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insel taschenbuch 4001 Das geheime Buch der Frida Kahlo Roman Bearbeitet von Maria Hoffmann-Dartevelle, Francisco Haghenbeck Deutsche Erstausgabe 2010. Taschenbuch. 278 S. Paperback ISBN 978 3 458 35701 8 Format (B x L): 11,9 x 19 cm Gewicht: 295 g schnell und portofrei erhältlich bei Die Online-Fachbuchhandlung beck-shop.de ist spezialisiert auf Fachbücher, insbesondere Recht, Steuern und Wirtschaft. Im Sortiment finden Sie alle Medien (Bücher, Zeitschriften, CDs, eBooks, etc.) aller Verlage. Ergänzt wird das Programm durch Services wie Neuerscheinungsdienst oder Zusammenstellungen von Büchern zu Sonderpreisen. Der Shop führt mehr als 8 Millionen Produkte.

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insel taschenbuch 4001

Das geheime Buch der Frida Kahlo

Roman

Bearbeitet vonMaria Hoffmann-Dartevelle, Francisco Haghenbeck

Deutsche Erstausgabe 2010. Taschenbuch. 278 S. PaperbackISBN 978 3 458 35701 8

Format (B x L): 11,9 x 19 cmGewicht: 295 g

schnell und portofrei erhältlich bei

Die Online-Fachbuchhandlung beck-shop.de ist spezialisiert auf Fachbücher, insbesondere Recht, Steuern und Wirtschaft.Im Sortiment finden Sie alle Medien (Bücher, Zeitschriften, CDs, eBooks, etc.) aller Verlage. Ergänzt wird das Programmdurch Services wie Neuerscheinungsdienst oder Zusammenstellungen von Büchern zu Sonderpreisen. Der Shop führt mehr

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Leseprobe

Haghenbeck, Francisco

Das geheime Buch der Frida Kahlo

Roman

Aus dem Spanischen von Maria Hoffmann-Dartevelle

© Insel Verlag

insel taschenbuch 4001

978-3-458-35701-8

Insel Verlag

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Als Frida ein kleines schwarzes Notizbuch geschenkt bekommt, ahnt sie nochnicht, wof�r sie es eines Tages bençtigen wird. Auf der ersten Seite steht die Wid-mung: »Hab den Mut zu leben, denn sterben kann jeder.« Und Frida hat Mut. Sietrotzt den vielen persçnlichen R�ckschl�gen und nimmt sich vom Leben, was siewill. Doch Frida lebt geborgte Tage. Ihr schmerzender Kçrper erinnert sie stetsan ein Geheimnis, das sich in ihrem Notizbuch offenbart: Vor Jahren schloss sieeinen Pakt mit einer geheimnisvollen Gestalt, die sie fortan begleitet, bis einesTages der Zeitpunkt einer letzten Zusammenkunft bevorsteht . . .Das geheime Buch der Frida Kahlo ist ein fesselnder Roman, der die geheim-nisvolle Seite des extremen Lebens der K�nstlerin schildert, aber auch ein kuli-narischer Roman, mit vielen raffinierten, persçnlichen Kochrezepten von FridaKahlo.

Francisco Haghenbeck, geboren 1965 in Mexiko-Stadt, studierte Architektur ander Universit�t La Salle, ist Autor mehrerer erfolgreicher Romane und Dreh-b�cher und Gr�nder eines eigenen Comic-Verlags.

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insel taschenbuch 4001Francisco Haghenbeck

Das geheime Buch der Frida Kahlo

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Francisco Haghenbeck

Das geheime Buch derFrida Kahlo

RomanAus dem Spanischen von

Maria Hoffmann-Dartevelle

Insel Verlag

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Die Originalausgabe erschien 2009 unter dem TitelHierba Santa bei Editorial Planeta Mexicana.

