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780 FACHBEITRÄGE | Verkehrssteuerung | Cooperative ITS Corridor – Erprobung des Baustellenwarners Straßenverkehrstechnik 11.2018 Cooperative ITS Corridor Organisatorische und technische Erprobung des Baustellenwarners unter realen Bedingungen Verkehrshindernisse wahrnehmen, bevor man sie sieht. Gefahren erkennen, bevor sie zur Bedrohung werden. Die Vernetzung von Fahrzeugen und Infrastruktur durch kooperative Systeme bringt uns der Vision einer intelligenten und unfallfreien Mobilität näher. Für eine europaweite Einführung haben die Verkehrsminister der Bundesrepu- blik Deutschland, der Republik Österreich und der Niederlande in einer gemeinsamen Absichtserklärung eine Zusammenarbeit bei der Einführung von kooperativen intelligenten Verkehrssystemen im Korridor Rotterdam – Frankfurt – Wien vereinbart (C-ITS Corridor). Ziel ist der zukünftig flächendeckende Einsatz von kooperativen Systemen im Regelbetrieb. In Deutschland wurde hierzu ein Entwicklungsprojekt unter Federführung des Bun- desministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur aufgesetzt. Beteiligte Projektpartner sind Hessen Mobil und die Bundesanstalt für Straßenwesen. Die in diesem Rahmen erarbeiteten Konzepte und Komponenten bilden die Grundlage für einen deutschlandweiten Roll-Out durch alle Bundesländer. Im Anschluss an diese Entwicklung galt es, zu eruieren, inwieweit die u. a. im Rahmen des C-ITS Corridors entwickelten Prozesse und Strukturen, die Funktionalität der eingesetzten Technik und die Wirkungen der Funktionen des kooperativen Gesamtsystems den Anforderungen des Straßenbetreibers unter realen Bedingungen genügen. Ein zentraler kooperativer Dienst ist hierbei der Baustellenwarner für die frühzeitige Warnung vor Arbeitsstellen kürzerer Dauer (AkD). Dazu sollen Verkehrsteilnehmer, die sich einer derartigen Arbeitsstelle nähern, frühzeitig über im Fahrzeug integrierte Anzei- gesysteme gewarnt werden. Im Rahmen eines umfangreichen Probebetriebs in Hessen wurden hierzu die erfor- derlichen technischen und organisatorischen Abläufe implementiert und im Straßenbetriebsdienst auf deren Funktionalität überprüft. Dieser Beitrag beschreibt den wesentlichen Aufbau und die zentralen Ergebnisse des durchgeführten Probebetriebs in Hessen. 1 Hintergrund und Motivation In einer gemeinsamen Absichtserklärung haben die Verkehrsminister der Bundesre- publik Deutschland, der Republik Österreich und der Niederlande im Juni 2013 eine Zusammenarbeit bei der gemeinsamen Ein- führung von kooperativen Intelligenten Verkehrssystemen (engl. Cooperative Intel- ligent Transport Systems – C-ITS) auf Au- tobahnen im Korridor Rotterdam – Frankfurt – Wien vereinbart. Auf dieser Grundlage arbeiten Straßenbetreiber über Ländergren- zen hinweg mit Partnern aus der Industrie zusammen, um die schrittweise Einführung kooperativer Systeme in Europa voranzu- treiben. In Deutschland wurde hierzu ein Entwicklungsprojekt unter Federführung des Bundesministeriums für Verkehr und digi- tale Infrastruktur (BMVI) aufgesetzt. Betei- ligte Projektpartner sind Hessen Mobil und die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt). Hessen Mobil übernimmt in diesem Zusam- menhang die Vorentwicklung auf der deut- schen Seite, unter anderem die Entwicklung zentralenseitiger Softwarekomponenten sowie die Erstellung des Lastenhefts für die straßenseitige Hardware, die notwendigen Rahmenbetriebskonzepte und Handbücher. Die Bundesanstalt für Straßenwesen ist mit der Erstellung der Systemarchitektur, des IT-Sicherheits- und Datenschutzkonzepts sowie der Begleitung der erforderlichen Tests und Abnahmen des Gesamtsystems betraut. Die entwickelten Komponenten bilden die Grundlage für einen deutschlandweiten Roll-Out durch alle Bundesländer. Die direkte Kommunikation zwischen Fahr- zeugen, straßenseitiger Verkehrsleittechnik und Verkehrsleitzentralen ermöglicht Ver- kehrsteilnehmern vorausschauender und sicherer zu fahren, da sie frühzeitig über die aktuelle Verkehrslage und mögliche Gefah- ren informiert werden. Dies führt zu mehr Sicherheit, weniger Unfällen, einer besseren Auslastung des Straßennetzes, weniger Staus und sinkenden CO 2 -Emissionen (siehe hierzu bspw. [1]). Seit vielen Jahren engagieren sich der Bund und Hessen Mobil für die Erforschung und Erprobung zukünftiger Verkehrssysteme. Im Zuge dessen wurde die Region Frankfurt Rhein-Main zu einem der größten Testfelder für kooperative Verkehrssysteme ausgebaut. Zusätzlich zur Wahrnehmung der gesetzlich festgelegten Aufgaben des Verkehrsmanage- ments wurden und werden namhafte For- schungsprojekte im Bereich kooperativer Verfasser Dr.-Ing. Tobias Trost [email protected] Martin Trempler [email protected] Hessen Mobil Straßen- und Verkehrsmanagement Bessie-Coleman-Straße 7 60549 Frankfurt am Main Konstantin Sauer Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur Robert-Schuman-Platz 1 53175 Bonn Gerd Riegelhuth Hessen Mobil Straßen- und Verkehrsmanagement Wilhelmstraße 10 65185 Wiesbaden Dr.-Ing. Achim Reußwig Hessen Mobil Straßen- und Verkehrsmanagement Bessie-Coleman-Straße 7 60549 Frankfurt am Main

