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------------~------------ Das Buch o A von guter spise: .. kulinarische Bedeutung und kulturhistorischer Wert Von Trude Ehlert Karlsruhe ------------~~----------

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Das Bucho Avon guter spise:

..

kulinarische Bedeutungund kulturhistorischer Wert

Von Trude EhlertKarlsruhe

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Wenn du eine gute Beilage machen willst:so nimm ein Seidel voll Schweiß,das macht den Magen schön heiß,

und nimm das Fett von einem Kieselstein,das tut gut den hüftlahmen Mägdelein,

und nimm Brom- und Erdbeeren aus dem Garten -etwas Besseres kannst du nicht erwarten.Bist du nicht völlig dumm und taub,

so nimm grünes Weinrebenlaub,ferner sollst du Binsen nehmen,

dich zu Liebstöckel und Minze bequemen,das gibt die rechte Würzefür die großen Fürze.

Nimm Stieglitzfersen und Fliegenbein,das gibt der Speise Süße ein;das ist gut und es ist recht:

als Brechmittel gar nicht schlecht.Ach: und versalz es nicht,

dann ist's ein herrliches Gericht! (BvgSpNo. 54)

MONUMENTA GE:RMANIAEHISTORICA8 j bf io'thek

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----------------~----------------Dieses Rezept hätte sicher keine Chance,auf den kritischen Zungen

unserer Spitzenköche und Gastrokritiker Lustgefühle hervorzurufen (undauch auf unseren eigenen Zungen nicht!). Es stammt aus dem 'Buch vongüter spise', und es ist eines von zwei Scherzrezepten, die sich in diesemBuch zu den 99 durchaus ernst gemeinten Rezepten gesellen. Schon diesesNebeneinander von Ernst und Scherz zeigt uns, daß wir es mit einem ganzanderem Typus von Buch zu tun haben, als wir es heute als Kochbuchgewöhnt sind. Was ist das nun für ein Buch? Woher kommt es? Wer hat esgeschrieben, wer gelesen? Welche Bedeutung hat dieses Buch in seinerZeit? Und was sagt es uns über den Geschmack und die Eßgewohnheitender Zeit seiner Entstehung? Welche Bedeutung kann es für uns Heutigehaben?

1. Das 'Buch von guter spise' -Was ist das für ein Buch?

Das Büch von güter spise' ist das erste Kochbuch in deutscher Sprache.Es wurde um 1350 in einer Sammelhandschrift, dem sogenannten Haus-buch des Michael de Leone aus Würzburg, aufgezeichnet, die heute in derUniversitätsbibliothek München liegt. Dieses Hausbuch, das ursprünglichaus zwei Folio-Bänden bestand, stellt eine Art Kompakt-Bibliothek fürLaien dar. .

Der verlorene 1. Band, dessen Inhalt durch ein im 2. Band erhaltenesVerzeichnis bekannt ist, enthielt den 'Renner' Hugos von Trimberg, eineknapp 17.000 Verse umfassende mittelhochdeutsche Lehrdichtung, dieTugend- und Lasterlehre und popularisierendes Wissenskompendium ineinem ist. Um diesen Hauptteil herum gruppierten sich v.a, Werke ausdem Kanon der Schullektüre mit deutscher Übersetzung: ein Ausschnittaus dem Fürstenspiegel'De regimine principum' des Aegidius Romanus.die 'Disticha Catonis' [pseudo-Catonische Sprüche) und der 'Facetus Cumnihil utilius' (ebenfalls lehrhafte Sprüche); beide Spruchsammlungen ent-halten u.a. Anweisungen zum richtigen Benehmen bei Tisch. Zum Pro-gramm des Wissenskompendiums der Handschrift gehörten weiter Sprü-

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--------------~~~--------------ehe über die Sieben Freien Künste und die vier Elemente sowie ein Buchüber das Pfropfen von Bäumen, das vielleicht identisch war mit demsogenannten 'Pelzbuch' des Gottfried von Franken.Der 2. Band (der erhaltene also) wird eröffnet mit einer Sammlung