� Francisco Haghenbeck 2009Umschlagfotos: Nickolas Muray, Frida Kahlo

mit magentarotem Schal (Detail), 1939,� Nickolas Muray Photo Archives;

Sascha Wuillemet, Fr�chtestilleben (Detail)

insel taschenbuch 4001Erste Auflage 2010

Deutsche Erstausgabe� Insel Verlag Berlin 2010Insel Taschenbuch Verlag

Alle Rechte vorbehalten, insbesondere das des çffentlichen Vortragssowie der �bertragung durch Rundfunk und Fernsehen,

auch einzelner Teile.Kein Teil des Werks darf in irgendeiner Form

(durch Fotografie, Mikrofilm oder andere Verfahren)ohne schriftliche Genehmigung des Verlages

reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systemeverarbeitet, vervielf�ltigt oder verbreitet werden.

Umschlag: HildenDesign, M�nchen, www.hildendesign.deSatz: H�mmer GmbH, Waldb�ttelbrunn

Druck: CPI – Ebner & Spiegel, UlmPrinted in Germany

ISBN 978-3-458-35701-8

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In Zuneigung f�r Luis und Susy,denen es gelungen ist, dem Leben

Leidenschaft zu entlocken

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Das geheime Buch der Frida Kahlo

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Fridas verschollenes Buch

Zu Frida Kahlos persçnlichen Gegenst�nden gehçrte auch ein klei-nes, schwarzes Buch, das sie »Das Wunderkrautbuch« nannte. Esenthielt eine Sammlung von Kochrezepten zur Zubereitung der Op-ferspeisen f�r den Totenaltar, welchen sie jedes Jahr am Totentag,dem »Dı́a de los Muertos«, errichtete. Denn gem�ß der mexikani-schen Tradition erhalten die Toten am 2. November die gçttlicheErlaubnis, die Erde zu besuchen. Dort sollen sie mit einem Altarempfangen werden, auf dem sich allerlei Gaben und schm�ckendeDinge befinden: Cempasfflchil-Blumen, s�ße Brote, Fotografien vol-ler wehm�tiger Erinnerungen, Heiligenbildchen, mystischen Duft ver-strçmende R�ucherst�bchen, originell verzierte Totenkçpfe aus Zu-ckerguss, Kerzen, die den Weg zur�ck ins Jenseits leuchten, und dieLeibspeisen des Verstorbenen. Als das B�chlein zwischen den Ge-genst�nden auftauchte, die das Museum in der Calle de Londres imschçnen Viertel Coyoac�n beherbergt, erkannte man seinen beson-deren Wert und beschloss, es aus Anlass von Fridas Geburtstag imRahmen der großen, ihr zu Ehren im Palacio de Bellas Artes ver-anstalteten Ausstellung erstmals zu pr�sentieren. Seine Existenz be-st�tigte, mit wie viel Leidenschaft und Hingabe sie ihre ber�hmtenTotenalt�re errichtet hat.

Am Tag der Ausstellungserçffnung verschwand das Buch.