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Fachbeiträge | Verkehrssteuerung | Cooperative ITS Corridor – Erprobung des Baustellenwarners

Straßenverkehrstechnik 11.2018

Cooperative ITS CorridorOrganisatorische und technische Erprobung des Baustellenwarners unter realen BedingungenVerkehrshindernisse wahrnehmen, bevor man sie sieht. Gefahren erkennen, bevor sie zur Bedrohung werden. Die Vernetzung von Fahrzeugen und Infrastruktur durch kooperative Systeme bringt uns der Vision einer intelligenten und unfallfreien Mobilität näher. Für eine europaweite Einführung haben die Verkehrsminister der Bundesrepu-blik Deutschland, der Republik Österreich und der Niederlande in einer gemeinsamen Absichtserklärung eine Zusammenarbeit bei der Einführung von kooperativen intelligenten Verkehrssystemen im Korridor Rotterdam – Frankfurt – Wien vereinbart (C-ITS Corridor). Ziel ist der zukünftig flächendeckende Einsatz von kooperativen Systemen im Regelbetrieb. In Deutschland wurde hierzu ein Entwicklungsprojekt unter Federführung des Bun-desministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur aufgesetzt. Beteiligte Projektpartner sind Hessen Mobil und die Bundesanstalt für Straßenwesen. Die in diesem Rahmen erarbeiteten Konzepte und Komponenten bilden die Grundlage für einen deutschlandweiten Roll-Out durch alle Bundesländer. Im Anschluss an diese Entwicklung galt es, zu eruieren, inwieweit die u. a. im Rahmen des C-ITS Corridors entwickelten Prozesse und Strukturen, die Funktionalität der eingesetzten Technik und die Wirkungen der Funktionen des kooperativen Gesamtsystems den Anforderungen des Straßenbetreibers unter realen Bedingungen genügen. Ein zentraler kooperativer Dienst ist hierbei der Baustellenwarner für die frühzeitige Warnung vor Arbeitsstellen kürzerer Dauer (AkD). Dazu sollen Verkehrsteilnehmer, die sich einer derartigen Arbeitsstelle nähern, frühzeitig über im Fahrzeug integrierte Anzei-gesysteme gewarnt werden. Im Rahmen eines umfangreichen Probebetriebs in Hessen wurden hierzu die erfor-derlichen technischen und organisatorischen Abläufe implementiert und im Straßenbetriebsdienst auf deren Funktionalität überprüft. Dieser Beitrag beschreibt den wesentlichen Aufbau und die zentralen Ergebnisse des durchgeführten Probebetriebs in Hessen.

1 Hintergrund und Motivation

In einer gemeinsamen Absichtserklärung haben die Verkehrsminister der Bundesre-publik Deutschland, der Republik Österreich und der Niederlande im Juni 2013 eine Zusammenarbeit bei der gemeinsamen Ein-führung von kooperativen Intelligenten Verkehrssystemen (engl. Cooperative Intel-ligent Transport Systems – C-ITS) auf Au-tobahnen im Korridor Rotterdam – Frankfurt – Wien vereinbart. Auf dieser Grundlage arbeiten Straßenbetreiber über Ländergren-zen hinweg mit Partnern aus der Industrie zusammen, um die schrittweise Einführung kooperativer Systeme in Europa voranzu-treiben. In Deutschland wurde hierzu ein Entwicklungsprojekt unter Federführung des Bundesministeriums für Verkehr und digi-tale Infrastruktur (BMVI) aufgesetzt. Betei-ligte Projektpartner sind Hessen Mobil und die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt). Hessen Mobil übernimmt in diesem Zusam-menhang die Vorentwicklung auf der deut-schen Seite, unter anderem die Entwicklung zentralenseitiger Softwarekomponenten sowie die Erstellung des Lastenhefts für die straßenseitige Hardware, die notwendigen Rahmenbetriebskonzepte und Handbücher.

Die Bundesanstalt für Straßenwesen ist mit der Erstellung der Systemarchitektur, des IT-Sicherheits- und Datenschutzkonzepts sowie der Begleitung der erforderlichen Tests und Abnahmen des Gesamtsystems betraut. Die entwickelten Komponenten bilden die Grundlage für einen deutschlandweiten Roll-Out durch alle Bundesländer.

Die direkte Kommunikation zwischen Fahr-zeugen, straßenseitiger Verkehrsleittechnik und Verkehrsleitzentralen ermöglicht Ver-kehrsteilnehmern vorausschauender und sicherer zu fahren, da sie frühzeitig über die aktuelle Verkehrslage und mögliche Gefah-ren informiert werden. Dies führt zu mehr Sicherheit, weniger Unfällen, einer besseren Auslastung des Straßennetzes, weniger Staus und sinkenden CO2-Emissionen (siehe hierzu bspw. [1]).

