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Das Projekt Lambertsmühle: Zukunftsfähiges Abwassermanagement im ländlichen Raum?

Das Projekt Lambertsmühle: Zukunftsfähiges ...€¦ · Wir finden ein System vor, das in seinen Grundzügen vor über hundert Jahren entwickelt wurde und seither in sich selbst

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  • Das Projekt Lambertsmühle:

    Zukunftsfähiges Abwassermanagement

    im ländlichen Raum?

  • Titelbild: Die Lambertsmühle in Burscheid, im Vordergrund die Pflanzenkläranlage

    Herausgeber: Wupperverband, Untere Lichtenplatzer Straße 100, 42289 Wuppertal, Tel.: 0202 / 583-0 , E-mail: [email protected]

    Redaktion: WiW Wupperverbandsgesellschaft für integrale Wasserwirtschaft mbH,Untere Lichtenplatzer Straße 100, 42289 WuppertalTel.: 0202 / 583-104, E-mail: [email protected]

    Druck: BFC, 42899 Remscheid

  • Das Projekt Lambertsmühle:

    Zukunftsfähiges Abwassermanagement

    im ländlichen Raum?

    mit Förderung durch das Ministerium für Umwelt und Naturschutz,

    Landwirtschaft und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen

    Burscheid, 2003

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    Inhalt

    Nachhaltige Siedlungswasserwirtschaft?

    Nachhaltige Wasserwirtschaft beim Wupperverband

    Das teilstromorientierte Abwasserkonzept Lambertsmühle- Konzept, Betrieb, Forschungsvorhaben -

    Mikrobiologische Untersuchungsergebnisse und hygienische Bewertung

    Analytik polarer Arzneimittelrückstände in Urinproben einschließlich der Entwicklung der hierzu notwendigen adäquaten Verfahren mittels GC-MS/MS

    Stoffbilanzen, Betriebsbeurteilungen, Akzeptanz

    Verwertungsmöglichkeiten separierter Nährstoffe in der Landwirtschaft

    Das Abwasserkonzept der Lambertsmühle aus Sicht des Fördervereins

    Das alternative Abwasserkonzept der Lambertsmühle- zukunftsfähig aus wasserrechtlicher Sicht?

    Die internationale Entwicklung von "Ecological Sanitation"

    Zusammenfassung

    Prof. Dr. J. Londong 6

    B. Wille 8

    Dr. M. Oldenburg, 10J. Zimmermann,A. Bastian,Prof.Dr. R. Otterpohl

    Dr. G.-J. Tuschewitzki 26

    Dr. S. Strompen, 32Dr. F. Werres, Dr. P. Balsaa, Prof. Dr. H. Overath

    J. Niederste-Hollenberg, 54Dr. M. Oldenburg, Prof. Dr. R. Otterpohl

    J. Simons 67Prof. Dr. H. Goldbach, G. Schirmer, H. Thuir, Dr. J. Clemens

    A. Busch 72

    W. Büttgens 75

    Prof. Dr. R. Otterpohl 80

    Dr. M. Oldenburg 84

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    Vorwort

    Nachhaltige Siedlungswasserwirtschaft?

    Prof. Dr. Jörg Londong

    Bauhaus-Universität Weimar, Cuodraysraße 7, 99423 WeimarTel.: 03643 / 584615, [email protected]

    Blicken wir zurück auf die Leistungen der Siedlungswasserwirtschaft, die dazu geführt haben,dass wir heute in den industriealisierten Ländern frei von Seuchen und hygienischen Trink-wasserproblemen sein können. Wir finden ein System vor, das in seinen Grundzügen vor überhundert Jahren entwickelt wurde und seither in sich selbst verbessert wurde. Die Verbesse-rung zeichnete sich durch Symptombekämpfung und hintereinander geschaltete end-of-pipeTechnik aus.Heute wissen wir, dass auch, geprägt durch diese Entwicklung, Abwasserentsorgung undTrinkwasserversorgung kostenträchtige Dienstleistungen sind, die meist mit hohen langfristi-gen Investitionen verbunden sind (Kanäle, Kläranlagen, Rohrnetze, Wasserwerke, Talsperren,Wasserschutzzonen). Die damit unweigerlich verbundenen Kosten sind aber immer nochnicht (oder wieder nicht?) gesellschaftlich akzeptiert. Hier wird ein Werteproblem evident. Unsere Siedlungsentwässerung basiert auf dem Prinzip von Vermischen, Abtransportieren mitWasser und (Teil-)reinigen am Ende des Transportweges. Das System ist nicht geschlossen,nicht im Prinzip und nicht in der Praxis. Undichte Kanäle, Mischwasserentlastungen, Rest-frachten im Ablauf der Kläranlagen und im Klärschlamm, nicht an das zentrale System ange-schlossene Haushalte führen zu geöffneten Nährstoffkreisläufen und Emissionen von Stoffen,die sich nachteilig auf die Empfängersysteme Gewässer und Böden auswirken können. Diesdeutet Nachhaltigkeitsdefizite an.Besonders beunruhigend sind die in jüngster Zeit gewonnenen Erkenntnisse über die Durch-lässigkeit der Kanalisationen und der Kläranlagen für endokrin wirksame Stoffe und Arznei-mittelrückstände. Erweitern wir den Blickwinkel über die Industrienationen hinaus, so sollte unser System derSiedlungsentwässerung nicht auf Schwellen- und Entwicklungsländer übertragen werden. Dagegen sprechen:• Hygienische Risiken in Gewässern:

    Der hygienische Erfolg des Systems schließt die aufnehmenden Gewässer in der Regelnicht ein. In den meisten Ländern der Welt gibt es zudem kaum funktionierende Kläranla-gen, Spültoilette und Schwemmkanal tragen dort massiv zur Seuchenausbreitung bei.Menschliche Ausscheidungen werden in den Wasserkreislauf eingebracht, der oft wiederder Trinkwassergewinnung dient.

    • Große Mengen wesentlicher Nährstoffe wie Stickstoff, Phosphor und Kalium gehen durchunsere Art der Siedlungsentwässerung verloren.

    • Hoher Energieaufwand zur Umwandlung organischer Stoffe zu CO2 und zur Nitrifikation des Abwassers. Durch Nichtnutzung des Abwassers als Dünger wird an anderer Stelle weiterer Energieaufwand zur Düngerproduktion induziert.

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    • Hohe Verletzbarkeit bei Katastrophen (Erdbeben, Überschwemmungen u.a.). • Aufwendige Infrastruktur mit hoher Materialintensität, hoher Kapitalbindung und geringer

    Flexibilität. Innovationen und Anpassungen der Abwassertechnik werden behindert oder unmöglich gemacht.

    • In wasserarmen Ländern verschärft das System die Wasserknappheit, in Monsunregionenerhöht es die Hygienerisiken durch Überflutung der Kanäle.

    • Ungünstig für weniger dicht besiedelte Gebiete, Fehlplanungen können zur dauerhaften Verarmung von Gemeinden führen.

    • Geringes Verantwortungsbewusstsein beim Verbraucher, da zentrale Siedlungsentwässe-rungssysteme unsichtbar.

    Wenn wir so weitermachen wie bisher, werden die globalen sozialen Probleme der Unterver-sorgung zunehmen. Konflikte und Kriege sind dann absehbar.Was tun?Um das hohe technische Niveau in Deutschland auch in Zukunft zu sichern, sollte die Förde-rung durch Bund und Länder gezielter die Entwicklung von nachhaltiger und exportorientierterWassertechnologie berücksichtigen.Dass gerade in Deutschland gute Erfolgsaussichten auf diesem Weg bestehen, liegt an demtraditionellen Praxisbezug deutscher Hochschulforschung. Wesentlichen Nachteilen des heutigen end-of-pipe-Systems kann begegnet werden, wennMaßnahmen an der Quelle ansetzten. Diese Philosophie ist bei industriellen Produktionenschon weit verbreitet. In der Siedlungsentwässerung kann die Versickerung von unver-schmutztem Regenwasser vor Ort als Einstieg in die Trennung von Teilströmen und Maßnah-men an der Quelle gesehen werden. Konsequent weitergedacht kommt man zur Analyse derTeilströme auch im häuslichen Abwasser.Die Erforschung und Erprobung innovativer Verfahren und Komponenten muss Priorität vorder Entwicklung weiterer end-of-pipe Techniken bekommen. Leichte Veränderbarkeit undNachrüstbarkeit sind wichtige Anforderungen für Systeme, die sich im Aufbau befinden, undwenn wenig empirisches Wissen vorhanden ist. Wir müssen uns darüber klar werden, welche Siedlungstechnik wir exportieren wollen. Vordem Hintergrund der geschilderten Nachteile unserer Siedlungstechnik, muss über neue Kon-zepte nachgedacht werden. Die deutschen Anlagenkonzepte sind auf die heimischen Ver-hältnisse und historisch entstandene Ansprüche optimiert, wie sie weltweit nur in wenigenLändern anzutreffen sind. In Entwicklungs- und Schwellenländern muss die Planung vongrundsätzlich anderen Bedingungen und Prioritäten ausgehen. Insbesondere in Schwellen-und Entwicklungsländern ist eine angepasste Technik gefragt, die auf die wirtschaftlichen, so-zialen und technischen Bedingungen des Landes hin entwickelt wurde und ausreichendeQualität bei bezahlbarem Aufwand liefert. Forschung und Entwicklung darf in Deutschland da-her nicht bei der Anpassung vorhandener Verfahren stehen bleiben.Die Eignung neuartiger Konzepte sollte für den Einsatz im In- und Ausland zunächst in geeig-neter Weise in Deutschland nachgewiesen werden. Hierzu ist Mut zu Experimenten erforder-lich, und zwar nicht nur bei wissenschaftlichen Hochschulen, sondern auch bei Betreibernund Behörden. Pilot- und Demonstrationsobjekte wie das an der Lambertsmühle in Burscheid helfen, nacherbrachtem Funktionsnachweis, die Position der deutschen Wasserindustrie im heimischenund auf dem Weltmarkt langfristig zu festigen.