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Kapitel I

Diese Julinacht war nicht wie so viele andere. Der Regen hatte sichin einer Ecke zusammengekauert und dem schwarzen Schleier einesungetr�bten Sternenhimmels ohne schmutzige Wolken, die sich tr�-nenreich �ber den Einwohnern der Stadt entladen h�tten, den Vor-tritt gelassen. Nur ein leiser Wind pfiff wie ein spielendes Kind zwi-schen den B�umen im Garten eines pr�chtigen blauen Hauses, dasin der warmen Sommernacht schlummerte.In ebendieser ruhigen Nacht hallte in allen Winkeln des DorfesCoyoac�n ein gleichm�ßiges Klopfen wider. Es kam von den klap-pernden Hufen eines Pferdes, das �ber das Pflaster trabte. An jederStraßenecke warfen die H�user mit ihren hohen Ziegeld�chern dasEcho seiner Hufschl�ge zur�ck, um den Bewohnern die Ankunfteines merkw�rdigen Besuchers anzuk�ndigen.Von Neugier erfasst, denn Mexiko war mittlerweile eine moderneStadt, die archaische Fabeln und Dorflegenden weit hinter sich ge-lassen hatte, unterbrachen die Einwohner von Coyoac�n ihr Abend-essen, um durch einen Torspalt zu blinzeln. Draußen entdeckten sieden r�tselhaften Reitersmann, dem ein Luftzug »wie von Geisternund Toten« folgte. Ein Hund warf sich dem geheimnisvollen Reitermit w�tendem Gebell entgegen, das schçne weiße Ross aber ließ sichnicht aus der Ruhe bringen, und schon gar nicht der Mann, der aufihm saß: ein finsterer Geselle, �ber dessen braunem Rock sich zweiprall gef�llte Patronengurte kreuzten. Ein Sombrero, so groß wieeine Kirchenkuppel, saß ihm tief in der Stirn und verdunkelte seinGesicht. Nur zwei gl�nzende, durchdringende Augen ließen sichzwischen den Schatten seiner Z�ge erahnen und ein voller Schnurr-bart, der ihm zu beiden Seiten �ber die Wangen hinausragte. Als ervorbeigeritten kam, verschlossen die Alten ihre T�ren doppelt, scho-ben Riegel und h�ngten Ketten davor, so tief saß ihre Furcht in Er-

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innerung an die Revolution, als Besucher wie dieser Verw�stungund Zerstçrung ins Dorf getragen hatten.An der Ecke der Calle Londres, vor einem Haus, dessen indigoblaueFassadevonseinerBesonderheit k�ndete, brachtederReiter seinPferdzum Stehen. Die großen Fenster neben der T�r sahen aus wie riesigeAugenlider. Das Pferd wurde nervçs, beruhigte sich aber, als der Rei-ter absaß und ihm liebevoll den Hals t�tschelte. Nachdem er Hut undPatronengurte zurechtger�ckt hatte, ging er entschlossenen Schrit-tes zum Tor und zog an der Glockenschnur. Augenblicklich erhellteein elektrisches Licht den Eingang des großen Hauses und scheuchteeinen Schwarm Insekten auf, die rings um die Lichtquelle ihr Unge-st�m in die Nacht summten. Als Chucho, der unentbehrliche Dienst-bote eines jeden ehrw�rdigen Hauses, seinen Kopf zum Tor heraus-streckte, blickte der Besucher ihm fest in die Augen und trat einenSchritt vor. Zitternd und nicht ohne sich mehrmals zu bekreuzigen,bat der W�chter ihn herein und betete hastig einige Ave-Marias.Wortlos und mit großen Schritten durchmaß der Besucher die Dieleund gelangte in einen wunderschçnen, mit kunstvoll gezimmertenHolzmçbeln, exotischen Pflanzen und Skulpturen pr�hispanischerGottheiten ausgestatteten Raum. Das Haus war voller Kontraste. Er-innerungen an Schmerz und Freude, vergangene Tr�ume und gegen-w�rtige Triumphe lebten hier beisammen. Jedes Ding erz�hlte vonder Privatwelt seiner Besitzerin, die ihren Besucher in ihrem Zim-mer erwartete.Zwanglos wie jemand, der sich auskennt, lief der Ankçmmling durchalle R�ume. Auf seinem Weg begegnete er einer riesigen Judaspup-pe mit B�ckerschnauzbart, die, statt ihrer Verbrennung am baldi-gen Auferstehungssonntag entgegenzusehen, seiner Besitzerin f�rirgendein Gem�lde Modell stehen musste. Er kam vorbei an Toten-kçpfen aus Zuckerguss, die ihm mit ewig gl�cksvers�ßter Miene zu-l�chelten, ließ die aztekischen Grabfiguren hinter sich sowie die B�-chersammlung mit Werken von revolution�rem Gedankengut. Erdurchquerte das Wohnzimmer, das K�nstler beherbergt hatte, dieein Land, und politische F�hrer, die die Welt ver�ndert hatten, hieltnirgends inne, weder um sich die Familienfotos der fr�heren Haus-