liturgischer Texte, überwiegend in lateinischer Sprache, FreidanksSpruchsammlung 'Bescheidenheit' schließt sich ani es folgen lehrhafteBispel und Mären des Stricker unter dem Titel'Die Welt' und, wiederumlateinisch, das 'Elucidarium' des Honorius Augustodunensis, ein umfang-reiches Wissensbuch, das in der Form eines Dialogs zwischen Meister undSchüler über den Aufbau der Welt und die Bedeutung der Liturgie für dasSeelenheil informiert, diesem Werk ist der deutsche 'Lucidarius' ange-schlossen [beide aus dem 12. [h.], der einen Teil des Stoffs seines lateini-schen Namensvetters mit anderem, hauptsächlich religiösem Wissenkombiniert. Unmittelbar nach diesen Wissensbüchern und vor einem'Regimen sanitatis/{einer Gesundheitslehre) ist das 'Buch von güter spise'eingetragen. Daneben enthält der 2. Band von Michaels Hausbuch Konradsvon Würzburg 'Thmier von Nantes', sein Mariengedicht 'Die goldeneSchmiede', ferner Gesundheitslehren, Minnelehren, Sammlungen vonLiedern Reinmars von Hagenau und Walthers von der Vogelweide, parodi-stische Reden des sogenannten Königs vom Odenwald (drei davon preisendas Huhn und das Ei, die Gans und das Schaf und ihre vielseitige Verwend-barkeit zum Essen). Frauenlobs 'Marienleich' und einige andere Spruch-dichtungen sowie ein Florileg von lateinischen Versen bildeten ursprüng-lich den Abschluß des ersten Bandes, bevor das Buch seit etwa 1350 durchNachträge erweitert wurde, von denen viele in lateinischer Sprache abge-faßt sind. Dazu gehören medizinische Schriften, nämlich ein zweites'Regimen sanitatis', zwei Pesttraktate, 'Versus medicinales', der 'Wachol-derbeer- und der 'Koriander'-Traktat, Versus über den Aderlaß, ein Mo-natsregimen. Vers und Prosa, Deutsch und Latein, Bericht und Ermahnung;wechseln einander ab; vieles ist unmittelbar zeitgenössische Literatur,wie etwa ein lateinisches Lobgedicht, das Michael de Leone auf den Würz-burger Bischof Otto von Wolfskehl verfaßt hat. Und in einigen Stücken,wie Homburgs 'Lantpredige von der werlde kummer vnd noet' sowie inmedizinischen Traktaten, Pestsegen und Gebeten wird der gewaltige Ein-druck erkennbar, den die seit 1348 über Europa hereinbrechende Pest inden Menschen hinterließ. Abhandlungen über lokal- und seltener auch

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----------------~----------------reichspolitische Ereignisse ergänzen so den allgemein-didaktischen An-fangsteil des Kompendiums.Man hat diesen Buchtyp ein Hausbuch genannt, weil in ihm - ohne

festen Kanon - alles zusammengetragen wird, was an Wissen zur erfolgrei-chen Führung eines herrschaftlichen Hauses erforderlich ist oder für not-wendig erachtet wird, und meist auch, was zum Erlangen des Seelenheilsals nützlich galt. Ein solches Hausbuch spiegelt also die Interessen seinesAuftraggebers und Besitzers wider, die sich im Falle des Michael de Leoneebenso auf den geistlichen Traktat und den medizinischen Ratgeber wieauf Minnelieder und weltliche Lehrdichtung erstrecken und eben auch einKochbuch einbegreifen.Daß diese Rezeptsammlung dabei in unmittelbarer Nachbarschaft eines

'Regimen sanitatis' steht, ist kein Zufall, denn die richtige Ernährung istneben Licht und Luft, Ruhe und Bewegung, Schlafen und Wachen, denAusscheidungen und den Gemütsbewegungen eines der sechs Felder, aufdenen der Mensch nach mittelalterlicher medizinischer Lehre durch rich-tiges Verhalten seine Gesundheit erhalten oder wiederherstellen kann.Wie ist nun das 'Buch von güter spise' aufgebaut? Als erstes Werk der

Gattung Kochbuch in deutscher Sprache konnte es nicht auf eingeführteKriterien der Anordnung der Speisen oder des Aufbaus der einzelnenRezepte zurückgreifen. Dennoch zeigt es eine deutliche Gliederung inzwei Teile, die unterschiedlich angelegt und wohl das Ergebnis zweiervorgängiger Sammlungen sind. Der erste Teil besteht aus 57 Rezepten, diejeweils mit Namen versehen und von denen SOvon ursprünglicher Handdurchgezählt sind [wobei allerdings drei Rezepte übersprungen wurden).Eingeleitet wird das Ganze mit einem Reimprolog, der verspricht, daßman in diesem Buch lernen könne, wie man groz gerichte ku.nne machen /von vil kleinen sacben [großartige Gerichte aus vielen kleinen Dingenmachen könne, V. 7f).Den Abschluß des ersten Teils bilden das eingangszitierte und ein weiteres kurzes Scherzrezept sowie der in roter Tintegeschriebene Satz: Diz ist ein gut lere von güter spise [Dies ist eine guteLehre von guten Gerichten). Der zweite Teil enthält 44 weitere Rezepte,die nicht durchgezählt, aber ebenfalls mit Namen versehen wurden. Über-schriften und Anfangsbuchstaben der Rezepte sind jeweils in roter Tintegeschrieben.

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--------------~~~--------------Während im ersten Teil die Rezepte zufällig oder assoziativaneinander

gereiht wurden, scheinen im zweiten Teil der Sammlung bereits Ansätzevon Ordnungsprinzipien auf: Die Rezepte lassen sich in Großgruppennach Fastenspeisen einerseits (No. 55-75 und 78-85) und Fleischspeisenandererseits (No. 86-96) zusammenfassen; innerhalb dieser Großgruppensind kleine Gruppen erkennbar, die sich nach Zutaten oder Zubereitungs-arten zusammenstellen: No. 55-58 Fischgerichte, No. 59-61 Krapfen mitObstfüllung, No. 62-64 Obst- und Gemüsegerichte, No. 65-67 Eierge-richte, No. 68/69 und 81-85 Obstspeisen, in sie eingereiht No. 70-80Mandel- und Nußspeisen (unter die, etwas gegen die Systematik der Tren-nung von Fasten- und Fleischspeisen, als Blancmanger-Variationen auchdrei Fleischgerichte gerutscht sind, No. 76-77a). Es folgen die Fleischspei-sen (No. 86-961, gekrönt durch zwei Schaugerichte: eines für einen Braten,der wie ein Reiher hergerichtet wird, ein zweites mit drei kunstvoll deko-rierten Kalbsköpfen. Beschlossen wird der zweite Teil durch die Bemer-kung: Hie get vz die lere von der kocherie (Hier endet die Lehre vomKochen).Innerhalb der einzelnen Rezepte sind die Anweisungen streng nach den

