätzunganheim fielen. Dieses Schicksal erlitt, zumindestTeile seines Schaffens betreffend, auch JosephHaydn, dessen Todestag sich in diesem Jahr zum200. Mal jährt. Der Komponist, der europaweitdas Publikum zu „standing ovations“ hinriss,wurde späterhin eher milde als „Papa Haydn“belächelt – ein zwar liebenswerter, aber dochein bisschen verstaubter Meister aus vergange-ner Zeit. Mozart, ja, und Beethoven – was fürgroße Geister! Aber Haydn? Na ja, die Sinfonie

mit dem Paukenschlag, oder die Abschiedssin-fonie – ein lustiger Vogel ist er ja wohl gewesen,der gute Papa Haydn. Was für drollige Einfälle!Und dann natürlich die „Schöpfung“. Das istschon was. Und die „Sonnenquartette“. Aber dieganz großen Meisterwerke, die haben in dieserEpoche eben doch Mozart oder Beethovengeschrieben. Der Haydn ist eher was zumAnwärmen, im Konzert sozusagen die Vorgruppefür den Starauftritt. Wer so denkt, tut einemKünstler bitter unrecht, ohne den die nicht inFrage stehende Meisterschaft eines Mozart odereines Beethoven nicht denkbar gewesen wäre.

Haydn wurde 1732 in Rohrau, Niederöster-reich, geboren, als Bach, Händel und Telemannnoch auf der Höhe ihres Schaffens standen, undstarb 1809, als Beethoven bereits ein Name war.

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Joseph Haydn (1732-1809) im Porträt von Thomas Hardy (1791)

JJoosseepphh HHaayyddnn Baumeister einer Epoche

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AUSGABE 2009/1 13

Cello, Kontrabass, Fagott und Cembalo bestand.In den langsamen Sätzen spielten nur die Strei-cher. Schon in seinen ersten Versuchen im Be-reich der Sinfonik (nicht weniger als 104 Werkein dieser Gattung sollte er schreiben) findensich Versuche, eine ausgewogene, „symmetrische“Form zu finden, wie dies die auf Musicaphon (M 56886) erschienene Einspielung der „Sinfo-nien A und B“ durch das Ensemble il capricciounter Leitung von Friedemann Wezel sehr deut-lich nachvollziehen lässt.

Direkt daran anschließend, ebenfalls in his-torischer Aufführungspraxis, ist die Haydn-Auf-nahme der Sinfonien 1 bis 5 von Hyperion mitRoy Goodman und der Hanover Band – ein groß-artiges Hörvergnügen (CDH 55111). Mit seinemlebendigen und kraftvollen Spiel und der Klarheitim Ausdruck gelingt es dem Orchester sehr über-zeugend, das ganz besondere Flair dieser Musikeinzufangen. Diese einfallsreichen Interpretationengehören zu den besten Aufnahmen der Haydn-Sinfonien auf historischen Instrumenten.

Wie Haydn seinen kompositorischen Ansatzweiterentwickelte, schließlich zu einem an Eben-maß nicht mehr zu übertreffenden Ganzen fand,lässt sich wunderbar an Spätwerken studieren:den „Londoner Sinfonien“. Wie war es überhauptzu diesen Werken gekommen?

1790 starb Fürst Nikolaus von Esterhazy; seinNachfolger war völlig unmusikalisch, entließ diegesamte Hofmusik und schickte Haydn in Pension.Dieser akzeptierte darauf ein lukratives Angebotdes Konzertunternehmers und Musikers JohannPeter Salomon, 1791–1792 und nochmals1794–1795 nach England zu gehen und dortseine Werke aufzuführen. Das Publikum stürmtedie Konzerte, und Haydn erwarb schnell Ruhmund Vermögen. Und „nebenbei“ entstanden soeinige seiner bekanntesten Werke, darunter die

„Sinfonie mit dem Paukenschlag“, die „Militär-sinfonie“, die „Londoner Sinfonie“…

Es ist der Haydn Philharmonie unter Leitungvon Adam Fischer zu verdanken, dass wir nichtnur eine ältere Gesamtaufnahme, sondern jetztfrisch auf SACD für das Label MDG eingespieltauch eine absolut spannende Neuaufnahmeeben dieser Londoner Sinfonien vorliegen haben.Der bis heute unveränderte Haydn-Saal des Ester-hazy-Schlosses bildet bei diesen Aufnahmen diehistorische Klangkulisse, ein barocker Ballsaal,dessen wunderbar kostbaren MarmorbodenJoseph Haydn einst gegen schlichte Holzdielenaustauschen wollte: Der Fürst gehorchte – unddas alles nur der bemerkenswerten Akustik wegen,welche sich den vorliegenden Aufnahmen wohl-tuend mitteilt.

Vermutlich die erste Sinfonie, die Haydn inLondon präsentierte, war die Sinfonie Nr. 92 –er dirigierte sie ein zweites Mal in Oxford, alsman ihn dort zum Doktor der Musik machte.Aufgrund dieser Aufführung hat sich für dieSinfonie der Beiname „Oxford“ eingebürgert.Eigentlich müsste man sie eher „Paris“ nennen,denn Haydn hatte sie ursprünglich für die „LogeOlympique", eine freimaurerische Pariser Kon-zertgesellschaft, geschrieben.

In London traf Haydn zweifellos auf ausge-sprochen aufmerksame und mitdenkende Zuhö-rer – doch zugleich scheute er sich nicht, seineUraufführungen mit Überraschungseffekten zugarnieren. Der berühmteste davon findet sich imlangsamen Satz der Sinfonie Nr. 94, die Haydnam 23. März 1792 in seiner zweiten LondonerKonzertsaison uraufführte. Dass Haydn mit demPaukenschlag aus heiterem Himmel die in sei-nem Konzert eingeschlafenen Engländer zu weckengedachte, dementierte er später heftig. Die schieratemberaubende audiophile Variante des Pauken-schlags bei Adam Fischer (MDG 901 1325-6)hätte den Meister noch mehr begeistert...

Haydns Augenzwinkern übertrug sich auch aufdie Musikanten, was man auf MDG 901 1441-6überprüfen kann: Inmitten einer Aufführung der

Sinfonien 1 – 5The Hanover Band / Roy Goodman, Dirigent

Hyperion CDH 55111

Haydns Haus in der Vorstadt Windmühle,

unbezeichnete Lithographie (1840)

Nikolaus I., „der Prachtliebende“, Grafund später Fürst Esterházy de Galantha (1714 - 1790)

Sinfonie A & B + W.A. MozartFagottkonzert B-Dur / Violinkonzert Nr. 1

Ensemble il capriccioMusicaphon M56886

Sinfonien

Sinfonien Nr. 60 und Nr. 61 / Ouvertüre D-DurHeidelberger Sinfoniker / Thomas Fey, Ltg.

hänssler CLASSIC 98.522

Sinfonien Nr. 88 + 101Ouvertüre „L’isola disabitata“

MDG 901 1441-6 (SACD)

Sinfonien Nr. 92 + 94Ouvertüre „La fedeltà premiata“

Haydn-Philharmonie / Adam Fischer, LeitungMDG 901 1325-6 (SACD)

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14 AUSGABE 2009/1

Ouvertüre zur Oper „La fedeltà premiata“ ver-schwanden die Hornisten von der Bühne, um imgeeigneten Moment an anderer Stelle des Kon-zertsaales erneut ins Spiel einzugreifen – eineÜberraschung nicht nur für den Dirigenten und das Publikum, sondern auch für den Hörerdieser Mehrkanalproduktion.

Noch mehr Verwirrung stiftete der öster-reichische Komponist in London, als er dort dieAufführung seiner Sinfonien bei den „Salomon’sConcerts“ höchstpersönlich leitete. Eigentlich wärediese Aufgabe dem Konzertmeister Johann PeterSalomon zugefallen. Doch selbst die britischePresse räumte ein, dass Haydns Dirigat einenGroßteil des Erfolgs der Konzertreihe ausgemachthatte. Seinen Freund Salomon „ehrte“ er ausdrück-lich am Ende des Trios mit dem Hinweis „Salomonsolo“, einer winzigen, absolut belanglosen Passage,die der gefeierte Solist eine Oktave höher zuspielen hat – „ma piano“, wie der Komponistaugenzwinkernd anmerkt (MDG 901 1452-6).

Einen anderen interpretatorischen Ansatzverfolgt das Niederländische Kammerorchester,bei dem der musikalische Leiter und Konzert-meister Gordan Nikoliç vom ersten Pult aus dasOrchester leitet. Dies folgt dem historischen Vor-bild, denn noch bis in Haydns Zeit hinein gab esden Dirigenten, wie wir ihn kennen, nur in ab-soluten Ausnahmefällen – wenn die Besetzung undKomplexität eines Werkes eine Leitung vom erstenPult (oder durch den Cembalisten) nicht zuließ.

Auf Pentatone (PTC 5186300) ist eine SACDerschienen, die Haydns „Sinfonia concertante“und die Sinfonie Nr. 100 vorstellt. Die SinfoniaConcertante wurde am 9. März 1792 aus derTaufe gehoben, und Publikum und Presse reagierten außergewöhnlich enthusiastisch aufdas Werk. Am 31. März 1794 stellte Haydn demPublikum seine Sinfonie Nr. 100 vor, die „Mili-tärische“, die in späteren Ausgaben auch unterdem Titel „Türkische Sinfonie“ erschienen ist.In jüngster Zeit wird das Stück öfters als anti-militaristische und Anti-Kriegs-Sinfonie inter-pretiert. Es ist aber durchaus fraglich, ob dasder Intention Haydns gerecht wird.

Dass Haydn in seinen Londoner Sinfonienneben der üblichen Streicherbesetzung je zweiFlöten, Oboen, Klarinetten und Fagotte verwen-det, zeigt zwar die Partitur an – aber so gut wiein den auf Chandos erschienenen Aufnahmen(0662, 0655) mit dem Collegium Musicum 90

unter der Leitung von Richard Hickox konnteman es bislang kaum hören! Hickox grundiertdie Musik nicht nur, er formt einen räumlichen,reliefartigen Körper, hier satt, dort elegant, hierdurchscheinend, dort wie aus dem Innerstendes Klangs. Hickox' „barocker“ Sound erreichtklassische Schwerelosigkeit, gerade indem manihre intensive Erdung spürt.

Sinfonien aus früherer Zeit (Nr. 60 und 61)haben, zusammen mit der Ouvertüre Hob. Ia:7,vol. 10, die Heidelberger Sinfoniker unter derLeitung von Thomas Frey auf Hänssler (98.522)veröffentlicht. Der Einführung in dieses Pro-gramm durch Eckardt van den Hoogen sindviele interessante Bemerkungen über HaydnsKompositionsweise zu entnehmen, weshalb hierauszugsweise zitiert sei:

„Verloren gingen in der Nacht vom 18. Novem-ber 1779, als das gesamte Theater von SchlossEsterhazy abbrannte, auch viele Partituren Haydns.So dürfte die Musik zu mehreren Marionetten-opern endgültig dahin sein, bis auf einige Frag-mente, die sich durch Übernahme in andereStücke erhielten wie die Ouvertüre D-Dur Hob.Ia:7. Ursprünglich endete daher das Presto auchnicht mit dem heutigen Konzertschluss: Den er-gänzte Haydn erst, als er den Satz für die zweiteFassung seiner Sinfonie Nr. 53 benutzte.

Überhaupt: Haydn und das Presto! Nehmenwir nur das Finale der Sinfonie Nr. 61 D-Dur von1776: Ob ‚programmatisch’ oder nicht – nurein unheilbarer Melancholiker wird hier gleich-gültig bleiben angesichts der raffinierten Andeu-tungen einer kleinen ‚Chasse’. Wer könnte essich leisten, im Kopfsatz ein zweites ‚Thema’ zuverwenden, das aus nichts als der Grundkadenzbesteht, wer die Luftlöcher komponieren, diedem Flötensolo vorangehen, das dann doch eineArt Thema wird? Haydn tut es, und alles wirktselbstverständlich und unbeschwert.

Klar ist bei der 60. Sinfonie der Ursprungdes Werks, in dem sich alle Erztugenden JosephHaydns wie Perlen aufreihen. Was 1774 dieMusik zu der Komödie ‚Le Distrait’ von Jean-François Regnard war, das fügte Haydn zu einemKonzertwerk aus sechs Sätzen, das er einfach‚Sinfonie’ nannte! Er präsentiert uns eine Ouver-türe nebst mehreren Entr’actes, die ein wenigunorthodox verlaufen: Im Andante sollen dieStreicher in eine, die Bläser aber in eine ganzandere Stimmungsrichtung; im Trio des Menuettskippt, was tragisch anhebt, durch die falschenVorzeichen der Oboe und ersten Violine insLächerliche; das Presto hätte die eine oder

Haydn-Saal des Esterházy-SchlossesSinfonien

Londoner Sinfonien Vol.2 Sinfonien 94, 101, 102Collegium Musicum 90 Richard Hickox, DirigentChandos CHAN 0662

Sinfonien 95,103,104Collegium Musicum 90 Richard Hickox, Dirigent Chandos CHAN 0655

Sinfonie 100 / Sinfonia Concertante L’isola disabitataNetherland Chamber OrchestraGordan Nikoliç, Violine und DirigentPentatone PTC 5186300

Sinfonien Nr. 97 + 102Ouvertüre „L’anima del filosofo“Haydn-Philharmonie Adam Fischer, Dirigent MDG 901 1452-6 (SACD)

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CLASSa k t u e l lAssociation of Classical Independents in Germany

andere formale Korrektur nötig. Nun aber, wowir glauben könnten, eine etwas ‚unmögliche’Sinfonie sei zu Ende, folgt das eigentliche Adagio:Léandre, der ‚Zerstreute’, hat nicht vergessen –im Gegensatz zu dem Kapellmeister und denersten Geigen, die vor dem Anfang des kurzenNachspiels auf jeden Fall hätten nachstimmensollen. So prescht man Prestissimo los und be-merkt erst nach einigen Takten den Fehler.“

OperNicht weniger als dreimal ist Haydn in sei-

nem Leben durch Feuer zu Schaden gekommen.Man kann nur darüber spekulieren, wie vieleWerke des Meisters auf diese Weise unwieder-bringlich verloren gingen. Bei dem erwähntenBrand im Theater, wen wundert es, sind natür-lich vor allem Bühnenwerke verbrannt. Ohnehinwird Haydn heute vor allem als Komponist vonSinfonien, Streichquartetten und Klaviersonatenwahrgenommen – dabei ist sein Schaffen imBereich der Vokalmusik nicht weniger um-fangreich, aber abseits der späten Oratorien(„Schöpfung“, „Jahreszeiten“) kaum bekannt.Sein frühester Versuch im Bereich der Oper war„Acide“, ein „Festa teatrale“, geschrieben fürdie Hochzeit von Fürst Anton Esterhazy und Gräfin Maria Theresia Erdödy am 11.1.1763 inEisenstadt. Dieses Frühwerk ist jetzt auf BIS als SACD erschienen; es musiziert die HaydnSinfonietta Wien unter der Leitung von ManfredHuss (BIS-SACD-1812). Vier Arien und die meisten Rezitative dieser Urfassung sind verlo-

ren, doch konnte Manfred Huss für diese Ein-spielung auf spätere Ergänzungen Haydns zu-rückgreifen, die der für eine zweite, nicht mehrrealisierte Produktion 1773 geschaffen hatte.

