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– 1 – House of Energy Schriftenreihe – Band 4 C/sells Regionalkonferenz Hessen 20. November 2017 | Kassel

C/sells Regionalkonferenz Hessen - House of Energy€¦ · Erneuerbare Energien bereits mehr Arbeitsplätze ge schaffen, als in der konventionellen Energieversorgung bestehen. Während

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House of Energy Schriftenreihe – Band 4

C/sells Regionalkonferenz Hessen

20. November 2017 | Kassel

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bei genauerer Betrachtung sollte anstelle des Begriffs „Energiewende“ besser der Terminus „Leistungswende“ verwendet werden. Aus technischer Sicht liegen die Herausforderungen im Wesentlichen auf der Leistungs­seite, während an Energie kein grundsätzlicher Mangel besteht. Im Gegensatz zur Energie beinhaltet Leistung auch den Aspekt der zeitgerechten Bereitstellung und Nutzung.

Das Energiesystem der Zukunft wird aus einer Vielzahl von regenerativen Quellen gespeist werden. Die er­giebigsten davon sind in Deutschland Wind, Sonne und Wasser. Mit den heute und auch in der näheren Zukunft verfügbaren technischen Systemen wird daraus über­wiegend elektrische Energie erzeugt. In geringerem Maße erlauben Solarthermie, thermische Abfallverwer­tung und Biomasse ergänzend auch die Bereitstellung von Wärme und Methan.

Die Verfügbarkeit erneuerbarer Energiequellen ist stark schwankend und zudem zeitlich eingeschränkt. Darüber hinaus ist ihre Energiedichte verhältnismäßig gering. Dies führt dazu, dass hohe Erzeugungsleistungen ins­talliert und zu den entsprechenden Zeiten in das elek­trische Netz eingespeist werden müssen. Das Netz ist jedoch für die künftigen Leistungen, die je nach Sze­nario, mindestens um den Faktor vier bis fünf über den bisherigen Spitzenleistungen liegen, nicht ausgelegt.

Da die Einspeisung zudem dezentral erfolgt, ist der ak­tuell vorangetriebene Ausbau des Übertragungsnetzes zwar notwendig, allerdings in keinem Fall hinreichend, um die skizzierte technische Herausforderung zu lö­sen. Die Verteilungsnetze rücken damit ins Zentrum der Betrachtung.

Bereits auf den niedrigeren Spannungsebenen muss eine sinnvolle Angleichung zwischen Erzeugung und Verbrauch stattfinden, um die höheren Spannungs­ebenen zu entlasten. Dies führt zur Errichtung von Energiezellen, in denen dieser Abgleich stattfindet.

Die häufig angesprochene Sektorenkopplung mit den Technologien Power­to­Heat, Power­to­Gas und E­ Mobilität unterstützt dieses Konzept. Es werden neue Flexibilitäten geschaffen. Der systemdienlichen Einsatz dieser neuen Anwendungen für elektrische Energie er­fordert die Preissignale eines zu schaffenden „Smart Market“. Flexibilitäten können aber netzdienlich ein­gesetzt werden, um den erforderlichen Netzausbau möglichst gering zu halten. Damit entstehen aktive Netze, „Smart Grids“, für die sich ein zellulärer Aufbau als grundlegendes Strukturierungskonzept anbietet. Die bisherigen Netzstrukturen dienen als Ausgangs­basis und werden mit neuen Fähigkeiten ausgestattet.

Das in den Eckpunkten beschriebene Szenario bildet ein sehr komplexes System mit vielen Wechselwirkungen. Es ist ganzheitlich zu denken und zu etablieren. Für das Gelingen der Energiewende stellt dies einen erfolgs­kritischen Faktor dar. Es ist daher sehr zu be grüßen, dass das Bundeswirtschaftsministerium mit dem „Schaufenster intelligente Energie – Digitale Agenda für die Energiewende“ (SINTEG) diese Fragestellung aufgreift und innovative Technologien für eine klima­freundliche, sichere und effiziente Stromversorgung bei hohen Anteilen fluktuierender Stromerzeugung aus Sonne und Wind fördert. In fünf deutschen Modellregi­onen arbeiten insgesamt über 200 Partner in Konsor­tien zusammen. Darunter befinden sich Unternehmen und Forschungseinrichtungen aber auch Kommunen, Landkreise und Bundesländer.

Vorwort

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Das auf vier Jahre angelegte Projekt wird mit insgesamt 230 Millionen Euro bezuschusst. Die fünf Modellregionen, die alle Bundesländer umfassen und unterschiedliche Schwerpunktsetzungen haben, lauten: NEW 4.0, enera, Designetz, WindNODE und C/sells.

Baden­Württemberg, Bayern und Hessen sind im größ­ten Teilprojekt C/sells engagiert. Der vorliegende Band stellt die Ergebnisse der „1. C/sells Regionalkonferenz Hessen“ zusammen. Diese fand am 20. November 2017 im Rathaus Kassel statt. Hier trafen sich Experten aus Technik, Wirtschaft, Wissenschaft, Unternehmen und Politik zur intensiven Diskussion. Der Ort der Konferenz, das Rathaus in Kassel, brachte sehr schön zum Aus­druck, dass Energiewende eine zentrale kommunale Angelegenheit ist. Ich möchte daher den Dank aller Teilnehmer an die Stadt Kassel und ihren Oberbürger­meister Herrn Christian Geselle dafür aussprechen, dass wir die Konferenz in einem sehr anspruchsvollen Am­biente abhalten durften.

Bei C/sells stehen zelluläre Energiestrukturen, in urba­nen und ländlichen Regionen im Mittelpunkt, die durch eine starke Ausprägung der Photovoltaik charakterisiert sind. Das House of Energy nimmt dabei die Rolle des Regionalkoordinators des Landes Hessen wahr. Die hessischen Partner sind die Energieversorger EAM und Städtische Werke Kassel, die Unternehmen Ramboll Cube und Limón sowie die Universität Kassel und das Fraunhofer IEE. Untersucht werden technische Lösun­gen, Marktmodelle sowie Optionen für die Anpassung des Rechtsrahmens an die neue technische Systematik. Die Demonstration von Funktionalitäten und die Par­tizipation von Bürgern und Kommunen nehmen einen hohen Stellenwert ein.

Es ist dem House of Energy und auch mir persönlich eine große Freude Ihnen diesen neuen Band unserer Schriftenreihe vorstellen zu dürfen. Ich wünsche Ihnen eine gute Lektüre und verbleibe mit herzlichen Grüßen

Prof. Dr. Peter BirknerHonorarprofessor der Bergischen Universität Wuppertal und Geschäftsführer des House of Energy e.V.

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InhaltsverzeichnisVorwort 3

Einführung | Timon Gremmels, Mitglied des Bundestags 9 | Dr. Albrecht Reuter, Gesamtprojektleitung C/sells, Fichtner IT Consulting 13

Notwendigkeit und Herausforderungen zellulärer Strukturen im Stromsektor | Prof. Dr. Peter Birkner, Honorarprofessor Bergische Universität Wuppertal, House of Energy 17

Vorstellung des C/sells Vorhaben | Dr. Sebastian Breker, Verbundkoordinator ENM 21

Vorstellung der C/sells Projekte in Hessen 23

Regioflexmarkt | Erik Heilmann, Universität Kassel | Nicolas Spengler, Energienetz Mitte 25

Blindleistungsmanagement und Inselnetzfähigkeit von städtischen Verteilnetzen | Patrick Thiel, Städtische Werke Netz + Service 33

Demand-Side-Management in Industrie- und Gewerbebetrieben | Oliver Ramm, EAM EnergiePlus 35

Flexibilitätspotenzial von Liegenschaften bei optimierter Wärmebereitstellung | Dr. Michael Krause, Fraunhofer IWES 39

Impulsvortrag: Ausbau- und Intelligenzbedarf für die hessischen Verteilnetze der Zukunft | Klaus Gütling, Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung 43

Zusammenfassung und Schlussfolgerung 45

Referentenverzeichnis 48

Impressum 49

Anhang 50

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Einführung | Timon Gremmels, Mitglied des Bundestags

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Bundesrepublik Deutschland hat sich entschieden, ihre Energieversorgung grundlegend umzustellen, weg von nuklearen und fossilen Brennstoffen, hin zu er­neuerbaren Energien. Es handelt sich um den wohl wichtigsten ökologisch­ökonomischen Transforma­tionsprozess unserer Zeit: Bei wettbewerbsfähigen Energie preisen und hohem Wohlstandsniveau wollen wir unser Land spätestens 2050 weitgehend mit saube­rer Energie versorgen. Als energieeffizienteste und um­weltschonendste Volkswirtschaft der Welt sollen dann mindestens 80 % unseres gesamten Energie bedarfes regenerativer Herkunft sein.

Dabei dürfen wir nicht vergessen: Die Energiewende ist kein abstraktes Zukunftsprojekt, sondern längst erfolg­reiche Gegenwart. Vieles haben wir bereits erreicht. Bei der Stromerzeugung sind die Erneuerbaren Energien schon heute wichtigster Energieträger, beim Brutto­stromverbrauch liegt ihr Anteil inzwischen deutlich über 30 %. Wer hätte dies noch vor zehn Jahren gedacht.

Mit dem Bau neuer Anlagen, dem Ausbau der Netze und der Umsetzung von Effizienzmaßnahmen gehen Investitionen in Milliardenhöhe einher. Das kurbelt die Wirtschaft an: Die Energiewende ist Investitions­ und Modernisierungsmotor für die deutsche Volkswirt­schaft. Neue Geschäftsfelder und Absatzmärkte, vor allem aber zukunftsfähige Arbeitsplätze entstehen. Richtig angepackt kann „Energiewende made in Ger­many“ zum Exportschlager werden; schon heute ist das internationale Interesse am Wissen, technischen

Know­how und den praktischen Erfahrungen der hie­sigen Branche riesig.

In Hessen wurden durch den Umstieg auf dezentrale Erneuerbare Energien bereits mehr Arbeitsplätze ge­schaffen, als in der konventionellen Energieversorgung bestehen. Während bundesweit mehrere Hunderttau­send Menschen im Bereich der Erneuerbaren Energien arbeiten, sind es derer allein in Nordhessen mehr als 15.000. Tendenz weiter steigend: In den nächsten zehn Jahren soll sich die die Zahl der Beschäftigten auf dann deutlich über 30.000 nochmals verdoppeln, so eine aktuelle Studie des Kompetenznetzwerks deENet aus dem November 2017.

Vorangetrieben wird diese Entwicklung nicht nur von großen Unternehmen aus Nordhessen wie der SMA Solar Technology AG in Niestetal oder Viessmann in Allendorf, sondern auch von kommunalen Stadtwerken, privaten Anlagenbauern und Energiegenossenschaf­ten, der Universität Kassel und vom Fraunhofer­ Institut Iwes. Der Wirtschaftszweig gehört zu den schnellst wachsenden in der Region: Von der Forschung über Anwendung und Produktion bis hin zum Vertrieb ist die gesamte Palette der Wertschöpfung vertreten.

Diese Trends beschreiben, wie Wind­ und Solarstrom zunehmend das Energiesystem prägen, von der heute schon wichtigsten Stromquelle sukzessive zum wich­tigsten Energieträger werden und die Energieversor­gung dabei sicher und kostengünstig bleibt. Gleichzeitig macht der vom Deutschen Institut für Wirtschaftsfor­schung (DIW), dem Zentrum für Solarenergie­ und Was­

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serstoff­Forschung (ZSW) und der Agentur für Erneu­erbare Energien (AEE) unlängst veröffentlichte fünfte Bundesländervergleich Erneuerbare Energien deutlich: Selbst dort, wo erfreuliche Werte konstatiert werden können, ist die Systemtransformation noch lange nicht geschafft.

Für Hessen sind die Ergebnisse der Studie ein Weckruf: Von einer ohnehin mäßigen Platzierung bei der letz­ten Erhebung im Jahr 2014 ist das Land noch einmal zwei Plätze abgerutscht, auf einen enttäuschenden 14. Platz. Zwar gewinnen die Erneuerbaren Energien mit einem Anteil von rund 39 % an der Stromerzeugung auch in Hessen an Bedeutung. Doch liegt ihr Anteil am Stromverbrauch bei nicht einmal 17 %, da Hessen der mit Abstand größte Stromimporteur unter den Bundes­ländern ist.

Der Grund für das insgesamt schlechte Abschneiden Hessens jedoch ist maßgeblich auf mangelnde An­strengungen und ausbleibende Erfolge beim techno­logischen und wirtschaftlichen Wandel zurückzuführen. Hier nimmt Hessen jeweils den vorletzten Platz ein. Auch bei den Forschungsausgaben liegt das Bundes­land nur auf Rang 14: Bereiche, in denen es aufgrund der weiter oben dargelegten Standortvorteile eigentlich deutlich besser abschneiden müsste – und in Zukunft besser abschneiden muss, um bei der Energiewende nicht abgehängt zu werden.

Der Bundesländervergleich ist noch in einer weiteren Hinsicht bemerkenswert. Durch unterschiedliche geo­graphische, politische und wirtschaftliche Ausgangs­bedingungen entwickeln die Föderalstaaten jeweils individuelle Lösungsstrategien beim Vorankommen der Energiewende. Damit werden nicht nur eigene Akzente beim Umbau des Energiesystems gesetzt, sondern es können sich auch zukunftsträchtige Erfolgsmodelle für andere Länder, Regionen und die Bundespolitik eta­blieren.

Unterschiedliche Erfolgsmodelle erproben und auf ihre Umsetzbarkeit zu testen: Dieses Ziel hat das vom vormaligen Energieminister Sigmar Gabriel (SPD) auf­gelegte Bundesprogramm Schaufenster intelligente Energie – Digitale Agenda für die Energiewende. Das mit 230 Mio. Euro Bundesmitteln geförderte Programm zielt darauf ab, skalierbare Musterlösungen für eine si­

chere, wirtschaftliche und umweltverträgliche Energie­versorgung bei hohen Anteilen fluktuierender Strom­erzeugung durch Wind und Sonne zu entwickeln. Dafür werden in fünf sogenannten Schaufensterregionen – C/sells, Designnetz, enera, NEW 4.0 und WindNODE – die zentralen Herausforderungen der Energiewende adressiert.

Als eines der regionalen Versuchsfelder überspannt C/sells die Bundesländer Bayern, Baden­Württemberg und Hessen. Von Bayern im Osten über Baden­Würt­temberg bis nach Hessen im Nordwesten Süddeutsch­lands entsteht ein zellulär strukturiertes Energiesystem, das dem natürlichen Sonnenverlauf im Ost­West­Solar­bogen folgt und sich der regionalen Optimierung von Erzeugung und Verbrauch widmet. Bereitstellung, Nut­zung, Verteilung und Speicherung regenerativ produ­zierter Energie werden innerhalb der einzelnen Zellen autonom optimiert, dezentral erzeugte Energien über­wiegend am Ort der Erzeugung verwertet und nur verbleibende Energiebilanzen im überregionalen Zell­verbund ausgeglichen.

Auch wenn die jeweiligen Schwerpunkte der fünf Modellregionen in demselben Maße wichtig sind, so scheint mir die Herangehensweise von C/sells als ers­tes einsatzfähiges, überregionales Smart Grid gleich aus mehrerlei Gründen besonders vielversprechend zu sein. (1) Erstens verspricht schon die Grundidee eines zellulären Energiesystems systemimmanente Vorteile hinsichtlich der Resilienz und Widerstandsfähigkeit des Netzes, idealerweise reduziert sich dabei zugleich der Bedarf an Leitungskapazitäten. (2) Zweitens steigt der Anreiz, zunehmend erneuerbar produzierte Energie auch bei Überschussproduktion lokal zu verwerten und die stärkere Verzahnung der Sektoren Elektrizität, Wärme und Verkehr somit zu jeder Zeit mitzudenken. (3) Drittens lässt das erklärte Ziel, energetische Pro­zessdistanzen bei sektorenübergreifender Flexibilisie­rung weitestgehend zu minimieren, auch im Bereich des zugehörigen Marktdesigns innovative Wertange­bote und digitale Geschäftsmodelle entstehen: von regionalisierten Systemdienstleistungen über regionale Marktplätze bis hin zum Peer2Peer­Handel mittels Blockchain­Technologie. (4) Viertens und letztens bil­den die C/sells­Leitideen Vielfalt und Partizipation zugleich die gesellschaftspolitischen Herausforde­rungen der Energiewende bestmöglich ab: Nicht rein

technische Inventionen werden künftig gefragt sein, sondern solche Systeminnovationen, die technische, infrastrukturelle und sozioökonomische Aspekte, neue Geschäftsfelder und partizipative Beteiligungsformen intelligent miteinander verbinden.

