Das große Alibi vom goldenen Rosenkreuz

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  • 8/7/2019 Das groe Alibi vom goldenen Rosenkreuz

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    Das groe Alibi vom goldenen Rosenkreuz

    Eine kurze Untersuchung ber den Coelum reseratum chymicum des J. G. Toeltius

    Wahrscheinlich den entscheidenden Ansto zur Verbreitung der Legende, Johann Thlde, derbedeutendste Herausgeber der Schriften des Basilius Valentinus, sei Sekretr derRosenkreuzerbewegung gewesen jedenfalls dessen einzige vermeintliche Besttigung , gabeine immer wieder ungeprft zitierte Bemerkung des (pseudonymen) Innocentius Liborius abIndagine.Dieser soll nmlich in seinen Chemisch -Physicalischen Nebenstunden (Hof 1780)geschrieben haben, die ihm zufolge 1604 entstandene Rosenkreuzerbewegung sei wegender chymischen Schriften des Basilius mignstig geworden und habe eine weitereHerausgabe dieser Geheimnisse verhindern wollen. Daher habe man im Jahre 1624 Thldeberedet, geheimer Sekretr der Bruderschaft zu werden. Zur Sttzung dieser Geschichte wirdangefhrt, dass in der Tat nach 1624 vorerst keine Schriften Thldes mehr erschienen sind.Allein sein Coelum chemicum, eine handschriftliche Sammlung rosenkreuzerischer Arkane, sei erst lange nach seinem Tod herausgekommen. Ein Sohn Thldes, der im Jahre1740 ein 84jhriger Mann gewesen sein soll, habe noch verschiedene Manuskripte seinesVaters in Besitz gehabt.

    Darauf verweist der berhmte Ferguson, Lenz bernimmt diese Ansicht in seine Dissertationber Thlde 1, mit der leichten Einschrnkung, es knne sich anstatt des Sohnes allenfalls umeinen Enkel Thldes handeln, und auch Frank Daniel Schulten, der 1994 Fotokopien desCoelum reseratum chymicum in Umlauf bringt, schliet sich dieser Auffassung intuitiv an, wenn er sich auch auerstande sieht, konkrete Grnde fr diese Annahme anzugeben.

    Der Text selbst gibt dazu auch keine Veranlassung. Die Sprache ist allerfrhestens sptes17. Jahrhundert, und soll doch schon im Jahre 1612 im hollndischen Dordrecht ins Deutschebersetzt worden sein. Inhaltlich erreicht der Entriegelte chymische Himmel, so dieBedeutung des Titels, weder die Haligraphia Thldes noch dessen handschriftlichesProcesbuch. Vor allem findet sich weder im Text dieser kuriosen Sammlung noch in denbeigegebenen Kommentaren des Rosenkreuzeroberhauptes Johann Carl von Frisau aus demJahre 1736 auch nur der mindeste Hinweis auf Thlde. Vielmehr klagt Frisau ber den vonihm hochgelobten Autor des Coelum reseratum, da es ewig schade um ihn gewesen, daer nicht als eine Privatperson soll unter uns an- und aufgenommen sein (Seite 121). Werimmer also diese Texte zusammengestellt hat, war selbst nicht Rosenkreuzer!

    Aber auch zeitlich lt sich die Entstehung des Textes noch genauer eingrenzen. Auf den

    Seiten 105/106 finden sich wrtliche bernahmen aus AgricolasChymischer Medicin 2

    , die1638 erschien, darberhinaus wird der Autor Monte Snyder genannt (Seite 38), der seineSchriften um das Jahr 1663 verffentlichte. Damit drfte klar sein, da Johann Thlde alsVerfasser des Coelum reseratum nicht in Frage kommt.

    Indessen gibt Schulten einen ntzlichen Hinweis, da nmlich ein mehr oder wenigergleichnamiger Coelum chymicum eines Niederlnders Jac ob Tollius 3 vorliege. Damit drfteman der Sache sehr viel nherkommen. In den Niederlanden gab es im 17. Jahrhundertjedenfalls etliche Gelehrte mit Namen Tholdius, Tolde oder auch Tollius. Dann wre auch dieDatierung des angeblich thldischen Coelum reseratum chymicum schlicht als einDruckfehler anzunehmen. 1612 ist vielleicht aus 1672 verschrieben und dieAusgangssprache wre dann mglicherweise nicht Latein, sondern Niederlndisch gewesen.Vielleicht ist aber auch alles Mystifikation, denn die bernahme wrtlicher Passagen ausAgricola macht eine bersetzung eigentlich berflssig.

