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Ausgabe 2 Dezember 2013 2,90 € Kommunaler Klimaschutz Mit Konzept oder pragmatisch: Wie Kommunen Vorbild sind Natursteinpark Stein für Stein: Wie Altbauten recycelt werden Solaratlas Wo man rentabel Sonne ernten kann Extremwetter Klug bauen: Schutz gegen Starkregen, Hagel und Hochwasser EINE TECHNOLOGIE AUF DEM PRÜFSTAND Bauen • Sanieren • Energiesparen im Landkreis Freudenstadt

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Ausgabe 2Dezember 20132,90 €

Kommunaler KlimaschutzMit Konzept oder pragmatisch:Wie Kommunen Vorbild sind

NatursteinparkStein für Stein:Wie Altbauten recycelt werden

SolaratlasWo man rentabelSonne ernten kann

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EINE TECHNOLOGIE AUF DEM PRÜFSTAND

Bauen • Sanieren • Energiesparen im Landkreis Freudenstadt

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Klimaschutz und Nachhaltigkeit sind Schlagworte, die in unserer Gesellschaft einen wichtigen Stellenwert einge-nommen haben. Wir leben mitten im Naturpark Schwarz-wald Mitte/Nord. Unsere Landschaft, unsere Wälder, Hügel und Berge sind einzigartig. Es ist unsere Aufgabe, diese für kommende Generationen zu schützen und zu erhalten. Nachhaltiges und umweltfreundliches Wirtschaften hat oberste Priorität für uns als Stadt, aber auch für unsere Unternehmen und Bürger. Mit dem Vorstoß des Freuden-städter Gemeinderates, ein integriertes Klimaschutzkon-zept zu erstellen, tragen auch wir der unabdingbaren Energiewende Rechnung. Ausgehend von den im Kyoto-Protokoll benannten Zielen haben wir unseren Anteil zur Verringerung der CO2-Emissionen definiert. Dank der

Devise „Global denken, lokal handeln“ gab es bei der Erstellung des Klimaschutzkon-zeptes von Anfang an eine breite Beteiligung der Bevölkerung. Durch das Mitwirken der Akteure vor Ort ist das Ende 2012 verabschiedete Klimaschutzkonzept ganz eng mit unserer Stadt verbunden. Das Bewusstsein unserer Bürger für Umwelt- und Klimaschutz konnte durch die direkte Beteiligung bei der Erstellung des Konzeptes ebenso gestärkt werden.

Eines der definierten Ziele im Klimaschutzkonzept war der Beitritt der Stadt Freudenstadt zur Energieagentur in Horb. Für Gemeinderat und Verwaltung war sofort klar, dass auch wir in Freudenstadt unseren Bürgern vor Ort den Service der Agentur anbieten möchten und somit aktiv den Klimaschutz durch die Unterstüt-zung unserer Bürger in energetischen Sanierungsfragen voranbringen können. Schon im Juni haben wir die erste Energieberatung in Freudenstadt erfolgreich durchführen können. Außerdem hat die Stadt Freudenstadt beschlossen, beim jähr-lich ausgelobten Umweltpreis in diesem Jahr die vorbildliche energetische Sanierung besonders hervorzuheben und vergibt somit „grüne Hausnummern“ an beispielhafte Projekte. In Freudenstadt hat die energetische Sanierung von Altbauten einen beson-deren Stellenwert, denn wie uns der Zensus deutlich vor Augen geführt hat, haben wir mit 46,8 Prozent einen besonders hohen Anteil an Gebäuden im Stadtgebiet, die zwischen 1949 und 1978 gebaut wurden.

Wir sehen uns daher in der Pflicht, unsere Bürger auch weiterhin für den aktiven Klimaschutz zu sensibilisieren und Aufklärungsarbeit zu leisten. „Umweltschutz wird zum Nachweltschutz“, diesen Worten von Richard von Weizsäcker fühlen wir uns verpflichtet. Daher freut es mich besonders, dass das Magazin „Klima vor Ort“ nun auch im Landkreis Freudenstadt erscheint und so unsere Bürger regelmäßig mit wertvollen Tipps und Informationen rund um das Thema Klima- und Umwelt-schutz versorgt.

Es grüßt Sie herzlich

Julian Osswald Oberbürgermeister Stadt Freudenstadt

Liebe Leserinnen und Leservon KLIMA VOR ORT,

EDITORIAL 3

Mai 2013 | KLIMA VOR ORT

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INHALT4

Geothermie

TITELTHEMA

8 Energie aus dem Erdinneren Direkt unter der Erdoberfläche wird's wärmer. Woher kommt diese Energie, und wie kann man sie nutzen?

14 Die Kraft, die aus der Tiefe kommtErdwärme wird im Landkreis Freudenstadt seit gut zehn Jahren genutzt.

15 Klare technische GrenzenNeues Verfahren beim Kinderhaus in Turmlingen.

21 Dezentral ist effizienterPro Wohnung eine Wärmepumpe: Mit einem neuen Konzept will ein Tübinger Unternehmen die Geothermie lohnender machen.

InhaltMarkttrends

6 AerogeleEin zauberhafter Hauch von Nichts.

7 Genossenschaften wachsen rasantImmer mehr Menschen in Deutschland investieren in Energie-Produktion.

Kommunaler Klimaschutz

Bauen und Sanieren

22 Klimaschutz mit MethodeEuropean Energy Award, Integriertes Klimaschutzkonzept oder Klimaschutzmanager: kommunale Vielfalt bei der Energiewende.

28 Fast 50 Prozent HeizölersparnisEnergiesparer des Monats Juli ist ein Ehepaar aus Horb-Mühlen.

32 Energetischer Traum verwirklichtVorzeigeprojekt: Ein Passivhaus in Baiersbronn.

38 Gute KompromisseNicht immer ist eine Maximalsanierung das wirt-schaftlich und ökologisch sinnvollste Konzept für einen Altbau. Gut geplant wurde in Rottenburg auch mit weniger Aufwand viel erreicht.

8TITELTHEMA

Geothermie

22Amtliche Vorbilder:Kommunale Verwaltungen verankern das Thema Klimaschutz im Alltag.

32Nahezu autark:Neben anderen kleineren Komponenten versorgt eine SolarEis-Heizung das Passiv-haus mit Energie.

Unter unseren Füßen liegt ein unerschöpfliches Energiedepot. Wer es nutzen will, muss sauber arbeiten.

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5INHALT

Regionale Unternehmen innovativ

41 Das zweite Leben der SteineDer Tübinger Natursteinpark von Manuel Rongen ist mit Stein-Recycling überaus erfolgreich – seit 21 Jahren.

45 Die Uni als gutes BeispielWissenschaftler der Tübinger Hochschule erforschen, wie man die Uni-Gebäude mit erneuerbaren Energien versorgen könnte.

Expertenrat

48 Mehr Dramen am Himmel Das Wetter wird sich verändern: Experten rechnen mit mehr Unwettern in Baden-Württemberg.

51 Hausbesitzer können etwas tunKlug bauen: wie man sich vorausschauend gegen Starkregen, Hagel und Hochwasser schützt.

Kurz vor Schluss

64 Aus der EnergieweltFlammschutzmittel HBCD vor dem Aus Großes Interesse an den Energietagen ZSW stellt Weltrekord-Solarzelle her

65 Was war nochmal... die Jahresarbeitszahl?

66 Erde statt Venus!Die Glosse zur Geothermie: warum der römische Schmiedegott Vulcanus eine zu hohe Heizkostenabrechnung hatte.

66 Impressum, Ausblick

Neue Berufe

54 Ein Beruf mit TiefgangWer die Löcher für Geothermie-Anlagen bohrt, muss genau wissen, was er tut. Brunnenbauermeister Andreas Goller kennt die Risiken.

56 Die GeneralistenWer in Rottenburg Bioenergie studiert hat, kennt sich mit allen Erneuerbaren aus.

region

al Auf diesen Seiten finden Sie Beiträge aus dem Landkreis.

Service

58 Nachhaltigkeit mit SystemDer Landkreis Freudenstadt auf dem Weg zum Euro-pean Energy Award.

60 Solar-Atlas fürs eigene DachMit ein paar Maus-Klicks findet jeder Hausbesitzer im Ländle Informationen darüber, ob sich auf seinem Dach eine Solaranlage lohnen könnte.

62 Veranstaltungen

63 Energiekräfte bündelnEnergieagentur in Horb und IHK Umwelt Akademie Freudenstadt kooperieren.

Für die Ewigkeit gemacht:Ressourcen schützen, Abfall vermeiden, Deponien entlasten – der Natursteinpark leistet aktiven Klimaschutz.

41

Hagel und Sturm:Wie sich Hausbesitzer gegen die Folgen von Unwettern wappnen können.

51

Die richtige Ausrichtung?Im Internet kann man nachschauen, ob das eigene Dach für eine Photovoltaik-Anlage geeignet ist.

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6 MARKTTRENDS

AerogeleEin zauberhafter Hauch von Nichts Text: Gerhard Schindler

Bis zu 99,98 Prozent an ihnen bestehen aus Luft – und ihre Eigenschaften sind nahezu

überirdisch: Sogenannte Aerogele wiegen fast nichts, sind trotzdem hart und belastbar, dazu extrem isolierend und feuerfest. Sie gelten deshalb be-reits jetzt als platzsparende Hightech-Alternative in der Gebäudedämmung. Neueste Herstellungsmethoden eröff-nen jedoch noch ganz andere Verwen-dungsgebiete: Auch in Kleidungsstü-cken oder Kühlschränken könnten sie künftig zum Einsatz kommen.

Im Guinness-Buch der Rekorde hal-ten Aerogele gleich 14 Einträge, etwa als Feststoff mit der geringsten Dich-te und als bester Isolator. Entwickelt wurde der Stoff, dessen Struktur an gefrorenen Rauch erinnert, bereits 1931 in den USA. Dem Chemiker Ste-ven Kistler gelang es, aus gelöstem Natriumsilicat eine Art Schwamm aus Kieselsäure-Gel herzustellen. Unter Druck und Hitze verfestigt sich die Geleemasse und schließt in unzähli-gen winzigen Poren Luft ein. Am Ende steht ein Feststoff, durch den man fast hindurchsieht. Gleichzeitig ist er so stabil, dass er das 2.000-Fache seines eigenen Gewichts tragen kann.

Heutzutage werden Aerogele auch aus Kunststoffen oder Kohlenstoff her-gestellt. In der Wärmedämmung errei-chen solche Werkstoffe U-Werte von 0,013 bis 0,016 W/mK. Besser dämmt nur ein Vakuum, das rechnerisch auf 0,006 W/mK kommt. Herkömmliche Mineralwolle liegt bei 0,04 W/mK. Mittlerweile verwenden mehrere Her-steller dieses Ultraleicht-Material in Produkten zur Gebäudedämmung. Dabei genügen Stärken zwischen zwei und vier Zentimetern, um dieselbe Dämmwirkung zu erzielen wie mit zwanzig Zentimetern Mineralwolle oder Holzfaser.

Bisher gab es diese Schaumstoffe mit ihren winzigen Lufteinschlüssen nur als harte, brüchige Klötze. Mittlerwei-

le ist es gelungen, auch weiche und biegsame Formen herzustellen. Damit eröffnen sich ganz neue Verwendungs-möglichkeiten. In Form von dünnen, gummiartigen Matten könnten künf-tige Aerogele zum Beispiel als Isolier-schichten in Kühlschränken eingebaut werden. Als Hitzeschilde für Raumfäh-ren ließen sich gefaltete Aerogel-Matten an Bord platzsparend verstauen und nach Bedarf einsetzen.

Andere Forscher, die mit Nanomate-rialien für Textilien experimentieren, sehen Aerogele als möglichen neuen Füllstoff. In Thermo-Kleidung oder Expeditionsschlafsäcken könnte der hochisolierende Luftstoff etwa Dau-nen ersetzen. Noch ist dessen Her-stellung allerdings recht teuer. Bis die Hightech-Klamotten im Outdoor-Laden zu finden sind, wird also noch Zeit vergehen.

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Wiegt fast nichts, aber trägt viel: 2,5 Kilogramm Stein auf einem2 Gramm schweren Aerogel-Quader.

KLIMA VOR ORT | Dezember 2013

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Genossenschaften wachsen rasant Etwa 120.000 Privatpersonen in Deutschland haben bereits Geld in Energiegenossenschaften gesteckt

Die Energiewende zu wollen ist das eine, etwas dafür zu tun etwas ganz anderes. Im-

mer mehr Deutsche wollen selbst aktiv dazu beitragen, dass dezentra-le, regenerative Energieerzeugung vorankommt. Sie investieren in Ener-giegenossenschaften. Die Genossen-schaften zählen mittlerweile mehr als 130.000 Mitglieder, 90 Prozent davon sind Privatpersonen. Zusammen ha-ben sie 1,2 Milliarden Euro in Bürger-kraftwerke investiert. Diese Zahlen hat der Deutsche Genossenschafts- und Raiffeisenverband (DGRV) im Juli 2013 vorgelegt, gemeinsam mit dem Bundesverband Solarwirtschaft (BSW-Solar) und der Agentur für Er-neuerbare Energien (AEE).

Binnen eines Jahres wuchs die Mit-glieder-Zahl zuletzt um mehr als 50 Prozent, 2012 waren es noch etwa 80 000. Ähnlich rasant steigt die Anzahl der Energiegenossenschaften. Cha-rakteristisch ist der hohe Anteil an Ei-genkapital, er liegt meist bei etwa 50 Prozent. Eckhard Ott, Vorstandsvor-sitzender des DGRV, begründet das so:

„Die Bürger wollen eben mit eigenem Geld an der Energiewende mitwirken und dabei auch die regionale Wert-schöpfung unterstützen.“ Auch mit kleinerem Geldbeutel kann man sich beteiligen, viele Genossenschaften ermöglichen Einlagen unter 100 Euro.

Rund 580 Millionen Kilowattstun-den liefern die genossenschaftlich errichteten Bürgerkraftwerke, das deckt den jährlichen Strombedarf von 160.000 Haushalten. Solarstrom durch Photovoltaik-Anlagen bleibt am beliebtesten, jede zweite Energie-genossenschaft (53 Prozent) plant in diesem Bereich für die kommenden zwölf Monate zusätzliche Investiti-onen. 41 Prozent haben vor, Geld in Windenergie-Anlagen zu stecken.

Die Genossenschaften suchen sich auch neue Aufgaben. Jede zweite (52 Prozent) denkt bereits darüber nach, Strom selbst zu vertreiben, als regio-nale Direktvermarktung. Gesetzliche Änderungen beschleunigen diesen Prozess: Ab Januar 2014 gibt es für ein Zehntel des erzeugten Stroms kei-ne Einspeisevergütung mehr. Diese Änderung betrifft alle mittelgroßen Anlagen, wie sie typischerweise auch viele Genossenschaften besitzen. „Es lohnt sich, den Ökostrom selbst zu verbrauchen oder Abnehmer in der Nähe damit zu beliefern“, sagt Carsten Körnig, Hauptgeschäftsfüh-rer des BSW-Solar. „Auf diese Weise demokratisieren die Energiegenos-senschaften nicht nur die Stromer-zeugung, sondern auch schrittweise die Stromversorgung.“ Nachgedacht wird auch über Vertriebskooperati-onen und andere neue Geschäftsmo-delle, beispielsweise Partnerschaften mit örtlichen Stadtwerken.

Text: Veronika Renkenberger

»Die Bürger wollen eben mit eigenem Geld an der Energie-wende mitwirken und dabei auch die regio-nale Wertschöpfung unterstützen.«

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8 TITELTHEMA GEOTHERMIE

KLIMA VOR ORT | Dezember 2013

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Eine Technologie auf dem Prüfstand

GEOTHERMIE

Man muss nur wenige Meter tief graben oder bohren – und ist schon angelangt an einem

Ort, der unsere Sorgen rund um Ener-gieversorgung und Klimaschutz weit-gehend lösen könnte. Könnte. Denn obwohl es eine ganze Reihe an Lö-sungen gibt, die Temperaturen unter der Erdoberfläche mithilfe von Wär-metauschern zu nutzen, bleibt die Geothermie derzeit hinter den Erwar-tungen zurück.

Der Grund dafür ist wohl Angst. Immer wieder hat sich nach Boh-rungen die Erde bewegt. Wohngebiete sackten um etliche Zentimeter ab

oder hoben sich an, Risse zogen sich durch Häuser und Straßen. Bis heute ist in einigen Fällen nicht geklärt, ob tatsächlich Arbeiten zur Erschließung von Geothermie die Ursache dafür waren. Aber viele gehen davon aus.

Fachleute betonen unermüdlich: Man kann Geothermie ohne Risiken nutzen, wenn fachlich korrekt ge-bohrt wird und bestimmte Standards eingehalten werden.

Trotzdem gibt es mittlerweile erbit-terte Gegner, viele Menschen haben schlicht Angst vor unkontrollierbaren Folgen. Nachbarschaften zerstreiten sich, wenn einer Geothermie plant

und die anderen deren Auswirkungen fürchten.

Baden-Württembergs grüner Um-weltminister Franz Untersteller hat Konsequenzen gezogen: 2011 stopp-te er nach Pannen alle tieferen Boh-rungen. Inzwischen sind neue Anla-gen wieder möglich, allerdings unter hohen Auflagen. Die Richtlinien, die Unterstellers Ministerium Ende 2011 eingeführt hat, sind die strengsten in ganz Europa.

Das könnte die zweite Chance für die Geothermie sein, zu einer Schlüs-sel-Technologie für die Energiewende zu werden.

Text: Veronika Renkenberger

9GEOTHERMIE TITELTHEMA

Dezember 2013 | KLIMA VOR ORT

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KLIMA VOR ORT | November 2013

10 TITELTHEMA GEOTHERMIE

KLIMA VOR ORT | Dezember 2013

Energie aus dem Erdinneren

Die Erde besteht aus Energie – sogar unerschöpflich viel Energie, nach menschlichen

Dimensionen. Unter ihrer Oberfläche speichert sie Wärmeenergie. Je tiefer man vordringt, desto mehr. Die Erd-kruste ist kühl genug, dass wir uns nicht die Füße verbrennen, aber sie ist nur eine dünne Schicht: Sie ist ma-ximal 170 Kilometer dick, das ist ver-schwindend gering bei einem Durch-messer von über 12.700 Kilometern. Entsprechend wenig Erdmasse wird vom Klima und den Jahreszeiten be-einflusst.

Rund 99 Prozent der Erdmasse sind konstant über 1.000 Grad heiß. Im Erdkern werden Temperaturen zwi-schen 5.000 und 7.000 Grad Celsi-us vermutet. Auf dem Weg dorthin nimmt die Temperatur alle 100 Meter um drei Grad zu, zumindest hier in Mitteleuropa.

Man kann sich die Erde getrost wie einen Heizkörper vorstel-len. Wissenschaftler haben aus-gerechnet, dass sie täglich große Mengen Wärme in den Weltraum abstrahlt – etwa das Vierfache jener

Energie, die die aktuelle Weltbevöl-kerung in derselben Zeit verbraucht. Dieser Energiestrom speist sich aus zwei Quellen: Etwa 30 Prozent kom-men direkt aus dem heißen Erdkern. Für alles andere sorgen natürliche ra-dioaktive Elemente, die in Erdmantel und Erdkruste ständig zerfallen. Das sind immer noch Auswirkungen aus der Zeit der Erdentstehung.

Will man Berechnungen für Geother-mie-Nutzung anstellen, spielt dabei der Terrestrische Wärmestrom eine Schlüsselrolle: Dieser Begriff bezeich-net den zur Erdoberfläche gerichteten Wärmetransport aus dem Erdinneren. Man kann daraus den geother-mischen Gradienten berechnen. Der wiederum verrät, wie viel die Tem-

peratur bei einer Bohrung in der Tie-fe zunimmt. Der Durchschnitt liegt bei drei Grad Celsius pro 100 Meter (3 °C/100 m).

Die für Geothermie am besten geeig-neten Gebiete Deutschlands mit dem höchsten geothermischen Gradien-ten sind das Molassebecken im baye-rischen Voralpenland und, noch besser, der Oberrheingraben. Der geother-mische Gradient im Molassebecken liegt bei etwa 3,5 bis 4,5 °C/100 m, im Oberrheingraben bei bis zu 9 °C/100 m.

Bild: iStock.com/mighty

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KrusteDicke: 0–170 kmTemperatur: -50–500 °C

Oberer MantelDicke: 10–900 kmTemperatur: 450–1400 °C

Unterer MantelDicke: 900–2900 kmTemperatur: 1400–3000 °C

Äußerer KernDicke: 2900–5100 kmTemperatur: 2900–4000 °C

Innerer KernDicke: 5100–6371 kmTemperatur: 4000–6700 °C

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November 2013 | KLIMA VOR ORT

11GEOTHERMIE TITELTHEMA

Dezember 2013 | KLIMA VOR ORT

Oberflächennahe Geothermie

Bis etwa 400 Meter Bohrungstiefe spricht man von oberflächennaher Geothermie. Die dabei erschlossenen Temperaturen bis etwa 25 Grad Celsius kann man ein-setzen, um zu heizen oder zu kühlen: Gebäude, tech-nische Anlagen oder auch Infrastruktureinrichtungen.Eine solche Anlage kann auch jeder Hausbesitzer auf seinem Privatgrundstück einrichten, wenn die Voraus-setzungen stimmen und die Genehmigungsbehörden einverstanden sind. Bei dieser Form der Heizung wird Wärme aus dem oberflächennahen Untergrund gewonnen und norma-lerweise mithilfe eines Wärmetauschers optimiert eingesetzt. Ein System mit mehreren Kreisläufen: Im Untergrund zirkuliert Wasser oder eine Wärmeträger-flüssigkeit in einem geschlossenen Rohrsystem, sie nimmt dabei die Wärme aus dem Boden auf. An der

Oberfläche verarbeitet die Wärmepumpe diese Energie, indem sie sie auf das zum Heizen notwendige Tempe-raturniveau bringt. Alternativ kann dies auch als Quelle für Klimakälte genutzt werden und eine energiefres-sende Klimaanlage ersetzen. Für oberflächennahe Geothermie gibt es mittlerweile eine ganze Reihe an Systemen: Erdwärmesonden, Erdkollektoren, Grundwasserbrunnen oder auch soge-nannte Energiepfähle, also Betonteile, die als Teil oder Zusatz eines Fundaments in den Boden getrieben wer-den. Knapp 300.000 solcher oberflächennahen Geothermie-anlagen sind heute in ganz Deutschland in Betrieb. Die Zahl wächst weiter, allerdings weitaus weniger schnell als noch vor einigen Jahren. 2012 kamen 22.200 neue Anlagen hinzu.

