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100 Das Orotavatal und die Nordküste Hier liegt das Traumbild von Teneriffa – grün und fruchtbar. Hier ist sie Blumeninsel, liegen die Wälder, Steilküsten, an denen sich schäumend die Brandung bricht, rustikale Fincas, historische Städte mit alten Kirchen und Klöstern. Werbeaufnahmen für die Insel werden im Norden geschossen. Kunst aus Sand und Blüten Am Tag vor Fronleichnam schmü- cken die Bewohner von La Orotava Straßen und Plätze mit kunstvollen Blütenteppichen. Auf den Haupt- plätzen entstehen riesige Bilder aus farbigem Lavasand. Vom Klima und von der Feuchtigkeit verwöhnt, war der Norden nicht nur das Hauptsiedlungsgebiet der Urein- wohner, auch die spanischen Eroberer ließen sich hier nieder. Sie bauten Zu- ckerrohr bei Orotava und Wein bei Icod de los Vinos an, ihren Reichtum doku- mentieren heute noch malerische Ha- ciendas. Mehrere Städte wurden ge- gründet. Über Häfen wie Garachico, ei- nen der wichtigsten Handelsplätze im 16. und 17. Jh., und später Puerto de la Cruz (damals Puerto de Orotava) ge- diehen Handel und Händler. Auch der Tourismus nahm hier sei- nen Anfang. Nachdem Alexander von Humboldt vor mehr als 200 Jahren über die Schönheit und Vielfalt Teneriffas berichtet hatte, kamen Schwärme von Botanikern und in ihrem Gefolge inte- ressierte Feriengäste – denn nicht ba- den war vor 100 Jahren deren Wunsch, sondern sich im milden Klima in herr- lichen Landschaften und tropischen Gärten zu ergehen. Auch der massen- hafte Ansturm sonnenhungriger Ur- lauber begann vor 50 Jahren bei Puer- to de la Cruz. Den meisten Urlaubern ist heute eine Sonnengarantie wichti- ger als eine reiche Pflanzenwelt. Der Süden hat deshalb den Norden als Ur- laubsziel abgehängt. Was anschauen? Altstadt von La Orotava: Sie blieb fast völlig von der Abrissbirne verschont. Einen der schönsten Stadtbummel kön- nen Sie hier machen. Mit ihren jahr- hundertealten Kirchen, Klöstern Paläs- ten und Gärten steht sie in ihrer Ge- samtheit unter Denkmalschutz und ist

Das Orotavatal und die Nordküste - Michael Müller Verlag · 2019. 12. 18. · der Drago milenario, am Ran-de eines schönen Altstadtvier-tels ist die große Attraktion dieses Ortes

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Page 1: Das Orotavatal und die Nordküste - Michael Müller Verlag · 2019. 12. 18. · der Drago milenario, am Ran-de eines schönen Altstadtvier-tels ist die große Attraktion dieses Ortes

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Das Orotavatal und die Nordküste

Hier liegt das Traumbild von Teneriffa – grün und fruchtbar. Hier ist sie Blumeninsel, liegen die Wälder, Steilküsten, an denen sich schäumend die Brandung bricht, rustikale Fincas, historische Städte mit alten Kirchen und Klöstern. Werbeaufnahmen für die Insel werden im Norden geschossen.

Kunst aus Sand und Blüten Am Tag vor Fronleichnam schmü-cken die Bewohner von La Orotava Straßen und Plätze mit kunstvollen Blütenteppichen. Auf den Haupt-plätzen entstehen riesige Bilder aus farbigem Lavasand.

Vom Klima und von der Feuchtigkeit verwöhnt, war der Norden nicht nur das Hauptsiedlungsgebiet der Urein-wohner, auch die spanischen Eroberer ließen sich hier nieder. Sie bauten Zu-ckerrohr bei Orotava und Wein bei Icod de los Vinos an, ihren Reichtum doku-mentieren heute noch malerische Ha-ciendas. Mehrere Städte wurden ge-gründet. Über Häfen wie Garachico, ei-nen der wichtigsten Handelsplätze im 16. und 17. Jh., und später Puerto de la Cruz (damals Puerto de Orotava) ge-diehen Handel und Händler.

