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Das Lerntagebuch Theoretische Rechtfertigung und praktische Anwendungen Fredi P. Büchel Honorarprofessor der Universität Genf

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Das Lerntagebuch

Theoretische Rechtfertigung und praktische Anwendungen

Fredi P. Büchel

Honorarprofessor der Universität Genf

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Fredi P. Büchel MIKA Lerntagebuch 2

Themen des Referats•Was verstehen wir unter einem Lerntagebuch?

•Theoretische Begründung des Lerntagebuchs– Was verstehen wir unter Lernen?

– Was verstehen wir unter Metakognition?

– Was sind Lernstrategien?

– Was ist selbstreguliertes Lernen?

•Formen des Lerntagebuchs

•Empirische Studien zur Wirksamkeit des Lerntagebuchs

•Schlussfolgerungen

•Referenzen

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Fredi P. Büchel MIKA Lerntagebuch 3

Was verstehen wir unter einem Lerntagebuch ?

•Das Lerntagebuch ist ein schriftliches Dokument, welches die Selbstregulation beim Lernen fördert. Es erleichtert die Kommunikation mit sich selber (metakognitive Regulation) und mit Lernpartnern (externe Regulation) sowie die Kontrolle des Lernfortschritts. Zu diesem Zweck

– wird metakognitives Wissen bewusst gemacht, – werden kognitive und metakognitive Strategien aktiviert,– werden motivationale und emotionale Zustände laufend

kontrolliert.

•Das Lerntagebuch ist nie Selbstzweck, es begleitet und verstärkt kognitive und metakognitive Repräsentationen und äussere Aktivitäten, welche den Lernprozess initiieren, in Gang halten und zu einem guten Abschluss führen.

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Fredi P. Büchel MIKA Lerntagebuch 4

Wann ist ein Lerntagebuch hilfreich?

Die Führung eines Lerntagebuchs ist dann und nur dann sinnvoll,

•wenn selbständiges Lernen stattfinden soll und kann.•wenn vertieftes (nicht oberflächliches) Lernen durch Verstehen stattfinden soll.

•wenn Lernende und Lehrende bereit sind, einen zusätzlichen Aufwand in Bezug auf Zeit und Aufmerksamkeit zu betreiben.

•wenn der Lernzyklus so gestaltet ist, dass eine laufende Kontrolle und, wenn nötig, Revision der Eintragungen ins Lerntagbuch möglich ist.

•wenn Lernende und Lehrende genügend solide theoretische Grundlagen des Lernens besitzen.

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Lernen

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Wird hier gelernt?

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Wird hier gelernt?

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Fredi P. Büchel MIKA Lerntagebuch 8

Die behavioristische und die kognitive Sicht des Lernens

• Die behavioristische Sicht: Verhalten und Wissen werden durch Verstärkung erworben. Danach wird Verhalten durch einen Auslösereiz automatisch ausgelöst [wenn (Auslösereiz) dann (Verhalten)]. Verhalten und Auslösereiz werden durch Verstärkung gelernt.

Wichtig ist die regelmässige Wiederholung. Motivation, Denken und Einsicht sind sekundär.

• Die kognitive Sicht: Wissen und Kompetenzen werden durch Verstehen (Einsicht) und variierte Repetition erworben.

Wichtig sind Motivation, Denken und Einsicht. Das Lerntagebuch basiert auf einer kognitiven Sicht des Lernens.

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Fredi P. Büchel MIKA Lerntagebuch 9

Die kognitive Sicht des Lernens

• Zusammenhänge werden nicht zwischen gelerntem Verhalten und Verstärkung hergestellt, sondern zwischen zwei oder mehreren Inhalten oder Operationen.

• Neue Information wird im Arbeitsgedächtnis mit dem Vorwissen verglichen und dann als angereichertes oder neu organisiertes Wissen in das Langzeitgedächtnis zurückgegeben.

• Neue Information kann auch bestehende Wissensstrukturen bestätigen oder differenzieren.

• Achtung: Unverstandene (= schlecht verglichene Information) führt zu falscher Vernetzung. Dieses Wissen kann später nicht mehr abgerufen werden.

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Die drei Stufen des kognitiven Lernens

1. Feinabstimmung : Bereits erworbenes Wissen wird bestätigt und abgestimmt in Bezug auf dessen Angemessenheit und Wirksamkeit.

2. Umstrukturierung : Wissensstrukturen werden verfeinert und miteinander neu vernetzt.

3. Hinzufügung : Das Vorwissen wird durch völlig neue Information erweitert.

Das meiste Lernen findet auf den Stufen 1 und 2 statt.