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12 INHALT

KLIMA VOR ORT | November 2013

12 TITELTHEMA GEOTHERMIE

KLIMA VOR ORT | Dezember 2013

Tiefe Geothermie

Die tiefe Geothermie ist nichts für Privatleute: Dabei wird oft mehrere Kilometer tief gebohrt, nach jahre-langen Vorbereitungen. Solche aufwändigen Verfah-ren eignen sich für die Wärmeversorgung ganzer Ortschaften oder Stadtteile. Erste Anlagen erzeu-gen mit der Erdwärme aus größerer Tiefe auch Strom.Innerhalb der tiefen Geothermie gibt es zwei unter-schiedliche Konzepte, hydrothermale und petrother-male Systeme. Hydrothermale Systeme nutzen Thermalwasser, um Energie zu gewinnen. Man zapft dafür wasserführende Schichten tief unter der Erde an. Das heiße Wasser wird an die Oberfläche trans-portiert, wo man ihm einen Teil seiner Wärme ent-zieht und sie nutzt oder mancherorts Strom daraus gewinnt. Danach wird das Wasser über eine Paral-lelbohrung wieder an seinen Ursprungsort zurückge-pumpt.Wo es keine solchen Wasser-Reservoirs gibt, son-dern der Untergrund trocken und felsig ist, können petrothermale Systeme gebaut werden. Dabei sind meist weitere Bohrungen nötig: Über eine In-jektionsbohrung wird kaltes Wasser mit großem Druck in die Gesteinsklüfte gepresst, über eine oder mehrere Förderbohrungen in bis zu 600 Meter Entfer-nung saugt man das unterirdisch erwärmte Wasser wieder an. Das künstlich injizierte kalte Wasser begünstigt un-terirdisch einen durchaus gewünschten Effekt: dass

das heiße Gestein sich plötzlich abkühlt, dabei kon-trahiert und weitere Gesteinsklüfte aufreißen. Dieses Verfahren heißt hydraulische Stimulation (hydraulic fracturing), was zwar ähnlich klingt wie „Fracking“, aber keine vergleichbaren Risiken bergen soll. Nicht mehr zutreffend sind die Bezeichnungen Hot-Dry-Rock, Hot-Wet-Rock oder auch Deep Heat Mining – sie stehen für andere Verfahren, die heute so nicht mehr üblich sind.Schaut man sich die geothermischen Ressourcen Deutschlands an, bestehen etwa 90 Prozent aus pe-trothermalen Ressourcen. Bei der Nutzung sieht es derzeit noch anders aus, da stützt man sich vor allem auf die einfacher erschließbaren hydrothermalen Ressourcen. Bohrungen für petrothermale Modell-projekte in Bad Urach und bei Basel liegen seit ei-niger Zeit schon still.Bislang wurden in ganz Deutschland erst 21 solcher Projekte erfolgreich in Betrieb genommen, sie haben eine installierte Wärmeleistung von etwa 193 MW. Sechs Heizkraftwerke erzeugen Strom: zusammen 12,11 MW elektrischer Leistung.Die meisten Anlagen sind in Bayern, im Molassebe-cken nördlich der Alpen, einige weitere gibt es im Norddeutschen Becken und im Oberrheingraben. Dabei soll es nicht bleiben. Die Bauarbeiten und Boh-rungen für 18 weitere Anlagen sind gestartet, 74 be-finden sich in der Planung.

Geothermie ist auch ein Wirtschaftsfaktor Investitionen 2011: 960 Mio. EuroArbeitsplätze 2011: 14.200 (12.800 oberflächennahe Geothermie, 1.400 tiefe Geothermie)Quelle: Bundesverband Geothermie e.V.

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13INHALT

November 2013 | KLIMA VOR ORT

13GEOTHERMIE TITELTHEMA

Dezember 2013 | KLIMA VOR ORT

INFO

Lesenswertes für BauherrenDer Bundesverband Geothermie bietet eine Broschüre an, spe-ziell für diejenigen, die Geothermie in Betracht ziehen: „Erdwär-me – Tipps für Hausbesitzer und Bauherren“ heißt das Heft. Dort werden die Funktionsprinzipien anschaulich erklärt, Förderpro-gramme vorgestellt und Wirtschaftlichkeit hinterfragt. Man lernt als Alternativen zur Sonde auch Flächenkollektoren, Erdkörbe und Energiezäune kennen. Geklärt wird, welche zusätzlichen Energiequellen eine sinnvolle Ergänzung sind – allen voran eige-ner Strom aus Photovoltaik. Spannend ist die Frage, ob und wie man ältere Gebäude auf Geothermie umstellen kann. Nützliche Checklisten gibt es obendrein. Die Broschüre im Internet: www.geothermie.de/aktuelles/downloads.html

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FörderbohrungÜber eine Förderbohrungwird das 100-150 ºC heißeThermalwasser an dieOberfläche gebracht.

InjektionsbohrungDas abgekühlte Thermalwasserwird wieder in den Untergrundgebracht, wo es sich erneuterwarmt.

Wärmetauscher(Verdampfer)

Fernwärme StromKühlung

Wärmetauscher(Verflüssiger)

2. TurbinenkreislaufDas heiße Wasser erhitzt niedrig-siedende organische Wärmeträger(z. B. Ammoniak), um so den Dampffür die Turbine zu erzeugen.

Mindestens 500 m Abstandzwischen den Bohrungen,um die Vermischung zwischenWarm- und Kaltwasser an derFörderbohrung zu vermeiden.

3. Kühlkreislauf

1. Thermalwasser- kreislauf

GasturbineGeneratorMaschinenhaus

NatürlichesAquifer-Reservoir

2 000 bis 4 000 Meter TiefeDas heiße Wasser wird übereine Förderbohrung an dieErdoberfläche gebracht.Nach der Nutzung wird dasabgekühlte Thermalwasserüber eine Injektionsbohrungwieder in die Tiefe einge-leitet, wo es sich wiedererwärmt.

Pumpe

FörderbohrungÜber eine Förderbohrungwird das 90-150ºC heißeThermalwasser an dieOberfläche gebracht.

InjektionsbohrungDas abgekühlte Thermalwasserwird wieder in den Untergrundgebracht, wo es sich erneuterwärmt.

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Fernwärme

StromKühlung

2 000 bis 4 000 Meter TiefeDas heiße Wasser wird übereine Förderbohrung an dieErdoberfläche gebracht.Nach der Nutzung wird dasabgekühlte Thermalwasserüber eine Injektionsbohrungwieder in die Tiefe einge-leitet, wo es sich wiedererwärmt.

Wärmetauscherzur Fernwärme-auskopplung

Wärmetauscher(Verflüssiger)

Die Erdwärme (in 3 000 Meter Tiefeca. 100 ºC) steigt aus dem Erdinnerenan die Oberfläche. Durch den Zerfallradioaktiver Elemente entsteht imErdinneren ständig neue Wärme.

2. TurbinenkreislaufDas heiße Wasser erhitzt niedrigsiedende Arbeitsmittel (ORC- undKalina-Verfahren), um Dampf fürdie Turbine zu erzeugen.

Mindestens 500 m Abstandzwischen den Bohrungen,um die Vermischung zwischenWarm- und Kaltwasser an derFörderbohrung zu vermeiden.

1. Thermalwasser- kreislauf

DampfturbineGeneratorMaschinenhaus

Hydrothermale GeothermieDie hydrothermale Geothermie nutzt vorhandenes heißesThermalwasser (ca. 100-150 ºC) in 2.000-4.000 Metern Tiefezur Strom- und Wärmegewinnung.

Die Erdwärme (in 3 000 Meter Tiefeca. 100 ºC) steigt aus dem Erdinnerenan die Oberfläche. Durch den Zerfallradioaktiver Elemente entsteht imErdinneren ständig neue Wärme.

NatürlichesAquifer-Reservoir

Wärmetauscherzur Fernwärme-auskopplung

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Die Kraft, die aus der Tiefe kommtErdwärme im Landkreis Freudenstadt 200 Anträge und 44 LeitungskilometerText: Hannes Kuhnert

„Vor der Hacke ist es duster“, zitiert Hermann Teufel eine alte Spruch-weisheit der Bergmänner und Tun-nelbohrer. Das gelte auch für die Sondenbohrer bei Erdwärme. Wenn’s in den Untergrund geht, weiß man nie so ganz genau, was einen erwar-tet, will der Spruch sagen. Daher sind laut Teufel bei der Gewinnung von Erdwärme Sorgfalt und Vorsicht besonders geboten. Teufel muss es wissen. Der 60-jährige Bauingeni-eur und Wasserwirtschaftler ist beim Amt für Wasserwirtschaft und Bo-denschutz – dem ehemaligen Was-serwirtschaftsamt – zuständig für Bodenschutz, Altenlasten, Schadens-fälle und Wasserwirtschaft. Er hat sein

Büro im Landratsamt Freudenstadt. Über seinen Schreibtisch laufen An-träge und Genehmigung in Sachen Geothermie im Landkreis, er vergibt sozusagen den „roten Punkt“ für Boh-rungen nach Erdwärme.

Das Land Baden-Württemberg setzt, wie andere Länder auch, im Interesse des Klimaschutzes und zur Schonung von fossilen Energien wie Kohle, Gas und Öl verstärkt auf regenerative En-ergien, zu denen auch die Erdwärme zählt, Das Land unterstützt die Kraft, die aus der Tiefe kommt, mit einem Förderprogramm.

Der Landkreis Freudenstadt sei durch seine abwechslungsreiche geografische Struktur nicht gerade

prädestiniert für die Gewinnung von Erdwärme, meint Hermann Teufel. Da gibt es die Flusstäler, da gibt es das Bundsandsteingebiet bei Freuden-stadt mit Klüften und Spalten, gibt es ganz unterschiedliche geologische Bedingung von Gneis und Granit bis Verkarstungen, Muschelkalk und Anhydrit, den gefährlichen wasser-löslichen Gips. Und der Landkreis ist überzogen von Wasserschutzge-bieten, in denen ebenso wie in der Nähe von Tunnels oder Stollen nicht gebohrt werden darf. Deswegen emp-fiehlt Teufel allen Bauherren, die sich mit Erdwärme-Projekten beschäfti-gen, sich zunächst mit seiner Dienst-stelle in Verbindung zu setzen, um unnötige Kosten im frühzeitigen Sta-dium zu sparen.

Dennoch: Mit fast 200 Erdwärme-Anlagen steht der Kreis Freudenstadt im Vergleich zu anderen Landkreisen ganz ordentlich da. Rund 44 Kilo-meter Rohrleitungen für Erdwärme stecken im Landkreisboden. Fast alle Anträge werden für Erwärme mit Son-den gestellt, die Bohrungen gehen in eine Tiefe bis maximal 200 Meter. Im Landkreis gibt es nur vier Anlagen mit Flächen-Kollektoren. Diese wer-den – meist für gewerbliche Projekte, in Schlangenlinien bis zu zwei Meter Tiefe in den Boden verlegt. Erdwärme wird im Landkreis seit gut zehn Jahren genutzt. „Das war ein richtiger Boom, da kamen oft fünf An-träge pro Woche“, erinnert sich Teufel an die Anfangsjahre. Dann kam der Fall Staufen.

Im Schwarzwaldstädtchen Staufen wurde bei Erwärmebohrungen eine Gips-Keuper-Schicht durchstochen, in die Wasser lief. Das Gestein quoll auf, der Boden hob sich, an vielen Häusern entstanden Risse. Das einer-seits warf bundesweit die Nutzung von Erdwärme zurück, verschärfte andererseits die Sicherheitsvorkeh-rungen für solche Projekte enorm, unterstreicht Teufel Unter anderem müssen Bohrungen inzwischen von Sachverständigen überwacht werden, es dürfen nur zertifizierte Firmen beschäftigt und es müssen hohe Ver-sicherungen abgeschlossen werden. Seit knapp zwei Jahren hat sich die Branche vom Staufen-Schock erholt, jetzt kommen wieder mehr Anträge.

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KLIMA VOR ORT | Dezember 2013

Hermann Teufel ist im Landratsamt Freudenstadt zuständig für dieGeothermie im Landkreis.

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regional15INHALTGEOTHERMIE TITELTHEMA

Dezember 2013 | KLIMA VOR ORT

Neues Verfahren mit 72 Betonpfählen beim Kinderhaus in Tumlingen: Ingenieur Klaus Liepelt in seinem Büro in Baiersbronn.

Das Kinderhaus in Waldachtal-Tumlingen wird mit Erdwärme beheizt. Die Anlage soll im Winter dieses Jahres in Betrieb gehen.

Mit einem in der Region neu-en Verfahren wird für ein Bauprojekt in der Gemein-

de Pfalzgrafenweiler (Kreis Freuden-stadt) Erdwärme gewonnen. Beim Neubau eines Kinderhaus für vier Kindergartengruppen und Kleinkin-derbetreuung kam Klaus Liepelt auf die Idee, Pfähle, die zum Sichern des Baugrundes in den Boden gerammt werden, als Leitungen für Geothermie zu nutzen.

In 72 Betonpfähle, die bis zu zwölf Meter in den Boden geschlagen werden, sind in Kunststoffrohren korbähnliche Leitungssysteme ein-gelassen, über die die Erwärme nach

oben geleitet wird. Die Anlage soll Ende dieses Jahres in Betrieb gehen.

Ingenieur Klaus Liepelt (71) ist Se-niorchef des 1976 von ihm mit Frau Helga gegründeten Ingenieurbüros für technische Gebäudeausrüstung in Baiersbronn (Kreis Freudenstadt), das er vor sechs Jahren seinem Sohn Bernd (46) übergeben hat. Schon früh beschäftigte sich das Büro, das heu-te über 20 Mitarbeiter zählt, mit der Geothermie, hat weit über 50 Anlagen im Rheingraben und im Schwarz-wald geplant und umgesetzt. Es sind überwiegend gewerbliche Großanla-gen. „Erdwärme ist eine Ressource, die man nutzen kann und sollte“, ist

Liepelt überzeugt, schränkt aber ein: „Man sollte aber auch nicht zuviel von ihr verlangen, es gibt klare technische Grenzen“. Ausschlaggebend sei eine sorgsame Planung und Bauausfüh-rung unter Beobachtung eines Geolo-gen sowie das fachmännische Einre-gulierung der Anlage. Bei steigenden Energiepreisen, niedrigen Zinsen und ständig weiter verbesserten tech-nischen Geräten biete sich Geother-mie durchaus auch für Wohnhäuser an, wenn auch die Amortisation län-ger sei als bei gewerblichen Bauten. Am effektivsten sei es wenn über Erdwärme Gebäude im Winter beheizt und im Sommer gekühlt werden.

Oben:

Links:

Klare technische GrenzenNeues Verfahren beim Kinderhaus auf StelzenText: Hannes Kuhnert

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KLIMA VOR ORT | Dezember 2013

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Argumente versus AngstNur wenige Geothermie-Bohrungen führten zu Problemen – aber die bestimmen bis heute das Image der BrancheText: Stephan Gokeler und Veronika Renkenberger

TITELTHEMA GEOTHERMIE

Staufen, Leonberg, Renningen, Schorndorf, Rudersberg – diese baden-württembergischen Orts-

namen haben negative Schlagzeilen gemacht. Es ging um Erdwärmeboh-rungen. Und es ging darum, dass sich an diesen Orten der Untergrund ange-hoben hat oder weggesackt ist, Häu-ser und Straßen wurden beschädigt. Ob zwischen den Bohrungen und den Schäden ein Zusammenhang bestand, konnten Experten bis heute nicht in allen Fällen klären. Trotzdem haben sich die Schlagzeilen ins Gedächtnis vieler Menschen eingebrannt und be-stimmen heute das öffentliche Bild von Geothermie. Häufig gibt es Vorbehalte oder sogar offene Proteste, wenn in der Nachbarschaft eine Erdwärmeson-

de umgesetzt werden soll. Zu Recht? „Da wird der Tonfall zwischen Nach-barn richtig scharf: Wenn du hier wirk-lich Geothermie machst, reden wir nie wieder mit euch“, berichtet Andreas Goller. Der Brunnenbauermeister aus Kirchentellinsfurt bohrt mit seinem Team für Erdwärmeprojekte. Wenn die Handwerker mit dem großen Bohrge-rät anrücken, bekommen sie oft genug die Sorgen der Bauherren ab, aber auch den Unmut und die Konflikte eines ganzen Quartiers.

Prof. Dr. Simone Walker-Hertkorn hat dafür viel Verständnis. „Da haben sich in der Vergangenheit durchaus tragische Situationen für Betroffene er-geben“, weiß sie. Und wirbt: Trotzdem sollte man sich von den schlagzeilen-

trächtigen Fällen nicht in die Irre füh-ren lassen. Denn generell ist es für Ex-perten oft schwer zu klären, was solche Hebungen oder Senkungen verursacht. „Die Prozesse im Untergrund sind äu-ßerst komplex“, sagt Walker-Hertkorn. An einigen der Orte, wo es zu den Schäden durch Erdwärmebohrungen gekommen sein soll, „hat es bereits Hebungen und Setzungen gegeben, lange bevor dort Geothermie genutzt wurde“, berichtet sie. Längst nicht in jedem dieser Fälle sei es tatsächlich be-wiesen, dass es einen Zusammenhang zwischen den Bohrungen und den spä-ter aufgetretenen Schäden gibt – auch wenn Medien und Öffentlichkeit die-sen Zusammenhang ganz schnell her-gestellt hatten.

Ausgerechnet er als Grüner und Verfechter erneuerbarer Energien musste in Sachen Geothermie aktiv werden, als Medien und Bevölkerung wegen beschädigter Gebäu-de Sturm liefen. Inzwischen hat der baden-württem-bergische Umweltminister dafür gesorgt, dass im Land die strengsten Richtlinien für Geothermie-Projekte gelten. Und verkauft diese hohen Qualitätsstandards als Vorteil: „Damit hat ober-flächennahe Geothermie in Baden-Württemberg wie-der alle Chancen!“, sagte er bei der Veröffentlichung der Leitlinien.

Der Minister:Franz Untersteller

Sie ist Inhaberin des Lehr-stuhls für geothermische Energiesysteme am Wissen-schaftszentrum Straubing, das zur Hochschule Deg-gendorf gehört. Außerdem Geschäftsführerin der in Starzach nahe Tübingen an-sässigen Niederlassung der Tewag GmbH, ein auf geo-thermische Nutzung spezia-lisiertes, bundesweit tätiges Unternehmen. In Regens-burg zum Beispiel arbeitet die Tewag derzeit daran, ein ganzes Wohngebiet mit 140 Häusern mit Erdwärme zu versorgen. Mit 500 Bohrlö-chern wird dort der Wärme-speicher Erde genutzt.

Die Wissenschaftlerin:Prof. Simone Walker-Hertkorn

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Dezember 2013 | KLIMA VOR ORT

GEOTHERMIE TITELTHEMA

Der baden-württembergische Um-weltminister Franz Untersteller hält die Erdwärmenutzung nicht für eine Risikotechnik. „In Baden-Württemberg wurden 30.000 Sonden niedergebracht. Dabei gab es sechs gravierende Störfäl-le. Die Schlagzeilen machen die weni-gen Fälle“, sagte er kürzlich in einem Interview mit der Südwest Presse.

Also sind 0,02 Prozent aller Boh-rungen misslungen. Dass das so in den Fokus gestellt wird und deswegen eine Technologie abgelehnt wird, fin-det Brunnenbauermeister Goller „ir-rational“. Er erlebt in der öffentlichen Wahrnehmung noch eine weitere Ver-zerrung. „Bei einem Grubenunglück sterben Menschen, ebenso auch, wenn es in einem Gas-Kraftwerk oder in

einem Haus mit Gasheizung zu einer Explosion kommt. All das kommt in den Nachrichten und steht in der Zeitung, aber zwei Wochen später ist es wieder vergessen. Keiner denkt im Traum daran, deswegen Kohle oder Gas grundlegend zu verdammen. Oder zu seinem Nachbarn zu sagen: Wenn du eine Gasheizung instal-lierst, wäre bei einer Explosion viel-leicht auch meine Familie betroffen, also lass es lieber bleiben.“ Selbst wenn Bohrungen im ungünstigsten Fall den Untergrund verändern, gehe es in der Geothermie nicht um Le-ben oder Tod, denn Veränderungen verlaufen wenn, dann sehr langsam. Gollers klares Fazit: „Im Vergleich ist Geothermie also sehr sicher.“

Der promovierte Geologe ist Inhaber eines 2005 gegrün-deten Tübinger Unterneh-mens, das Geothermiepro-jekte realisiert. Er hat vier angestellte Installateure, Anlagen der Kunden werden nach der Inbetriebnahme auch dauerhaft betreut und gewartet, hat daher viele Erfahrungen über mehrere Jahre. Sierig empfiehlt sei-nen Kunden, idealerweise „alles aus einer Hand“ zu nehmen. Er verwendet nur erprobte Technologie weniger Her-steller, entwickelt selbst neue Lösungen.