Die Vielfalt der beteiligten Akteure wird größer, kleinere dezentrale Einheiten gewinnen an Bedeutung. Aus politischer Sicht ist diese Entwicklung deshalb so bedeutsam, als der zwar allgemein sehr hohen Zu­stimmung zur Energiewende mehr oder weniger großflächige Proteste bei nahezu allen konkreten Um­setzungsprojekten gegenüberstehen. Dabei ist der lo­kale Mehrwert mitunter wichtiger als der Beitrag zum globalen Klimaschutz.

Mit aktiver Partizipationsarbeit veranschaulicht C/sells, wie sich die Einbindung einer großen Anzahl an Ak­teuren und Interessenlagen konstruktiv nutzen lässt. Das Projekt macht vor, wie die für die flächendeckende Umsetzung von Energie­, Wärme­ und Verkehrswende nötige Denkwende erreicht werden kann: Indem das energiepolitische Zieldreieck von Bezahlbarkeit, Ver­sorgungssicherheit und Klimaschutz um ein viertes Ziel Partizipation erweitert wird.

Auch deshalb sind Dialogveranstaltungen wie die C/sells­Regionalkonferenz in Kassel so wichtig: Um uns auszutauschen und voneinander zu lernen. In diesem Sinne wünsche ich dem Projekt weiterhin viel Erfolg und sage Ihnen meine politische Unterstützung und Begleitung zu.

Ihr Timon Gremmels

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| Dr. Albrecht Reuter, Gesamtprojektleitung C/sells, Fichtner IT Consulting

Die Energiewende­Ziele für Deutschland wurden durch die Beschlüsse der Bundesregierung im Juni 2011 festge­legt und in mehreren internationalen Vereinbarungen, wie z.B. der COP21 (Conference of the Parties) in Paris, weiterentwickelt. Im Kern bedeutet Energiewende die weitestgehende Dekarbonisierung der Infrastrukturen bis zur Mitte des Jahrhunderts, die vollständige Abkehr von der Nutzung von Kernkraft bis 2022 und der schritt­weise Umbau der Energieversorgungsstrukturen von einer ressourcenbasierten Energiewirtschaft (Kohle, Gas, Öl) hin zu einem technikorientierten System, das auf erneuerbaren Energien (Photovoltaik, Windenergie, Wasserkraft, Biomasse) fußt.

Zum Jahreswechsel 2016/17 erfolgte der Startschuss für fünf Demonstrationsvorhaben in Deutschland, die im Rahmen des Förderprogramms „Schaufenster intel­ligente Energie – Digitale Agenda für die Energiewende“ (SINTEG) bis Ende 2020 stattfinden. Die größte dieser Modellregionen erstreckt sich über die Bundesländer Baden­Württemberg, Bayern und Hessen und heißt „C/sells“. Im C/sells­Projekt haben sich 56 Partner aus Wissenschaft, Industrie und Netzbetrieb zusammen­geschlossen, um das 100­Millionen­Euro­Projekt über vier Jahre auf eine erfolgreiche Ausbreitung im Mas­senmarkt vorzubereiten. Dabei steht das „C“ für Cells, für die Zellen, die in Summe die gesamte Model lregion ausmachen. „sells“ verweist auf neue Geschäftsmo­delle, die mit der digitalen Energiewende neue Wirt­schaftsstrukturen und ­chancen entstehen lassen. Die Energie wirtschaft muss sich zum einen sukzessive auf neue Player einstellen und zum anderen die Energie­versorgung trotz aller Veränderungen, Volatilitäten

und Ungewissheiten stabil halten. Gute Chancen ha­ben insbesondere jene, die die Mechanismen der Digitalisierung verstanden haben und zum Kernbe­standteil ihrer Geschäftsmodelle machen.

Smart Grids für ein intelligentes Energie­system

C/sells demonstriert, wie die Energiewende und der Ausbau erneuerbarer Energien großflächig umgesetzt werden können. Dabei entwickeln und demonstrieren die Projektpartner das Zusammenwirken von soge­nannten Zellen des durch die Energiewende vorge­zeichneten, zukünftigen Energiesystems.

Zellen können sowohl Erzeuger und Netze als auch Verbraucher und Speicher umfassen, die sich meist in einer räumlichen Nähe zueinander befinden: So stellen Städte, Quartiere, Straßenzüge und auch Areale wie Flughäfen oder Industriegebiete C/sells­Zellen dar. Aus­gehend von über 30 Demonstrationszellen entsteht eine Vielfalt zellulär strukturierter Energiesysteme, die durch die aktive Partizipation der Beteiligten mitge­staltet werden. Neben den Demonstrationszellen, die technische Lösungen sowie Marktansätze demonst­rieren und den Partizipationszellen mit besonderem Augenmerk auf die Kommunikation, laden wir auch C/sells­Citys ein, sich unserem Movement anzuschlie­ßen. Die ersten Kommunen haben bereits ein Memo­randum of Understanding unterzeichnet. Das Interesse ist groß. Denn die Energiewende benötigt ein breites Movement in der Gesellschaft. Ein massives Umdenken

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in Bezug auf Gewohnheiten im Umgang mit Energie oder Energiedienstleistungen ist notwendig, um Rei­bungsverluste bei der Transformation des Energiesys­tems gering zu halten. Um die Entwicklungswünsche und Kommunikationsbedürfnisse der Bevölkerung wie auch der Wirtschaft aufzugreifen, ist eine frühzeitige, aktive Einbindung notwendig. Die engagierte Teilnahme einer Vielzahl von Akteuren wird eine gesamtgesell­schaftliche Bewegung schaffen, die die Energiewende aktiv vorantreibt und so die Denkwende möglich macht, welche die digitale Energiewende braucht. Die Energiewende­Ziele der Bundesregierung erfordern ein vollkommen neues Energiesystem mit intelligen­ten Netzen, um den immer größer werdenden Anteil erneuerbarer Energien automatisiert in den Stromnet­zen zu steuern. Das Demonstrations vorhaben C/sells entwickelt hierzu die Blaupause für das Energie system der Energiewende.

Drei zentrale Instrumente des digitalen Energiesystems

Das „Infrastruktur­Informationssystem (IIS)“, die „Ab­stimmungskaskade“ und der „regionalisierte Handel mit Energie und Flexibilitäten“ stellen die drei zentralen Instrumente und zugleich die Verbindungsglieder des C/sells­Projektes dar.

Das C/sells Infrastruktur­Informationssystem (IIS) stellt den Markt­ und Netzakteuren Informations­ und Zu­griffsdienste mit den dazu erforderlichen Instrumenten bereit, um die Optimierung sowohl auf Zellebene als auch im Zellverbund zu ermöglichen und einen Markt­zugang für Flexibilitäten zu schaffen. Das IIS sorgt da­für, dass der Informations­ und Datenaustausch z.B. zu horizontalen und vertikalen Energieflüssen zwischen den Zellen wirtschaftlich, interoperabel und sicher stattfindet. Hierzu unterstützt das IIS Energienetze, Energie(dienstleistungs­)märkte und Liegenschaften mit gemeinsamen Informationen und Kommunikati­onstechniken. Das IIS besteht aus Komponenten der Sensorik, der Aktorik, des Kommunikationssystems und gemeinsamer Basisdienste, wie in Abb. 1 skizziert.

Die Abstimmungskaskade ist eingebettet in die Orga­nisation intelligenter Energienetze, die in einer vielfäl­tigen, komplexen Zellstruktur erfordert, dass die Netze

über alle Spannungsebenen hinweg rasch und weitge­hend automatisiert kommunizieren und agieren. Dem Zellgedanken folgend, können erkannte oder prognos­tizierte, kritische Netzzustände automatisiert sowohl innerhalb der Zelle als auch im Zellverbund behoben werden.

Eine Schlüsselrolle spielt hier der kontinuierliche Aus­tausch von Informationen zum Netzzustand zwischen den Übertragungs­ und Verteilnetzbetreibern. Vor die­sem Hintergrund wurde eine Bewertungslogik des Netzzustandes in Form einer Ampel eingeführt. Ist die Ampel grün, liegen keine kritischen Netzzustände vor. In der gelben Ampelphase ist der Netzzustand eines Netzsegments, beispielsweise durch einen potenziellen oder tatsächlichen Netzengpass, gefährdet. In dieser sog. Marktpartizipationsphase können Zellakteure den Netzbetreibern Flexibilitäten als Alternative anbieten und so helfen, kritische Situationen zu vermeiden.

Schaltet die Ampel auf Rot, ist die Systemstabilität und damit die Versorgungssicherheit unmittelbar gefährdet. In diesem Fall dürfen Übertragungs­ und Verteilnetzbe­treiber nach § 13 Abs. 2 EnWG (entspricht der roten Am­pel) die Erzeugungs­ bzw. Verbrauchssituation durch direkte Regelung von Anlagen adaptieren, um die Ver­sorgungssicherheit weiterhin gewährleisten zu können.

Die in C/sells angedachte automatisierte, einheitliche Abwicklung von Maßnahmen zur Sicherung der Netz­stabilität minimiert die Dauer von roten Phasen. Damit wird eine diskriminierungsfreie, gleichberechtigte und ungehinderte Entfaltung der Akteursvielfalt ermöglicht, wobei die Netzbetreiber dem Markt die Netzinfrastruk­tur diskriminierungsfrei zur Verfügung stellen und damit die Rolle des Market Facilitators übernehmen.

Regionalisierter Handel bindet Akteure partizipativ ein

Die C/sells­Akteure können sowohl regional Energie und Flexibilität kaufen und verkaufen als auch auf den weiterentwickelten bisherigen, zentralen Märkten handeln und somit Erlöse erzielen. Eine Möglichkeit den regionalisierten Handel umzusetzen besteht in der Schaffung regionaler Märkte (kurz: Regiomärkte).

Eine weitere Möglichkeit besteht darin, dass zentrale Märkte um regionalisierte Produkte erweitert werden. Ungeachtet der genauen Ausgestaltung des regionali­sierten Handels steht es den C/sells­Akteuren frei, die Netzbetreiber bei Engpasssituationen im Netz zu un­terstützen (z.B. Batteriespeicher speisen bei geringer Photovoltaik­Erzeugung ein), den Strom untereinander zu handeln (z.B. Verkauf des Stroms an einen Abneh­mer im Nachbardorf) oder wie bereits heute zentral zu verkaufen (an der Strombörse oder am Regelener­giemarkt).

Der C/sells­Handel schafft vielfältige Partizipations­möglichkeiten und gibt allen Akteuren im zukünftigen Energiesystem einen ökonomischen Rahmen. Das C/sells­Marktdesign berücksichtigt dabei die Wechsel­wirkungen unterschiedlicher, parallel existierender Märkte mit regionalisierten und nicht regionalisierten Produkten und darüber hinaus die Umsetzbarkeit der Energieflüsse aufgrund physikalischer Netzrestriktionen im Rahmen der Ampelphasen.

Der Deutsche Bundestag hat eigens mit der sogenann­ten SINTEG­Verordnung die Möglichkeit geschaffen, die neuen C/sells­Marktkonzepte trotz der engen regulato­rischen Rahmenbedingungen in der Praxis tatsächlich erproben zu können.

Süddeutschland als Schaufenster der intelligenten Energie versorgung

Süddeutschland, speziell Baden­Württemberg, Bayern und Hessen, besitzt alle Voraussetzungen für ein ein­drucksvolles Schaufenster zur „Intelligenten Energie­versorgung“. Die Region ist auf Grund der höchsten solaren Erzeugung in Deutschland, seiner vielschich­tigen Netzstruktur mit ländlichen, dünn besiedelten Regionen, seinen Energiewende begeisterten Bürgern, Politikern und Investoren sowie seiner zentralen Lage im europäischen Netzverbund für dieses Projekt prädes tiniert. Europäische Vorhaben sind mit C/sells abgestimmt, sodass sich sowohl die Vorteile der euro­päischen Integration als auch einer Multiplikatorwirkung in den Nachbarländern entfalten werden.

Schon heute gibt es in Süddeutschland über 760.000 Prosumenten, die Strom nicht nur verbrauchen, sondern

auch selbst erzeugen. Die vielfältige Akteursstruktur, die alle Wertschöpfungsstufen des zellulären Energie­systems umfasst, bietet ideale Voraussetzungen um neue Kooperationsmodelle zu entwickeln und umzu­setzen. Mit C/sells wird damit ein fließender Übergang von der Demonstration bis zum Massenmarkt ermög­licht, der nach Vision der Projektbeteiligten durch das C/sells­Movement selbstverstärkend wirkt.

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Notwendigkeit und Herausforderungen zellulärer Strukturen im Stromsektor | Prof. Dr. Peter Birkner, Honorarprofessor Bergische Universität Wuppertal, House of Energy

Die Energiewende greift auf kohlendioxidneutrale und ressourcenschonenden Energiequellen zurück. In Deutschland sind dies vor allem Wind und Sonne. Diese Energiequellen sind durch eine hohe Volatilität, eine begrenzte zeitliche Verfügbarkeit und ein geringe Energiedichte gekennzeichnet. Dies macht ihre techni­sche Nutzung schwierig. Bereits der Bereitstellung des aktuellen Bedarfs an elektrischer Energie in Höhe von 600 TWh durch regenerative Energiequellen bedeu­tet die Errichtung einer Erzeugungskapazität in einer Größenordnung von etwa 400 GW. Der nuklear­fossile Kraftwerkspark der Vergangenheit hatte in etwa eine verfügbare Leistung von 100 GW und die Leistungsan­forderung auf der Bedarfsseite lag einschließlich Export zwischen 35 GW und 100 GW.

Extrapoliert man die heutigen Erfahrungen bezüglich der zeitgleichen Erzeugung der installierten erneuer­baren Energiequellen, so ist davon auszugehen, dass von den 400 GW installierter Erzeugungskapazität etwa 50 % maximal auch zeitgleich in das Netz einspeisen. Hier wird es zwar verschiedene räumliche Verteilungs­szenarien geben, dennoch wirkt die Diversifizierung der Erzeugung hinsichtlich Typ, Ort und regionale Ab­nahmesituation stabilisierend. Das elektrische System muss also das Auftreten von 200 GW beherrschen. Diese Leistung liegt im Grenzbereich der Übertragungs­fähigkeit des Übertragungsnetzes. Unabhängig davon ist die Frage zu beantworten, wie bei maximal 100 GW Bedarf eine Erzeugungsleistung in Höhe von 200 GW sinnvoll verwendet werden kann.

Bezieht man die Dekarbonisierung der Sektoren Ver­

kehr und Wärme in die Überlegungen mit ein, so kommt man nicht umhin auch diese Anwendungen zumindest langfristig in nennenswerten Anteilen durch regenera­tiven Strom zu decken.

Der Endenergiebedarf in Deutschland verteilt sich zu 25 % auf Elektrizität und Verkehr, während sich der Wärmeateil auf rund 50 % beläuft. Wärme und Verkehr basieren hauptsächlich auf fossilen Energieträgern. Eine Energiewende, als reine Stromwende ohne Wärme­ und Verkehrswende greift damit deutlich zu kurz. Es ist un­erheblich, ob Strom direkt oder indirekt – beispielswei­se über „grünen“ Wasserstoff – zum Einsatz kommt. In jedem Fall muss mehr Strom bereitgestellt werden, um diesen Anforderungen zu genügen.

Geht man von einer Steigerung des Strombedarfs von 50 % aus, was tendenziell die Untergrenze des Zu­wachses darstellen dürfte, so sind künftig 900 TWh an elektrischer Energie bereitzustellen. Nimmt man eine in den Relationen der einzelnen Energiequellen zueinan­der konstante Vergrößerung des regenerativen Erzeu­gungsportfolios an, so ergibt sich eine zu installierende Erzeugungsleistung von etwa 600 GW, von der etwa 50 % auch technisch zu beherrschen sind. An dieser Stelle ist ersichtlich, dass die Übertragungskapazität des Übertragungsnetzes dafür nicht ausreicht und die Verteilungsnetze künftig zusätzliche wichtige Aufgaben übernehmen müssen.

Es zeigt sich aber auch, dass zelluläre Strukturen die Beherrschung des Leistungsproblems unterstützen. Energiezellen können Gebäude, Straßenzüge, Quar­

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tiere, Stadtviertel, Kleinstädte, Ortschaften, Industrie­standorte, Regionen und als größte Struktur ganz Eu­ropa sein.