Auch der Tourismus nahm hier sei-nen Anfang. Nachdem Alexander von Humboldt vor mehr als 200 Jahren über die Schönheit und Vielfalt Teneriffas berichtet hatte, kamen Schwärme von Botanikern und in ihrem Gefolge inte-ressierte Feriengäste – denn nicht ba-den war vor 100 Jahren deren Wunsch, sondern sich im milden Klima in herr-lichen Landschaften und tropischen Gärten zu ergehen. Auch der massen-hafte Ansturm sonnenhungriger Ur-lauber begann vor 50 Jahren bei Puer-to de la Cruz. Den meisten Urlaubern ist heute eine Sonnengarantie wichti-ger als eine reiche Pflanzenwelt. Der Süden hat deshalb den Norden als Ur-laubsziel abgehängt.

Was anschauen? Altstadt von La Orotava: Sie blieb fast völlig von der Abrissbirne verschont. Einen der schönsten Stadtbummel kön-nen Sie hier machen. Mit ihren jahr-hundertealten Kirchen, Klöstern Paläs-ten und Gärten steht sie in ihrer Ge-samtheit unter Denkmalschutz und ist

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anerkannt als Kulturerbe Europas. S. 123 Garachico: Bietet das Bild einer unverbauten historischen Kleinstadt. Gemächlich kann man durch Gassen schlen-dern. Die meisten Pa-läste und Häuser aus glanzvollen Zeiten sind keine Museen, sondern nach wie vor bewohnt.

S. 138 Icod de los Vinos: Der tau-sendjährige Drachenbaum, der Drago milenario, am Ran-de eines schönen Altstadtvier-tels ist die große Attraktion dieses Ortes. Oberhalb können Sie in der Cueva del Viento einen Abstieg in die Unterwelt wagen. S. 134 Puerto de la Cruz: Der Urlaubsklassiker und das genaue Gegenteil zu den Fe-rienorten im Süden. Seine herrlichen Grünanlagen, wie der botanische Gar-ten und seine Umgebung, sind damals wie heute Gründe für einen Besuch.

S. 104

Was unternehmen? Fiestas besuchen: Wein, Tanz und Ge-sang sind Teil der bäuerlichen Fiestas, die im Mai ihren Höhepunkt erreichen. Farbenfrohe Trachtenumzüge, in denen auch Ochsenkarren unterwegs sind, können Sie in La Orotava und Los Realejos erleben ( S. 123 und S. 121).

Wo baden? Costa Martiánez: Eine Landschaft mit acht künstlichen Badeseen. Keiner er-innert auch nur entfernt an ein Olym-piaschwimmbecken. Sie sind einge-fasst mit Lavasteinen, umstanden von Palmen und Skulpturen. So sieht die Alternative zu den Stränden in und um Puerto de la Cruz aus. S. 107

Wo wandern? Zu einsamen Stränden: Die schönsten Strände der Nordküste liegen neben-einander im Ortsteil El Rincón. Ab Puerto de la Cruz kann man den ersten in weniger als einer Stunde erreichen.

S. 245 Höhenweg mit Panoramablick: Herr-liche Weitblicke über den Norden bietet diese Wanderung im Orotavatal. Kondi-tion sollten Sie mitbringen. Wande-rung 6, S. 247

Was und wo essen? Puerto de la Cruz: Auf mehr als 100 Restaurants bringt es allein Puerto de La Cruz. Kanarische Küche gibt es hier, beliebt ist auch die Küche aus Galicien (gallego). Fündig werden Sie immer im Ortsteil La Ranilla. S. 118 La Orotava: Casa Lercaro und Victoria sind zwei stilvolle Restaurants für an-spruchsvolle Gäste. S. 130 Buenavista del Norte: Gute Fisch-gerichte bekommt man im El Burgado. Schon die Lage direkt am Wasser und am Rand der Felsenküste des Teno-gebirges wird Sie begeistern. S. 146