Arbeitsschritten angeordnet, aber es werden kaum Mengenangaben undfast keine Zeitangaben gemacht, so daß nur ein einigermaßen erfahrenerKoch oder eine routinierte Köchin etwas damit anfangen konnte. WennZeitangaben erscheinen, werden sie übrigens oft als Längenangaben gege-ben: z. B. in No. 14 (Zubereitung von Met): eime acker lang oder gein einerhalben mile: solange, wie man braucht, um einen Acker herauf- undherunterzugehen bzw. eine Meile zu gehen.Wenn die Gerichte im 'Buch von güter spise' nicht in der uns gewohnten

Abfolge von Vorspeise, Suppe, Fischgerichte, Geflügel, Fleisch, Beilagen,Süßspeisen aufgelistet werden, hat seinen Grund nicht nur darin, daß dieGattung Kochbuch noch nicht erfunden und in feste Formen gegossenwar. Es hat auch damit zu tun, daß es im Mittelalter keine so fest gefügteSpeisenfolge gab, wie wir sie heute kennen. Wir teilen das Menü ja inmehrere Gänge ein; das war auch im Mittelalter so. Nur bestand da,jedenfalls bei einem festlichen Gastmahl, ein Gang nicht wie bei uns auseinem Gericht mit seinen Beilagen, sondern er setzte sich aus mehrerenverschiedenen Gerichten zusammen, so daß sich jeder Gast bei jedemGang das aussuchen konnte, was ihm schmeckte. Das Wort "Gang"

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-----------------~-----------------meinte ursprünglich den Gang des Servierpersonals zur Küche. Was dieAbfolge einzelner Speisen angeht, gab es im Mittelalter nur sehr wenigeRegeln, zu denen aus diätetischen Gründen gehörte, daß Käse immer undSüßspeisen sowie Gebäck meist am Ende der Mahlzeit serviert wurden.Eine feste Speisenfolge entwickelte sich erst im Zeitalter des Barock.Die Binnengliederung des zweiten Teils des 'Buchs von güter spise', die

Unterscheidung von Fasten- und Fleischspeisen, zeigt auch noch das erstegedruckte Kochbuch, die 'Kuchenmeysterey', erschienen in Nürnberg um1485. Dennoch ist es wohl weniger die Pionierleistung des 'Buchs vongüter spise', der dieses Gliederungsprinzip zu verdanken ist, als vielmehrdie alltägliche Gegebenheit: gut ein Drittel aller Tage des Jahres warenFastentage, und darauf galt es, sich mit der Küche einzustellen.

2. Woher kommt das 'Buch von guter spise'1Woher das 'Buch von güter spise' in das Hausbuch gelangt ist, ist eine

Frage, die bis heute und wohl auch in Zukunft nur mit Vermutungenbeantwortet werden kann. Denn das 'Buch von güter spise' codifizierterstmals kulinarisches Alltagswissen in deutscher Sprache und kann sichdabei nicht bereits etablierter Muster bedienen.Wir wissen nicht, wer die Rezepte gesammelt hat. Daß sie aus der Praxis

eines erfahrenen Kochs stammen, verrät ihr Aufbau und ihr zum Teilrecht rudimentärer Inhalt. Und die Überschrift der Sammlung nennt auchdie Zielgruppe: Diz bticli sagt von güter spise / daz machet die vnverrihti-gen ktJche wise. unverriht bedeutet "ungeordnet, nicht durch Recht undGesetz festgesetzt"; als die unverrihtigen ktJche sind wohl diejenigenanzusehen, die (noch) nicht nach irgendwelchen Richtlinien oder schrift-lichen Rezepten kochen oder das Kochen noch nicht richtig gelernt haben.Als Gebrauchszweck gibt die Überschrift also die Benutzung durch die

Köche vor. Nun ist es aber äußerst fraglich, ob jemals ein Koch diesesKochbuch, das ja mitten in einem dicken Kompendium von Folio-Formatsteht, indie Hände bekommen hat. Das wäre nicht nur wegen der Kostbar-keit und des Umfangs des Buches unpraktisch, sondern würde wohl aucheinem durchschnittlichen Koch nicht viel genützt haben, weil Köche imMittelalter nicht zu der Schicht zählten, die des Lesens mächtig war:

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---------------~---------------Noch 1598 gesteht Frantz de Rontzier, Mundkoch des Herzogs von Braun-schweig, im Vorwort seines 'Kunstbuchs von mancherley Essen', daß erdas Buch diktiert habe, da er selbst nicht schreiben könne. Rezepte wur-den daher mündlich tradiert, und so verwundert es auch nicht, daß dieälteste (überlieferte) deutschsprachige Kochrezeptsammlung erst in derMitte des 14. Jahrhunderts entstanden ist. Weil die beiden Teile derSammlung sich in Stil und Wortschatz voneinander unterscheiden,nimmt man an, daß zwei verschiedene Vorgänger-Sammlungen hier zu-sammengestellt wurden.