Jede Zelle muss versuchen Erzeugung und Bedarf mit technisch und wirtschaftlich vertretbaren Mitteln in einem vernünftigen Umfang im Gleichgewicht zu hal­ten. Unterlagerte Zellen tauschen die verbleibenden Ungleichgewichte mit den vorgelagerten Zellen aus. Zellen kommunizieren damit hierarchisch und sind nur partiell in Bezug auf die Leistung ausgeglichen. Es gilt das Prinzip von Pareto. Nur die Zelle „Europa“ muss eine stets ausgeglichene Leistungsbilanz aufweisen. Wichtig ist der Hinweis, dass die Spannungsebenen Nieder­, Mittel­, Hoch­ und Höchstspannung mit ihren einzelnen Netzregionen sehr gut mit der skizzierten zellularen Struktur harmonieren.

Soweit die Technik. Die größeren Fragen stellen sich auf der regulatorischen und ordnungspolitischen Seite. Es gibt heute keine oder nur sehr geringe Anreize für eine Energiezelle ihren Leistungsaustausch mit der vorgela­gerten Zelle zu minimieren. Entnahmen aus der vorge­lagerten Zelle sind mit einem Leistungspreis (€/MW) belegt, Rückspeisungen erfolgen entgeltfrei. Künftig ist zwischen dem globalen Preissignal der Strombörse – „Strom in Europa ist preiswert, da aktuell eine hohe Einspeisungen durch regenerative Quellen“ gegeben ist – und Netzengpässen vor Ort – „Alle laden ihr Elek­trofahrzeug in einem Ortsnetz, da der Strom gerade preiswert ist“ – zu unterscheiden.

Überregionale Börsenpreise können globale Aktionen auslösen, die netztechnisch lokal nicht überall darstell­bar sind. Hier muss es einen Preis für lokale Flexibilität geben. Außerdem sind finanzielle Anreize nötig, die ein teilautarkes Verhalten einer Energiezelle, d.h. die Reduktion des Leistungsaustauschs mit der vorgela­gerten Zelle, fördern.

Neben neuen Fragen treten aber auch neue Optionen auf. Beispielsweise kann durch die überregionale Ko­ordination von Batteriespeichern einer Überlastung von Leitungen bis hin zu Höchstspannungsleitungen entgegengewirkt werden. Werden dezentrale Batterie­speicher im Norden Deutschlands während einer Stark­windphase geladen und gleichzeitig im Vorfeld be­reits geladenen dezentrale Batteriespeicher im Süden

Deutschlands entladen, so findet ein virtueller Strom­transport von Nord nach Süd statt. Real handelt es sich um zeitverschobene Lade­ und Entladevorgänge.

Findet dieses Vorgehen in großem Maße statt, so kann damit der leitungsgebundene Energietransport von Nord nach Süd reduziert werden.

Eine andere Möglichkeit ist die Etablierung von lokalen Zusammenschlüssen aus verschiedenen benachbarten Gebäuden. Werden diese über steuerbare und galva­nisch entkoppelte Leitungen verbunden, so kann auf nichtöffentlichem Grund Energie zwischen den Gebäu­den ausgetauscht werden. Die entsprechenden Tech­nologien sind entwickelt. Auch wenn juristische oder genehmigungsrechtliche Aspekte ihren Einsatz noch hemmen, es darf als Frage der Zeit betrachtet werden, bis die ersten Anwendungen auftreten. Damit können Energiezellen in Privatinitiative entstehen. Auch die Technologie der Blockchain ist hier zu erwähnen. Damit könne eine solche Zelle organisiert werden.

Schließlich etablieren sich mehr und mehr neue über­greifende Geschäftsmodelle. Bundesweit und vielleicht künftig europaweit agierende digitale Plattformen bringen Angebot und Nachfrage zusammen. Strom­beschaffung und ­vertrieb ist so neu zu definieren. Wiederum kann hier perspektivisch die Blockchain­ Technologie zum Einsatz kommen.

Die wenigen Beispiele zeigen, dass es eine Vielzahl an technischen Optionen gibt. Zudem werden ständig neue entwickelt. Energie und Digitalisierung wachsen zusammen. Daten sind zu erfassen, um das Energie­system zu steuern und zu stabilisieren. Gleichzeitig bieten diese Daten aber wieder neue technische und energiewirtschaftliche Nutzungsmöglichkeiten, wie vorausschauende Instandhaltung, Marktanalysen oder Last­ und Erzeugungsprognosen.

Technische Optionen können aber nur dann in die Praxis Einzug halten, wenn sie im Gesamtkontext er­probt sind und ihre Funktionalität nachgewiesen ist. Vor allem muss das System aber akzeptiert sein. Da­mit begründet sich die Notwendigkeit für Projekte wie C/sells. Die Demonstration eines zellulär strukturierten Energiesystems und die Partizipation von Bürgern und Kommunen bilden die Voraussetzung für die Schaffung

von Akzeptanz. Neben offenen Punkten auf der techni­schen Seite kann so auch der Handlungsbedarf in Bezug auf die Ordnungspolitik identifiziert werden.

Für das House of Energy ist es in diesem Zusammen­hang wichtig im Dreiklang von Invention (es funktio­niert), Bedarf (zelluläres System) und Innovation (es ist wirtschaftlich erfolgreich) zu denken. Dies stärkt den Wissenschafts­ aber auch den Wirtschaftsstand­ort Hessen.

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Vorstellung des C/sells Vorhaben | Dr. Sebastian Breker, Verbundkoordinator ENM

In dem vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie initiierten Förderprogramm SINTEG: „Schau­fenster intelligente Energie – Digitale Agenda für die Energiewende“ sind zum Jahresbeginn fünf große Schaufensterprojekte in Deutschland gestartet, um bis zum 31.12.2020 die Zukunft unserer Energiever­sorgung zu demonstrieren. Eines dieser Vorhaben ist das dezentrale Großprojekt „C/sells“ (siehe auch www.csells.net), in dem sich 43 Partner aus Forschung, dem kommunalen Umfeld sowie der Industrie und Wirt­schaft engagieren. Weiterhin sind 13 Partner assoziiert.

Mit C/sells soll – bildhaft gesprochen – ein am Sonnen­lauf von Bayern im Osten über Baden­Württemberg bis nach Hessen im Nordwesten orientiertes, zellulär strukturiertes Energiesystem entstehen: Der Ost­West Solar bogen.

Energiebereitstellung, ­nutzung, ­verteilung, ­speiche­rung und weitere Infrastrukturdienstleistungen wer­den innerhalb der einzelnen Zellen, z.B. Liegenschaften, Quartiere und Städte, nach dem Subsidiaritätsprinzip möglichst weitgehend autonom optimiert. Die Vernet­zung der Zellen zu einem Verbund erlaubt darüber hi­naus gemeinschaftliches Handeln für eine sichere und robuste Energieinfrastruktur. Hierbei wird ein Infra­struktur­Informationssystem (IIS) den Austausch von Energie auf lokaler und regionaler Ebene befördern.

Um dem Namen des Projektes gerecht zu werden, sol­len zum einen technische Lösungen („Cells“) entwickelt werden. Zum anderen sollen den Bürgern über die Teil­nahme an der Energiewende auch neue wirtschaftliche

Chancen eröffnet werden („sells“). Mit Partizipation wird so die Akzeptanz für die Energie wende weiter er­höht und eine Einladung zum Mitmachen ausgespro­chen.

Quasi als DNA des zukünftigen Energiesystems sind zwölf Kernprozesse („Business Use Cases“) definiert, mit denen Rollen und Zusammenwirken der traditionel­len Energiewirtschaft sowie der Prosumenten in Markt und Netz organisiert werden. Schon heute gibt es in Süddeutschland über 760.000 Prosumenten, die Strom nicht nur verbrauchen, sondern auch selbst erzeugen. Die vielfältige Akteursstruktur, die alle Wertschöpfungs­stufen des zellulären Energiesystems umfasst, bietet ideale Voraussetzungen, um neue Kooperationsmodelle zu entwickeln und umzusetzen.

Mit C/sells wird ein fließender Übergang von der Demonstration bis zum Massenmarkt ermöglicht. Süddeutschland besitzt alle Voraussetzungen für ein eindrucksvolles Schaufenster zur „Intelligenten Energie­versorgung“. Die Region ist auf Grund der höchsten so­laren Erzeugung in Deutschland, seiner vielschichtigen Netzstruktur mit über 420 Verteilnetzbetreibern, der Kombination von industrialisierten Ballungszentren mit ländlichen, dünn besiedelten Regionen, seinen Energie­wende­begeisterten Bürgern, Politikern und Investoren sowie seiner zentralen Lage im europäischen Netzver­bund für dieses Projekt prädestiniert. Europäische Vor­haben sind mit C/sells abgestimmt, sodass sich sowohl die Vorteile der europäischen Integration als auch einer Multiplikatorwirkung in den Nachbarländern entfalten werden.

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• Regioflexmarkt | Erik Heilmann, Universität Kassel; Nicolas Spengler, Energienetz Mitte

• Blindleistungsmanagement und Inselnetzfähigkeit von städtischen Verteilnetzen | Patrick Thiel, Städtische Werke Netz + Service

• Demand-Side-Management in Industrie- und Gewerbe-betrieben | Oliver Ramm, EAM EnergiePlus

• Flexibilitätspotenzial von Liegenschaften bei optimierter Wärmebereitstellung | Dr. Michael Krause, Fraunhofer IWES

Vorstellung der C/sells Projekte in Hessen → Seite 25 → Folien Seite 60

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→ Seite 39 → Folien Seite 87

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Regioflexmarkt | Erik Heilmann, Universität Kassel | Nicolas Spengler, Energienetz Mitte

Nutzung von Flexibilitäten im Rahmen eines regionalen Marktumfeldes

Der unter dem Begriff Energiewende subsumierte Um­bau des Energieversorgungssystems in Deutschland wird als zweite industrielle Revolution und gesamt­gesellschaftliche Aufgabe verstanden. Mit der Einfüh­rung des Stromeinspeise­ und später des Erneuerbare Energien Gesetzes (EEG) in Deutschland wurde im Bereich von Wind­, Solar­ und Biomasseanlagen eine enorme Investitionswelle in Gang gesetzt, die mittler­weile zu einer installierten Gesamtleistung von über 100.000 MW in Deutschland geführt hat. Neben den zentralen Kraftwerken, die Strom auf der Ebene der Höchst­ und Hochspannungsnetze erzeugen, speisen nun immer mehr kleine Erzeuger dezentral Strom aus erneuerbaren Energien in das Verteilnetz, das die regi­onalen unteren Ebenen des Stromnetzes umfasst, ein. Letztverbraucher werden zu „Prosumern“, d.h. sie sind nicht mehr nur reine Stromkonsumenten, sondern auch ­produzenten. Diese Veränderung der Erzeugungsstruk­tur beeinflusst den Stromfluss im Netz. Floss der Strom in früheren Zeiten ausschließlich in eine Richtung, von den wenigen Großkraftwerken in den übergeordneten Übertragungsnetzen hin zu den Letztverbrauchern im regionalen Verteilnetz, so dreht sich die Stromflussrich­tung heute immer häufiger um.

Ein weiterer Aspekt ist, dass im Vergleich zur relativ konstanten Stromproduktion großer Kraftwerke er­neuerbare Energien ihren Strom dargebotsabhängig produzieren, z. B. wenn der Wind weht oder die Sonne scheint. Diese Stromproduktion findet allerdings häufig

nicht zu Zeiten statt, in denen Energie auch wirklich benötigt wird. Das Stromnetz muss daher umgerüstet werden, um mit diesen Schwankungen umgehen zu können.

Mit zunehmendem Ausbau der erneuerbaren Energien zeigen sich die Grenzen der verfügbaren Netzkapazi­täten zwischenzeitlich auch in hessischen Stromnetzen. Für die Zukunft resultiert ein erheblicher Handlungs­bedarf, um die weiterhin steigende Anzahl erneuer­barer Energien gesamtsystemisch in die regionalen Stromnetze zu integrieren. Unter den aktuellen ge­setzlichen und regulatorischen Rahmenbedingungen für das elektrische Energiesystem ist ein investitions­intensiver Ausbau mit Stationen, Transformatoren und Leitungen häufig noch Mittel der Wahl zur Beseitigung von Engpässen im Verteilnetz, die durch den Ausbau erneuerbarer Energien verursacht werden. Der Ausbau der Stromnetze wird durch einen Anteil im Strompreis, dem Netz entgelt, durch den Letztverbraucher finan­ziert. In Zukunft kann eine intelligente Steuerung des Verbrauchs­ und Erzeugungsverhaltens im Stromnetz dazu genutzt werden, den notwendigen Netzausbau zu begrenzen. Dazu muss das Verteilnetz für den flexiblen Austausch von Energie und Informationen in alle Rich­tungen ausgelegt werden und Anreize setzen, Strom dann bereitzustellen bzw. zu verbrauchen, wenn es erforderlich ist.

Flexibilität verstehen und als Mehrwert nutzen

Man spricht in diesem Zusammenhang auch von einer netzdienlichen Flexibilisierung des Verbrauchs­ bzw. Er­

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zeugungsverhaltens im Verteilnetz. Ein Beispiel hier­für ist, dass ein Letztverbraucher seinen Solarstrom tagsüber in einem hauseigenen Batteriespeicher zwischenspeichert und abends verbraucht, um keine Belastungsspitzen im Netz zu verursachen.

Auf ähnliche Weise könnte ein Industrie­ oder Gewerbe­betrieb nicht zeitkritische Prozesse in Zeiten verlagern, in denen viel Strom im Netz vorhanden ist. Diese Flexi­bilität seitens der Letztverbraucher muss entsprechend honoriert werden. Dem Letztverbraucher, der heute für den Systemumbau bezahlt, muss also zukünftig ein wirtschaftliches, sicheres und umweltfreundliches Energiesystem geboten werden, an dessen Mecha­nismen er aktiv als Konsument, Produzent oder einer Kombination aus beidem, als „Prosumer“, teilnehmen kann, um auf individuelle Art und Weise einen Beitrag zur Kostensenkung zu leisten. „Hier stehen der Energie­sektor und die Politik gemeinsam in der Verantwortung, ein System zu entwickeln, welches diesen Ansprüchen gerecht werden kann. Wir freuen uns, dass wir in Hes­sen im Projekt C/sells die Chance bekommen, hierbei aktiv mit wirken zu dürfen“, erläutert Nicolas Spengler vom kommunalen Energieversorger EAM.

Entsprechend dem Leitgedanken von C/sells besteht das zukünftige Energiesystem aus vielen Zellen, die autonom agieren und vielseitige Lösungen für die be­schriebenen Herausforderungen bereitstellen. Eine Zel­le kann in dieser Vision verschiedene Größenordnun­gen annehmen, beginnend von einem Haushalt oder einer Liegenschaft bis hin zu einer Netzzelle, die einen Teil eines Stromnetzes repräsentiert.

„Unter den genannten Gesichtspunkten ist es strate­gisches Ziel für die C/sells­Akteure in Hessen, einen prototypischen regionalen Marktplatz für hessische Netzzellen zu entwickeln, an dem Konsumenten, Pro­duzenten und „Prosumer“ ihre Flexibilität in Verbrauch und Erzeugung anbieten können“, führt Prof. Peter Birkner aus, der als Geschäftsführer des House of Energy e. V. die Regionalkoordination der Projektaktivitäten in Hessen verantwortet.

Die Konzeption und das Design dieses regionalen Marktplatzes für Hessen übernehmen die Fachgebiete „Kommunikationstechnik“, „Volkswirtschaftslehre mit Schwerpunkt dezentrale Energiewirtschaft“ und „In­

telligente Eingebettete Systeme“ der Universität Kassel gemeinsam mit dem kommunalen Energieversorger EAM.

Die Plattform für den regionalen Marktplatz wird vom Fachgebiet Kommunikationstechnik entwickelt. Auf ihr laufen die verschiedenen Handelsmechanismen, die im Rahmen des Projektes untersucht werden sollen. Außerdem werden in die Plattform die Angebote und die Nachfragen nach Flexibilitäten eingegeben. Der Handels mechanismus, wie etwa eine Auktion oder eine Zuordnung zu dem besten Angebot, kann dann situationsabhängig gestartet werden.

Wenn ein Handel ausgemacht ist, werden Möglichkeiten zum Abruf der Flexibilität durch den verantwortlichen Netzbetreiber zur Verfügung gestellt. Außerdem wer­den alle Aktionen protokolliert, um die Entscheidun­gen der Plattform jederzeit nachvollziehbar zu machen. „Aus informations­ und kommunikationstechnischer Sicht werden dazu Eingriffe an den Schnittstellen zwi­schen den zukünftigen Marktakteuren durchgespielt, die für die zukünftige Aufgabe eines bidirektionalen Daten­ und Informationsflusses und den Anschluss einer wachsenden Zahl von Geräten und Anlagen vor­bereitet werden müssen“, erläutert Prof. Klaus David.

