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8 MMW-Fortschr. Med. Nr. 11 / 2013 (155. Jg.) UNTERNEHMEN ARZTPRAXIS VON HAUSARZT ZU HAUSARZT Dr. Gerd W. Zimmermann Facharzt für Allgemeinmedizin Kapellenstraße 9, D-65719 Hofheim Punktwert im EBM steigt auf 10 Cent – mehr Geld gibt es trotzdem nicht! _ Der paritätisch mit Kassen- und KV-Ver- tretern besetzte Bewertungsausschuss hat am 8. April 2013 beschlossen, dass der Ori- entierungspunktwert im EBM von bisher 3,5363 Cent und der kalkulatorische Punkt- wert von derzeit 5,11 Cent zum 1. Oktober 2013 auf 10 Cent angehoben wird. Diese Angleichung beider Werte soll als Grundla- ge für die von den Kassen geforderte be- vorstehende Überprüfung der Kalkulati- onsgrundlagen des EBM dienen und zu- gleich einen wichtigen Schritt darstellen, um die Forderung nach festen Preisen in der Gebührenordnung durchzusetzen. Nach Auffassung der KBV würde damit erstmals der in der Euro-Gebührenord- nung ausgewiesene Preis dem Preis ent- sprechen, der aus der betriebswirtschaft- lichen Kalkulation resultiert. Die Umstel- lung hat dabei eine Reihe von Auswir- kungen auf die im EBM für die einzelnen Gebührenordnungspositionen ausgewie- senen Euro-Beträge: Der kalkulierte Euro- Preis wird mit 10 Cent (kalkulatorischer Punktwert) multipliziert und so in Punkte umgewandelt, um diese Punktzahl wiede- rum mit demselben Wert (Orientierungs- wert) in den Euro-Preis der Gebührenord- nungsposition umzurechnen. Damit wird der kalkulierte Preis auch als Preis im EBM ausgewiesen, was bislang nicht der Fall ist. MMW Kommentar Da der Orientierungspunktwert sich unmit- telbar auf das Honorar in Euro einer Leistung bezieht, steigt dort der Wert um 185%, beim Kalkulationspunktwert, der den eigentlichen Wert der Leistung ausdrückt und dessen Dif- ferenz zum Orientierungspunktwert im Grunde genommen die Budgetierungskom- ponente darstellt, um 95%. Dabei handelt es sich um eine reine Schaufenstermaßnahme. Beim Honorar kommt es weder in die eine noch in die andere Richtung zu einer Steige- rung in dieser Größenordnung, sondern es bleibt alles so wie es ist. Der Umstieg muss laut Beschluss des Bewer- tungsausschusses für die Kassen nämlich kostenneutral sein, d.h. die gedeckelte Ge- samtvergütung bleibt gleich und die Diffe- renz wird durch eine im EBM auszuweisende Punktzahlabsenkung erreicht. Der aus der Multiplikation mit dem Orientierungswert von 10 Cent resultierende Wert der bishe- rigen Bewertung der Gebührenordnungspo- sition in Euro bleibt damit unverändert. Die Differenz zwischen der bisherigen Punkt- zahlbewertung und der neuen abgesenkten Punktzahl soll allerdings im Standardbewer- tungssystem dokumentiert werden und so den Grad der Unterfinanzierung der EBM- Leistungen offen legen. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hofft, dass durch diese Maßnahme noch stärker sichtbar wird, dass das Geld der Krankenkassen nicht ausreicht, um alle Leistungen zu den vereinbarten und im EBM ausgewiesenen Preisen zu vergüten. Sie er- hofft sich dadurch eine Stärkung ihrer Posi- tion im Kollektivvertragssystem und glaubt, dass für die Krankenkassen so ein entschei- dendes Argument wegfällt, nämlich dass die Preise, wie sie bisher mit dem Kalkulations- punktwert von jetzt 5,11 Cent kalkuliert sind, zu hoch seien. Wer sich fragt, warum es die KBV hier so kompliziert macht und nicht einfach eine Anhebung des Orientierungspunktwertes auf das Niveau des Kalkulationspunktwertes fordert, der muss sich nur das Vergütungs- prinzip in den Hausarztverträgen anschau- en. Dort gibt es keine auf die einzelne Leistung bezogenen kalkulierten Honorare, sondern ein aus empirisch ermittelten Pau- schalen resultierendes hausärztliches Ge- samthonorar, das es einem Hausarzt ermög- licht, seine Praxis kostendeckend und mit Gewinn zu führen. Im KV-System wird das niemals möglich sein – das soll durch diese Mathematik-Akrobatik verschleiert werden. Das ist die „Milchmädchenrechnung“ der KBV am Beispiel des Hausbesuchs _ Nach dem Standardbewertungssystem (STABS) ist der Hausbesuch mit 600 Punk- ten bewertet, was einem kalkulatorischen Eurowert von bisher 30,66 Euro (bei 5,11 Cent) entspricht. _ Ausgezahlt werden auf der Basis des Orientierungspunktwertes von 3,5363 Cent aber nur 21,21 Euro. Das entspricht einer Differenz von 30,82%. _ Die Anhebung des Kalkulationspunktwertes von 5,11 Cent auf 10 Cent führt dazu, dass sich die Punktzahlbewertung des Hausbesuches auf 306 Punkte reduziert. Da auch der Orientierungspunktwert auf 10 Cent angehoben wurde, ergibt sich des- halb daraus der gleiche Wert von 30,66 Euro für den Hausbesuch. _ Weil die Neubewertung für die Kassen aber kostenneutral sein muss, wird die Punktzahlbewertung des Hausbesuchs von 306 Punkten auf 212 Punkte abge- senkt, sodass wieder ein Honorar von 21,21 Euro resultiert. EBM Nr. 01410