Der Generalunternehmer:Dr. Jakob Sierig

Andreas Goller ist Brun-nenbauermeister und Chef eines Kirchentellinsfurter Familienbetriebs mit 20 Beschäftigten (siehe hierzu auch „Ein Beruf mit Tief-gang“, Seite 54). Die Firmabohrt bis zu 300 Meter tief und etwa 1000 Bohrlöcher im Jahr.

Der Handwerker:Andreas Goller

+++ Tomatenzucht mit Geothermie: Kirchweidach, 90 km östlich von München, bekommt eine öko-logische Wärmeversorgung mit Geothermie, ein bundesweit einmaliges gemeindliches Nahwärme-netz. Versorgt werden der Ort, seine Einwohner und eine neue Tomatenzucht, deren Gewächshäuser nur mit Geothermie rentabel beheizt werden können. +++ Großkraftwerk: In Neuseeland ging im Sep-tember 2013 das Geothermiekraftwerk Ngata-mariki in Betrieb. Es wurde in einer Rekordzeit von zwei Jahren errichtet, für 475 Millionen Dol-lar. Seine installierte Kapazität: 100 MW, pro Jahr sollen rund 700 GWh Strom produziert werden. +++ Weltweite elektrische Leistung: Bis Ende 2013 wird die weltweite Geothermie eine elektrische Leistung von etwa 12 GW bereitstellen. Anlagen mit weiteren 12 GW befinden sich in einem frühen Ent-wicklungsstadium oder im Bau, sagt eine Marktstudie des US-amerikanischen Branchenverbands Geother-mal Energy Association (GEA). +++ Erdbeben am Bodensee: Am 21. Juli gab es in der Schweiz ein Erdbeben der Stärke 3,6. Die Technische Hochschu-le Zürich und der Schweizer Erdbebendienst waren sich sicher: Ausgelöst wurde es durch Bohrungen für ein Erdwärmeprojekt nahe St. Gallen. Dort hatte nach einem gefährlichen Gaseinbruch eine Explo-sion gedroht, Menschen waren ebenso in Gefahr wie die kostspielige Bohranlage. Um die Explosion zu verhindern, wurden minutenschnell 650 Kubik-meter Wasser und schwere Bohrflüssigkeit ins Loch gepumpt. Laut der St. Gallener Stadtwerke konnte auf diese Weise Schlimmeres verhindert werden.

Geothermie-Telegramm

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18 INHALT18 TITELTHEMA GEOTHERMIE

Spätestens seit der letzten Gesellschaf-terversammlung der Energieagentur in Horb vom 14. Mai 2013 und den umfas-senden Zeitungsberichten war klar, dass der Kreis der kommunalen Unterstützer wachsen wird. Am vergangenen Freitag wurde dies in einer außerordentlichen Sitzung im Beisein der alten und neuen Gesellschafter notariell beurkundet.Nach einer kurzen Begrüßung der Teil-nehmer durch die Geschäftsführer Eck-hardt Huber und Martin Heer richtete der Bürgermeister Jan Zeitler (Stadt Horb) als Vorsitzender ein Grußwort an die Runde. Hierbei brachte er seine Freude über die Gründung und das Bestehen der Energieagentur durch die Unterstüt-zung der derzeitigen Gesellschafter zum Ausdruck. Neben der Stadt Horb zählten dazu bisher die Kommunen Empfingen und Eutingen als auch die Kreisspar-kasse Freudenstadt, die Raiffeisenbank Horb und die Volksbank Horb-Freuden-stadt. Gleichzeitig verwies er auf die „neuen“, aber bekannten Gesichter in der Runde: Die Städte Dornstetten und Freudenstadt, vertreten durch die Bür-germeister Bernhard Haas bzw. Gerhard Link, sowie die Kommune Wörnersberg mit Bürgermeister Reinhold Möhrle wurden herzlich willkommen geheißen.Notar Jörg Franzke vom Notariat Horb übernahm den formellen Teil der Be-urkundung und informierte die Anwe-senden über die, entsprechend der Einwohnerzahl aufgeschlüsselten und erbrachten Einlagen und die daraus re-

sultierenden (Stimm-) Anteile bei ge-meinnützigen Energieagentur.Nachdem alle Gesellschafter die Un-terschrift für den neuen Vertrag ge-leistet hatten tauschte man sich noch über das weitere Vorgehen und die anstehenden Projekte der Energiea-gentur in Horb aus. Einhellig ist man der Meinung, dass durch die Koope-ration mit der Verbraucherzentrale zwei wesentliche Vorteile entstün-den: Zum einen könne man so eine wirklich neutrale Anlaufstelle für Rat-suchende aus dem gesamten Land-kreis sein und zum anderen würde der Zugang zu dem Thema Energie durch die kostenlose Erstberatung stark erleichtert. Gleichzeitig erhoffte man sich in der Runde, dass diesem positiven Beispiel der kommunalen Zusammenarbeit innerhalb des Kreises in Zukunft noch weitere fol-gen mögen. Gerade die Entwicklung „von unten“ auch ohne das fehlende Kreistagsmandat sei jetzt, nach fast zweijährigem Bestehen der Energiea-gentur, eher als Chance zu sehen: So könne jede Kommune im Landkreis selbst entscheiden, ob Sie von den Vorteilen, bei der Energieagentur als Gesellschafter beizutreten, profitieren wolle oder nicht. Trotzdem wolle man deren Nutzen im gesamten Landkreis weiterhin herausheben, so dass auch in der Folgezeit so viel wie möglich Leistungen erbracht und Früchte ge-tragen werden könnten.

Die alten und neuen Gesellschafter der Energieagentur mit der Geschäftsführung

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Neue Gesellschafter der Energieagenturnotariell beurkundet

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»In Baden-Württemberg wurden höchste Standards gesetzt.«Simone Walker-Hertkorn, Professorin für geothermische Energiesysteme am Wissenschaftszentrum Straubing

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In diesem Geothermie-Heizkraftwerk in Sauerlach wird Strom für 16.000 Haushalte erzeugt. Dort hat das Wasser aus 4200 Metern Tiefe über 140 Grad Celsius.

Dezember 2013 | KLIMA VOR ORT

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November 2013 | KLIMA VOR ORT

Der baden-württembergische Weg zu besserer Geothermie

Seit Oktober 2011 muss man sich in Baden-Württemberg an die eu-ropaweit strengsten Auflagen hal-ten, wenn man Erdwärme nutzen will. Mit den Richtlinien hat das Ministerium ganz gezielt auch Lö-sungen geschaffen für Anwohner, bei denen Schäden auftreten: Dann gibt es künftig schnelle Hilfe.

Die neuen Leitlinien legen bei-spielsweise fest:

Bohren dürfen nur zertifizierte Fachfirmen oder Unternehmen, die gleichwertige Kriterien nach-weislich erfüllen.

Versicherungen sind hierbei Pflicht: eine Haftpflicht mit min-destens 5 Millionen Euro De-ckungssumme sowie zusätzlich eine verschuldensunabhängige Versicherung, die mindestens 1 Million Euro bereitstellt, um Schäden in einer Art Vorleistung zügig zu regulieren.

Qualifiziertes Bohrpersonal ist ebenfalls vorgeschrieben, Berufserfahrung und Lehrgänge fließen ein. Bohrlöcher müssen sofort geschlossen werden, es gibt genaue Regelungen für die Verrohrung im Untergrund, au-ßerdem überwachen Geologen jedes einzelne Bohrprojekt.

Ob alle Voraussetzungen erfüllt sind, wird in jedem Einzelfall bei der Genehmigung geprüft. Die zuständigen Zulassungsbehörden sind die Unteren Wasserbehörden der Stadt- und Landkreise.

Neu ist zudem eine Notfall-Hot-line der Geothermie-Branche: Dort bekommen Bohrunterneh-men schnell Beratung und Hilfe, sollten auf einer Baustelle plötz-lich Probleme auftreten.

stet, könne sich eine Gesellschaft im Zeichen der Energiewende aber ei-gentlich gar nicht leisten, findet Wal-ker-Hertkorn. „Technisch betrachtet gibt es nichts Nachhaltigeres und Ef-fizienteres als eine mit Erdwärmeson-den betriebene Wärmepumpenanla-ge“, argumentiert sie. Nahezu jedes preisgekrönte Vorzeige-Effizienzhaus in der Republik nutze diese Technik, die Wärme liefert, beim Kühlen hilft und sogar in einem gewissen Umfang Energie speichern kann.

oberfläche Folgen haben – meist hebt sich die Erde an. Wenn Areale absin-ken, ist möglicherweise ein anderer Bohr-Kardinalfehler passiert: Dann wurde die wasserundurchlässige Trennschicht zwischen zwei Wasser-schichten nicht fachgerecht abgedich-tet. Das Wasser aus der oberen Schicht läuft dann in die untere Schicht, und oben ändert sich die Dichte des Un-tergrundes. Gebäude können sich setzen, Risse entstehen. Beide Fehler lassen sich vermeiden, wenn fach-kundig und umsichtig gebohrt wird. Und genau dafür sollen die neuen Leitlinien jetzt sorgen. Trotzdem ist die Bevölkerung skeptisch, beobach-tet Sierig. „Erdwärme ist rückläufig.“ Dass die Nutzung von Geothermie immer noch ein Nischendasein fri-

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»Technisch betrachtet gibt es nichts Nachhal-tigeres als eine mit Erdwärmesonden betriebene Wärme-pumpenanlage.«Simone Walker-Hertkorn

Bohrung für tiefe Geothermie in Taufkirchen.

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Kaltwasser

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Normalerweise wohnt eine Wärmepumpe im Keller. Dort, im klassischen Heiz-

raum, bringt sie die im Untergrund aufgenommene Energie auf höhere Temperaturen für Warmwasser und Heizung. Von dort aus werden Warm-wasser und Heizungs-Vorlauf nach oben gepumpt, in einem Mehrfamili-enhaus auch über größere Distanzen. Unterwegs gibt es Verluste – die sind vermeidbar.

„Das Mehrfamilienhaus ohne Heiz-raum“ heißt das Forschungsprojekt, das die Tübinger Firma Geothermie-kontor gemeinsam mit dem Stein-beis-Transferzentrum realisiert hat, gefördert vom Bundesforschungs-ministerium. Die neue Lösung kennt keine zentrale Wärmepumpe mehr. Stattdessen wird jede Wohnung mit eigener Wärmepumpe ausgestattet. Ähnlich wie eine Gastherme wäre dies ein großer Kasten, der in der Küche oder im Abstellraum eingebaut wird. „Die Wärmepumpe ist leiser als ein Kühlschrank“, sagt Dr. Jakob Sierig, Ge-schäftsführer von Geothermiekontor.

Das Prinzip könnte mehrere Schwä-chen der bisherigen Lösung beheben: Beispielsweise muss man in zentra-len Heizräumen das Warmwasser auf über 60° C erwärmen. Der Transport in die einzelnen Wohnungen bringt Verluste mit sich. Es wird also Ener-gie vernichtet, die kurz zuvor erst mit großem elektrischem Aufwand generiert wurde. Auch die Steuerung einer zentralen Anlage im Mehrfami-lienhaus kann kompliziert sein, wenn die Bedürfnisse auseinandergehen. Zudem muss zentral bereitetes Warm-wasser regelmäßig durcherhitzt wer-den, um Legionellen zu vermeiden. Das bedeutet hohen Energieaufwand.All das ist kein Thema mehr, wenn jede Wohnung ihre eigene Wärmepumpe

hat und die Sole mit ihrer deutlich ge-ringeren Temperatur dorthin verteilt wird. So wird Geothermie noch einmal deutlich effizienter. Die dezentrale Lösung „kann etwa 40 Prozent Strom einsparen und bringt einen etwa 25 Prozent höheren Wirkungsgrad“, erklärt Sierig. Zirkulations- und Ver-teilverluste wären minimal. Jeder

könnte Heizung und Warmwasser selbst regeln. Und ohne zentrale Anlage auch keine jährliche Kon-trolle, denn die wäre nur für Groß-anlagen vorgeschrieben. Auch die Eigentümerversammlungen zum Thema Heizung sind nicht mehr notwendig.

Im Forschungsprojekt wurde durchgerechnet: Nach 14 Jahren soll sich die dezentrale Lösung amortisiert haben (jährlich 5 Pro-zent Energiepreissteigerungen, 3 Prozent Teuerungsrate und 3 Pro-zent Kapitalkosten vorausgesetzt). Anfangs werden Mehrkosten von 2500 Euro pro Wohnung fällig, dem stehen pro Jahr etwa 155 Euro Einsparungen gegenüber. Derzeit baut Geothermiekontor das Sy-stem in einem Mehrfamilienhaus auf den Fildern ein.

Dezentral ist effizienter Wie man Erdwärme im Mehrfamilienhaus noch wirkungsvoller einsetzen kann, hat sich die Firma Geothermiekontor aus Tübingen einfallen lassen.

Text: Veronika Renkenberger

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Dezember 2013 | KLIMA VOR ORT

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KLIMA VOR ORT | November 2013

KOMMUNALER KLIMASCHUTZ22 KOMMUNALER KLIMASCHUTZ

KLIMA VOR ORT | Dezember 2013

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Dezember 2013 | KLIMA VOR ORT

KOMMUNALER KLIMASCHUTZ

Vorreiter wollen sie sein, ihren Bürgern den Klimaschutz nahebringen, mit gutem Beispiel vorangehen – aber wie? Für kommunale Verwaltungen gibt es ganz unterschiedliche Wege, um das Thema Klimaschutz im Alltag zu verankern. Manche funktionieren entlang eines Konzepts, andere eher pragmatisch. Wieder andere versu-chen, beides zu kombinieren. Eine Beispielsammlung.

Text: Gerhard Schindler

Im Landratsamt von Freudenstadt hat man den Anfang geschafft. Die Vorar-beiten für den European Energy Award

(EEA) sind abgeschlossen. Im Frühjahr 2014 soll ein externer Auditor bescheini-gen, dass der Landkreis das Management-system für den Klimaschutz in seinem Zuständigkeitsbereich erfolgreich einge-richtet hat. Die Auszeichnung ist jedoch kein Lorbeer zum Ausruhen: Hinter dem EEA steckt die Idee, sich kontinuierlich zu verbessern.

„Wichtig war uns festzustellen, wo wir stehen und welche Potenziale es bei uns gibt“, sagt Ira Oberweis. Als Wirtschaftsbe-auftragte des Landkreises sitzt sie im Ener-gieteam, das anhand einer vorgegebenen Liste ein Kriterium ums andere durchge-gangen ist und bewertet hat, was bereits erreicht ist. Kommunale Gebäude wurden dazu ebenso unter die Lupe genommen wie die interne Organisation, die Entwicklungs-planung, Mobilität oder Entsorgung. Aus dieser Stärken-Schwächen-Analyse wurde dann ein energiepolitisches Arbeitspro-gramm erstellt, das der Kreistag beschlos-sen hat. Jetzt gilt es verbindlich bis 2017. Jährlich wird überprüft, was bereits erreicht ist – wo Energie eingespart wurde, wo sie ef-fizienter verwendet wird und wo vermehrt auf erneuerbare Energien gesetzt wird.

Stärken und Schwächen unter der Lupe

Die Stadt Waldenbuch hat diese Schritte bereits hinter sich. Als erste und bisher ein-zige Kommune im Kreis Böblingen hat sie 2009 mit den Vorbereitungen für den EEA begonnen, 2012 erfolgte die Zertifizierung. Marco Noller, beim Waldenbucher Bau-amt zuständig für den Bereich Hochbau, bemerkt, dass seither hinter dem Thema Klimaschutz mehr Zug steckt: „Das Ener-gieteam berichtet häufig in den Stadtnach-richten, dadurch werden auch die Bürger immer weiter sensibilisiert.“

Zwar fallen in der Öffentlichkeit nach wie vor in erster Linie Einzelaktionen auf, doch die haben dank des EEA-Systems Konzept. So fand etwa ein Programm zum Austausch von Heizpumpen gewaltigen Zuspruch: 350 Hausbesitzer tauschten ihre alte gegen eine Hocheffizienzpumpe ein, die ihre Drehzahl anpasst und höchstens noch ein Drittel des bisherigen Stroms verbraucht. Dafür gab’s einen Zuschuss von 50 Euro pro Gerät plus eine auf zwei Jahre verlängerte Garantie auf sich drehende Teile. „Die Leute fangen an nachzudenken“, hat Noller bemerkt – man-che über einen hydraulischen Abgleich, an-dere über den Wechsel zu Erdgas. Dass die Menschen über den Klimaschutz nachzu-denken beginnen und dann handeln, das ist der Sinn von konzeptionellen Program-men wie dem European Energy Award.

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KLIMA VOR ORT | Dezember 2013

24 KOMMUNALER KLIMASCHUTZ

Der Weg zum Ziel verläuft dabei stets ähnlich: Kommunen vernetzen sich mit anderen Energie-Experten und Klimaschutz-Interessierten vor Ort und gehen mit gutem Beispiel voran – Unternehmen und Privatleute folgen, weil die Maßnahmen nicht nur um-weltschutztechnisch, sondern auch wirtschaftlich überzeugen.

„Entscheidend ist, dass die Gemein-deoberen das Thema Klimaschutz als wichtig erachten“, formuliert Bernd-Thomas Hamm die Grundvo-raussetzung für einen erfolgreichen Klimaschutzprozess. Als Leiter der Agentur für Klimaschutz im Landkreis Tübingen hat er bereits zahlreichen Kommunen beratend zur Seite ge-standen. „Es braucht vor Ort immer einen gesellschaftlichen Konsens da-rüber“, sagt Hamm. „Das ist eminent wichtig.“

Ob sich eine Verwaltung dann für den European Energy Award oder für ein Integriertes Klimaschutzkonzept aus der Nationalen Klimaschutziniti-ative des Bundesumweltministeriums entscheidet, ist eher zweitrangig. Bei-de Programme lassen sich – je nach kommunalem Bedürfnis – auch kom-binieren. Waldenbuch etwa ist zusätz-lich zum EEA auch dem Integrierten Klimaschutzkonzept des Landkreises Böblingen beigetreten, mit dem der Endenergieverbrauch bis 2025 kreis-weit um 28 Prozent im Vergleich zu 2009 gesenkt werden soll. 15 Kreis-kommunen haben sich an diesem im Frühjahr fertiggestellten Konzept beteiligt, Böblingen und Sindelfingen allerdings nicht: Die beiden größten Städte haben bereits ihr eigenes Kli-maschutzkonzept.

Einen eher pragmatischen Weg beschreitet die Stadt Tübingen seit Jahren. „Viele Maßnahmen sind ein-fach per se richtig – auch ohne ein übergreifendes Konzept“, sagt Bernd Schott, Umwelt- und Klimaschutzbe-auftragter der Universitätsstadt. Der Austausch von Quecksilberdampf-lampen etwa. Oder mehr Fahrten mit dem Rad. Oder die Sanierung von Schulgebäuden: Bei einem Jah-resenergieverbrauch von 200 Kilo-wattstunden pro Quadratmeter stehe der Sinn einer Modernisierung außer Zweifel.

„Projektorientiert“ nennt Schott diese Vorgehensweise. Gleichzeitig müsse die Verwaltung „zeigen, dass es sinnvolle Maßnahmen gibt, die wir selber machen“ – zum Beispiel ab-schaltbare Steckdosenleisten zu ver-wenden. „Man muss ein glaubhaftes Vorbild sein und manchmal auch et-was ausprobieren.“

So lief das etwa bei der Straßenbe-leuchtung: Vier Jahre lang hat Schott die Entwicklung der LED-Technik im Blick gehabt und zuhause selbst ge-testet. Als dem gelernten Elektriker die Qualität genügte, rüstete Tübin-gen zuerst sein Stadtmuseum um, gewann dann die Unterstützung der Altstadt-Händler und stellte schließ-lich die 400 historischen Leuchten der Innenstadt auf LED um. Mittlerweile sind nur noch im Teilort Bebenhau-sen 50 Quecksilberdampflampen im Einsatz. Alle anderen 10.950 Tübin-ger Leuchten sparen Energie – jedes Jahr zusammen 700.000 Euro. Unter der Dachmarke „Tübingen macht

»Entscheidend ist, dass die Gemeinde-oberen das Thema Klimaschutz als wichtig erachten.«

Die Stadt Waldenbuch erhielt als erste im Kreis Böblingen den European Energy Award.