Durch die Demonstration der Funktionsweise des Mark­tes im „Reallabor“ wird der Nachweis verfolgt, dass auf Ebene städtischer und regionaler Stromnetze Situatio­nen beherrscht werden können, wie sie beim weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien in den nächsten Jahrzehnten in Hessen zu erwarten sind.

Mit Hilfe des prototypischen Handelssystems der Universität Kassel sollen später bereits im Feld reale Industrie kunden und Erzeuger, die im Stromnetz der EAM angeschlossen sind und bei denen Flexibilitäts­potentiale erschlossen wurden, mittels wirtschaftlicher Anreize für eine Teilnahme an dem prototypischen Markt gewonnen werden. „Der regionale Markt wird als Instrument für den Ausgleich des fluktuierenden Leistungsangebotes erneuerbarer Energien im regi­onalen Stromnetz genutzt und in zwei von uns ver­sorgten hessischen Netzzellen – soweit technisch und rechtlich möglich – unter Einbeziehung von Akteuren modellhaft erprobt. Mit der Stadt Dillenburg konnten wir für die Umsetzung bereits einen wichtigen Part­

ner aus dem kommunalen Umfeld gewinnen“, erklärt Nicolas Spengler, Projektverantwortlicher der EAM. „Neben diesen technischen Aspekten werden von uns auch ökonomische Fragestellungen bearbeitet, die ei­nen Beitrag zur aktuellen Diskussion in Politik und Wis­senschaft liefern. Eine besondere Herausforderung im Marktdesign liegt in der regionalen Komponente der gehandelten Produkte zur Beseitigung lokaler Engpässe im regionalen Stromnetz“, ergänzt Prof. Heike Wetzel vom Fachgebiet „Volkswirtschaftslehre mit Schwer­punkt dezentrale Energiewirtschaft“. Gemeint ist, dass jede Flexibilität eine bestimmte Auswirkung auf die be­nachbarten Knoten (Elektrische Anschlusspunkte) im regionalen Stromnetz hat. Prinzipiell nehmen manche physikalischen Wirkungen, wie etwa eine Spannungs­erhöhung oder ­verminderung, mit der Entfernung zur Flexibilität ab.

Demnach ist eine Flexibilität eigentlich ein Produkt, das ortsabhängige Preise hat, da für zwei unterschiedliche Orte im Verteilnetz, an denen ein Bedarf für Flexibilität besteht, die selbe Flexibilität unterschiedliche Auswir­kungen hat. Dieser Umstand hat Auswirkungen sowohl auf die Angebotserstellung als auch die Angebots­nachfrage. So muss jedes Angebot und jede Nachfra­ge mit einem Ort im regionalen Stromnetz angegeben werden. Eine Auktion oder eine Zuordnung zu einem bestimmten Angebot muss dann ebenfalls unter Be­rücksichtigung der Orte im Verteilnetz erfolgen. Eine im Zuge des Marktdesigns zu untersuchende Frage­stellung ist beispielsweise, ob der Ort eine geografische Angabe sein kann oder eher physikalisch der spezielle Knoten in der jeweiligen Verteilnetzstruktur sein muss.

Schaffung der technischen Voraussetzungen

Für einen realen Test des regionalen Marktplatzes müssen technische Voraussetzungen in den beiden Demonstrationszellen der EAM geschaffen werden. Ge­nerell ist im heutigen elektrischen Energiesystem die im Netz eingesetzte Sensorik zur Zustandserfassung sowie die Aktorik zur Realisierung weitgehend automa­tisierter Eingriffe in den Betrieb der Stromnetze nur auf der Ebene der Höchst­ und Hochspannungsnetze vor­handen. In den unterlagerten regionalen Stromnetzen ist diese Technik in geringerem Maße vorhanden. Um das Last­ und Erzeugungsverhalten in den Demonstra­tionszellen mit einem Marktmechanismus besser auf­

einander abzustimmen und in einem Feldversuch zu erproben, müssen neuartige Sensoren und Aktoren eingesetzt werden.

Auf der Angebotsseite müssen innerhalb der Zellen netz­ und marktdienliche Potentiale von am Projekt beteiligten Photovoltaik­ Speichersystemen, Photo­voltaik­Großkraftwerken, Kraft­ Wärme­Kopplungs­anlagen, Haushalts­, Gewerbe­ und Industriekunden identifiziert und als Anbieter für Flexibilität ertüchtigt werden. Auch auf der Nachfrageseite werden innerhalb der Zellen die notwendigen technischen Voraussetzun­gen für eine Teilnahme an einem regionalen Marktplatz geschaffen. Dazu gehört die Installation intelligenter Stromzähler und Messsysteme, sogenannte Smart Me­ter, weitere Sensorik zur Erkennung kritischer Netz­zustände in Stromnetzen, sowie die kommunikations­seitige Verknüpfung von Sensorik, Prozessleittechnik und aktiven Betriebsmitteln mit Netzführungssys­temen der Netzbetreiber. Dem Austausch der alten Stromzähler gegen Smart Meter wird in der genannten Vorbereitung der Angebots­ und Nachfrageseite eine wichtige Rolle zukommen.

Smart Meter werden je nach Ausstattung für Letztver­braucher, Netzbetreiber und Erzeuger die notwendigen Verbrauchsinformationen bereitstellen. Smart Grids übermitteln Informationen und schaffen beim Letzt­verbraucher die Grundlage für geeignete Anreize zur Verbesserung der Energieeffizienz. Die Einführung und insbesondere der flächendeckende Rollout von Smart Metern sind mit nicht unerheblichen Kosten, technischen Herausforderungen und Risiken verknüpft. Die Gewährleistung von Interoperabilität, Datenschutz­ und Datensicherheitsanforderungen sind dabei einige Aspekte, denen erhöhte Aufmerksamkeit zu widmen ist. Voraussetzung für eine erfolgreiche und effiziente Einführung und Weiterentwicklung intelligenter Mess­systeme ist ein erfolgreicher Test von Infrastruktur, Geräten und Schnittstellen.

Was sind die Herausforderungen – Und wie können Lösungen aussehen?

„Die EAM vertritt die Auffassung, dass branchenweit koordinierte Testphasen, im Gegensatz zu individuel­len Tests, zu einer deutlich höheren Qualität der in­telligenten Messsysteme vor dem Rollout führen. Sie

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reduzieren den unternehmensindividuellen Testbedarf auf ein wirtschaftlich verträgliches Mindestmaß und können sehr hohe Kosten, die durch zu spätes Erken­nen von Problemen verursacht werden, vermeiden“, so Oliver Belz, Experte für Smart Meter bei der EAM. Daher werde man Smart Meter in einem Pilottest einführen und sich dabei mit Netzbetreibern und Herstellern in­tensiv abstimmen. Vor dem Pilottest, der im Rahmen des Projektes erfolgt, wurden in Labortests und Praxis­tests bei einer geringen Zahl von Kunden Integrations­fähigkeit, Interoperabilität und Zuverlässigkeit von Smart Metern bei möglichst vielen Geräteherstellern geprüft, sowie elementare Prozesse (insbesondere die Inbetriebnahme) beleuchtet und ausgestaltet.

In einem nachfolgenden Feldtest wurde die Zahl der beteiligten Kunden bereits auf über 100 erhöht, um verschiedene Kommunikationstechnologien und die Interoperabilität von Smart Metern verschiedener Her­steller im Feld zu prüfen sowie die Geschäftsprozesse (z. B. Abrechnung der Energiemengen) bei steigenden Testmengen zu verifizieren und zu optimieren. Die La­bor­, Praxis­ und Feldtests bilden die Basis für die Spe­zifizierung der Gesamtarchitektur. Sämtliche Ergebnisse werden von den Experten der EAM für den Pilottest berücksichtigt.

Mit der Möglichkeit einer geeigneten Erfassung und Beobachtung des Netzzustandes wird eine technische Grundlage für die Nutzung netzdienlicher Flexibilität im regionalen Stromnetz gebildet, mit der ein Netz­betreiber einen Flexibilitätsbedarf zur Behebung eines Netzengpasses erkennen kann. Jedoch reichen eine Kommunikationsinfrastruktur und entsprechende Sen­sorik auf Seiten des Netzbetreibers noch nicht aus, um Flexibilitätsbedarf frühzeitig am regionalen Marktplatz nachzufragen.

Um eine frühzeitige Nachfrage zu ermöglichen, wird eine geeignete Prognose des Netzzustandes erforder­lich. Die Erstellung von Prognosen zur Erkennung eines Flexibilitätsbedarfs in einem regionalen Stromnetz mit­tels Messungen und Prognosen ist neuartig und wird für die hessische Modellregion vom Fachgebiet „Intel­ligente Eingebettete Systeme“ übernommen.

„Zur Prognose des Netzzustandes für z.B. einen Folge­tag verarbeiten wir relevante Eingangsdaten wie

Wetter daten und das Verbrauchs­ und Erzeugungs­verhalten aus der Vergangenheit mit Techniken des maschinellen Lernens, um auf diese Weise Aussagen für die Zukunft zu treffen“, erläutert hierzu Prof. Bern­hard Sick. Gebraucht werden zeitnah für den Netz­betrieb wichtige Informationen zu kritischen Netz­parametern wie z. B. Spannung, Leistungsflüssen und Betriebsmittelbelastungen in den betroffenen Netzbe­reichen. Im Zuständigkeitsbereich des Netzbetreibers sollen mittels geeigneter Messungen kritische Netzzu­stände erkannt werden.

Sofern gemäß der Prognose herkömmliche Gegensteuerungs maßnahmen im Netz nicht aus­reichend sind, einen prognostizierten kritischen Netz­zustand zu vermeiden, wird vom Netzbetreiber am regionalen Marktplatz ein Flexibilitätsbedarf angemel­det bzw. nachgefragt.

In der hessischen Modellregion wird durch die EAM besonderes Augenmerk bei der Erkennung des Netz­zustandes auf die Rückwirkungen marktdienlicher Sys­teme bei Haushalts­ und Gewerbe kunden gelegt, da die Kenntnis der Rückwirkungen für einen künftigen Betrieb dieser Netze unumgänglich ist. Dafür werden Netzteile ausgewählt und zum Teil mit einer Photo­voltaik­Speicher­Kombination (z.B. einem Batteriespei­cher) und Home­Management­Systemen ausgestattet. In den Netzsträngen sollen auf diese Weise die verän­derten Belastungen analysiert werden.

Die Untersuchungen umfassen dabei auch die Verwen­dung eines neuartigen, intelligenten und integrierten Verteilnetz managementsystems, um die Erfassung des Netzzustandes im Stromnetz der Zukunft für die Vielzahl der regionalen Stromnetze möglichst auto­matisieren zu können. Bei dem Test des Verteilnetz­managementsystems soll geklärt werden, wie zukünf­tig Netzzustände automatisiert erfasst und ein sicherer Betrieb der Netze selbst in kritischen Netzzuständen gewährleistet und durch erneuerbare Energien verur­sachter Netzausbau reduziert werden kann.

Funktionsweise des regionalen Marktes

Grundlage für einen zukünftigen Handel von Flexibilität an einem regionalen Marktplatz ist das vom Bundes­verband der Energie­ und Wasserwirtschaft BDEW e.V. erarbeitete Smart­Grids­Ampel konzept. Dieses Konzept beschreibt unter technischen Gesichtspunkten, zu wel­chen Zeiten zukünftig die Akteure am regionalen Markt zusammenarbeiten, um Engpässe im regionalen Strom­netz zu vermeiden.

Wie bei einer Verkehrsampel wird zwischen einer grünen, einer gelben sowie einer roten Ampelphase unterschieden, die den Netzzustand beschreiben. Die grüne Ampelphase symbolisiert in dem Smart­Grids­ Ampelkonzept die Zeiten, zu denen eine technisch un­eingeschränkte Nutzung des Stromnetzes möglich ist. In dieser Phase beobachtet der Netzbetreiber sein Netz und greift nicht in das Verbrauchs­ oder Erzeugungs­verhalten ein. Die rote Ampelphase zeigt hingegen an, dass die Netzstabilität akut gefährdet ist. Um diese Ge­fährdung für die Stromversorgung der Letztverbrau­cher unmittelbar beseitigen zu können, wird es für den Netzbetreiber erforderlich, steuernd oder regelnd in das

Verbrauchsverhalten in seinem Netz einzugreifen. Die­se rote Ampelphase gilt es möglichst zu vermeiden. Die gelbe Phase beschreibt den Übergang zwischen einem grünen und einem roten Netzzustand. Die gelbe Pha­se tritt also ein, wenn sich ein Netzengpass laut einer Netzzustandsprognose in einem Stromnetz abzeichnet.

In den beiden Demonstrationszellen der EAM kann in der gelben Phase also von der EAM die von Markt­teilnehmern angebotene Flexibilität für das betroffene Stromnetz abgerufen werden, um den Eintritt einer roten Ampelphase zu verhindern. Diese Möglichkeit des Flexibilitätsabrufs kauft sich die EAM auf Basis ihrer Netzzustandsprognosen zuvor am regionalen Markt­platz ein.

Dafür bedarf es eines Marktplatzes, welcher einen technologie neutralen und diskriminierungsfreien Wett­bewerb zwischen potentiellen Anbietern netzdienlicher Flexibilität (Erzeuger, Verbraucher, Speicher) ermög­licht. Hierfür müssen in C/sells standardisierte Daten­modelle (z. B. Gesamtanlagenregister) und automati­sierte Prozesse zwischen allen Marktbeteiligten (z. B. Marktkommunikation) entwickelt werden.

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Beim Design einer Kommunikations­Infrastruktur müs­sen Aspekte wie Integration verschiedener Systeme und Datensicherheit/Datenschutz berücksichtigt wer­den. Zu beachten ist auch, dass der regionale Markt­platz dabei keineswegs die bestehenden Großhandels­märkte ersetzen soll, sondern diese nur um einen geeigneten marktwirtschaftlichen Mechanismus zur Bereitstellung von Flexibilität für das regionale Strom­netz ergänzen soll.

Der im Rahmen des Projektes modellhaft zu entwi­ckelnde, netzdienliche regionale Marktplatz wird sich konzeptionell an existierenden Großhandels­Markt­plätzen für netzdienliches Verhalten von Verbrauchern und Erzeugern, die zur Stabilisierung des gesamten europäischen Verbundnetzes genutzt werden (z. B. Regelleistungsmarkt), orientieren, jedoch das regionale Marktgebiet der Modellregion umfassen. Hinsichtlich der Funktionalität des regionalen Marktplatzes führt Prof. Heike Wetzel aus: „Über den regionalen Marktplatz werden Flexibilitäten als netzdienliche Systemdienst­leistungen von Verbrauchern, Erzeugern und Speicher­betreibern angeboten und nach börslichem Zuschlag vorgehalten. Der Netzbetreiber wird zukünftig zum „SmartGridOperator“ und ruft vor Eintreten des kriti­schen Netzzustandes die vorgehaltene Systemdienst­leistung ab und vergütet dem Anbieter den zuvor börs­lich verhandelten Preis.“

Erwartete Ergebnisse

Die Ergebnisse der hessischen Aktivitäten sollen Er­kenntnisse von der Konzeption bis zum Einsatz eines regionalen Marktplatzes im Feld liefern. Sie bilden da­mit eine fundierte Basis zur weiteren Flexibilisierung des regionalen Stromnetzbetriebes. Weiterhin erwar­ten wir, dass die Ergebnisse wertvolle Hinweise zur Gestaltung rechtlicher Rahmenbedingungen und somit Input für politische Diskussionen zur Entwicklung des elektrischen Energiesystems liefern werden. Gleich­zeitig werden auch hinsichtlich der Interdependenzen zwischen den unteren regionalen Netzebenen und den Höchst­ und Hochspannungsnetzen konkrete techni­sche und systemische Lösungsansätze entwickelt und erprobt werden, mit denen regionale Marktplätze für Flexibilität einen Beitrag für die Stabilität des gesamten Stromnetzes leisten können.

Da zukünftige Kosten­ und Wirtschaftlichkeits strukturen heute noch nicht vorhergesagt werden können, wird für die neue Systemtechnik generell ein vielseitiger, zellu­lärer Ansatz verfolgt. Zudem müssen auch Anreize zum Mitmachen im Dialog mit Politik und Bürgern erfolgen. In den adressierten Fragestellungen müssen im Ergeb­nis Musterlösungen mit hohem Reifegrad vorliegen, die eine unmittelbare Übertragbarkeit ermöglichen.