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    Nachhaltige Wasserwirtschaft beim Wupperverband

    Bernd Wille, Vorstand des Wupperverbandes

    Wupperverband, Untere Lichtenplatzer Straße 100, 42289 WuppertalTel.: 0202 / 583-244, [email protected]

    Der Wupperverband hat als Interessensausgleichsverband die Aufgabe, eine integrale Be-wirtschaftung des Wassers im Einzugsgebiet der Wupper sicherzustellen. Mit Blick in die Zu-kunft hat der Wupperverband auf der Grundlage jahrzehntelanger Erfahrungen Leitbilder fürseine Arbeit aufgestellt. An oberster Stelle steht der Leitgedanke: "Nachhaltiger Umweltschutzim Einzugsgebiet der Wupper bei vertretbaren Kosten und Schonung der Ressourcen".

    Als Grundlage und Zielsetzung für seine Aufgabenerfüllung hat der Wupperverband insge-samt sieben Leitbilder formuliert: 1. Nachhaltiger Umweltschutz im Einzugsgebiet der Wupper bei vertretbaren Kosten und

    Schonung der Ressourcen 2. Ausgleich zwischen den ökonomischen und ökologischen Anforderungen 3. Förderung des Umweltbewusstseins 4. Effiziente Erbringung der Leistungen 5. Schaffung der Akzeptanz des Wupperverbandes als kompetentes Unternehmen für seine

    Mitglieder und bei der Bevölkerung 6. Partnerschaftliche Zusammenarbeit und Sensibilität für die Belange der Mitglieder des

    Wupperverbandes 7. Wahrnehmung der sozialen Verantwortung

    Nicht zufällig findet sich der Nachhaltigkeits-begriff direkt im ersten Leitbild des Wupper-verbandes. Der Begriff der "Nachhaltigen Ent-wicklung" hat seit der Konferenz der VereintenNationen für Umwelt und Entwicklung 1992 inRio de Janeiro Eingang in unseren täglichenSprachgebrauch gefunden, wird aber inzwi-schen sicher auch manchmal unreflektiertüberstrapaziert. Der Begriff der NachhaltigenEntwicklung umfasst die drei Bereiche Ökolo-gie, Ökonomie und soziale Sicherheit. Kenn-zeichen einer nachhaltigen Entwicklung ist,dass sie "den Bedürfnissen der heutigen Ge-neration entspricht, ohne die Möglichkeitenkünftiger Generationen zu gefährden, ihre ei-genen Bedürfnisse zu befriedigen und ihrenLebensstil zu wählen" [Brundland 1987 undRio 1992 - Agenda 21].

    Handlungsgrundsätze für eine NachhaltigeEntwicklung (Empfehlung einer Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages):

    1. Die Nutzung einer Ressource darf aufkeinen Fall größer sein als ihre Rate der Er-neuerung oder die Rate des Ersatzes all ih-rer Funktionen.2. Die Freisetzung von Stoffen darf auf Dau-er nicht größer sein als die Tragfähigkeitbzw. Aufnahmefähigkeit der Umwelt.3. Gefahren und unvertretbare Risiken fürMenschen und Umwelt sind zu vermeiden.4. Das Zeitmaß menschlicher Eingriffe in dieUmwelt muss in einem ausgewogenen Ver-hältnis zu der Zeit stehen, die die Umweltzur Selbststabilisierung benötigt.

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    Nachstehend sind wichtige Aspekte für dietägliche Arbeit des Wupperverbandes in denvier Sektoren Umwelt, interne Sozialpolitik,externe Gesellschaftspolitik und ökonomi-sche Politik genannt, die aus dem Nachhal-tigkeitsgedanken abgeleitet werden können.A Umwelt

    1 Schonender Umgang mit Ressourcen,Reduzierung des In- und Output

    2 Minimierung der Risiken für Mensch und Umwelt

    3 Erhalt / Mehrung biologischer Vielfalt 4 Strategie5 Verfahren

    B Interne Sozialpolitik1 Sicherung von Arbeits- und

    Ausbildungsplätzen2 Förderung von Arbeitssicherheit und

    Gesundheit3 Gleichberechtigung4 Fortbildungsmöglichkeiten5 Kommunikation6 Unternehmensführungsstruktur7 Informationspolitik

    C Externe Gesellschaftspolitik1 Gesellschaftliche Auswirkungen der

    Hauptprodukte2 keine Beteiligung an in Frage stehen-

    den Technologien / Handelspraktiken3 Kommunikation mit den Akteuren4 Gesellschaftliche Investitionen5 externe soziale Aktivitäten

    D Ökonomische Politik1 Wirtschaftliches Potenzial2 Wirtschaftliche Risiken3 Kunden - Kommunikation4 Kunden - Information5 Zusammensetzung Führungsgremien6 Jahresverbandsversammlung7 Qualität finanzieller Berichterstattung8 Behörden

    *) Hahn, H. H.: Ziele, Strategien und Handlungs-empfehlungen - 50 Jahre ATVin: UTA Umwelt Technologie Aktuell, Jg. 9, Nr. 3, S. 188-195, Juli 1998

    Beispiel:Der Wupperverband wurde im Mai 1998vom Verein zur Förderung der Lamberts-mühle zu Burscheid e.V. um Unterstützungbeim Bau einer Kleinkläranlage/Pflanzen-kläranlage gebeten. Da diese Anlage demheutigen Stand der Technik entspricht, er-schien sie als Modellanlage und möglichesPilotprojekt nicht von Interesse. Der Wup-perverband beauftragte daher im Juli 1998das Ingenieurbüro OtterWasser in Lübeckmit der Erarbeitung eines neuen Abwasser-konzeptes unter Berücksichtigung des na-türlichen Wasser- und Nährstoffkreislaufes.Das dabei erarbeitete Abwasserkonzeptsieht eine Trennung des häuslichen Abwas-sers in Teilströme unterschiedlicher Qualitä-ten mit differenzierten Behandlungsstufenvor. Der Wupperverband ist sehr stark anneuen Systemen in der Wasserwirtschaftinteressiert. Die Trennung des häuslichen Abwassers inTeilströme mit anschließender adäquaterBehandlung stellt einen Schritt zu einernachhaltigen Wasserwirtschaft dar. Dieseswird inzwischen in immer weiterem Maße inder Fachwelt erkannt. Der Vorsitzende derATV, Prof. Hahn, formulierte diese Entwick-lung in einem Interview wie folgt: "Absolutrichtig ist der Trend, einzelne Ströme, also z.B. schadstoffbelastete von weniger belaste-ten zu trennen, wie es in der Abfallwirtschaftpraktiziert wird." *)

    Der Wupperverband ist für neue Ideen undKonzepte offen und bestrebt, diese mit zuentwickeln und in die Praxis umzusetzen.Bei der Projektsteuerung und Projektleitungvon übergreifenden Projekten/Konzeptenhat der Wupperverband einen reichhaltigenErfahrungsschatz. Das Projekt bietet daherallen Beteiligten die Möglichkeit, neue For-men der Entwässerung für Außenbereicheanhand eines Pilotprojekts zu beurteilen undhinsichtlich der Übertragbarkeit auf andereStandorte zu überprüfen.

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    Das teilstromorientierte Abwasserkonzept der Lambertsmühle

    - Konzept, Betrieb, Forschungsvorhaben -

    Dr. Martin Oldenburg1), Jens Zimmermann1), Andreas Bastian2), Prof. Dr. Ralf Otterpohl3)

    1) OtterWasser GmbH, Engelsgrube 81, 23552 Lübeck, [email protected]) Wupperverband, Untere Lichtenplatzer Str. 100, 42289 Wuppertal, [email protected])Technische Universität Hamburg-Harburg, Eißendorfer Str. 42, 21073 Hamburg, [email protected]

    1 EinleitungFür die Lambertsmühle, eine historische Wassermühle im Bergischen Land in Burscheid, wur-de ein neues Abwasserkonzept mit der getrennten Erfassung von Teilströmen erarbeitet. ImZuge der Restaurierung der denkmalgeschützten Anlage und des Umbaus in ein Museum,das unter dem Motto "Vom Korn zum Brot" die Tradition der Bergischen Wassermühlen zeigenwill, wurde auch eine Sanierung des Abwassersystems erforderlich. Da ein Anschluss an einöffentliches Kanalnetz wegen der weiten Wegstrecke mit hohen Investitionskosten verbundengewesen wäre, sollte eine eigenständige bzw. dezentrale Abwasserbehandlungsanlage er-richtet werden. Der Ausbau des Museums wurde daher nach Abstimmung mit dem Rheinisch-Bergischen Kreis und dem Ministerium für Umwelt und Naturschutz, Landwirtschaft und Ver-braucherschutz (MUNLV) des Landes Nordrhein-Westfalen durch ein teilstromorientiertes Ab-wasserkonzept und dem Wahlspruch "Vom Brot zum Korn" mit dem Ziel der Rückführung vonNährstoffen in den Nährstoffkreislauf ergänzt. Das unter Berücksichtigung des natürlichen Wasser- und Nährstoffkreislaufes erarbeitete Ab-wasserkonzept sieht eine Trennung des häuslichen Abwassers in Teilströme unterschiedlicherQualitäten mit differenzierten Behandlungsstufen vor.Die Realisierung des Abwasserkonzepts für die Lambertsmühle bietet aufgrund der einmali-gen Konstellation der Beteiligten (verantwortlicher Förderverein, Wupperverband, Kreis etc.),deren Interessen und den örtlichen Randbedingungen eine Chance, in einem Pilotprojekt ei-nen weiteren Schritt zu einer nachhaltigen Wasserwirtschaft für den ländlichen Raum zu tun.Der Wupperverband ist sehr stark an neuen und zukunftsfähigen Wegen in der Wasserwirt-schaft interessiert und möchte mit diesem Projekt in NRW bei der Anwendung neuer Verfahrenund Techniken zur Behandlung häuslicher Schmutzwässer in Zusammenarbeit mit allen Pro-jektbeteiligten vorangehen. Wasserwirtschaft heißt für den Wupperverband: Flussgebietsma-nagement - alle Einflussfaktoren und Beteiligten im Gebiet der Wupper und ihrer Nebenflüssewerden einbezogen. Dabei stehen im Sinne der Agenda 21 neben Umweltschutz auch wirt-schaftliche und gesellschaftliche Aspekte im Vordergrund. Es liegt daher auch in der Verant-wortung des Wupperverbandes, sein Handeln transparent zu machen und die Menschen imGebiet der Wupper und darüber hinaus in die Diskussion um die Entwicklung der Wasserwirt-schaft einzubeziehen.Im Rahmen des vom MUNLV unterstützten Forschungsvorhabens wurde die Funktionsweisedes Abwasserkonzepts detailliert untersucht. Da dieses Projekt eines der ersten Projekte inDeutschland mit Urinseparation und weitgehender Teilstromtrennung ist, sind die Ergebnissewichtig für die weitere Entwicklung dieser Technik und sollten mit den aus den skandinavi-