MessenMit seinen zwölf „Londoner Sinfonien“ hatte

Joseph Haydn den Gipfel der Kunst erobert. DieJahre, in denen er als Pionier, Experimentator,Wegbereiter und Visionär dieser Gattung derInstrumentalmusik ungeahnte Perspektivenerschlossen hatte, fanden in der unvergleich-lichen Werkreihe ihre Vollendung und ihr Ziel.Es war undenkbar, dass Haydn nach seinen triumphalen Gastspielen in London, nach seinerRückkehr in den Dienst der Esterhazys, nocheinmal Sinfonien schriebe – zumal unter derHerrschaft des neuen Fürsten, eines arrogantenLebemannes von konservativem musikalischemGeschmack. Doch ihm, Nikolaus II., stand nachderlei ohnehin nicht der Sinn. Obwohl dieserAristokrat eine alles andere als fromme Gesin-nung an den Tag legte und das Vermögen seinerVorväter bei luxuriösen Vergnügungen undungezählten Affären verprasste, hegte er eine anBigotterie grenzende Vorliebe für die Kirchen-musik. Und so wurde dem aus England heim-gekehrten Esterhazy’schen Kapellmeister Haydndie Pflicht auferlegt, „aus billiger Anordnung“seines Regenten „alljährlich eine neue Mess zukomponieren“, die am oder zum Namenstag derFürstin Maria Josepha Hermenegild in Eisen-stadt aufgeführt werden sollte: Jahr um Jahr anden Festen Mariae Geburt oder Mariae Namenim September. Diesem Anlass und Auftrag ver-danken wir fünf jener sechs Messen, die der

Oper

Messen

Acide / Festa teatraleHaydn Sinfonietta

Manfred Huss, Dirigent BIS-SACD-1812

HarmoniemesseSolisten, Gächinger Kantorei Stuttgart

Radio-Sinfonieorchester Stuttgart des SWR Heiligmesse

Solisten, Oregon Bach Festival Chorus und Orchestra

Helmuth Rilling, Dirigent hänssler CLASSIC 98.538

Sämtliche MessenCollegium Musicum 90

Richard Hickox, DirigentChandos CHAN 0734

Große Orgelmesse / Missa CelensisCollegium Musicum 90

Richard Hickox, DirigentChandos CHAN 0674

Eigenhändige Partitur der Einlagearie „Chi vive amante“ von Joseph Haydn für diePartie der Erissena in der Oper „Alessandronell’Indie“ von Francesco Bianchi

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Komponist an der Wende zum 19. Jahrhundertschuf, bewegende Zeugnisse einer tiefen, re-flektierten Religiosität und eines musikalischüberreichen Spätwerks. Ludwig van Beethovensprach ehrfürchtig von den „unnachahmlichenMeisterstücken des großen Haydn“. Zwei dieserMeisterwerke sind nun auf Hänssler erschienen(98.538): Die „Harmoniemesse“ (mit der Gächin-ger Kantorei) und die „Heiligmesse“ (mit demOregon Bach Festival Choir). Die Leitung derAufnahme hat Helmuth Rilling.

Eine der wenigen Aufnahmen von Haydns„Mariazeller Messe“, die auf CD erhältlich ist,ist auf Chandos 0674 erschienen – zusammenmit der „großen Orgelmesse“. Und wer sichsämtliche Messen Haydns anhören will, dem seiChandos 0734 empfohlen: Richard Hickox' mitLob überhäufte Edition (mit dem CollegiumMusicum 90) ist nun endlich auch gesammelt ineiner Box erhältlich. Auf historischen Instrumen-ten interpretiert, kommen die teilweise nahezuunbekannten Werke hier besonders zur Geltung.

Sonstige Orchesterwerkeund Konzerte,

Kammermusik Vor seiner langen und erfolgreichen Zeit als

musikalischer Direktor am Schloss Esterhazy warHaydn als junger Komponist Musikdirektor desGrafen Karl von Morzin auf Schloss Lukavec beiPilsen. Im 18. Jahrhundert gab es an diesenHöfen eine so genannte „Harmoniemusik", eineOrchesterbesetzung aus Holz- und Blechbläsern,die ungefähr um 1770 entstand und besondersfür Freiluftkonzerte oder Tafelmusiken einge-setzt wurde. Die für eine auf Campanella unterBest.nr. C130069 erschienene CD von HansjörgSchellenberger und dem Haydn Ensemble ein-gespielten 8 Divertimenti schrieb Haydn für dieHarmoniemusik des Grafen Morzin.

Divertimenti hatte der Hofkapellmeister zurabendlichen Unterhaltung der Herrschaftennatürlich auch in kleinerer Besetzung zu schreiben. Das Belvedere-Trio Wien hat zehnder Baryton-Trios (Lieblingsinstrument des Fürsten Esterhazy) für die moderne BesetzungVioline, Viola und Cello adaptiert, eine Bear-beitung, die übrigens auch Haydn selbst bei vielen dieser Trios vornahm – wohl, um ihreVerbreitung zu fördern. Das Baryton war ebenein zu exotisches Instrument.

Überhaupt hat Haydn ja nicht nur Sinfonienkomponiert. Zum Haydn-Jahr 2009 hat BIS eineZusammenarbeit mit der Haydn Sinfonietta Wien begonnen, die vor allem auf die Ein-spielung wenig bekannter Werke des Meistersabzielt, incl. Bühnenmusiken, Konzertarien undOrchesterwerke. BIS-CD-1796 bringt mit denWerken für Baryton, hier allerdings in Original-instrumentierung, und den acht Notturni für den König von Neapel, entstanden 1790, sowieden sechs Scherzandi von 1761 Kompositionen,die einen weiten Zeitraum abdecken und weit-hin unbekannt sind.

Die meisten Konzerte Haydns für Tasten-instrumente und Orchester scheinen eigentlichfür die Orgel gedacht gewesen zu sein. Allesamtentstanden sie vor 1784, zu einer Zeit, alsMozart seine ersten Meisterwerke in diesemGenre vorlegte. Ob Haydn die Komposition vonKlavierkonzerten aufgab, nachdem er Mozartgehört und festgestellt hatte, dass er auf diesemGebiet mit dem jungen Kollegen nicht konkur-rieren konnte? Auf einer mehrfach ausgezeich-neten Einspielung hat sich Ronald Brautigam als Spezialist für historische Aufführungspraxisdieses Genres angenommen. Er musiziert amFortepiano auf BIS-CD-1318 zusammen mit dem Concerto Copenhagen unter der Leitungvon Lars Ulrik Mortensen.

Um 1781 war eine enge Freundschaft zwi-schen Haydn und Mozart entstanden, dessenWerk er schon über Jahre hinweg beeinflussthatte. Die zwei Komponisten genossen es, inStreichquartetten zusammen zu spielen. Haydnwar sehr von Mozarts Werk beeindruckt. Es ist augenfällig, dass Haydn zu dieser Zeitgroßenteils aufhörte, Opern und Konzerte zuschreiben – zwei der Gattungen, in denen Mozartam stärksten war. Mozart dagegen arbeitete

Joseph Haydn um ca.1770 Porträt von Ludwig Guttenbrunn

Klavierwerke

Klaviersonaten 23, 24, 32, 37, 40, 41, 43, 46, 50, 52Marc-André HamelinHyperion CDA 67554 (2 CDs)

Klavierkonzerte D-Dur, F-Dur, D-Dur, G-Dur Ronald Brautigam,Concerto Copenhagen / Lars Ulrik Mortensen BIS-CD-1318

Klaviersonaten 20, 39, 40, 43, 50Malcom BilsonCLAVES CLA 50-2501

Klavierwerke Capriccio G-Dur, Sonaten e-Moll, c-Moll, Es-Dur,Variationen f-Moll, Fantasie C-Dur András SchiffHungaroton HDVD32441 (DVD)

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CLASSa k t u e l lAssociation of Classical Independents in Germany

hart daran, sechs Streichquartette zu schreiben,die mit dem Niveau mithalten konnten, dasHaydn mit seiner kurz davor vollendeten Reiheop. 33 erreicht hatte; als Mozart damit fertigwar, widmete er die Quartette seinem Freund.

Drei dieser herausragenden Streichquar-tette Haydns aus op. 33 hat vor einiger Zeit das Quatuor Terpsychorde auf historischenInstrumenten (Darmsaiten) bei Claves einge-spielt (CLA50-2608). Mit diesen Werken schufHaydn einen grundlegenden Wandel in Formund Stil des Streichquartetts. So tritt das Scherzo an die Stelle des Menuetts, und zwarmeist im zweiten Satz, die Rhythmik ist von subtilen Kontrasten geprägt, und die breit an-gelegte Melodik verhilft einer tiefen Emotio-nalität zum Durchbruch. Die thematische Arbeitist von bemerkenswerter Intensität; hier kommtder seit Johann Sebastian Bach verloren ge-glaubte „Klangraum“ wieder in seiner ganzenFülle zum Tragen.

Später entstandene Quartette aus op. 77 und 103 legt das Edding Quartet auf EtCetera KTC 1379 vor. Die leidenschaftliche und farben-reiche Darbietung in historischer Aufführungs-praxis lässt uns fast glauben, dass diese Quar-tette Haydns gerade erst komponiert wurden.Im Jahr 2007 gründeten die beiden MusikerPaul De Clerck und Ageet Zweistra das Edding

Quartet in der Vorstellung, das „klassischeStreichquartett – Repertoire“ auf historischkorrekten Instrumenten und mit dem den Mu-sikern ganz eigenen Verständnis von Interpre-tation vorzutragen.

Eine Sonderstellung im Schaffen nehmen„Die Sieben letzten Worte unseres Erlösers amKreuze“, eine Passionsmusik für Orchester ausdem Jahr 1786, die Haydn im Auftrag eines Prie-sters für die traditionelle Karfreitagszeremoniein der kleinen Kapelle Santa Cueva im süd-spanischen Càdiz komponiert hatte, bevor er siespäter selbst fürs Streichquartett bearbeitete.

Die Vorgaben für den Hofkapellmeister inSchloss Esterhazy waren präzise: Sieben Ins-trumentalsätze in getragenem Tempo sollten imWechsel mit der Lesung und der Deutung derChristusworte als Meditationsmusik vorgetragenwerden, um den Gläubigen Gelegenheit zurAndacht zu geben. Für belebende Dynamik-wechsel und andere Kunstgriffe des Kompo-nistenhandwerks blieb da kein Spielraum.Zuerst bittet Jesus um Vergebung für seine Peiniger, dann wendet er sich an die Mitge-kreuzigten, schließlich steht Maria im Mittel-punkt… Einem Erdbeben gleich, schildertHaydn im letzten Satz den Tod des Gekreuzigten:Synkopen, Akzente auf leichten Taktzeichen,rhythmische Figuren, die sich nicht mehr in den Dreiertakt einfügen – der Boden gerät insWanken, die Schwerkraft wird aufgehoben, die

Streichquartette op.33 Nr.1,2,5Quatuor TerpsycordesClaves CLA50-2608

Klaviertrio 12, 25, 27, 29Wiener Klaviertrio

MDG 342 1556-2

Die Londoner Sonaten No 60-62Ludger Rémy / Broadwood Hammerflügel von 1794

Audiomax 704 0251-2

Klavierwerke

Kammermusik

Streichquartette op. 77 Nr. 1 + 2 / op. 103Edding Quartet

KTC 1379

Divertimenti für HolzbläserHaydn Ensemble Berlin

Campanella C 130060

Joseph Haydns eigenhändiges „Verzeichnis der Operntextbüchern“

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18 AUSGABE 2009/1

Katastrophe ist da. Wie sich das anhört, er-fahren wir auf der brandaktuellen SACD-Ein-spielung mit dem wie immer hervorragendenLeipziger Streichquartett (MDG 907 1550-6)

Das Wiener Publikum sehnte sich nachhochwertigen Alternativen zum Streichquartett.Mit seinem e-Moll-Trio (Hob. XV:12) erfüllteHaydn 1789 noch vor seinen England-Reisen die Erwartungen voll und ganz. Kaum fertiggestellt, wurde es ihm von seinen Verlegernschon förmlich aus den Händen gerissen. Waskaum einer bemerkte: Den unterhaltsamenGesellschaftston früherer Jahre hatte der Kom-ponist längst hinter sich gelassen. Er schuf einaußergewöhnlich kontrastreiches und leiden-schaftliches Werk, das deutlich den Einfluss seiner Sinfonien zeigt.

