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TREFFPUNKT FORSCHUNG | Während sich erwachsene Amei- sen überwiegend von süßen Säften wie Nektar oder dem von Blattläu- sen erzeugten Honigtau ernähren, benötigen sie für die Aufzucht ih- rer Larven proteinreiche Nahrung. Dabei nutzen sie unterschiedliche Nahrungsquellen: Neben räuberi- schen Arten und Sammlern von Pflanzensamen gibt es Pilzzüchter, die pflanzliches Material oder kleine Tierkadaver als Substrat für die symbiontischen Pilze eintragen und deren proteinreiche Hyphen als Nahrung für ihren Nachwuchs abernten. Bei den gesammelten Pflanzenteilen handelt es sich meistens um abgestorbenes Mate- rial. Eine Sonderstellung unter den Pilzzüchtern nehmen die Blatt- schneiderameisen ein, die frisch geerntetes grünes Pflanzenmaterial eintragen. Dadurch sind ihre sym- biontischen Pilze mit den phenoli- schen Sekundärmetaboliten kon- frontiert, mit denen sich Pflanzen vor Herbivoren und phytopathoge- nen Pilzen schützen. Diese aggres- siven Abwehrstoffe, beispielsweise Flavonoide und Tannine, können hydrolytische Enzyme ausfällen und so die Verdauung bei Herbivo- ren beziehungsweise das Wachs- tum von Pilzen hemmen. Im Ge- genzug produzieren die Symbion- ten der Blattschneiderameisen besonders große Mengen von Phenoloxidasen, so genannte Laccasen, mit deren Hilfe sie die Pflanzenabwehrstoffe entgiften. Bezüglich dieser Enzymausstattung ähneln die Symbionten von Blatt- schneiderameisen (Atta und Acro- myrmex spp) eher phytopathoge- nen Pilzen, deren Laccasen bei der Infektion des Wirts das Eindringen in das Pflanzengewebe erleichtern. Weniger Ähnlichkeit zeigte sich zu den Symbionten von Laubstreu sammelnden Ameisen oder zu frei lebenden Saprophyten, die wesentlich weniger Laccasen produzieren [1]. Im Genom des Pilzes Leucoco- prinus gongylophorus, der von der Blattschneiderameise Acro- myrmex echinatior kultiviert wird, fanden sich neun für Lacca- sen codierende Gene. Eines davon, LgLcc1, wurde spezifisch vor allem in den Enden der Pilzhyphen, den so genannten Gongylidien, expri- miert. Diese werden von den Ameisen bevorzugt geerntet und auch von den erwachsenen Arbei- terinnen gefressen. Bemerkens- wert ist, dass genau diese Laccase den Darm der Ameisen unbescha- det passieren kann, sodass im Kot der Ameisen nach dem Verzehr von Gongylidien enzymatische Aktivität und zur Gensequenz pas- sende Peptide nachweisbar sind. Davon profitiert die Ameise ver- mutlich in doppelter Hinsicht: Zu- nächst kann die Laccase aus zuvor gefressenen Pilzhyphen die Blatt- schneiderameisen vor den aggres- siven Phenolen schützen, die beim Ernten und mechanischen Zerklei- nern der Blätter durch Kauen frei- gesetzt werden. Und sobald die zerkleinerte Blattmasse an der Peri- pherie der Pilzkultur deponiert wird, kann die gleichzeitig mit einem Kottropfen abgesetzte Lac- case mit der Entgiftung der Phe- nole im Kultursubstrat beginnen, noch bevor dieses von den aus- wachsenden Pilzhyphen besiedelt wird. Dieser Enzymtransfer ist hoch effizient, sodass die Laccase- aktivität auf den frisch eingetrage- nen Blättern höher ist als im my- celreichen Zentrum der Pilzkultur. Mit dem Kot werden übrigens bei allen Pilzzüchtern auch Zellwände abbauende Pektinasen übertragen und so die enzymatische Zerset- zung der frisch eingetragenen Blattmasse eingeleitet [1]. Erfolgreiches Gärtnern im Ameisennest Man vermutet, dass die Blattschnei- derameisen durch ihre spezielle Art der Pilzkultur besonders erfolg- reich sind, denn ihre Kulturen wachsen besonders schnell und die Individuenzahlen ihrer Völker liegen um Größenordnungen über denen anderer Pilzzüchter. Dabei kommt der Entgiftungsfunktion der verdauungsresistenten Laccase 70 | Biol. Unserer Zeit | 2/2013 (43) www.biuz.de © 2013 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim ÖKOLOGIE Das Erfolgsrezept der Blattschneiderameisen Die Anlage von Pilzgärten als protein- und vitaminreiche Nahrungs- quelle ist bei Ameisen weit verbreitet. Die bei dieser Symbiose kultivier- ten Pilze stammen von frei lebenden Saprophyten ab, die frische Pflan- zen wegen ihres hohen Gehalts an Abwehrstoffen schlecht verwerten können. Blattschneiderameisen gelang es dennoch, diese Nahrungs- quelle für ihre Pilze zu erschließen: Sie verbessern die Bekömmlichkeit der eingetragenen Blätter durch Vorbehandlung mit einem besonders stabilen, mit dem Kot übertragenen Entgiftungsenzym des Pilzes, einer Laccase. Solche Phenoloxidasen mit breiter Substratspezifität gehören neuerdings zum Repertoire der umweltfreundlichen grünen Chemie im Biotechnologiesektor. ABB. Blattschneiderameisen (Atta colombica) benutzen ihre Mandibeln als Schneidewerkzeug. Bild: Henrik H. de Fine Licht, Lund/Schweden.