3. Wer hat das Buch geschrieben, gelesen?Die Frage:Wer hat das Buch geschrieben? müssen wir ein wenig modifi-

zieren, denn im Mittelalter sind Autor und Schreiber eines Buches seltenidentisch. Und wichtiger als der Schreiber ist meist der Auftraggeber oderSammler, der ein Werk bestellt oder zusammenstellen läßt.In unserem Fall, dem 'Buch von güter spise', sind weder der Autor noch

der (oder die) Schreiber namentlich bekannt. Dafür kennen wir den Mann,der das Hausbuch zusammenstellen ließ und wenigstens den Namendessen, den er damit beauftragte: Michael de Leone, Protonotar zweierBischöfe von Würzburg, ließ sich das Hausbuch anfertigen, und seinSchreiber Gyselher hat die Zusammenstellung koordiniert.Michael de Leone, in Würzburg wohl etwa um 1300 als Sohn eines aus

Mainz zugewanderten Juristen geboren, erhielt seine erste Ausbildungwahrscheinlich an der Stiftsschule des dortigen Neumünsters, das übereine große und traditionsreiche Bibliothek verfügte. Ich erwähne das des-halb, weil bei der Begegnung mit diesen Büchern im Unterricht vielleichtschon die vielseitigen Interessen geweckt wurden, die Michael de Leonespäter in seiner eigenen Sammlung dokumentierte.Auch wenn wir über den genauen Inhalt seiner Ausbildung nicht infor-

miert sind, kann man davon ausgehen, daß vor allem natürlich Lateinsowie theologische und juristische Grundkenntnisse und wahrscheinlichauch das Schreiben von Urkunden in Kanzleischrift vermittelt wurden.Die Stiftsschule genügte Michael jedoch nicht; er ging daher, wie es zuBeginn des 14. Jahrhunderts üblich war, wenn man Jurist werden wollte,

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--------------~~~--------------zum Jurastudium nach Italien: Von 1324 bis 1328 studierte er in Bologna,einer damaligen Hochburg der Rechtswissenschaft, und kehrte, versehenmit dem ersten akademischen Abschluß, als Magister nach Würzburgzurück. Dort war er zunächst als kaiserlicher Notar in selbständiger Posi-tion tätig, bis er 1336zum Leiter der bischöflichen Kanzlei ernannt wurde.Als Protonotar war er dort der höchste der Notare, zugleich auch derSiegelbewahrer und somit Inhaber einer Vertrauensstellung am bischöf-lichen Hof in Würzburg, an dem 1335 bis 1345 Otto von Wolfskehl undvon 1345 bis 1372 Albrecht von Hohenlohe als Bischöfe und Stadtherrenresidierten.Michael de Leone gehörte damit zum Patriziat seiner Heimatstadt,

stand aber mit anderen Patriziern in Interessenkonflikten, weil er sich zueiner Zeit in bischöflichen Diensten befand, als der Bischof, und dies giltsowohl für Otto von Wolfskehl als auch für Albrecht von Hohenlohe,seine Rechte als Stadtherr zu restituieren versuchte. Ihre Vorgänger hattender an Macht und Ansehen erstarkenden Bürgerschaft, die sich aus Patrizi-ern und in Zünften zusammengeschlossenen Handwerksmeistern zusam-mensetzte, zahlreiche Zugeständnisse machen müssen. Betroffen davonwaren auch die Gerichtsbarkeit und das Recht, Verträge mit anderenStädten abzuschließen. Albrecht von Hohenlohe wurde in seiner Restitu-tionspolitik sogar von Kaiser Karl IV. unterstützt, der ihm 1347 seinPrivileg der Gerichtsbarkeit über Laien bestätigte, wodurch das Unabhän-gigkeitsstreben der städtischen Bürgerschaft einen kräftigen Rückschlagerlitt.Etwa im Jahre 1350, also als ein Großteil seines Hausbuchs bereits

geschrieben war, hat Michael de Leone das Amt des Protonotars mit demdes Stiftsscholasters am Neumünster vertauscht. In dieser Eigenschaftließ er für das Stift Neumünster eine weitere Sammelhandschrift, dassogenannte 'Manuale', anlegen, in der historiographische und juristischeWerke überwiegen.Sein Hausbuch hat Michael de Leone durch eine Eintragung quasi testa-

mentarisch dem jeweiligen Besitzer des Hauses 'Zum Löwen' zugeeignet,das er einst erworben und nach dem er selbst ja seinen Zunamen gewählthatte. In dieser Bestimmung wird ein Bewußtsein von Familie und Ge-schlechtertradition sichtbar, das man im Hochmittelalter nur beim Adelkannte, das sich nun aber, im Spätmittelalter, auch Patrizierfamilien zu