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IKK: Integriertes KlimaschutzkonzeptDas Integrierte Klimaschutzkonzept ist ein Förderprogramm auf Bun-desebene. Es ist Bestandteil der Nationalen Klimaschutzinitiative (NKI) des Bundesumweltministeri-ums und entstand aus der im Jahr 2008 verabschiedeten „Richtlinie zur Förderung von Klimaschutzpro-jekten in sozialen, kulturellen und öffentlichen Einrichtungen“, auch Kommunalrichtlinie genannt.Inhaltlich geht es um ein umfas-sendes Konzept für eine Stadt oder einen Landkreis, mit dem Maß-nahmen zur Energieeinsparung bestimmt, umgesetzt und über-wacht werden können. Ausgehend von der aktuellen Energie- und CO2-Bilanz werden Einsparpoten-ziale identifiziert – und zwar für möglichst alle Bereiche, die kli-marelevant sind: angefangen bei kommunalen Liegenschaften über Straßenbeleuchtung, Verkehr, Ab-wasser und Abfall bis hin zu pri-vaten Haushalten, Gewerbe und Industrie. Auf Basis dieser Analyse wird festgelegt, welche Gruppe welche Handlungen in welchem Zeitraum in die Tat umsetzen soll. Dazu gehört, sämtliche Beteiligte an einen Tisch zu bringen und ge-meinsam das strategische Vorge-hen zu beschließen. Oberstes Ziel ist die Reduktion von CO2-Emissi-onen. Neben einem Controlling-Instrument, das den Erfolg über-wacht, gehört auch ein Konzept zur Öffentlichkeitsarbeit dazu, um die Bevölkerung so breit wie möglich einzubeziehen. Gefördert werden Integrierte Kli-maschutzkonzepte vom Bundesum-weltministerium als Baustein der NKI. Bewerbung und Aus-zahlung der Fördergelder laufen über den Projektträger Jülich (PtJ).

Mehr: www.ptj.de/klimaschutziniti-ative-kommunen

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Dezember 2013 | KLIMA VOR ORT

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Klimaschutzmanager

Weder eine geschützte Berufsbezeich-nung noch eine Stelle mit einheitlichem Profil – und doch zielt alles daran auf den Klimaschutz ab. Meist sind Kli-maschutzmanager bei Städten ange-stellt, die durch ihre Größe eine solche Stelle ausfüllen können. Auch manche Landkreise haben diese Position ge-schaffen.Doch egal ob als Stabsstelle oder auf Sachbearbeiter-Ebene: Die Aufgabe von Klimaschutzmanagern ist in der Regel, den Klimaschutz vor Ort voranzubrin-gen. Je nach Stellendefinition gilt es, die Einhaltung und Umsetzung kommu-naler Klimaschutzkonzepte zu überwa-chen, das Thema im Bewusstsein der

Öffentlichkeit zu halten, regionale Energieteams und Umweltschutz-experten zu vernetzen oder auch ei-gene Ideen zu entwickeln und in die Tat umzusetzen. Das Bundesumweltministerium för-dert die Stelle eines Klimaschutzma-nagers seit 2008 für bis zu drei Jahre als Teil der Klimaschutzinitiative für Kommunen. Seit vergangenem Jahr organisiert die Klimaschutz- und Ener-gieagentur Baden-Württemberg (KEA) mehrmals jährlich Treffen zum Erfah-rungsaustausch und zur Vernetzung der Klimaschutzmanager im Land.Mehr: www.kea-bw.de/service/fuer-klimaschutzmanager

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blau“ hat die Universitätsstadt alle ihre Aktivitäten zum Klimaschutz zu-sammengefasst. Im kommenden Jahr soll nun auch eine Bewerbung für den European Energy Award folgen. Die konzeptionelle Arbeit läuft bereits, Bernd-Thomas Hamm von der Agen-tur für Klimaschutz Tübingen berät das Team dabei. Das Ziel: noch besser zu werden. „Wir passen uns einem eu-ropäischen System an und schauen,

ob wir Potenziale entdecken, die wir noch nicht gehoben haben“, erklärt Bernd Schott.

„Ich habe das Glück, dass meine Stabsstelle direkt beim OB angesie-delt ist“, ergänzt der Umwelt- und Klimaschutzbeauftragte. Damit ist er einem Amtsleiter gleichgestellt, mit eigenem Budget und schnellem Zu-gang zum Gehör des Oberbürgermei-sters. Was das an Privilegien bedeutet,

bemerkt er oft, wenn er auf Tagungen kommunale Mitstreiter trifft, die le-diglich Sachbearbeiter sind: „Die haben die gleichen guten Ideen wie ich, bleiben aber an ganz vielen Hür-den hängen.“ Bei Boris Palmer sei der Klimaschutz dagegen Chefsache, lobt Schott: „Er hält das Thema hoch, ist aktiv und wirbt bei Unternehmen dafür. Er ist einfach ein sehr guter Au-ßendienstler in Sachen Klimaschutz.“

Erfolgreiche Klimaschutzbestre-bungen einer Stadt strahlen dabei stets auch auf das Umland aus. Das wird nicht nur bei Tübingen spürbar, sondern auch im Fall von Aalen: Die größte Stadt auf der Ostalb engagiert sich seit 1992 für den Klimaschutz, als das Thema in Kommunen noch längst nicht so groß gehandelt wurde wie heute.

Was mit Energieeinsparungen über ein Contracting-Modell für die städ-tischen Liegenschaften begann, wur-de ständig ausgeweitet. 2005 kam der European Energy Award dazu, 2010 schließlich das Klimaschutzkonzept. Im Herbst 2013 wurde ein neuer Kli-maschutzmanager eingestellt, dies-mal auf einer unbefristeten Stelle. Die neueste der zahlreichen Auszeich-nungen stammt vom Oktober 2013: Die Agentur für Erneuerbare Energien kürte Aalen zur Energie-Kommune des Monats.

Mit Kraftwerk auf dem Dach: das städtische Parkhaus am Bahnhof von Aalen.

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KLIMA VOR ORT | Dezember 2013

KOMMUNALER KLIMASCHUTZ

Kein einmaliger Preis, sondern vielmehr fortlaufendes Qualitätsmanagement für die Energie- und Klimaschutzpolitik von Kommunen und Landkreisen: Der Euro-pean Energy Award (EEA – zu deutsch: Europäische Energie-Auszeichnung) hält ein umfassendes System bereit, das in mehreren Stufen und Zyklen eine kontinuierliche Verbesserung beim lokalen Klimaschutz erreichen soll. Wer sich dafür bewirbt, geht vor allem eins ein: die Selbstverpflichtung, seine Kom-mune auf dem Weg der Nachhaltigkeit voranzubringen.Dieser Weg beginnt mit einem poli-tischen Beschluss und der Gründung eines Energieteams. Dessen Aufgabe ist es, den Status Quo zu erfassen: Was unternimmt die Kommune bereits, was dem Klimaschutz dient? Ein umfas-sender Katalog aus 200 Fragen dient als Leitlinie. Ein zertifizierter EEA-Bera-ter begleitet das Energieteam dabei.

Als Ergebnis der Analyse kommt ein Stärken-Schwächen-Profil heraus. Es zeigt, wo Potenziale stecken und wie die Kommune sich verbessern kann.Danach werden Prioritäten gesetzt und ein „energiepolitisches Ar-beitsprogramm“ erarbeitet. Darin wird festgeschrieben, was innerhalb des nächsten Jahres verbindlich um-gesetzt werden soll. Ab dann funktio-niert der EEA als Managementtool für Controlling und Organisationsoptimie-rung, mit dem ein Ort sein Nachhal-tigkeitsbestreben ständig weiter ver-bessern kann. Zwischendurch gibt’s natürlich doch auch einen Preis. Wer die Umsetzung seines Arbeitsprogramms durch einen externen EEA-Auditor zertifizieren lässt und dabei die Hälfte aller Punkte er-reicht, darf sich den European Energy Award werbewirksam auf die Fahnen schreiben. Ab 75 Prozent der Punkte

wird der Award in Gold verliehen.Der Vorteil der europäischen Dimensi-on: Nach Kommunengrößen unterteilt bietet der Wettbewerb Vergleichs-möglichkeiten über Ländergrenzen hinweg. Mehr als 1.100 Kommunen aus 17 Staaten Europas sind bereits dabei. In Deutschland gibt es derzeit 242 EEA-Städte und -Gemeinden so-wie 29 EEA-Landkreise. Ein weiterer Vorteil: Das Verfahren des European Energy Awards lässt sich mit kommu-nalen Klimaschutzkonzepten koppeln und kann zu Synergieeffekten führen.

Mehr: www.european-energy-award.de

„Viele von außerhalb wollen sich direkt bei uns beraten lassen“, be-merkt Rudolf Kaufmann, Leiter des Grünflächen- und Umweltamtes der Stadt Aalen, immer wieder. „Wir verweisen dann ans Energiebera-tungszentrum Böbingen.“ Dort sitzt die Klimaschutzagentur des Ostalb-kreises und bündelt unter der Marke „Energie-Kompetenz Ostalb“ (EKO) sämtliche Klimaschutzaspekte des Landkreises. „In der Fläche sind Kli-maschutzkonzepte bei uns noch we-nig ausgeprägt“, sagt EKO-Leiter Ralf Bodamer. „Der Landkreis will jedoch Kommunen animieren, auch in ihren Zuständigkeitsbereichen aktiv zu wer-den.“ Das jährliche öffentliche Klima-forum ist gut besucht, Interesse also offenbar vorhanden.

Manchmal braucht es dann nur noch den entsprechenden Funken zur richtigen Zeit, und eine neue Idee zündet – wie in Rainau. Die Gemeinde

im Jagsttal, gleich nördlich von Aalen, hat vor dem Sommer beschlossen, die Energieautarkie anzustreben – „aber eine echte Autarkie, nicht nur eine bi-lanzielle“, betont Martina Hofmann. Als Professorin für Erneuerbare Ener-gien an der Hochschule Aalen unter-stützt sie das Projekt „Smart Village“ tatkräftig und arbeitet auch den Ma-sterplan dazu aus.

Dessen Ziel heißt: Die gut 3.300 Ein-wohner der fünf Teilorte von Rainau erzeugen alle Energie, die sie für Wär-me, Elektronik und Mobilität benöti-gen, selbst. Sonne, Wind und Wasser sollen dazu ebenso beitragen wie ein Lastmanagement, ein solarthermisch gespeistes Nahwärmenetz, eine zwei-stufige Biogasanlage, die ins Erdgas-netz einspeist, und der Umstieg auf Erdgasfahrzeuge.

„Außerdem versuchen wir von vorn-herein, die gesamte Bevölkerung mit einzubeziehen“, erklärt Martina Hof-

mann. In detaillierten Fragebögen wird bis zum Jahresende der gesamte Energiebedarf aller Haushalte erfasst. Wer will, bekommt Hilfe beim Aus-füllen: „Wir wollen die Leute schließ-lich befähigen, sich mit dem Thema Energieverbrauch auseinanderzu-setzen.“ Auch diesen Punkt hat das Projekt „Smart Village“ mit anderen Klimaschutzkonzepten gemeinsam.

Windräder bei Waldhausen im Ostalb-kreis.

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Photovoltaikanlage auf dem Garagen-Dach der Stadtwerke Aalen.

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al28 BAUEN UND SANIEREN

Text: Martin Heer

Energiesparer des Monats (Juli)Heizölersparnis von fast 50 Prozent: Gesucht und gefunden – die Energieagentur in Horb zeichnet nun den zweiten „Energiesparer des Monats“ aus: Das Ehepaar Tipold aus Horb-Mühlen.

Vor fast fünf Jahren endeten schon die letzten Arbeiten im und am Haus des Ehepaares

Tipold im Horber Teilort Mühlen. Um-fangreiche Maßnahmen an Außenhül-le, Dach und Heizung wurden damals durchgeführt. Zeit, nach einer halben Dekade eine erste Bilanz zu ziehen.

Im Jahr 1972 erfüllt sich das Ehepaar Tipold den Traum eines Eigenheims in Horb-Mühlen. Nachdem sie etwa 35 Jahre in dem Teilort am Neckar woh-

nen, stehen sie vor der Frage, entweder das Haus zu verkaufen und in Richtung Stadt zu ziehen oder es energetisch auf den neuesten Stand zu bringen. Nach einer langen Überlegungsphase, zahl-reichen Messebesuchen, Vortrags- und Informationsabenden bei Anbietern und Herstellern aus dem Energiebe-reich entscheidet man sich im Jahr 2007 für Letzteres: In Mühlen wohnen bleiben und das eigene Haus umfas-send energetisch sanieren.

Energieberater Heinrich Lutz steht beratend zur Seite, wenn es um die Reihenfolge, Qualität und Tiefe der verschiedenen Maßnahmen, das Er-reichen des damaligen EnEV-Niveaus, die Bestätigung der KfW-Nachweise und das Erstellen eines Energieaus-weises geht.

Als erstes muss die alte Öl-Zentral-heizung dran glauben und wird durch ein modernes Öl-Brennwertgerät samt neuen Tanks ersetzt. Dieses ist jedoch

Aus alt mach neu: Auch optisch war die energetische Sanierung ein voller Erfolg.

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29BAUEN UND SANIEREN

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Dezember 2013 | KLIMA VOR ORT

nur für die kalten Wintermonate vor-gesehen, da eine solarthermische Anlage mit acht Kollektoren auf dem Süddach (12 m² Kollektorfläche) und ein 8 kW-Holzofen mit Wassertasche im Wohnbereich für Wärmezufuhr im Heiz- und Wasserkreislauf des Hauses in den Sommer- und Übergangsmo-naten sorgt. Ein 750 Liter-Schichtspei-cher sorgt dafür, dass die wertvolle, aus Sonne und Scheitholz erzeugte Ener-gie über mehrere Tage ohne Zuheizen gespeichert und nach und nach abge-geben werden kann.

Die Modernisierung der Heizungsan-lage mitsamt all seiner Komponenten läuft „Hand in Hand“ (Tipold) mit der Sanierung der Gebäudehülle: Inner-halb der Dämmung – hierfür werden ökologisch nachhaltige Holzfasermat-ten mit einer Stärke von 18 cm gewählt – werden die Leitungen verlegt und auch die Kellerdecke mit acht cm ge-dämmt. Interessanterweise liegt zum Zeitpunkt der Sanierungsmaßnahmen auch der Preis für eine Styropordäm-mung weit über der ökologisch sinn-volleren Alternative, so dass auch hier die Entscheidung für Letztere nicht schwer fällt. Auch optisch erfährt das Haus eine Aufwertung durch eine Verschalung mit vorlackierten roten Tafeln aus kanadischem Holz. Allein die Fenster und Haustüre dürfen noch drinnen bzw. dran bleiben, da diese schon 2003 durch energiesparende Al-ternativen ersetzt wurden.

Nachdem im Oktober 2007 die neue Heizungsanlage und im Frühjahr 2008 alle Dämmmaßnahmen beendet sind kann das Ehepaar Tipold ihren Öl-brenner auf „Stand-by-Betrieb“ stel-len. Das „neue“ Haus kommt in den Monaten von Mai bis September 2008 ausschließlich mit Sonnenenergie der solarthermischen Kollektoren und der Wärmezufuhr aus dem Holzofen aus.

Die stolzen Energiesparer des Monats Juli: Hildegard und Johann Tipold mit Gebäudeenergie-berater Heinrich Lutz (v.l.n.r.).

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al30 BAUEN UND SANIEREN

In dieser Zeit wird kein einziger Liter Heizöl benötigt!

Nach Abschluss aller Arbeiten geht der Energieberatungsbericht von Heinrich Lutz von einem Einsparpo-tential von etwa 47 % aus. Nach nun-mehr fünfjähriger Laufzeit der Anla-ge liegen Verbrauchszahlen vor, die diese Prognose nicht nur bestätigen, sondern sogar weitaus positiver als gedacht untermauern: Benötigte das Ehepaar vor dem Umbau noch etwa 3.500 Liter Heizöl pro Jahr, so kommt es jetzt mit nur noch zirka 1.500 Li-ter – in „guten“ Jahren sogar nur noch mit 1.000 Liter – aus. Die zwei bis drei Raummeter Holz für den Holzofen fal-len hierbei weniger ins Gewicht. Zum Vergleich: Ein Raummeter Holz ersetzt in etwa 150 bis 200 Liter Heizöl. Jo-hann Tipold: „Zwischendurch haben wir’s gerne auch mal bequem. Durch den Einsatz von mehr Holz könnten wir unseren Heizölverbrauch noch viel drastischer senken!“

Als „Sahnehäubchen“ – auf dem Süd-dach war neben den Solarkollektoren noch ausreichend Platz vorhanden –

wird im vergangenen Herbst noch eine Photovoltaikanlage mit einer Leistung von über 7 kWp zur Solarstromerzeu-gung auf Tipolds Bleibe installiert. 30 Module mit jeweils 245 Wp reduzieren nun auch die Stromrechnung des Ehe-paares. Denn obwohl die Anlage ge-mäß des novellierten EEG auf nur 70 % ihrer Leistung gedrosselt werden muss, kann man einen Großteil des erzeugten Stromes nun selbst nutzen, der Rest wird ins Stromnetz eingespeist.

Auch wenn man sich darüber im Klaren ist, dass man viel Geld (insge-samt belaufen sich die Zahlen für Hei-zungserneuerung und Sanierung auf über 60.000 Euro – gefördert wurden davon rund 5.000 Euro) investieren musste, so ist man – nicht zuletzt auf-grund der Heizkostenabrechnungen der vergangenen fünf Jahre – davon über-zeugt, dass sich der Aufwand auch finanziell gelohnt hat. Tipold: „Wir haben uns richtig entschieden.“ Außerdem war er von der Zusammen-arbeit der lokalen Handwerker mehr als begeistert: „Alles war super aufei-nander und miteinander abgestimmt!“

Warum aber gerade das Ehepaar Tipold als „Energiesparer des Monats“?

Mindestens vier Gründe sprechen aus Sicht der Energieagentur in Horb für die Auszeichnung:

1. Das Beispiel des Ehepaares zeigt, dass mit umfassenden Maßnahmen nachweislich hohe Prozentzahlen von (Heiz-) Energie eingespart wer-den können: Der Verbrauch von Heizöl reduzierte sich um min 40 %, teilweise sogar bis zu weit über 50 %.2. Das Zusammenspiel verschie-dener, ökologisch und energetisch sinnvoller Heizungsvarianten: Öl-Brennwert, Solarthermie und Scheit-holzofen mit Wassertasche. Als „Bo-nus“ kam auf dem Dach noch die PV-Anlage dazu.3. Als Dämmstoff kam ökologisch nachhaltiges Material – Holzfaser-matten – zum Einsatz.4. Durch die Sanierungsmaßnahmen wurde das Haus zusätzlich noch op-tisch aufgewertet. Das Ergebnis – die rote Holzverschalung – lässt sich wörtlich „sehen“.

KLIMA VOR ORT | November 2013

»Wir haben uns richtig entschie-den. Alles war super aufeinander und miteinander abgestimmt.«

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Dezember 2013 | KLIMA VOR ORT

Südostansicht des von der Energieagentur in Horb prämierten Hauses.

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Energiesparer desMonats (August)Energetischer Traum verwirklicht: Gesucht und gefunden – die Energieagentur in Horb zeichnet nun den dritten „Energiesparer des Monats“ aus: Jörg Braun aus Baiersbronn.

Text: Martin Heer

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KLIMA VOR ORT | Dezember 2013

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Kurz nach Weihnachten im ver-gangenen Jahr kann Jörg Braun, Geschäftsführer der Gottfried

Braun GmbH, sein neues Eigenheim beziehen: Ein hochmodernes Passiv-haus vollgepackt mit diverser Haus-technik nach neuesten Standards. Neben komfortabler und energieeffizi-enter Wohnqualität in bester Lage am Rande Baiersbronns soll dem Diplom-ingenieur das Haus auch als Vorzeige-objekt für diverse technische Anlagen, die das Unternehmen verbaut, dienen.Im Februar 2011 unterhält sich Braun auf der Passivhausmesse in Stuttgart mit Markus Kugler (Planungsbüro Ku-gler in Schopfloch) und will in Kontakt bleiben, da Brauns Überlegungen in eine klare Richtung gehen: Er will sich ein Passivhaus bauen. Für die Ent-wurfsplanung findet er in der „Werk-gruppe Freiburg“ einen erfahrenen und renommierten Partner, die Haus-technik kann und will seine eigene Firma übernehmen, da hier viel Erfah-rung und Knowhow schon vorhanden ist.

Kugler, der inzwischen zertifizierter Passivhausplaner ist, wird mit der

Bauleitung des ehrgeizigen Projektes beauftragt.

Nach einem Planungszeitraum von ca. sechs Monaten kann der Bau im April 2012 begonnen werden. Nach weiteren acht Monaten ist, pünkt-lich zum Jahreswechsel, das Haus am 30.12.12 bezugsfertig. Und das Ergeb-nis kann sich, auch wörtlich genom-men, sehen lassen und „überzeugt als Symbiose aus modernem Design und innovativer Technik“ (Auszug aus ei-ner Projektdokumentation): Das un-terkellerte Passivhaus ist in Massiv-hausbauweise erstellt, die luftdichte Hülle durch den Innenputz gebildet. Das Satteldach erhält eine 24cm hohe Zwischensparrendämmung aus Zellu-lose und eine 10cm starke Aufsparren-dämmung. Sowohl Außenwände und Bodenplatte werden mit einer Däm-mung von 25 bzw. 16 cm versehen und ausschließ-lich Fenster und Türen mit Dreifachverglasung (Uw-Wert: 0,82 W/m²K) verbaut. Der Luftdichtheitstest (landläufig auch „blower-door-Test“ genannt) gemäß Passivhaus-Regeln liegt mit einem Wert von 0,45 (Anfor-derung: max. 0,60) deutlich unter den

Anforderungen. Dies dient gleichzeitig auch als Nachweis der Bauqualität.Ein besonderer „Clou“ ist die Heiz- und Warmwasserversorgung: Eine Wärme-pumpe mit Eisspeichersystem („Solar-Eis-Heizung“ mit einem 12 m³ großen im Garten vergrabenen Speicher) und Kollektoren an der Südfassade der Ga-rage sorgen für Kälte im Sommer und Wärme im Winter. Das auf den ersten Blick widersprüchliche System geht auf ein einfaches physikalisches Prin-zip zurück, bei dem das Wasser durch den Aggregatswechsel von „flüssig“ zu „fest“ Kristallisationswärme abgibt. Um dies zu verstehen, kann man fol-gendes Beispiel heranziehen: Erstarrt 1 Liter Wasser bei 0° C zu Eis, werden 0,8 kWh Energie frei. Das ist in etwa die-selbe Energie, die man benötigt, um 1 Liter Wasser auf 80° C zu erhitzen. So dient dieser stetig sich wiederholende Aggregatswechsel einer regelmäßigen Energiezufuhr. Die Wärmepumpe wählt dabei immer die effektivere En-ergiequelle aus: Entweder den Eisspei-cher oder den Kollektor.