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    schen Ländern schon über einen längeren Zeitraum gewonnenen Erfahrungen verglichen wer-den. Die Ergebnisse werden nachfolgend präsentiert.

    2 Konzept Das Abwasserkonzept für die Lambertsmühle, dessen Fließschema in Abb. 2 dargestellt ist,besteht im wesentlichen aus einer getrennten Ableitung und Behandlung folgender Teilströ-me:

    Teilstrom BeschreibungGelbwasser Urin aus Urinseparationstoiletten und Urinalen, mit oder ohne SpülwasserBraunwasser Sanitärwasser der Toiletten ohne Urin bzw. Gelbwasser

    (Fäkalien + Spülwasser)Grauwasser häusliches Abwasser ohne Fäkalien und ohne Urin aus Küche, Bad,

    Dusche, Waschmaschine usw. Abb. 1: Teilströme des Abwasserkonzepts Lambertsmühle

    Das separat durch den Einsatz von Urinseparationstoiletten und wasserlosen Urinalen erfass-te Gelbwasser wird über eine Gelbwasserleitung abgeleitet und anschließend in einem Gelb-wasserspeicher bis zur Abfuhr und Nutzung in der Landwirtschaft gelagert. Neben der Nähr-stoffnutzung ergibt sich aus der Urinseparation ein weiterer Vorteil. Das Abwasserbehand-lungssystem ist gegenüber den zu erwartenden "Urinstoßbelastungen" aufgrund des Publi-kumsverkehrs bei einem Besuch des Museums unempfindlich.Das Braunwasser, als zweiter Teilstrom des Toilettenabwassers, wird ebenfalls separat in einerBraunwasserleitung abgeleitet und dem Rottebehälter mit Rottesäcken als Auffangsystem zu-geführt. Unter Zugabe von Strukturmaterial (Rindenmulch, Hobelspäne etc.) findet hier eineEntwässerung und Vorkompostierung der Fäkalien statt. Nach einer einjährigen Aufenthalts-zeit wird das Rottegut aus dem Rottebehälter entnommen und auf einem Kompostplatz zu-sammen mit dem Bioabfall aus der Küche und dem Garten nachkompostiert. Der reife Kom-post wird zur Gartenpflege eingesetzt. Das bei der Fäkalienentwäs-serung im Rottebehälter anfal-lende Wasser (Filtrat) ist auf-grund der Urinseparation imVerhältnis zum herkömm-lichen Toilettenabwasser nähr-stoffarm. Die Nährstoffe, ins-besondere der Stickstoff, be-finden sich größtenteils imUrin. Bei der Mitbehandlungdieses Filtrats in der Pflan-zenkläranlage ist somit nur ingeringem Umfang eine Nähr-stoffelimination erforderlich. Das Grauwasser wird zur Vor-klärung ebenfalls über denRottebehälter bzw. über die Abb. 2: Abwasserkonzept Lambertsmühle

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    Rottesäcke geleitet. Die Grobstoffe werden bei der Passage des Rottegutes ausgefiltert. Überden nachgeschalteten Pumpenschacht im Rottebehälter wird die vertikal durchströmte Pflan-zenkläranlage intermittierend mit dem gesammelten Abwasser (Filtrat aus den Rottesäcken)beschickt. Optional wird während eines Testbetriebes die direkte Einleitung des Grauwassers in den Ab-setzbereich unterhalb des Filtersackes des Rottebehälters durchgeführt. Dadurch kann beur-teilt werden, wie der Rotteprozess ohne die Zugabe von Grauwasser verläuft und wie sich die-ses auf die Qualität des Rottekompostes auswirkt.Das gereinigte Abwasser wird in den vorhandenen Mühlengraben eingeleitet. Optional ist dieZwischenspeicherung in einem Gartenwasserspeicher möglich. Das Klarwasser kann dannzur Bewässerung im Garten eingesetzt werden.

    Ein solches Sanitär- und Abwasserkonzept mit getrennterUrinsammlung ist in dieser Form bisher

    noch nicht realisiert worden. DasKonzept bietet die Flexibilität,

    bei Bedarf modifiziert wer-den zu können. Im Rah-

    men des Forschungs-projekts soll es impraktischen Betrieberprobt und ggf. ver-bessert werden.Ein vereinfachtes

    Funktionsschema mitder Einordnung in den

    Wasser- und Nährstoff-kreislauf zeigt Abb. 3, in

    dem die einzelnen Elementeund die Teilströme des Abwasser-

    konzepts dargestellt sind.

    Abb. 3: Fließschema des Abwasserkonzepts Lambertsmühle

    3 Beschreibung der Einzelkomponenten des Abwasserkonzepts3.1 Installation im Haus 3.1.1 ToiletteninstallationIn der Lambertsmühle wurden drei verschiedene Separationstoiletten eingesetzt. In der Woh-nung im 1. Geschoss des Hauptgebäudes der Mühle wurden zwei Separationstoiletten alsStandtoiletten (Abb. 4) eingebaut. Sie sind jeweils an die Leitungen für Urin und Braunwasserangeschlossen. Die Urinseparationstoiletten haben im Toilettenbecken eine Trennwand, diedas Becken in einen vorderen Bereich zur Urinabtrennung und einen hinteren für die Fäka-lienaufnahme unterteilt. Bei den Standtoiletten ist der Spülkasten hinter der Toilette angeordnet. Mit einem kurzenDrücken auf den Knopf der Spüleinrichtung wird die Spülung des Urinbeckens mit lediglichetwa 0,2 l Wasser ausgelöst. Bei Betätigung der großen Drucktaste erfolgt die Spülung des

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    gesamten Toilettenbeckens. Die Fäkalspülung kann durch Ju-stieren des Spülknopfes auf die notwendige Menge (etwa 3 -5 Liter) eingestellt werden. Ein anderer Typ der Separationstoilette der Firma BB Innova-tion aus Schweden wurde in der Damentoilette im Erdge-schoss des Hauses installiert (s. Abb. 5).Das Becken dieser wandhängenden Urinseparationstoilette(es wurden zwei als Damen-WC im Erdgeschoß eingebaut) istähnlich konstruiert wie das der Firma WostMan. Die Druckta-sten zum Betätigen der Spülung sowie der Spülkasten sindhier in die Vorwandinstallation eingebaut. Bei Betätigung deroberen Spültaste wird das Urinbecken gespült. Das Drückender unteren Taste bewirkt das Spülen des Toilettenbereichesfür die Fäkalienaufnahme. Da bei letzterem der Urinbereichnicht gespült wird, ist bei Bedarf zusätzlich die Taste für dieUrinspülung zu betätigenDie geringen Spülwassermengen von ca. 0,2 l pro Spülungfür das Spülen der Urinbecken verhindern eine zu hohe Ver-dünnung des Urins. Dies ist insbesondere in Hinblick auf diein der Lambertsmühle zu erwartende häufige Benutzungdurch Besucher von Bedeutung. Das erforderliche Speicher-volumen für das Gelbwasser kann so gegenüber der her-kömmlichen Toilettenspülmenge reduziert werden.In der Herrentoilette im Erdgeschoß wurde ein ganz neu ent-wickelter Typ der Trenntoilette der Firma Roediger ausDeutschland eingebaut. Die Funktionsweise dieses Typs ist inder Abb. 6 dargestellt. Bei diesem Typ hat die Toilettenschüs-sel zwei Abflüsse. Den herkömmlichen hinteren Abfluss fürdie Fäkalien und im vorderen Bereich derSchüssel einen Abfluss für den getrennt er-fassten Urin. Bei Belastung des Toilettensit-zes öffnet sich das Ventil des Urinablaufs undder Urin kann ungehindert abfließen. DiesesVentil schließt wieder bei Entlastung und ver-hindert den Eintritt von Spülwasser in die Uri-nableitung. Bei der Spülung der Toilette wirddie gesamte Schüssel gespült und ggf. be-nutztes Papier mit in den Fäkalienauslass ge-spült. Die Erfassung des Urins ohne Spülwasserwirkt sich auf die Konzentration und das Volu-men des gesammelten Gelbwassers aus. In der Lambertsmühle wurde ein erster Proto-typ dieser Toilette eingesetzt, der sich von derin Abb. 6 durch einen anderen Verschluss derUrinableitung unterscheidet. Die folgenden

    Abb. 4: Separationstoilette TypDS der Fa. WostMan, Schweden

    Abb. 5: Separationstoilette derFa. BB-Innovation, Schweden

    Abb. 6: Separationstoilette der Fa. Roediger,Deutschland

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    Bilder in der Abb. 7 zeigen diesen Prototypmit geöffnetem Urinablaufventil und bei derSpülung. Im Gebrauch der Urinseparationstoilettensind gegenüber konventionellen Toiletten kei-ne Unterschiede bei der Benutzung und beimKomfort festzustellen. Dies trifft auch für un-geübte Benutzer, insbesondere für die Besu-cher der Lambertsmühle zu. Eine bestehende Toilettenanlage im 2. Ge-schoss des Gebäudes konnte trotz intensiverBemühungen nicht gegen eine Trenntoiletteausgewechselt werden, da hierfür umfangrei-che bauliche Änderungen erforderlich gewe-sen wären. Es ist somit immer von einemnicht näher spezifizierbaren Anteil an Urinauszugehen, der in den Braunwasserablaufgelangen und hier zu erhöhten Stickstoffkon-zentrationen führen kann. In den späteren Beiträgen wird deutlich, dass sich dies auch an denMesswerten der Messwochen nachweisen lässt.