Das ist die „Milchmädchenrechnung“ der KBV am Beispiel des Hausbesuchs

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8 MMW-Fortschr. Med. Nr. 11 / 2013 (155. Jg.)

UNTERNEHMEN ARZTPRAXIS

VON HAUSARZT ZU HAUSARZT

Dr. Gerd W. ZimmermannFacharzt für AllgemeinmedizinKapellenstraße 9, D-65719 Hofheim

Punktwert im EBM steigt auf 10 Cent – mehr Geld gibt es trotzdem nicht!

_ Der paritätisch mit Kassen- und KV-Ver-tretern besetzte Bewertungsausschuss hat am 8. April 2013 beschlossen, dass der Ori-entierungspunktwert im EBM von bisher 3,5363 Cent und der kalkulatorische Punkt-wert von derzeit 5,11 Cent zum 1. Oktober 2013 auf 10 Cent angehoben wird. Diese Angleichung beider Werte soll als Grundla-ge für die von den Kassen geforderte be-vorstehende Überprüfung der Kalkulati-onsgrundlagen des EBM dienen und zu-gleich einen wichtigen Schritt darstellen, um die Forderung nach festen Preisen in der Gebührenordnung durchzusetzen. Nach Auffassung der KBV würde damit erstmals der in der Euro-Gebührenord-nung ausgewiesene Preis dem Preis ent-sprechen, der aus der betriebswirtschaft-lichen Kalkulation resultiert. Die Umstel-lung hat dabei eine Reihe von Auswir-kungen auf die im EBM für die einzelnen Gebührenordnungspositionen ausgewie-senen Euro-Beträge: Der kalkulierte Euro-Preis wird mit 10 Cent (kalkulatorischer Punktwert) multipliziert und so in Punkte umgewandelt, um diese Punktzahl wiede-rum mit demselben Wert (Orientierungs-wert) in den Euro-Preis der Gebührenord-nungsposition umzurechnen. Damit wird der kalkulierte Preis auch als Preis im EBM ausgewiesen, was bislang nicht der Fall ist.