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bewohner anzuschauen noch die farbenfrohen Gem�lde, die ihmentgegensprangen wie ein von einem dunstigen Mezcal berauschterRegenbogen, bis er das holzvert�felte Esszimmer erreichte, das sichzur�cksehnte nach unbeschwertem Gel�chter und l�rmenden Freun-desrunden.Das Blaue Haus war ein Ort, an dem Freunde und Bekannte gernempfangen wurden, und der Reiter ein alter Bekannter der Haus-herrin, weshalb die Kçchin Eulalia bei seinem Anblick in die pracht-voll geflieste K�che eilte, um eine Kleinigkeit zu essen und Getr�nkevorzubereiten. Von all den R�umen des Hauses war die K�che daspulsierende Herz, das ein lebloses Geb�ude in ein lebendiges Wesenverwandelte. Mehr als nur Wohnstatt bedeutete das Blaue Haus sei-ner Herrin Heiligtum, Zuflucht und Altar. Das Blaue Haus war Frida.Dort bewahrte sie die Erinnerungen an ihr Leben auf. Es war ein Ort,an dem Portr�ts von Lenin, Stalin und Mao Tse Tung selbstverst�nd-lich neben l�ndlichen Altarbildern der Jungfrau von Guadalupe hin-gen. Fridas gusseisernes Bett flankierten eine riesige SammlungPorzellanpuppen, die mehrere Kriege �berlebt hatten, unschuldigekarmesinrote Holzautos, kubistische Ohrringe mit handfçrmigemGeh�nge und silberne Votivgaben zur Preisung der Gunst eines Hei-ligen. Alles sprach von den vergessenen W�nschen jener Frau, diezu einem Leben im Bett verdammt war: Frida, die heilige Schutzpa-tronin der Melancholie, die Frau der Leidenschaft, die Malerin derAgonie, die ans Bett gefesselt blieb, den Blick auf ihre Spiegel ge-richtet, die schweigend darum wetteiferten, wer der als Tehuana oderZapotekin oder als Vertreterin aller mexikanischen Kulturen geklei-deten K�nstlerin das schçnste Bild zur�ckwarf. Am unbarmherzigs-ten von allen war ein an ihrem Betthimmel angebrachter Spiegel,der sie beharrlich mit dem Thema ihres Gesamtwerkes konfrontier-te: mit sich selbst.Als der Fremde das Schlafzimmer betrat, blickte Frida ihm mitschmerzgezeichnetem Gesicht geradewegs in die Augen. Sie wirktemager, abgezehrt und m�de, viel �lter als das halbe Jahrhundert,das hinter ihr lag. Der Blick aus ihren kaffeebraunen Augen kamaus weiter Ferne, verschleiert durch die starken Schmerzmittel, die