    3.1.2 Wasserfreie UrinaleIn Ergänzung zu den Trenntoiletten sind in derHerrentoilette zwei wasserfreie Urinale der Fa.Ernst eingebaut (s. Abb. 8). Die Urinale sindaus Keramik und erhalten eine spezielleOberflächenbeschichtung. Durch diese spe-zielle Oberflächenbeschichtung wird der Urinrückstandslos abgeleitet sowie eine Verkei-mung verhindert. Als Geruchsverschlussdient ein Siphon mit einer Sperrflüssigkeit.Urin hat zwar je nach Ernährungsgewohnhei-ten einen Eigengeruch, aber erst die Zerset-zung durch Bakterien lässt den Urin unangenehm riechen. Diese Geruchsbildung wird ver-hindert, in dem die fugenlosen Oberflächen der Anlagen eine Oberflächenbeschichtung er-halten. Diese Beschichtung (auf pflanzlicher Basis und biologisch abbaubar) wirkt gleichzei-tig als Desinfektionsmittel und verhindert die Vermehrung der vorhandenen Bakterien und da-mit die Entstehung der "Düfte". Gleichzeitig bietet die Beschichtung die Gewähr für perma-nenten Bakterienabbau. Die regelmäßige Erneuerung der Beschichtung im Rahmen einer kon-tinuierlichen Wartung ist daher wichtig.Die zweite Komponente des wasserlosen Urinals ist der Spezialsiphon. In diesen wird eineebenfalls biologisch abbaubare Sperrflüssigkeit eingebracht, die spezifisch leichter ist als Urin.Die Sperrflüssigkeit im Siphon "schwimmt" gewissermaßen auf dem Urin. Im Gegensatz zu was-sergespülten Urinalen haben wasserfreie Urinale den Vorteil, dass bei Ihrem Einsatz keine In-krustation der Ableitungen mit Urinstein zu verzeichnen ist. Da kein Wasser zur Spülung einge-setzt wird, fehlen die Härtebildner, die mit dem Phosphat des Urins sonst den Urinstein bilden.

    Abb. 7: Separationstoilette der Fa. Roediger - Ein-satz des Prototyp in der Lambertsmühle

    Abb. 8: Trockenurinal der Fa. Ernst

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    3.1.3 HausinstallationDie Bemessung und Verlegung der Grau-, Braun- und Gelb-wasserleitungen im Mühlengebäude erfolgte nach DIN 1986.Alle Rohrleitungen wurden als PE- oder PP-Rohre ausgeführt.Für das Gelbwasser wurden Rohrleitungen mit einem Durch-messer bis DN 100 verlegt. Alle drei Rohrleitungssysteme ha-ben zusätzlich eine Entlüftungsleitung. Zur besseren Unter-scheidung wurden für die Verlegung unterschiedlich farbiggekennzeichnete Leitungssysteme eingesetzt.Der Revisionsschacht im Mühlengebäude, in dem die dreiGrundleitungen zusammengeführt werden, ist in Vorraum vordem Toilettentrakt angeordnet. Durch den Einbau von dreiReinigungsöffnungen bleiben die Rohrleitungen für War-tungsarbeiten zugänglich.

    3.2 Außenanlagen - AbwasserbehandlungIn den folgenden Abbildungen sind ein Lageplan und einGrundriss mit Schnitt der Außenanlagen dargestellt, auf dereneinzelnen Komponenten nachfolgend näher eingegangenwird.

    Abb. 9: Beispiele der Leitungsverlegung

    Abb. 10: Lageplan der Außenanlagen der Abwasserbehandlung

  • 16

    3.2.1 GelbwasserspeicherFür den Gelbwasserspeicher wurde ein handelsüblicher Be-hälter aus GFK (glasfaserverstärkter Kunststoff) ausgewählt.Der Gelbwasserspeicher ist so dimensioniert, dass er bei ei-ner zweimaligen Entleerung pro Jahr das in ca. 200 Tagen an-fallende Urin-Wasser-Gemisch fassen kann. Bei der in der Lambertsmühle zu erwartenden Benutzung derToiletten und Urinale ist mit einem mittleren Gelbwasseranfallvon ca. 20 Litern pro Tag zu rechnen.Somit steht bei einem vorhandenen Nutzvolumen von 4,0 m3

    ausreichend Speichervolumen zur Verfügung, um eine Spei-cherung über den Winter zu ermöglichen, da in dieser Jah-reszeit keine landwirtschaftliche Verwertung möglich ist.Aufgrund der möglichen Ammonifikation des im Gelbwasserenthaltenen organischen Stickstoffs soll in einer MessphaseSäure in den Speicherbehälter gegeben werden. Im Gelbwasserspeicher ist eine Saugleitung DN 100 mit ei-nem standardmäßigen Anschlussstutzen für Saugfahrzeuge installiert. Die Landwirte, die dasGelbwasser zur Verwendung als Dünger erhalten, müssen darauf hingewiesen werden, dassdieser hochkonzentrierte Dünger vor der Ausbringung zu verdünnen ist. Nähere Informatio-nen wird der Beitrag des Institutes für Pflanzenernährung (Universität Bonn) enthalten.

    3.2.2 RottebehälterAls Rottebehälter wurde ein in Serie gefertigter Behälter mit zwei Kammern aus Stahlbeton für6 bis 10 Einwohnerwerte (entspricht 8 Einwohnern) gewählt. Der Rottebehälter ist mit zweiRottesäcken ausgestattet, die jeweils aufeinanderfolgend ca. 6 bis 12 Monate beschickt wer-

    Abb. 12: Einbau des Gelbwas-serspeichers aus GFK

    Abb. 11: Grundriss und Schnitt durch die Abwasseranlagen

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    den. Eine Umstellung kann einfach durch das Drehen des Zuflussformstücks erfolgen. An-schließend erfolgt zur Entwässerung und zur Unterstützung des Rotteprozesses eine 6 bis 12monatige Ruhephase bis zur Entleerung des Rottesackes. Das Volumen eines Rottesackesreicht aus, um die in Abhängigkeit von der tatsächlichen Abwasserbeaufschlagung in ca. 6bis 12 Monaten anfallenden Feststoffanteile des Braunwassers und das zugefügte Struktur-material aufzunehmen.Die Aufgaben des Rottebehälters lassen sich folgendermaßen klassifizieren:

    • Rückhalt der Feststoffe• Entwässerung der Feststoffe • Eindickung der Feststoffe.

    Diese Prozesse sollen durch die Zugabe von Strukturmaterial unterstützt werden. Entspre-chend des nutzbaren Volumens der Rottesäcke von ca. 0,4 m3 und einer zu erwartenden50%igen Volumenreduktion des Rottegutes innerhalb der Ruhephase, ist mit einem Gewichtdes Rottesacks von ca. 200 kg zu rechnen. Um den Rottesack durch die jeweilige Öffnung zuheben, ist ein Hebegerät notwendig.Im Rottebehälter ist eine Trennwand zwischen Hauptkammer und Pumpenvorlagekammer ein-gebaut. Durch einen höhenverstellbaren Ablaufstutzen wird ein Einstau des gefilterten Braun-wassers unterhalb der Rottesäcke von ca. 0,65 m erreicht. Durch diese Konstruktion wird einRetentionsraum (Sedimentationsraum) zum Rückhalt von "Reststoffen bzw. Feinstpartikeln"geschaffen. Die Trennwand ist außerdem so hoch gezogen, dass versehentlich verschüttetesStrukturmaterial nicht in den Pumpenvorlagebereich gelangenkann.Das bis zum Rottebehälter getrennt abgeleitete Grau- undBraunwasser wird im Normalbetrieb im Rottebehälter zu-sammengeführt und gemeinsam auf die Rottesäcke gege-ben. Dadurch findet eine Filtration und ausreichende Vorklä-rung des Abwassers vor der Ableitung in die Pflanzenkläran-lage statt. Nach der Passage des Sedimentationsraumesfließt das Grau- und Braunwasserfiltrat zur Pumpenvorlage-kammer des Rottebehälters. Das bemessene Vorlagevolu-men zur Beschickung der Pflanzenkläranlage beträgt unterBerücksichtigung des Rücklaufs aus dem Verteilungsgerinneetwa 0,26 m3. Über eine Schwimmerschaltung wird das Aus-und Einschalten der Pumpe gesteuert. Steigt der Wasserspie-gel etwa um 0,15 m über den Einschaltwasserspiegel, so wirdüber eine Schwimmerschaltung ein optischer Alarm ausge-löst. Der Schaltkasten mit dem optischen Signalgeber ist imVorraum der Toilettenanlage installiert. Zur besseren Wartungwird über dem Pumpenbereich eine zusätzliche Einstiegsöff-nung eingebaut.Für die Phase der wissenschaftlichen Begleitung kann dasGrauwasser zeitweise an den Rottesäcken vorbei direkt inden Sedimentationsraum eingeleitet werden. Der Sedimenta-tionsbereich ist mit ca. 1,70 m3 Einstauvolumen groß genug,um eine ausreichende Vorklärung des Grauwassers zu ge-

    Abb. 13: Rottesack vor und nachdem Einbau

  • 18

    währleisten. Bei 8 EW beträgt das spezifische Vorklärvolumen ca. 200 l/EW. Durch eine beru-higte Ein- und Auslaufgestaltung und den zusätzlichen Einbau einer Zwischenwand in die Ab-setzkammer wird eine Aufwirbelung der abgesetzten Stoffe vermieden. Dies ist erforderlich,um die Funktionstüchtigkeit der Pflanzenkläranlage nicht durch den Eintrag von Grobstoffen,die u. a. zu Ablagerungen und Verstopfungen im Abwasserverteilungssystem führen können,zu gefährden.