Seit vielen Jahren engagieren sich der Bund und Hessen Mobil für die Erforschung und Erprobung zukünftiger Verkehrssysteme. Im Zuge dessen wurde die Region Frankfurt Rhein-Main zu einem der größten Testfelder für kooperative Verkehrssysteme ausgebaut. Zusätzlich zur Wahrnehmung der gesetzlich festgelegten Aufgaben des Verkehrsmanage-ments wurden und werden namhafte For-schungsprojekte im Bereich kooperativer

■ Verfasser

Dr.-Ing. Tobias [email protected]

Martin Trempler [email protected]

Hessen Mobil Straßen- und VerkehrsmanagementBessie-Coleman-Straße 760549 Frankfurt am Main

Konstantin Sauer

Bundesministerium für Verkehr und digitale InfrastrukturRobert-Schuman-Platz 153175 Bonn

Gerd Riegelhuth

Hessen Mobil Straßen- und VerkehrsmanagementWilhelmstraße 1065185 Wiesbaden

Dr.-Ing. Achim Reußwig

Hessen Mobil Straßen- und VerkehrsmanagementBessie-Coleman-Straße 760549 Frankfurt am Main

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Cooperative ITS Corridor – Erprobung des Baustellenwarners | Verkehrssteuerung | Fachbeiträge

Straßenverkehrstechnik 11.2018

Verkehrssysteme sowie des automatisierten und vernetzten Fahrens (u. a. simTD, aFAS, IMAGinE, C-ROADS) aktiv unterstützt. Im Rahmen des großangelegten simTD-Feldver-suchs in Hessen konnten die technische Machbarkeit, Alltagstauglichkeit und Wirk-samkeit der Vehicle-to-X-Kommunikation unter realen Bedingungen nachgewiesen und wesentliche Grundlagen zur Einführung von kooperativen Systemen gelegt werden.

Als eine erste Anwendung von kooperativen Verkehrssystemen hat sich hierbei der Dienst Baustellenwarnung (engl. Road Works War-ning – RWW), zur Warnung vor Arbeitsstel-len kürzerer Dauer herauskristallisiert. Dazu sollen Verkehrsteilnehmer, die sich einer AkD nähern, frühzeitig über die fahrzeugei-genen Anzeigesysteme gewarnt werden. Die Fahrer erhalten eine Information über die genaue Position der Arbeitsstelle. Die War-nung erfolgt ergänzend zur statischen Be-schilderung der fahrbaren Absperrtafeln. Darüber hinaus wird die exakte Lage der AkD in die Verkehrsrechnerzentrale über-mittelt und es besteht die Möglichkeit, die vorhandenen Informationen durch zusätz-liche Baustellenplanungsdaten anzurei-chern.

Für die Umsetzung der Baustellenwarnung im C-ITS Corridor werden verschiedene Kommunikationswege genutzt. Bild 1 zeigt die grundsätzliche Systemarchitektur inklu-sive der wesentlichen Komponenten des kooperativen Systems. Der Datenaustausch zwischen den Fahrzeugen (engl. ITS Vehicle Stations – IVS) und der Verkehrsinfrastruk-tur – hier in Form fahrbarer Absperrtafeln – (engl. ITS Roadside Stations – IRS) erfolgt auf Grundlage des Standards ITS G5 (IEEE 802.11p) des European Telecommunications Standards Institute (ETSI) im Frequenzbe-reich von 5,9 GHz. Für den Dienst Baustel-

lenwarnung werden ereignisbezogene Nach-richten in Form von Decentralized Environ-mental Notification Messages (DENM) ver-sandt. Diese beinhalten als Information unter anderem die Position der Arbeitsstelle, die Geschwindigkeit im Falle einer mobilen Maßnahme wie beispielsweise Grünschnitt sowie die Information, ob an der AkD links oder rechts vorbeizufahren ist. Weiterhin kann solch eine DENM zusätzliche Informa-tionen bezüglich verfügbarer/gesperrter Fahrstreifen enthalten. Neben den DENM werden Cooperative Awareness Messages (CAM), die über den Fahrzeugzustand infor-mieren, versandt.

2 Ziele und Methodik

Gesamtziel ist der zukünftig flächendecken-de Einsatz des Baustellenwarners auf Bun-

desautobahnen im Regelbetrieb. Hierfür gilt es, im Vorhinein zu eruieren, inwieweit die entwickelten Prozesse und Strukturen, die Funktionalität der eingesetzten Technik und die Wirkungen der Funktionen des koope-rativen Gesamtsystems den derzeitigen An-forderungen im Straßenbetrieb unter realen Bedingungen genügen. Sowohl die Vorbe-reitung als auch die schrittweise Einführung der neuen Technologie erfolgen hierbei im engen Austausch mit den Partnern auf eu-ropäischer Ebene und der Automobilindus-trie. Für die Einführung des Baustellenwar-ners laufen verschiedene Aktivitäten paral-lel, in denen organisatorische, funktionale und technische Aspekte behandelt werden. In Hessen sind hierfür bereits die ersten fahrbaren Absperrtafeln mit entsprechender Technik ausgerüstet und im Einsatz.

Im Rahmen eines umfangreichen Probebe-

Detect traffic disruptions before you see them. Recognize dangers before they become a threat. The connecting of vehicles and infrastructure through cooperative systems brings us closer to the vision of intelligent and accident-free mobility. The Transport Ministers of the Federal Republic of Germany, the Republic of Austria and the Netherlands have agreed in a Memorandum of Un-derstanding to cooperate on the Europe-wide introduction of cooperative intelligent transport systems in the Rotterdam – Frankfurt – Vienna corridor (C-ITS Corridor). The future aim is the area-wide use of cooperative systems in regular operation. In Germany, a development project was initiated under the coordination of the Federal Ministry of Transport and Digital Infrastructure. Participa-ting project partners are Hessen Mobil and the Federal Highway Research Institute. The concepts and components developed in this project phase provide the basis for the roll-out in Germany carried out by the federal states. After that, it was necessary to deter-mine to what extent the developed processes and structures, the functionality of the technology used and the cooperative overall system meet the requirements of road maintenance services. In this context, a central cooperative service is roadworks warning for the early warning of short-term roadworks. For this purpose, road users approaching short-term roadworks receive an early warning via display systems in the vehicle. Within the scope of an extensive trial operation in Hesse, the necessary technical and organza-tional processes were implemented and tested under real road maintenance service conditions. This article describes the essential structure and the central results of the trial operation in Hesse.

