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© Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin. Bautechnik 91 (2014), Heft 1 51 BERICHT REPORT Wolfram Kübler Das neue Elefantenhaus im Zoo Zürich 1 Nutzungsanforderungen Elefanten sind in der Wildnis durch uns Menschen stark bedroht. Mit dem neuen Kaeng Krachan Elefantenpark will sich der Zoo Zürich [1] für ihre Erhaltung einsetzen, indem er seine Besucher für die Elefanten begeistert, sie für den Schutz in der Wildnis sensibilisiert und so mit- hilft, dass die Elefanten langfristig die Wälder Thailands durchstreifen können. Damit diese Sensibilisierung ge- lingt, wurde 2008 ein internationaler Planungswettbe- werb ausgeschrieben, um eine Anlage zu schaffen, die die Bedürfnisse der Elefanten in den Vordergrund stellt und in der ihnen ihre artspezifischen Verhaltensweisen er- möglicht werden. Im Rahmen eines offenen internationalen Architektur- wettbewerbs wurden über 50 Projekte eingereicht. Die Vorgaben für die Elefantenhaltung umfassten im klima- DOI: 10.1002 / bate.201430028 Integriert in einen Landschaftspark soll das neue Elefanten- haus im Zoo Zürich nicht als technischer Zweckbau erschei- nen. Das Schalentragwerk wurde mittels statischer Formfin- dung entwickelt. Die Holzkonstruktion besteht aus mehrlagi- gem Aufbau, damit die Materialeigenschaften Anisotropie sowie Festigkeits- und Steifigkeitsverhalten in Abhängigkeit vom Kraftfaserwinkel egalisiert werden und eine duktile und robuste Konstruktion entsteht. Obwohl die 271 geometrisch völ- lig unterschiedlichen und spitzwinkligen Oblichter mit bis zu 40 m 2 Größe keine Regelmäßigkeit vermuten lassen, kann die Konstruktion auf zwei Regelschnitte reduziert werden. Keywords Formfindung; Verbund, nachgiebiger; Schalentragwerk; Ingenieurholzbau The new elephant house at Zoo Zurich Integrated into a landscape park the new elephant house at the zoo in Zurich should not appear as a technical and functional building. The shell structure was developed by means of static form-finding. The timber structure consists of a multilayer com- posite structure, so that the material properties, anisotropy, strength and stiffness-solubility behavior are leveled independ- ent from the strength-fiber angle and a ductile and sturdy con- struction is developed. Although the 271 geometrically com- pletely different and acute-angled skylights with up to 40 m 2 size suggest any regularity, the construction can be reduced to two control sections. Keywords form-finding; yielding composite construction; shell structure; structural engineering with timber BERICHT Bild 1 Überblick Overview Foto: Lorenz Engster Landschaftsarchitekten

Das neue Elefantenhaus im Zoo Zürich

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© Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin. Bautechnik 91 (2014), Heft 1 51

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Wolfram Kübler

Das neue Elefantenhaus im Zoo Zürich

1 Nutzungsanforderungen

Elefanten sind in der Wildnis durch uns Menschen starkbedroht. Mit dem neuen Kaeng Krachan Elefantenparkwill sich der Zoo Zürich [1] für ihre Erhaltung einsetzen,indem er seine Besucher für die Elefanten begeistert, siefür den Schutz in der Wildnis sensibilisiert und so mit-hilft, dass die Elefanten langfristig die Wälder Thailandsdurchstreifen können. Damit diese Sensibilisierung ge-

lingt, wurde 2008 ein internationaler Planungswettbe-werb ausgeschrieben, um eine Anlage zu schaffen, die dieBedürfnisse der Elefanten in den Vordergrund stellt undin der ihnen ihre artspezifischen Verhaltensweisen er-möglicht werden.