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----------------~----------------eigen machen. Der Wunsch, erworbenes Wissen zu bewahren und an dienachfolgende Generation der eigenen Familie weiterzuvererben, zeigtauch den hohen Wert an, den man dem Wissen, der Bildung zumaß.Bildung und Wissen, etwas Erworbenes also, tritt damit als Fundament desAnsehens, des Selbstwertgefühls und der Selbsteinschätzung für denStadtbürger, den Patrizier an die Stelle der angeborenen Position, die fürden Adel die Basis seines Prestiges bildete. Michael de Leone und seinHausbuch, dessen integraler Bestandteil das 'Buch von güter spise' ist,können für den Mentalitäts- und Wertewandel des aufsteigenden Bürger-tums in den Städten des Spätmittelalters stehen.Es scheint mir höchst bemerkenswert, daß das 'Buch von güter spise'

just zu der Zeit aufgezeichnet wurde, als in Europa die erste große Pest-epidemie herrschte. Sollte die Pest ein auslösendes Moment für die Nie-derschrift gewesen sein, weil der plötzliche Tod, der durch die Pest miteinem Mal allgegenwärtig geworden war, das Bewußtsein dafür geweckthatte, daß er alles, was nur im Gedächtnis bewahrt wurde, auszulöschenvermochte? Die schriftliche Aufzeichnung konnte dazu dienen, die me-moria, das Gedächtnis, zu stützen; sie konnte aber darüber hinaus wichti-ges Wissen vor der Gefahr des Verlorengehens bewahren.Gelesen worden sind die im 'Buch von güter spise' aufgezeichneten

Rezepte wohl nicht bei der unmittelbaren Umsetzung in die Praxis, beimKochen. Sie können allenfalls als Beispiele der eigenen Küche, vielleichtauch als Beispiele für gesunde Ernährung, festgehalten worden sein. Lesenkonnte sie außer dem Besitzer des Buches allenfalls auch der Küchenmei-ster, dem die Planung der Mahlzeiten und der Einkauf dafür, nicht aber dasKochen oblag. Genaueres läßt sich über die potentiellen Leser der Rezepteheute nicht mehr erfahren.

4. Welche Bedeutung hat das 'Buch vonguter spise' in seiner Zeit?

Die Bedeutung, die dem 'Buch von güter spise' in seiner Zeit zukommt,läßt sich durch einen Vergleich mit anderen Kochbuchhandschriften derältesten Zeit ermessen. Erst kürzlich hat eine französisch-kanadisch-ame-rikanische Forschergruppe eine Liste von nicht weniger als 45 Kochrezept-

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----------------~----------------sammlungen in deutscher Sprache aus dem 14. bis 16. Jahrhundert veröf-fentlicht, von denen außer dem 'Buch von güter spise' nur ein weiteres'noch dem 14. Jahrhundert angehört. Das 'Buch von güter spise' steht alsomit Abstand am Anfang der deutschsprachigen Kochbuchtradition.Erst ein halbes Jahrhundert später wurde das sogenannte 'Alemannische

Büchlein von guter Speise' aufgezeichnet, dessen Handschrift ebenfalls inMünchen, allerdings in der Bayerischen Staatsbibliothek, liegt. Der erstenamentlich bekannte Kochbuchautor ist Meister Hannsen, der sich desvon Wirtenberg koch nennt, also in den Diensten eines Herzogs vonWürttemberg stand. Sein Werk ist in einer Handschrift aus dem Jahr 1460überliefert. Auch Meister Eberhard, der zweite Kochbuchautor, der seinenNamen preisgibt, war fürstlicher Mundkoch: er arbeitete für Herzog Hein-rich Ill, von Bayern-Landshut, schrieb also in der ersten Hälfte des 15.Jahrhunderts; aber erst in einer Abschrift aus der Zeit um 1495 ist seineRezeptsammlung erhalten. Zu den Kochbüchern aus dem 15. Jahrhundertgehören auch das nach seinem Herkunftsort, dem Kloster Mondsee, be-nannte 'Mondseer Kochbuch', ferner das Kochbuch aus dem Wiener Doro-theen-Kloster und das Grazer Kochbuch, um nur einige zu nennen.Die anonym überlieferten Kochbücher des 15. Jahrhunderts stammen

mit einer einzigen Ausnahme aus dem Süden und Südosten des (damali-gen) Deutschen Reiches! - ein kulinarisches Gefälle, das ja lange Zeitandauern sollte und erst in jüngster Zeit abgebaut werden konnte.Im europäischen Kontext steht das 'Buch von güter spise' zwar, was

seinen Entstehungstermin angeht, nicht an der Spitze, aber es fügt sich einin die erste große Welle der Kochbuchliteratur. Erste Spuren dieser Wellesind in Fragmenten eines für Edward I. [reg. 1272-1307) geschriebenenKochbuchs und in einem dänischen Kochbuch aus dem 13. Jahrhundert zuerkennen, das auch ins Norwegische und Isländische übersetzt wurde. InCatalonien entstand 1324, also gut ein Viertel Jahrhundert vor dem 'Buch

I Berlin, Staatsbibliothek Preuß. Kulturbes. Ms.germ. fol. 244; außerdem zwei einzelneRezepte in der Salzburger Handschrift M I 89. Vgl. HIEAIT, LAMBERT, LAURIOUX,PRENTKI in der Literaturliste.1 Auch in der Badischen Landesbibliothek in Karlsruhe liegt eine Kochbuchhandschrift

aus dem 15. Jahrhundert, die ich demnächst zusammen mit meinen Studenten edierenwerde.