    3.2.3 PflanzenkläranlageDie Pflanzenkläranlage ist als vertikal durch-strömter Bodenkörper zur Reinigung vonGrauwasser und mit einer Bepflanzung ausSchilf (Phragmites australis) ausgeführt.Pflanzenklärsysteme sind die älteste und na-türlichste Form der Abwasserbehandlung. Sowie das Wasser in freier Natur im Boden ver-sickert, an den Wurzeln entlang fließt, durchverschiedene Sand- und Gesteinsschichtengefiltert und von Mikroorganismen gereinigtwird, arbeiten auch heutige Pflanzenkläranla-gen mit einer Kombination aus physikalischer,chemischer und biologischer Wasseraufbe-reitung. Die eigentliche Reinigung des Ab-wassers übernehmen nicht die Pflanzen, son-dern dies leisten vor allem die im Boden le-benden Mikroorganismen. Sie bauen die imWasser vorhandenen organischen Substan-zen zu Kohlendioxid und Wasser ab, gebun-dener Stickstoff wird in mehreren Stufen oxi-diert und als gasförmiger Stickstoff freige-setzt. Die Pflanzen bieten dabei sowohl aero-ben als auch anaeroben Mikroorganismen anihrer Wurzeloberfläche ideale Lebensbedin-gungen. Die hier konzipierte Anlage ist auf-grund der Abtrennung der nährstoffhaltigenFraktion Gelbwasser mit 2 m2/E kleiner aus-geführt worden als für die Behandlung vonnormalem Schmutzwasser. Das Verteilungsgerinne der Pflanzenkläranlage besteht aus gelochten Verteilungsrohren, die inein grobes Kiesbett gebettet sind. Es wird über die Tauchmotorpumpe aus dem Pumpen-schacht beschickt. Das Speichervolumen des Pumpensumpfes ist groß genug, um zusätzlichzur Beschickungsabwassermenge eine Vollfüllung des Verteilungsgerinnes bei der Beschi-ckung zu gewährleisten. Das Hauptverteilungsgerinne wird mit Gefälle verlegt. Nach jedem Pumpenintervall läuft damitdie Zulaufleitung leer. Die Pumpe ist aus diesem Grund nicht mit einem Rückflussverhindererausgestattet. Dies ist insbesondere im Winter wichtig, um ein Zufrieren des Zulaufgerinnes si-cher zu verhindern.

    Abb. 14: Verteilungsgerinne des bewachsenen Bo-denfilters (in Bau)

    Abb. 15: Fertiggestellter bewachsener Bodenfilterin Betrieb

  • 19

    Die Ablaufleitung der Pflanzenkläranlage ist ebenfalls in einer Schicht aus Kies gebettet undwird an einem Ende an die Filteroberfläche geführt. Hier ist sie über eine Reinigungs- und Be-lüftungsöffnung zugänglich. Der Ablauf der Pflanzenkläranlage fließt in einen Kontrollschacht.Hier kann über einen höhenverstellbaren Ablauf (Aufstecken eines Rohrstücks) die Einstau-höhe der Anlage geregelt werden. Ein Einstau der Anlage ist dann notwendig, wenn die Anla-ge nicht oder nur mit sehr wenig Grauwasser beschickt wird und dadurch eine Verkrautungder Pflanzenkläranlage möglich wird.Die Pflanzenkläranlage ist für ganzjährigen Betrieb ausgelegt. Um die Oberfläche möglichstlange frostfrei zu halten, ist das im Herbst absterbende Schilf erst im darauffolgenden Früh-jahr zu schneiden und dem Gartenkompost oder als Strukturmaterial dem Rottebehälter zu-zugeben.

    4 ForschungsvorhabenFür das Forschungsprojekt wurden die folgenden Arbeitsschwerpunkte formuliert:

    • Erfahrungen mit sortierenden Toiletten unter Praxisbedingungen• Grad der Trennung des Nährstoff- und Wasserkreislaufs• Teilstrombehandlung (Reinigungsleistungen, Betriebsbeurteilungen etc.) unter

    Praxisbedingungen• Untersuchungen der Teilströme hinsichtlich hygienischer Beschaffenheit, des

    Nährstoffgehalts und ausgewählter Inhaltsstoffe (Arzneimittelrückstände etc.)• Stoffbilanzierung unter Praxisbedingungen• Entwicklung und Darstellung eines Verwertungskonzepts im Rahmen der Museumskon-

    zeption und für landwirtschaftliche Betriebe.

    Abb. 16: Projektpartner und deren Aufgaben im Forschungsprojekt Lambertsmühle

    Aufgabe im Projekt

    Betreuung der Anlage, Probenahme, ÜberwachungKoordination und Bewertung, landwir-schaftliche VerwertungKonzeptverbesserungWissenschaftliche BegleitungSekundarrohstoffdünger, Betreuung derAnlage, Probenahme, ÜberwachungUntersuchung und Bewertung Urin (endo-krin wirksame Stoffe, Arzneimittel)Beurteilung der HygieneBetrieb der AnlageProjektsteuerung Projektbegleitung

    Projektbegleitung

    Projektpartner

    Wupperverband

    Wupperverbandsgesellschaft für integraleWasserwirtschaftOtterWasser GmbHTU Hamburg-HarburgInstitut für Pflanzenernähung, UniversitätBonnRheinisch-Westfälisches Institut für Was-serforschung, Universität DuisburgHygiene-Institut des RuhrgebietesVerein Lambertsmühle e.V.Bauhaus-Universität WeimarUntere Wasserbehörde Rheinisch-Bergi-scher KreisLandwirtschaftskammer Rheinland

  • 20

    Zur Bearbeitung der Fragestellungen wurde ein Projektteam aus allen beteiligten Partner ge-bildet: Dieses Projektteam nimmt folgende Aufgabenbereiche wahr:• Projektleitung: Verantwortung und Außenkontakte• Koordination: Budget, Zeit, Inhalte, Dokumentation, Öffentlichkeitsarbeit• Anlagenkonzept: Analyse und Verbesserung des Anlagenkonzeptes• Nährstoffkreislauf: Wissenschaftliche Begleitung und Auswertung der Ergebnisse• Hygiene: Wissenschaftliche Begleitung und Auswertung der Ergebnisse• Anlagenbetrieb: Einrichtung, Betreuung, Nutzerinformation• Düngernutzung: Landwirtschaftliche Begleitung und Auswertung der Ergebnisse

    5 Ergebnisse aus dem Betrieb während des ForschungsvorhabensDie Erkenntnisse, die zu einer Veränderung oder Weiterentwicklung des Abwasserkonzeptsführen, werden für die einzelnen Komponenten des Konzepts nachfolgend erörtert. Es wird indem anschließenden Beitrag auch nur auf die Aspekte eingegangen, die eine Beeinflussungdes Konzepts bewirken.

    5.1 Toiletteninstallation Es traten während des Untersuchungszeitraums keine wesentlichen Störungen an den Toilet-tenanlagen auf, die eine Modifikation nötig gemacht hätten. Da die Toiletten im öffentlichenBereich durch den Publikumsverkehr der Mühle genutzt wurden, ergibt sich ein breites Nut-zerspektrum.Lediglich die Trenntoilette in der Wohnung des ersten Stockwerks unterlag einer ständigenund dauernden Nutzung durch gleiche Nutzer. Hier traten, insbesondere bei der Nutzungdurch kleine Kinder, Probleme auf. Da Kinder aufgrund der geringen Körpergröße eine ande-re Sitzposition als Erwachsene aufweisen, fielen die Fäkalien der Kinder mehrfach in den vor-deren Toilettenbereich und mussten mühsam aus dem Urinteil entfernt werden. Der Versuch, für diese Toilette einen Kindersitz zu beschaffen, scheiterte an den nicht kom-patiblen Abmessungen. Während die Fa. BB Innovations ihre Separationstoiletten mit zwei in-einanderliegenden Toilettensitzen ausliefert, bei dem Kinder automatisch weiter hinten sitzen,war dies für die andere schwedische Toilette nicht realisierbar. Diese Toilette kann für die all-gemeine Verwendung - insbesondere bei Nutzung durch Kinder oder Personen mit kleinerKörpergröße - nur als eingeschränkt einsatzfähig angesehen werden. Verbesserungsbedürftig ist weiterhin die Funktionsweise der Auslöseknöpfe für die getrennteSpülung, insbesondere für Benutzer, die mit dem System noch nicht so vertraut sind. DieseNachteile sind aus dem Betrieb der anderen Toiletten nicht ersichtlich geworden.