Im Rahmen eines offenen internationalen Architektur-wettbewerbs wurden über 50 Projekte eingereicht. DieVorgaben für die Elefantenhaltung umfassten im klima-

DOI: 10.1002 / bate.201430028

Integriert in einen Landschaftspark soll das neue Elefanten-haus im Zoo Zürich nicht als technischer Zweckbau erschei-nen. Das Schalentragwerk wurde mittels statischer Formfin-dung entwickelt. Die Holzkonstruktion besteht aus mehrlagi-gem Aufbau, damit die Materialeigenschaften Anisotropiesowie Festigkeits- und Steifigkeitsverhalten in Abhängigkeitvom Kraftfaserwinkel egalisiert werden und eine duktile undrobuste Konstruktion entsteht. Obwohl die 271 geometrisch völ-lig unterschiedlichen und spitzwinkligen Oblichter mit bis zu40 m2 Größe keine Regelmäßigkeit vermuten lassen, kann dieKonstruktion auf zwei Regelschnitte reduziert werden.

Keywords Formfindung; Verbund, nachgiebiger; Schalentragwerk;Ingenieurholzbau

The new elephant house at Zoo ZurichIntegrated into a landscape park the new elephant house at thezoo in Zurich should not appear as a technical and functionalbuilding. The shell structure was developed by means of staticform-finding. The timber structure consists of a multilayer com-posite structure, so that the material properties, anisotropy,strength and stiffness-solubility behavior are leveled independ-ent from the strength-fiber angle and a ductile and sturdy con-struction is developed. Although the 271 geometrically com-pletely different and acute-angled skylights with up to 40 m2

size suggest any regularity, the construction can be reduced totwo control sections.

Keywords form-finding; yielding composite construction; shell structure;structural engineering with timber

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Bild 1 ÜberblickOverview

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tisch bedingt großen Innenbereich zwei landschaftlich ge-staltete Anlagen für Kühe sowie – für die Besucher nichteinsehbar – zwei Anlagen für Bullen, eine Quarantänesta-tion und je einen Managementbereich für Kühe und Bul-len. Ein Badebecken mit einer 2.5 × 7 m2 großen Acryl-scheibe soll dem Besucher zudem einen Unterwasserein-blick ermöglichen. Im Außenbereich waren drei Anlagenvorgegeben.

Die neue Anlage ist für ein bis zwei Bullen und vier adul-te Weibchen mit ihrem Nachwuchs konzipiert. Soweitmöglich, sollen die Tiere frei wählen können, ob sie sichauf der Innen- oder Außenanlage aufhalten möchten.

Bei allen größeren Neubauprojekten versucht der ZooZürich, eine Verbindung der ex-situ-Haltung im Zoo miteinem in-situ-Projekt im Verbreitungsgebiet der betreffen-den Art herzustellen. Bei den asiatischen Elefantenwurde eine Partnerschaft mit einem von der Wildlife Con-servation Society (WCS) betreuten Projekt im thailändi-schen Nationalpark Kaeng Krachan eingegangen.

Im Mai 2011 fand der Spatenstich für den Kaeng Kra-chan Elefantenpark statt. Der Bezugstermin ist für An-fang 2014, die Eröffnung für Frühjahr 2014 vorgesehen.

2 Konzept der Anlage

Die Gesamtkonzeption von Landschaft und Architekturbaut wesentlich auf dem Wechselspiel von Licht undSchatten auf. Beim Durchwandern des Waldstückeswird an bestimmten Stellen von Haupt- und Nebenwe-gen aus der Blick auf die Außengehege und die Dach-schale des Hauses freigegeben. Die Betrachter stehen je-weils im dichten Schatten von Gehölzen und blicken aufdie sonnige Lichtung, die als ausgetrocknetes Flussbettgestaltet wurde. Die Abfolge von Vegetationsthemen inAnlehnung an thailändische Vegetationsbilder setzt sichim Innern des Elefantenhauses fort und soll den Besu-cher die Grenzen zwischen Außen und Innen vergessenlassen.

Die Haltung der Elefanten ist mit den neuen Stallungenim protected contact (Pfleger arbeiten nur getrennt durchSicherheitsvorkehrungen mit Elefanten) möglich. DieTiere sollen selbst zwischen Innen- und Außenanlagenwechseln können, was das Entdecken der Tiere in derweitläufigen Anlage noch spannender werden lässt.

3 Gelochte Freiformschale als Blätterdach

Das Dach duckt sich als flache, freigeformte Holzschalein die Landschaft und nimmt sich auf diese Weise dezentzurück. Es wirkt nicht als geschlossene Oberfläche, son-dern löst sich auf in eine netzartig transparente Struktur,die in ihrer organischen Gestalt Bezüge zum umgeben-den Wald herstellt. Erst im Innenraum entfaltet die Kon-struktion ihre volle Wirkung: Wie durch ein Blätterdachwird das Licht durch die filigrane Dachstruktur gefiltert.Die Dachstruktur überspannt die Landschaft des Innen-geheges, um das der abwechslungsreiche Besucherwegherumführt und nimmt die Besucherlodge, die Arenasowie die Stallungen auf.