Netzprognose des Netzbetreibers

Wetterdaten Anlagendaten

Flexibilitätshandel am Marktplatz

Angepasstes Verbrauchsverhalten

Niederspannung (400 Volt)

Mittelspannung (20.000 Volt)

Ortsnetz-station

Hochspannung (110.000 Volt)

Umspannwerk

Kritischer Netzbereich

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Blindleistungsmanagement und Inselnetzfähigkeit von städtischen Verteilnetzen | Patrick Thiel, Städtische Werke Netz + Service

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Demand-Side-Management in Industrie- und Gewerbebetrieben | Oliver Ramm, EAM EnergiePlus

Hintergrund und Lösungsansatz

Energieversorgungsnetze und die Strukturen der heutigen Energieversorgung basieren überwiegend auf den Anforderungen, welche in der Vergangen­heit an das System gestellt wurden. Der in zentralen großen Kraftwerken erzeugte Strom wurde über die unterschiedlichen Spannungsebenen in der Regel von der Höchstspannung in die unteren Spannungsebenen bis zu den Verbrauchern geleitet. Diese alten Struktu­ren des gesamten Energiemarktes finden sich in einem starken Wandel. Dabei stellt die Integration der Erneu­erbaren Energien die Betreiber der Elektrizitätsnetze vor neue Herausforderungen.

Die schwankende, saisonal und witterungsabhängige Einspeisung solcher Erzeugungsanlagen führt ver­mehrt zu einem Überangebot an Strom zu den Zeiten mit schwacher Nachfrage. Die Netzstabilität und da­mit auch die Versorgungssicherheit hängen jedoch zu jedem Zeitpunkt stark von dem bilanziellen Gleichge­wicht zwischen den erzeugten und bezogenen Energie­mengen ab.

Während sich auf der Erzeugungsseite die Eingriffs­möglichkeiten auf die Abregelung und damit den Ver­zicht wertvoller Energie beschränkt, bestehen auf der Abnahmeseite verschiedene Optionen. Zusätzlich stellen flexible und effiziente Erzeugungsanlagen mit Kraftwärmekopplung auf Basis von Biogas und Erdgas, zukünftig mit erneuerbaren Gas betrieben werden kön­nen, eine weitere Möglichkeit zur Beeinflussung des Netzes dar.

Aus diesem Grund werden in diesem Vorhaben im Rahmen von C/sells die Industrie­ und Gewerbekunden in den Fokus gestellt, um Ihre Wirkung als Infrastruk­turzelle auf der Verbrauchsseite, ggf. in Verbindung mit Eigenerzeugungsanlagen, zu untersuchen und zu de­monstrieren.

Auf der Verbraucherseite ist Last­ und Erzeugungs­management daher ein wichtiger und elementarer Ansatz für das Gelingen der Energiewende. Durch Ver­änderung des zeitlichen Strombedarfes (Entkopplung vom Zeitpunkt des tatsächlichen Bedarfs hin zu dem Zeitpunkt der Erzeugung) kann das notwendige sys­temrelevante Gleichgewicht hergestellt werden.

Der Einsatz klassischer Stromspeicher (bspw. Batterien) ist heute und kurzfristig in dem benötigten Umfang wirtschaftlich nicht darstellbar. Daher ist die indirekte Stromspeicherung der elektrischen Energie ein wich­tiger Ansatz für ein Gelingen der Energiewende. Auf Grund ihrer hohen Strombedarfe können produzierende Betriebe prinzipiell als indirekte Speicher im Markt auf­treten, weil sie Elektrizität in andere Energieformen (bspw. Druckluft, Kälte) umwandeln. Diese Energie­formen können im Gegensatz zu Strom in signifikanten Mengen günstiger gespeichert werden.

Dazu müssen jedoch die Produktionsanlagen bzw. deren technische Gebäudeausrüstung entsprechende Kapazitäten und eine Flexibilität in der Betriebsfüh­rung aufweisen. In dieser Betrachtung spielen auch dezentrale Erzeugungsanlagen (z.B. PV und BHKW), welche überwiegend für den Eigenbedarf betrieben

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werden, eine wesentliche Rolle. Zudem fehlen den Energieversorgern (Betreibern vor Erzeugungsanlagen, Stromlieferanten) und Netzbetreibern die notwendigen Informationen zu den spezifischen Energiebedarfen der Unternehmen.

Den Unternehmen wiederum fehlen die Möglich­keiten zu einer Teilnahme am Energiemarkt um ihre Flexibilitäten zu vermarkten, bzw. überhaupt deren Potenzial zu bewerten, da ihnen die Anforderungen und Erlösmöglichkeiten nicht bekannt sind und sich nicht erschließen lassen. Nur das Zusammenführen dieser Daten und dem Know­how ermöglichen die Umsetzung der potenziellen Geschäftsmodelle für unterschiedliche insbesondere mittelständische Akteure.

Auf der Erzeugerseite sind flexible und hoch effizi­ente KWK­Anlagen sukzessive aufzubauen. Durch die Kraft­Wärmekopplung mit Motor­BHKWs wird einer­seits der Brennstoff hoch energieeffizient eingesetzt und andererseits können die modernen Anlagen sehr kurzfristig gestartet werden und können so neben der flexiblen Fahrweise auch Regelleistung und andere Systemdienstleistungen im regionalen Netz anbieten.

Durch die flexible Auslegung von BHKW (große Ka­pazität bei niedrigen Volllaststunden in Verbindung mit thermischen Speichern), bei der die Anlagen auf eine jährliche Laufzeit unter 4000 Betriebsstunden ausgelegt und betrieben werden, bestehen trotz der Verknüpfung mit der Wärmeversorgung ergänzende Strom erzeugungsanlagen zu den volatilen EE­Anlagen, die wind­ oder PV­schwache Zeiten abdecken können. Im Rahmen von C/sells wird untersucht, ob bei den ver­schiedenen typischen Wärmesenken in den regionalen Strukturen derartige flexible Erzeugungsanlagen mit KWK technisch eingebunden werden können und die Anlagen bei intelligenter Verknüpfung der verschiede­nen Flexibilitätsmärkte, auch den regionalen Flexibili­tätsmarkt, wirtschaftlich zu betrieben werden können.

Für die Identifizierung der Flexibilitätspotenziale lie­gen häufig die Daten für eine Bewertung nicht in der notwendigen Detailtiefe vor, da sich aus dem Kern­geschäft der Betriebe die Notwendigkeit bisher nicht ergeben hat. Energiemanagementsysteme nach DIN EN ISO 50.001 können eine Datengrundlage liefern, müssen jedoch in der Regel ebenfalls um den Fokus

auf die Lastmanagementpotenziale ergänzt werden. Aus diesem Grund werden im Rahmen des Projektes umfassende Messungen durchgeführt, die die entspre­chende Datengrundlage schaffen.

Die Bewertung erfolgt auf Basis von ganzheitlichen energietechnischen und energiewirtschaftlichen Simula tionen, die eine detaillierte Bewertung der Flexibilitätspotenziale ermöglichen. Für die Bereitstel­lung dieser Flexibilitäten werden dabei sämtliche Quer­schnittstechnologien der Betriebe untersucht.

Diese umfassen die Bereitstellung von Wärme in ver­schiedenen Medien (Warmwasser, Dampf, Thermoöl), die Bereitstellung von Kälte und Druckluft sowie weite­rer Prozessmedien sowie die Bereitstellung von Strom. Dabei werden jeweils die Nutzung von Speichern und die Nutzung von bivalenten System für die Medien­bereitstellung durch Strom oder thermische Energie bewertet (z.B. strombetriebene Druckluft­Kompresso­ren in Verbindung mit gasbetriebenen Druckluftkom­pressoren.

Projektablauf

Die vierjährige Projektlaufzeit unterteilt sich in drei Hauptprojektphasen.

In der ersten Phase werden verschiedene Branchen auf Ihre Eignung zur Bereitstellung von Flexibilitäten untersucht. Die Eignung ergibt sich dabei aus häufig verwendeten Technologien in bestimmten Industrie­zweigen. Aus dieser Branchenbewertung ergibt sich ein Kreis von Unternehmen, die für die Projektteilnahme in Frage kommen.

Der Fokus liegt dabei auf Unternehmen im Netzge­biet der EnergieNetz Mitte, damit diese Betriebe am regionalen Flexibilitätsmarkt, der parallel im Rahmen von C/sells durch die EnergieNetz Mitte und die Uni­versität Kassel aufgebaut wird, teilnehmen können. Die Erkenntnisse die sich aus diesen Betrieben ergeben sollen bundesweit übertragbar sein

In zwei Analysenstufen werden für die ausgewählten Betriebe, die an dem Projekt teilnehmen wollen, Maß­nahmen für die Bereitstellung von Flexibilitäten entwi­ckelt und zur Umsetzung vorgeschlagen.

In der zweiten Projektphase werden diese Maßnahmen dann in Zusammenarbeit mit den Projektpartnern des Teilvorhabens in C/sells in den Betrieben umgesetzt.

Die dritte Projektphase besteht aus dem Demonstra­tionsbetrieb. In dieser Phase werden die flexiblen An­lagen am regionalen Flexibilitätsmarkt vermarktet und auch die technische Erbringung der Systemdienstleis­tungen erprobt. Gleichzeitig werden die alternativen Vermarktungswege für die Betriebe bewertet. Diese können ihre flexiblen Anlagen auch für die Beschaf­fungsoptimierung nutzen, für den kurzfristigen Energie­handel oder für die Erbringung von Regelleistung nut­zen.

Der Demonstrationsbetrieb wird durch die Projekt­partner gesteuert und begleitet. Es werden für die De­monstrationsanlagen tägliche Fahrpläne erstellt und die Anlagen werden in einem Energiemonitoringsys­tem visualisiert und überwacht. Im Rahmen der Visuali­sierung wird auch die Energieeffizienz der Anlagen mit bewertet. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die Flexibilitätsbereitstellung nicht zu Lasten der Energie­effizienz erfolgt.

Erwartetes Projektergebnis

Im Ergebnis soll am Ende der Projektlaufzeit das Potenzial von Industrie­ und Gewerbebetrieben für die Bereitstellung von Flexibilitäten und die Erbringung von Systemdienstleistungen ermittelt und bewertet sowie deren Bereitstellung demonstriert worden sein.

Durch die Teilnahme am regionalen Flexibilitätsmarkt wurde die Netzdienlichkeit für das Verteilnetz bewertet. Des Weiteren wurden alternative Vermarktungswege für die Flexibilitäten bewertet und die Auswirkung auf die Energieeffizienz bewertet, so dass integrierte Kon­zepte für die energiewirtschaftliche Optimierung und Vermarktung von Systemdienstleistungen durch Indus­trie­ und Gewerbebetriebe zur Verfügung stehen.

Projektpartner

EAM EnergiePlus GmbH (EAMP): EAMP wird die Rol­le des Aggregators im regionalen Flexibilitätsmarkt, die Vermarktung von Systemdienstleistungen auf den unterschiedlichen Flexibilitätsmärkten, die Steuerung und Bündelung der Demonstrationsanlagen vorneh­men. Weiterhin tritt EAM EnergiePlus als Betreiber oder Betriebsführer der Anlagen mit den entwickelten Betriebskonzepten auf und führt die Evaluierung des Demonstrationsbetriebs sowohl aus technischer Sicht als auch mit dem Blick auf die Energieeffizienz durch.

Limón: Der Schwerpunkt von Limón liegt in der Bewer­tung von Industrieprozessen und der Ermittlung von Lastmanagementpotenzialen. Dazu finden detaillierte Untersuchungen der Kundeanlagen statt. Entsprechend dem iterativen Prozess aus Austausch findet die Pla­nung von Anlagen und die Konzeptentwicklung für das Last­ und Erzeugungsmanagement statt. Als Experte für Energiemanagement und Monitoring findet eine detaillierte Evaluierung des Betriebs der Demonstra­tionsanlagen in Zusammenarbeit mit EAMP als Be­triebsführer statt.

Ramboll CUBE GmbH: Die Schwerpunkte bei Ramboll CUBE liegen in der Bewertung der Anlagenkonfigura­tionen zur Energiebereitstellung und der Entwicklung von Betriebskonzepten. Diesen sind eng verzahnt mit den Aufgaben von EAMP und Limón bei der Umsetzung und Prüfung der Kundenanlagen. Zu den Aufgaben ge­hören die Simulation von Geschäftsmodellen und Be­triebskonzepten (allg. und betriebsspezifisch) um diese einer energiewirtschaftliche Bewertung (regulatorisch, wirtschaftlich, technisch) zu unterziehen und letztend­lich auf ihre Realisierungswahrscheinlichkeit bewerten zu können. Des weiteren entwickelt Ramboll CUBE die Fahrpläne für die flexiblen Anlagen, welche ein wichti­ger Bestandteil bei der Umsetzung der Vorhaben sind. Ebenfalls erfolgt eine enge Einbindung bei der Evalu­ierung des Betriebs der Anlagen.

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Flexibilitätspotenzial von Liegenschaften bei optimierter Wärmebereitstellung | Dr. Michael Krause, Fraunhofer IWES

Die Transformation der Energieversorgung hin zu einer dekarbonisierten Energiebereitstellung ist eine der zentralen Aufgaben der Industrienationen im 21. Jahrhundert. Der Energieeffizienzstrategie Gebäude der Bundesregierung liegt das Ziel zugrunde, den Gebäude­bestand bis 2050 nahezu klimaneutral zu gestalten. Das bedeutet, dass der Primärenergiebedarf durch eine Kombination aus Energieeinsparung und dem Einsatz erneuerbarer Energien bis 2050 in der Größenordnung von 80 % gegenüber 2008 gesenkt werden muss.

Die Bedeutung von Gebäuden im Energieverbrauchs­sektor Wärme ist offensichtlich. Knapp 40 % des End­energieverbrauchs in Deutschland entfallen im We­sentlichen für die Raumheizung auf diesen Bereich und damit auch mehr als ein Drittel der CO₂­ Emissionen Deutschlands. Neben der zwingend notwendigen Stei­gerung der Energieeffizienz im Gebäudebereich ist die Koppelung der Sektoren Strom und Wärme von her­ausragender Bedeutung, um bei zunehmender Strom­produktion aus erneuerbaren Energien massentauglich fossile Energien aus der Gebäudebeheizung zu verdrän­gen.

Für ein neu geplantes Netzgebiet der EAM EnergiePlus GmbH sollen Möglichkeiten erforscht werden, wie einzelne Liegenschaften durch Flexibilisierung von Wärme anwendungen in Kopplung mit stromgeführten Erzeugungssystemen eine ökologische und ökonomi­sche Effizienzsteigerung für das Gesamtsystem initi­ieren können.

Für eine Ortschaft im oberhessischen Raum soll die

Wärmeproduktion in einem Biomassezentrum für pri­vate Haushalte und Schulen in der näheren Umgebung verfügbar gemacht werden. Hierzu soll ein kleines Fernwärmenetz gebaut werden, welches zwei Schulen und circa 100 Haushalte versorgen kann. Die Besonder­heit beim Betrieb des Biomassezentrums ist sowohl die Auskoppelung von Wärme für den prozesssicheren Betrieb der Anlagen, als auch der Betrieb eines neu zu errichtenden Biomethan­BHKW. Das BHKW soll dabei vor allem dann betrieben werden, wenn am Strom­markt hohe Preise erzielbar sind. Diese Betriebsweise kann aber nur dann wirtschaftlich umgesetzt werden, wenn auch die Wärme nahezu vollständig genutzt wird.

Eine der großen Herausforderungen ist somit, den Wär­mebedarf und das Wärmeangebot zu synchronisieren und Wärme möglichst durch Verschiebung für andere Zeiträume nutzbar zu machen. Hierbei kann Wärme sowohl in einem zentralen – am Biomassezentrum be­findlichen – Speicher als auch über bereits vorhandene Wasserspeicher in den Haushalten gepuffert werden.

Jedoch muss für eine optimale Auslegung und Betriebs­weise einer speicherorientierten Wärmelastverschie­bung der Wärmebedarf in den Liegenschaften für den geplanten Betriebszeitraum des BHKW bekannt sein. Üblicherweise werden Einsatzplanungen stromopti­mierter Erzeugungssysteme für den Folgetag vorge­nommen, eine Wärmebedarfsprognose muss somit für den Folgetag hinreichend genau sein.