Bild 1: Schematische Darstellung des kooperativen Systems des Baustellenwarners

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Fachbeiträge | Verkehrssteuerung | Cooperative ITS Corridor – Erprobung des Baustellenwarners

Straßenverkehrstechnik 11.2018

triebs im Straßenbetriebsdienst bei Hessen Mobil wurden hierzu die erforderliche Tech-nik sowie die organisatorischen Abläufe implementiert, im Detail geprüft und auftre-tende Probleme und Abweichungen von den erwarteten Ergebnissen protokolliert sowie anschließend analysiert und behoben. Die gesammelten Erfahrungen sowie die aus der Evaluation des Probebetriebes gewonnenen Erkenntnisse sollen dazu verwendet werden, den Übergang in den Regelbetrieb möglichst reibungslos zu gestalten. Dieser Beitrag

beschreibt den wesentlichen Aufbau und Ergebnisse des durchgeführten Probebe-triebs zum Dienst Baustellenwarnung in Hessen durch Hessen Mobil. Hierzu werden in Abschnitt 3 die organisatorischen und technischen Phasen des Probebetriebs und insbesondere die technische Ausstattung beschrieben. Anschließend erfolgt in Ab-schnitt 4 eine Darstellung der wesentlichen Ergebnisse des Probebetriebs und der Beitrag schließt in Abschnitt 5 mit einem Fazit und Ausblick.

3 Phasen des Probebetriebs

Der Probebetrieb des C-ITS Corridors in Deutschland umfasst zwei thematische Be-reiche: zum einen die Erprobung organisa-torischer Prozessabläufe mit Prozessdesign und -implementierung sowie zum anderen den technischen Probebetrieb. Letzterer ist wiederum in zwei Phasen unterteilt: interner technischer Probebetrieb (Phase 1) und of-fener technischer Probebetrieb (Phase 2). Bild 2 zeigt die wesentlichen Phasen des Probebetriebs im zeitlichen Ablauf sowie deren Inhalte. Der Fokus dieses Beitrags liegt auf der Erprobung organisatorischer Pro-zessabläufe sowie insbesondere auf dem offenen technischen Probebetrieb unter Beteiligung der Automobilindustrie sowie verschiedener Zulieferer.

Im offenen technischen Probebetrieb wur-den zwei verschiedene Varianten von Tests durchgeführt: offene und strukturierte Tests. Bei den offenen Tests konnten Testfahrten durch die Automobilindustrie jederzeit bei Hessen Mobil angemeldet und an eingerich-teten AkD, die mit dem Dienst RWW ausge-stattet waren, eigenständig durchgeführt werden. Im Rahmen der strukturierten Tests wurden definierte Use Cases zu festgelegten Zeitpunkten durchgeführt. Insgesamt wur-den 53 Use Cases definiert, um verschiedene Rahmenbedingungen zu evaluieren (u. a. Art der AkD – stationär oder mobil, verschiede-ne Anzahlen von fahrbaren Absperrtafeln sowie unterschiedliche Umfeldbedingun-gen). Bild 3 zeigt einen beispielhaften Use Case unter Angabe der jeweiligen Randbe-dingungen und zu untersuchender Evaluie-rungsparameter.

Erprobung organisato- rischer Prozessabläufe § Prozessgestaltung § Identifikation

von Beteiligten § Zuordnung zu

Rollen und Prozessen

Interner technischer Probebetrieb § Vorbereitung der ICS § Ausrüstung der

Sperranhänger § Testen der

Funktionalitäten

Offener technischer Probebetrieb § Durchführung

definierter Use Cases § Prüfung der Einzel-

komponenten und des Gesamtsystems

Bild 2: Phasen des Probebetriebs im deutschen Teil des C-ITS Corridors

Evaluationsparameter

Funkreichweite (Empfang durch IVS) Korrekter Inhalt der DENM

o Positiono Traceso Fahrstreifeno Pfeilstellung

Zuordnung der AkD in der Zentrale (ICS)

Randbedingungen

Wetter (Regen, Trocken) Verkehrsfluss (Stau, fließend) Tageszeit (Hell, Dunkel)

'

Umfeldbedingungen stationäre AkD, linke Fahrstreifen gesperrt zwei Absperrtafeln gerade Strecke, Wald

Bild 3: Beispiel-hafter Use Case im Rahmen des tech-nischen Probebe-triebs

ITS Roadside Stations (IRS)

ITS Vehicle Stations (IVS)

Public Key Infrastructure (PKI)

ITS Central Stations (ICS)

Mobilitätsdatenmarktplatz (MDM)

Geodienst

Baustellenmanagementsystem/ Verkehrsrechnerzentrale

Betriebsmeldungs- monitor

(MDM)

Bild 4: Architektur der wesentlichen Kompo-nenten für den koopera-tiven Dienst des Baustel-lenwarners

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Cooperative ITS Corridor – Erprobung des Baustellenwarners | Verkehrssteuerung | Fachbeiträge