4 Anforderungen an das Tragwerk

Nachfolgende Anforderungen wurden durch die Nutzungoder funktional an das Tragwerk gestellt:− Naturalistische Erscheinung und Integration des Da-

ches in den Landschaftspark für Elefanten,− Flächige Untersicht mit unauffälligem Fugenbild für

unbeeinträchtigte Wirkung des Öffnungsbildes (tra-gende Untersicht),

− Nicht sichtbare Leitungsführung und damit Integrati-on von Leitungen für Luftkissen, RWA, Pflanzenbe-regnung und UV-Leuchten, Sensoren, etc. mit flexiblerNachrüstbarkeit,

− Für Pflanzen und Tiere ausreichender Tages- und UV-Lichteinfall (ca. 30–35% Öffnungen),

− Verwendung von Holz aus Überlegungen der räumli-chen Wirkung auf die Besucher und einer Analogiezum Blätterdach sowie wegen des geringeren Eigenge-

Bild 2 Außenanlage mit Halle im HintergrundOutdoor facilities with hall in background

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Bild 3 Innenanlage am EntstehenIndoor facilities under construction

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wichtes im Vergleich beispielsweise zu einer Beton-schale,

− Wärmedämmung, bauphysikalisch robuster Aufbau,zuverlässige Wasserdichtigkeit.

Wesentliche statische Anforderungen infolge der− stark variablen geologischen Verhältnisse (Fels bzw.

Gehängelehm),− geometrischen Singularitäten im Kraftfluss infolge des

Öffnungsbildes,− unregelmäßigen Randauflagerung des Dachrandeswurde ein duktiles und robustes Tragverhalten mit Sys-temreserven angestrebt.

In Wechselwirkung mit der architektonischen Orga -nisation der Nutzung und der daraus logischen Aus -bildung der Glasfassade ergaben sich die für das Tragwerk zu berücksichtigenden Randbedingungen wiebeispielsweise die Anordnung der vertikal abtragen-den Elemente. Dabei wurde darauf geachtet, möglichstnur ohnehin erforderliche Bauteile zu verwendenwie beispielsweise die runde Außenwand des Manage-mentbereichs als lineares Auflager. In den unterir -disch verlaufenden Medienkanal wurden Regenwasser-zisternen integriert und als lokale „Dachwiderlager“ aus-

gebildet. Diese lokalen Bereiche sind in einzelne aus -kragende Pfeiler aufgelöst, die sich in das organischgleichmäßig wandelnde Prinzip der Fassadenstützeneingliedern.

5 Schalenkonstruktion, globales Tragwerk undWiderlager

Das Projektareal liegt an einem Hang, weshalb sich dasGebäude mit seinem Untergeschoss hangseitig eingräbtund die Bodenplatte der Technikzentrale im Unterge-schoss im Fels liegt, während talseitig die lokalen Wider-lagerbereiche teilweise gar keinen Aushub erfordern undauf wenig tragfähigen und setzungsempfindlichen Schich-ten stehen. Der geometrische Verlauf des Schalenrandesdefiniert sich aus den „Anprall- und Angriffshöhen“durch die Elefanten, den Sichtbezügen zwischen Innen-und Außenbereichen für die Besucher, sowie der Durch-fahrtshöhen von Toren.

Für die eigentliche Schale als elementares Bauteil derDachkonstruktion wurden nach einem eingehenden Vari-antenvergleich von in Frage kommenden Bauweisen fol-gende Prinzipien formuliert:

Bild 4 Randbedingungen für die Lastabtragung aus der NutzungBoundary conditions for load bearing out of use

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Bild 5 Gebäudeschnitt mit geologischen SchichtenBuilding section with geological layers

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− Einfache Herstellung mit ebenen oder geraden Stan-dardprodukten, das Biegen in die Form erfolgt vorOrt auf der Baustelle.