Zwei Pufferspeicher im Keller (ge-trennt in Heizung und Warmwasser)

In diesem Bauabschnitt deutet äußerlich nicht viel auf ein Passivhaus hin.

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Dezember 2013 | KLIMA VOR ORT

BAUEN UND SANIEREN

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mit jeweils 750 Liter Volumen sorgen für eine ausreichende Speicherung der wertvollen Wärme; die Frischwasser-station liefert bedarfsgerecht und hygi-enisch frisches warmes Wasser. Braun: „Ich wollte einen möglichst hohen Grad an Autarkie erreichen. Die ein-zelne Anlagen dienen mir und meiner Firma jedoch auch als ‚Showroom‘, um den Kunden am lebenden Objekt zu zeigen, dass und wie es funktioniert.“Da sich der Bauherr mit der SolarEis-Heizung, der Wärmepumpe und dem Lüftungssystem auf der Klimaseite mehr als gut versorgt („eigentlich woh-ne ich in einem Plus-Energie-Haus“) und die „zukünftige Dominanz der En-ergiekosten vor allem auf der Stromsei-te“ sieht, befindet sich auf dem gesam-ten Dach des Hauses (also auch auf der Nordseite!) und dem Süddach der Garage eine dachintegrierte Photovol-taik-Anlage mit einer Leistung von ins-gesamt zirka 21 kWp zur Solarstrom-gewinnung. Nach über einem halben Jahr Laufzeit zeigt sich, dass selbst die sonnenarme Nordseite sehr gute Er-träge liefert und die Gesamtanlage dabei hilft, den externen Stromeinkauf

Das helle Dachgeschoss vor der Möblierung.

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Im Technikraum des Kellers: Frischwasserstation mit zwei Pufferspeichern.

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„Bioethanol-Ofen“ mit einer Leistung von zirka 3 kW als Notheizung fungie-ren. Braun: „Der Ofen kann zwar durch seine offene Flamme für Wärme sor-gen, dient aber hauptsächlich einem gemütlichen Ambiente.“

Braun ist mit dem Resultat sehr zu-frieden und sichtlich stolz auf das Haus mitsamt all seiner kleinen und großen Komponenten: „Zukünftig wird die Warmmiete darüber ent-scheiden, wer den einen oder ande-ren Euro für andere Ausgaben zur Verfügung hat. Außerdem ist es sinn-voller, möglichst wenig Energie ein-zusetzen, als mit einer überdimen-sionierten Technik den Verbrauch zu drücken. Deshalb kam für mich nur ein Passivhaus in Betracht!“

drastisch zu senken: „Im Haus finden Sie ausschließlich energieeffiziente LED-Leuchten. Außerdem bin von einem sportlichen Ehrgeiz getrieben, möglichst viel Strom und Wärme ein-zusparen, damit ich möglichst autark bin.“ Im Eingangsbereich des Hauses erfährt Braun an einem Touchscreen, wie viel Strom aktuell erzeugt und ver-braucht wird. Als vorerst letztes Projekt ist noch in diesem Jahr ein Solarstrom-speicher vorgesehen, der den selbst er-zeugten Strom noch länger für den Ei-genverbrauch bereithält und den Grad der Autarkie erhöhen soll.

Nach dem ersten überstandenen Winter ist Braun auch mit der Arbeit der Wärmepumpe höchst zufrieden. Arbeitszahlen (also das Verhältnis von

eingesetzter zu erzeugter Energie) von über 5 für die Heizungsseite – kombi-niert mit der Warmwassererzeugung immerhin noch ca. 4,8 – sprechen für sich. Im Erdreich um das Gebäude ist ein Solewärmetauscher verlegt, der die Zuluft der Lüftungsanlage das ganze Jahr ohne zusätzlichen Energieauf-wand auf 19 °C erwärmt beziehungs-weise im Sommer kühlt.

Um sein Wasser doppelt nutzen zu können, ist im Technikraum im Keller des Hauses auch eine sog. „Grauwas-ser-Anlage“ installiert, die mittels einer speziellen Algentechnik das Abwasser aus Küche, Bad und den Waschbecken für das WC und zum Bewässern des Gartens wiederaufbereitet. Außerdem kann ein ins Wohnzimmer integrierter

KLIMA VOR ORT | Dezember 2013

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Ausbildung

zum Anlagen-

mechaniker m/w

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BAUEN UND SANIEREN

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Warum aber gerade Jörg Braun als „Energiesparer des Monats“?

Mindestens vier Gründe sprechen aus Sicht der Energieagentur in Horb für die Auszeichnung:

1. Wir wollen für das Thema „Pas-sivhaus“ im Landkreis Freudenstadt Interesse wecken und gleichzeitig Vorurteile abbauen und widerlegen. Braun: „Man kann ganz normal leben in einem Passivhaus. Ich habe auch manchmal ein Fenster auf…“, er-zählt er Leuten, die Angst vor einem luftdichten „Passivhausgefängnis“ haben.2. Eine SolarEis-Heizung ist nicht gerade alltäglich und versorgt neben anderen kleineren Komponenten Jörg Brauns Passivhaus mit Energie.3. Jörg Braun schafft es mit der instal-lierten Technik in seinem Haus, fast komplett unabhängig – also autark – von externer und eingekaufter En-ergie zu leben.4. Jeder einzelne Technikbaustein (SolarEis-Heizung, PV-Indach-Anla-ge, Lüftungskonzept mit Wärmerück-gewinnung, Grauwasser-Anlage) ist für sich alleine schon ausgezeichnet. Mit dem Zusammenspiel der ver-schiedenen Energiekomponenten ist das Gesamtprojekt einmalig und da-durch besonders hervorzuheben.

INFO

Definition Passivhaus (Auszug/Kurzfassung):- Ein Heizwärmebedarf (Energiekennzahl) von max. 15 kWh/m²a- Haus wird durch „innere“ Gewinne (Personen, Elektrogeräte) sowie durch solare Gewinne beheizt- Außenhülle des Hauses sind so gut gedämmt, dass sie einen Wärmedurchgangs-koeffizienten (U- Wert) kleiner als 0,15 W/(m²K) erreicht- Lüftungsanlage mit hochwirksamer Wärmerückgewinnung aus der Abluft- Heizlast: max. 10 W/m² und Jahr- Gesamt-Primärenergiebedarf (für alle Energiedienstleistungen): max. 120 kWh/m²- Luftdichtheit kleiner als 0,6 Hausvolumen pro Stunde- Fenster inkl. Rahmen: U-Wert von max. 0,8 W/(m²K) bei einem g-Wert (Gesamtenergiedurchlassgrad = Anteil der für den Raum verfügbaren Solarenergie) von min. 50%

Diese Punkte findet die Energieagentur in Horb „ausgezeichnet“ und wünscht sich – im Landkreis und darüber hinaus – möglichst viele „Nachahmer“. Gerne dürfen sich Häuslebauer, Sanierer, Tüftler, Schulklassen, Vereine, Kommunen, Handwerk, Gewerbe und Industrie an die Energieagentur wenden. Wir suchen Monat für Monat einen neuen „Energiesparer des Monats“!

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Bauleiter Markus Kugler mit dem Energiesparer des Monats August Jörg Braun (v.l.n.r.).

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Problemlöser SonneEine sanierungsbedürftige Fassade und ein gänzlich ungedämmtes Dach mit einem Dachboden, auf dem im Sommer unerträgliche Hitze und im Winter Eiseskälte herrschten – bis hierhin bewegten sich die Herausforderungen für Energieberater Paul Maier zunächst durchaus im Rahmen des Üblichen. Doch das Haus in der Rottenburger Kottmannstraße erwies sich für ihn schnell als etwas Besonderes.Text: Stephan Gokeler

Die roten Fensterläden als Wahrzeichen des Hauses in der Rottenburger Kottmannstraße blieben auch nach der Sanierung erhalten, obwohl eine Außendämmung angebracht wurde.

Beheizt wird das Haus nämlich von einem luftgeführten Ka-chelofen mit einer zentralen

Ölversorgung, ergänzt um eine elek-trische Fußbodenheizung im Bade-zimmer. Für warmes Wasser sorgen ein strombetriebener Durchlaufer-hitzer und ein kleiner Elektroboiler.

Diese Form der Wärmeproduktion ist nicht sehr effizient. Doch Lydia Kreid-ler und Anita Zeiner, die beiden Ei-gentümerinnen und Bewohnerinnen der Doppelhaushälfte, hatten diese Gebäudetechnik und die Wohnung über die Jahre in Schuss gehalten und vor nicht allzu langer Zeit mo-

dernisieren lassen. Das stellte den ebenfalls in Rottenburg ansässigen Diplom-Bauingenieur Maier vor eine echte Herausforderung: Die technisch intakte Heiztechnik sollte weiterhin Verwendung finden, das Haus aber insgesamt trotzdem auf ein energe-tisch akzeptables Niveau gebracht

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November 2013 | KLIMA VOR ORT

regionalBAUEN UND SANIERENBAUEN UND SANIEREN 39BAUEN UND SANIEREN

werden. Mit einer Fassaden- und Dachdämmung allein, das war Mai-er schnell klar, würde sich kein KfW-115-Standard erreichen lassen. Dieser definiert die Mindestanforderungen für eine finanzielle Förderung aus Mitteln der Kreditanstalt für Wieder-aufbau (KfW) und bedeutet, dass ein sanierter Altbau maximal 15 Prozent mehr Primärenergie verbrauchen darf als ein Neubau nach den geltenden Gesetzen und Verordnungen.

Was also tun? „Eine Photovoltaik-anlage war die Lösung“, erinnert sich Maier. Denn der selbstproduzierte Sonnenstrom wird auf den Stromver-brauch für Heizung und Warmwas-serbereitung angerechnet und redu-ziert den Primärenergieverbrauch entsprechend. So bedeckt heute eine PV-Anlage die komplette nach Süd-westen ausgerichtete Dachfläche der Doppelhaushälfte. Sie liefert rund 38

Prozent des gesamten Stroms, der im Haushalt benötigt wird.

Sonnenstrom und Dämmung Der Teil, der für die energetische Be-rechnung angesetzt werden darf, ist allerdings niedriger, weil nur elek-trische Heizungen und Hilfsgeräte der Heizungsanlage berücksichtigt werden. Dennoch: Zusammen mit der Wärmedämmung von Fassade, Dach und Kellerdecke sorgt der Sonnen-strom dafür, dass der Primärenergie-bedarf des Wohnhauses rechnerisch von 331 Kilowattstunden pro Jahr und Quadratmeter auf 94 Kilowattstunden gesunken ist. Wenn die Photovoltaikanlage mehr Strom produziert, als aktuell im Haus verbraucht wird, wird der Überschuss ins Netz eingespeist. Ein Zweirich-tungszähler registriert Strombezug und Stromlieferung gleichermaßen.

Noch fehlt für eine exakte Ermittlung der Verbrauchsdaten ein komplettes Winterhalbjahr, denn die Photovol-taikanlage ging erst im März 2013 in Betrieb. Doch Paul Maier, der neben der Fachplanung auch die Bauleitung für die Sanierung übernommen hat, wertet sämtliche Daten bereits re-gelmäßig aus. Der Wärmeverbrauch im sanierten Haus liegt demnach um rund 46 Prozent unter dem Ver-brauch vor der Sanierung. Das ent-spricht rund 1200 Euro pro Jahr, die von den Eigentümerinnen nicht mehr für Öl oder Strom ausgegeben werden müssen. „Da wäre bei einer anderen Nutzung des Hauses sogar noch mehr drin“, erläutert Maier. Doch weil das Dachgeschoss unbewohnt ist und im Obergeschoss generell nur wenig ge-heizt wird, fallen auch die möglichen Einsparungen geringer aus.

Abseits aller Zahlen spüren die Be-

Lydia Kreidler (links im Bild) und Anita Zeiner (Mitte) hatten schon vor der umfassenden Sanierung stets in die Erhaltung der Haustechnik investiert. Energieberater und Planer Paul Maier (rechts) stand daher vor der Aufgabe, ältere, aber funktionierende Systeme in eine energetisch sinnvolle Gesamtlösung zu integrieren.

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40 BAUEN UND SANIEREN

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wohnerinnen ganz direkt, wie sich die Sanierung auswirkt. „Auf dem Dachboden war es in diesem Sommer längst nicht mehr so heiß, und jetzt im Herbst kühlt das Haus nicht mehr aus“, stellt Anita Zeiner zufrieden fest. Dafür musste allerdings auch eine Rei-he von Wärmebrücken an der Fassade entfernt werden. Ein neues Vordach über der Haustür sowie ein neues Balkongeländer waren fällig, auch die alten Kunststein-Fenstersimse wur-den herausgebrochen. „Die Neben-kosten waren letztlich etwas höher als ursprünglich veranschlagt“, sagt Paul Maier – ein Umstand, der gerade bei Altbausanierungen immer wieder auftritt. Zum Beispiel auch deshalb, weil die Eigentümerinnen die schmu-cken roten Metallfensterläden, die das Bild des Hauses prägen, auf jeden Fall erhalten wollten. Durch die Fassaden-dämmung veränderten sich aber die Maße der Fensterausschnitte, auch die Position der Scharniere und Befe-stigungselemente musste den neuen Gegebenheiten angepasst werden. Lösungen von der Stange gab es dafür nicht, vielmehr war die Kreativität der beteiligten Handwerker gefragt.

Manche Zusatzkosten sind auch durch die Vorgaben für die Förderung bedingt, die man einzuhalten hat, selbst wenn diese wirtschaftlich wie ökologisch nur begrenzt sinnvoll sind. Dass zum Beispiel an den äußeren Fensterleibungen zunächst Material weggeschlagen werden musste, um

die vorgeschriebene optimale Über-dämmung unterzubringen, hält der erfahrene Planer für eine bürokra-tische Überregulierung. „Ich würde gerne mal mit einem KfW-Sachbear-beiter eine Baustelle besuchen, da-mit dort mehr Praxisbezug einkeh-ren würde“, meint Maier. Auf den Einzelfall angepasste und praktische Lösungen scheitern seiner Meinung nach allzu oft an den allgemeingül-tigen Förderrichtlinien.

Kurzfristige Senkungen nerven Mehr noch als starre Vorschriften hat allerdings die stetig sinkende Ein-speisevergütung für Solarstrom dem Planer Kopfzerbrechen bereitet. Im Monatstakt werden derzeit die Sätze für die Einspeisung ins öffentliche Netz reduziert – mit Ankündigungs-fristen von oft nur wenigen Tagen. Eine zuverlässige Kalkulation eines Sanierungsvorhabens ist so kaum mehr möglich. Nur mit einer „mords Hektik“, so Paul Maier, sei es gelun-gen, die Anlage noch am letzten Tag im März ans Netz zu bringen, um sich dadurch wenigstens den damals noch gültigen Satz von 16,3 Cent pro Kilo-wattstunde zu sichern. Zum Vergleich: Für Anlagen dieser Art und Größe, die erst im Oktober 2013 in Betrieb gin-gen, betrug die Einspeisevergütung nur noch 14,27 Cent/kWh. Welche Einspeisevergütungen von November an gelten, gab die Bundesnetzagentur erst Ende Oktober bekannt.

Paul Maier zeigt den Zwei-Richtungs-Stromzähler, der zentraler Bestandteil des energetischen Konzepts ist.

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STECKBRIEF

Baujahr: 1958Wohnfläche: 104 m²

Sanierungsdauer: März bis September 2013Kosten: rund 66.000 € zzgl. 13.000 Euro für Photovoltaikanla-ge, ca. 6.600 Euro Zuschuss nach KfW-Effizienzhaus-115-FörderungEnergetische Maßnahmen:Fassaden-Außendämmung mit 12 Zentimeter Polystyrol-WDVS, Dachdämmung (Aufsparren 16 cm Polyurethan, Zwischensparren 14 cm Mineralwolle), Dämmung Kellerdecke (10 cm Styropor), Anbringung 35 m² Photovoltai-kanlage in Südwest-Ausrichtung (5,2 kWp)Primärenergiebedarf: vor Sanie-rung 331 kWh/m²a,nach Sanierung 94 kWh/m²a

KfW-115-Effizienzhausin Rottenburg

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41REGIONALE WIRTSCHAFT INNOVATIV

November 2013 | KLIMA VOR ORT

„Von uns sollte es viel mehr geben“Manuel Rongen hat das Stein-Recycling zu einem erfolgreichen Geschäftsmodell perfektioniert. Sein Natursteinpark im Tübinger Schindhau erzielt seit Jahren zweistellige Wachstumsraten. Noch immer wundert ihn, dass seine Idee bisher keine Nachahmer gefunden hat. Dabei wäre das durchaus in seinem Sinne.

Text: Gerhard Schindler

Steinerne Vielfalt: Manuel Rongen mit einer Figur aus Stein-guss, vorne Platten aus Rhätsandstein, dahinter eine Mauer aus Schwarzjura.

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42 REGIONALE WIRTSCHAFT INNOVATIV

Steine – schon immer dagewesen, für die Ewigkeit gemacht. Und gleichzeitig ein zeitloses Baumate-

rial, das sich wieder und wieder verwen-den lässt. Aus den Mauern verlassener Ritterburgen bauten findige Bauern frü-her ihr Höfe. Auf die gleiche Weise ver-wandeln sich heute steinerne Einzelteile des Stuttgarter Hauptbahnhofs oder des Neckar-stadions in Gartenmauern, Außentreppen oder Wegbefestigungen. Der Weg in ihre neue Stein-Zeit führt über den Lagerplatz von Manuel Ron-gen.

„Man kann sich gar nicht vorstellen, was in einem Stein für Arbeit steckt“, sagt der Geschäftsführer des Tübinger Natursteinparks. Von Hand herausge-hauen und in Form gebracht – so kamen die Blöcke jahrhundertelang aus den Steinbrüchen der näheren und weiteren Umgebung. Rillen an den Seiten zeugen noch heute von Bohrern, Keilen und Meißeln. Zum Wegwerfen viel zu schade – „schon aus Ehrfurcht vor den Vorfah-ren“, sagt Manuel Rongen: „So ein Stein ist immer auch historisches Kulturgut.“

Im Natursteinpark Tübingen lagern Kulturgüter zuhauf: 40.000 Tonnen etwa, nach Gesteinsart und Bearbeitungszu-stand sortiert. Das Waldgelände auf dem Schindhau gleich hinter dem Bergfried-hof wurde früher militärisch genutzt, zuletzt von der französischen Garnison, bis sie 1991 abzog. 20 Hektar ist es groß, ein gutes Zehntel davon verwenden seit 1992 die Steinhändler. Eine Büro-Hütte unter Bäumen ohne fließend Wasser und eine Lkw-Waage sind die wich-tigsten Teile der Infrastruktur. Auf Schot-terplätzen entlang der Wege liegen die Steinvorräte, lose oder auf Paletten. Ver-laden werden sie per Bagger oder Radla-der. Im Buchenwald drumherum zwit-schern das ganze Jahr über die Vögel.

„Viele Steine gibt es inzwischen nur noch bei uns“, betont der Händ-ler. Kalktuff vom Fuß der Schwä-bischen Alb etwa wird schon seit Jahrzehnten nicht mehr abge-baut. Immer seltener gibt es auch den roten Buntsandstein aus dem Schwarzwald oder den hellen Stu-bensandstein aus dem Schönbuch.

„Halb Tübingen ist ja daraus gebaut“, sagt Rongen, „und die meisten alten Steinbrüche, von denen früher fast je-des Dorf einen hatte, haben längst zu-gemacht.“

Wer heutzutage historische Gemäu-er restaurieren will, kommt um ei-nen Besuch im Natursteinpark kaum herum. Gärtner und Landschaftsar-chitekten decken sich hier ebenfalls

mit Material für Trockenmauern oder Bodenbeläge ein. Und ein Sonntags-spaziergang durch das stets offene Waldgelände lohnt sich auch für die-jenigen, die Inspiration für die eigene Gartengestaltung suchen: Großkiesel aus einem Schwarzwaldbach, Granit-pflaster, Schwarzjura, Muschelkalk oder Angulatensandstein, kunstvoll behauene Türstürze eines ehemaligen bischöflichen Hauses aus Rottenburg, Einzelteile der Stuttgarter Bahndirek-tion oder der Dresdener Marienbrü-cke, dazwischen Tröge, Stufen und Skulpturen – die Auswahl und Vielfalt an gebrauchten Steinen ist schier un-überblickbar.