    5.2 Gelbwassersammlung und -speicherungAnfängliche Befürchtungen einer Geruchsentwicklung im und am Gelbwasserspeicher konn-ten recht schnell entkräftet werden. Bei der regelmäßigen Öffnung des Speichers kam es nichtzu einer Geruchsbelästigung. Auch in der Phase, in der das Gelbwasser nicht mit Säure kon-ditioniert wurde und aufgrund des höheren pH-Werts ein Ausstrippen von NH3 befürchtet wur-de, traten keine Geruchsbelästigungen auf. In Abb. 17 ist neben der Füllstandsanzeige (im Bild rechts) auch ein Eimer zur direkten Pro-benahme des zufliessenden Urins zu erkennen. Zur Abschätzung von Verlusten wurde in ei-nem vom Wupperverband durchgeführten Batch-Versuch eine Urinprobe mit Schwefelsäureauf pH 3 gebracht, parallel dazu wurde unbehandelter Urin, der einen pH-Wert von 9 aufwies,

  • 21

    untersucht. In beiden Fällen konnte über eineUntersuchungszeit von 4 Monate nur eine ge-ringfügige Veränderung der pH-Werte (von 3auf 3,1 bzw. von 9 auf 8,6) festgestellt wer-den. Die Stickstoffverluste lagen in einer Grö-ßenordnung, die als der Bereich der Meßun-genauigkeit angesehen werden kann. Abb.18 zeigt die Stickstoffverluste in den beidenBatch-Ansätzen.Die Erfahrungen aus Schweden habenzwischenzeitlich bestätigt, dass bei einer La-gerung ohne zusätzliche Konditionierung keinsignifikanter Stickstoffverlust zu verzeichnenist und es auch nicht zu Geruchsbelästigun-gen kommt. Daher erfolgte in einer zweitenPhase eine Sammlung des Urins ohne Säure-zugabe.Während der Lagerzeit setzt sich im Behälterein zähflüssiger Bodenbelag ab, der bei derEntleerung mit entfernt werden muss. Es istdaher empfehlenswert, den Inhalt des Gelb-wasserspeichers ummittelbar vor der Entlee-rung umzupumpen, so dass eine Homogeni-sierung des Inhalts stattfindet. Diese Erfah-rungen decken sich mit den in Skandinavien vorliegenden Ergebnissen. Die Homogenisierungwurde sowohl vor der Entleerung, aber auch im Rahmen des Forschungsvorhabens vor derProbenahme, durchgeführt.Da sowohl im Rahmen des Forschungsvorhabens, als auch aus den skandinavischen Erfah-rungen eine Konzentrationsabnahme einzelner Stoffe und auch der fäkalen Belastung zu ver-zeichnen war, ist die Einhaltung einer Mindestlagerzeit zu beachten. Diese Lagerzeit kann ent-weder nach der Entleerung bei dem verwertenden Landwirt erfolgen, oder durch den Einbauzweier gleich großer Behälter gewährleistet werden.

    5.3 Feststoffrückhalt im RottebehälterDer Rottebehälter zum Feststoffrückhalt er-wies sich als das Bauteil, an dem konstruktiveÄnderungen erforderlich wurden. Die Bilanzierung der gemessenen Wasser-mengen ging zu Anfang des Messzeitraumsnicht auf, da dem bewachsenen Bodenfiltermehr Wasser zufloss, als laut Wasserzählerverbraucht wurde. Eine umfangreiche Ursa-chenforschung ließ den Fehler an dem Rotte-behälter erkennen: über die nicht abgedichte-te Fuge zwischen Behälterseitenwand undDeckel trat Oberflächenwasser in den Behäl-

    Abb. 18: Ergebnisse von Urinlagerungsversuchen

    Abb. 17: Blick in den Gelbwasserspeicher

    Abb. 19: Blick in den Rottebehälter

  • 22

    ter ein. Daraufhin wurde eine Abdichtung die-ser offenen Fuge vorgenommen. In einer ersten Betriebsphase wurde Rinden-schrot als Strukturmaterial zugegeben, derFeuchtigkeitsgehalt der Feststoffe blieb hier-bei sehr hoch und wies eine pastöse Strukturauf. Die Zugabe von Hobelspänen in einerzweiten Betriebsphase war wesentlich besserund ließ die Feststoffe besser entwässern.Trotzdem war die Entwässerung nicht zufrie-denstellend, da die Dränagefähigkeit desFeststoffmaterials nicht ausreichend war.Nach der Entnahme konnte eine Strukturveränderung nur inden äußeren Bereichen festgestellt werden, ein Hinweisdarauf, dass der Rottesack zu große Abmessungen auf-weist, so dass Flüssigkeit nicht in ausreichender Mengeund Geschwindigkeit entweichen kann. Da der Rottesack an vier Aufhängungen an der Behälter-decke fixiert war, mussten diese vor dem Lösen entlastetwerden. Es muss somit in den Behälter eingestiegen wer-den, was für das Personal eine nicht zumutbare Tätigkeitdarstellt. Eine Entnahme des Sackes war aufgrund des ho-hen Gewichts nur mit Hebezeug möglich. Zur Verbesserung der Eindickungs- und Entwässerungs-prozesse und des Umgangs mit den Rottesäcken wurdenneue Lösungen erarbeitet. Die Rottesäcke wurden erheb-lich kleiner dimensioniert, um eine Verbesserung der Ent-wässerungsfähigkeit zu erreichen und ggf. auf die Zugabevon Strukturmaterial ganz verzichten zu können. Ferner wurden die Rottesäcke in einen Stützkorb eingebaut,so dass eine Formgebung gegeben war und die Entnahmevereinfacht wird. Die Stützkörbe stehen auf dem Zwischen-boden und können herausgehoben werden. Die Körbe kön-nen dann an den Ketten bzw. Seilen, an denen sie her-untergelassen werden auch wieder entnommen werden,ohne dass jemand in den Behälter einsteigen muss. DieseSäcke können so nach der Entnahme mit dem Stützkorbtransportiert werden und an einem anderen Ort zur weiterenTrocknung gelagert werden, ohne dass zwangsläufig einKontakt mit den darin gesammelten Feststoffen besteht. Da der Umbau erst zu Ende der Projektlaufzeit erfolgte, lie-gen noch keine näheren Erkenntnisse über die Auswirkun-gen auf die Feststoffeindickung vor. Da sich voraussichtlichein Folgeprojekt zu Untersuchungen bei der Verwertung derReststoffe anschließt, können in diesem Rahmen nähere Er-kenntnisse gewonnen werden.

    Abb. 21: Rottesäcke mit Behältervor und nach dem Einbau

    Abb. 20: Entnahme des Rottesacks

  • 23

    5.4 Bewachsener BodenfilterDie Bilanzierung der Wassermengen überden Messzeitraum zeigt, dass nach Beseiti-gung der Undichtigkeit am Rottebehälter dieMengenbilanzierungen über Wasserzählerund Pumpenlaufzeit der Beschickungspumpedes bewachsenen Bodenfilters eine geringeAbweichung von 7 % als Mittelwert aufwei-sen. Es kann somit davon ausgegangen wer-den, dass die Ermittlung des Wasservolu-mens über die Pumpenlaufzeit und das Pum-penvolumen ausreichend genau für die Volu-menbestimmung ist. Die Verteilung der Wassermengen auf die bei-den Teilströme und den Wasserverbrauchzeigt Abb. 22. Deutlich sind die starkenSchwankungen erkennbar. Die Verbrauchspit-zen, die einen maximalen Wert von bis zu1,44 m3/d (Juni 2002) erreichen, sind auf Ver-anstaltungen im Museumsbereich zurückzu-führen (Hinweis: dargestellt in Abb. 22 nur bismax. 0,70 m3/d). Die im Rahmen der Selbst-überwachung durchgeführten Messungen imZu- und Ablauf des bewachsenen Bodenfil-ters belegen auch über einen langen Zeit-raum, dass die zulässigen Ablaufwerte (CSB< 150 mg/l, BSB5 < 40 mg/l) eingehaltenwerden können. Der bewachsene Bodenfilter wurde mit einerKiesfüllung von 2 bis 8 mm erstellt. Diesesrecht grobe Korn wurde gewählt, um die Ge-fahr der Kolmation zu vermeiden und einenbesseren Sauerstoffeintrag in den Boden zuermöglichen.Die geringen Rückhalteraten, die anhand desParameters der fäkalcoliformen Keime festge-stellt wurden, sind auf das reduzierte Feststoffrückhaltevermögen der groben Körnung zu-rückzuführen. Da der Feststoffrückhalt im Rottebehälter wesentlich besser als erwartet erfolg-te, und die Gefahr der Kolmation somit deutlich reduziert ist, sollte die Körnung des bewach-senen Bodenfilters an diese Randbedingungen angepasst werden. Als Körnung für die Filter-bettfüllung ist ein Kornspektrum von 0 bis 4 mm ausreichend.

    6 KostenDie Kosten für den Umbau im Haus und die Baumaßnahme der Abwasseranlage sind auf derBasis der Abrechnungen mit den ausführenden Unternehmen ermittelt worden und nachfol-gend aufgelistet.

    Abb. 22: Wassermengen

    Abb. 23: Zulaufwerte bewachsener Bodenfilter

    Abb. 24: Ablaufwerte bewachsener Bodenfilter

  • 24

    Die Gesamtkosten für die gesamte Baumaßnahme sind sehr hoch ausgefallen. Bei der Be-wertung müssen die folgenden Faktoren berücksichtigt werden, die eine Verallgemeinerungder Kosten und Übertragbarkeit auf andere Orte erschweren:

    • Die vorhandene Altbausubstanz führte, insbesondere bei den Baumaßnahmen im Haus, zu erhöhten Aufwendungen.