− Duktile und robuste Verbindungen und Knoten wer-den flächig über die ganze Schale eingesetzt: Schlankestiftförmige Verbindungsmittel im Versagensmodus 3,also Ausbildung von plastischen Fließgelenken unddamit Unabhängigkeit vom Holz sichergestellt.

− Planmäßige Querzugbeanspruchungen (bei gekrümmtverklebten Bauteilen aus der Krümmung, Queran-schlüsse, Durchbrüche, Schwinden, etc.) soll mög-lichst gar nicht auftreten.

− Konstruktion soll sowohl mittels Handrechnung alsauch im statischen FEM-Modell einfach und ohnenichtlineare Materialeffekte zuverlässig abgebildetwerden können.

− Keine Sonderfälle und Ausnahmen bei Anschlüssenund Knoten.

− Mehrschichtiges und nachgiebig verbundenes Materi-al soll auf Druck und Zug nahezu identische Eigen-schaften haben und auch für Membranschub duktiles(Bruch-)Verhalten aufweisen und dadurch bei Singula-ritäten – sprich spitzen Ecken – der Oblichter – nichtaufreißen.

− Ringbalken soll mit Vorspannung und Steifigkeit dafürsorgen, dass sich nicht nur wenige Bögen zwischenWiderlagern ausbilden, sondern gleichmäßig und rela-tiv gering beanspruchter Schalenzustand über dasganze Dach mit Umlagerungspotenzial einstellt umdie gewünschte Robustheit/Redundanz zu erreichen.

− Widerlager stützen die Schale horizontal, können sichaber bei außergewöhnlichem Ereignis (Ankerausfall)verschieben und so den Ringbalken im Extremfall alsZugband aktivieren.

6 (Besondere) Einwirkungen

6.1 Windkanal

Die für die statische Analyse notwendigen Windlastenwurden an einem physischen Modell im Windkanal er-mittelt. Die Untersuchung beinhaltet auch Bauzustände

sowie als aussergewöhnliches Gefährdungsbild den End-zustand mit offenem Tor, das eigentlich ab einer definier-ten Windgeschwindigkeit planmäßig geschlossen werdenmuss.

6.2 Schneeverfrachtungen

Für die Bemessung des Schalentragwerkes massgebendeasymmetrische Schneeverfrachtungen wurden ebenfallsam Modell im Windkanal ermittelt. Diese Einwirkungensind für Stabilitätsuntersuchungen und Biegebemessungder Schale relevant.

6.3 Auftrieb

Im Projektareal des Parks ist mit einem Hangwasserspie-gel auf Oberkante Terrain zu rechnen. Die Untergeschos-se wurden deshalb mit Sperrriegeln und Dränageleitun-gen unter den Bodenplatten versehen. Bei den lokalenWiderlagerbereichen ist die Wirkung des Auftriebs zu be-rücksichtigen

6.4 Ankerausfall

Um die horizontalen Schubkräfte der Schale an den Tief-bereichen abzutragen, sind die talseitig angeordneten Wi-derlager mit vorgespannten Litzenankern in Fels zurück-gebunden. Über die Lebensdauer des Gebäudes ist einAusfall denkbar und in der Sensitivitätsanalyse berück-sichtigt.

6.5 Variable Steifigkeiten Ringbalken

Die effektive Biege- und Torsionssteifigkeit des Schalen-randes beeinflußt das Tragverhalten maßgeblich. Als un-terer Grenzwert mit kleiner Steifigkeit kann sich keineSchalentragwirkung einstellen und es bilden sich ledig-lich Bögen zwischen den Widerlagern aus. Als obererGrenzwert des vorgespannten und im Zustand I verblei-

Bild 6 Ringbalken mit 9 bis zu 120 m langen VorspannkabelnRingbeam with 9 up to 120 m long tension cabels

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Bild 7 Einwirkung ElefantAction elephant

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benden Betonbands, kann die Schalentragwirkung akti-viert werden, um die Robustheit zu erhöhen und System-reserven zu mobilisieren.

6.6 Elefant

Die Anpralllast eines Elefanten wird mit dem zweifachendes Gewichts, die Zugkraft mit seinem Gewicht ange-nommen. Elefantenkühe können ca. 4 t, Bullen bis zu 6 twiegen.

7 Formfindung

Für die statische Formfindung dient ein ebenes Lochbildmit einem Öffnungsanteil von ca. 30 % als Grundlage.