– MMW Kommentar

Da der Orientierungspunktwert sich unmit-telbar auf das Honorar in Euro einer Leistung bezieht, steigt dort der Wert um 185%, beim Kalkulationspunktwert, der den eigentlichen Wert der Leistung ausdrückt und dessen Dif-ferenz zum Orientierungspunktwert im Grunde genommen die Budgetierungskom-ponente darstellt, um 95%. Dabei handelt es sich um eine reine Schaufenstermaßnahme. Beim Honorar kommt es weder in die eine

noch in die andere Richtung zu einer Steige-rung in dieser Größenordnung, sondern es bleibt alles so wie es ist. Der Umstieg muss laut Beschluss des Bewer-tungsausschusses für die Kassen nämlich kostenneutral sein, d.h. die gedeckelte Ge-samtvergütung bleibt gleich und die Diffe-renz wird durch eine im EBM auszuweisende Punktzahlabsenkung erreicht. Der aus der Multiplikation mit dem Orientierungswert von 10 Cent resultierende Wert der bishe-rigen Bewertung der Gebührenordnungspo-sition in Euro bleibt damit unverändert. Die Differenz zwischen der bisherigen Punkt-zahlbewertung und der neuen abgesenkten Punktzahl soll allerdings im Standardbewer-tungssystem dokumentiert werden und so den Grad der Unterfinanzierung der EBM-Leistungen offen legen. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hofft, dass durch diese Maßnahme noch stärker sichtbar wird, dass das Geld der Krankenkassen nicht ausreicht, um alle Leistungen zu den vereinbarten und im EBM

ausgewiesenen Preisen zu vergüten. Sie er-hofft sich dadurch eine Stärkung ihrer Posi-tion im Kollektivvertragssystem und glaubt, dass für die Krankenkassen so ein entschei-dendes Argument wegfällt, nämlich dass die Preise, wie sie bisher mit dem Kalkulations-punktwert von jetzt 5,11 Cent kalkuliert sind, zu hoch seien. Wer sich fragt, warum es die KBV hier so kompliziert macht und nicht einfach eine Anhebung des Orientierungspunktwertes auf das Niveau des Kalkulationspunktwertes fordert, der muss sich nur das Vergütungs-prinzip in den Hausarztverträgen anschau-en. Dort gibt es keine auf die einzelne Leistung bezogenen kalkulierten Honorare, sondern ein aus empirisch ermittelten Pau-schalen resultierendes hausärztliches Ge-samthonorar, das es einem Hausarzt ermög-licht, seine Praxis kostendeckend und mit Gewinn zu führen. Im KV-System wird das niemals möglich sein – das soll durch diese Mathematik-Akrobatik verschleiert werden.

Das ist die „Milchmädchenrechnung“ der KBV am Beispiel des Hausbesuchs _ Nach dem Standardbewertungssystem (STABS) ist der Hausbesuch mit 600 Punk-

ten bewertet, was einem kalkulatorischen Eurowert von bisher 30,66 Euro (bei 5,11 Cent) entspricht. _ Ausgezahlt werden auf der Basis des Orientierungspunktwertes von 3,5363 Cent aber nur 21,21 Euro. Das entspricht einer Differenz von 30,82%. _ Die Anhebung des Kalkulationspunktwertes von 5,11 Cent auf 10 Cent führt dazu, dass sich die Punktzahlbewertung des Hausbesuches auf 306 Punkte reduziert. Da auch der Orientierungspunktwert auf 10 Cent angehoben wurde, ergibt sich des-halb daraus der gleiche Wert von 30,66 Euro für den Hausbesuch. _ Weil die Neubewertung für die Kassen aber kostenneutral sein muss, wird die Punktzahlbewertung des Hausbesuchs von 306 Punkten auf 212 Punkte abge-senkt, sodass wieder ein Honorar von 21,21 Euro resultiert.

EBM Nr. 01410