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----------------~~--------------von güter spise', das 'Libre de Sent Sovi'. Vielleicht auch schon um dieseZeit kursierte in Frankreich ein Kochbuch mit dem TitelLe Viandier', dasEnde des 14. Jahrhunderts mit dem Namen Taillevents, des berühmtenHo£kochs des französischen Königs Charles V., verbunden wurde. FürRichard Ill. von England wurde 1390 das Kochbuch 'Form of Cury' ge-schrieben; schon 1381war auf der Insel ein anderes Kochbuch kompiliertworden, die sogenannte 'Ancient Cookery'.Von all diesen Kochbüchern unbeeinflußt blieb das 'Buch von güter

spise'. Es gibt noch keinen breiten internationalen Austausch von Gerich-ten und Rezepten im 14. Jahrhundert. Und: Frankreich ist auch noch nichtdas große Vorbild. Das wird es erst im 16. Jahrhundert, nachdem es selbsterhebliche Anleihen bei der norditalienischen Küche gemacht hat.

5. Was sagt das 'Buch von guter spise'über den Geschmack und die Eßgewohnheiten

seiner Zeit aus?In kaum einer Branche wird so ungeniert abgeschrieben wie in der

Kochbuchbranche. Das ist nicht erst heute so, das war auch schon so,nachdem das 'Buch von güter spise' das Licht der Welt erblickt hatte. Das'Mondseer Kochbuch' teilt 86 Rezepte mit dem 'Buch von güter spise', das'Wiener Kochbuch' aus dem Dorotheen-Kloster hat 48 Rezepte gemein-sam mit dem 'Buch von güter spise'. Auch zwischen anderen Kochbücherndes süddeutschen Raumes und dem 'Buch von güter spise' einerseits sowiezwischen manchen dieser Kochbücher untereinander andererseits beste-hen Rezeptgemeinschaften, so daß man mit einer schriftlichen Tradierungder einmal niedergeschriebenen Rezepte rechnen muß.Das bedeutet natürlich auch, daß Kochrezepte, einmal aufgezeichnet,

ein großes Beharrungsvermögen entwickeln. Und es bedeutet, daß manvon den Rezepten nicht immer unmittelbar auf den Geschmack ihrerSammler schließen kann. Das gilt allerdings wahrscheinlich noch nichtfür die erste dieser Sammlungen, das 'Buch von güter spise', für die wohl

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Page 13: Das Buch von guter o spise - mgh-bibliothek.de0002.pdfehe über die Sieben Freien Künste und dievier Elemente sowie ein Buch über das Pfropfen von Bäumen, das vielleicht identisch

----------------~~--------------noch eine relative Nähe zur Küchenpraxis unterstellt werden darf, weilein nicht allzu langer Vermittlungsweg angesetzt werden muß. DieseRezepte geben daher wohl noch Einblick in die Speisegewohnheiten unddamit den Geschmack der städtischen Oberschicht, die ähnlich dem Adelund der hohen Geistlichkeit, kulturelle Trend-Setter-Funktion hatte. Sielassen Vorlieben für Gerichttypen, Gewürze und Zubereitungsarten er-kennen, und ihre Namen verweisen auf tatsächliche oder vermeintlicheausländische Herkunft.Die beiden Teile des 'Buchs von güter spise' erweisen sich auch hin-

sichtlich der Geschmacksrichtung ihrer Rezepte als recht divergent: Fürdie überwiegend aus Fleischgerichten bestehenden Speisen des erstenTeils wird eine Vielzahl von Gewürzen angegeben, nämlich außer demGrundgewürz Salz auch Honig und Zucker, sowie in abnehmender Häufig-keit: Pfeffer, Safran, Ingwer, Salbei, Petersilie, Anis, Kümmel, Knoblauch,Galgant, Nelken, Zwiebeln (auch Schalotten), Minze, Muskatblüte, Polei-minze, Senf und Zimt. Einige Gerichte werden mit Rosen oder Veilchenzubereitet. Ganz allgemein krut (Kräuter) oder wiittze (Gewürz) werdendagegen nur selten verlangt. Völlig anders sieht das Bild im zweiten Teilaus: bei den Fastenspeisen werden außer Zucker und Honig so gut wiekeine spezifischen Gewürze genannt; nur Galgant, Safran und Pfefferkommen vor, letzterer allerdings in einer der Fleischspeisen. Drei Ge-richte werden mit Veilchen gefärbt bzw. gewürzt. Dieser Befund kann zuzwei verschiedenen Schlüssen führen: Entweder spiegeln die beiden Koch-buchteile zwei unterschiedliche Geschmacksrichtungen wider (pikantund "natürlich"), oder aber der Redaktor der zweiten Rezeptsammlunghielt es nicht für nötig, Angaben über Gewürze zu machen.In beiden Teilsammlungen deuten die Namen einiger Gerichte auf de-