Angespornt durch die Erfolge seiner Werkesowie die Erwartungen von Publikum und Ver-leger, ließ sich Haydn während der zweiten England-Reise in den Jahren 1794/95 zusätzlichvon der Pianistin Therese Jansen-Bartolozzi zuseinen bedeutendsten Trios inspirieren. DieTochter eines Aachener Tanzlehrers war fürHaydn damals eine der begabtesten Pianistinnenüberhaupt, hielt er in seinem Londoner Notiz-buch fest. Haydn widmete ihr die beiden TriosC-Dur und Es-Dur (Hob. XV:27 und 29) undstand ihr außerdem bei der Hochzeit mit einemKunsthändler als Trauzeuge zur Seite.

Das Wiener Klaviertrio lässt mit seinerexquisiten Aufnahme von vier Klaviertrios ausder mittleren und späten Schaffensphase auf-horchen, darunter das äußerst populäre„Zigeunertrio“ (MDG 342 1556-2) Keine Frage:Hier finden Wiener Charme und sprichwört-licher Haydnscher Witz zu einer zwingendenund absolut elektrisierenden Wiedergabe.

KlavierwerkeHaydns besonderes Verdienst ist es, zur

Entwicklung der Sonatenform von einem ein-fachen, von der „Sonata bipartita“ herkom-menden Formschema zu einer subtilen und flexiblen musikalischen Ausdrucksform beige-tragen zu haben. Die meisten seiner Werke sindin dieser so genannten „Sonatenhauptsatzform“gehalten. Er erfand auch die Sonatenrondoform,die Variationsform mit zwei Themen, und er warder erste bedeutende Komponist, der Fuge undkontrapunktische Elemente in die klassischeForm einbrachte.

Ein zentrales Charakteristikum von HaydnsMusik ist die Entwicklung von größeren Struk-

turen aus sehr kleinen und einfachen musika-lischen Motiven heraus. Die Musik ist formal oftrecht konzentriert, und die wichtigen musikali-schen Ereignisse eines Satzes können sich raschentfalten.

All dies ist natürlich auch in seinen Klavier-werken zu beobachten, sehr schön in einerInterpretation von zehn Klaviersonaten durchMarc-André Hamelin auf Hyperion (CDA67554).Hamelin spielt klar und präzise, entwickelt sehr behutsam und mit kultiviertem Pedal einenfeinen Klang, kehrt ungewöhnliche Harmonie-wechsel mit Genuss hervor und sorgt durch subtile Phrasierung für hübsche Überraschun-gen. Seit Alfred Brendel hat das wohl niemandbesser gemacht.

Wer sich mehr für historische Aufführungs-praxis begeistern kann, der mag sich für zweiEinspielungen mit den Spezialisten Malcolm Bilson und Ronald Brautigam interessieren. Bilson hat für Claves (CLA50-2501) fünf Klavier-sonaten an einem historischen Schanz-Forte-piano aufgenommen, die ihm ganz besondersam Herzen liegen. Und Ronald Brautigam, der„König des historischen Ungeheuers namensFortepiano“ (The Times), hat zwischen 1999und 2004 für BIS das gesamte Werk Haydns fürKlavier solo aufgenommen: die 55 Sonaten, Tän-ze und Variationen, Die sieben letzten Worte...Diese Leistung wurde 2004 mit dem CannesClassical Award belohnt. Diese Aufnahmen sindjetzt als Gesamtausgabe erhältlich (BIS-CD-1731).Eingespielt wurde auf einem 1992 von PaulMcNulty in Amsterdam fertig gestellten Nachbaueines Flügels von A. G. Walter (ca. 1795).

Eine ganz andere interpretatorische Weltbetreten wir mit der bei Hungaroton unter Nr. HDVD 32441 auf DVD Video erschienenenLiveaufnahme von unterschiedlichen Klavier-werken durch András Schiff, der in seinerunnachahmlichen Art auch in die Werke ein-führt. Und diese Aufnahme steht auch deshalbam Ende dieses kleinen Rundgangs durch Neu-erscheinungen mit Werken des Jubilars, weil siezusätzlich einen einführenden Film enthält:„Joseph Haydn und die Familie Esterhazy“.

Es bleibt zu hoffen, dass in diesem Jubi-läumsjahr noch so manche Entdeckung auf den CD-Markt kommen wird – bei vielleicht keinem der großen Komponisten der „WienerKlassik“ gibt es noch so viel zu entdecken wiebei Joseph Haydn. A. Rainer

Musik für Fürst Esterházy u. d. König v. Neapel Haydn Sinfonietta / Manfred Huss, Dirigent BIS-CD-1796 (6 CDs)

Kammermusik

Konzerte

Die sieben letzten Worte des Erlösers am KreuzLeipziger StreichquartettMDG 907 1550-6 (SACD)

Divertimenti Hob. IV: 6-11Paul Meisen, Flöte / Ernö Sebestyen, ViolineMartin Ostertag, VioloncelloMDG 302 0363-2

Joseph Haydn, Trompetenkonzert Es-Dur,Sinfonie Nr. 83 „La Poule“Michael Haydn, Trompeten-Concerti, SerenadeWolfgang Bauer, Trompete Württembergisches Kammerorchester Heilbronn,Ruben Gazarian, DirigentMDG 601 1395-2 (CD) MDG 901 1395-6 (SACD)

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Umfangreiches Rahmenprogrammmit Live-Musik

Klangerlebnisse der besonderen Art garantierten nicht nur hochwer-tige technische Pretiosen, sondern auch die verschiedenen Live MusikDarbietungen während der Messe. Ein umfassendes Programm ausWorkshops, Vorträgen, Vorführungen und Livemusik rundet das Messe-erlebnis ab. Auch dieses Jahr bietet die HIGH END dem Messebesucherwieder ein facettenreiches musikalisches Unterhaltungsprogramm mitzahlreichen Live-Konzerten.

Audiophile Schätze im „Tonträgerdorf“Audiophile Schätze fristen in der Musikbranche ein Nischendasein. Bei

der HIGH END können Fans erlesener Tonträger eine große Vielfalt musi-kalischer Schätze entdecken und kaufen. Im „Tonträgerdorf“ auf der HIGHEND sind die Hersteller und Importeure erlesener Software positioniert.Hier gibt es exemplarische Aufnahmen, musikalische Raritäten, Sammler-stücke und Klangperlen von ca. 130 Labels auf CD, SACD, DVD und Vinyl.

Die HIGH END als Leistungs-schau der Edel-Elektronik für den besten Ton und das beste Bild

Zum 28. Mal in Folge haben Liebhaber hochwertiger Unterhaltungs-elektronik die Gelegenheit, sich auf der HIGH END Messe von den neue-sten Entwicklungen der Branche begeistern zu lassen. Die HIGH END istEuropas Dreh- und Angelpunkt für Liebhaber des guten Tons und desperfekten Bildes. Die weltweit führenden Anbieter für hochwertige Unter-haltungselektronik zeigen auf der HIGH END wieder einmal, was im Ton- und Bildbereich heutzutage alles möglich ist und in der Regeldurchaus auch erschwinglich bleibt. Freunde feinster Klangqualität undeines echten Heimkino-Erlebnisses finden auf mehr als 18.000 qm Ausstellungsfläche das neueste Angebot der Unterhaltungselektronik.

Die HIGH END präsentiert Technik und Genuss für Auge und Ohr

Auch dieses Jahr werden wieder alle wichtigen Hersteller und Impor-teure der hochwertigen Unterhaltungselektronik auf der HIGH END ver-treten sein. Das Themenspektrum reicht vom Analog-Plattenspieler überHDTV bis zum AV-Receiver mit mobilem MP3-Player-Anschluss. Die HIGHEND kombiniert klassische HiFi-Wiedergabe und moderne Multimedia-systeme miteinander. Neben dem Trend zu hoch auflösenden Bildern wirddas moderne Wohnzimmer immer mehr zum Knotenpunkt für die multi-mediale Vernetzung des gesamten Haushalts. Musikserver erobern zwi-schenzeitlich das Wohnzimmer der Kunden und dennoch stehen traditio-nelle und zukunftsweisende Technologien gleichberechtigt nebeneinan-der. Interessierte Besucher können auf der HIGH END die kompletteBandbreite der Unterhaltungselektronik mit allen Sinnen erfahren: Vonder bewährten Zweikanaltechnologie über Verstärker, Plattenspieler undHigh-Tech-Lautsprecher bis zu Festplattenservern, drahtlosen Mulitroom-Audiosystemen und LCD und Plasmascreens. Eben genau so, wie derUntertitel es auch schon verspricht: „Der Beste Ton – Das Beste Bild“.

HIGH END 2009: Der Beste Ton – Das Beste Bild M.O.C. München – Lilienthalallee 40 80939 München-Freimann

Termin: 21. – 24. Mai 2009Täglich von 10 bis 18 Uhr

Fachbesucher: Do, 21. Mai 2009 Eintritt: Tageskarte 10 Euro

www.highendsociety.de

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Joseph Haydn Sinfonien Nr. 1, 96 und 101und Porträt Roger Norrington„Dirigent zwischen Stuttgart und Berkshire“SWR music / hänssler CLASSIC Best.-Nr. 93.904 (DVD)

Er hat sich inzwischen als Markenzeichenetabliert, der „Stuttgart Sound“. SeitRoger Norrington im Jahr 1998 das Amtdes Chefdirigenten des Radio Sinfonie-

orchesters Stuttgart des SWR übernahm, hat erbeharrlich ein Ziel verfolgt: die Übertragung derInformationen aus der historischen Aufführungs-praxis auf einen modernen Sinfonieorchester-apparat. Neben all jenen Anforderungen, die dasMusizieren mit historischen Instrumenten in Be-zug auf Orchesterbesetzung, Sitzordnung, Artiku-lation, Bogenführung, Notenlängen, Phrasierungoder Zeitmaß stellt, steht vor allem die Aneig-nung des „Klangs früherer Zeiten“ im Zentrumvon Norringtons Klangideal: jener „reine Ton“,welcher „der normale Klang eines jeden Orches-ters von Bachs bis hin zu Mahlers Zeiten war“(Norrington) und auf den im 20. Jahrhundertdas üblich gewordene Dauervibrato folgte.

In der Rückschau scheint Norringtons Weghin zum „Stuttgart Sound“ geradezu vorgezeichnet.Nach dem Studium am Royal College of Music inLondon gründete er zunächst mehrere Ensembles,die sich der historischen Aufführungspraxis ver-pflichtet fühlten: 1962 den Schütz Choir und 1968die London Baroque Players, mit denen er über-wiegend Repertoire des 17. und 18. Jahrhundertsaufführte. 1978 folgten die London Classical Players,mit denen er die Aufführungspraxis mit Original-instrumenten in der Zeit von 1750 bis 1900 er-forschte. Mit spektakulärem Ergebnis: Auf die viel-fach ausgezeichnete Einspielung mit BeethovensSinfonien folgten aufregende Aufnahmen mit Wer-

ken von Haydn, Mozart, Mendelssohn, Schubert,Schumann, Brahms, Wagner und Bruckner.

Angesichts dieses Repertoires überrascht esnicht, dass Norrington seit den 1980er Jahren(bis heute) auch bei den großen Sinfonieor-chestern in Berlin, Leipzig, Wien, Amsterdam,Paris, New York, Cleveland, Boston, San Francisco,Los Angeles, Chicago und vor allem London alsGastdirigent gefragt ist.

Ab Ende der 1990er Jahre schließlich solltees Norrington aber nicht etwa mit einem Klang-körper aus den Musikmetropolen Europas, son-dern mit dem RSO Stuttgart gelingen, seine Visioneiner historisch informierten Aufführungspraxismit einem modernen Sinfonieorchester zu ver-wirklichen. Den schlanken, vibratolosen undfarbigen Klang, den Norrington erzielte und derwegen seiner Einzigartigkeit als „Stuttgart Sound“bekannt wurde, hat das Label SWR music /hänssler CLASSIC von Beginn an dokumentiert.So sind bis heute rund 40 mit viel Kritikerlobbedachte CD- und DVD-Aufnahmen entstanden,in deren Zentrum das klassisch-romantische Or-chesterrepertoire steht: von Beethoven, Berlioz,Schubert, Mendelssohn, Schumann über Brahms,Bruckner und Tschaikowsky bis hin zu Mahler.

Die „Süddeutsche Zeitung“ hat kürzlich anden Jubilar, der am 16. März seinen 75. Geburts-tag feiert, einen besonderen musikalischen Wunschgerichtet: „Würde Roger Norrington einmal inBayreuth antreten, so würden die Wagnerianereine kolossale Überraschung erleben.“ Ein Versuchwäre es allemal wert! Michael Sawall

So jung im Herzen ... Sir Roger Norrington feiert seinen 75. Geburtstag

W. A. Mozart – Essential Symphonies I-VISWR music / hänssler CLASSICBest.-Nr. 93.230 (6 CDs)

P. I. TschaikowskySinfonie Nr. 5 in e-Moll op. 64Suite „Der Nussknacker“ op. 71aSWR music / hänssler CLASSICBest.-Nr. 93.254 (CD)

Aktuelle Konzerte: 12. 03. 09 Stuttgart, Liederhalle, Beethovensaal13. 03. 09 Stuttgart, Liederhalle, Beethovensaal 15. 03. 09 Luxemburg, Philharmonie16. 03. 09 London, Southbank Centre,

Royal Festival Hall17. 03. 09 Wien, Konzerthaus, Großer Saal19. 03. 09 Thessaloniki, Megaron 20. 03. 09 Athen, Megaron21. 03. 09 Berlin, Philharmonie09. 05. 09 Schwetzinger Festspiele, Schloss,

Rokokotheater

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Instrument denkmalgerecht zu restaurieren undin ihren originalen Zustand zurückzuführen.Damals absolutes Neuland: Nie zuvor war eingroßes spätromantisches Orgelwerk mit pneu-matischer Traktur restauriert worden. Die auf-wändigen Arbeiten durch die OrgelwerkstattChristian Scheffler aus Sieversdorf sollten erst2005 beendet sein. Zahlreiche Restaurierungenin Deutschland orientieren sich seit 1988 andem Leipziger Konzept, darunter die der Sauer-Orgeln des Berliner und des Bremer

Doms, der ErlöserkircheBad Homburg oder derMühlhausener Marien-kirche.