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Ein Modell des kognitiven Lernens(Das Gedächtnismodell)

Ultrakurzzeitgedächtnis Kurzzeitgedächtnis Langzeitgedächtnis

(Arbeitsgedächtnis)

Sehregister

Hörregister

Tastregister

Geruchsregister

Geschmacksregister

P u Zentra- f le f Exeku- e tive r

EpisodischesWissen

SemantischesWissen

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Ein Modell des Kurzzeitgedächtnisses

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Didaktische Konsequenzen

Die Überlastung des Kurzzeitgedächtnisses führt bei den Lernenden zu Verwirrtheit Müdigkeit Gefühl mangelnder Kompetenz Ärger Verlust der Motivation Abschalten.

Eine Überlastung des Kurzzeitgedächtnisses kann vermieden werden,

- wenn den Lernenden genügend Raum und Zeit zum eigenen Denken gelassen wird.

- wenn Instruktionen sparsam gegeben werden.

Konsequenzen für das Lerntagebuch?

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Didaktische Konsequenzen für das Lerntagebuch

Für das Lerntagebuch bedeutet dies:- Nur soviel Strukturierung vorgeben, wie die Lernenden

brauchen, um den Auftrag zu verstehen.

- Je mehr die Lernenden mit dem Lerntagebuch vertraut sind, desto weniger Strukturierungshilfen sollen gegeben werden.

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Metakognition

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Die Variablen der MetakognitionDie Metakognition beschäftigt sich mit der Rolle des

Bewusstseins beim Lernen, Denken und Problemlösen.

Sie setzt sich zusammen aus:• dem metakognitiven Wissen

– Wissen über sich selber und andere Personen– Wissen über Aufgabentypen (klassifiziertes Vorwissen)– Wissen über Strategien

• den metakognitiven Strategien (Exekutive Funktionen)– Antizipieren (vorhersehen)– Planen– Kontrollieren

• laufende Kontrolle• Schlusskontrolle

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Das Verhältnis zwischen Metakognition und Kognition

Niveau MetakognitionMetawissen:

Wissen über die AufgabeWissen über sich selberWissen über Strategien

ist die Grundlage für

Exekutive Funktionen:Antizipation

PlanungKontrolle

steuern und koordinierenNiveau Kognition

Kognitive Prozesse:Kodierung

Innere WiederholungVergleich und Klassifikation

Integration in die VorwissensstrukturErinnerung

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StrategienStrategien

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Fredi P. Büchel MIKA Lerntagebuch 19

Was sind Lernstrategien?

• Lernstrategien sind Werkzeuge, welche uns helfen, ein Lernziel mit angemessenem Aufwand zu erreichen.

• Sie leiten uns an, wie wir zur Erreichung eines Zieles unsere Mittel am besten einsetzen.

• Sie schaffen eine Verbindung zwischen dem Wissen über uns selber (Stärken und Schwächen, Vorlieben und Abneigungen) und dem Wissen über Aufgaben und Situationen.

• Sie leiten uns an, unsere Schwächen durch unsere Stärken zu kompensieren.

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Allgemeine Anweisung

Aus dem obigen grossen Bild wurden 4 kleine Rechtecke herauskopiert. Sie finden sie im unteren Teil des Blattes (a bis d). Versuchen Sie, diese im grossen Bild wiederzufinden. Wenn Sie eines gefunden haben, zeichnen Sie dessen Rahmen im grossen Bild möglichst präzise mit einem Stift ein. Sie sollen dazu aber keine Hilfsmittel (z.B. Lineal) benutzen.

Aus Büchel, F.P. & Büchel, P. (2010). DELV. Das Eigene Lernen Verstehen. Ein Programm zur Förderung des Lernens für Jugendliche und Erwachsene (4. überarbeitete Auflage). Bern: h.e.p. Verlag.

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Selbstreguliertes Lernen

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Fredi P. Büchel MIKA Lerntagebuch 22

Beim selbstregulierten Lernen organisiert der Lerner die Integration neuer Inhalte oder kognitiver Probleme, indem er - kognitive, - metakognitive, - motivationale und emotionale Prozesse selbständig koordiniert und kontrolliert.

Ein wirksames Mittel zur Begleitung des selbstorganisierten Lernens stellt das Lerntagebuch dar.Mit dessen Hilfe lassen sich inhaltliche, emotional-motivationale und kognitive Aspekte der Lernentwicklung sowie Ergebnisse des Lernens aufzeigen und dokumentieren.Lernende werden angeregt, ihr Lernen selbst zu planen, durchzuführen, zu beobachten, zu reflektieren und zu beurteilen.Das Lerntagbuch regt eine Kommunikation über Lernen und Leistung an.

Das Lerntagebuch unterscheidet sich vom Portfolio oder der wissenschaftlichen Arbeit dadurch, dass es keinen externen Adressaten hat.