Grundsätzlich existieren verschieden Arten von Prog­nosetools, welche auf sogenannten Standardlastpro­

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filen basieren, die z.B. außentemperaturabhängige normierte Lastgänge bereitstellen1. Diese Lastgänge können danach mit aktuellen Messdaten aus den Liegen schaften denormiert werden und sind dann ge­eignet mit Hilfe eine Wettervorhersage den Wärme­bedarf zu prognostizieren.

Die Schwierigkeit, die durch Anwendung eines Standard lastprofils für diese Zwecke entstehen kann, zeigt Abbildung 1. Der Vergleich von realen Wärme­verbräuchen mit dem generisch erzeugten Datensatz des Standardlastprofils zeigen hohe Abweichungen, die für den Praxisbetrieb eher nicht geeignet sind, um genaue Aussagen über Prognosezeiträume zu liefern. Ursächlich hierfür ist das Fehlen weiterer wesentlicher Einflussparameter auf den Wärmeverbrauch, wie zum Beispiel solare Energiegewinne, Anzahl Bewohner, Nut­zerverhalten und nicht zuletzt der tatsächliche energe­tische Zustand der Liegenschaft.

Mit Hilfe von thermischen Simulationen könnten die­se Randbedingungen mit berücksichtigt werden, eine höhere Genauigkeit der Bedarfsprognose wäre die Folge. Leider erfordert die thermische Simulation von Liegenschaften einen hohen Zeitaufwand für die Mo­dellbildung, Simulation und Auswertung, sodass für eine große Anzahl von Liegenschaften der Aufwand den Nutzen übersteigt.

1 BDEW, Bundesverband der Energie­ und Wasserwirtschaft e.V.: BDEW/

VKU/GEODELeitfaden ­ Abwicklung von Standardlastprofilen Gas, Ber­

lin, 30.06.2015

Aus diesem Grund wird derzeit am Fraunhofer­Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik ein Prognosetool entwickelt, welches auf vereinfachende Weise stundenbasierte Wärmebedarfe unter Berück­sichtigung der Baualtersklasse, der solaren Einstrah­lung, der Außenlufttemperatur und der Gebäudenut­zung berechnen kann.

In die Berechnungsmethodik fließen sowohl die energetische Qualität der Liegenschaften über eine Gebäude typologie2 ein, als auch klimatische Rand­bedingungen über sogenannte Testreferenzjahre des Deutschen Wetterdienstes3, sowie die tatsächliche Gebäudegeometrie und die Anzahl der Nutzer.

Als Ergebnis der Methodik erhält man mit Hilfe einer einfachen Bilanzierung in Anlehnung der Rechen­methodik gemäß DIN V 185994 stundengenaue Wärme­profile (siehe Abbildung 3 und Abbildung 4), die eine genauere Prognose der Bedarfe ermöglichen sollen.

Ausgehend von diesen Profilen ist nun der Entwurf einer dem BHKW­Betrieb angepassten Lade­ und Entladestrategie von gebäudeinternen und zentralen Speichern möglich.

2 Loga, T. , Diefenbach, N.: Use of Building Typologies for Energy Perfor­

mance Assessment of National Building Stocks. Existent Experiences

in European Countries and Common Approach, published by Institut

Wohnen und Umwelt GmbH, June 2010, ISBN 978­3­941140­14­1

3 Deutscher Wetterdienst, 2016: Ortsgenaue Testreferenzjahre von

Deutschland für mittlere und extreme Witterungsverhältnisse, Offen­

bach, Juni 2016

4 DIN V 18599:2016­10 ­ Energetische Bewertung von Gebäuden. Be­

rechnung des Nutz­, End­ und Primärenergiebedarfs für Heizung, Küh­

lung, Lüftung,Trinkwarmwasser und Beleuchtung 2016, Berlin: Beuth.

Somit kann die Einsatzplanung von BHKW und WP auf­bauend auf verbesserten Wärmebedarfsprognosen optimiert werden. Die Überprüfung der Methodik so­wie der entwickelten Ladeszenarien hinsichtlich der Funktion und der Marktfähigkeit erfolgen anschließend über die in C/sells realisierten Demonstrationsvorha­ben für das Netzgebiet der EAM. Hierbei werden neben

dem Test der Strategien auch Möglichkeiten für Smart Meter­Anwendungen für die thermische Datenerfas­sung betrachtet. Wesentlich ist hierbei die Frage zu klären, in wie weit ein Netzbetreiber Zugriff auf kun­denseitige Anlagen erhalten kann, ohne die Daten­sicherheit, den Datenschutz sowie auch den thermi­schen Komfort zu gefährden.

Abbildung 1: Vergleich von realen Wärmeverbräuchen für ein Niedrig­

energiehaus (rot, tageweise) mit berechneten Werten über das

BDEW­Standardlastprofil Gas (grün).

Abbildung 2: Methodik für die Bedarfsprognose von Liegenschaften

Abbildung 3: Jahreslastprofil

Abbildung 4: Jahresdauerlinie

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Dieser Beitrag wurde nicht verschriftlicht und Folien konnten uns nicht zur verfügung gestellt werden.

Impulsvortrag: Ausbau- und Intelligenzbedarf für die hessischen Verteilnetze der Zukunft | Klaus Gütling, Hessisches Ministerium für Wirtschaft, Energie, Verkehr und Landesentwicklung

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Die „1. C/sells Regionalkonferenz Hessen“ fand elf Monate nach dem offiziellen Startschuss für die fünf Demonstrationsprojekte in Deutschland, der zum Jah­reswechsel 2016 / 17 erfolgte, statt. Es ist in den Bei­trägen klar erkennbar, dass diese elf Monate von den Projektteilnehmern dazu genutzt wurden intensiv an den verschiedenen Aspekten zellulärer Konzepte und den Eckpunkten eines regionalisierten Handels von Flexibilitäten intensiv zu arbeiten. Unabhängig davon liegt noch eine Menge Arbeit vor dem Team und bei weitem konnte noch nicht in allen Belangen eine finale Klärung herbeigeführt werden.

Dies kann aber zum einen in der aktuellen Projektphase nicht erwartet werden und zum anderen kristallisiert sich deutlich heraus, dass die noch zu lösenden Frage­stellungen deutlich schärfer formuliert werden, als noch zu Beginn des Projekts. Bemerkenswert ist auch, dass die technischen Lösungen bereits am weitesten ausge­arbeitet sind. Dies bestätigt einmal mehr, dass Energie­wende weniger ein technisches Problem als vielmehr eine Strukturierungs­ und Organisationsherausforde­rung darstellt. Die Erprobung von Konzepten und ihre anschließende Evaluierung stellt hier einen richtigen und wichtigen Schritt dar.

Im Grunde ist es Aufgabe der Technik Flexibilitäts ­optionen bereitzustellen, die dann über regionalisierte Flexibilitätsmärkte angesprochen und zur Stabilisierung des Leistungsgleichgewichts oder zur Vermeidung von Netzengpässen genutzt werden. Nur in Notfällen hat der Netzbetreiber das Recht des direkten Eingriffs, um drohende Schäden abzuwenden.

So klar dieses Konzept in der Formulierung ist, es muss inhaltlich ausgestaltet und praktisch erprobt werden. Dadurch entsteht Vertrauen. Und dies ist vielleicht der wichtigste „Energieträger“ der Zukunft. Nur Wirtschaft, Wissenschaft und Politik gemeinsam können die rich­tigen Antworten auf die noch offenen Fragen geben. Durch Kommunikation und Partizipation ist die Einbin­dung der Bürger und Kommunen sicherzustellen. Dies ermöglicht die Verprobung der Konzepte und die Si­cherstellung ihrer Akzeptanz.

Die gemeinsame, offene und transparente Suche nach Lösungen ist eine sehr empfehlenswerte und erfolgver­sprechende Vorgehensweise. Das Projekt SINTEG und speziell im Falle Hessens das Teilprojekt C/sells bieten diese Chance. Neben den zu erwartenden konkreten technischen, wirtschaftlichen und juristischen Ergeb­nissen dürfte die Stärkung der vertrauensbasierten Zu­sammenarbeit zwischen Wirtschaft, Wissenschaft und Politik einen wesentlichen Erfolg von SINTEG darstellen. Die gemeinsame Erarbeitung eines besseren System­verständnisses ist eine gute Basis für die Lösung wei­terer Herausforderungen im Bereich der nachhaltigen Energieversorgung.

Zusammenfassung und Schlussfolgerung

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Referentenverzeichnis

Dr. Albrecht Reuter Fichtner IT Consulting AGSarweystraße 370191 [email protected]

Prof. Dr. Peter BirknerHouse of Energy – (HoE) e.V.Universitätsplatz 1234127 Kasselp.birkner@house­of­energy.org

Dr. Sebastian BrekerEnergieNetz Mitte GmbHMonteverdistraße 234131 KasselSebastian.Breker@EnergieNetz­Mitte.de

Erik HeilmannUniversität KasselFachgebiet Volkswirtschaftslehre mit Schwerpunkt dezentrale EnergiewirtschaftNora­Platiel­Straße 434109 KasselErik.Heilmann@uni­kassel.de

Nicolas SpenglerEnergieNetz Mitte GmbHMonteverdistraße 234131 KasselNicolas.Spengler@EnergieNetz­Mitte.de

Patrick ThielStädtische Werke Netz + Service GmbHKönigstor 3­1334117 [email protected]

Oliver RammEAM EnergiePlus GmbHMonteverdistraße 234131 [email protected]

Dr. Michael KrauseDipl.-Ing. Jan KaiserFraunhofer­Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik IWES Arbeitsgruppe GebäudesystemtechnikKönigstor 5934119 [email protected]@iee.fraunhofer.de

Impressum

Der Nachdruck von Beiträgen ist nur mit Genehmigung des

House of Energy gestattet. Die Verfasser haben bestätigt, dass

im Zusammenhang mit den Präsentationen keine Verletzung

von Urheberrechten vorliegt.

Die öffentliche Verbreitung dieser Broschüre zu Zwecken des

Wahlkampfes oder der Werbung für politische Parteien ist

nicht gestattet.

HerausgeberHouse of Energy ­ (HoE) e.V.Universitätsplatz 1234127 Kassel

Tel.: +49 561 953 79 ­ 790E­Mail: info@house­of­energy.orgwww.house­of­energy.org

Registergericht:Amtsgericht Kassel VR 5251

Vertretungsberechtigter Vorstand:Mathias SamsonProf. Dr. Rolf­Dieter PostlepDr. Marie­Luise Wolff

RedaktionProf. Dr.­Ing. Peter BirknerGeschäftsführer House of Energy

GestaltungCaroline Enders

Fotos© LICHTFANG­Sonja Rode

Für die Inhalte in den Beiträgen der Referent/innen sind ausschließlich die Referent/innen verantwortlich.

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Deutlicher Anstieg der installierten Kraftwerksleistung – 50 % technisch zu beherrschen

Last

Durch Diversifizierung auf der Erzeugungsseite kann sichergestellt werden, dass 50 % der künftigen Erzeugungsleistung gleichzeitig aktiv sind

(Aktive Erzeugungsleistung : Verbrauchsleistung ≈ 1 : 1 ≈ 2,5 : 1)*) Quelle: A. Moser RWTH Aachen, „Systemstudie zum Einspeisemanagement erneuerbarer Energien“

Erzeugungs-kapazität100 %

konventionell(heute)

≈ 30 GW … 85 GW

≈ 100 GW

Kapazität Übertra-

gungsnetz

≈ 200 GW

Erzeugungs-kapazität für

80 %regenerativeund 20 %

konventionel-le Energie

Erzeugungs-leistung für

80 %regenerativeund 20 %

konventionel-le Energie

Bsp .Sonne und Wind *)

≈ 400 GW

≈ 200 GW

Bedarf an elektrischer Energie: 600 TWh

(max.)

(min.)

4

Dekarbonisierung bedeutet mehr “grünen” Strom in den Sektoren Wärme und Mobilität

Steuerungslogik

Strombedarfheute600 TWh

Strombedarfkünftig(mindestens)900 TWh

Elektronen (e-) oder Protonen (H+)

Mobilität,fossil und elektrisch(Strom oder H2)

Wärme,elektrisch und fossil

*) Q

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2014

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2016

)

Mehr Leistungs- als Energieproblem

Deka

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Energiewende

Stro

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Ener

gie-

Hub

5

Anhang

Folien: Einführung | Prof. Dr. Peter Birkner

EinführungNotwendigkeit und Herausforderung zellulärer Systeme

Prof. Dr.-Ing. Peter BirknerHouse of Energy - (HoE) e.V.

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Sektorenkopplung erhöht erforderliche Erzeugungs-leistung weiter

≈ 45 GW … 130 GW

≈ 100 GW

Kapazität Übertra-

gungsnetz

≈ 200 GWErzeugungs-kapazität für

80 %regenerative

und 20 %konventionel-

le Energie

Erzeugungs-leistung für

80 %regenerative

und 20 %konventionel-

le Energie

Bsp .Sonne und Wind *)

≈ 600 GW

≈ 300 GW

Bedarf an elektrischer Energie: 900 TWh(Extrapolation 600 TWh Szenario)

(max.)

(min.)LastErzeugungs-

kapazität100 %

konventionell(heute) 6

Modulare Strukturen – Einfluss auf Netzdesign und Betrieb

Zelle Quartier,Straßenzug

Zelluläres System – Strombasiert mit Teilautarkie –Beherrschung der Leistung – Resilienz und Effizienz durch Subsidiarität

Ebene 1: Europäisches Verbundnetz –Verbindung der überregiona-len Hochspannungsnetze

Ebene 2: Hochspannungsnetze –Verbindung der regionalenMittelspannungsnetze

Ebene 3: Mittelspannungsnetze –Verbindung der lokalen Niederspannungsnetze

Ebene 4: Niederspannungsnetze –Verbindung der Gebäude

Ebene 5: Installation Gebäude

Zelle Europa

Zelle Region

Zelle Gebäude

Zelle Stadt-viertel, Klein-stadt, Ortschaft

Energieaus-tausch –Zu minimieren!

Partielle Autarkie: Technische Subsidiarität und Prinzip von Pareto 7

14.02.2018 C/sells Präsentation Birkner 6

Globaler Marktpreis erzeugt lokale Netzengpässe – „Nodal Pricing“

Globales Leistungs-gleichgewicht

Globales Preissignal des Marktes(z.B. globaler Überschuss an Energie)

Lokaler Engpass – gelbe oder rote PhaseLokales Preissignal in gelber PhaseLokales Handeln in roter Phase

Modulgrenze(Ziel: Minimaler Energieaustausch)

t

Energiepreis

Netzpreis

P

NodalPricing

Virtueller und physischer Transport elektrischer Energie – Wechsel-wirkungen, Technologie, Grenzen

Virtueller Stromtransport durch Energiespeicher

~

~

~B

B

B

C

~

~

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C

~

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~B

B

B

C

~

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~

C

Nordnetz

Südnetz

Netzengpass

Einspeisung 5 GW für 5 h

Speicherung 2,5 GW für 5 h in 10 kWh Batterien; 20 % verfügbare Kapazität

6,25 Millionen Haushalte

Einspeisung 0 GW für 5 h

Speicherung 2,5 GW für 5 h in 10 kWh Batterien; 20 verfügbare Kapazität:

6,25 Millionen Haushalte

„Community“

Redispatchingdurch Digitalisierung

9

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Bildung von neuen Energie-Clustern –Der Raum „hinter“ dem Zähler

Öffentliches Netz

Galvanisch getrennter, gesteuerter Lastfluss P

Galvanisch getrennter, gesteuerter Lastfluss P

P P

60 %80 %

Zeitbezogene Eigenversorgung(Solaranlage plus Speicher)

1 Anzahl Wohneinheiten

Block Chain

100Mini- Solaranlage 10

Bildung von neuen Markplätzen –Die Peer-to-Peer Versorgung

Angebot Nachfrage

Matching Ausgleich Service / Management

Online MarktplatzPeer-to-Peer mit Herkunftsnachweis

Vertrag

11

Innovationen – Von der Invention zum wirtschaftlichen Erfolg – Juristische Testräume

Invention

Ordnungs-rahmen

Energie-system / Bedarf

Innovation

Musterkennung: Was? Wann? Wo? Wozu? Wieviel?

Suffizienz, Konsistenz, Effizienz

Politik ist die Kunst des Machbaren: Logik – Erkenntnis – Umsetzung

Wo und wann ist es technisch nötig?

Es funktioniert!

Ist es betriebswirtschaftlich

darstellbar?