Straßenverkehrstechnik 11.2018

3.1 Erprobung organisatorischer Prozessabläufe

Die Erprobung organisatorischer Prozessab-läufe umfasst die Überprüfung und Weiter-entwicklung der entwickelten und imple-mentierten betriebsrelevanten Prozesse. Diese Prozesse werden im Rahmen des Probebetriebs und im späteren Regelbetrieb benötigt, um eine reibungslose Durchfüh-rung und Betrieb zu gewährleisten. Es wur-de hierfür eine Vielzahl von Arbeitsschritten vorgesehen, die bereits während der Laufzeit des Probebetriebs umgesetzt wurden. Dabei galt es zunächst, relevante Prozesse anhand der Struktur eines Produktlebenszyklus (Beschaffung/Entwicklung, Inbetriebnahme, Betrieb, Außerbetriebnahme) auszuwählen, sie für den Probebetrieb anzupassen und entsprechend in bestehende Strukturen zu implementieren.

Die Implementierung der relevanten Prozes-se in bestehende Strukturen folgte im An-schluss an das eigentliche Prozessdesign. Hierzu wurden die ausführenden Rollen personell besetzt und an die neuen Aufga-ben herangeführt. Entsprechende Workshops wurden abgehalten, um sowohl eine Sensi-bilisierung der zuständigen Stellen zu beför-dern als auch technische und organisatori-sche Hintergründe zu erläutern. Die enge Abstimmung mit dem Straßenbetriebsdienst bei Hessen Mobil sowie der zuständigen Straßenverkehrsbehörde stellte die Umsetz-barkeit der zu testenden Use Cases im Stra-ßenverkehr sicher. Die Organisation und Durchführung dieser Use Cases wurde von der kooperativen Verkehrszentrale im DRIVE Center Hessen aus geleitet.

Im Rahmen der parallel zum Probebetrieb angelaufenen Evaluation der ausgewählten und implementierten Prozesse wurden die wahrgenommenen Aufgaben im Hinblick auf ihre Effizienz und Zuverlässigkeit unter-sucht. Hierzu wurden die Arbeitsabläufe zunächst mehrfach wiederholt, um anschlie-ßend erste Verbesserungen in diesen Abläu-fen vorzunehmen.

3.2 Technischer Probebetrieb

Im Rahmen des technischen Probebetriebs wurden wesentliche technische Komponen-ten und Schnittstellen auf deren Funktio-nalität geprüft. Hierzu ist in Bild 4 die grundsätzliche Systemarchitektur und mit einem Gitter hinterlegt die zum Kern des kooperativen Dienstes des Baustellenwar-ners gehörenden Komponenten dargestellt.

Dazu gehören die folgenden Bestandteile, die anschließend zum Teil näher erläutert werden:

– ITS Roadside Stations (IRS)

– ITS Central Stations (ICS)

– Geodienst

– Betriebsmeldungsmonitor.

Ferner gehören zur Gesamtarchitektur auch die Kommunikationsschnittstellen zu exter-nen Systemen wie beispielsweise zu fahr-zeugseitigen Einrichtungen (IVS), zur Public Key Infrastruktur (PKI) und zum Mobilitäts-datenmarktplatz (MDM).

3.2.1 ITS Roadside Station

Die an den fahrbaren Absperrtafeln instal-lierten IRS versenden kooperative Meldun-gen mit Informationen zur Baustelle, wie beispielsweise die Position der Baustelle, die Pfeilstellung der Absperrtafel und deren Geschwindigkeit im Falle einer mobilen Maßnahme über drahtlose Kommunikati-onstechnologien an Fahrzeuge in der Um-gebung sowie über Mobilfunk an die ICS. Derzeit erfolgt in Hessen die Übermittlung der aktuellen Statusinformationen über das bestehende System zur Dynamischen Ortung von Arbeitsstellen (DORA) und die zu die-sem Zweck installierte DORA-Einheit (siehe Bild 5 rechter Teil).

Die Informationen, die das Ortungs- und Kommunikationssystem bereits generiert und verarbeitet, beinhalten viele Daten, die für kooperative Baustellenwarnungen eben-falls relevant sind. Daher werden die beste-henden Komponenten auch für den C-ITS Corridor genutzt. Für die Kommunikation zwischen Infrastruktur und Fahrzeugen wird die vorhandene DORA-Einheit um ein Kom-munikationsmodul auf Grundlage des ETSI-

IST-G5-Standards (IEEE 802.11p) erweitert (siehe Bild 5 linker Teil).

Der Einbau der Einheiten erfolgt direkt an der fahrbaren Absperrtafel (FAT), die im aktiven Zustand, also mit aufgeklappter Absperrtafel und blinkendem Pfeil bzw. Kreuz, mit dem Versand der DENM beginnt, die durch Informationen aus einem Baustel-lenmanagementsystem (BMS) angereichert werden können. Parallel dazu werden bereits beim Einschalten der Hauptstromversorgung die Wegepunkte (engl. Traces) der fahrbaren Absperrtafel während der Anfahrt zu einer Maßnahme aufgezeichnet, da diese Traces ein wesentlicher Bestandteil der DENM und ein relevantes Kriterium für den Empfänger bei der Entscheidung zur Relevanz der emp-fangenen Nachricht sind.

3.2.2 ITS Vehicle Station

Für die durchgeführten Evaluierungsfahrten im Rahmen des technischen Probebetriebs wurde die mobile Sende- und Empfangsein-heit waveBEE der Firma Nordsys genutzt (Bild 6). Diese wurde in einen Opel Zafira eingebaut, der als Testfahrzeug fungierte (Bild 7).