ren fremdländische Herkunft: Im ersten Teil gibt es griechische Hühner,griechischen Reis und heidnische Kuchen, im zweiten Teil heidnischebzw. böhmische Erbsen, ein heidnisches (Kalbs-)Haupt und ein Mus vonJerusalem. Dabei ist es bemerkenswert, daß "heidnisch" und "böhmisch"für den Sammler offenbar austauschbar waren; die Bezeichnung "heid-nisch" darf also nicht mit "orientalisch" gleichgesetzt werden, sondernbedeutet soviel wie "fremdländisch", "östlich". Leider gestattet es deraugenblickliche Stand der Forschung in Sachen "Geschichte der Kulina-

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Page 14: Das Buch von guter o spise - mgh-bibliothek.de0002.pdfehe über die Sieben Freien Künste und dievier Elemente sowie ein Buch über das Pfropfen von Bäumen, das vielleicht identisch

----------------~~--------------rik" noch nicht, zu entscheiden, ob diese Rezepte ihre Herkunftsnamen zuRecht tragen oder ob sie, vielleicht ihrer ungewöhnlichen Zutaten wegen,nur mit exotischen Namen belegt wurden.

6. Welche Bedeutung kann das 'Buch vonguter spise' für uns Heutige haben?

Und mit den Fragen nach den verwendeten Gewürzen oder der Herkunftder Speisen bin ich auch schon bei der Bedeutung angelangt, die das 'Büchvon güter spise' für uns Heutige haben kann.

Die Einteilung der Rezepte nach Fasten- und Fleischspeisen im zweitenTeil der Sammlung, das Fehlen von genauen Mengenangaben oder Garzei-ten, die Vielfalt der Gewürzangaben im ersten, deren fast völliges Fehlenim zweiten Teil des Buches: all das sind Hinweise auf den Wert des 'Büchsvon güter spise' als historische Quelle. Das 'Büch von güter spise' ist eineQuelle ersten Ranges für kulturhistorische Erkenntnisse, für Erkenntnisseder Alltagsgeschichte und der Geschichte der Kulinarik (die in Deutsch-land noch in den Kinderschuhen steckt).

Aber das Buch ist auch eine Herausforderung und eine Chance fürkulinarisch Interessierte: Mit seinen Rezepten bringt es ein Stück sinn-liche Erfahrung des Mittelalters in unsere Zeit, wenn wir es aufzuschlie-ßen verstehen, wenn wir die Rezepte in unsere Sprache übersetzen underproben, was sich aus seinen Kochanleitungen heute machen läßt. Wennman sich auf dieses Experiment einläßt - und ich habe das vor einiger Zeiteinmal getan -, dann entdeckt man fremde und ungewohnte Geschmacks-richtungen: Aal in Weinsud mit Ingwer und Zimt, zum Beispiel lblo. IS)oder Blancmanger, das ist eine Art Frikassee, das aber mit Zucker gewürztund mit Veilchen gefärbt wird. Überhaupt findet man viele Fleisch- undFischgerichte, denen zum Abschluß noch etwas Zucker oder Honig hinzu-gefügt wird. Auf der anderen Seite gibt es kaum Bratensaucen, stattdessenaber Saucen, die meist auf der Basis saurer Trauben oder Äpfel angefertigtwerden und so das Gegengewicht zum leicht gesüßten Hauptgericht hal-ten.Man entdeckt, wenn man die Rezepte durchsieht oder gar nachkocht,

eine kulinarische Welt ohne Kartoffeln, ohne Tomaten, ohne Mais oder

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Page 15: Das Buch von guter o spise - mgh-bibliothek.de0002.pdfehe über die Sieben Freien Künste und dievier Elemente sowie ein Buch über das Pfropfen von Bäumen, das vielleicht identisch

----------------~~--------------Maismehl, ohne grüne Bohnen: all das kam erst nach Kolumbus aus derNeuen Welt zu uns. Man findet eine Geschmackswelt vor, in der Mandelneine zentrale Rolle spielen, die, als Mandelmilch verarbeitet, in der Fa-stenzeit die Milch ersetzen mußten und daher als Grundlage vieler Ge-richte dienten.Ähnlich wie bei einer Reise in feme Länder lernt man nicht nur neue

Geschmackskombinationen kennen, sondern es drängt sich auch die Er-kenntnis auf, daß auch der Geschmack, so subjektiver uns auch erscheint,überindividuell epochengebunden ist und historischem Wandel unter-liegt.Das Faksimile des 'Buches von güter spise' macht daher dem historisch

oder kulinarisch Interessierten nicht nur mittelalterliche Rezepte zugäng-lich und eröffnet, wenn man seine Rezepte in die heutige Sprache über-setzt und sie nachzukochen versucht, einen sinnlichen Zugang zu einerlängst versunkenen Epoche. Es ermöglicht als historische Quelle auchEinsichten in die Historizität unserer Alltagswelt.