    • Die Aufwendungen für die getrennte Leitungsführung von Grau-, Braun- und Gelbwasserwurden vor dem Hintergrund der wissenschaftlichen Begleitung und der Flexibilität in dieser Zeit gewählt. Hier lassen sich bei gemeinsamer Ableitung von Grau- und Braunwasser ein Einsparpotenzial von ca. 5 % der Gesamtkosten erreichen.

    • Die erforderliche Wasserhaltung während der Baumaßnahmen war wegen sehr hoher Grundwasserstände kostspielig und aufwendig.

    • Der Rottebehälter (Stahlbetonbehälter und Einbauten) wurde von einem Anbieter als standardisiertes Bauteil geliefert. Die Erfahrungen aus dem Projekt zeigen, das Änderungen im Bereich des Auffangsystems für die Feststoffe aus dem Braunwasser erforderlich sind. Eine Modifikation erfolgt zur Zeit, so das weiterhin auf Standard-Stahl-betonbehälter zurückgegriffen werden kann.

    • Die Verwendung von PVC-freien Rohren und der Einsatz von Schraubverbindungen im Verteilungsgerinne der Gerinne anstelle geklebter PVC-Rohre führen zu höheren Kosten.

    Als eindeutig identifizierbare Ursache für höhere Kosten sind die aufwendigeren Leistungenfür die Umrüstung im Haus (Rohrleitungssysteme für Grau-, Braun- und Gelbwasser sowie dieSeparationstoiletten, die aufgrund der geringen Stückzahlproduktion derzeit noch recht teuersind) und die Anlagen der Gelbwasserspeicherung zu nennen. Alle anderen Komponentenwären auch bei einer Anlage zur Behandlung von herkömmlichem Schmutzwasser (mit Aus-nahme der Rottesäcke) erforderlich gewesen, wobei der bewachsene Bodenfilter bei einerkonventionellen Anlage wiederum größer dimensioniert werden müsste.

    Investitionskosten

    Installationen im Haus (incl. Sanitäreinrichtungen)

    Außenanlagen

    • Rohrleitungen u. Gräben• Gelbwasserspeicher (incl. Tiefbau)• Rottebehälter (incl. Tiefbau)• Bewachsener Bodenfilter (incl. Kontrollschacht u. Ableitung)

    Summe:

    EURO

    13.972

    6.9365.7669.305

    10.661

    46.640

    EURO / E1)

    1.747

    867721

    1.1631.333

    5.830

    1) für 8 EW

  • 25

    7 SchlussfolgerungenDas teilstromorientierte Abwasserkonzept der Lambertsmühle beinhaltet die Abtrennung vonUrin und Nutzung als nährstoffhaltigen Dünger und die Behandlung der beiden anderen Teil-ströme Braunwasser (Fäkalien) und Grauwasser (Abwasser aus Küche, Bad, etc.) nach einerFeststoffabtrennung in einem bewachsenen Bodenfilter. Die wissenschaftliche Begleitung des Projektes hat einige Hinweise zur Weiterentwicklung be-stimmter Bausteine und zur Übertragbarkeit auf andere Projekte erbracht.Die Separation von Urin als Gelbwasser ist technisch möglich, auch wenn nicht alle Toilettenuneingeschränkt einsetzbar sind. An den Anlagen der Abwasserbehandlung ist nach Angaben des Vereins als Betreiber der An-lagen keine Geruchsbelästigung festzustellen, auch wenn das Gelbwasser ohne Konditionie-rung gesammelt wird. Der bewachsene Bodenfilter funktionierte problemlos und konnte dieerforderlichen Ablaufwerte auch im Winter einhalten. Die Feststoffabtrennung in dem Rottebehälter war verbesserungsbedürftig. Die notwendigenkonstruktiven Änderungen sind erst in der letzten Projektphase durchgeführt worden, daherstehen Erfahrungen über einen längeren Zeitraum noch aus. Eine Verbesserung der Entwäs-serung der Feststoffe wird erwartet, die sich auch auf die Weiterbehandlung der fäkalen Fest-stoffe durch die Lagerung ergeben. Die Einführung eines teilstromorientierten Konzepts erfolgte im Projekt in denkmalgeschütz-ten Gebäuden und Außenanlagen. Dies führt zwangsläufig gegenüber einem Neubau zu ei-nem höheren technischen und finanziellen Aufwand. Die positive Entlastung des Abwassers durch Abtrennung der Nährstoffe, hier im wesentlichenStickstoff und Phosphor, kann anhand der Messwerte nachgewiesen werden. Die Nährstoffekönnen bei landwirtschaftlicher Verwertung als Düngerersatz genutzt werden. Die Konzentrie-rung von pharmazeutischen Rückständen und Hormonen in dem Teilstrom Gelbwasser wird indem Beitrag des Rheinisch-Westfälischen Institutes für Wasserforschung ausführlich be-schrieben. Die Abtrennung des Urins vom restlichen Abwasser reduziert die Nährstoffrachten des Ab-wassers und hält in signifikanter Weise durch den Menschen ausgeschiedene Pharmazeutikaund Hormone dem Abwasser und letztendlich auch der aquatischen Umwelt fern. Ob ein Ab-bau dieser Substanzen bei der Verwertung als Dünger durch die im Boden vorhandenen Bak-terien, die hier in wesentlich höherer Konzentration und Vielfalt als in dem aquatischen Milieuvorliegen, schneller und einfacher verläuft, ist derzeit eine Arbeitshypothese und muss in wei-teren Untersuchungen eingehender betrachtet werden.

  • 26

    Mikrobiologische Untersuchungsergebnisse

    und hygienische Bewertung

    Dr. Georg-Joachim Tuschewitzki

    Hygiene-Institut des Ruhrgebiets, Rotthauser Str. 19, 45880 GelsenkirchenTel.: 0209 / 9242-200, [email protected]

    Häusliches Abwasser enthält zahlreiche Mikroorganismen, die zum überwiegenden Teil ausden menschlichen Feces und zu geringeren Teilen aus der Körperreinigung, dem Wäschewa-schen oder aus Küchenarbeiten usw. stammen. Im Fall einer übertragbaren Erkrankung wer-den mit den menschlichen Ausscheidungen regelmäßig zahlreiche Krankheitserreger abge-geben, die in das Abwasser gelangen, in dem die Erreger unterschiedlich lange überleben.Aus hygienischer Sicht ist häusliches Abwasser daher grundsätzlich als infektiös anzusehen. Jeder Umgang mit Abwasser (wozu auch das Sammeln, Ableiten, Behandeln usw. zählen) be-darf einer hygienischen Bewertung, um eventuelle Gefahren der Ansteckung zu erkennen unddie Übertragung von Krankheitserregern auf einem unbedeutenden Niveau zu halten. Die her-kömmliche geordnete Abwasserableitung und -aufbereitung führt fäkalienhaltiges Abwasserdirekt aus dem näheren Umfeld des Menschen und hat im Zusammenhang mit einer hygie-nisch sicheren Trinkwasserversorgung wesentlich dazu beigetragen, die Ausbreitung be-stimmter Erkrankungen (vorzugsweise gastrointestinaler Erkrankungen) einzudämmen.In der Lambertsmühle erfolgen die Abwasserabführung und -behandlung nach einem neuenKonzept. Daher ist es notwendig, den Verbleib der Mikroorganismen aus dem menschlichenUmfeld zu verfolgen. Hierzu wurden die verschiedenen Stoffströme mikrobiologisch unter-sucht und eine hygienische Bewertung vorgenommen.

    Probenarten: Grauwasser, Gelbwasserzulauf, Gelbwasserspeicherinhalt, Braunwasser (Ab-lauf Rottesack), Zulauf und Ablauf der Pflanzenkläranlage, Bachwasser, Kompost

    Probenahmen erfolgten im Untersuchungszeitraum von Oktober 2001 bis Januar 2003 durchMitarbeiter des Wupperverbandes. Die Proben wurden von einem Mitarbeiter des Hygiene-Instituts beim Wupperverband abgeholt, zum Hygiene-Institut des Ruhrgebiets transportiertund am gleichen, bzw. am Folgetag (nach kühler Lagerung) untersucht.

  • 27

    ProbenbearbeitungAufgrund der erwarteten hohen Keimdichten wurden die Proben mit steriler physiologischerNaCl-Lösung 1:10 (1+9 ml) bis 10-6 verdünnt und anschließend weiter verarbeitet. • Koloniezahl (Koloniebildende Einheiten, Keimzahl) Gussverfahren

    Zur Bestimmung der Keimzahl (heterotrophe aerobe mesophile Bakterien) wurden je 1 mlder Probe bzw. der jeweiligen Verdünnungsstufe in sterile Petrischalen pipettiert und mit 9 mlGelatineagar vermischt. Bebrütung: 44 Stunden, 20 °C und 36 °C (analog zur Methode derTrinkwasserverordnung 1990)

    • Escherichia coliDie Proben bzw. Aliquots der jeweiligen Verdünnungsstufe wurden membranfiltriert undauf Endo-Agar (10, 1, 0,1, 0,01, 0,001 bis 10-6 ml) 24 Stunden bei 42 °C bebrütet. Allemetallischgrünen Kolonien wurden als verdächtige E. colis gezählt und mittels der kleinenbunten Reihe bestätigt (analog zur Methode der Trinkwasserverordnung, 1990).

    • Clostridium perfringens - Sporen50 ml Probe wurden 10 Minuten bei 70 °C erhitzt und anschließend sofort abgekühlt. Da-nach erfolgten die Anlage einer Verdünnungsreihe (s.o.) und die Filtration auf mCP- Agar(10, 1, 0,1, 0,01, 0,001 bis 10-6 ml) und die anaerobe Inkubation für 24 Stunden bei 44 °C.Alle gelben Kolonien, die sich über Ammoniumhydroxiddampf rosa färbten, wurden alsbestätigte Clostridium perfringens (- Sporen) gezählt.