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    Nun knnte Thlde ja unabhngig von seiner hiermit ausgeschlossenen Autorschaft amCoelum reseratum immer noch Sekretr der Rosenkreuzerbewegung gewesen sein.Allerdings stimmt die oben angefhrte Behauptung, die derenerste Blte in das Jahr 1604legt, zeitlich nicht. Der Ursprung der Rosenkreuzerei liegt vielmehr in einer erst 1614 inUmlauf gebrachten Utopie des jungen Satirikers Johann Valentin Andreae , die ein damals

    weit verbreitetes Bedrfnis nach Erneuerung formulierte und deshalb begeistert aufgegriffenund fr bare Mnze genommen wurde. Mithin wre zu klren, was Thlde in dieser Zeitunternommen hat.

    Dem Autor der Chemisch -Physicalischen Nebenstunden fiel auf, da Thlde nach 1624keine Bcher mehr verffentlichte. Lenz entdeckte ein Rezept, auf dem vermerkt stand, daes aus dem Nachla Thldes stamme und am 8. Mai 1624 den Besitzer gewechselt habe.Damit erbrigte sich der Scharfsinn des ersten. Bleiben die zehn Jahre von 1614, demStiftungsjahr der Rosenkreuzerbewegung, bis 1624. Nachrichten von Thlde finden sich ausdieser Zeit nicht. Zwei Neuauflagen seiner Schriften sind mehr oder weniger unvernderteNachdrucke. Dennoch ist mit groem philologischen Aufwand nachgewiesen worden, da esgar nicht anders sein knne, als da Thlde dazumal in der als Zentrale der Rosenkreuzereiidentifizierten landgrflichen Residenz Kassel eine leitende Funktion ausbte.

    In der Absicht von Geheimorden liegt es, ihre Lehren zu verbergen und durchwidersprchliche Aussagen und Andeutungen, die nur dem Eingeweihten entschleiert werden,zu tarnen und sie dem Auenstehenden, der als Bedrohung der Bruderschaft, als Mibraucherder Geheimnisse oder schlicht als Unwrdiger auftritt, vorzuenthalten. DieseWidersprchlichkeit am Ende kann ja alles auch genau das Gegenteil bedeuten! trgtgepaart mit der schlechten Auskunftslage zur Mystifikation der Bruderschaft derRosenkreuzer bei, die schlielich als das ideale Alibi fr alles Ungeklrte herhalten mu.

    Thlde gab die Schriften des Basilius bekanntlich in Frankenhausen am Kyffhuser heraus,wo er 1599 eine reiche Witwe und Erbin mehrerer Anteile am dasigen Salzwerk, AnnaFischer, verwitwete Beier, verwitwete Ludolf, geheiratet hatte. Im Thringischen StaatsarchivRudolstadt liegt nun aus dem Dezember 1614 ein Vertragstext vor , in dem dieseihres hohenunvermglichen Alters halben entmndigt und ihr Vermgen unter ihre Kinder aus zweiterEhe verteilt wird. Im September 1612 wird Anna Thldin in den FrankenhuserKirchenbchern noch als Ehefrau Thldes genannt, in dem genannten Vertrag erscheint siebereits als seine Witwe 4. In der Zwischenzeit mu Johann Thlde an bislang unbekanntemOrt gestorben sein. Bevor sie noch richtig gestiftet war, hatte die Bruderschaft derRosenkreuzer einen ihrer fhigsten Mnner verloren.

    Oliver Humberg

    1 Hans Gerhard Lenz, Johann Thlde, ein Paracelsist und Chymicus und seine Beziehungen zu Landgraf Moritzvon Hessen-Kassel, Dissertation Marburg 1981.

    2 Ausgabe 1638: Seite 76, Ausgabe 2000: Seite 83.

    3 Dieser Tollius (1630 1696) war ein alchemiebegeisterter Philologe und schrieb unter anderem eben eineManuductio ad Caelum chemicum. In deren Ausgabe Jena 1752 soll Tollius Vita enthalten sein, die vielleicht

    Klarheit in dieser Frage schafft.

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    4 Thringisches Staatsarchiv Rudolstadt, Kanzlei Frankenhausen, E V 6 Nr. 15, Blatt 404 413. Schon in denRechnungen der Stadt Frankenhausen von 1613/14 heit die Anna Thldin wieder die Doctor Beyerin. Mankann also davon ausgehen, da Thlde zum Datum der Rechnungslegung (ca. Oktober 1614) bereits verstorbenwar.

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