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102 Das Orotavatal und die Nordküste

Das Orotavatal Lieblich, harmonisch, romantisch, im oberen Teil der herrlichste Naturpark, im mittleren Teil grün von Weingärten und Obstplanta-gen, am Ufer brandet das Meer an Felsenküsten und an Strände – mit seiner auf Teneriffa einzigartigen Schönheit hat das Orotavatal durch die Jahrhunderte immer wieder Reisende begeistert. Der berühmteste Gast, Alexander von Humboldt, Weltreisender und Forscher, besuchte Teneriffa 1799. Er schrieb über die Schönheit von Teneriffas Nor-den: Ich habe im heißen Erdgürtel Landschaften gesehen, wo die Natur großartiger ist, reicher in der Entwick-lung organischer Formen. Aber nachdem ich die Ufer des Orinoko, die Cordilleren von Peru und die schönen Täler Mexicos durchwandert habe, muss ich gestehen, nirgends ein so mannigfaltiges, so an-ziehendes, durch die Verteilung von Grün und Felsmassen so harmonisches Gemälde vor mir gesehen zu haben.

Die geschmeichelten Tinerfeños tauften einen Aussichtsplatz am Rand

des Orotavatals Mirador de Humboldt, Humboldt-Blick.

Seit Humboldts Besuch hat sich eini-ges verändert, auch in Teneriffas Nor-den. Die Reichhaltigkeit der Vegetation wich in Küstennähe monokultureller Landwirtschaft. Heute sind es Bananen-plantagen, die dort das Bild bestimmen. Arbeitsplätze in der Landwirtschaft hatten den Zuzug von Menschen aus kargeren Gegenden zur Folge. Sie brauch-ten Häuser und machten das untere Orotavatal zu einem der am dichtesten besiedelten Gebiete Teneriffas. Dann lasen Generationen von Touristikma-nagern den Reisebericht Alexander von Humboldts. Sie bauten mit an einem

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der für lange Zeit größten Urlauber-zentren der Kanarischen Inseln: Puerto de la Cruz. Vermögende Ruheständler trugen bei zur Parzellierung und genie-ßen hier ihren Lebensabend in schmu-cken Villen und Bungalowsiedlungen.

In den mittleren Zonen von 500 bis 900 Höhenmetern, wo die Wolken so manchen kühlen, nebligen und regne-rischen Tag bringen, ist fast alles beim Alten geblieben. Die Menschen leben in Dörfern unter sich und bebauen nach wie vor ihre Terrassenfelder mit Obstbaumkulturen, Wein, Kartoffeln und Gemüse.

Noch etwas höher bis direkt unter-halb des Nationalparks Teide erstre-cken sich Kiefern- und Erikawälder wie riesige natürliche Parkanlagen, eröffnen Plateaus und Aussichtspunk-te immer wieder den Blick auf den Teide und die Küste. Eine herrliche Landschaft, wie sie Alexander von Humboldt beschrieben hat, erstreckt sich beiderseits der Landstraße zum Nationalpark hinauf. Es lohnt sich, sie zu erwandern; das Wegenetz ist gut ausgebaut und markiert.