Für seine Vorstellungder detailgenau rekons-truierten Sauer-Orgel hatBöhme drei Werke vonMarcel Dupré, CésarFranck und EugèneGigout ausgewählt, diedie dezent französischenAnflüge des Instrumentscharakteristisch zur Wir-kung bringen. Mit MaxRegers Fantasie und Fuged-Moll op. 135 b erklingtein Werk, das aufs Engs-te mit der Orgel derThomaskirche und ihremOrganisten Karl Straubeverbunden ist. Auch FranzLiszts großes Variations-werk in f-Moll über Wei-nen, Klagen, Sorgen, Za-gen hat eine besondereBeziehung zur Thomas-kirche: Es setzt sich miteiner Kantate auseinan-der, die Johann SebastianBach hier aufgeführt hat.

Teres Feiertag

‚‚Wollte ich von der Schönheit der einzelnenStimmen sprechen, so würde der BerichtBände füllen“, schreibt Thomasorganist

Karl Straube 1908 im Abnahmegutachten für dieerweiterte Sauer-Orgel. Die Orgel der LeipzigerThomaskirche, an dem Straube zahlreicheWerke Max Regers erstmals spielte, darf als einMeisterstück Wilhelm Sauers gelten. Derrenommierte Meister des Orgelbaus hatte dasInstrument 1908 zu einer der größten und be-deutendsten Orgeln des Landes erweitert – mitder Berliner Domorgelauf einem Niveau, vonden klanglichen Mög-lichkeiten im Raum derThomaskirche gleich-wohl noch begünstigt.

Seit ihrer Einweihungim Jahr 1889 hatte dieOrgel der Thomaskircheein bewegtes Schicksal.Ursprünglich mit 63 Re-gistern und mechani-scher Traktur erbaut,wurde sie schon 13 Jahrespäter auf das pneuma-tische System umgestellt.1908 erfolgte auf Ver-anlassung von Thomas-organist Karl Straube dieErweiterung auf ihreheutige Größe von 88Stimmen. Nach mehrerenUmbauten unterschiedli-cher Konsequenz ist esdem heutigen Thomasor-ganisten Ullrich Böhmezu verdanken, dass dieOrgel jetzt wieder im originalen Zustand von1908 erklingt. Bereits1987 entwickelte er denWunsch, das historische

Die Sauer-Orgel der Thomaskirche zu LeipzigWerke von Marcel Dupré, César Franck,

Eugène Gigout, Franz Liszt und Max RegerThomasorganist Ullrich Böhme

ROP6017 / Super-Audio-CD

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Historische Orgel inneuer SchönheitThomasorganist Ullrich Böhme spielt restaurierte Sauer-Orgel der Leipziger Thomaskirche

Auch im Detail liebevoll restauriert: die Register und freie Kombinationen

AUSGABE 2009/1 21

Zum ersten Mal auf CD: Die Sauer-Orgel erklingt wieder in der originalen

Klangpracht wie vor 100 Jahren.

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Noch Fragen?Beethoven und Mendelssohn im Dialog mit Peter Gülke

und dem Beethoven Quartett

‚‚Hier finden Sie alles, was Sie über dieKunst der Fuge wissen, hören undsehen wollten und nicht zu fragenwagten.“ Diese Aussage könnte über

der Debut-Einspielung des Beethoven Quartettsgestanden haben, das mit einer klug disponier-ten Zusammenstellung zum B-A-C-H-Motiv mitWerken von Bach, Beethoven und Krenek auf-horchen ließ. Das 2006 von Mitgliedern des ehe-maligen Sonare Quartetts gegründete BeethovenQuartett hat sich zum Ziel gesetzt, Konzertzyklenzu präsentieren, die Musikgeschichte erfahrbarmachen. Die Konzeption umfasst nicht nur die

programmatische Gestaltung der Zyklen, sondernbezieht auf raffinierte Weise auch das MediumFilm in einer DVD mit ein, die auf außer-gewöhnliche Weise mit der filmischen Umset-zung durch den Regisseur Jan Schmidt-Garre(„Bruckners Entscheidung“, „Celibidache“) zurErläuterung des Konzeptes beiträgt.

Doch was verbindet op. 132 mit dem frühenMendelssohn op. 13? Beethovens Quartett a-Mollop. 132 trägt die Umstände seiner Entstehung inden Satzbezeichnungen: Im Zentrum des Werkessteht der „Heilige Dankgesang eines Genesendenan die Gottheit“ überschriebene langsame Satz.In der Tat war Beethoven während der Kom-position 1825 ernsthaft erkrankt, konnte dann

aber die angefangene Arbeit vollenden. Trotzdes Titels und des Gebrauchs von Choralsatzund Kirchentonart ist das Quartett keine Pro-grammmusik im engeren Sinne sondern absoluteMusik. Und schon der Beginn markiert einleicht als Ableitung von B-A-C-H zu erkennendesMotiv, das dann in immer neuen Umschreibungennicht nur als Motto und Keimzelle des gesamtenQuartetts gesehen werden kann.

Mendelssohn schrieb sein jugendlichesMeisterwerk 1827 im Alter von nur 18 Jahrennach dem Studium dieser gerade im Druck er-schienenen späten Streichquartette Beethovens.

Beethovens Werke als Gipfel der bislangerreichten Kunst desStreichquartetts beein-druckten den jungenMendelssohn, forder-ten ihn aber gleich-zeitig zur eigenenschöpferischen Aus-einandersetzung mitder Gattung heraus.Noch im Todesjahr

Beethovens gelang Mendelssohn mit op. 13 einWerk voller Anspielungen, das nicht nur in derBauart der Sätze, sondern auch an einzelnenStellen überdeutlich Bezug auf Beethovens op. 132 nimmt, wenn etwa am Ende des Adagiosin der hohen Lage die Beethovensche „HeiligeDanksagung“ anklingt.

J. S. Bach: Contrapunctus XVIII Ludwig v. Beethoven: Streichquartett op. 131

Ernst Krenek: Streichquartett No 1 op. 6 BeethovenQuartett

audiomax 946 1517-6 / Hybrid-SACD + DVD

Auf der Basis des großen Vorbilds Beethovenvollbringt Mendelssohn gleichzeitig einen wahrenGeniestreich: Nicht mehr bis in einzelne Be-standteile quasi atomisierte Motive Beethovensbestimmen sein Quartett: Es ist – ganz im Sinneder Romantik – ein „Gefühl“, das in Form desschlichten Klavierliedes „Ist es wahr?“ das ganzeWerk durchzieht und es gleichsam umklammert:„Du wirst es im ersten und letzten Stücke mitseinen Noten, in allen vier Stücken mit seinerEmpfindung sprechen hören.“

Mit dem Lied als Inspiration und Grundlagewird das Quartett op. 13 somit zu einem großen„Lied ohne Worte“, zu einem Experiment aufdem Weg hin zu Mendelssohns ganz eigenerlyrischer Form, die die Grenzen von absoluterund programmatischer Musik verwischt.

Die Aufnahme ist im exzellenten 222- SACD-Mehrkanalformat erschienen, und das BeethovenQuartett vermag technisch und musikalisch zuüberzeugen. Und wer es genau wissen will, findetin Peter Gülkes ebenso klug wie eloquent vorge-tragenen Anmerkungen und passenden Klang-beispielen auf der beiliegenden DVD Antwortenauch auf alle Fragen, die man sich nie zu fragentraute. Es bleibt die Empfehlung: Ansehen undAnhören. Unbedingt! Cordelia Berggötz

Beethoven Quartett mit Jacek Klimkiewicz, AngelaSchwartz, Hideko Kobayashi und Laurentius Bonitz

Ab 15. 04. 09 erhältlich:Ludwig v. Beethoven:

Streichquartett op. 132Felix Mendelssohn Bartholdy:

Streichquartett op. 13BeethovenQuartett

audiomax 946 1573-6 / Hybrid-SACD + DVDAktuelle Konzerte: Beethoven Quartett

29. 04. 2009 Zürich

30. 04. 2009 Hasliberg-Goldern

02. 05. 2009 Schloss Heiligenberg

03. 05. 2009 Köln

05. 05. 2009 Duisburg

10. 05. 2009 Bonn

27. 05. 2009 Frankfurt/Main

11. 06. 2009 Basel

Weitere Informationen: www.beethovenquartett.de

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AUSGABE 2009/1 23

CLASS a k t u e l l

”serious about classical music“ – dieses Motto ist Teil des Firmenlogos auf demBriefpapier von Chandos Records. Und ernst mit der Musik meinte die Firma esvon Anfang an, ist sie doch 1979 gegründet worden, kurz bevor der neue TonträgerCD die Klassikbranche aus einer ihrer vielen Umsatzkrisen erlöste. Brian Couzens,der Gründervater von Chandos, setzt bis heute auf die Musikliebhaber als treueKunden und auf stabile Partnerschaften zwischen sich und seinen Künstlern.

Happy Birthday, Chandos Records – alles Gute zum 30. Geburtstag!

Vater, der „Chandos-Sound“, wie er manchmalgenannt wird, entstanden. Und bis heute, dreißigJahre lang, hat dieser Sound allen Anforderungender Zeit standgehalten und wird nach wie vorrespektiert. Wir brauchen natürlich gute Künstlerfür diesen Sound; alles, was wir tun, ist, ihn sonatürlich wie möglich einzufangen. Wir habengroßes Glück mit den Künstlern gehabt, die wirdavon überzeugen konnten, mit uns aufzuneh-men. Ich möchte ihnen allen heute für ihre Treueund Hilfe über all diese Jahre danken.

In dreißig Jahren ist manches sehr andersgeworden – aber eins hat sich erfreulicherweisenicht verändert: Es gibt immer noch ein Publikumfür die Klassik mit Appetit auf neues Repertoireund Qualitätsaufnahmen. Und da wir die Klassik-liebhaber immer noch haben, werden wir weiter-hin gute Originaleinspielungen von gelegentlichvernachlässigtem Repertoire machen und dabeiimmer die Qualität im Auge behalten. Die Flammestrahlt so hell wie eh und je!“ Detmar Huchting

wir haben einige gute Einspielungen gemacht.Meine Philosophie war immer, schöne Aufnah-men zu produzieren, die die Leute hören wollten.Ich habe den Fortschritt von der LP und MC zurCD und DAT und weiter zum Musikdownloadgesehen und es ist heute schon eine ganz andereWelt verglichen mit damals, als ich anfing Schall-platten zu machen. Ich bin stolz auf Chandos undalles, was wir in diesen dreißig Jahren erreichthaben: die Preise, die Kritiken, die Verkäufe, dochvor allem auf die Aufnahmen selbst. Ich hoffe,Ralph wird diese Flamme noch viele Jahre weitertragen.“ So lautet das Resümee von Brian Couzens,dem Gründer von Chandos Records.

Heute leitet Ralph Couzens das Unternehmenals Managing Director. „Wenn man ganz vonunten beginnt wie ich, dann lernt man eine Mengeüber die Industrie und wie es da läuft. Ich habeacht Jahre lang Aufnahmegeräte hin- und herge-schleppt, beobachtet und den Künstlern und demKlang zugehört. So ist, angefangen bei meinem

Brian Couzens war, als er sich im Mai1979 mit seiner eigenen Schallplat-tenfirma selbständig machte, in derBranche schon ein alter Hase. Er

hatte für EMI und RCA als Produzent und Ton-ingenieur gearbeitet und kannte sich sogar mitder künstlerischen Seite des Geschäfts aus: Erhatte als Arrangeur mit dem Komponisten RonGoodwin zusammengearbeitet („Die tollkühnenMänner in ihren fliegenden Kisten“ und „Agen-ten sterben einsam“ gehören zu den mehr als 30Filmmusiken, an denen er beteiligt war) undhatte auch selbst komponiert.

Das junge Unternehmen Chandos hatte einenguten Start – bald schon brauchte Brian CouzensUnterstützung und erhielt sie vonseinem Sohn Ralph. Gemeinsamlenkten sie den Familienbetrieb zuden neuen Horizonten der 80erJahre: Chandos gehörte zu denPionieren von CD und Digital-technik. Von Anfang an setzte dieFirma auf seltenes, bisher ver-nachlässigtes Repertoire und trafdamit den Nerv des Publikums.So schlug beispielsweise die Auf-nahme von zwei Klavierkonzerten des Beethoven-Zeitgenossen Johann Nepomuk Hummel mit demPianisten Stephen Hough in Deutschland ein wieeine Bombe: Nach einer hymnischen Bespre-chung in der FAZ war die Nachfrage kaum zubefriedigen. Mit einer 30 CDs umfassenden Jubi-läumsbox feiert Chandos jetzt seine 30-jährigeErfolgsgeschichte in der ganzen Breite des seit-her aufgenommenen Programms: Künstler wieder kürzlich verstorbene Richard Hickox, NeemeJärvi, Bryden Thomson, Mathias Bamert und vieleandere haben Musik englischer Komponisten wieWalton und Bax, von Mozart-Zeitgenossen wieVanhal oder Werke von Schostakowitsch undRespighi (um nur wenige Beispiele zu nennen) indie Sammlungen der Musikliebhaber gebracht.