Zum Aufzeichnen der DENM, die von der IRS versendet wurden, kam das Programm Wireshark mit den notwendigen Plugins von ETSI zum Dekodieren der DENM zum Ein-satz. Die Verbindung mit der waveBEE er-folgte per WLAN. Auf diese Weise konnten die empfangenen Netzwerkpakete unter Verwendung von Wireshark dekodiert, im Fahrzeug angezeigt und für eine spätere Auswertung gespeichert werden.

3.2.3 Backend-Systeme

Zur Gesamtarchitektur gehören ebenfalls verschiedene Backend-Systeme, die Infor-

Bild 5: Technische Ausrüstung der FAT – DORA-Einheit und ETSI ITS G5-Kommunikationseinheit

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Fachbeiträge | Verkehrssteuerung | Cooperative ITS Corridor – Erprobung des Baustellenwarners

Straßenverkehrstechnik 11.2018

mationen über eine Datenverbindung an die ICS übertragen oder Informationen von der ICS erhalten (Bild 4). Hierzu gehören u. a. der Geodienst sowie die Kommunikations-schnittstelle zum Mobilitätsdatenmarktplatz (MDM), deren generelle Funktionalität nach-folgend erläutert wird.

Geodienst

Der Geodienst dient zur Umrechnung ver-schiedener Referenzierungssysteme. Dies ist notwendig, da die IRS ihre Position mithil-fe des GPS-Systems ermittelt und die GPS-Koordinaten für die Nachrichten der Bau-stellenwarnung bereitstellt. Das BMS, in dem der Straßeninfrastrukturbetreiber Pla-nungsdaten zu Baustellen hinterlegt, ver-wendet in Hessen jedoch die Autobahnki-lometrierung als Referenzsystem. Um die IRS auf Grundlage dieser Informationen einer geplanten AkD zuzuordnen, muss ein einheitliches Referenzierungssystem ver-wendet werden, d. h., die GPS-Koordinaten der IRS müssen entsprechend umgerechnet werden. Ähnlich verhält es sich mit den Daten, die am MDM bereitgestellt werden sollen. Eine weitere Aufgabe des Geodiens-tes ist ein vereinfachtes Routing, basierend auf einer routingfähigen Karte. Die Rou-

tingfähigkeit ist die Grundlage für die Zuordnung einer oder mehrerer IRS zu ei-ner geplanten AkD.

Mobilitätsdatenmarktplatz

Über den MDM sollen die von den fahrbaren Absperrtafeln versendeten Baustelleninfor-mationen auch anderen Dienstanbietern zur Verfügung gestellt werden. Dies erfolgt über eine definierte Schnittstelle der ICS. Die IRS schickt die Baustellenmeldung bei bestehen-der Mobilfunkverbindung an die ICS, welche die Meldung im Datenformat DATEX II an den MDM weiterleitet, wo sich potenzielle Abnehmer nach einer Registrierung am MDM die bereitgestellten Daten abholen können. Die ICS stellt die Daten am MDM bereit, sobald die Nachrichten von der IRS in der ICS eingegangen sind (push on oc-currence). Die Bereitstellung der Daten er-folgt über das Protokoll SOAP (Simple Ob-ject Access Protocol). Voraussetzung für die Datenabgabe am MDM ist der zuvor be-schriebene Geodienst, der die GPS-Koordi-naten der IRS-Baustellenmeldung in ALERT-C (Advice and Problem Location for Euro-pean Road Traffic)-kodierte Ortsreferenzie-rung umrechnet.

4 Ergebnisse des Probebetriebs

In diesem Abschnitt werden zentrale Ergeb-nisse des Probebetriebs dargestellt, für den 12 fahrbare Absperrtafeln in Hessen tech-nisch ausgerüstet und in Betrieb genommen wurden. Die Planung und Durchführung der Inbetriebnahme technischer Komponenten und die Implementierung organisatorischer Prozesse waren ebenfalls wichtiger Bestand-teil des realisierten Probebetriebs.

4.1 Erprobung organisatorischer Prozessabläufe

Insgesamt wurden folgende acht relevante Prozesse entlang des Produktlebenszyklus für den Probebetrieb in Hessen identifiziert: Störungsmanagement, Inbetriebnahme IRS, Inbetriebnahme ICS, Konfigurationsma-nagement, Operativer Einsatz IRS, Operati-ver Einsatz ICS, Change und Release Ma-nagement sowie Problemmanagement. Ein Großteil dieser Prozesse entfiel dabei auf den Betrieb des kooperativen Systems. Weitere für den Lebenszyklus des Systems notwen-digen Prozesse waren entweder bereits vorhanden oder kamen noch nicht zur Anwendung. Dies betraf beispielsweise die IRS-Außerbetriebnahme oder die Beschaf-fung der notwendigen technischen Kompo-nenten, für die bereits etablierte Prozesse und Strukturen zur Verfügung standen.

Die vorab als relevant identifizierten Pro-zesse konnten wirksam modelliert sowie implementiert werden und ermöglichten einen ersten Betrieb des kooperativen Ge-samtsystems im öffentlichen Straßenver-kehr. Die Toolunterstützung (bspw. mittels editierbarer Formularvorlagen) unter ande-rem innerhalb des Change und Release Managements erwies sich dabei als zielfüh-rende Methode, um eine schnelle Umsetzung des Prozesses voranzutreiben und eine umfängliche Sicherstellung der Funktionen zu gewährleisten. Mit steigender Ausstat-tungsrate der Fahrzeugflotte mit kooperati-ven Systemen wird innerhalb des Gesamt-systems insbesondere das Monitoring des operativen Betriebs der IRS und ICS zukünf-tig eine zunehmende Bedeutung bekommen, die in diesem Umfang für den Probebetrieb nicht relevant war.