Die eigentliche Formfindung, im Sinne einer elastischenDeformation in negativer Eigengewichtsrichtung, ist indiesem Fall als iterativer Prozess zu verstehen: Nebeneinschränkender maximaler Gebäudehöhe waren vorallem die für die Fassadenplanung zu berücksichtigen-den Verformungen der Bogenbereiche zwischen den lo-kalen Widerlager mit auskragenden Pfeilern bestim-mend. Durch Annäherung dieser Verläufe an die Stütz-bzw. Kettenlinien konnten die Verformungen wesentlichbeeinflusst und minimiert werden. Sinn der Formfindungist es, für ein dominierendes Gefährdungsbild ein Scha-lentragwerk mit nahezu biegefreien Beanspruchungszu-stand einzustellen.

8 Holzkonstruktion

Holz ist prinzipiell als anisotroper und inhomogener Bau-stoff nicht naheliegend für ein echtes Schalentragwerkmit 271 Oblichtöffnungen beliebiger Geometrie. Typi-scherweise werden deshalb Kuppeltragwerke aus Holzals Stabwerke konstruiert. Gewählt wurde mit Mehr-schichtplatten ein Werkstoff, der sich leicht bearbeitenund auf der Baustelle in die gewünschte Form bringenlässt. Warum sollte man nicht die Schalung, die es auchfür eine Betonschale braucht gleich als Tragkonstruktionausbilden?

Gewünscht war vom Architekten eine flächige Untersicht– immerhin sind 65  % der Oberfläche des Daches ge-schlossen. Überlegungen zu einem Stabwerk mit ge-schlossener vollflächiger nichttragender Verkleidung inherkömmlicher Bauweise führen nicht zu einem befriedi-genden Fugenbild. Die Untersicht sollte kein „Flickentep-pich“ werden.

− Schalentragwirkung durch Verwendung von großfor-matigen Plattenstreifen (bis zu 3.4 × 12 m2), die Ab-wicklungen werden über statischen Verebnungspro-zess und dadurch Zuschnittspläne für ebene 3S-Plat-ten möglich.

– Die ebenen Platten werden dreilagig jeweils unter 60°verschwenkt übereinander wie ein riesiges Puzzle an-geordnet, sodass jede Lage zu einem Widerlagerbe-reich seine Haupttragrichtung aufweist.

− Unabhängigkeit der Steifigkeiten und Festigkeiten vonAnisotropie und Kraft-Faserwinkel, wenn Verbin-dungsmittel schlank genug sind und im Versagensmo-dus 3 mit Fließgelenken plastisch versagen.

− Duktilität und Robustheit eben durch diese schlankenstiftförmigen Verbindungsmittel.

− Keine planmäßige Querzugbeanspruchung (gekrümm-tes BSH, Queranschlüsse, angeschnittene Fasern,etc.).

− Ebene oder gerade möglichst große Bauteile die aufder Baustelle ohne Hilfsmittel in doppelt gekrümmteForm gebogen werden können.

− Möglichst wenig teuren 5-Achs-Roboterabbund.− Erforderliche Biegesteifigkeit über Fachwerkausbil-

dung mit langen Vollgewindeschrauben als nachgiebi-ge Verbundkonstruktion.

9 Bauteilversuche und Vorteile der Nachgiebigkeit

Das gewünschte Tragverhalten wurde mit einer Versuchs-reihe an der EMPA in Dübendorf verifiziert und mit denErkenntnissen das verfeinerte statische Gesamtmodellkalibriert. Das Verhalten auf Druck- und Zug ist ähnlich(bei Zug fehlt die Laststeigerung nach dem Fließbereich),die Biegesteifigkeit entspricht allerdings wegen der gro-ßen Nachgiebigkeit in den Fugen nur ca. 30 % eines ver-gleichbaren Querschnittes mit starrem Verbund.