„Wenn ich die letzten dreißig Jahre zurück-blicke, erinnere ich mich an die harte Arbeit,besonders in den frühen Tagen, als Ralph und ichalles machten. Ich hatte die Gelegenheit mit wun-derbaren Künstlern zu arbeiten und ich denke,

Firmeninhaber Brian und Ralph Couzens am Mischpult und im Gespräch mit dem Dirigenten Charles Mackerras

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Im Blickpunkt

Kammermusik

Georg Friedrich Händel (1685-1759)Kantaten und TriosonatenSonaten HWV 386a, 388, 390aPensieri notturni di Filli HWV 134Agrippina condotta a morire HWV 110Johanna Koslowsky, SopranMusica Alta RipaMDG 309 0399-2

Mit einem erfrischenden Programmerweist „Musica Alta Ripa“ dem großenGeorg Friedrich Händel seine Reverenzzum 250. Todestag. Johanna Koslowskyvermag ihre Stimme höchst elegant undbiegsam zu führen. Mit einem glasklarenTimbre tritt sie in engen Dialog mit demauf historischen Instrumenten musizie-renden Ensemble, das einst mit dieserAufnahme sein Debut bei MDG feierte.

Für den jungen Händel boten die vierJahre in Italien eine einmalige Inspiration:Auf Einladung der Medici besuchte erzuerst Florenz, dann reiste er nach Rom.Hier lernte er die Scarlattis kennen, hiertraf er sich mit Corelli, und hier durfte erseine Kompositionen den literarisch-mu-sikalischen Zirkeln der Stadt präsentieren.Für dieses Umfeld sind die beiden Kan-taten dieser Aufnahme entstanden. Siespiegeln einerseits die Mystik der schla-fenden Phyllis wider und erweisen ande-rerseits der antiken Historie Roms einegelungene Reverenz.

Rollenspiel Der Blockflöte kommt bei dieser Ein-

spielung eine bedeutsame Rolle zu: In derc-Moll-Sonate (HWV 386a) übernimmtdieses heute oftmals gering geschätzteInstrument die erste Stimme und tritt inder Kantate „Pensieri notturni di Filli: Neldolce del’oblio“ in ein reizvolles Duettmit der Sopranstimme.

Musica Alta Ripa pflegt seit 25 Jahrenein ausgefeiltes Barockmusik-Repertoire.Erstklassige Instrumentalisten, intelligentund musikalisch in jeder Beziehung, prä-sentieren sie die Werke mit lebendigenTempi und faszinierender Spiellaune.

DecacordePekka Jalkanen: Präludi, Fantasia, Nokturni John Dowland: Lacrimae Pavan, A Fancy J. S. Bach: 3. LautensuiteMari Mäntylä, zehnsaitige GitarreABCD 261 / Alba

6417513102611

Die Decacorde ist eine Kreuzung zwischen Laute und moderner Gitarre –sowohl den Klang wie auch die Ge-schichte des Instruments betreffend. DieBezeichnung „Decacorde“ geht auf denfranzösischen Hofmusiker Louis-GabrielBesson zurück. Ein ganz besondererExperte für dieses Instrument war der ita-lienische Gitarrist und Komponist Ferdin-ando Carulli. Die moderne Decadordewurde in den 1960er Jahren von demberühmten Gitarristen Narcisco Yepesund dem Gitarrenbauer Ramirez zu ihrerjetzigen Form entwickelt.

Von besonderemklanglichem ReizMit ihrem dunklen, lautenartigen und

kräftigen Ton ist die Decacorde oft besserzur Wiedergabe von Renaissance- undBarockmusik geeignet als die moderneGitarre, vor allem deshalb, weil die Bass-noten tatsächlich so gespielt werden kön-nen, wie sie notiert sind. Wobei MariMäntylä auf ihrer Einspielung beweist,dass durchaus auch zeitgenössischeMusik sich sehr reizvoll mit dem Soundder Decacorde verbinden kann. Eigent-lich schade, dass nicht viel mehr Gitar-risten auf dieses schöne Instrumentzurückgreifen.

Agostino Steffani (1654-1728)Sonate da CameraQuartetto ErasmusIsidoro Taccagni, CembaloCON 2038 / Concerto

8012665203827 / Ersteinspielung

Steffanis Kammersonaten wurdenAnfang des 18. Jahrhunderts in Hollandvon Estienne Roger veröffentlicht. Obwohldie Werke gattungstechnisch gesehen„Instrumentalmusik“ darstellen, enthal-ten sie doch vokal gedachte Elemente.Dies ist nicht verwunderlich, denn allesechs Sonaten beziehen sich auf Opernaus Steffanis Feder. Viele Sätze sind sogardirekt den Opern entnommen, andereentstammen Balletten, die zwar bei Auf-führungen der Opern gespielt wurden,aber von Steffani nicht notiert wurden.

Große Musik für kleine

BesetzungGattungstechnisch handelt es sich um

typische barocke Triosonaten für zweiViolinen, Viola und Basso continuo (d.h. Cello und Cembalo). Doch gibt der Komponist häufig Hinweise auf dieVerwendung von Blasinstrumenten wieOboe und Fagott; im Barock war eine spezifische Zuweisung von Musik zueinem Instrument eher untypisch. Wiekein anderer hat Steffani, lange ZeitKapellmeister in Stuttgart, sich um dieVerbreitung des venezianischen Ge-schmacks in Europa verdient gemacht.Ohne jede Frage war er einer der ganzbedeutenden italienischen Komponistendes 17. und 18. Jahrhunderts. GroßenEinfluss hatte er auf einen der Jubilaredieses Jahres, Georg Friedrich Händel.Dieser hatte von ihm 1710 den Posten des Chor- und Musikdirektors am Hanno-veraner Hof übernommen.

Franz SchubertForellenquintett Variationen auf Trockne Blumen Klaviertrios in Es-DurMartin Helmchen, Christian Tetzlaff,Antoine Tamestit, Marie-ElisabethHecker, Alois Posch, Aldo Baerten PTC 5186334 / Pentatone

An Pianistennachwuchs gibt es keinenMangel. Es vergeht kaum ein Jahr, in demnicht eines der führenden Plattenlabelseinen neuen Jungstar aus dem Hut zaubert.Ihr Haltbarkeitswert ist gleichwohl unter-schiedlich: Da sind jene, die mit viel Mar-ketingaufwand gepusht, bereits nach einoder zwei Aufnahmen wieder im Nichtsverschwinden. Andere hingegen kommenauf eher leisen Sohlen daher und habendas Zeug zu einer länger währenden Kar-riere. Zu letzteren zählt ohne Zweifel derjunge Berliner Pianist Martin Helmchen.

Mit seinem hochvirtuosen und zugleichunprätentiösen Stil hat sich Helmchen inwenigen Jahren in der internationalenMusikszene einen hervorragenden Ruferarbeiten können. Ein schöner Belegdafür ist eine Konzertreihe in seiner Hei-matstadt: Das Konzerthaus Berlin ernann-te den gerademal 26-Jährigen in derSpielzeit 2008/2009 zum „Artist in Resi-dence“ und übertrug ihm die Gestaltungeiner eigenen Reihe mit insgesamt elfKonzerten: mit dem Konzerthausorchesterunter Lothar Zagrosek, mit Kammermusi-kern des Orchesters und als Solist.

Seit 2007 ist Martin Helmchen Exklu-siv-Künstler von PentaTone. Nach hochgelobten Aufnahmen mit KlavierkonzertenMozarts und Solo-Werken von Schubertpräsentiert er sich auf seiner neuesten CDals Kammermusiker und interpretiert inverschiedensten Besetzungen Werke vonSchubert. Trotz seiner jungen Jahre kannHelmchen bereits auf reichlich Erfahrungals Kammermusikpartner zurückblicken:Er spielte auf allen namhaften Festivals fürKammermusik, mit Partnern wie BorisPergamentschikow, Tabea Zimmermann,Christian Tetzlaff und vielen anderen.

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Kammermusik

Joseph Wölfl (1773-1812)Streichquartett in C-Dur (Op. 30 Nr. 2)Streichquartett in D-Dur (Op. 30 Nr. 3)Streichquartett in Es-Dur (Op. 30 Nr. 1)Pratum Integrum Orchestra SoloistsCM 0032006 / Caro Mitis

(SACD hybrid) / 4607062130308

Wölfl, einst populärer Komponist undPianist, stammte aus Salzburg. In seinerVaterstadt wurde er von Leopold Mozartund Michael Haydn ausgebildet. MitBeethoven lieferte er sich in Wien zurFreude des Publikums lebhafte Zwei-kämpfe als Pianist, als Komponist be-herrschte er meisterhaft alle Genres undtat sich durch die Vielfalt seiner Stilistikhervor. Eine Europatournee führte ihn1801 nach Paris, wo er gleich mehrereJahre lang als gefeierter Pianist blieb (erwurde als „aufregendster Pianist Euro-pas“ bezeichnet).

Werke eines Über-fliegers

Nach nicht näher geklärten „Unregel-mäßigkeiten“ musste er 1805 Paris über-stürzt verlassen; sein weiterer Lebenswegbleibt im Dunkeln. Schließlich landete erin London, wo seine Karriere allerdingsnicht mehr sehr erfolgreich verlief. Erstarb unerwartet mit nur 39 Jahren imdenkwürdigen Jahr 1812, das die AlteWelt erschütterte und als Scheidepunktder Epochen angesehen wird – als ob eres vorgezogen hätte, im 18. Jahrhundertzu bleiben. Von seinen 18 Streichquartet-ten wurden für diese SACD drei frische,originelle Werke aus dem Jahr 1805 aus-gewählt.

Théodore Dubois (1837-1924)Remember – Werke für Violine und KlavierStépanie-Marie Degand, ViolineLaurent Martin, KlavierLID 030219709 / Ligia Digital

3487549901970

Dubois? Noch vor 15 Jahren galten alsVertreter der französischen Romantiknahezu ausschließlich Berlioz, Gounodund Massenet. Erst allmählich gerietenandere Komponisten wieder ins Rampen-licht, wie Guiraud, Rabaud, Pierné undeben Dubois. Théodore Dubois studierteam Pariser Conservatoire bei AntoineFrançois Marmontel, François Bazin,François Benoist und Ambroise Thomas.Er war 1861 Rompreisträger, ab 1855Organist des Invalidendomes und wurde1859 Chordirigent an Sainte-Clotilde,während dort César Franck die großeOrgel spielte. 1877 bis 1896 wirkte er alsOrganist an der Madeleine. Seit 1871 warer Harmonielehrer, seit 1896 Direktordes Conservatoire. Dubois schuf großarti-ge Werke im romantischen Sinn, diedabei doch erstaunlich modern wirken.

Spätromantik entdeckt ModerneSeine Neigung zu Dissonanzen und

Betonung des Rhythmischen teilt er mitseinem deutschen Kollegen Max Bruch indiesen hier vorgestellten Werken, die um1915 entstanden. Eine wichtige Wieder-entdeckung französischer Spätromantik.

Ottorino Respighi Sämtliche Werke für Violine und Klavier; Vol. 3: Bearbeitungen barocker,italienischer ViolinsonatenIlona Then-Bergh, ViolineMichael Schäfer, KlavierGEN 89116 / GENUIN

Reihe Un!erhört

Aller guten Dinge sind drei – Then-Bergh und Schäfer vollenden Respighi-Zyklus bei GENUIN

Höchstpunktzahl für den Repertoire-wert verdient nicht nur diese neue CD mitWerken von Ottorino Respighi für Violineund Klavier, sondern die komplette Reihe,die hier einen Abschluss findet. Mit dendrei Tonträgern haben die Geigerin IlonaThen-Bergh und der Pianist MichaelSchäfer eine geradezu unerhörte Reper-toirelücke geschlossen: Nun liegt (end-lich) das Gesamtwerk des großen italieni-schen Komponisten für diese Besetzungvor. In der Öffentlichkeit ist Respighihauptsächlich für seine Mittelmeerluftatmenden, explosiven und hochemotiona-len symphonischen Dichtungen bekannt,mit denen er seine Zuhörer in seine Hei-mat entführt: Die Pinien von Rom, Römi-sche Feste, Römische Brunnen...

Der Kammermusikliebhaber kann sichnun auf die großen Gefühle Respighis imkammermusikalischen Format freuen, auffranzösischen Grand Salon – made inItaly – und auf vollblütige Novecento-Adaptionen alter italienischer Meister.

In den beiden Münchner Künstlern hatdas aufstrebende Leipziger Label GENUINberufene Anwälte für die ungemein farbi-ge und anspruchsvolle Musik Respighisgefunden, die mit Detailgenauigkeit undWeitblick zu Werke gehen. Es bleibtjedem Hörer selbst überlassen, ob er dengroßen, spätromantischen Sonaten oderden liebevollen Barock-BearbeitungenRespighis den Vorzug gibt. Hörenswertsind sie alle!

Franz Schubert Quintett A-Dur „Die Forelle”D 667 op. 114Robert Schumann Klavierquintett Es-Dur op. 44Carmina QuartettKyoko Tabe – Petru IugaSM 133 / Solo Musica

Diese Einspielung konnte in 2008 bereits den „Record Academy Award ofJapan”, vergleichbar mit dem amerika-nischen Grammy, in der Kategorie Kam-mermusik gewinnen.