Das Erfolgsrezept der Blattschneiderameisen

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Page 1: Das Erfolgsrezept der Blattschneiderameisen

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Während sich erwachsene Amei-sen überwiegend von süßen Säftenwie Nektar oder dem von Blattläu-sen erzeugten Honigtau ernähren,benötigen sie für die Aufzucht ih-rer Larven proteinreiche Nahrung.Dabei nutzen sie unterschiedlicheNahrungsquellen: Neben räuberi-schen Arten und Sammlern vonPflanzensamen gibt es Pilzzüchter,die pflanzliches Material oderkleine Tierkadaver als Substrat fürdie symbiontischen Pilze eintragenund deren proteinreiche Hyphenals Nahrung für ihren Nachwuchsabernten. Bei den gesammeltenPflanzenteilen handelt es sichmeistens um abgestorbenes Mate-rial.

Eine Sonderstellung unter denPilzzüchtern nehmen die Blatt-schneiderameisen ein, die frischgeerntetes grünes Pflanzenmaterialeintragen. Dadurch sind ihre sym-biontischen Pilze mit den phenoli-schen Sekundärmetaboliten kon-frontiert, mit denen sich Pflanzenvor Herbivoren und phytopathoge-nen Pilzen schützen. Diese aggres-siven Abwehrstoffe, beispielsweiseFlavonoide und Tannine, könnenhydrolytische Enzyme ausfällenund so die Verdauung bei Herbivo-ren beziehungsweise das Wachs-tum von Pilzen hemmen. Im Ge-genzug produzieren die Symbion-ten der Blattschneiderameisenbesonders große Mengen von

Phenoloxidasen, so genannte Laccasen, mit deren Hilfe sie diePflanzenabwehrstoffe entgiften.Bezüglich dieser Enzymausstattungähneln die Symbionten von Blatt-schneiderameisen (Atta und Acro-myrmex spp) eher phytopathoge-nen Pilzen, deren Laccasen bei derInfektion des Wirts das Eindringenin das Pflanzengewebe erleichtern.Weniger Ähnlichkeit zeigte sich zu den Symbionten von Laubstreusammelnden Ameisen oder zu frei lebenden Saprophyten, die wesentlich weniger Laccasen produzieren [1].

Im Genom des Pilzes Leucoco-prinus gongylophorus, der vonder Blattschneiderameise Acro-myrmex echinatior kultiviertwird, fanden sich neun für Lacca-