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sie sich spritzte, und den Tequila, in dem sie ihre entt�uschte Liebeertr�nkte. Diese Augen, fast vergl�hte Kohlen, die einst feurig ge-lodert hatten, wenn Frida von Kunst, Politik und Liebe gesprochenhatte, waren jetzt fern, traurig und vor allem m�de. Bewegen konntesie sich kaum, ein orthop�disches Korsett beschr�nkte ihre Frei-heit und hielt sie gefangen. Nur ihr eines Bein regte sich, unruhig,auf der Suche nach dem anderen, das man ihr vor wenigen Mona-ten amputiert hatte. Frida betrachtete ihren Besucher und erinnertesich an ihre fr�heren Begegnungen, von denen jede an ein Ungl�ckgekoppelt war. Sehnlichst hatte sie auf dieses Wiedersehen gewar-tet, und als ein starker Duft nach Feldern und feuchter Erde ihrZimmer f�llte, wusste sie, dass der Bote endlich ihrem Ruf gefolgtwar.Der Bote blieb neben ihr stehen und tat nichts weiter, als seinenleuchtenden Blick auf ihren schwachen, gebrochenen Kçrper zu rich-ten. Sie gr�ßten einander nicht, denn alten Bekannten erl�sst manunnçtige Hçflichkeitsbezeigungen. Frida hob nur den Kopf, alsfragte sie, wie es denn dort, wo er herkam, so gehe, und er antworte-te mit einer fl�chtigen Ber�hrung seines breitkrempigen Hutes, wasbedeutete: alles in bester Ordnung. Nun rief Frida �rgerlich nach Eu-lalia und wies sie an, sich um den Besucher zu k�mmern. Ihr Rufklang harsch, derb. Ihr verspielter, ausgelassener Humor aus fr�he-ren Tagen war mit dem amputierten Bein begraben worden, mit denOperationen und den Qualen ihrer Krankheiten zugrunde gegangen.Gallig war jetzt ihr Umgangston.Die Dienstbotin erschien, ein h�bsch gedecktes, blumengeschm�ck-tes Tablett in H�nden, darauf ein mit Vçgeln besticktes Deckchen,auf dem weiße Rosenbl�tter das Wort »Ella« formten: »Sie«. Aufeinem Tischchen neben dem Bett stellte sie die f�r den Besucherbestimmte St�rkung ab: eine Flasche Tequila und einen kleinen Im-biss. Nervçs, da von der Anwesenheit des Mannes beunruhigt, ser-vierte Eulalia den Schnaps in Kristallgl�sern vom gleichen Blauwie das Haus und goss jedem eine Portion Sangrita ein. Danebenstellte sie den frisch zubereiteten Obstsalat sowie einen gebackenenPanela-K�se und mehrere Zitronenviertel. Noch bevor das s�uer-

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liche, zwischen den Gesichtern hin- und herpendelnde L�cheln er-starb, war Eulalia wieder verschwunden.Die Gegenwart des Fremden um diese n�chtliche Stunde trieb Eu-lalia unvermeidliche Schauer �ber die Haut. Noch jedes Mal hattesie dem Rest der Dienerschaft versichert, sie habe seinen Kçrper nie-mals Schatten werfen sehen. Genau wie Chucho betete deshalb auchsie eilig die nçtigen Ave-Marias und Vaterunser, um den bçsen Blickund die Grabesstimmung zu vertreiben.Frida ergriff das Tequilaglas. In der f�r sie typischen Geste zog siedie zusammengewachsenen Augenbrauen hoch und setzte das Glasan die Lippen; teils um den wellenweise ihren Kçrper durchlaufen-den Schmerz zu lindern, teils um ihrem Gast Gesellschaft zu leisten.Der Bote tat es ihr gleich, jedoch ohne die Sangrita zu kosten. Be-dauerlicherweise verschm�hte er auch die H�ppchen, die nach einemRezept zubereitet worden waren, das Diegos erste Ehefrau Lupe derMalerin beigebracht hatte. Frida goss sich ein zweites Glas ein. Eswar nicht das erste an diesem Tag, aber es sollte das letzte ihresLebens sein. Der Alkohol rann durch ihre Kehle und weckte ihrenschl�frigen Geist.»Ich habe dich gerufen, damit du meiner Gevatterin eine Nachricht�berbringst. Ich will unsere Verabredung �ndern. Dieses Jahr wirdes am Totentag keinen Opferaltar geben. Ich will, dass sie morgenkommt. Sag ihr, dass ich auf eine gl�ckliche Reise hoffe und diesmalnicht zur�ckkehren will.«Frida schwieg, um dem Boten Zeit f�r eine Antwort zu geben, dochwie stets kam auch diesmal keine. Obgleich sie noch nie seine Stim-me gehçrt hatte, brannte sie darauf, mit ihm zu sprechen. Er aberheftete nur seine hungrigen Augen auf sie, Augen, die um Land undFreiheit flehten. Er trank seinen letzten Tequila, wie in einem Aktder Solidarit�t, stellte das Glas ab und verließ sporenrasselnd dasZimmer, in dem die K�nstlerin zur�ckblieb mit ihrem Leben, daszerstçrt war wie ihr Knochenger�st. Mit dem Gang eines Gutsauf-sehers schritt der Bote �ber den Hof, durchquerte den Garten, woSittiche und �ffchen kreischten und die Hunde bellten, als sie seineGegenwart bemerkten. Chucho stand am Eingang bereit und hielt