Das Jahr 1842 gilt als das „kammer-musikalische Jahr“ Schumanns. Gemein-sam mit seiner Frau Clara studiert Schu-mann Streichquartett-Partituren vonMozart und Haydn am Klavier. Er fühltesich aber damals noch nicht fähig, durcheigene Werke Ebenbürtiges zu schreiben.Einmal begonnen, arbeitete Schumannunermüdlich und vollendete zwischendem 2. Juni und dem 22. Juli die dreiStreichquartette op. 41. Die darausgewonnene Erfahrung im Umgang mit denStreichinstrumenten, bewog ihn dazu imSeptember dem Streichquartett sein ihmso vertrautes Instrument, das Klavier, andie Seite zu stellen. Damit begab er sichauf kompositorisches Neuland. Keinbedeutender Komponist zuvor hatte sichan dieser Kombination versucht. Bei demzweiten Werk dieser Einspielung, Schu-berts Forellenquintett, steht das Melodi-sche ganz im Zentrum. Weit weniger auf-gewühlt als die beiden anderen, mit Lied-kompositionen Schuberts verbundenenWerke, die „Wanderer-Phantasie“ C-Durfür Klavier und das d-Moll-Streichquartett„Der Tod und das Mädchen“, widerspie-gelt es eine der heitersten ZeitspannenFranz Schuberts. Es ist voll von wunder-barer Musizierlust und Heiterkeit, ohne jean Ernsthaftigkeit zu verlieren.

Die „Financial Times“ reihte die For-mation als eine der führenden Streich-quartette dieser Zeit ein. Das Quartetterhielt viele renommierten Auszeichnun-gen für seine CD-Einspielungen.

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Im Blickpunkt

Streichinstrumente

Elgar, Ravel, Sibelius,Vaughan Williams u.a.Homage Ehrung von 12 Meisterexemplarender GeigenbaukunstJames Ehnes, Eduard LaurelONYX 4038

Auf seiner neuesten CD „Homage“ er-weist der Geiger James Ehnes, Grammy-und Gramophone Award Gewinner im Jahr2008, den berühmtesten Geigenbauern derWelt seine Referenz. Im Mittelpunkt diesesaußergewöhnlichen Projektes stehen ins-gesamt 12 der bedeutendsten jemals her-gestellten Violinen und Violas. Die wert-vollen Exemplare von Stradivari, Guarneri,da Salò und Guadagnini stammen ohne Aus-nahme aus der Fulton Collection, der wich-tigsten Privatsammlung der Welt. So konnteman beispielsweise noch nie StradivarisLa Pucelle bisher in einer Aufnahmehören und Guarneris Lord Wilton war dasletze Instrument von Yehudi Menuhin.

James Ehnes präsentiert eine sorgfältigzusammen gestellte Auswahl von 21 Musik-stücken und zeigt an ihnen die Charakte-ristika und Vorzüge des jeweils verwende-ten Instruments. Abgerundet wird dasProgramm durch zwei Bonus-Tracks, aufdenen jedes Instrument mit dem gleichenAusschnitt aus einem Stück zu hören ist.Eine wunderbare Gelegenheit, die klang-lichen Qualitäten der einzelnen Instru-mente miteinander zu vergleichen.

Die beigefügte DVD beinhaltet die vollständige Aufführung der Werke sowieInterviews, in denen mehr über dieInstrumente selbst, die Wichtigkeit desBogens, Ehnes’ Beziehung zur FultonCollection und über die Vorbereitungenzur Aufnahme zu erfahren ist. Von derDVD sagt Ehnes selber, dass sie für jedenLiebhaber großartiger Instrumentesehens- und natürlich auch hörenswertist. David Fulton berichtet über seine Lei-denschaft diese Seltenheiten zu sammelnund warum er seine Kostbarkeiten JamesEhnes anvertraut und dass er ihn mitDavid Oistrach vergleicht.

Johann Sebastian Bach 6 Sonaten & PartitenViktoria Mullova ONYX 4040

Als „Eiskönigin“ wurde sie schon be-zeichnet – die russische Geigerin ViktoriaMullova, deren Spiel so gar nicht russischanmutet. Seit einigen Jahren beschäftigt siesich intensiv mit Barockmusik, hat zuletztmit Ottavio Dantone Bach-Sonaten undmit Il Giardino Armonico unter GiovanniAntonini Vivaldi-Konzerte eingespielt. Viktoria Mullova ist es hier auf beein-druckende Weise gelungen, ihre ausge-reifte Technik, die sie auf der modernenGeige besitzt, auf ihr barockes Spiel zuübertragen. Wie selbstverständlich spielt sieihre mit Darmsaiten bespannte Guadagnini(1750) mit einem barocken Bogen.

Barockmusik ganz ohne Vibrato zuspielen, lehnt Mullova dagegen strikt ab:Sie setzt das Vibrato sehr gezielt ein, diffe-renziert es in seiner Art, in seiner Schnel-ligkeit und Weite. Der Kritik entgegnet sieselbstbewusst: „Man kann so viele unter-schiedliche Sachen machen mit verschie-denen Vibratos. Und es gab eine Zeit, dahat man jede Note mit viel Vibratogespielt, dann gab es eine Phase, wo manVibrato nur als Farbe nutzte. Es stimmteinfach nicht, dass man Barockmusikohne Vibrato womöglich schief spielt. Daswar immer das, was die modernen Musikerüber authentisches Spiel gesagt haben.“

Nach ihrer Aufnahme von drei PartitenAnfang der 1990er Jahre auf einermodernen Geige für Philips präsentiertViktoria Mullova nun für Onyx eine Ge-samtaufnahme sämtlicher Sonaten undPartiten Bachs auf zwei CDs. MullovasSpiel überzeugt einmal mehr durch einenschlanken Klang mit sparsamem, klugeingesetztem Vibrato und einen differen-zierten, beweglichen Ton ohne jedeSchwere.

Ligeti, Bloch, BrittenSolosonaten Walton Cello KonzertPieter Wispelwey Jeffrey Tate, Sydney Symphony ONYX 4042

Neben der außergewöhnlichen techni-schen Meisterschaft seines Cellospiels istes vor allem sein persönlicher und unver-kennbarer Interpretationsansatz, der ihnauszeichnet. Darüber hinaus ist Wispelweyeiner der ganz wenigen Cellisten seinerGeneration, der sich sowohl der histori-schen Aufführungspraxis als auch derInterpretation der jüngsten Celloliteraturwidmet. So reicht denn sein Repertoiredementsprechend auch von Johann Sebastian Bach bis hin zu Elliott Carter.

Knapp 20 CDs hat Wispelwey seitAnfang der 1990er Jahre für das holländi-sche Label Channel aufgenommen unddafür viel Kritikerlob und höchste Aus-zeichnungen (Diapason d’or, Gramopho-nes Editor’s Choice usw.) geerntet. Dievorliegende Aufnahme nun markiert denBeginn einer längerfristig angelegtenZusammenarbeit von Wispelwey mit demLabel Onyx. Im Mittelpunkt steht das Cel-lokonzert von William Walton, das Wis-pelwey auf seinem Guadagnini-Cello(1760) spielt. Werke für Cello solo vonBloch, Britten und Ligeti, für die Wispel-wey auf ein Stradivarius-Cello (1698)zurückgreift, runden das Programm ab.

26 AUSGABE 2009/1

Kammermusik

Conlon Nancarrow (1912-1997)Ausgewählte Studien arrangiert für Bläserquintett von Raaf HekkemaCalefax Reed QuintetIvo Janssen, KlavierMDG 619 1548-2

Das Player Piano lebt! Diesmal in einemArrangement für Bläserquintett und Klavier:Conlon Nancarrow komponierte Mitte des20. Jahrhunderts fast immer für die Rolle,weil er glaubte, kein Mensch könne seineMusik je live spielen. Das niederländischeEnsemble Calefax belehrt den US-Ameri-kaner mit einer Aufnahme von 14 seiner„Studies“ postum eines Besseren: Niemalszuvor haben die musikalischen Experi-mente Nancarrows so geklungen wie indieser Version des Saxophonisten RaafHekkema. Versprochen!

RollentauschConlon Nancarrow stanzte seine Werke

eigenhändig ins Papier. Ein Notenblatthaben seine Studies nie gesehen, bevor sieerstmals auf dem Pianola erklangen. Dieaktuelle Calefax-Einspielung haben wir demniederländischen Hornisten und Musik-manager Jan Wolff zu verdanken, einemglühenden Verehrer von Nancarrows Mu-sik. Nach erfolgreicher Premiere im Bei-sein des Komponisten war der Damm ge-brochen und Calefax arrangierte in derFolge ein gutes Dutzend Player-Piano-Werkevon Nancarrow für Bläserquintett undKlavier, die erst vor kurzem bei Wolffs Ab-schiedsfeier als Muziekgebouw-Direktorin Amsterdam (ur)aufgeführt wurden.

Das Rohrblatt-Quintett Calefax ist aufallen Bühnen dieser Welt zu Hause. Inmehr als 600 Konzerten haben die Musi-ker mit viel Humor und Erfolg ihr breitesund garantiert immer spezielles Reper-toire präsentiert, wobei sie sich auf keineetablierte Rolle festlegen: Man präsentiertAlte Musik bis zu den Klassikern ebensoungebremst, wie Jazz und zeitgenössischeKompositionen in Original und bisweilenaberwitzigsten Arrangements. Hochvirtuosund immer feinst geblasen …

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Tasteninstrumente

Wolfgang Amadeus MozartSämtliche Clavierwerke Vol. 9Siegbert RampeCembalo und HammerklavierMDG 341 1309-2

Rampes historisch informierter Ansatz,seine im Stil der Zeit ergänzten Verzie-rungen und quasi improvisierte Aus-schmückungen bei Wiederholungen ma-chen neben dem Gebrauch der Instru-mente der Mozart-Zeit den besonderenReiz dieser auch klanglich überzeugen-den Einspielung aus.

Überflieger Siegbert Rampe und das Aufnahme-

team von MDG mussten bis nachTempe/Arizona reisen, um den klarenKlang des Hammerclaviers einzufangen,das 1992 in der Werkstatt von Barbara undThomas Wolf in Washington D.C. nacheinem Vorbild des Wiener Clavierbau-meisters Johann Schantz entstanden ist.

Auf dem mit Jalousieschweller (!) undeinem „Machine Stop“-Pedal zum Um-registrieren während des Spiels ausgestat-teten Shudi-Cembalo präsentiert Rampeeine klanglich extrem spannende Versionder zwölf Variationen KV 265 (300e) über„Morgen kommt der Weihnachtsmann“.

Wer am historischen Klangbild vonMozarts Werken für Tasteninstrumenteinteressiert ist, wird an Siegbert Rampesstets klugen, stilsicheren und oft mit-reißenden Interpretationen nicht vorbei-kommen.

Player Piano 8Michael Denhoff (*1955)12 Inventionen op. 88Candenabbiaer Glockenbuch op. 78aBösendorfer Grand Piano und Fischer Grand Piano mit Ampico Selbstspiel-MechanikMDG 645 1408-2

Noch nie hat ein Komponist nach Nancarrowso umfangreich zeitgenössische Kompositionenfürs Selbstspielklavier ersonnen und zur Auf-führung gebracht. Der heute in Bonn lebendeMichael Denhoff hat zwei Dutzend Inventionenund Etüden geschrieben und auf den liebevollrestaurierten Original-Instrumenten von JürgenHocker als Vol. 8 der Player-Piano-Reihe bei MDG eingespielt.

Die enormen technischen Möglichkeiten der Ampico-Selbstspielmechanik werden vonKomponisten seit 90 Jahren genutzt. Zuerst über-schritten Strawinsky, Hindemith, Casella u. a. dieGrenzen der manuellen Spielbarkeit. Dann sorgte Nancarrow mit seinen extravaganten auf Loch-streifen gestanzten Studies für Furore: Wir er-innern uns an vielstimmige Triller und unwirk-liche Klangorkane mit 100 Anschlägen proSekunde… Die Wiedergabe kompliziertesterMetren und Rhythmen in absoluter Präzisionsowie eine stufenlose Dynamik von pp bis ff sind weitere Vorteile des um 1920 hervorragendausgereiften Ampico-Systems, das in dieser ambitionierten MDG-Reihe ein lebendiges Denk-mal erhält.

In bewusster Anlehnung an J.S. Bach gab Denhoff seinen Werken den Titel „Inventionen“,weil sie dessen kontrapunktische Techniken nutzen und erweitern. Der Gesamtzyklus umfasstzwölf Stücke für zwei Player Pianos. Jede „Inven-tion“ hat dabei ihr eigenes, unverwechselbaresGesicht – von der Ein- bis zur Zwölfstimmigkeit.

Ein Aufenthalt am Comer See verhalf MichaelDenhoff zu einer weiteren Idee: Die seit Ewig-keiten ungleich gestimmten Glocken zweier ent-fernt stehender Kirchen faszinierten ihn so sehr,dass daraus die 13 Etüden seines CadenabbiaerGlockenbuchs entstanden, die er dann zu einerspeziellen Fassung für zwei Selbstspielklaviereumarbeitete.

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Codaex Deutschland GmbH

Landsberger Straße 492 81241 München [email protected]

CH

SA

50

70

2 SACDs

Leonard Bernstein

MASS R. Scarlata, Kristjan Järvi, Tölzer Knabenchor, Tonkünstler-Orchester,Absolute Ensemble, Chorus sine nomine, Company of Music

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Im Blickpunkt

28 AUSGABE 2009/1

Frédéric Chopin Klaviersonaten Nr 2 & 3,2 Nocturnes, Berceuse u.a.Marc-André Hamelin CDA 67706 / Hyperion

Seine ungeheuren technischen Fähig-keiten verbunden mit originärer Musika-lität und überquellender interpretatori-scher Phantasie haben den franko-kana-dischen Pianisten Marc-André Hamelin inden letzten Jahren in die Riege der füh-renden internationalen Klaviervirtuosenaufsteigen lassen. Neben exotischer, ver-gessener oder kaum spielbarer Klavier-literatur widmet er sich auch immer wie-der dem gängigem Klavierrepertoire,zuletzt Haydn, Brahms oder Schumann.