Die frühe Einbindung aller beteiligten Ak-teure durch Workshops ist auch für die Einführung von Systemkomponenten und Diensten des Cooperative ITS in den Wirk-betrieb ein geeignetes Vorgehen. Gerade im Hinblick auf das Straßenbetriebsdienstper-

Bild 7: Testfahrzeug Opel Zafira

Bild 6: Technische Ausrüstung des Test-fahrzeugs inkl. Sende- und Empfangseinheit waveBEE

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Straßenverkehrstechnik 11.2018

4.2.2 Kommunikationsreichweite

Die erzielten Kommunikationsreichweiten über ETSI ITS G5 als Übertragungsmedium entsprachen den Erwartungen und wurden zum Teil übertroffen. Bei 18 Fahrten (etwa 19 %) betrug die Reichweite weniger als 300 m (Anforderung der Automobilindu-strie). Nach Prüfung der Use Cases, bei denen die geringen Reichweiten auftraten, konnte festgestellt werden, dass in zwei Drittel der Fälle die Ursache darin bestand, dass sich die AkD im Rampenbereich be-fand. Dadurch war eine Sichtverbindung zum Fahrzeug nicht gegeben und es wur-de nicht geradlinig auf die AkD zugefah-ren.

Bild 9 gibt einen Überblick über die erzielten Reichweiten aller Fahrten ohne Berücksich-

von Bedeutung, da der Empfänger der Bau-stellenwarnung unter anderem mittels der Traces prüft, ob die Nachricht für ihn relevant ist und daher verarbeitet und angezeigt wer-den muss. Da die Traces der aufgezeichneten DENM als Deltawerte zur jeweils aktuellen Position vorliegen, wurden aus den aufge-zeichneten Deltawerten absolute Latitude- und Longitude-GPS-Koordinaten errechnet. Bild 8 zeigt zwei exemplarische Traces einer mobilen Maßnahme auf Autobahnkreuzen rund um Frankfurt am Main.

Am Ende des Tests konnte festgestellt wer-den, dass die Kommunikation zwischen IRS und den Fahrzeugen (IVS) erfolgreich ge-prüft werden konnte und die Nachrichten-inhalte, hier am Beispiel der Traces, durch die IRS korrekt gesetzt und durch die Emp-fänger richtig verarbeitet wurden.

sonal, das für den Einsatz der IRS eine wichtige Aufgabe hinsichtlich der Prüfung der Hardware und der Meldung von Auffäl-ligkeiten hat, ist eine Sensibilisierung für das neue System empfehlenswert. Darüber hin-aus hat der Probebetrieb gezeigt, dass klar definierte Schnittstellen zu der Automobil-industrie, insbesondere bei neuen Anforde-rungen und Changes, als systemkritisch zu betrachten sind was somit eine übergreifen-de Zusammenarbeit erforderlich macht.

4.2 Technischer Probebetrieb

Das für den technischen Probebetrieb fest-gelegte Testgebiet umfasste ausgewählte Autobahnabschnitte des DRIVE-Testfelds im Rhein-Main-Gebiet. Dazu zählten Abschnit-te auf den Bundesautobahnen A 3, A 5, A 60, A 67, A 661 und A 671. Nachfolgend werden einzelne technische Ergebnisse des Probebetriebs der durch Hessen Mobil durchgeführten Testfahrten dargestellt, um die Funktionalität des Systems nachzuwei-sen.

Des Weiteren führte die Automobilindustrie im Rahmen des offenen technischen Probe-betriebs eigene Testfahrten mit unterschied-licher Testausrüstung durch. Die Ergebnisse dieser Testfahrten bestätigten, dass die ver-sendeten Nachrichten (DENM und CAM) auch von externen Testteilnehmern korrekt und vollständig gelesen werden konnten.

4.2.1 Traces

Die aufgezeichneten Traces (s. Abschnitt 3.2.1) sind ein wesentlicher Bestandteil der DENM. Das richtige Generieren der Traces in der IRS ist vor allem für die Empfängerseite

Bild 9: Erzielte Kommunikationsreichweiten (ETSI ITS G5) bei den durch Hessen Mobil durchgeführten Testfahrten

Bild 8: Darstellung exemplarischer Tra-ces einzelner Test-fahrten, Karte von Openstreetmap.org [2]

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Fachbeiträge | Verkehrssteuerung | Cooperative ITS Corridor – Erprobung des Baustellenwarners

Straßenverkehrstechnik 11.2018

Forschungs- und Pilotprojekten getroffenen Annahmen auch unter realen Verkehrsbe-dingungen und den Einsatzbedingungen des Straßenbetriebsdienstes bestätigen. Die Er-gebnisse zeigen, dass die ETSI-IST-G5-Technologie für die Nahbereichskommuni-kation im Straßenverkehr einen Reifegrad erreicht hat, der das Ausrollen von koope-rativen Systemen im Feld und deren Regel-betrieb möglich macht. Der Ansatz der pa-rallelen Durchführung der Erprobung orga-nisatorischer Prozessabläufe sowie des technischen Probebetriebs hat sich bewährt und sollte ebenfalls für das bundesweite Roll-Out und den Regelbetrieb weiterver-folgt werden, um die gesammelten Erfah-rungen von Hessen Mobil effektiv und effi-zient zu nutzen.