sen codierende Gene. Eines davon,LgLcc1, wurde spezifisch vor allemin den Enden der Pilzhyphen, denso genannten Gongylidien, expri-miert. Diese werden von denAmeisen bevorzugt geerntet undauch von den erwachsenen Arbei-terinnen gefressen. Bemerkens-wert ist, dass genau diese Laccaseden Darm der Ameisen unbescha-det passieren kann, sodass im Kotder Ameisen nach dem Verzehrvon Gongylidien enzymatische Aktivität und zur Gensequenz pas-sende Peptide nachweisbar sind.Davon profitiert die Ameise ver-mutlich in doppelter Hinsicht: Zu-nächst kann die Laccase aus zuvorgefressenen Pilzhyphen die Blatt-schneiderameisen vor den aggres-siven Phenolen schützen, die beimErnten und mechanischen Zerklei-nern der Blätter durch Kauen frei-gesetzt werden. Und sobald diezerkleinerte Blattmasse an der Peri-pherie der Pilzkultur deponiertwird, kann die gleichzeitig mit einem Kottropfen abgesetzte Lac-case mit der Entgiftung der Phe-nole im Kultursubstrat beginnen,noch bevor dieses von den aus-wachsenden Pilzhyphen besiedeltwird. Dieser Enzymtransfer isthoch effizient, sodass die Laccase-aktivität auf den frisch eingetrage-nen Blättern höher ist als im my-celreichen Zentrum der Pilzkultur.Mit dem Kot werden übrigens beiallen Pilzzüchtern auch Zellwändeabbauende Pektinasen übertragenund so die enzymatische Zerset-zung der frisch eingetragenenBlattmasse eingeleitet [1].

Erfolgreiches Gärtnern im AmeisennestMan vermutet, dass die Blattschnei-derameisen durch ihre spezielle Art der Pilzkultur besonders erfolg-reich sind, denn ihre Kulturenwachsen besonders schnell unddie Individuenzahlen ihrer Völkerliegen um Größenordnungen überdenen anderer Pilzzüchter. Dabeikommt der Entgiftungsfunktion derverdauungsresistenten Laccase

70 | Biol. Unserer Zeit | 2/2013 (43) www.biuz.de © 2013 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

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Das Erfolgsrezept der Blattschneider ameisenDie Anlage von Pilzgärten als protein- und vitaminreiche Nahrungs-quelle ist bei Ameisen weit verbreitet. Die bei dieser Symbiose kultivier-ten Pilze stammen von frei lebenden Saprophyten ab, die frische Pflan-zen wegen ihres hohen Gehalts an Abwehrstoffen schlecht verwertenkönnen. Blattschneiderameisen gelang es dennoch, diese Nahrungs-quelle für ihre Pilze zu erschließen: Sie verbessern die Bekömmlichkeitder eingetragenen Blätter durch Vorbehandlung mit einem besondersstabilen, mit dem Kot übertragenen Entgiftungsenzym des Pilzes, einerLaccase. Solche Phenoloxidasen mit breiter Substratspezifität gehörenneuerdings zum Repertoire der umweltfreundlichen grünen Chemie imBiotechnologiesektor.

A B B . Blattschneiderameisen (Attacolombica) benutzen ihre Mandibelnals Schneidewerkzeug. Bild: Henrik H.de Fine Licht, Lund/Schweden.

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S C H Ü L E R-W E T T B E W E R B

Biologie ist olympisch!Die Internationale BiologieOlympiade (IBO) geht in die diesjährigeerste Runde und lädt erneut interessierte Schülerinnen und Schüler ein,ihre Kräfte abseits von Sandbahnen und Stoppuhren zu messen. Weres bis ins deutsche Team schafft, darf Deutschland 2014 in Bali vertre-ten. Die IBO wurde 1989 von sechs Nationen gegründet und mittler-weile nehmen über 60 Länder teil. Sie ist ein jährlich wiederkehrenderSchülerwettbewerb, der der Förderung biologisch interessierter und talentierter Schülerinnen und Schüler insbesondere der Sekundar-stufe II dient. Der Wettbewerb wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) finanziert.

Ziele des Wettbewerbes sind, akti-ves Interesse an biologischen Ar-beiten und kreatives Denken beimLösen biologischer und ökologi-scher Fragestellungen zu fördern,Kontakte zwischen biologisch be-sonders interessierten Schülerin-nen und Schülern herzustellen undfreundschaftliche Beziehungenzwischen jungen Menschen ver-schiedener Länder zu entwickeln,um dadurch zur internationalenZusammenarbeit und zum Ver-ständnis verschiedener Nationenbeizutragen. Wer kann teilnehmen?Mitmachen können alle Jugendli-chen, die im Jahr der IBO eine wei-terführende Schule besuchen, in