Selbstreguliertes Lernen und Lerntagebuch

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Formen des Lerntagebuchs

Zur Zeit werden vorwiegend drei Formen des Lerntagebuchs erprobt:

• das konventionelle Tagebuch auf Papier,

• das Tagebuch mit Hilfe eines Smartphons,

• das Tagebuch mit Internet-Begleitung.

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Das Lerntagebuch auf PapierAm häufigsten wird eines der drei folgenden Formate verwendet:

A. Frei formulierter Text.

Eignet sich nur für schreibgewohnte Personen mit einer einigermassen guten Eingangsmotivation.

Risiko: Wichtige Punkte (besonders die metakognitive Kontrolle) werden oft nicht angesprochen.

B. Vorgegebene Fragen oder Anweisungen.

- Eignet sich für schreibungewohnte Personen (das sind die allermeisten Lernenden, oft auch solche mit akademischer Ausbildung)

- Die Eingangsmotivation spielt nur eine untergeordnete Rolle.

Risiko: Die Fragen werden ohne vertieftes Nachdenken beantwortet.

C. Eine Kombination von A und B.

Bewährte Lösung: Die Antworten sollen von den Lernenden begründet oder illustriert werden.

Risiko: Wird von vielen Lernenden als zu arbeitsintensiv betrachtet.

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Das Lerntagebuch mit Hilfe eines Smartphons und Internet

Beispiel: Mauroux, Dehler Zufferey, Jimenez, Wehren, Cattaneo, & Gurtner (2013).

Lernende: Lehrlinge Bäckerei-Patisserie-Confiserie (14 – 19 Jahre alt).

Name des Programms: Mobile and Online Tool (MOT).

Bezeichnung des Lerntagebuchs: Dossier de formation (DF). Es wird nicht in der Schule, sondern im Produktionsbetrieb geführt. Es wird nicht benotet, muss aber an den Schlussexamen vorgewiesen werden.

Bestandteile des MOT:

- Ein Rezeptbuch auf Internet mit Fotos von Rezepten und ein Formular für das DF. Kann über das persönliche iPhone abgerufen werden.

- Die Lehrlinge werden aufgefordert, ihre Produktionen (Zwischenschritte und Endergebnis) am Arbeitsplatz ebenfalls zu fotografieren. Dazu legen sie eine eigene Bewertung bei. Sie müssen auch eine metakognitive Einschätzung abgeben:

Das beherrsche ich schon: ….

Das muss ich noch dazu lernen: ….

Hier muss ich mich verbessern: ….

- Diese Informationen werden per Internet an den Lehrmeister gesandt, welcher sie kommentiert.

- Die gesamte Kommunikation zwischen Lehrmeister und Lehrling geschieht über Internet.

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Vorläufige Evaluation des MOT

Auf Seiten der Lehrlinge:

Wird von den Lehrlingen gut akzeptiert.

Jedoch eher bescheidene metakognitive Selbstbeobachtung.

Eher selektive Benutzung der Möglichkeiten (Fotos, Einträge, Selbstevaluation)

Auf Seiten der Lehrmeister:

Lehrmeister schätzen die zusätzliche Eigenaktivität der Lehrlinge.

MOT stellt eine ziemlich hohe Mehrbelasstung für die Lehrmeister dar.

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Empirische Studien zur Wirksamkeit des Lerntagebuchs

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Eine Studie mit Realschülern, Alter 15 – 17 Jahreim Unterrichtsfach Geschichte (Gläser-Zikuda, 2007).

LernendeExperimentalgruppe (EG): 19 Realschüler Stufe 10 mit Portfolio-Methode (16 Lektionen).Kontrollgruppe (KG): 20 Realschüler Stufe 10 mit konventionellem Unterricht.Beide Gruppen werden vom selben Lehrer unterrichtet.Intervention: Lektionen (L) 1 und 2: Kennenlernen und Einüben von Lernstrategien (Übungsblätter).L 3 bis 15: Selbstbeobachtung und Selbstreflexion, Einüben metakognitiver Lernstrategien (freier

Text + Fragebogen).L 7 und 14: Erfahrungsaustausch mit Lehrkraft und Mitschülern (Halbstandardisierte Gespräche).L16: Selbstbeurteilung (freier Text + Fragebogen)Ergebnisse LeistungstestDirekter und verzögerter Nachtest (nach 6 Wochen): : EG sign. besser KG;  Ergebnisse kognitive und metakognitive Strategien im direkten NachtestEG leicht besser (nicht signifikant) als KG.Langzeiteffekt: Im verzögerten Leistungstest fällt die KG um ca 1 Schulnote zurück (verglichen mit

dem direkten Nachtest), die EG behält ihr Leistungsniveau.

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Die differenzielle Wirkung von Leitfragen und Instruktionen (prompts) (Hübner und Nückles, o.J.)