„Als ich 1999 das Geschäft von Die-ter Walcker übernahm, waren wir zu zweit“, berichtet Manuel Rongen. Schon im Jahr drauf kam der dritte

»Man kann sich gar nicht vorstellen, was in einem Stein für Arbeit steckt.«

KLIMA VOR ORT | Dezember 2013

Manuel Rongen mit Steinen vom Stuttgarter Hauptbahnhof.

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Dezember 2013 | KLIMA VOR ORT

43REGIONALE WIRTSCHAFT INNOVATIV

Mitarbeiter. „Inzwischen ernährt der Natursteinpark zwanzig Familien“, sagt der 47-Jährige nicht ohne Stolz. Darin eingeschlossen ist die Künst-lergemeinschaft, die sich am früheren Schießstand angesiedelt hat: Stein-metze und Bildhauer, Glasbläser und Schmiede. Hier wird Stein zu Kunst.

„Wir arbeiten alle hart, aber nie im Traum hätten wir daran gedacht, dass sich das so entwickelt.“ Im Rückblick kann Manuel Rongen den Erfolg sei-nes Unternehmens manchmal selbst kaum glauben. Jahr für Jahr stieg der Umsatz um 10 bis 15 Prozent. „Das hat sich so wahnsinnig entwickelt, dass wir selbst ganz überrascht sind.“ Die Zeiten, in denen er Abrissunter-nehmen und Baufirmen abklappern musste, um lohnenswerte Steine zu er-gattern, sind längst vorbei. Inzwischen

melden sich die Firmen von sich aus. Denn das Geschäft lohnt sich für bei-de Seiten: Beim Natursteinpark gibt es Geld für Material, dessen Entsorgung ansonsten kostet.

„Wir haben hier einen Markt geschaf-fen“, betont Manuel Rongen, wie inno-vativ seine Geschäftsidee nach wie vor ist. „Es lohnt sich für Bauunternehmer, zu uns zu fahren statt zur Deponie.“ Zwei Standbeine hat der Recycling-Be-trieb: Steine, die schon einmal verbaut waren, und frisches Natursteinmateri-al aus dem Tiefbau. Gut 20.000 Tonnen pro Jahr werden jedes Jahr verwertet. Höchstens die Hälfte davon gelangt in den Natursteinpark, der Rest findet di-rekt ab Baustelle seine Abnehmer.

„Das Kaufmännische muss stim-men“, betont der Geschäftsführer – viel wichtiger sind ihm jedoch ganz andere

Anliegen: Umweltschutz und soziale Verantwortung. „Ein Unternehmen ist für die Menschen da, nicht zum Kohle-verdienen“, lautet das Credo von Ma-nuel Rongen. Er stellt deshalb immer wieder ganz bewusst Menschen ein, die sich auf dem Arbeitsmarkt etwas schwerer tun als andere.

„Wir messen unseren Erfolg nicht nur an betriebswirtschaftlichen Kenn-zahlen, sondern auch an unserem Beitrag zu ökologischer und sozialer Nachhaltigkeit.“ Umso verwunder-licher erscheint da, dass die einzige Auszeichnung, die der Natursteinpark in den 21 Jahren seines Bestehens bisher erhalten hat, eine betriebswirt-schaftliche war: Den Förderpreis des

Landes Baden-Württemberg über-reichte der damalige Ministerpräsi-dent Erwin Teufel im Jahr 2004 für „herausragende unternehmerische Leistungen“.

Die Würdigung seiner Leistungen für den Umweltschutz muss Manuel Ron-gen bisher selbst vornehmen. Damit er seine Argumente auch mit Zahlen belegen kann, soll eine Forschungsar-beit demnächst eine Ökobilanz für den gesamten Betrieb erstellen. Bis dahin bleibt ihm nur wie bisher die Über-zeugung mit Worten – doch auch die wiegen schwer. „Wir machen das, was bei allen Parteien im Programm steht“, betont der Steinhändler: Ressourcen schützen, Abfall vermeiden, Deponien entlasten – der Natursteinpark leistet aktiven Klimaschutz.

„Das, was wir hier machen, müsste es alle hundert Kilometer geben“, un-terstreicht Rongen. Immer wieder er-

»Nie im Traum hätten wir daran gedacht, dass sich das so entwickelt.«

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Unten:Der Natursteinpark imTübinger Schindhau.

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REGIONALE WIRTSCHAFT INNOVATIV

staunt ihn, dass bisher niemand sein Geschäftsmodell aufgegriffen hat – da-bei wäre das wünschenswert: „Von uns sollte es noch viel mehr geben.“

„Jeder Stein, der von uns weiterver-kauft wird, wirkt doppelt“, sagt Rongen mit Nachdruck: „Er kommt nicht aus dem Steinbruch, und er kommt nicht auf die Deponie.“ Also zweimal die Umwelt geschützt. Je knapper der freie Deponieplatz, desto wichtiger, unnöti-ge Einlagerungen zu vermeiden. Umso trauriger findet es Rongen, wenn Wald zerstört wird, um eine Deponie zu er-

weitern – wie etwa in Reutlingen, wo am Sauren Spitz demnächst 8,6 Hektar Bäume fallen.

„Die politische Überzeugungsarbeit dauert Jahre und Jahrzehnte“, hat der Steinrecycler festgestellt. Frustriert wirkt er dabei nicht, nur manchmal ein wenig verwundert – über die Igno-ranz in manchen Amtsstuben zum Beispiel. Als dem Ausbau der Auto-bahn 8 zwischen Karlsbad und Pforz-heim große Mengen an „wunderschö-nem roten Buntsandstein“ im Weg standen, konnte Rongen auch in vielen

Gesprächen die Bauherren nicht dazu bewegen, das Gestein zur Verwertung freizugeben. „Das Regierungspräsidi-um Karlsruhe kümmert bloß der Hu-mus, der fünf Euro pro Tonne wert ist. Für den Sandstein, von dem die Tonne 50 Euro wert ist, haben die keinerlei Vorgaben.“ Für den Umweltschützer klingt das unfassbar: „Wir haben ein Dosenpfand, aber keine Regelung für Steine.“ Von den 100.000 Tonnen hat Rongen schließlich 2.000 erhalten – der Rest wurde zerkleinert und auf die Deponie gefahren.

Standortsuche

Eigentlich hatte sich Manuel Rongen die politische Überzeugungsarbeit für die nächsten Jahre zur Aufgabe machen wollen – Amtsträger davon zu überzeugen, dass die Steinver-wertung nicht nur sinnvoll, sondern ökologisch notwendig ist.Doch die Tagesordnung hat sich ziemlich plötzlich geändert: Als sich Tübinger Anwohner über den Verkehr zum Natursteinpark beschwerten (eine Zählung ergab pro Tag sechs Stein-Lkw und sechzig Stadtbusse), kam ans Licht, dass für das frühere Militärgelände kein Bebauungsplan existiert, sondern es als Wald aus-gewiesen ist. Und mitten in einem Waldgebiet ist ein Gewerbebetrieb einfach nicht zulässig. Obwohl das Unternehmen angemeldet ist und regelmäßig nicht nur Gewerbesteu-er, sondern auch seine Pacht bezahlt, darf es nicht bleiben. Vier bis sechs Jahre hat Manuel Rongen jetzt Zeit, um einen neuen Standort zu suchen.

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REGIONALE WIRTSCHAFT INNOVATIV

Die Uni als gutes BeispielWissenschaftler der Tübinger Hochschule finden derzeit heraus, wie man die 380 Uni-Gebäude überall im Stadtgebiet am besten mit erneuerbaren Energien versorgen könnte.Text: Veronika Renkenberger

Sonne, Wind und Erdwärme: Die-se drei Energiequellen würde ein Team der Uni Tübingen gern

anzapfen, um die Gebäude der Eber-hard Karls Universität und der Uni-klinik zu versorgen. Ein guter Ansatz, fand man in Stuttgart beim Wissen-schaftsministerium und stattete das Projekt mit einer knappen halben Mil-lion Euro aus. Sie stammen aus dem Topf des Innovations- und Qualitäts-fonds (IQF) und gehen während der Projektlaufzeit bis 2016 zu gleichen

Teilen an die drei Projektpartner von den Lehrstühlen für Geoinformatik und Umweltphysik sowie vom Tech-nischen Betriebsamt (tba).

Die ersten Schritte sind getan. Seit 2010 schon sammelt Sandy-Cheril Manton die Informationen und Daten für dieses Projekt. Die Geographie-Doktorandin mit abgeschlossener Weiterbildung zur „Projektkoordi-natorin Erneuerbare Energien“ ist von Anfang an die Koordinatorin des Projekts gewesen. Mit ihren Ansätzen

kam sie zur rechten Zeit: „Mit diesen Fragen wollten wir uns auch beschäf-tigen“, sagt Jürgen Bunzel, Leiter des tba. Er stellte Sandy-Cheril Manton ein, später wechselte sie ins Geogra-phische Institut.

Die erste Etappe war 2012 geschafft: Die Projektgruppe um Manton prä-sentierte die „Potenzialanalyse für erneuerbare Energien an Standorten der Universität und des Universitäts-klinikums“. Diese Analyse ist nun Grundlage der neuen Studie, für die es

Sie kennen die Dachlandschaft der Uni mittlerweile genau: Geoinformatiker Prof. Volker Hochschild, Umwelt-physiker Prof. Jens Bange und Jürgen Bunzel, Leiter des tba (von links). Gemeinsam mit ihren Mitarbeitern untersuchen sie alle 380 Uni-Gebäude.

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auch die IQF-Fördergelder gab. Genau 474.000 Euro sind es, mit denen drei neue Stellen finanziert werden, au-ßerdem Technik, die für die vertiefte Studie gebraucht wird – Sensoren für Windmessungen beispielsweise oder auch neue, hoch spezialisierte Soft-ware für die Energieauswertung und das Solarkataster.

Dass die 380 Gebäude der Uni und Uniklinik in Tübingen über die ganze Stadt verteilt sind, macht die Studie spannend. Im Prinzip müssen die For-scher genau wie private Hausbesitzer jedes Gebäude einzeln betrachten. Winde wehen längst nicht überall, die geologischen Voraussetzungen für Erdwärme sind nicht gleichmäßig ver-teilt. Auch Dachstruktur, Umfeld und Nutzung der Gebäude können von Bedeutung sein für optimale Energie-Lösungen.

Die Neubauten der Uniklinik sowie die naturwissenschaftlichen Institute auf der Morgenstelle bieten insgesamt mehr Möglichkeiten für den Einsatz erneuerbarer Energien. Dort oben am Hang, oberhalb von Wäldern und Klingen, bewegt sich die Luft stär-ker als unten im Tal. Fürs Tal wurde Windenergie gleich ausgeklammert, oben hingegen wird an Gebäudekan-ten das Windenergiepotenzial gemes-sen. Dass Schwachwindanlagen heute möglicherweise noch nicht rentabel sind, hält die Forscher nicht ab: „Wir leisten Grundlagenarbeit, die zum Zuge kommen kann, sobald effizi-

entere Schwachwindanlagen auf dem Markt sind“, sagt Prof. Jens Bange, Inhaber des Lehrstuhls für Umwelt-physik. „Wir identifizieren und be-werten potenzielle Standorte, und wir motivieren damit Hersteller, entspre-chende Anlagen zu entwickeln.“ Auch für Erdwärmebohrungen ist die Schichtstufenlandschaft an den Hän-gen des Neckartals ergiebiger als die Talsohle. Unten haben Neckar und Ammer einst einen Großteil jener Schichten abgetragen, die eine geo-thermische Nutzung ermöglicht hät-ten. Würde man in den Auen bohren, träfe man viel zu rasch auf Grundwas-ser. „Hier haben die Geoinformatiker bereits gute Untergrundsimulationen gemacht, mit Angaben zu maximalen Bohrtiefen“, sagt Prof. Volker Hoch-schild, Lehrstuhlinhaber für Physische Geographie und Geoinformatik.

Für die Untersuchungen werden modernste Wissenschaft und Technik zusammengebracht. Dabei entste-hen am Computer mithilfe Geogra-phischer Informationssysteme detail-lierte Simulationen. Sie sind weitaus genauer als alle bislang vorliegenden Daten. Die Darstellung der Solar-Potenziale zeigt das deutlich: Dächer werden zentimetergenau abgebildet, selbst Schatten von Bäumen werden einbezogen. Die Software dokumen-tiert exakt, welche Teilflächen eines Dachs optimal geeignet sind. Ein großer Teil der Arbeit für das sechsköpfige Projektteam besteht

darin, fundiertes Futter für die vielen Simulationen zu beschaffen. Später wird es auch darum gehen, Modelle zu entwickeln, die standardisiert und wissenschaftlich wasserdicht sind. Solche Modelle könnten künftig auch andernorts eingesetzt werden, bei-spielsweise von Stadtverwaltungen, die sich für die Potenziale innerhalb ihrer Kommune und an den kommu-nalen Gebäuden interessieren.

Ob und wann ihre Ergebnisse um-gesetzt werden, kann Sandy-Cheril Manton nicht sagen: „Das liegt nicht in unserer Entscheidung. Wir geben am Ende des Projekts aussagekräftige Standortbewertungen weiter.“ Dabei wäre manches technisch relativ ein-fach machbar. Solaranlagen auf dem Dach der Unibibliothek beispielswei-se. Oder auch auf dem Brechtbau, dem Sportinstitut oder dem Dach des Parkhauses an der Medizinischen Kli-nik. An all diesen Orten sind gute Po-tenziale zu erkennen.

Gründe, die Studie umzusetzen, gäbe es viele, nicht zuletzt finanzielle: Laut Uni-Kanzler Andreas Rothfuß sind die Energiekosten der Uni allein in den vergangenen 15 Jahren um 125 Pro-zent gestiegen. Weil Energie teurer wird, aber auch, weil immer neue Energiefresser hinzukommen – hoch moderne Magnetresonanztomo-grafen oder auch große Server-Pools und Labore, die aufwändige Klima-technik brauchen.

Dass der Campus und die dezen-tralen Gebäude bald energetisch

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Genauer als auf jeder früheren Simulation kann Sandy-Cheril Mantonmit dem Geoinformationssystem (GIS) die Potenziale darstellen.

»Wir identifizieren und bewerten potenzielle Standorte und motivieren damit die Hersteller, entsprechende Anlagen zu entwickeln.«

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modernisiert werden, ist dennoch unwahrscheinlich. Es gibt zwar an der 1477 gegründeten Uni etliche alte und sanierungsbedürftige Immobi-lien. Wegen der Finanznot an den Unis im Land herrscht ein veritabler Sanierungsrückstau. Als man ihn in Tübingen 2004 zuletzt konkret durch-gerechnet hat, lag er bereits bei etwa 400 Millionen Euro. Doch der Rück-stau dürfte sich nicht so bald auflö-sen. Nach wie vor kann die klamme Uni nur wenige Modernisierungen auf den Weg bringen, pro Jahr etwa zwei oder drei der 380 Gebäude. Das Interesse der Uni-Leitung sei grund-sätzlich aber vorhanden, berichtet die Uni-Pressestelle: „Die Universität sieht durchaus die Möglichkeit, jeder-zeit Vorschläge zur Nutzung erneuer-barer Energien aufzugreifen und auch Ergebnisse der Untersuchungen aus diesem Projekt einzubeziehen.“

Dachlandschaft der Uniklinik mit Helikopter-Landeplatz.

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Text: Veronika Renkenberger

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»Regional betrachtet werden wir an manchen Orten mit einer deutlich höheren Wärme- und Hitzebelastung rechnen müssen«

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51EXPERTENRAT

Hausbesitzer können etwas tunKlug bauen: wie man sich gegen Starkregen, Hagel und Hochwasser schützt

Wenn tennisballgroße Hagel-körner das Dach zerschla-gen, kann man nur hilflos

zusehen. Dasselbe gilt für die brau-ne Brühe, die bei Starkregen oder Hochwasser plötzlich ins Haus he-reinschwappt – da ist man ziemlich machtlos. Aber spätestens hinterher, beim großen Aufräumen, hat die Hilf-losigkeit ein Ende: Es gibt Lösungen, wie man die eigene Immobilie zumin-dest ein bisschen wetterfester machen kann. „Seit ich Dachdecker bin, habe ich sowas noch nicht erlebt.“ Für Gebhart Höritzer, den Tübinger Kreishand-werksmeister, war der 28. Juli ein tie-fer Einschnitt. Jener Tag, an dem ein

gewaltiges Hagel-Unwetter über die Landkreise Tübingen und Reutlingen zog. Es gilt von der Versicherungssum-me her als schlimmster Hagel in der Geschichte Deutschlands, sagt Hörit-zer. „Inzwischen geht man von Schä-den in Höhe von 1,3 Milliarden Euro aus“, berichtet er. Mehr als 30.000 Häuser seien betroffen. Die Autos mit-gerechnet, gehe man von etwa 100.000 Einzelschäden aus. Bis die Schäden an den Gebäuden alle repariert sind, werden noch etwa eineinhalb Jahre vergehen, schätzt Höritzer. Ungezählte Dächer sind ka-putt, es hat Ziegel zerschlagen und oft genug auch die Unterkonstruktionen und Isolierschichten beschädigt. Au-

ßerdem wurden Rollläden durchsiebt, Scheiben sind gesprungen und Wär-medämmfassaden angeschlagen, der Putz hat Dellen oder ist ab. Lichtkup-peln und ältere Dachfenster hatten besonders geringe Chancen, dieses Unwetter heil zu überstehen. Auch As-bestzementplatten und andere Faser-zementplatten sind vielerorts zersplit-tert, zählt Höritzer auf. Nur wenige Wochen zuvor waren es Wassermassen, die in der Region für Stress sorgten. Weil bei Starkregen im-mer mehr Wasser in immer kürzerer Zeit fällt, ist die Kanalisation über-fordert, Keller laufen voll. Früher war Hochwasser vor allem ein Problem für diejenigen, die dicht bei Flüssen und

Text: Veronika Renkenberger

Zu gering bemessene bzw.verstopfte Hofentwässerung

Ebenerdige/abgesenkteLichtschächte und Kellerfenster

Ebenerdige/abgesenkteZugänge und Fenster

Zu gering bemesseneDachentwässerung

Undichte Fugen undDurchleitungen

FehlendeRückstauklappen

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EXPERTENRAT 53

Dezember 2013 | KLIMA VOR ORT

Versicherungen können helfenBei manchen Sanierungen nach dem großen Hagel greift die Energieeinsparverordnung. Wer trägt die Mehrkosten?

Das Gesetz macht keine Ausnah-men: Auch bei Notreparaturen gilt die EnEV, also die Energie-

einsparverordnung. Je nachdem, wie ein Hagelschaden dimensioniert ist, müssen Hauseigentümer bei ihren Re-paraturen zugleich auch die Kriterien einer energetischen Sanierung erfüllen. Das verursacht Mehrkosten. Wer be-zahlt die?

Das lässt sich so generell nicht klä-ren, sondern hängt vom individuellen Vertrag mit der Versicherung ab, sagt Gebhart Höritzer, Tübinger Kreishand-werksmeister, dessen Tagesablauf seit Ende Juli von den Hagelfolgen be-stimmt wird. Er beschwichtigt: „Ich habe noch von keinem Fall gehört, bei dem jemand durch die EnEV zu einer umfassenden Sanierung gezwungen wurde, die er sich gar nicht leisten konnte.“

Dramatische Fälle wären ganz theo-retisch denkbar – wenn man sich bei-spielsweise einen 76-jährigen Rentner vorstellt, der sein Eigenheim eigent-lich in dieser Lebensphase nicht mehr sanieren wollte und dafür auch keine Rücklagen hat. Mit einem Bankkredit sähe es in seinem Alter schwierig aus.

Gebhart Höritzer warnt aber vor Pa-nikmache: „Leider sind in solchen Zeiten auch unseriöse Handwerker unterwegs, die ihre Kunden falsch in-formieren.“ Er rät dazu, im Zweifelsfall weitere Meinungen und Informationen einzuholen.

Wenn Mehrkosten entstehen, sprin-gen zumindest teilweise die Versicherer in die Bresche. „Falls die Energieein-sparverordnung (EnEV) zum Tragen kommt, dann ist sie bei der Reparatur selbstverständlich zu beachten – und die Kosten übernimmt die Versiche-rung“, kommt als Zusage von Dr. Mi-chael Kuhn von der Sparkassenversi-cherung (SV). Dort hat ein Großteil der Betroffenen ihren Vertrag.

Kuhn schränkt aber auch ein: In nur sehr wenigen Fällen wird die EnEV tat-sächlich greifen. Nämlich nur dann,

wenn der Schaden größer ist, mehr als 10 Prozent des Daches ersetzt werden müssen. Und auch nur dann, wenn die gestellten Anforderungen technisch umsetzbar und wirtschaftlich vertret-bar sind.

Was das bedeutet, erklärt die SV so: Anforderungen gelten als wirtschaftlich vertretbar, wenn generell die erforder-lichen Aufwendungen innerhalb der üblichen Nutzungsdauer durch die ein-tretenden Einsparungen erwirtschaftet werden können. Das heißt, die Mehr-kosten einer Sanierung nach EnEV müssten durch die erreichten Einspa-rungen mindestens erreicht werden. Es muss also für jedes Haus neu die Rechnung aufgemacht werden, ob eine Sanierung nach EnEV überhaupt wirt-

schaftlich vertretbar ist. „In sehr vielen Fällen wird man dies verneinen, da der Hagel nicht nur Neubauten getroffen hat“, heißt es von der SV.