La Villa de Orotava, die Stadt im Tal, war bis ins 19. Jh. eines der wirtschaft-lichen und kulturellen Zentren Tenerif-fas. Ihre Altstadt ist unversehrt, voll von architektonischen Schmuckstü-cken und steht in ihrer Gesamtheit un-ter Denkmalschutz. Vorspanische Geschichte: Taoro hieß das Tal bei den Guanchen. Es war schon vor der Eroberung durch die Spa-nier ein beliebtes Siedlungsgebiet, denn die Passatwolken und mehrere ganz-jährig fließende Bäche machten es fruchtbar. Der letzte Guanchenfürst von Taoro und oberster Mencey von Echine (Teneriffa) Bencomo galt als der um-sichtigste und tapferste der neun Insel-fürsten. Ganz wesentlich war es der von ihm organisierte Widerstand, der dazu führte, dass die Spanier Teneriffa erst 1496 als letzte der Kanarischen In-seln erobern konnten. Die letzte Bas-tion der Guanchen war das Orotavatal. Noch 1494 hatten sie unter der Füh-rung Bencomos die spanischen Trup-pen in eine Schlucht westlich des Oro-tavatals gelockt und dort vernichtend geschlagen. Nur neunzig Mann, unter

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104 Das Orotavatal und die Nordküste ihnen der damalige Befehlshaber Alon-so de Lugo, entkamen dem Blutbad. Den Ort ihrer Niederlage tauften die Spanier später La Matanza, das Gemet-zel, und so heißt er noch heute. Knapp zwei Jahre später hatten sie Grund, ei-nen anderen Ort an der Grenze zum Tal La Victoria zu nennen, nachdem sie die durch eine eingeschleppte Epidemie und Viehdiebstahl geschwächten Guanchen in offener Feldschlacht am 25. Dezember 1495 überwältigt hatten. Bis zur Kapitulationserklärung dauerte es dann trotzdem noch mehrere Mona-te. Die Spanier nahmen sie von Benco-mo in Los Realejos (Die königlichen Feldlager) im Zentrum des Orotavatals entgegen. Seine Worte bei der Über-gabe des Tals entsprachen der Stim-mung vieler Guanchen: Ich werde mich

niemals einem anderen Menschen un-terwerfen. Ich bin frei geboren und werde auch nur so leben. Viele entzogen sich der Gefangennahme und Sklaverei durch einen Sprung vom Gipfel des Tigaiga (heute Aussichtsplateau in Richtung Icod). Die Eroberungsge-schichte lässt sich im spannenden Ro-man „Der König von Taoro“ von Horst Uden nachlesen.

Nach dem endgültigen Sieg teilten die Spanier das Land und das Wasser als Kriegsbeute ( Stadtgeschichte La Orotava und Los Realejos). Welcher Partei die Sympathien der Menschen von Teneriffa gehören, ist spätestens klar, wenn man das Wandbild von La Matanza direkt an der Autobahn pas-siert: Es zeigt den Sieg der Guanchen.

Puerto de la Cruz Die Stadt, häufig auch nur kurz Puerto genannt, ist der kanarische Urlaubsklassiker schlechthin. Seit mehr als 120 Jahren kommen Ur-lauber hierher. Sie genießen das ausgeglichene Klima, die üppige Vegetation und die traumhafte Lage am Ende des Orotavatals. Etwa 30.000 Urlauberbetten stehen in Puerto de la Cruz und Umgebung zur Verfügung. Die Fremden sind damit auch in der Hochsaison in der Minder-heit, denn ihnen stehen ca. 45.000 Ein-wohner gegenüber. Es ist keinesfalls al-lein der Tourismus, der die Stadt prägt. Hier ist nicht alles für die Urlauber ein- und hergerichtet, sondern ebenso für die Einwohner der Stadt. Es gibt Orts-teile, in denen die kleinen Hotels und Pensionen neben Wohnhäusern stehen, ohne dass man auf den ersten Blick er-kennen könnte, wo die Urlauber und wo die Einheimischen wohnen. Auch die zentrale Plaza del Charco teilen sich Einheimische und Urlauber einträch-tig. Sonntags und in den Sommerferien sind die Familien von Puerto am Strand in der Überzahl.

Die Jahre haben ihre Spuren in der Architektur der Stadt hinterlassen, die jeweils aktuellen Bautrends haben das Stadtbild geprägt. Das Gebäude der ersten Nobelherberge, das ehemalige Gran Hotel Taoro, thront nach wie vor über der Stadt; bis 2005 war es noch Sitz des Spielkasinos, als Kongresszen-trum mit angeschlossenem Hotel ist es kein Erfolg, 2020 soll ein Investor ihm wieder zu altem Glanz verhelfen.