1

23

Stärker:• Zielorientiert• Grundsatzbasiert Weniger:• Methodenfokussiert• Dirigistisch

Bemerkenswert: Ausschreibung Studie „EVU-Strukturwandel“ durch BMWi

12

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit

Ende

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Vorstellung C/sellsDr.-Ing. Sebastian Breker,Verbundkoordinator EAM -EnergieNetz Mitte GmbH

Folien: Vorstellung des C/sells Vorhaben | Dr. Sebastian Breker, Verbundkoordinator ENM

Agenda„Die Energiewelt wird nicht nur digital, sie wird vor allem zellulär, partizipativ und vielseitig“▪Welche Inhalte und Ziele werden in C/sells verfolgt?▪Welcher Leitidee entspricht das?▪Welche hessischen Partnern machen mit und welche Aktivitäten

werden in Hessen verfolgt?▪Wie ist C/sells organisiert?

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Die Inhalte und Ziele von C/sells

16

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Die C/sells-Leitidee

17

Die C/sells-Partner in Hessen

Von unseren Partnern adressierte Innovationsthemen in C/sells▪Konzeptionierung und Erprobung eines Regioflexmarktes in Hessen▪Demand-Side-Management in Industrie und Gewerbebetrieben▪ Flexibilitätspotential von Liegenschaften bei optimierter

Wärmebereitstellung▪Blindleistungsmanagement und Inselnetzfähigkeit von städtischen

Verteilnetzen 18

Die Organisation in C/sells

19

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit

Ende

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C/sells AP 6.6 „Regionaler Flexibilitätsmarkt Nord- und Mittelhessen“Erik Heilmann,Universität Kassel

Nicolas SpenglerEnergienetz Mitte

Folien: Regioflexmarkt | Erik Heilmann, Universität Kassel | Nicolas Spengler, Energienetz Mitte

Was machen wir in C/sells?EAM-Aktivitäten in C/sells

Eckdaten

• Projektlaufzeit: 01/2017 bis 12/2020• Beteiligte Partner: Universität Kassel• Im Verbundprojekt Zusammenarbeit mit mehr

als 60 Partnern aus Wissenschaft, Industrie, Netzbetreiber, Stadtwerke, EVU´s

Ziel

• Entwicklung eines innovativen Marktmodells zur Bereitstellung regionaler Flexibilitäten

• Untersuchung von veränderten Netzbelastungen durch PV-Speicher-Systeme

Ergebnisse

• Erkenntnisse über neue Netzkomponenten (Speicher, E-Mobil,…) und Leitlinien für eine zukünftige intelligente Netzführung

• Neue Geschäftsmodelle und Anreizsysteme auf Basis des geschaffenen Flexibilitätsmarktes

23

Wo wird demonstriert?Demozellen der EnergieNetz Mitte

Hofgeismar

Dillenburg

StadtnetzHaushalte mit PV + Speicher„Aussiedlerhöfe“ mit PVE-Mobilität im Eigenheim

IndustrieGroße WindparksHaushalte mit PV-Anlagen

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RegioFlex Markt –Was ist das?Verteilnetze Stand heute

25

RegioFlex Markt –Was ist das?Zukünftige Verteilnetze

26

RegioFlex Markt – Was ist das?

▪ In den meisten Situationen sind die Netze stark genug für veränderte Erzeuger/Verbraucher-Struktur.

▪ In bestimmten ungünstigen Konstellationen, wie z.B. Starklastfall (wenig Erzeugung und viel Verbrauch) oder Schwachlastfall (viel Erzeugung und wenig Verbrauch) kann es jedoch zu Netzproblemen, wie Leistungsengpässen und Spannungsbandverletzungen kommen.

▪ Klassischerweise werden Netze heute auf diese Extremsituationen ausgelegt.Bei der zu erwartenden Durchdringung mit dezentralen Erzeugern und Verbrauchern würde dies massiven Netzausbau bedeuten.

▪ Dies ist ein zum einen teurer und zum anderen ein langwieriger Prozess. In der Zwischenzeit werden beispielsweise erneuerbare Erzeugungsanlagen abgeregelt, wenn das Netz überlastet ist.

Klassischer Netzausbau

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RegioFlex Markt –Was ist das?Beispielproblem „Starklast“

Legende

Erzeugung

Verbrauch

Netzzustand ok:

Netzproblem prognostiziert:

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RegioFlex Markt –Was ist das?Beispielproblem „Starklast“

Legende

Erzeugung

Verbrauch

Netzzustand ok:

Netzproblem prognostiziert:

29

Wer kann partizipieren?Akteure am Markt

Anbieter NachfragerRegioFlexMarkt

30

Warum brauchen wir ein Forschungsprojekt?

▪ Das Produktdesign muss sowohl den technischen Anforderungen aus Netzbetreibersicht genügen als auch aus Anbietersicht praktisch umsetzbar sein.

▪ Die technische Wirksamkeit einer Anlage auf ein bestehendes Problem hängt stark von der örtlichen Beziehung beider ab. Angebot und Nachfrage benötigen eine Ortskomponente

▪ Durch die Ortsabhängigkeit von Angebot und Nachfrage teilt sich der RegioFlex in viele kleinere Teilmärkte auf. Die Liquidität dieser Märkte stellt eine Herausforderung dar.

▪ Der Bedarf an Flexibilität im Verteilnetz ist heute mangels ausreichender Messdaten und Prognoseverfahren schwierig quantifizierbar.

▪ Bei Design des Handelsplatzes müssen die bestehenden Energiemärkte (Energy-only-Markt und Regelleistungsmarkt) beachtet werden, um den Anlagenbetreibern eine abgestimmteAngebotserstellung zu ermöglichen.

▪ Der heutige regulatorische Rahmen fördert den konventionellen Netzausbau und hemmt den Einsatz von Flexibilität. Für einen funktionsfähigen RegioFlex muss dieser angepasst werden.

Herausforderungen des Marktdesigns

31

Wie kann man das zusammenfassen?

▪Steigende Anzahl flexibler Erzeuger und Verbraucher in der Niederspannung in den nächsten Jahren

▪Klassischer Netzausbau bis zum letzten kW ist aufwändig und teuer!

▪Wir wollen zukünftige Netzprobleme intelligent durch den Einsatz von Flexibilität lösen.

▪Eine Handelsplattform sorgt für ein faires und diskriminierungsfreies Verfahren zur Auswahl der bestgeeigneten Flexibilität.

▪Praktisch jeder kann mitmachen und partizipieren.

Fazit

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C/sells Partner decken die gesamte Wertschöpfungskette ab

Hersteller Energiedienste und Netze Wissenschaft, Koordination & Transfer

33

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit

Ende

Blindleistungs-management und Inselnetzfähigkeit von städtischen VerteilnetzenPatrick ThielStädtische Werke Netz + Service GmbH

Folien: Blindleistungsmanagement und Inselnetzfähigkeit von städtischen Verteilnetzen | Patrick Thiel, Städtische Werke Netz + Service

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Agenda

▪Unternehmensvorstellung

▪Der zelluläre Gedanke von C/Sells

▪Unsere Aktivitäten in C/sells

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Städtische Werke Netz + Service GmbHUnternehmensvorstellung

Verteilnetzbetreiber der Stadt Kassel sowie angrenzender Umlandgemeinden im Bereich:

Stromversorgung

Gasversorgung

Wasserversorgung

38

Der zelluläre Gedanke von C/Sells

autonom

kooperiert mit anderen Zellen

regional

39

Der zelluläre Gedanke von C/Sells

▪ Netzdaten

• Zwei Anschlussknoten zum ÜNB TenneT TSO GmbH

• Alle Spannungsebenen bis hin zur Hochspannung 110 kV

• Netzabsatz bei etwa 900 GWh

• Maximale Netzbelastung bei ca. 170 MW

▪ Dezentrale Einspeisung im Netzgebiet

• vier therm. KWK-Anlagen mit einer max. Einspeiseleistung von 116 MW

• vier Windparks mit einer max. Einspeiseleistung von 87 MW

• ca. 2300 PV-Anlagen mit einer max. Einspeiseleistung von ca. 38 MW

Netzzelle Kassel

40

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Der zelluläre Gedanke von C/Sells

▪ Das Netz bildet eine geschlossene 110 kV Netzzelle mit dezentraler Einspeisung sowohl thermisch als auch erneuerbar

▪ Diese Netzzelle besitzt das Potential vollständig autonom einen Ausgleich zwischen Energieerzeugung und Last zu realisieren

Potential des Netzgebietes Kassel

41

Aktivitäten in C/sells

▪ Beantwortung der Fragestellungen• Welches Potential und welchen Beitrag kann ein städtisches Verteilnetz mit nennenswerter

dezentraler Einspeisung in Bezug auf den Blindleistungsaustausch mit dem ÜNB leisten?

▪ Methoden: • Ermittlung des Blindleistungsbedarfs an den HöS/HS-Netzverknüpfungspunkt(en) • Analyse der Auswirkung marktrelevanter Einflussfaktoren • Kosten-Nutzen-Analyse verschiedener Blindleistungsmanagementmaßnahmen• Analyse der bestehenden IT-Infrastruktur und der bestehenden Schnittstellen

▪ Ergebnisse• Umfassendes Blindleistungsmanagementkonzept für städtische Verteilnetze

Blindleistungsmanagement autonom agierender Verteilnetzzellen

42

Aktivitäten in C/sells

▪ Beantwortung der Fragestellungen• Ist das Netz der Städtische Werke Netz + Service GmbH im Notfall Inselnetzbetriebs- und

schwarzstartfähig

▪ Methoden: • Erstellung, Parametrierung und Validierung von dynamischen Modellen der im NSG-Netz

befindlichen Erzeugungsanlagen• Untersuchungen der Anforderungen an eine übergeordnete Netzregelung und –betriebsführung• Dynamische Untersuchungen von Teilschritten eines Netzwiederaufbau-Falls• Analyse der bestehenden IT-Infrastruktur und der bestehenden Schnittstellen

▪ Ergebnisse• Umfassendes Netzwiederaufbaukonzept für städtische Verteilnetze

Inselnetz- und Schwarzstartfähigkeit autonom agierender Verteilnetzzellen

43

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit

Ende

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– 72 – – 73 –

Demand-Side-Management

Industrie und GewerbeOliver RammEAM EnergiePlus GmbH

Folien: Demand-Side-Management in Industrie- und Gewerbebetrieben | Oliver Ramm, EAM EnergiePlus

Bedarf an Flexibilität

Flexibilität

Notstrom

Strommarkt

RegionalerFlexibilitätsmarkt

Beschaffungs-optimierung

Regelenergie

EEGFlexibilitäts-

prämie

46

Warum gibt es Bedarf an Flexibilität ?

Beispiel eines flexiblen Biomethan-BHKWam Spotmarkt

47

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– 74 – – 75 –

Beispiel Flexibilität am StrommarktBlockheizkraftwerk mit Flexibilität nach EEG

-100

-80

-60

-40

-20

0

20

40

60

80

0

0,2

0,4

0,6

0,8

1

1,2

0 4 7 10 13 17 20 23 26 30 33 36 39 43 46 49 52 56 59 62 65 69 72 75 78 82 85 88 91 95 98 101

104

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114

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134

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147

150

153

156

160

163

166

Spot

prei

s [Eu

ro/M

Wh]

Leist

ung

[kW

]

Stunden

Biomethan-BHKWFlexibler Betrieb [KW 43]

48

Beispiel Flexibilität am StrommarktBlockheizkraftwerk mit Flexibilität nach EEG

-100

-80

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-40

-20

0

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0

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400

0 4 7 10 13 17 20 23 26 30 33 36 39 43 46 49 52 56 59 62 65 69 72 75 78 82 85 88 91 95 98 101

104

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156

160

163

166

Spot

prei

s [Eu

ro/M

Wh]

Leist

ung

[kW

]

Stunden

Biomethan-BHKWFlexibler Betrieb [KW 43]

49

Beispiel Flexibilität am StrommarktBlockheizkraftwerk mit Flexibilität nach EEG

-100

-80

-60

-40

-20

0

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0 4 7 10 13 17 20 23 26 30 33 36 39 43 46 49 52 56 59 62 65 69 72 75 78 82 85 88 91 95 98 101

104

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160

163

166

Spot

prei

s [Eu

ro/M

Wh]

Leist

ung

[kW

]

Stunden

Biomethan-BHKWFlexibler Betrieb [KW 43]

50

Beispiel Flexibilität am StrommarktBlockheizkraftwerk mit Flexibilität nach EEG - Wärmesystem

0

0,2

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1

1,2

0

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500

1 5 9 13 17 21 25 29 33 37 41 45 49 53 57 61 65 69 73 77 81 85 89 93 97 101

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113

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165

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Puffe

rlade

zust

and

[%]

Wär

mel

eist

ung

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Stunden

Biomethan-BHKWFlexibler Betrieb [KW 43]

51

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Beispiel Flexibilität am StrommarktBlockheizkraftwerk mit Flexibilität nach EEG - Wärmesystem

0

0,2

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1

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1 5 9 13 17 21 25 29 33 37 41 45 49 53 57 61 65 69 73 77 81 85 89 93 97 101

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Puffe

rlade

zust

and

[%]

Wär

mel

eist

ung

[kW

]

Stunden

Biomethan-BHKWFlexibler Betrieb [KW 43]

52

Beispiel Flexibilität am StrommarktBlockheizkraftwerk mit Flexibilität nach EEG - Wärmesystem

0

10

20

30

40

50

60

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0

50

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350

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450

500

1 5 9 13 17 21 25 29 33 37 41 45 49 53 57 61 65 69 73 77 81 85 89 93 97 101

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153

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161

165

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Puffe

rlade

zust

and

[%]

Wär

mel

eist

ung

[kW

]

Stunden

Biomethan-BHKWFlexibler Betrieb [KW 43]

53

Industrie und Gewerbe im RegioFlex Markt

54

Demand-Side-Management bei Industrie / GewerbebetriebenKombiniertes Last- / und ErzegungsmanagementÜberwachung der EnergiebereitstellungÜberwachung der EnergieverbräucheAuswirkung auf die Produktion

Ganzheitliche Bewertung des Energiesystems des Betriebes notwendig.

55

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– 78 – – 79 –

Flexibilität in Industrie / GewerbeStromerzeugung:- BHKW zur

Eigenstromversorgung- Flexible BHKW- Notstrom- Photovoltaik

56

Flexibilität in Industrie / GewerbeStromverbrauch:- Produktion

- Steuerung von Antrieben- Steuerung von el.

Betriebenen Anlagen

- Querschnittstechnologien zur Bereitstellung von Nutzenergie- Kälte / Kühlung- Druckluft- Wärme / Prozesswärme

- Speicherung

57

Praxisbeispiel: Flexibilität in der Wärmeversorgung

Flexibles BHKW (Blockheizkraftwerk) in Kombination mit einem Wärmespeicher

58

Praxisbeispiel 1

▪Brennstoff: Erdgas, Biogas, Klärgas, Flüssiggas, Heizöl▪Eigenversorgung des Standorts mit Strom ins ggf. i.V.m. Überschuseinspeisung

Wärme wird im Wasserspeicher zwischengespeichert wenn Bedarf existiert▪Hoher Wirkungsgrad: ca. 90 %

• Ca. 50 % Wärme• Ca. 40 % Strom

BHKW (Blockheizkraftwerk) mit Wärmespeicherung

59

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▪Das BHKW kann in einem Leistungsbereich (z. B. 50 – 100 %) flexibel Strom bereitstellen sofern eine Unterversorgung im Netz vorliegt▪Die Abnahme der Wärme im Fall Stromengpasses im Netz (BHKW fährt hoch)

muss gewährleistet sein, damit die Maßnahme effizient ist.▪Es existieren mehrere Nutzungsmöglichkeiten der Wärme:

• Heizwärmebedarf der Gebäude / Warmwasser• Bereitstellung von Prozesswärme

- Berücksichtigung verschiedener Medien

▪Erzeugung von Kälte durch Absorptionskältemaschine• Speicherung der Kälte im Kaltwasserspeicher,

oder sonstigem Speicher

BHKW (Blockheizkraftwerk) mit Wärmespeicherung

Sekundär- bzw. Speicherkreis

Absorptions-kälte-

maschine (AKM)

Warm-wasser-speicher

Kalt-wasser-speicher

Druck-luft-

speicher

Motor

Gene-rator

Druck-luftkom-pressor

Kühler

Heizkreis AKM

Kältekreis AKM

Kühlkreis AKM

Strom

Wärme

Kälte

Druck-luft

Heizkreis

Brenn-stoff

Abgas

Notkühler

Wärmeübertrager

Sekundär- bzw. Speicherkreis

Absorptions-kälte-

maschine (AKM)

Warm-wasser-speicher

Kalt-wasser-speicher

Druck-luft-

speicher

Motor

Gene-rator

Druck-luftkom-pressor

Kühler

Heizkreis AKM

Kältekreis AKM

Kühlkreis AKM

Strom

Wärme

Kälte

Druck-luft

Heizkreis

Brenn-stoff

Abgas

Notkühler

Wärmeübertrager

60

Praxisbeispiel 1

BHKW (Blockheizkraftwerk) bisherige Auslegung

Jährliche Wärmebereitstellung BHKW: ca. 480.000 kWhth(= ca. 41 % des Gesamtbedarfs)

optimal ca. 6.300 Betriebsstunden

Beispiel: BHKW mit: • elektrischer Leistung: 50 kWel• thermischer Leistung: 79 kWth

Min. ca. 4.500 Betriebsstunden

Restbedarf wird über Heizkessel abgedeckt.