Die WGV-Versicherung verweist ebenfalls auf den Einzelfall. Helmut Leib, Abteilungsleiter für die Schadens-bearbeitung, sagt: „Bei allen größeren Schäden haben wir unsere Sachver-ständigen vor Ort. In der Regel finden wir eine Lösung, wir reden ja auch mit den Leuten.“ Bei der Allianz in Mün-chen gilt laut Susanne Seemann: „Die Mehrkosten von notwendigen Nachrü-stungen werden von der Allianz als Ge-bäudeversicherer ersetzt." Aber eben auch nur, wenn die EnEV wirklich greift, und dann auch nur für die tatsächlich beschädigten Flächen. Auch sie betont: Bei einem Hagelschaden auf 20 Prozent der Fläche müsse man gemäß EnEV nicht etwa das gesamte Dach nach-rüsten, sondern eben nur die beschä-digten 20 Prozent Dachfläche.

Dasselbe Bild bei der SV: Wer sein ver-hageltes Dach über den beschädigten Bereich hinaus größerflächig saniert, weil das sinnvoller ist, muss die Kosten im Wesentlichen selber tragen. Die Ko-sten zu splitten sei durchaus üblich, berichtet Gebhart Höritzer aus der Praxis: „Dann geben wir zwei Angebote ab. Eines für das, was die Versicherung übernimmt, und ein zweites für die Ge-samtmaßnahme, und am Schluss wird das dann verrechnet.“

»Bei allen größeren Schäden haben wir unsere Sachverstän-digen vor Ort. In der Regel finden wir eine Lösung, wir reden ja auch mit den Leuten.«

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Brunnenbauermeister: Das ist der Beruf, den Andreas Goller gelernt hat. Brunnen bohrt er

nach wie vor, ein weiteres Geschäfts-feld seines Unternehmens in Kirchen-tellinsfurt sind Erdwärmebohrungen. Mit diesem Job hat man derzeit kein besonders gutes Image. Denn einzelne Pannen haben eine ganze Branche und eine zukunftsweisende Technologie in Verruf gebracht. Andreas Goller ist von seiner Arbeit dennoch überzeugt und sagt: Wenn alles fach- und vorschrifts-gerecht gemacht wird, ist Geothermie eine sichere Sache.

Ob drei Meter oder 350: Die Firma Goller Bohrtechnik in Kirchentellins-furt bei Tübingen hat ein breites Port-

folio. Brunnen- und Pfahlbohrungen zählen ebenso dazu wie Sanierungs-bohrungen in kontaminiertem Unter-grund oder Aufschlussbohrungen, die meist als Grundlage für geologische Baugrund-Gutachten in Auftrag ge-geben werden. Hinzu kommt der Ge-schäftsbereich Erdwärme, bei dem die Nachfrage in den vergangenen Jahren allerdings stark schwankte.

Andreas Goller beschäftigt 19 Mitar-beiter und betreibt einen großen Ma-schinenpark: Sieben Bohrgeräte gehö-ren dazu, fünf universell einsetzbare und zwei speziell für Erdwärme, denn da braucht man ein höheres Drehmo-ment. Eine Viertelmillion kostete das günstigste Bohrgerät, nach oben hin

ist die Skala offen. „Es gäbe auch wel-che für eine halbe Million“, sagt der 42-jährige Geschäftsführer und Firmen-inhaber in zweiter Generation.

Wenn ein Zug aus seinem Unterneh-men zu einer Erdwärmebohrung fährt, irgendwo in Baden-Württemberg, der Pfalz oder auch Bayern, dann sind Ge-rätschaften im Wert von über 600.000 Euro unterwegs: neben dem eigent-lichen Bohrer auch ein großer Lkw mit Ladekran, ein Kompressor und noch ein Lkw, um den Kompressor zu zie-hen, dazu ein Tieflader und ein Trans-portfahrzeug.

Brunnen zu bohren oder Erdwärme-sonden im Untergrund zu versenken, ist ein spannender Job, beschreibt

NEUE BERUFE

Ein Beruf mit TiefgangBrunnenbauer: Wer die Löcher für Geothermie-Anlagen bohrt, muss genau wissen, was er tut.

Text: Veronika Renkenberger

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Dokumentation: Andreas Goller muss Bohrkerne eine Zeit lang aufbewahren.

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55NEUE BERUFE

Andreas Goller. Zwar sei es harte, kör-perlich anstrengende Arbeit und des-wegen normalerweise auch Männer-sache. Viel Zeit gehe auch fürs Fahren drauf, weshalb seine Bohrtrupps in der Woche häufig 50 Stunden und mehr unterwegs seien. „Aber man kommt rum, man sieht extrem viel, und jedes Projekt ist eine neue Herausforderung. Es wird nie langweilig.“

Zudem muss man höllisch aufpas-sen: Das Bohrgerät ist empfindlich, jede falsche Bedienung kann teuer werden. Erfahrung und Fachkenntnis-se sind sehr wichtig, denn man kann schwerwiegende Fehler machen – da-von künden beispielsweise jene miss-lungenen Geothermie-Bohrungen, die öffentlich diskutiert werden. Proben helfen, Fehler zu vermeidenSchlimmster Fehler aus Gollers Sicht: die Trennschicht zwischen zwei grundwasserführenden Schichten zu durchlöchern und diesen Durchbruch anschließend nicht fachgerecht abzu-dichten. Das kann bei Erdwärme-Boh-rungen genauso wie im Brunnenbau schlimme Folgen haben. Einem Profi sollte so etwas einfach nicht passie-ren, sagt Andreas Goller: „Während der Bohrung werden Proben entnom-men. Man weiß also immer genau, in welcher Erdschicht man sich gerade befindet.“ Ebenso klar sei dem Bohr-geräteführer, in welcher Tiefe er be-sonders aufpassen müsse. „Dann kann man mit doppelter Sorgfalt arbeiten, damit nichts passiert.“

Spezialist für Geothermie-Bohrungen wird man nicht über Nacht. Wer sich heute dafür interessiert, hat einen wei-ten Weg vor sich – zumal die 2011 in Kraft getretenen baden-württember-gischen Richtlinien die Latte sehr hoch legen. Nur möglichst gut ausgebildete und erfahrene Menschen sollen ei-nen solchen Bohrer überhaupt füh-

ren dürfen. „Ich empfehle zuallererst ein Praktikum“, sagt Andreas Goller. Schließlich ist das kein Job wie jeder an-dere, da sind erste Erfahrungen mit der Praxis sehr hilfreich.

Dann bewirbt man sich um einen Ausbildungsplatz als Brunnenbauer. Meisterbetriebe, die auch ausbilden, sind allerdings nicht sehr dicht gesät. Neben seinem eigenen in Kirchen-tellinsfurt liegt der nächste, von dem Andreas Goller weiß, im Nordschwarz-wald. Dreieinhalb Jahre dauert die Aus-bildung im Regelfall. Das erste Jahr hat mit eher allgemeinen Themen rund um den Bau zu tun – angefangen bei der Baustellen-Absicherung. Es folgen zweieinhalb sehr fachspezifische Jahre. In dieser Phase hantiert der ange-hende Brunnenbauer mit den unter-schiedlichsten Bohrgeräten. Für den Theorie-Unterricht muss der Nach-wuchs reisen: Azubis aus dem ganzen Bundesgebiet treffen sich zu Block-Unterricht in Rostrup bei Oldenburg. Während der Ausbildungswochen im dortigen Bildungszentrum der Bau-wirtschaft wohnt man im Internat. Am Ausbildungsende ist es im Hau-se Goller wie anderswo auch: Wenn die Noten und Leistungen stimmen und der junge Brunnenbauer gut zum Team passt, wird er übernommen.

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Wer einen eigenen Betrieb anstrebt, ist dann noch lange nicht am Ziel. Man muss den Geräteführer machen und außerdem Meister werden. Zudem brauche man eine Menge Geld, deutet Andreas Goller an: Weit über eine halbe Million Euro sind nötig, um sich eine Erstausstattung an Bohrgerätschaften und Ausrüstung zu beschaffen. Man sei darauf angewiesen, von Anfang an Auftraggeber zu haben, die regelmäßig Projekte bringen, „sonst ist es nicht zu schaffen“.

Ist der Job denn überhaupt zu emp-fehlen? Durchaus, sagt Andreas Goller. In der Branche gilt ein Mindestlohn, der Winter wird durchgearbeitet, zu-mindest solange die Maschinen lau-fen – und das tun sie bis etwa minus 15 Grad. „Wegen Kälte pausieren wir höchstens zehn Tage pro Jahr.“ Aktu-ell gebe es zwar keinen großen Bedarf, weil eine Vielzahl erfahrener Brunnen-bauer im Einsatz sei. „Aber viele davon sind um die 50 Jahre alt oder drüber. Bis in zehn Jahren wird da Nachwuchs gebraucht!“ Wer heute anfängt, der kommt dann vielleicht genau rich-tig – für eine Aufgabe, von der Andre-as Goller absolut überzeugt ist: „Der Mensch braucht eine Alternative zu den fossilen Rohstoffen. Das ist die Ge-othermie.“

Baustelle im Garten – nachher wächst wieder Gras drüber.

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NEUE BERUFE56region

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Die Generalisten Bisher studieren sie „Bio-Energie“, ab nächstem Jahr heißt es dann „Erneuerbare Energien“. Der wachsende Studiengang ist an der Hochschule für Forstwirtschaft in Rottenburg bereits der zweit-größte. Julian Klett hat hier seinen Bachelor of Science erworben.

Holzpellets, Windparks, Solar-strom – über den Schreibtisch von Julian Klett wandern un-

terschiedlichste Projekte. Alle haben mit erneuerbaren Energien zu tun. Für die Stadtwerke Tübingen (swt) hat der 25-Jährige den Einstieg in den Handel mit Holzpellets organisiert. Er akqui-riert Solaranlagen fürs Stadtwerke-Portfolio, sichert dem Unternehmen künftige Windkraft-Standorte, prüft das Risiko einer eigenen Biogas-Pro-duktion und hat gerade erst ein großes

Erfolgserlebnis hinter sich: Seit Novem-ber drehen sich im unterfränkischen Neunkirchen die ersten beiden großen Windräder im Besitz der swt.

Julian Klett ist einer von fünf Mitarbei-tern des Fachbereichs „Energieeffizienz und Erneuerbare Energien“. Seit 2010 sucht diese neue Abteilung gezielt nach Möglichkeiten, wie sich die Stadtwerke Tübingen an Projekten beteiligen kön-nen, bei denen regenerative Energien im Mittelpunkt stehen. Diese Ausrich-tung ist strategisch beabsichtigt: Bis

2020 wollen die swt mindestens die Hälfte des Tübinger Stroms, den sie verkaufen, auf umweltschonende Wei-se selbst erzeugen.

Um diesem Ziel näher zu kommen, investiert das Unternehmen bis 2016 stolze 50 Millionen Euro. Allein 10 Mil-lionen flossen in die beiden swt-Wind-räder in Neunkirchen – ein Projekt, das Julian Klett von der Entwicklung über Genehmigung und Kaufprozess bis zum Bau begleitet hat. Mittlerweile ist er zum Projektleiter aufgestiegen.

Text: Gerhard Schindler

Als Projektleiter bei den Stadtwerken Tübingen hat Julian Klett sowohl Holzpellets als auch Windkraft in der Hand.

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Dezember 2013 | KLIMA VOR ORT

NEUE BERUFE 57

regional

Auf der Visitenkarte von Julian Klett steht seit seinem Studienabschluss vor anderthalb Jahren die Bezeichnung „B. Sc. Bio-Energie“. Den „Bachelor of Science“ hat er in Rottenburg an der Hochschule für Forstwirtschaft erworben, wohin es den gebürtigen Weilheimer, der heute in Gomaringen lebt, nach seinem Abitur am Tübinger Carlo-Schmid-Gymnasium zog: „Das Thema Erneuerbare Energien hat mich interessiert, und ich bin motiviert, zum Klimaschutz beizutragen.“

Ein Tag der offenen Tür auf dem Scha-denweiler Hof, dem idyllisch gelegenen Campus der Forsthochschule, hat seine Entscheidung für das Studium in räum-licher Nähe zum Elternhaus beflügelt, erinnert sich Julian Klett. Das Labor mit Pelletpresse sei ihm damals gleich aufgefallen. „Ich hatte das Gefühl, ein hoher Praxisbezug und die Zusam-menarbeit mit Unternehmen stehen hier im Vordergrund.“ Außerdem biete die „einzigartige Atmosphäre“ auf dem ehemaligen Adelssitz mit historischen Gemäuern aus dem 17. Jahrhundert ein „familiäres Klima mit Wohlfühleffekt“.

Die Hochschule für Forstwirtschaft ist längst viel breiter aufgestellt, als ihr Name verrät. Unter den sechs Bachelor-Studiengängen ist die Bio-Energie, die hier 2007 bundesweit erstmals angebo-ten wurde, inzwischen der zweitgrößte. Anfangs richtete sich der Fokus – noch ganz forstnah – auf Themen rund um die Energieerzeugung aus Biomasse. Mittlerweile stehen alle regenerativen Formen der Energiegewinnung auf dem Stundenplan. Deswegen wird der Studiengang auch im kommenden Jahr in „Erneuerbare Energien“ umbenannt.

„Wir wollen hier keine Spezialisten ausbilden, sondern Generalisten“, betont Martin Brunotte. Als Studien-gangsleiter hat der Physiker neben allem Technischen und Fachlichen des-halb auch immer noch einen weiteren Aspekt im Blick: Kommunikation ist auch hier eine Schlüsselqualifikation. „Gefragt sind Menschen, die vermitteln können“, erklärt der Professor, „weil sie die Sprache der Fachingenieure genau-so sprechen wie die der Bürgermeister.“

In der Praxis spiele es eine große Rolle, die Fachsprache übersetzen zu können – und die Absichten von Anla-genbetreibern so wiederzugeben, dass Missverständnisse von vornherein ver-mieden werden. „Daran scheitern Pro-jekte sonst oft“, hat Martin Brunotte erlebt.

Den Studieninhalten entsprechend breit gefächert ist das Feld der späteren Arbeitgeber. Absolventen aus Rotten-burg landen außer bei Stadtwerken auch bei Herstellern von Energie- und Anlagentechnik, bei Planungs- und Ingenieurbüros oder bei Energieagen-turen. „Und wer weiter wissenschaftlich arbeiten möchte, kann unseren Ma-sterstudiengang SENCE anschließen“, erklärt Brunotte. Die Abkürzung steht für „Sustainable Energy Competence“, also für nachhaltige Energiewirtschaft und -technik. Wie bei allen Rottenbur-ger Fächern bestehe auch hier eine gewisse „Schnittmenge mit der Forst-wirtschaft“, sagt der Professor. „Wir Forstwirte sind schließlich die Erfinder der Nachhaltigkeit.“

Ein Großprojekt: Julian Klett vor einem der beiden swt-Windräder in Neunkirchen.

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INFO i

Der Bachelor-Studiengang „Bio-Energie“ an der Hochschule für Forstwirtschaft in Rottenburg am Neckar beginnt immer im Winter-semester. Er dauert insgesamt sieben Semester, ein Praxisse-mester eingeschlossen. Ziel des Studiengangs ist eine Ausbildung für Fach- und Führungskräfte, als Abschluss erwirbt man den „Bache-lor of Science“ (B. Sc.).Vergangenes Jahr wurde die Zahl der Studienplätze auf 70 verdop-pelt. Im kommenden Jahr wird der Studiengang inhaltlich noch breiter ausgerichtet. Er nennt sich dann „Erneuerbare Energien“ und wird zwei Vertiefungsrichtungen haben: Rohstoffmanagement und Energie-systemtechnik.Bei der Vertiefung „Rohstoffma-nagement“ stehen Biomasse und ihre Nutzung im Vordergrund. Die Richtung „Energiesystemtechnik“ befasst sich vor allem mit Solar-energie, Wind- und Wasserkraft. Die Einschreibefrist für das nächste Win-tersemester läuft bis 15. Juli 2014.

Mehr unter: www.hs-rottenburg.de

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KLIMA VOR ORT | Dezember 2013

INNOVATION58region

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Nachhaltigkeit mit SystemDer Landkreis Freudenstadt auf dem Weg zum European Energy AwardText: Ira Oberweis

Das Energie-Team des Landratsamts Freudenstadt (von links): Jochen Schäfenacker (Berater), Ulrich Bischoff, Martin Steudinger, Eugen Heizmann, Peter Kuptz, Ira Oberweis, Klaus-Ulrich Röber.

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Energie sparen, Energie effizienter einsetzen, den Einsatz erneuer-barer Energien fördern: Das ist

Programm beim Landkreis Freuden-stadt. Mit der Teilnahme des Land-kreises am Zertifizierungsverfahren European Energy Award (EEA) sollen genau diese Ziele noch intensiver ver-folgt werden.

Der EEA ist ein Qualitätsmanagement-system und Zertifizierungsverfahren, mit dem die Energie- und Klimaschutz-aktivitäten von Kommunen und Land-kreisen gesteuert werden können, um Potenziale der nachhaltigen Energiepo-litik und des Klimaschutzes zu identifi-zieren und zu nutzen.

Dieses Instrument ermöglicht den Teilnehmern, die Qualität der Leistungen in den energierelevanten kommunalen Handlungsfeldern syste-matisch zu erfassen, zu bewerten und regelmäßig zu überprüfen. In Baden-Württemberg stellen sich gegenwärtig 68 Kommunen und 14 Landkreise die-sem umfangreichen Verfahren.

Grundlage für die Zertifizierung des European Energy Awards ist ein Maß-

nahmenkatalog mit 62 Einzelmaß-nahmen, aufgrund dessen die Arbeiten der Kommunen in energierelevanten Bereichen bewertet werden. Den Motor des Projektes bildet ein verwaltungsin-ternes Energieteam mit Vertretern aus allen energierelevanten Ämtern des Landratsamts unter der Leitung des Er-sten Landesbeamten Klaus-Ulrich Rö-ber. Begleitet wird das Team von Jochen Schäfenacker, zertifizierter EEA-Berater der Energieagentur Zollernalb. Auf Grundlage des Maßnahmenka-talogs führte das Energieteam in den sechs Handlungsfeldern • Entwicklungsplanung/Raumord-nung, • Kommunale Gebäude & Anlagen, • Versorgung/Entsorgung, • Mobilität, • Interne Organisation,• Kommunikation/Kooperation,eine Ist-Analyse durch, in der die bereits durchgeführten klimaschutzrelevanten Maßnahmen erfasst und bewertet wur-den. Das Ergebnis dieser Analyse in Form eines Stärken-Schwächen-Profils zeigte der Landkreisverwaltung Poten-

ziale zur Steigerung der Energieeffizi-enz auf.

In einem weiteren Schritt wurde vom Energieteam das im Rahmen des Qua-litätssicherungsprozesses vorgesehene Energiepolitische Arbeitsprogramm für die Jahre 2013 bis 2017 erarbeitet und vom Kreistag verabschiedet.

Im Frühjahr 2014 ist die Zertifizierung durch einen externen Auditor der Bun-desgeschäftsstelle European Energy Award geplant. Sofern der Landkreis dann mehr als 50 Prozent der mög-lichen Punkte auf der EEA-Skala er-reicht, wird er mit dem European Ener-gy Award ausgezeichnet.

Im Zukunftsprogramm 2025 hat sich der Landkreis Freudenstadt aufgrund seiner intakten Natur- und Waldland-schaft zu seiner besonderen Verant-wortung für Natur- und Klimaschutz bekannt. Mit der Teilnahme am Euro-pean Energy Award kann die Landkreis-verwaltung ihre Anstrengungen bün-deln und weiter ausbauen. Ein weiteres wichtiges Ziel im Zukunftsprogramm 2025 ist der Ausbau der erneuerbaren Energien.

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59INNOVATION

regional

Jeweils ein Elektromobil für Freuden-stadt und Horb – Möglichkeiten aktiverBürgerbeteiligung sichergestelltDer ländliche Raum im Landkreis Freudenstadt wird (elektro)mobilText: WFG Nordschwarzwald / Martin Heer

Ende April 2013 wurde der Pro-jektantrag der Wirtschaftsför-derung Nordschwarzwald im

Wettbewerb „Elektromobilität im länd-lichen Raum“, den das Ministerium für ländlichen Raum und Verbraucher-schutz Baden-Württemberg ausge-schrieben hatte, ausgezeichnet. Mit der Prämierung verbunden ist die För-derung von elektrisch angetriebenen Bürgerautos in Freudenstadt und Horb am Neckar sowie einer weiteren Ge-meinde im Landkreis Calw. 150.000 € hat die Wirtschaftsförderung Nord-schwarzwald so aus Stuttgart in die Re-gion geholt. Hintergrund: Das Projekt „Nordschwarzwald: Region elektromo-biler Bürger“ basiert auf dem Grund-gedanken, Elektromobilität durch Er-lebnismöglichkeiten in den ländlichen Raum zu integrieren. Dazu soll das in Oberreichenbach bereits erfolgreiche Elektro-Bürgerauto als Blaupause die-nen. Dort fährt seit über einem Jahr ein Elektroauto von Montag bis Freitag von 8.00 Uhr bis 20.00 Uhr. Die Bürger be-stellen das Elektroauto telefonisch und werden zur gewünschten Uhrzeit vor der Haustür abgeholt. Die Fahrtkosten liegen bei 1€ bis 3€ pro Person und Fahrt, je nachdem, ob man ein Ziel in Ober-

reichenbach oder in einer der Nachbar-gemeinden erreichen möchte. Auf die-sem sogenannten „Oberreichenbacher Modell“ aufbauend wird im Projekt der Wirtschaftsförderung Nordschwarz-wald ein allgemeiner Elektromobilitäts-Ansatz für Kommunen im ländlichen Raum geschaffen. Dies geschieht durch Übertragung des Oberreichenbacher Modells auf Freundenstadt und Horb a.N. beziehungsweise die Erprobung und Fortentwicklung des Modells unter den jeweils spezifischen Randbedin-gungen in Freudenstadt und Horb.In wissenschaftlichen Begleitpro-jekten mit Hochschulen aus der Regi-on Nordschwarzwald wird außerdem die energieeffiziente Anwendung von Elektromobilität im Pkw-Verkehr unter Berücksichtigung von Wirtschaftlich-keitskriterien erforscht.