Gemessen an den ersten spanischen, auf Massentourismus ausgerichteten Urlauberzentren hatte Puerto den An-spruch, die elegante, urbane Variante zu sein. Inzwischen ist sie, was die Zahl der Luxusherbergen betrifft, von der Costa de Adeje im Süden überholt worden – urban wie in Puerto ist es dort allerdings nicht. Ausruhen kann

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sich Puerto darauf aber nicht, das kann sich die Stadt nicht leisten. Sie hat beim Werben um die zahlenden Gäste gegenüber der Konkurrenz im Süden zwei erhebliche Nachteile: das Wetter – Teneriffas Norden hat deutlich weniger Sonnenstunden – und so manche Alt-last aus den Anfängen des Massentou-rismus. Sie bescherten der Stadt breite, von Hochhäusern gesäumte Straßen-schneisen beiderseits der Innenstadt, aber auch 20-stöckige Einsprengsel im Zentrum. Genau die sind jetzt das Pro-blem. Was vor 50 Jahren als Luxus galt, dafür finden sich heute nicht einmal genug Gäste aus dem Mittelklasseseg-ment. Platz, um (wie im Süden) an der Küste entlang neue Bauplätze für Luxusherbergen zu erschließen, hat Puerto de la Cruz nicht. Da hilft nur, das Vorhandene den gewachsenen An-sprüchen anzupassen. Das gilt für die Hotels ebenso wie für die öffentlichen Anlagen.

Die Playa Jardín, der Gartenstrand, wurde nach den Plänen von César Manrique, dem bekanntesten Künstler

der Kanaren, angelegt. Den wichtigsten Küstenstreifen, die Avenida Cólon, hat die Stadt in eine autofreie Promenade verwandelt und die berühmte Badean-lage Costa Martiánez gebaut.

Immer mehr Straßen werden ver-kehrsberuhigt und begrünt. Stillstand ist nicht vorgesehen. Irgendwann sol-len die Arbeiten vor dem westlichen Küstenabschnitt beginnen. Angedacht sind Park- und Badeanlagen sowie ein Sporthafen zwischen Hafen und Castillo San Felipe.

Ortsteil La Paz und El Botánico Im Ortsteil La Paz präsentiert sich Puerto von seiner grünen und noblen Seite. Die erste Begegnung mit der Stadt ist El Botánico, der botanische Garten. Kühle, Schatten, Ruhe und ein beschaulicher Spaziergang zwischen seltenen Gewächsen beginnen dahin-ter. Der Garten wurde bereits 1788 als botanisches Experiment angelegt. Der König wünschte sich die tropischen Pflanzen seiner Kolonien für die Palast-gärten auf dem spanischen Festland.

Playa Jardín

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106 Im subtropischen Klima Teneriffas

sollten sie sich akklimatisieren. Das Experiment misslang, denn auf Tene-riffa gedieh alles prächtig, aber nur we-nige Ableger überstanden die europäi-schen Winter. Der botanische Garten aber blieb Puerto de la Cruz erhalten. Rund 3000 exotische Pflanzen sind zu dichtem Grün zusammengewachsen. Ein erholsamer Ort, nicht nur für bota-nisch Interessierte. Es gibt ungewöhn-liche Bäume wie den Riesen-gummibaum aus Südamerika mit sei-nen auffälligen Luftwurzeln im Zen-trum des Parks oder den Palo Borracho, den betrunkenen Pfahl, dessen stachel-bewehrter Stamm wie ein Betrunkener schwankt. Besonders still und roman-tisch ist es am Seerosenteich.

Carretera Botánico/La Paz, der Eingang befin-det sich in einem maurisch anmutenden Ge-bäude in der Seitenstraße Calle Retamar. An-fahrt mit Buslinie 102. Tägl. 9–18 Uhr, außer 1.1., Karfreitag und 25.12. Eintritt 3 €, Kinder frei.