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das Tor offen, und dort verabschiedete sich der Bote mit einem kur-zen Nicken, w�hrend der ver�ngstigte Diener sich çfter bekreuzigteals eine Witwe am Sonntag. Der Bote stieg wieder auf sein weißesPferd, ritt die Straße hinunter und verlor sich in der schwarzblauenNacht.Als Frida hçrte, wie der Klang der Hufe sich im eisigen Wind ent-fernte, umklammerte sie die in schwarze Farbe getauchte Feder fes-ter. Sie kritzelte einen Satz in ihr Tagebuch und verzierte ihn mitkleinen schwarzen Engeln. Mit Tr�nen in den Augen f�hrte sie dieZeichnung zu Ende, klappte das Heft zu und rief abermals nachihrer Kçchin. Dann holte sie ein abgegriffenes schwarzes B�chleinaus dem Nachttisch, ein altes Geschenk aus gl�cklichen Tagen, alssie noch vom Leben tr�umen konnte. Ihre Freundin Tina hatte esihr einige Monate vor ihrer Hochzeit mit Diego geschenkt. Nebenihren Erinnerungen hatte sie als einziges Hochzeitsgeschenk die-ses Heft aufbewahrt. Sie schlug die erste Seite auf und las, unmerk-lich die Lippen bewegend: »Hab Mut zu leben, denn sterben kannjeder.« Dann begann sie langsam und bed�chtig wie ein Biblio-thekar, der eine alte Pergamentbibel vor sich hat, die Seiten zu wen-den. Auf jeder einzelnen fanden sich verborgene Sch�tze, in Koch-rezepte eingegangene Fragmente ihres Lebens, die sie wie einenkçstlichen Eintopf mit poetischen Gedanken und Bemerkungenzu allen ihr wichtigen Menschen gew�rzt hatte. Aus Spaß nanntesie es das »Wunderkrautbuch«; denn es enthielt die Rezepte, nachdenen sie jedes Jahr die Opfergaben f�r den Totentag zubereitetund somit ein vor Jahren gegebenes Versprechen eingelçst hatte.Suchend bl�tterte sie durch die Seiten voller Zimt-, Pfeffer- undSantakrautd�ften, bis sie das Rezept fand, das sie Eulalia gebenwollte.»Ich habe einen wichtigen Auftrag f�r dich, Eulalia. Morgen wirstdu dieses Gericht genau so zubereiten, wie ich es hier notiert habe.Gleich in der Fr�he gehst du zum Markt und besorgst alle Zutaten.Es muss so gut werden, dass man sich die Finger danach leckt«, sagtesie und zeigte fordernd auf das Rezept. Sie hielt inne, der beklem-mende Gedanke an ihr erlçschendes Leben war kaum zu ertragen,