Auf seiner neuesten Aufnahme inter-pretiert Hamelin erstmals jenen Kompo-nisten, dessen Name untrennbar mit derEntwicklung des modernen Klavierspielsverbunden ist: Frédéric Chopin (1810-1849). Im Zentrum stehen die Klavier-sonaten Nr. 2 und 3, Klassiker der roman-tischen Klaviermusik, abgerundet wirddas Programm durch einige von Chopinsschönsten Miniaturen. Hamelins pianis-tischen Fähigkeiten kommen bei Chopineinmal mehr eindrucksvoll zur Geltung:Die kraftvollen Passagen gestaltet er im-pulsiv und energiegeladen, wunderbarwarmherzig und einfühlsam dagegen dielyrischen Momente, und die technisch anspruchsvollen Passagen meistert er mit einer unvergleichlichen Brillanz undLeichtigkeit.

In einem Interview erklärte er sein Ver-ständnis von Virtuosität, als die erhöhteForm des Gebrauches aller Mittel, die einemKünstler zur Verfügung stehen, um eineKonzeption umzusetzten. Leider bedeutees für die meisten nur Geschwindigkeit.

Angesprochen auf die Auswahlkrite-rien seines Repertoires erzählt er von sei-ner Leidenschaft, Musik zu sammeln, vonseinem riesigen Fundus aus Bibliotheken,von Musikliebhabern, genug, um zehnLeben damit zu verbringen alles durch-zuhören, zu spielen.

Theodor Leschetizky (1830-1915)Klavierkonzert, KlavierwerkeHubert Rutkowski, KlavierRzeszów Philharmonic Orchestra,Tomasz ChmielAP 0191 / Acte Prealable

5902634751912

Leschetizky war Ende des 19. Jahr-hunderts einer der bedeutendsten euro-päischen Musiker. Insbesondere alsPädagoge wurde er berühmt; er hat bei-nahe 2000 Pianisten ausgebildet. Zu sei-nen Schülern gehörten u.a. Artur Schna-bel, Ignacy Jan Paderewski, Henryk Mel-cer, Ingacy Friedman, Miecyslaw Horszo-wski, Benno Moiseiwitsch, Elly Ney, PaulWittgenstein... die Reihe ließe sich endlosfortsetzen. Und auch die führenden Pia-nisten des 20. Jahrhunderts sind letztlichNachfolger der Leschetizky-Schule, dar-unter Sviatoslav Richter, Vladimir Horo-witz, Sergei Prokofiev, Alexander Scriabin,Van Cliburn wie auch John Cage.

Der Übervater desKlaviers

1862 hatte Leschetizky zusammen mitAnton Rubinstein ein Musikkonservatori-um in St. Petersburg gegründet. 1878 ließer sich in Wien nieder und widmete sichprivatem Unterrichten und Komponieren.Das letzte Mal trat er konzertierend 1887in Frankfurt am Main auf. Er starb 1915in Dresden. Sein künstlerisches Erbeumfasst über 50 Werke, darunter Klavier-werke, das hier eingespielte Klavierkon-zert und zwei Opern. Paderewski undEssipoff hatten viele seiner Kompositio-nen im Repertoire. Seine Werke erfreutensich generell großer Beliebtheit und wur-den weltweit aufgeführt, gerieten dannaber in Vergessenheit. Hier sind echteEntdeckungen zu machen.

Klavier

Morton Feldman (1926-1987)Späte Klavierwerke Vol. 2For Bunita MarcusSteffen Schleiermacher, KlavierMDG 613 1522-2

Die Serie mit den späten Klavierwerkenvon Morton Feldman gewinnt an Kontur.Das Werk der 2. Folge ist Bunita Marcus,Feldmans Schülerin und über viele Jahreengste Vertraute, gewidmet.

Opulent wirken die Kompositionen vonMorton Feldman eigentlich nie. Minuten-lang operiert der Künstler mit wenigenEinzeltönen, die er immer wieder in ihrerReihenfolge, ihrem Rhythmus und auch in ihren Oktavlagen austauscht. WirklicheAkkorde tauchen in diesem gut 70 Minu-ten langen Werk erst spät auf. Dafür über-raschen vereinzelte winzige Störmomentedie Zuhörer: Wie ein Schatten huscht hinund wieder ein schnelles Motiv vorüber,das die vermeintlich strahlende „Idylle“stets als gefährdet und instabil entlarvt.

LichtgestaltFeldman lässt Motive und Klänge

seiner Musik immer wieder in anderemLicht erscheinen. Seine Nähe zur Male-rei ist hierbei offenkundig: Mondrian,Rothko und Pollock liefern ihm Ideenund Claude Monet ist für Feldman dererste Maler, „der ins Licht geschaut hat… bei den Klängen ist es genauso – sieüberlagern sich.“

Steffen Schleiermacher arbeitet seit1988 als freischaffender Komponist undinternational gefeierter Pianist. Er hat sich ausschließlich auf die Musik des 20. und 21. Jahrhunderts spezialisiertund gilt als einer der wichtigsten Neue-Musik-Interpreten unserer Zeit. Seineklug disponierte Gesamtdiskographie –auch als Leiter des Ensemble Avantgarde– zeichnet exemplarisch ein faszinie-rendes Bild der aktuellen Musikströ-mungen.

Olivier Messiaen (1908-1992)Sämtliche OrgelwerkeHans-Ola EricssonBIS-CD-1770

7318591770725

Olivier Messiaens Bedeutung für dieOrgelmusik des 20. Jahrhunderts be-schreiben zu wollen, hieße Eulen nachAthen tragen. Der eigenwillige Organistund Komponist hat Musik geschrieben,die sich jeder Kategorisierung entzieht.Modale Tonarten des Mittelalters treffenbei ihm auf indische Rhythmen, dazwi-schen rufen die Vögel, deren Gesang Messiaen zeitlebens faszinierte... Zwi-schen 1989 und 1992 hatte Hans-OlaEricsson sich diesem einzigartigen Schaf-fen bereits gewidmet. Damals spielte erdie großen, bekannten Werke an der Grön-lund-Orgel in der Kathedrale von Lulea inSchweden ein. Die mehrfach prämiertenAufnahmen entstanden nach ausgiebigsterAbsprache mit dem Komponisten undkönnen daher als autorisiert gelten.

Denkmal für einenEigenwilligen

Die Box enthält darüber hinaus Erst-einspielungen dreier posthum zugänglichgewordener Werke aus den 1920er Jah-ren (Monodie, Offrande au Saint Sacre-ment und Prélude), die Ericsson an der2006 von Gerald Woehl in der Katharinen-kirche von Oppenheim erbauten Orgelvornahm. Ein 232seitiges Booklet infor-miert ausführlich über alle Aspekte derWerke und das Leben des Komponisten.Darüber hinaus gibt es noch Aufnahmender Vogelrufe, wie sie in Messiaens Orgel-manuskripten aufgezeichnet sind.

Orgel

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AUSGABE 2009/1 29

Märsche von Jakob PazellerBlasorchester der ungarischen ArmeeTibor Kovács, János Pontok, ZsoltCsizmadiaHCD 16887 / Hungaroton

5991811688721 / Ersteinspielung

Pazeller (1869-1957) wirkte zunächstin Wien als Konzertmeister im Orchestervon Friedrich Strauss; mit 26 Jahren warer bereits Dirigent am Carl-Theater. 1896trat er in die k.u.k. Armee ein und wurdeso Militärkapellmeister der Österreich-Ungarischen Donaumonarchie.

Aus Kaisers Zeiten

In den Sommermonaten gehörte es zu seinen Aufgaben, im namhaften KurortHerkulesbad (südliche Grenzregion Siebenbürgens) die Kurgäste zu unter-halten. Hier schrieb er 1903 den Walzer„Souvenir de Herkulesbad“, der ihminnerhalb kürzester Zeit Weltruhm ein-trug. In Anerkennung seiner Erfolgewurde er nach Budapest versetzt, wo er, wirtschaftlich längst gesichert, eineFamilie gründete. Nach 1945 entzogenihm die Kommunisten seine Pension, und der Deportation entging er nurwegen seines schlechten Gesundheits-zustandes. Doch Pazeller komponierteunverdrossen; er hinterließ eine Oper,zwei Operetten, ein Ballett, drei Ouver-türen, fünf Fantasien, zahlreiche Walzer,Interludien, Lieder und Märsche: mehrals 200 Kompositionen.

Orchester

DedicationsNordgren: Solemnity-Euphony for 19 stringsVasks: Musica appassionata per orchestra d‘archiEliasson: Sinfonia per archiOstrobothnian Chamber Orchestra,Juha KangasABCD 245 / Alba (SACD hybrid)

6417513102451 / Ersteinspielungen

Es beginnt mit einer Vision, und esmündet in eine Tradition. Das ist derTraum vieler Kreativer, und manche ent-falten die Kraft und Intelligenz, ihre Visionschließlich auch zu verwirklichen. Einsolcher Visionär ist der finnische DirigentJuha Kangas. Von Herkunft Volksmusi-kant, sozusagen ein fiedelnder Spielmannmit klassischer Ausbildung, machte erbald eine steile Karriere als internationalgefragter Dirigent.

Ein Visionär machtMusikgeschichte

Am Konservatorium in Kokkola, einem35.000 Einwohner zählenden finnischenProvinznest, gründete er ein Streichor-chester mit Kindern, das schließlich semi-professionell und heute voll professionellarbeitet: Das Ostrobothnian ChamberOrchestra, derzeit eines der weltbestenStreichorchester. Und Kangas setzt sichstets für zeitgenössische Musik ein, insbe-sondere für das Werk seiner FreundePehr Henrik Nordgren, Anders Eliassonund Peteris Vasks. Diese SACD legt davonZeugnis ab.

Josef Bohuslav Foerster (1859-1951)Sämtliche Sinfonien Vol. 2Sinfonie Nr. 3 + 4Sinfonieorchester OsnabrückHermann Bäumer, Ltg.MDG 632 1492-2

In der Mitte seines Lebens gelang JosefBohuslav Foerster sein Meisterstück: Dievierte Sinfonie des böhmischen Kompo-nisten ist sicher sein ambitioniertestesWerk. Und seine dritte Sinfonie rundeteine eindrucksvolle Aufnahme mit demSinfonieorchester Osnabrück unter derLeitung von Hermann Bäumer ab.

Das Meisterwerk Zu Beginn seiner Hamburger Zeit

komponierte Foerster seine 3. Sinfoniemit dem Titel „Das Leben“. Hier zeigt sichein hochtalentierter, von den unterschied-lichsten musikalischen Einflüssen inspi-rierter Komponist. Mal glaubt man An-klänge an Wagner zu hören, dann wiedervon Dvorák, schließlich von Bruckneroder doch von Mahler. Foersters Bot-schaften sind subtil. Wie individuell undmit viel Feingefühl er seine dritte Sinfoniegestaltet hat, erfahren aufmerksame Zu-hörer dennoch – und sind umso mehrverzaubert von slawischer Terzenseligkeitund natürlich einem böhmisch klingen-den Scherzo.

Am Karfreitag 1904 begann Foersterdie Komposition der „Osternacht“. Einereine Meditation sollte es nicht werden,im Gegenteil: Den ersten Satz widmet erden Ostertagen, wie der Erwachsene sieerlebt, im zweiten Satz schildert er dieFeiertage mit den Augen eines Kindes.Dann ein Gebet und schließlich das Finale zur Feier des auferstandenen Heilands… Was für ein liebenswertesSujet, dem sich Dirigent und Orchestermit Hingabe widmen.

Klavier mit Orchester

Ludwig van Beethoven Klavierkonzerte Nr. 1 & 2 Kent Nagano Mari KodamaDeutsches Symphonie-Orchester Berlin AN 2 9955 / Analekta

Mari Kodama zählt Dank ihrer großenMusikalität und ausdrucksvollen Virtuosi-tät zu den interessantesten Pianistinnenihrer Generation. Ihre Fähigkeit, dem Klavier scheinbar anstrengungslos eine be-eindruckende Klangfülle zu entlocken undeinen ebenso warmen wie lyrischen Ton zuerzeugen, sowie ihre begeisternde techni-sche Brillanz gehören zu den herausra-genden Eigenschaften ihres Musizierens.

In Osaka geboren, lebt Mari Kodamaseit ihrer Jugend in Europa. Sie studierteKlavier am Pariser Musikkonservatoriumund setzte später ihre Ausbildung bei re-nommierten Pianisten wie Murray Perahia,Andras Schiff und Tatiana Nikolaeva fort.Heute ist Mari Kodama regelmäßig Gastder großen Orchester in Japan, Europaund den USA und tritt in den wichtigstenKonzertsälen der Welt und bei führendenFestivals auf.

Für das Label PentaTone spielt siegerade eine Gesamtaufnahme der Klavier-sonaten Beethovens ein. Die ersten Folgenwurden von der Presse begeistert aufge-nommen, ein Rezensent etwa schrieb, ihre„Appassionata“ sei „noch feuriger als diePollinis“. Beethoven – hier nun die erstenbeiden Klavierkonzerte – steht auch imMittelpunkt des vorliegenden Programms.

Begleitet wird sie von ihrem MannKent Nagano am Pult des Deutschen Sym-phonie-Orchesters Berlin. Die Aufnahme,entstanden im Juni 2006, bildet zugleichden Abschluss einer äußerst erfolg-reichen Zusammenarbeit: Nagano hattevon 2000 bis 2006 als Chefdirigent undkünstlerischer Leiter dem Orchestervoran gestanden und war – als Ausdruckder Verbundenheit – von den Musikernzum Ehrendirigenten ernannt worden.