Literatur

Das buoch von guoter spise. Abbildungen zur Überlieferung des ältesten deutschen Koch-buchs. Eingel. u. hrsg. v. Cerold HAYER. Cöppingen 19761= Litterae 45).

Daz büch von güter spise. Aus der Würzburg-Münchner Handschrift neu hrsg. v. HansHAJEK. Berlin 1958 (= Texte des späten Mittelalters 8). (Vg!. dazu die sehr kritischeRezension: Emil PLOSS: Zu Daz büch von güter spise. In: ZfdPh 78/1959, S. 105-107.)

EHLERT, Trude: Das Kochbuch des Mittelalters. Rezepte aus alter Zeit, eingeleitet, erläutertund ausprobiert von Trude Ehlert. Zürich, München [Artemis-Verlag] 1990.2. Aufl. 1990.3. Aufl. 1991. [Enthält eine Einführung in mittelalterliche Emährungsgewohnheiten, Diä-tetik, Kochbuchüberlieferung sowie weiterführende Literaturangaben)

EHLERT, Trude: "Nehmet ein junges Hun, ertränckets mit Essig". Zur Syntax spätmittelal-terlicher Kochbücher.ln: Essen und Trinken in Mittelalter und Neuzeit. Hrsg. v. IrmgardBitsch, Trude Ehlert, Xenja von Ertzdorff. Sigmaringen 1987, S. 261-276.

EHLERT, Trude: Wissensvermittlung in deutschsprachiger Fachliteratur des Mittelalters,oder: Wie kam die Diätetik in die Kochbücher? In: Würzburger medizinhistorische Mittei-lungen 8/1990, S. 137-159.

EHLERT, Trude: Zum Funktionswandel der Gattung Kochbuch in Deutschland. In: Kultur-thema Essen. Ansichten und Problemfelder. Hrsg. v. Alois Wierlacher, Cerhard Neumannu. Hans [ürgen Teuteberg. Berlin 19931= Kulturthema Essen 1), S. 319-341.

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Page 16: Das Buch von guter o spise - mgh-bibliothek.de0002.pdfehe über die Sieben Freien Künste und dievier Elemente sowie ein Buch über das Pfropfen von Bäumen, das vielleicht identisch

----------------~~--------------FOUQUET, Gerhard: Das Festmahl in den oberdeutschen Städten des Spätmittelalters. In:

Archiv f. kulturgesch. 74/1992, S. 83-123.

HIEATf, Constance B., Carole LAMBERT, Bruno LAURIOUX, Alix PRENTKI: Repertoiredes manuscrits medievaux con tenant des recettes culinaire. In: Du manuscrit a la table.Essais sur la cuisine au Moyen Age et Repertoire des manuscrits medievaux contenant desrecettes culinaires. Sous la direction de Carole LAMBERT. Montreal (Les Presses deI'Universite], Paris [Champion-Slatkine] 1992, S. 315-379.

KEYSER, Peter: Michael de Leone (gest. 1355) und seine literarische Sammlung. Würzburg1966 (= Veröffentlichungen der Gesellschaft für fränkische Geschichte, Reihe IX, Bd. 21).

LAURIOUX, Bruno: Le Moyen Age a table. Paris (Adam Biro] 1989. Deutsch: Tafelfreuden imMittelalter. Kulturgeschichte des Essens und Trinkens in Bildern und Dokumenten. Stutt-gart [Belser] 1992.

LEMMER, Manfred u. Eva-Luise SCHULTZ: Die lere von der kocherie. Von mittelalterli-chem Kochen und Speisen. Hrsg. v. Leipzig (Insel-Verlag) 1980.(Enthält eine Auswahl aus dem 'Büch von güter spise', aus dem alemannischen Büchleinvon guter Speise, aus einem alemannischen Bruchstück und aus Meister Hannsens Koch-buch mit Übersetzung und eine gute Einführung)

Manger et boire au Moyen Age. Actes du Colloques de Nice 15-17 Octobre 1982. Nice 1984(= Publications de la Faculte des Lettres et Sciences humaines de Nice, No. 27, Iere Serie).2 Bde.

Nourriture. Nov. 1983 der Zeitschrift MEDIEVALES, langue, textes, histoire. Revue seme-strielle. Centre de Recherche, Univ. Paris vrn.

SEIFERT, Traudl, Ute SAMETSCHEK: Die Kochkunst in zwei Jahrtausenden. München o.J.(19791).

WINTER, Johanna Maria van: Kochkultur und Speisegewohnheiten spätmittelalterlicherOberschichten. In: Adelige Sachkultur. Int. Kongreß Krems a. d. Donau 1980. Wien 1982t= Sb. der Österr. Akad. d. Wiss. Phil.-hist. Kl. 400) (= Veröffentlichungen des Instituts f.Realienkunde Österreichs 5), S. 214-257.

WlSWE, Hans: Kulturgeschichte der Kochkunst. Kochbücher und Rezepte aus zwei Jahrtau-senden m. einem lexikalischen Anhang zur Fachsprache v. Eva HEPP. München 1970.

Dr. nude Ehlert, M.A.ist Professor für Mediävistik an der Universität Karlsruhe.

Herausgegeben von Tupperware Deutschland, Premark GmbH, Frankfurt.

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