der Regel Schülerinnen und Schü-ler der Sek. II, die nicht älter als 20 Jahre sind. Was kann man erreichen? In jeder erreichten Runde Urkun-den, in der 3. Runde Büchergut-scheine oder Forschungspraktikaim Ausland, in der 4. Runde Geld-preise (500 1) oder die Förderungder Studienstiftung. Was geschieht in der 1. Runde? Die Aufgaben zur 1. Runde dürfenmit Fachliteratur zu Hause bearbei-tet werden. Für die Qualifikationzur 2. Runde muss man nicht alleAufgaben richtig gelöst haben. Wie melde ich mich an? DerAuswahlwettbewerb zur IBO wirdüber das Online-Anmelde- und Be-

Weitere Informa-tionen und die Auf-gaben der erstenRunde im Internetunter www.biolo-gieolympiade.de

möglicherweise eine Schlüsselfunk-tion zu. Deren Gensequenz weistbei L. gongylophorus im Vergleichzu den Laccasen zweier Symbion-ten von Laubstreu sammelndenAmeisen mehrere Veränderungenauf, die sich auf die Enzymstrukturaußerhalb des aktiven Zentrumsauswirken und vermutlich seineStabilität während der Darmpas-sage verbessern. Demnach könnendie Laccasen der Symbionten vonPilzzüchtern als Präadaptation an-gesehen werden: Durch Mutationund Selektion haben sie im Verlaufder Evolution an Stabilität gewon-nen und so letztendlich die auf frischem Blattmaterial basierendePilzkultur ermöglicht.

Wie die Laccasen phenolischeSubstanzen entgiften, interessiertauch die biotechnologischen For-schungsdisziplinen, da pflanzlichePhenole unspezifisch den Stoff-wechsel vieler Mikroorganismenhemmen und deshalb Fermentati-onsprozesse wie die Produktionvon Bioethanol aus Holzhäckselnoder die biologische Reinigungvon Industrieabwässern beein-trächtigen können. Um dem vorzu-beugen, ist der Einsatz von Lacca-sen besonders attraktiv, denn diesekupferhaltigen Flavinenzyme oxi-dieren ein breites Spektrum unter-schiedlicher phenolischer Substan-zen zu Radikalverbindungen, die inFolgereaktionen – beispielsweise

durch Polymerisation – zu wenigertoxischen Produkten reagieren [2].Als harmloses Nebenprodukt fälltlediglich Wasser an. Eine weitereEinsatzmöglichkeit von Laccasenist die chlorfreie Bleiche von Zell-stoff bei der Papierherstellung,wobei unter anderem auch die mechanischen Eigenschaften derFasern verbessert werden können[3].

[1] H. D. de Fine Licht et al., Proc. Natl. Acad.Sci. U.S.A. 2012, 110, 583–587.

[2] S. Riva, Trends Biotechnol. 2006, 24,219–226.

[3] A. P. Virk, P. Sharma, N. Capalash, Biotech-nol. Progr. 2012, 28, 21–32.

Annette Hille-Rehfeld, Stuttgart

wertungsverfahren der Science-Olympiaden koodiniert. Schülerin-nen und Schüler, die erstmals ander BiologieOlympiade teilnehmenmöchten, sowie die betreuendenLehrkräfte können sich über dasOnlineportal registrieren und da-bei direkt zur 1. Runde des Wett-bewerbs anmelden. Wer bereitsaus dem Vorjahr oder durch dieTeilnahme an einem anderen Wett-bewerb der ScienceOlympiadenfür das Portal registriert ist, kannsich mit seinem persönlichen Nutzer-Code und Passwort direktfür die BiologieOlympiade anmel-den.Wer prüft die Ergebnisse? Ein Biofachlehrer an der Schulekorrigiert die Arbeit der 1. Rundeund meldet die Ergebnisse unterVerwendung des Ergebnismelde-bogens bzw. unter Angaben allererforderlichen Daten bis zum vor-gegebenen Stichtag an den Landes-beauftragten. Der Stichtag ist in je-dem Bundesland unterschiedlich.Der Landesbeauftragte meldet die Ergebnisse schließlich an dasLeibniz-Institut für die Pädagogikder Naturwissenschaften und Mathematik in Kiel (IPN), das den nationalen Wettbewerb orga-nisiert.