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dann folgten weitere Anweisungen: »Wenn der Hahn gekr�ht hat,packst du ihn und tçtest ihn f�r das Mahl.«»Aber Frida-Kind, den armen SeÇor Qu�quiri willst du tçten?«, fragteEulalia erstaunt. »Dein Lieblingstier, das du verwçhnt hast wie eineneigenen Sohn?«Frida machte sich nicht die M�he zu antworten. Sie wandte das Ge-sicht ab, schloss die Augen und versuchte zu schlafen. Das Heft andie Brust gedr�ckt, zog Eulalia sich zur�ck.In ihrem Bett, das ihr Kerker war, tr�umte Frida von Festmahlen,von Totenkçpfen aus Zucker und Bildern einer Ausstellung. Als sieerwachte, war Eulalia nicht mehr da und Stille lag �ber dem Haus.Sie begann, sich zu fragen, ob der Besuch des Boten, ob nicht ihrganzes Leben mitsamt ihrem ersten Tod nur ein Streich war, denihr die bet�ubenden, gegen die qu�lenden Schmerzen verordnetenMedikamente spielten. Nach langem Gr�beln aber wusste sie, dassalles stimmte. Vor lauter Wut und Angst brach sie in Tr�nen aus,bis der Schlaf sie schließlich einlullte und abermals aus der Wirk-lichkeit forttrug.Stunden sp�ter kehrte Diego aus seinem Atelier in San ngel zu-r�ck. Als er das Schlafzimmer betrat, um nach Frida zu sehen, schliefsie, mit schmerzverzerrtem Gesicht. Er wunderte sich, dass eine halb-leere Flasche Tequila und zwei nach Alkohol riechende Gl�ser aufdem Nachttisch standen. Noch stutziger wurde er, als die Dienstbo-ten ihm sagten, ihre Herrin habe keinen Besuch empfangen. Er zogseinen Schaukelstuhl heran und setze sich ans Bett seiner Frau. Be-hutsam ergriff er ihre Hand wie einen Gegenstand aus feinstem Por-zellan und streichelte sie ganz sanft, aus Angst, ihr weh zu tun. SeinGeist durchstreifte die Jahre geteilter Erinnerungen. Er dachte zu-r�ck an das Feuer, das in diesem kleinen Kçrper gelodert hatte, dener lustvoll, aber auch mit der Hingabe eines Sohnes an seine Mut-ter geliebt hatte. Abermals genoss er die gemeinsamen Liebesn�ch-te, deren Krçnung Fridas herrliche, weiße, pfirsichgroße Br�ste undihr runder Pogewesenwaren, und ihm fiel wieder ein, wie er ihn einesTages �berschw�nglich gepriesen und sie, ganz die Kokette, nur ge-antwortet hatte: »Ein Po wie Wunderkraut, nicht wahr?« Und wie sie

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ihm erkl�rt hatte, dass ihr liebstesWunderkraut, das Santakraut, herz-fçrmige Bl�tter habe. Minutenlang weinte er �ber das Ende dieserLeidenschaft, die nur noch ein kaputtes Gebilde war. Und w�hrender noch »Frida, mein Frida-Kind . . .«, murmelte, �bermannte ihnder Schlaf.Am n�chsten Tag, nachdem der Lieblingshahn der Malerin den Be-ginn des neuen Tages verk�ndet hatte, wie er es seit �ber zwanzigJahren tat, drehte man ihm den Hals um und kochte ihn. Frida aberkonnte nicht mehr von ihm kosten.Dem �rztlichem Bericht zufolge verursachten Lungenkomplikatio-nen ihren Tod. Mit dem Einverst�ndnis der Behçrden wurde aufDiegos Wunsch von einer Autopsie abgesehen, weshalb sich balddas Ger�cht vom Selbstmord verbreitete wie der Duft eines vor sichhin kçchelnden Morgenkaffees.Die ersch�tternden letzten Worte, die Frida in ihr Tagebuch schrieb,lauteten: »Ich hoffe, es wird eine gl�ckliche Reise, und diesmal willich nicht zur�ckkehren.«

Der Bote

Einmal sagte er: »Wer ein Adler sein will, der fliege, wer ein Wurmsein will, der krieche, doch dann darf er sich nicht beschweren, wennman ihn zertritt.« Das hat er nicht zu mir gesagt, ich weiß nicht ein-mal mehr, zu wem, aber gesagt hat er es. Man soll ihm Tequila, San-grita und etwas zu essen anbieten, denn gewiss ist er m�de von derlangen Reise. Auch ich h�tte die Nase voll nach einem solchen Ritt.

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