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Im Blickpunkt

Lieder von Clara Schumann,Alma Mahler-Werfel und Lili BoulangerMaria Riccarda Wesseling, MezzosopranNathalie Dang, KlavierCLA 50-2904 / Claves

7619931290423

Dies ist bereits Wesselings drittesAlbum für Claves und kommt zu einemZeitpunkt heraus, da sie auf den Wogendes Erfolgs schwimmt. Die Wesselingsingt, seit sie sich erinnern kann. Schließ-lich entschied sie sich, es beruflich zutun. Besonders intensiv beschäftigte siesich mit den Opern Händels, wovon di-verse Einspielungen Zeugnis ablegen. DieInterpretation zeitgenössischer Kompo-nisten sieht sie aber auch als wichtige Aufgabe; sie hat bereits in Opern von Saariaho, Reimann, Eötvös und Sciarrinogesungen. Bei der Weltpremiere von Henzes Oper „Phaedra“ an der BerlinerStaatsoper Unter den Linden sang sie dieTitelpartie. Derzeit fällt sie an der PariserOper mit brillanten Aufführungen auf.Und doch vermag sie sich immer wiederin die kleine Form des Kunstliedes zu versenken. Die Intimität dieser hier ein-gespielten Lieder kommt ihr besondersentgegen, um eben auch eine ganz ande-re Seite ihres künstlerischen Vermögenszeigen zu können.

RomantischeBekenntnisse

Fast alle für diese CD ausgewähltenLieder haben die Komponistinnen inihrer Jugendzeit, teils in frühester Jugendgeschrieben – wobei man sagen muss,dass Lili Boulanger, die ja schon mit 25 Jahren starb, auch kein andererLebensabschnitt beschieden war. Wun-derbar zarte Lieder, die von Liebe undSehnsucht handeln, verbindet die Sänge-rin zu einem großartigen romantischenStimmungsbild.

30 AUSGABE 2009/1

Lied

Die Kunst der Emma KirkbyGeistliche und weltliche Werke von Händel, Bach, Böddecker, Couperin,de Lalande, Scarlatti, Ariosti, Amodeisowie Lautenlieder von Dowland,Johnson, Blow, Schütz, d‘India, Boesset.Emma Kirkby, SopranJakob Lindberg, LauteLondon Baroque,Theatre of Early Music u.a.BIS-CD-1734

7318591734352

Pünktlich zum 60. Geburtstag derKünstlerin am 26.2.2009 brachte BIS aufvier CDs die Highlights der bisherigen Zu-sammenarbeit mit der Ausnahmesopranis-tin heraus, die 2007 vom BBC Magazineauf Platz 10 unter die „20 größten Sopra-nistinnen aller Zeiten“ eingereiht wurdeund sich seit ihren Anfängen in den 70erJahren des vorigen Jahrhunderts unschätz-bare Verdienste um die Wiederentdeckungund -belebung der Alten Musik erworbenhat. Dabei hatte sie ursprünglich gar nichtdie Absicht, das Singen zu ihrem Beruf zumachen. Als Studentin der klassischenPhilologie in Oxford und dann als Schul-lehrerin sang sie aus reinem Vergnügen inChören und kleinen Ensembles, wobei siesich in der Musik der Renaissance unddes Barock am meisten zu Hause fühlte.1971 stieß sie zum Taverner Choir; 1973begann ihre langjährige Zugehörigkeitzum Consort of Musicke. Es folgten lang-fristige Beziehungen mit London Baroque,dem Freiburger Barockorchester, L’Orfeound dem Orchestra of the Age of En-lightenment. Von ihr liegen derzeit weitüber 100 Einspielungen vor.

Happy Birthday,Emma!

Als Geburtstagsgeschenk nicht an sie,sondern an ihre Fans erschien nun alsodie Box vorwiegend mit Kantaten undArien des Barock und Lautenliedern derenglischen Renaissance. Als besonderesHighlight bietet die Box die Erstein-spielung einer Solokantate von ChristophGraupner „Ach Gott und Herr“.

Scottish and other Songsvon Joseph Haydn und Ludwig van Beethoven sowie Trio d-Moll von HaydnDaniely Bechly, SopranTrio KairosM 56880 / Musicaphon

4012476568805 / (SACD hybrid)

Das Zeitalter der Aufklärung wolltedas gesamte Wissen und Können derMenschheit gegen den Widerstand welt-licher und geistlicher Machthaber fürjeden Bürger zugänglich machen. DerZeitraum von 1730 bis 1800 brachte einebürgerliche Emanzipation hervor, dereine konzentrierte Sammlung von Wissen,Denken, Fühlen und Handeln zu verdan-ken ist. Dieser Sammlungs-Leistunghaben wir auch auf musikalischem Gebietviel zu verdanken, was sonst verlorenwäre. Auch in Schottland trachtete mannach einer umfangreichen Sammlung desVolksliedgutes der Insel.

Thomson, der Liedsammler

Mehrere Verleger und Herausgeberkonkurrierten in der Zeit des ScottishEnlightenment mit Sammelbänden schot-tischer, irischer und walisischer Lieder.Besondere Bedeutung erlangte GeorgeThomson (1757-1851) aus Edinburgh,der „fleißigste“ auf diesem Gebiet, der 50Jahre lang der Hauptinitiator für dieVolksliedsammlungen in Schottland seinsollte. Ihm gelang es, auch Joseph Haydnund später Ludwig van Beethoven für diemusikalische Auf- und Ausarbeitung desgesammelten Materials zu verpflichten.Einige der Ergebnisse werden hier vorge-tragen von Daniela Bechly, gebürtigeHamburgerin, aber seit 1993 in Englandansässig (1987 bis 1993 an der Deut-schen Oper Berlin tätig), und dem TrioKairos, das auf Musicaphon bereits einsehr erfolgreiches Debut mit den „Kla-viertrios der 20er Jahre“ hatte (Musica-phon M 56872).

Vokalmusik

Abbey Road a cappellaAtrium EnsembleM 56893 / Musicaphon

4012476568935

Die letzte Zusammenarbeit der Beatles, eines ihrer berühmtesten Alben,gesungen von vier Männern (hoher undmittlerer Tenor, Bariton und Bass) ohneInstrumentalbegleitung – geht das über-haupt? Es geht, und wie! Die behutsamenTranskriptionen Frank Schwemmerserfassen durchweg hervorragend dieStimmung der Songs, und die wesent-lichen Elemente werden mit wirklichunglaublicher Virtuosität von den vierSängern umgesetzt, so dass man sich manches Mal an die Ohren fasst und fragt, ob da wirklich nur vier Sänger undnicht ein ganzes Ensemble am Werk sind.

Beatles mal klassisch

Und so wirken die Songs trotz des feh-lenden Instrumentariums keineswegsunvollständig, aber klanglich halt andersund neu. Nach zwei Aufnahmen mitromantischem Liedgut (M 56848 und M 56876) ist dies die dritte Veröffen-tlichung dieses Ausnahme-Ensembles beiMusicaphon – ein Vergnügen nicht nurfür Beatles-Fans, die mit dem Originalvertraut sind.

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AUSGABE 2009/1 31

CLASS a k t u e l l

Michael Haydn (1737-1806)Responsorien zur Heiligen WochePurcell ChorOrfeo Orchestra, György VashegyiHCD 32596 / Hungaroton

5991813259622 / Ersteinspielung

Die Kompositionen für die Karwochedes Jahres 1778 sind grandiose Beispielefür Chorkompositionen im stilo antico.Das Responsorium – ein Wechselgesangvon Solist und Gemeinde – ist in derkatholischen Liturgie einer der üblichenGesangstypen der heiligen Messe und desStundengebets. Die Form geht auf denSynagogalgesang zurück und gilt somit als eine der ältesten Gesangsformen derchristlichen Kirche. Mit seinen homo-phonen, isorhythmischen Sätzen, dienach einem vollkommenen, innigen Aus-druck der Bibelverse streben – als obsich ihr Komponist, allen äußerlichenPrunk ausschließend, ausschließlich aufdie „innere Stimme konzentrieren würde– folgte Michael Haydn den Spuren solchgroßer Meister der Kirchenmusik wie Victoria und Ingegneri gegen Ende des16. Jahrhunderts oder Jomelli und Zelen-ka um die Mitte des 18. Jh.

Salzburger Meisterwerke

Er schrieb die Stücke in drei Versionen(a cappella, Chor mit Orgel, Chor mitOrgel und Violone). Bei der Premiere am15.4.1778 im Salzburger Dom wirkteauch der mit der Familie Mozart befreun-dete Kastrat Francesco Ceccarelli mit.

Baldassare Galuppi (1706-1785)L‘OlimpiadeTucker, Rosique, Invernizzi, Basso,GottwaldVenice Baroque Orchestra,Andrea MarconRegie: Dominique ZitoCDS 33545 / Dynamic (DVD Video)

8007144335458 / Ersteinspielung

„L’Olimpiade“ schrieb Galuppi für dieEröffnung der Karnevalssaison am Mai-länder Teatro Ducale im Dezember 1747auf ein Libretto des berühmten Metastasio.Es war dies einer der Titel, die Metastasioselbst als zu den in Europa meistgespiel-ten und wieder aufgenommenen zählte(„L’Olympiade“ wurde nicht weniger alshundert Mal vertont), auch wenn er nichtin der Lage war, die „beste der Musiken,die ihn vertont haben“ anzugeben – da er sich nie von Wien weg bewegte, um die diversen Aufführungen zu verfolgen.Galuppis Vertonung erfolgte 14 Jahrenach der ersten Inszenierung mit Musikvon A. Caldara und erfuhr über 30 Jahrehinweg eine Reihe von Wiederaufnahmenund Neuinszenierungen in ganz Europa.

Detektivische Meisterleistung

Die einzige Partitur wurde in Mailandaufbewahrt, war aber unvollständig. Dasmag erklären, warum das Werk späternicht mehr aufgeführt wurde, obwohl das Werk so lange Zeit überaus erfolg-reich gewesen war. Der Dirigent Andrea Marcon nahm sich in Zusammenarbeitmit der Musikwissenschaftlerin ClaireGenewein der Rekonstruktion des Werkesan. Schließlich fanden sie die eröffnendeSinfonia in einer Bibliothek in Regensburgund das Finale in London, so dass die buffo-Oper auf ein Libretto von Pietro Metastasioendlich 2006 in Venedig wieder auf dieBühne gebracht werden konnte.

Vicente Martín y Soler (1754-1806)Il burbero di bon cuoreDe la Merced, Chausson, Gens,Pirgu, DiazOrquesta Titular del Teatro RealOrquesta Sinfónica de Madrid,Christophe RoussetRegie: Irina BrookCDS 33580 / Dynamic (DVD Video)

8007144335809 / Ersteinspielung

Das Lustspiel in zwei Akten basiert aufeiner der bekanntesten und amüsantestenfranzösischen Komödien von Carlo Goldoni,Le bourru bienfaisant. Mit triumphalemErfolg hatte die Oper am 4.1.1786 amWiener Burgtheater Premiere. Mozart ge-fiel das Werk so gut, dass er zwei „Ersatz-arien“ für dieses Werk komponierte, diebeide auch Eingang in diese Produktiondes Teatro Real de Madrid fanden. AusValencia war der Komponist gebürtig, derdamals unter dem italianisierten NamenVincenzo Martini eine der absolutenGrößen im europäischen Musikleben war.Den entscheidenden Durchbruch hattenihm drei Opern gebracht, die er aufLibretti von Lorenzo da Ponte zwischen1786 und 1787 in Wien herausbrachte,darunter eben „Il burbero di buon coure“.Sehr rasch wurde das Werk in ganz Europapopulär. Und dies sicher nicht nur dankder heiteren Handlung, sondern vor allemwegen der raffiniert einfachen, anmutigund mit großem Farbenreichtum orche-strierten Musik. Die Handlung wird vonihr perfekt gelenkt, ohne unnötige Längen,so dass die Szenen mit drängendem Rhy-thmus aufeinander folgen und der Ge-schichte ein Gefühl frischer Natürlichkeitverleihen. Die Regisseurin Irina Brook,Tochter des bekannten englischen Regis-seurs Peter Brook, hatte mit dieser Insze-nierung ihr Debut am Teatro Real. Sie ver-setzte die Handlung in unsere Zeit, wobeisie mehrere Stile und Epochen mixt, wasneben der leichten, heiteren Musik Solersdas Werk zu einer wirklich amüsantenAbendunterhaltung macht.

Oper

Emilio Arrieta (1823-1894)La conquista di GranataCantarero, Ibarra, Bros, Odena,Rubiera, MilesSinfonischer Chor und Orchester Madrid,Jesús Lopez CobosCDS 618 / Dynamic

8007144606183 / Ersteinspielung

Seit über 150 Jahren schlummertediese Oper in den Archiven. Der Kompo-nist, aus Navarra gebürtig, begann nacheiner Ausbildung am Mailänder Konserva-torium in Harmonielehre und Kompositi-on eine Karriere als Sänger in Mailand,begann parallel aber Opern zu schreiben.

Aus Spaniens Blütezeit

Er gewann später die Gunst der jungenspanischen Königin Isabella II., die ihnam Madrider Hof zum „Maestro de canto“und Hofkomponisten machte. Er durftesein eigenes Theater bauen und hatte weit-gehende künstlerische Freiheiten. „LaConquista di Granata“ hatte ihre erfolg-reiche Erstaufführung in Madrid im Okto-ber 1850. Das Auftragswerk sollte einenruhmreichen Moment der spanischen Ge-schichte feiern, nämlich die Einnahme vonGranada 1492 durch die katholischen Kö-nige Ferdinand von Aragon und Isabellavon Kastilien. Es wurde ein Libretto vonTemistocle Solera gewählt, der vor allemals Textdichter für Verdis „Nabucco“ indie Geschichte einging. Trotz der Begei-sterung des Publikums geriet die Opermerkwürdigerweise in Vergessenheit, bissie 2006 in einer Produktion des TeatroReal in Madrid wiedererstand. Hierbeifolgte man der kritischen Ausgabe desWerkes von Ramón Sobrino und MariaEncina Cortizo. Diese Wiederentdeckungist eine wichtige Bereicherung des ita-lienischen Opernrepertoires des 19. Jahr-hunderts, zugleich eine Wiedergutma-chung an einem Komponisten voneuropäischer Statur. Die Aufführungerfolgte konzertant.

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