Durch die erfolgreiche Implementierung und Evaluierung des Probebetriebs und den anstehenden flächendeckenden Roll-Out der notwendigen Infrastruktur ist ein wegwei-sender Schritt in Richtung C-ITS in Europa vollzogen und es sind wichtige Weichen für eine europäische Harmonisierung zur Si-cherstellung der Interoperabilität gestellt.

Literaturverzeichnis

[1] R i e g e l h u t h , G.; R e u s s w i g , A.; K ü h -n e l , C.; K a t s a r o s , A. (2013): „Schlussbericht simTD – Hessen Mobil“

[2] „OpenStreetMap,“ [Online]: Available: www.openstreetmap.org

Latenzzeit 1.019 Logeinträge zur Verfügung. Die Latenzzeiten reichten dabei von 0 bis 4.506 Sekunden. Der Mittelwert lag bei etwa 29 Sekunden (ohne Ausreißer), der Median bei 8 Sekunden. Der Median kann an dieser Stelle als aussagekräftigerer Wert angesehen werden, da er robuster gegenüber Ausrei-ßern ist, die besonders nach oben einen negativen Einfluss auf eine Aussage bezüg-lich der Latenzzeit haben. Die Verteilung der Latenzzeiten ist in Tabelle 1 dargestellt.

Wie aus der Tabelle hervorgeht, lag der Großteil der Latenzzeiten, 62,4 %, zwischen 0 und 10 Sekunden. Eine Gemeinsamkeit der sechs höchsten Latenzzeiten ist der Ort der Maßnahme und diese traten im Rampenbe-reich auf. Ein allgemeiner Zusammenhang lässt sich aber aufgrund der geringen Anzahl an Werten nicht herstellen. Der Einfluss der Datenverbindung über Mobilfunk auf die Latenzzeit kann an dieser Stelle auch rele-vant sein, insbesondere vor dem Hinter-grund, dass zum Zeitpunkt der Evaluierung Mobilfunkmodems nach dem GPRS-Stan-dard zum Einsatz kamen, was eine maxima-le Bandbreite von 54 kBit/s bedeutet.

5 Fazit und Ausblick

Die im Rahmen des C-ITS Corridors entwi-ckelte kooperative Anwendung der Baustel-lenwarnung hat im Probebetrieb gezeigt, dass sich die bis dato nur im Kontext von

tigung der Randbedingungen, wie z. B. die Streckentopologie oder die Bebauung.

Die maximal erzielte Kommunikationsreich-weite betrug während des Probebetriebs etwa 1.900 m, die geringste Reichweite etwa 200 m. Die mittlere Reichweite über alle Fahrten betrug ca. 672 m, der Median 641 m. Insgesamt wurden die erzielten Kommu-nikationsreichweiten als ausreichend bewer-tet, um den Verkehrsteilnehmer reichzeitig vor auftretenden Hindernissen zu warnen.

4.2.3 Latenz der Nachrichten- übertragung IRS – ICS

Da jede IRS den Inhalt der ersten Baustel-lennachricht (DENM) sowie jede Inhaltsän-derung in die ICS überträgt und die ICS basierend auf diesen Daten eine Zuordnung der AkD zu einer geplanten Maßnahme vornimmt und die Baustellenmeldung auch zum MDM überträgt, war neben den Traces und der Kommunikationsreichweite auch die Latenzzeit bei der Übertragung der Bau-stellennachricht von der IRS in die ICS Ge-genstand der Evaluierung. Dazu wurde die Differenz aus der referenceTime (Datenfeld der DENM) und dem Zeitstempel des zuge-hörigen Eintrags in der Logdatei der ICS gebildet. Insbesondere durch mobile AkD, die aufgrund ihrer Positionsänderung öfter neue DENM generieren, wurde eine Vielzahl von Logeinträgen auf der ICS generiert. Insgesamt standen für die Evaluierung der

Tabelle 1: Verteilung der Latenzzeiten bei der Datenübertragung IRS – ICS

LatenzzeitAnzahl (von 1.019)

prozentual

> 2 Sekunden 939 92,1 %

> 5 Sekunden 650 63,8 %

> 10 Sekunden 383 37,6 %

> 20 Sekunden 128 12,6 %

> 30 Sekunden 31 3,0 %

> 60 Sekunden 22 2,2 %

> 100 Sekunden 17 1,7 %

> 300 Sekunden 12 1,2 %

> 500 Sekunden 9 0,9 %

> 1.000 Sekunden 5 0,5 %

> 1.500 Sekunden 4 0,4 %

> 2.000 Sekunden 4 0,4 %

> 3.000 Sekunden 2 0,2 %

> 4.000 Sekunden 2 0,2 %

> 5.000 Sekunden 0 0 %

Abkürzung Definition

ALERT-C Advice and Problem Location for European Road Traffic

AkD Arbeitsstelle kürzerer Dauer

BMS Baustellenmanagementsystem

CAM Cooperative Awareness Message

C-ITS Cooperative Intelligent Transport Systems

DENM Decentralized Environmental Notification Message

DORA System zur Dynamischen Ortung von Arbeitsstellen

ETSI European Telecommunications Standards Institute

FAT Fahrbare Absperrtafel

GPRS General Packet Radio Service

GPS Global Positioning System

ICS ITS Central Station

IRS ITS Roadside Station

ITS Intelligent Transport Systems

IVS ITS Vehicle Station

MDM Mobilitäts Daten Marktplatz

PKI Public Key Infrastructure

RWW Roadworks Warning

SOAP Simple Object Access Protocol

WLAN Wireless Local Area Network

Abkürzungen

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