Bild 8 Ebenes LochbildFlat opening pattern

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Bild 9 Masterform für Geometriedefinition und -parametrisierungMasterform for CAD and parameterization

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Entscheidend für Stabilitätsuntersuchungen sowie dieLastweitergabe von Schicht zu Schicht in den Knotenbe-reichen ist die Abbildung der Federn im Gesamtmodell.Das siebenschichtige Modell wurde über Parametrisie-rung textbasiert so aufgebaut, dass jeder Knoten mit demzugehörigen der nächsten Lage mit Federn gekoppeltwerden konnte. Dadurch sind die im Holzbau zu berück-sichtigenden Nachgiebigkeiten der Verbindungsmittel ab-gebildet und die reduzierte Steifigkeit bei der Schnittgrö-ßenermittlung berücksichtigt.

10 Geometriedefinition, Detailstatik und Werkplanung

Bereits vor der Ausschreibung waren in das Projekt Pro-grammierer involviert, um die Geometrie der Holzkon-

struktion inklusive sämtlicher Oblichtöffnungen und dieFassade nach Angabe der Ingenieure und Architekten pa-rametrisch aufzubereiten.

Folgende Vorgehensweise wurde zur Sicherstellung eineridentischen Schalengeometrie vereinbart: − Grundlage für alle Prozesse war die Geometrie des

statischen Formfindungsprozesses als CAD-Exportdes FEM-Netzes,

− Dieses wurde für die parametrisierte Programmierungdes Architektenmodells in Rhinozerus verwendet.

− Dieses wurde wiederum als Basis für die parametri-sche Programmierung des siebenlagigen mit Federnnachgiebig gekoppelten verfeinerte FEM-Rechenmo-dell verwendet.

Bild 10 Festigkeits- und Steifigkeitsverhalten von Mehrschichtplatten bei variabler KraftfaserbeanspruchungStrength and stiffness behavior of multilayer boards at variable force fiber stress

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Bild 11 Kraft-Weg-Diagramm von Druckversuch an der EMPA für einen repräsentativen AufbauCompression test at EMPA for a representative part of the structure

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− Sämtliche Prozesse der Bestimmung der Bauteilgeo-metrie und Werkplanung wurden im projiziertenGrundriss entwickelt und dann in die Form des stati-schen Formfindungsprozesses transferiert.

− Die Generierung des Zuschnittes (Verebnung) alsGrundlage für die Werkplanung der 3-S-Platten erfolg-te mit einem eigens entwickelten und parametrisierten

FE-Netz als statische Zwangsverformung auf eineebene Fläche.

− Der Unternehmer hat von den Planern die Zuschnitteder Platten als Zeichnung erhalten, wobei der gleicheProgrammierer für den Unternehmer die Maschinen-ansteuerung für die Herstellung der Einzelbauteileaufbereitet.

Die Bemessung von Holzwerkstoffen – hier Mehrschicht-platten aus Nadelholz – unter beliebiger Membranbean-spruchung ist derzeit nicht über Normen abgedeckt. I.d.R.werden diese Platten nur parallel, senkrecht zu ihrerDecklage oder als aussteifende Schubfelder eingesetztbzw. bemessen. Der Interaktionsnachweis stammt ausder Literatur (bspw. [2]) und wurde um eine übersichtli-che und effiziente Auswertung zu ermöglichen speziell inder verwendeten Statiksoftware programmiert.

Bild 12 Ausschnitt des siebenschichtig nachgiebigen FEM-ModellsCompression test at EMPA for a representative part of the structure

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Bild 13 RegelquerschnittMain cross-section

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Bild 14 Verebnete PlattenstreifenCutting strips of timber panels

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Bild 15 Montage 3S-Platten des SchalentragwerksPlacing of layer elements of shell-structure on site

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Literatur

[1] RÜBEL, A.: Elefantenpark Kaeng Krachan, Sonderheft ZooZürich (2013).

[2] HOHL, A.: Kaeng Krachan Elefantenpark, Zoomagazin, Tr 1(2012).

[3] KREUZINGER H., SCHOLZ A.: Nachweis in Grenzzuständender Tragfähigkeit bei Platten und Scheiben aus Holz undHolzwerkstoffen unter Spannungskombinationen, TU Mün-chen (Juni 1999).

[4] KÜBLER, W.: Freiformschale Elefantenpark Zoo Zürich:Statische Formfindung, Konstruktion und Realisierung,

Band II 19. Internationales Holzbau-Forum IHF 2013,forum-holzbau CH-Biel.

AutorenDipl. Ing. (FH) Wolfram KüblerDrahtzugstrasse 188008 Zü[email protected]