Experiment 1Erwachsene Studenten schreiben für die Vorlesung „Entwicklungspsychologie“ ein Lerntagebuch

ohne Leitfragen und Instruktionen (prompts) während eines Semesters.Ergebnis: Der Lernerfolg ist sehr bescheiden. Kognitive und metakognitive Strategien werden kaum

thematisiert.

Experiment 2Drei Versuchsgruppen schreiben nach einer einzigen Vorlesung (d.h. keine Möglichkeit, von

früheren Erfahrungen zu profitieren) ein „Lerntagebuch“. Anschliessend Wissenstest und Fragebogen über kognitive und metakognitive Strategien.

Gr. 1: Lerntagebuch mit kognitiven prompts. Gr. 2: Lerntagebuch mit metakognitiven prompts.Gr.3: Lerntagebuch mit kognitiven und metakognitiven prompts.Gr. 4: KG ohne Lerntagebuch.Ergebnis: Bei den Gruppen 1 und 3 sind Lernerfolg und strategisches Verhalten deutlich höher als ohne

Lerntagebuch. Bei Gr. 2 ist zwar die metakognitive Aktivität erhöht, nicht aber der Lernerfolg.

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Die differenzielle Wirkung von Leitfragen und Instruktionen, Experimente 3 und 4

Experiment 3Die gleiche Versuchsanordnung, aber während eines halben Semesters.

Ergebnis: Sowohl kognitive als auch metakognitive prompts verbessern den Lernerfolg. Am effizientesten ist die Kombination aus kognitiven und metakognitiven prompts.

Experiment 4Lerntagebuch mit einer Zwischenevaluation in der Mitte des Semesters und einer Schlussevaluation

am Ende des Semesters.EG 1 schreibt Lerntagebuch und erhält kombinierte prompts während des ganzen Semesters. EG 2 schreibt Lerntagebuch, erhält aber keine prompts während des ganzen Semesters.

Ergebnisse: EG1 sign. besser als EG2 mitte des Semesters.EG 2 sign besser als EG1 am Ende des Semesters.

Interpretation: paradoxes Ergebnis?.

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Schlussfolgerungen für die Kaderausbildung

1. In der Kaderausbildung, welche in kurzen Blöcken organisiert ist, stellen Lerntagebücher eine wirksame Ergänzung zum Blockunterricht dar. Bei sachgerechter Anwendung kann mit grösserem Lernerfolg, mit einer positiven Entwicklung der Lernkompetenz wie auch mit einer erhöhten Lernmotivation der Kursteilnehmer gerechnet werden.

2. Das Lerntagebuch muss von den Lehrkräften mit prompts angereichert werden.3. Die prompts müssen ausgeblendet werden, sobald ein Lernender ein vorgegebenes

Kompetenzniveau erreicht hat.4. Alle Lernenden erreichen nicht zur selben Zeit das gleiche angestrebte Kompetenzniveau.5. Deshalb muss die Lernbegleitung sich an individuellen Kompetenzniveaus ausrichten.6. Dies bedeutet eine individuelle Begleitung der Lernenden und deren Lerntagebücher.7. Eine solche individuelle Begleitung verursacht einen grösseren Lehr-Aufwand (Zeit und

Aufmerksamkeit) als ein konventioneller Unterricht.8. Lerntagebücher sollten nur eingeführt werden, wenn die Lehrkräfte über gute

lerntheoretische Kenntnisse und Kompetenzen verfügen. Andernfalls ist der Schaden grösser als der Nutzen, da die Führung von Lerntagbüchern einen zeitlichen und motivationalen Mehraufwand für Kursteilnehmer und Kursleiter nach sich zieht.

9. Entsprechenden Projekten sollte in der Regel eine Weiterbildung der Kursleiter in kognitiver Lernpsychologie vorausgehen.

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beruflichen Ausbildung. SIBP Schriftenreihe Nummer 16. Zollikofen,BE: Schweizerisches Institut für Berufspädagogik.Gläser-Zikuda, M. (2007). Training selbstregulierten Lernens auf der Basis des Portfolio-Ansatzes. In Landmann, M. und Schmitz, B. (Hrsg.).

Selbstregulation erfolgreich fördern (S. 111-130). Stuttgart: Kohlhammer.Hübner, S., Nückles, M. & Renkl, A. (o.J.). Lerntagebücher als Medium selbstgesteuerten Lernens – Wie viel instruktionale Unterstützung ist

sinnvoll? Unveröffentlichtes Dokument.Mauroux, L., Dehler Zufferey, J., Jimenez, F., Wehren, R., Cattaneo, A., & Gurtner, J._L. (2013). Dossiers de formation et autorégulation des apprentissages en

formation professionnelle. In J.-L. Berger & F.P. Büchel, F.P. (2013). L’autorégulation de l’apprentissage. Perspectives théoriques et applications (pp. 195-225). Nice, France : Les Editions Ovadia.

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