Weiter in Richtung Zentrum wird die Landstraße zur Einkaufsstraße für den Ortsteil La Paz, eine noble Wohngegend mit Hotels der gehobenen Kategorie. Dass viele Deutsche hier leben und noch mehr hier ihren Urlaub verbrin-gen, zeigen die Hinweise auf deutschen Werbetafeln.

Einen wundervollen Blick aufs Meer und einen guten Überblick über Puerto hat man vom Mirador Los Llanos de la Paz. Dazu verlässt man die Carretera vor der großen Linkskurve auf der Hö-he des großen Supermarktes nach rechts und hält sich bei nächster Gelegenheit links. Gegenüber der Kapelle von San Amaro liegt der Aussichtspunkt. Direkt am Mirador beginnt eine Promenade nach Osten. Das Ortszentrum erreicht man zu Fuß über den Camino San Amaro und den Camino de las Cabras (Ziegenpfad), einen Treppenweg. Orchideengarten Sitio Litre: Wer noch einen weiteren Garten anschauen möchte, geht oder fährt die Carretera del Botánico ein Stückchen weiter hin-

Im botanischen Garten

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Das Orotavatal und die N

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Das Orotavatal | Puerto de la Cruz 107 unter. Direkt am Barranco Martiánez liegt in einem Fußgängerbereich der äl-teste Privatgarten. Hier genossen schon Alexander von Humboldt und Agatha Christie Gastfreundschaft, Klima, Pflanzen und Umgebung. Der Garten ist kleiner als El Botánico, eindrucks-voll ist jedoch die Orchideenabteilung.

Tägl. 9.30–18 Uhr, im Sommer bis 14.30 Uhr. Eintritt 4,75 €, Kinder frei.

Rundgang durchs Zentrum Zwischen der Ermita San Telmo und der Plaza del Charco liegen alle wich-tigen öffentlichen Gebäude der Stadt, die Altstadt, die Hauptkirchen, Mu-seen, der Fischerhafen, die schönsten Plazas und dazu noch Promenaden und Einkaufsstraßen, Restaurants und Ho-tels bzw. Apartmenthäuser. Bei alledem ist das Ortszentrum nicht einmal be-sonders groß, nicht überladen und weitgehend von Hochhäusern ver-schont geblieben. Mit einem Bummel durch diesen Teil der Stadt stimmt man sich am besten auf einen Urlaub am Ort ein.

Ausgangspunkt des Spaziergangs ist die Playa Martiánez. Mit dem Bau der

großen Hotels musste sich die Stadt ernsthaft Gedanken über weitere Bade-plätze machen, denn innerhalb des Ortes gab es lange Zeit nur diesen einen Strand. An allen anderen Küstenplät-zen waren Felsen vorgelagert, von de-nen aus man nur an Molen und Trep-pen oder durch Geländer geschützt im Meer baden konnte. Um auch als Bade-ort attraktiv zu werden, engagierte die Stadt den Künstler und Landschafts-gestalter César Manrique. Er schuf 1968 ein Badeparadies auf den Felsen. Costa Martiánez: eine riesige Land-schaft mit acht künstlichen Meer-wasser-Badeseen. Keiner erinnert auch nur entfernt an ein Olympiaschwimm-becken. Die Beckens sind eingefasst mit Lavasteinen, umstanden von Pal-men und Skulpturen. Zu jeder vollen Stunde verschwindet eine künstliche Insel hinter dem Wasservorhang riesi-ger Fontänen. Auch Kioske und Restau-rants gibt es. Von hier aus ging die Idee der Spaßbäder um die Welt. Für Geh-behinderte gibt es einen speziellen Wasserrollstuhl.

Eintritt 5,50 €, Kinder 2,50 €, es gibt auch günstige Karten für mehrfachen Besuch.

Im Badepark Costa Martiánez