Wär

meb

edar

f

Auslegung nach dem Wärmebedarf

Wärmebereitstellung durch BHKW

61

Praxisbeispiel 1

BHKW (Blockheizkraftwerk) neue AuslegungTechnisch-ökonomische Modellierung & Simulation mit energyPRO

Variation & Auswertung:• BHKW-Leistung• Wärmespeicher

62

Praxisbeispiel 1

Winterfahrplan Sommerfahrplan

63

BHKW (Blockheizkraftwerk) neue AuslegungTechnisch-ökonomische Modellierung & Simulation mit energyPRO

Praxisbeispiel 1

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– 82 – – 83 –

Praxisbeispiel 2: Flexibilität in der Kälteversorgung

Redundantes System:Absorptionskälte Kompressionskälte i.V.m. Kältespeichern

64

Praxisbeispiel 2

▪Kältebereitstellung per Kompressionskältemaschine mit Strom. Zwischenspeicherung im Kältespeicher möglich. Dadurch ergibt sich Flexibilisierungspotenzial.▪Alternativ: Wärmenutzung durch Absorptionskältemaschine. Kältebereitstellung

durch einen Brennstoff.

Flexibilität in der Kälteversorgung

Prozess zur Wärmebereit-stellung(z. B. BHKW)

WÜT(extern)

Wärme-speicher

Kälteverbraucher, z.B. Supermarkt

Absorptions-kältemaschine

Kälte-speicher

Brennstoff

wandelt Wärme in Kälte

Kompressions-kältemaschine Strom

Alternativ direkte Kältebereitstellung

65

Praxisbeispiel 2

▪Redundante Kälteversorgung über eine Kompressions- und Absorptionskältemaschine, die eine flexible Fahrweise ermöglicht▪Kälte kann per Brennstoff oder Strom erzeugt werden. Diese Flexibilität wird

vermarktet.▪Vorhandene Kältespeicher entkoppeln Bedarf und Erzeugung▪Die Vorhaltung und der Abruf

von Leistung werden vergütet▪Fernsteuerung der Anlage▪Zusätzliche Kosten für die Fernsteuerung und den Anlagenbetrieb

Flexibilität in der Kälteversorgung

66

Praxisbeispiel 3: Flexibilität in der Druckluftversorgung

Drucklufterzeugung strombetrieben mit Druckluftspeicherung vs. gasbetriebenen Drucklufterzeuger

67

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– 84 – – 85 –

Praxisbeispiel 3

▪Druckluftstation mit Regelmöglichkeiten, z. B. über drehzahlgeregelte Kompressoren oder mehreren Kompressoren in einer Kaskadenregelung▪Speicher zur Entkopplung von Bedarf und Erzeugung (keine Energievernichtung)▪Angebot positiver und negativer Flexibilität

• Positiv: Kompressor fährt hoch und erzeugt zusätzliche Druckluft, die gespeichert wird

• Negativ: Kompressor fährt runter bzw. einzelne Kompressoren werdenausgeschaltet und das System wirdüber die Speicher versorgt

▪Es wird ein Grenzdruck definiert, der minimal erreicht werden darf,dann bauen die Kompressorenwieder Druck auf▪Vorrang Versorgung der

Produktion

Flexibilität in der Druckluftversorgung

68

Praxisbeispiel 3

Flexibilisierung durch Druckluftspeicher anstelle des strombetriebenen Kompressors▪Vorteil:▪ Keine Zweite Anlage zur Bereitstellung von Druckluft benötigt

▪Nachteil:▪ Geringe Speicherzeiten

möglich▪ Hoher Platzbedarf

für Druckluftspeicher

Flexibilität in der Druckluftversorgung

Annahmen Ersatz bei

Verbrauch

[m³/min]

p(max)

[bar]

p(min)

[bar]

V Behälter

[m³]

Ersatz el. Leistung

[kW]

tS

[Min]

Normalverbrauch 40 13 8 50 >250 6,3Kompressor A 35 13 8 50 250 7,1Kompressor B 21 13 8 50 132 11,9

Normalverbrauch 40 13 8 100 >250 12,5Kompressor A 35 13 8 100 250 14,3Kompressor B 21 13 8 100 132 23,8Kompressor B 21 9 8 100 132 4,8

Tabelle der erreichbaren Speicherzeiten und damit der ersetzbaren elektrischen Leistung in Abhängigkeit des Behältervolumens und Max. Druckdifferenz im Speicher

69

Praxisbeispiel 3

Flexibilisierung durch erdgasbetriebenen Kompressor anstelle des strombetriebenen Kompressors▪Vorteil:▪ Flexibilisierung der kompletten Leistung des erdgasbetriebenen Kompressors in positive

und negative Richtung

▪Nachteil:▪ Hohe Kosten durch zwei Drucklufterzeuger in Investition, Betrieb und Unterhalt

Flexibilität in der Druckluftversorgung

Druckluftverbraucher

Kompressor, z. B. Schrauben-Kompressor

Kompressor,erdgasbetrieben

Strom

Erdgas

Druckluft

70

ProjektpartnerDemand-Side-Management

Industrie und Gewerbe

Last- und Erzeugungsmanagement

EnergieeffizienzEnergiemonitoring

71

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– 86 – – 87 –

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Ende

Flexibilitäts-potenzial von Liegenschaften bei optimierter Wärme-bereitstellungDipl.-Ing. Jan Kaiser Dr. Ing. Michael KrauseFraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik IWES

Folien: Flexibilitätspotenzial von Liegenschaften bei opti-mierter Wärmebereitstellung | Jan Kaiser, Dr. Michael Krause, Fraunhofer IWES

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Gebäudeanteil des deutschen Endenergieverbrauchs

Quelle: BMWi 2014: Bericht über die langfristige Strategie zur Mobilisierung von Investitionen in die Renovierung des nationalen Gebäudebestands74

Gebäudetypologie

▪ Aber: ca. 80% der Gebäude können als Altbau bezeichnet werden und sind für ca. 95% des Energiebedarfs verantwortlich

Quelle: Prof. Hauser TUM 75

Klimaneutraler Gebäudebestand bis 2050

▪ Die Bundesregierung hat beschlossen, bis 2050 einen nahezu klimaneutralen Gebäudebestand zu haben; dafür ist die Verdoppelung der energetischen Sanierungsrate für Gebäude von derzeit jährlich etwa 1 % auf 2 % erforderlich.▪ „Bis 2020 wollen wir eine Reduzierung des Wärmebedarfs um 20 % erreichen. Die Erreichung

dieses Ziels wird in das Monitoring zum Sanierungsfahrplan einbezogen.“▪ „Für 2050 streben wir eine Minderung des Primärenergiebedarfs in der Größenordnung von 80 %

an.“

! Gebäudeenergiebedarf senken !! Wärmesektor dekarbonisieren !

Quelle: Eckpunktepapier Energieeffizienz der Bundesregierung 2010 76

Wege zum klimaneutralem Gebäudebestand▪ Bauliche Maßnahmen zur Bedarfssenkung▪ Anlagentechnische Maßnahmen zur Effizienzsteigerung▪ Substitution fossiler Energieträger für Heizzwecke durch erneuerbare Energie (Biomasse, therm.

Solarenergie, Photovoltaik, Nutzung von KWK)

Problem:▪ Verfügbarkeit (Biomasse) ▪ Asynchrones Angebot erneuerbarer Energie zur Bedarfsdeckung (therm. Solarenergie,

Photovoltaik) Zunehmende Verfügbarkeit von EE im Stromsektor nutzen

Wärmesektor mit Stromsektor koppeln77

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– 90 – – 91 –

2 Teilprojekte▪ Einsatz hochflexibler, stromgeführter und für die Teilnahme am Flexibilitätsmarkt tauglicher

BHKW Flexible Stromerzeugung

▪ Erprobung des Beitrages von Wärmepumpen zur Systemsicherheit auf der Niederspannungsebene

• Nutzung der vorhandenen thermischen Speicher im Gebäude zur Verschiebung von Betriebszeiten

Flexible Stromlast

78

Projektziele▪ Entwicklung von Betriebs- und Regelungsalgorithmen zur optimalen Betriebsführung von BHKW

und WP beim (Teil-)Schwenk von wärmegeführten zu stromgeführten Fahrweisen▪ Theoretische und praktische Bewertung des Flexibilisierungspotentials des Wärmeabsatzes zur

Steigerung der Wirtschaftlichkeit von Strom- und Wärmebereitstellung▪ Erprobung der technischen Machbarkeit im Feldtest▪ Untersuchung der Auswirkungen auf die lokale Residuallast

Quelle: EAM

Erzeugungsangebot vs. StrombedarfBilanzraum Felsberg

Istsituation

-15.000

-10.000

-5.000

0

5.000

10.000

15.000

Leistung [kW]

StrombedarfStromerzeugung (EE)Saldo

Mo08.06.2009

Di09.06.2009

Mi10.06.2009

Do11.06.2009

Fr12.06.2009

Sa13.06.2009

So14.06.2009

79

Betrachtung eines Netzgebietes der EAM

▪ Einsatz eines BHKW (Biomethan)• Stromnetzdienlicher Betrieb

▪ Aufbau eines Nahwärmenetzes

▪ Einsatz von dez. Wärmepumpen• Stromnetzdienlicher Betrieb

80

Herausforderungen

▪ Wärmebedarf in Gebäuden an Wärme-lieferung aus BHKW anpassen (flexibilisieren)▪ Wärmebedarf vorhersagen (Abstimmung auf Fahrplan BHKW)▪ Betrieb von Wärmepumpen auf Netzdienlichkeit abstimmen▪ Wärmebedarf zeitlich verschieben▪ Raumkomfort nicht verschlechtern▪ Trinkwarmwasserkomfort beibehalten▪ Akzeptanz bei Nutzer / Kunde sichern

03:00 06:00 09:00 12:00 15:00 18:00 21:00 24:000

1

2

3

4

5

6

Wär

me

UHRZEIT

Wärmebedarf Wärme aus BHKW

[ KW ]

81

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– 92 – – 93 –

Lösungsansätze

▪ Nutzung von gebäudeseitigen Wärmespeichern▪ Trinkwarmwasser▪ Heizungspuffer▪ Gebäudestruktur

▪ Lastmanagement der Wärmeflüsse durch Versorger ▪ Zugriff auf Speicherbeladung ▪ Externe Schaltung von Wärmepumpen

▪ Direkte Nutzerinformation über Lastflüsse▪ Anpassung der Tarifstruktur

03:00 06:00 09:00 12:00 15:00 18:00 21:00 24:000

1

2

3

4

5

6

Wär

me

UHRZEIT

Wärmebedarf Wärme aus BHKW

[ KW ]

Genaue Kenntnis der individuellen Wärmebedarfe notwendig

82

Nutzung von Standardlastprofilen (Wärme)

▪ Simulation des Wärmebedarfes für jedes Gebäude zu aufwendig▪ Starke Unschärfe durch Nutzerverhalten, Anwesenheit, Teilbeheizung

Näherung an den tatsächlichen Bedarf über sog. Standardlastprofile (SLP)• Standardlastprofile (BDEW) -> SLP oder temperaturabhängige Lastprofile (TLP); BDEW-

Standardlastprofile Gas• VDEW-Standard-Lastprofile• Referenzlastprofile von Ein- und Mehrfamilienhäusern für den Einsatz von KWK-Anlagen (VDI

4655)• IEA Annex 42 Lastkurven• Lastprofilgeneratoren; NREL, Stokes, Jordan, IEA, Walker/Pokowski, Metz, Fischer

83

Vorgehensweise▪ Erhebung über beliebigen Zeitraum gemessener Wärmeverbrauch (z.B. Gas)▪ Ermittlung des spezifischen Verbrauchswertes für Kunden▪ Überführung des spezifischen Wertes in allgemeingültiges, nutzungsspezifisches und

temperaturabhängiges Lastprofil

Quelle: BDEW Bundesverband der Energie- und Wasserwirtschaft e.V.; BDEW/VKU/GEODE-Leitfaden Abwicklung von Standardlastprofilen Gas 84

Vergleich von realen Wärmeverbräuchen und berechneten Werten über Standardlastprofil

-15 -10 -5 0 5 10 15 20 25 300

10

20

30

40

50

60

70

80Niedrigenergiehaus (EFH)

[ °C ]

Gasverbrauch gemessen Allokierter Bedarf (über SLP)

tägl

. Wär

mev

erbr

auch

[kW

h]Außenlufttemperatur 85

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– 94 – – 95 –

Eigener Ansatz

▪ Fokussierung auf Wärmelast (Heizung und Trinkwarmwasser)▪ Nutzung Gebäudetypologie zur Lastermittlung (Tabula)▪ Stundenscharfe Adaption Rechenverfahren nach DIN V 18599▪ Vereinfachte Stundenbilanz der Nutzenergien unter Berücksichtigung von Temperatur, Strahlung,

variabler Personenbelegung, variabler Trinkwarmwasserbedarf▪ Einbindung TRY – DWD (Raster)▪ Bessere Prognose, sowie große Anpassungsfähigkeit (Gebäudestandard,

Sanierungsszenarien, Bewohneränderung -> Verhalten implementierbar)

86

Methodik

Typologie(Tabula)

VariablenHaushaltsgrößeSolltemperatur

Lüftungsverhalten Teilbeheizung

Sanierungsstatus

Adaption: Geometrie u.

Variablen

Klima(TRY oder Wetter-

prognose)

Stunden-scharfe

Berechnung (DIN V 18599)

ErgebnisTWW-Profile(EU 812/2013)

MessdatenWärme-,

Strom-, Gas-Verbrauch

87

Methodik

Typologie(Tabula)

VariablenHaushaltsgrößeSolltemperatur

Lüftungsverhalten Teilbeheizung

Sanierungsstatus

Adaption: Geometrie u.

Variablen

Klima(TRY oder Wetter-

prognose)

Stunden-scharfe

Berechnung (DIN V 18599)

ErgebnisTWW-Profile

(EU 812/2013)

MessdatenWärme-, Strom-, Gas-Verbrauch

Möglichkeit der Parameteridentifikation

88

Methodik

Typologie(Tabula)

VariablenHaushaltsgrößeSolltemperatur

Lüftungsverhalten Teilbeheizung

Sanierungsstatus

Adaption: Geometrie u.

Variablen

Klima(TRY oder Wetter-

prognose)

Stunden-scharfe

Berechnung (DIN V 18599)

Zeitlich aufgelöste Bedarfsprognosen (3h,

Tag, Woche)

TWW-Profile(EU 812/2013)

MessdatenWärme-, Strom-, Gas-Verbrauch

Ergebnis

Energiebedarfe Jahresdauerlinien,

etc.

89

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– 96 – – 97 –

Beispiel

Daten aus der Gebäudetypologie

Beispiel

90

Beispiel

Beispiel

Individuell anpassbare Grundfläche

Einstellbare lokaleNutzungsrandbedingungen

91

Beispiel

Beispiel

Zeitlich aufgelöste Wärme-und Stromlastgänge

92

Zusammenfassung

• Flexibler (stromgeführter) Betrieb von BHKW und Wärmepumpen möglich• Optimierte Ausnutzung der Wärmebereitstellung und Wärmenutzung entscheidet mit

über Wirtschaftlichkeit• Standardlastprofile helfen, Wärmebedarfe bzw. Wärmeverschiebungspotentiale zu

ermitteln• Anpassung an lokale Gegebenheiten auf der Wärmeseite zwingend• Vereinfachte Berechnungen in Anlehnung an die DIN V 18599 bieten gute

Möglichkeit zur Bedarfsprognose• Einsatzplanung von BHKW und WP kann auf Wärmebedarfsprognosen optimiert

werden • Smart Meter-Anwendungen für thermische Datenerfassung

93

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– 98 –

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