Die Bürgerinnen und Bürger in die Ausgestaltung der elektrischen ange-triebenen Bürgerautos so einzubinden, war und ist wichtigstes Anliegen der Projektpartner, somit auch der bei-den Städte Freudenstadt und Horb am Neckar. Deshalb konnte sich jeder in Bürgerworkshops, die in beiden Städ-ten von der Energieagentur in Horb organisiert, moderiert und durchge-

führt wurden, aktiv in den Ausgestal-tungsprozess miteinbringen. (Da beide Workshops während des Drucks dieser Ausgabe durchgeführt werden, liegen bisher leider noch keine Ergebnisse vor.)

Die Konzeptansätze der beiden Städ-te im Landkreis unterscheiden sich jedoch grundlegend: Während man in Freudenstadt das bisher spärlich an den ÖPNV angebundene Christophs-tal mit dem Bürgerauto versorgen will ist man in Horb bestrebt, das Elektro-mobil in ein Car-Sharing-Projekt eines externen Anbieters miteinzuspeisen. Beide Varianten verfolgen jedoch das-selbe Ziel: Die Elektromobilität Schritt für Schritt zu etbalieren und in sinnige Mobilitätskonzepte einzubinden. Dies ist, insbesondere im ländlichen Raum, eine Herausforderung, die die beiden Städte aktiv angehen.

Die Energieagentur in Horb begleitet aktiv die Bürgerbeteiligungsprozesse in beiden Landkreiskommunen. Wenn Ende 2014 die ersten Kilometer auf den Elektromobilen zurückgelegt wurden, sind weitere Bürgerworkshop geplant, die sich dann mit Verbesserungsideen und –vorschlägen auseinander setzen werden.

Bild: Fotolia.com/nerthuz

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60 SERVICE

KLIMA VOR ORT | Dezember 2013

Die eigenen Potenziale erkennenDie Landesanstalt für Umwelt, Messungen und Naturschutz (LUBW) hat im Auftrag des Umweltministeriums einen Atlas entwickelt, der für jeden Fleck Baden-Württembergs zeigt, ob Wind, Wasserkraft oder Sonne sinnvoll genutzt werden können. Hausbesitzer sollten im Internet einen Blick darauf werfen – er könnte sich lohnen.

Text: Stephan Gokeler

Wind- und Wasserkraft kön-nen nur die wenigsten Grundstücksbesitzer auf

dem eigenen Areal wirtschaftlich nut-zen. Anders sieht dies allerdings für die Kraft der Sonne aus. Trotz stetig sinkender Einspeisevergütungen kann die eigene Photovoltaikanlage auf dem Dach immer noch eine lohnende Inve-stition sein. Und auch die Kombinati-on einer modernen Heizung mit einer Solarthermieanlage ist unter Umstän-den ein Gewinn für Geldbeutel und Umwelt – wenn die Dachfläche am

richtigen Ort ist sowie die richtige Nei-gung und Ausrichtung hat. Wer wis-sen möchte, ob dies bei seinem Haus der Fall ist, findet seit März hilfreiche Basisinformationen auf einer sehr de-taillierten und informativen Seite im Internet – flächendeckend für ganz Baden-Württemberg.

Die Web-Adresse der Seite lautet www.potenzialatlas-bw.de. Eigentlich richtet sich der Potenzialatlas, des-sen Erstellung rund eine halbe Million Euro gekostet hat, in erster Linie an die Kommunen im Land. Für sie sollen die

Daten eine Grundlage bieten, um ge-zielt lokale und regionale Energie- und Klimaschutzkonzepte voranzubringen. Deshalb sind neben potenziell geeig-neten Flächen für Photovoltaik-Anla-gen auf Gebäuden oder auf Freiflächen auch mögliche Standorte für Wind- und Wasserkraft ausgewiesen, letztere vor-erst nur im Einzugsgebiet des Neckars. 2800 mögliche Standorte für Wind- räder sind im Potenzialatlas für Baden-Württemberg zu finden – alles Orte, die genügend Wind bieten und für die kei-ne sonstigen Einschränkungen durch

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Bebauung oder Naturschutz bekannt sind.

Für den privaten Immobilienbesit-zer ist vor allem der Menüpunkt „Solar Dachfläche“ von Interesse. Wenn man dort den gesuchten Standort eingibt, wird eine Karte angezeigt, die jedes ein-zelne Gebäude darstellt. Es ist hinter-legt, ob die Dachfläche für die Nutzung solarer Energie sehr gut, gut, bedingt oder nicht geeignet ist. „Da auch Ab-schattungseffekte durch Topographie oder Dachaufbauten berücksichtigt wurden, können die Hauseigentümer in vielen Fällen sogar erkennen, auf welchem Teil ihres Daches sich eine PV-Anlage besonders lohnt“, sagte Lan-desumweltminister Franz Untersteller bei der Vorstellung des Potenzialatlas. Die Daten gelten zwar laut LUBW nur für die Stromgewinnung, sie sind aber durchaus auch ein guter Anhaltspunkt für solarthermische Anlagen.

Die Basisdaten können keine Planung oder Wirtschaftlichkeitsberechnung für eine Anlage im konkreten Einzelfall er-setzen. Doch der Potenzialatlas liefert erste Anhaltspunkte für weiterführende Überlegungen. Zwar ist die Menüfüh-rung der Seite etwas gewöhnungsbe-dürftig. Wenn aber die richtigen Häk-chen in den Auswahlmenüs gesetzt sind, wird zum Beispiel die mittlere jährliche Sonneneinstrahlung ange-zeigt oder wahlweise die Leistung, die eine Photovoltaikanlage auf einer be-stimmten Dachfläche haben könnte.

Screenshot mit einem Ausschnitt aus Tübingen. Rot steht für sehr gut geeignet, orange für gut, türkis für bedingt und hellblau für nicht geeignet für eine Photovoltaikanlage.

INFO

Neue Energieeinsparverordnung verabschiedet

Die Bundesregierung hat Mitte Oktober die Novelle der Energieein-

sparverordung (EnEV) mit den vom Bundesrat geforderten Änderungen

veraschiedet. Ab 2016 sollen Neubauten 25 Prozent weniger Primär-

energie benötigen als momentan vorgeschrieben. Außerdem erhält

der Energieausweis bei Verkauf oder Vermietung von Immobilien

einen höheren Stellenwert. Die Anfordrungen für Sanierungen ändern

sich durch die Novelle nicht. Die neue Energieeinsparverordnung wird

voraussichtlich im Frühsommer 2014 in Kraft treten.

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Dezember 2013 | KLIMA VOR ORT

Holzbau Faßnacht Siemensstraße 10 72160 Horb a. N. Tel 07451 511 40 www.holzbau-fassnacht.de

Dachsanierung vom Fachmann

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62 SERVICE

KLIMA VOR ORT | Dezember 2013

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Veranstaltungen

JANUAR

17. bis 19. Januar 2014Haus | Bau | Energie Messe für Bauen, Modernisieren und EnergiesparenOrt: Donaueschingen / DonauhallenInformationen: www.donauhallen.de

20. Januar 2014Eigennutzung und Speicherungsmöglichkeiten bei PV-Anlagen Ort: Volkshochschule Freudenstadt Informationen: www.vhs-kreisfds.de

23. bis 26. Januar 2014Haus & Energie 2014 Messe für Bauherren und ModernisiererOrt: Messe Sindelfingen Informationen: www.messe-sindelfingen.de

MÄRZ

6. bis 8. März 2014CEB – Clean Energy Building – Stuttgart Fachmesse für energieeffiziente Gebäude, technische Gebäudeausrüstung und regene-rative Energieerzeugung.Ort: Messe StuttgartInformationen: www.messe-stuttgart.de

APRIL

11. bis 13. April 2014Messe „Haus-Holz-Energie“Ort: StuttgartMesse für Hausbesitzer, Bauherren und Modernisierer in Baden-Württemberg. Informationen: www.messe-stuttgart.de

Januar bis April 2014FEBRUAR

21. bis 23. Februar 2014agrarwelt 2014Fachmesse für Bio-Energie, regionale Kultur-landschaft und AgrartechnikOrt: Messe FriedrichshafenInformationen: www.messe-friedrichshafen.de

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63KURZ VOR SCHLUSS

Energiekräfte bündelnEnergieagentur in Horb und IHK Umwelt Akademie Freudenstadt kooperieren im Sinne der RegionText: Oliver Laukel

Synergien nutzen und die Ener-giewende regional voran brin-gen – dies sind die Hauptgrün-

de, warum die Energieagentur in Horb und die Umwelt Akademie der IHK Nordschwarzwald zukünftig an einem Strang ziehen wollen und im Bereich Information und Qualifikation koope-rieren werden.

„Wir möchten die vielen guten An-sätze und Erfolge der Bürgerinnen und Bürger, der Handwerker und der In-dustrie im Energiethema gemeinsam kommunizieren, um so noch mehr für die Themen Energieeffizienz und Er-neuerbare Energien zu sensibilisieren“,

so Martin Heer von der Energieagentur in Horb.

„Wir haben viele Schnittstellen: Jeder Unternehmer, jede Unternehmerin ist auch auch Privatperson. Die meisten in der Region lebenden Bürger arbeiten auch hier. Die Übergänge zwischen der Beratung von Privatpersonen, dem Hauptbetätigungsfeld von Ener-gieagenturen und der Beratung von Unternehmen, dem Aufgabengebiet einer IHK, sind also fließend“, ergänzt Oliver Laukel vom Beratungszentrum Umweltschutz der IHK. „Die Interessen und Probleme sind sehr ähnlich, man kann hier also viel voneinander lernen

und profitieren.“ IHK und Energieagen-tur in Horb haben die Kooperation be-reits mit einer gemeinsamen Informati-onsveranstaltung im März zum Thema effiziente Pumpentechnik erfolgreich getestet.

„Wir werden jetzt unser Angebot im Energiethema nach und nach ergän-zen und neben weiteren Infoveranstal-tungen, auch die Vor-Ort-Coachings und Weiterbildungsangebote – bei-spielsweise für Energieberater oder klei-ne und mittelständische Unternehmen - weiter gemeinsam ausbauen“ so Hei-ko Knappschneider, Leiter der Umwelt Akademie Freudenstadt abschließend.

Auf Rückenwind für die Energiewende hoffen, v. l. Martin Heer, Geschäftsführer der Energieagentur in Horb, Andreas Fibich, Energie-Coach der IHK Nordschwarzwald, sowie Luisa Bott und Heiko Knappschneider von der Umwelt Akademie Freuden-stadt und Oliver Laukel vom Beratungszentrum Umweltschutz der IHK Nordschwarzwald bei einem Arbeitstreffen Ende September in der IHK-Geschäftsstelle Freudenstadt.

Dezember 2013 | KLIMA VOR ORT

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64 KURZ VOR SCHLUSS

Es steckt unter anderem in Dämm-platten: Hexabromcyclododecan, kurz HBCD. Das Flammschutzmittel ist ein langlebiges Umweltgift, das sich im Organismus anreichert. Nun steht die Herstellung der Chemika-lie kurz vor dem Aus. HBCD ist ein Umweltgift, das sich stark in Organis-men anreichert, im Verdacht steht, fortpflanzungsschädlich zu sein und außerdem sehr langlebig ist. Der Stoff verteilt sich über weite Entfernungen, selbst in der Arktis kann man Spuren von HBCD nachweisen. Daher wurde der Stoff unter der EU-Chemikalien-verordnung REACH bereits als beson-ders besorgniserregend eingestuft. Im Mai 2013 wurde auf der UN-Chemikalienkonferenz beschlossen, HBCD in der Stockholmer Konvention über langlebige organische Schad-stoffe (POPs) aufzunehmen. Damit tritt ein weltweites Verbot mit einer Übergangsfrist von einem Jahr in Kraft. In der EU soll eine Übergangs-phase bis August 2015 der Industrie ermöglichen, die Umstellung auf um-weltfreundliche Flammschutzmittel durchzuführen. Alternativ lässt sich HBCD auch heute schon durch den Einsatz anderer Dämmmaterialien wie Mineralwolle vermeiden.

Flammschutzmittel HBCD vor dem Aus

Einem Forscherteam aus dem ZSW ist ein neuer Weltrekord bei Dünnschicht-Zellen gelungen.

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: ZSW

ZSW stellt Weltrekord-Solarzelle herDas Stuttgarter Zentrum für Sonnen-energie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW) hat eine Dünnschicht-Solarzelle mit einem Wir-kungsgrad von 20,8 Prozent präsentiert. Dieser Weltrekord wurde vom Fraunho-fer-Institut für Solare Energiesysteme ISE in Freiburg offiziell bestätigt. Die Stuttgarter Rekordzelle wurde im Co-Ver-dampfungsverfahren hergestellt, einer Technologie, die das ZSW gemeinsam

mit dem Reutlinger Photovoltaik-Anla-genbauer Manz AG weiterentwickelt und patentiert hat.Der Rekordwert für die Umwandlung von Sonnenlicht in elektrische Energie übertrifft erstmals auch die Effizienz der im Markt vorherrschenden multikri-stallinen Siliziumsolarzellen. Die neuen Forschungsergebnisse aus Baden-Württ-emberg sollen die Kosten für Solarstrom künftig noch weiter senken.

Großes Interesse an denlandesweiten EnergietagenUnter dem Motto „Zukunft erleben“ ver-anstaltete das Land bereits zum siebten Mal den Energietag Baden-Württem-berg. Rund 200 Veranstaltungen infor-mierten am 21. und 22. September 2013 über erneuerbare Energien und darü-ber, wie jeder Einzelne Energie einspa-ren, nachhaltiger nutzen und so einen Beitrag zum Klimaschutz leisten kann. „Dank des großen Engagements aller Organisatoren hat sich der Energietag Baden-Württemberg zu einer gemein-samen Aktion des ganzen Landes für die Energiewende entwickelt“, betonte Umweltminister Franz Untersteller im

Rahmen des Dialogforums Energie-wende im Schloss Hohenheim am 28. September 2013. „Wir wollen den Ener-gietag daher ab dem nächsten Jahr zu einem Energiewendetag weiterentwi-ckeln.“ Stellvertretend für alle Akteure der vergangenen Energietage zeichnete der Minister zudem fünf Organisatoren für ihr Engagement bei den Energieta-gen aus, darunter die Energieagentur Ravensburg für die von ihr initiierten Energietage Schussenried sowie die Firma Hartmann Energietechnik, die in Rottenburg-Oberndorf die Energietage organisierte.

Umweltminister Franz Untersteller (rechts) zeichnete fünf engagierte Organisatoren der Energietage aus, darunter Thomas Hartmann (links), Inhaber und Geschäftsfüh-rer des Solarfachbetriebes Hartmann Energietechnik aus Rottenburg-Oberndorf.

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65FACHSPRACHE ÜBERSETZT

Was war noch mal…

… die Jahresarbeitszahl?Text: Stephan Gokeler

Wie effizient ein Heizungssystem mit ei-ner Wärmepumpe arbeitet, kann man an der sogenannten Jahresarbeitszahl (JAZ)

ablesen. Sie gibt Auskunft darüber, wie viel Wärme das Heizungssystem (einschließlich Warmwasserbe-reitung) liefert im Verhältnis zu der Strommenge, die für den Betrieb dieser Wärmepumpe benötigt wird. In modernen und gut ausgelegten Systemen werden Jahresarbeitszahlen von 4 und mehr erreicht. Das bedeutet: Die Wärmepumpen-Heizung gibt mehr als vier Mal so viel Wärmeenergie ab wie sie Strom verbraucht. Eine Schwierigkeit besteht darin, dass die Jahresarbeitszahl keine fixe Größe ist, son-dern von vielerlei Variablen abhängt. So haben auf der technischen Seite zum Beispiel die Art der Wärmequelle, die Wär-mepumpe selbst, die Größe und An-ordnung der Heizflächen und die Hydraulik der Heizungsanlage Einfluss auf das Ergebnis. Aber auch die Gewohnheiten der Nutzer und die Quali-tät der Gebäude-Wärmedämmung fließen mit ein, ebenso die Außentemperaturen. Denn eine Wärme-pumpe arbeitet umso effizienter, je kleiner der so-

genannte Temperaturhub ausfällt, also die Differenz zwischen der Temperatur der Wärmequelle und der Vorlauftemperatur im Heizkreislauf. Deshalb lässt sich die tatsächliche JAZ einer Wärmepumpenhei-zung immer erst nach Inbetriebnahme exakt ermit-

teln. Nicht verwechseln sollte man die JAZ mit der Leistungszahl einer Wärmepumpe,

die auch als Coefficient of Perfor-mance (COP) bezeichnet wird. Di-

ese Leistungszahl gibt lediglich an, wie gut die Wärmepumpe

selber unter optimalen Be-dingungen arbeiten könnte. Insofern kann sie ein An-haltspunkt für die Qualität einer Wärmepumpe und den Vergleich verschiedener

Modelle und Typen sein. Weil ein Heizungssystem in

der Praxis aber so gut wie nie unter optimalen Bedingungen

arbeitet, wird die Jahresarbeitszahl immer niedriger sein als die Leistungs-

zahl. Ganz entscheidend für die Umweltbilanz eines Wärmepumpen-Heizsystems ist in jedem Fall jedoch, wie der benötigte Strom produziert wurde. Auch eine optimal ausgelegte Heizung mit Wärme-pumpe ist nur dann umweltfreundlich, wenn der Strom aus regenerativen Quellen stammt.

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KLIMA VOR ORT | Dezember 2013

Die Älteren werden sich erin-nern: Es muss ziemlich genau anno dazumal gewesen sein,

als der nicht sonderlich attraktive römische Schmiedegott Vulcanus in seiner kleinen, heißen Grotte unter der Erde die tollsten Dinge zusam-menschmiedete. Donnerkeile für den Donnergott! Sonnenwagen für den Sonnengott! Liebespfeile für den Lie-besgott! Zugegeben, alles nicht son-derlich einfallsreich – aber ein Klacks für unseren fleißigen Vulcanus, der tief im Erdinneren wertvolle Energie im Überfluss fand. Der enorme Out-put von Nützlichkeiten hat sich für Vulcanus zudem privat rentiert: Zu-rück im Götterhimmel, durfte unser hässlicher Handwerker die hübsche Venus heiraten – immerhin!

Dass er im Eifer seines Schaffens vergessen hatte, in seiner Grotte auch eine göttliche Erdwärmesonde zu installieren, wurde Vulcanus bemer-kenswerterweise nie zum Vorwurf gemacht. Zweifellos ein Fehler. Unten auf der Erde nämlich schlappten die

Römer weiterhin in schweinsleder-nen Sandaletten durch zugige Tem-pelbauten, ließen sich im schlecht beheizten Teutoburger Wald von Che-ruskern niedermetzeln und mussten sich von überambitionierten Kaisern gleich die ganze Hauptstadt anzün-den lassen, um für ein wenig Behag-lichkeit am nebligen Ufer des Tiber zu sorgen. Die einzig nennenswerte Erfahrung der Römer mit den uner-schöpflichen Wärme-Vorräten der Erde hingegen – die ging erwartbar in die Hose. Sie wissen ja, was gemeint ist. Pompeji.

Vulcanus indes bekam seine Quit-tung dann doch: im heimischen Schlafzimmer. Die schöne Venus nämlich betrog unseren biederen Ei-genbrötler. Nicht einmal, nicht zwei-mal, nein, gleich ein Dutzendmal. Armer Vulcanus. Ob eine Erdwärme-sonde diesen Ärger wirklich verhin-dert hätte, sei mal dahingestellt. Aber den Ärger über die Heizkostenabrech-nung tags darauf – den zumindest hätte er sich sparen können.

Text: Eike Freese

Erde statt Venus!

Die nächste Ausgabevon KLIMA VOR ORTerscheint im Mai 2014

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ImpressumKLIMA VOR ORT, Jahrgang 1www.klimavorort.de

HerausgeberVerlag Schwäbisches Tagblatt GmbHUhlandstraße 2, 72072 Tübingenwww.tagblatt.deTelefon 07071/934-102Fax 07071/934-109

RedaktionStephan GokelerMartin HeerBirgit Pflock-RuttenVeronika RenkenbergerGerhard Schindler Weitere AutorenEike FreeseHannes KuhnertOliver LaukelIra OberweisFrank Rumpel

GestaltungRolf Köber

Layout und TitelgestaltungOliver Frate

Anzeigen- und ObjektleitungWolfgang Dieter (verantwortlich)

DruckBechtle Druck & Service GmbH & Co. KGZeppelinstraße 11673730 Esslingen

Gesamtauflage: 26.000 ExemplareAuflage Freudenstadt: 3.000 Exemplare

Diese Zeitschrift und alle darinenthaltenen Beiträge und Fotos sindurheberrechtlich geschützt.

© Copyright: Verlag Schwäbisches Tagblatt GmbH

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