    • Salmonellen (qualitativer Nachweis in 100 ml)100 ml Probe wurden zu 100 ml Tetra-Anreicherungsbouillon 2fach geben und über 24Stunden bei 36 °C bebrütet. Davon wurden 1 ml zu Tetra-Anreicherungsbouillon 1fach ge-geben, erneut für 24 Stunden bei 36 °C bebrütet und davon Ausstriche auf BPLS- undXLD-Agarplatten angelegt. Positive Kolonien wurden mit Api-Teststreifen überprüft und an-schließend serologisch bestätigt.

    Ergebnisse• Grauwasser Die allgemeine bakterielleKontamination des Grauwas-sers mit heterotrophen meso-philen Mikroorganismen lagüber den gesamten Bepro-bungszeitraum von Oktober2001 bis Januar 2003 zwi-schen 105 und 107/ml. Dabeilag die Koloniezahl bei 36 °CBebrütungstemperatur bei je-der Beprobung etwas ober-halb der Koloniezahl bei 20 °CBebrütungstemperatur. Darüber hinaus war die Schwankung zwischen zwei Beprobungsta-gen recht gering. Hinsichtlich des Nachweises von Fäkalbakterien ist E.coli nur bei der ersten Beprobung miteinem Wert von 3,6 x 103/10 ml auf einem relativ geringen Niveau. Bei den nachfolgendenProbenahmen waren deutlich höhere Werte festzustellen, die schließlich bei 7 und 10 x 106/10 mllagen und deutlich auf einen Eintrag von Fäkalbakterien in das Grauwasser hinwiesen. Dem-

  • 28

    gegenüber ließen sich Bakterien der Spezies Clostridium perfringens nur bei zwei Probenah-men 2 und 5 in nennenswerten Gehalten feststellen (290 und 45/10 ml). An den anderen Pro-benahmetagen waren nur einzelne Clostridien nachweisbar.

    • Gelbwasserzulauf Der Gelbwasserzulauf wiesan 5 von 6 Probenahmetageneine allgemeine bakteriologi-sche Kontamination in Höhevon ca. 108 KBE/ml auf, wo-bei bei drei Messungen dieKoloniezahl bei 20 °C Bebrü-tung etwas höher lag als bei36°C Bebrütung. Die Gehaltean E. coli wiesen deutlicheSchwankungen auf und la-gen allesamt unter 105/10 ml,im Mittel etwa bei 103/10 ml.Ähnliches galt für den Nach-weis von Clostridium perfrin-gens: neben einem Höchst-wert von 2,3 x 103/10 ml la-gen die übrigen Messwertezwischen 1 und 100/10 ml.

    • Gelbwasserspeicher Die dem Gelbwasserspeicherentnommenen Proben wiesenbei allen Parametern extremeSchwankungen der Gehalteauf, die bei den Koloniezahlen(20 °C und 36 °C) zwischen 0und 108/ml, bei E. coli zwi-schen 0 und 105/10 ml undbei Clostridium perfringenszwischen 0 und 102/10 mlschwankten.

    • Braunwasser Die Gehalte der verschiede-nen bakteriologischen Para-meter im Ablauf des Rotte-sackes wiesen nur geringeSchwankungen auf und la-gen jeweils auf einem mehroder weniger durchgehenden

  • 29

    Niveau: Koloniezahl 20 und 36 °C zwischen 106 und 107 KBE/ml, E. coli zwischen 1,8 x 105

    und 3,9 x 106/10 ml und C. perfringens zwischen 4 x 101 bis 3,9 x 103/10 ml. Mit diesen Ge-halten lag C. perfringens im Braunwasser im Vergleich zu den übrigen Medien auf deutlich er-höhtem Niveau.

    • Zulauf Pflanzenkläranlage Die Gehalte an allgemeinenBakterien wie auch an E. coliwiesen nur geringe Schwan-kungen auf und lagen zwi-schen 105 und 106/ml, wobeiE. coli zumeist unter den Ge-halten der allgemeinen Kolo-niezahlen lagen. Demgegenüber war Clostri-dium perfringens bei dreiMessungen nicht nachweis-bar und an den übrigen Pro-benahmetagen zwischen 102

    und 103/10 ml.

    • Ablauf PflanzenkläranlageDie Gehalte aller gemesse-nen bakteriologischen Para-meter lagen im Ablauf derPflanzenkläranlage i.d.R. umca. eine Zehnerpotenz unterdenen des Zulaufes. Die Koloniezahlen und E. colilagen überwiegend im Be-reich von 104 und nur seltenüber 105/10 ml. Clostridiumperfringens lag bei 8 Messungen im einstelligen Bereich und nur an drei Tagen eine Zehner-potenz darüber.

    Alle Proben wurden auf Salmonellen untersucht. Salmonellen waren in keiner Probe nach-weisbar.Zur Beantwortung der Frage nach der Ursache für die teils geringen Gehalte an Mikroorga-nismen im Gelbwasserspeicher wurden Sonderuntersuchungen durchgeführt.Probe 1: über einen Zeitraum von 3 Wochen im Oktober gesammelter Urin aus dem Urinzu-lauf in der Lambertsmühle, Lagerung bis zur Probenahme unter semianaeroben Bedingungenohne weitere Einstellung des pH-Wertes (pH 9)Probe 2: über einen Zeitraum von 3 Wochen im Oktober gesammelter Urin aus Urinzulauf inder Lambertsmühle, Lagerung bis zur Probenahme unter semianaeroben Bedingungen nachEinstellung des pH-Wertes auf 3 durch Zugabe von Schwefelsäure. Datum der Probenahme:12.02.2002

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    Bei der Säurebehandlungdes Urins wurden deutlichgeringere Koloniezahlen fest-gestellt. Hinsichtlich der wei-teren mikrobiologischen Pa-rameter war keine deutlicheAbnahme zu erkennen, dabereits in der Probe mit ho-hem pH-Wert nur geringeWerte nachweisbar waren. Zum Vergleich der an der An-lage Lambertsmühle erhalte-nen Werte wurden aus demvor der Lambertsmühle ver-laufenden Wiembach sowieaus herkömmlichen Kläranla-gen (Ablauf Nachklärung)Proben gezogen, deren Er-gebnisse in der nebenste-henden Tabelle zusammen-gestellt sind.

    DiskussionDer quantitative und qualitative Bakteriengehalt der Proben aus den verschiedenen Stoffströ-men spiegelt deren Herkunft, Nährstoffgehalt und eventuelle Kontamination wieder. Währenddie hohen Koloniezahlen gerade bei 36°C Bebrütung im Grauwasser erwartungsgemäß Ein-flüsse aus dem menschlichen Bereich anzeigen, kann der regelmäßig nachgewiesene, relativhohe Gehalt an E. coli nur über eine Kontamination des Grauwassers mit fäkalen Anteilen er-klärt werden. Inwieweit dies bereits bei der Entstehung des Grauwassers, z.B. bei der Kör-perreinigung oder im Bereich der sanitären Installation (Rohrleitungen und Speicherung) statt-fand, konnte nicht geklärt werden. Der hohe Bakteriengehalt der Gelbwasserproben aus dem Zulauf spiegelt das hohe Nähr-stoff- und Vermehrungspotenzial des Urins wieder. Urin selbst ist zunächst im allgemeinen(mit Ausnahme des Vorliegens von Blasenentzündungen) bakterienarm, wird aber nach Ver-lassen des menschlichen Körpers im Urinal und in der Toilette mit Bakterien kontaminiert, diesich dann schnell vermehren können. Aufgrund einer unscharfen Trennung von Urin und Fä-kalmaterial in der Toilettenschüssel kommt es zu einer Kontamination des Gelbwassers mit E.coli und Clostridium perfringens. Im Gelbwasserspeicher liegen grundsätzliche vergleichbare Bakteriengehalte wie im Zulaufvor, allerdings ergeben sich erhebliche Schwankungen bis hin zu nahezu bakterienfreiemGelbwasser, was durch die Säurebehandlung des Urins im Speicher zu erklären ist. Diedurchgeführte Sonderuntersuchung zeigt bereits bei einer Absenkung des pH-Wertes auf 3eine Verminderung der Bakteriengehalte um zwei bis drei Zehnerpotenzen. Bei geringerenpH-Werten, wie sie im Gelbwasserspeicher zeitweise aufgrund der Ansäuerung nachzuweisenwaren, ist eine weitere Bakterienabnahme zu erwarten. Demgegenüber konnte, wie im Labor-experiment nachgewiesen, eine bakterizide Wirkung basischer pH-Werte (überprüft wurde bis

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    pH 9 bei gleichzeitig hohen Ammoniumgehalten) nicht festgestellt werden. Im Braunwasserwaren erwartungsgemäß regelmäßig die höchsten Gehalte an Escherichia coli und Clostri-dium perfringens festzustellen. Insgesamt lässt sich aus den der Pflanzenkläranlage zugeführten flüssigen Anteilen von Grau-wasser und Braunwasser aufgrund der unterschiedlichen mengenmäßigen Anteile eine stetsdeutliche fäkale Kontamination in Höhe von 105 E. coli nachweisen. Demgegenüber war Clo-stridium perfringens an drei Untersuchungstagen nicht nachweisbar. Dies kann nur über ei-nen zum Zeitpunkt der Probenahme geringen Anteil an Braunwasser und einen hohen Anteilan Grauwasser erklärt werden. Aufgrund der Umweltresistenz der Sporen von Clostridium per-fringens kann ein Absterben für die zeitweise geringen Gehalte nicht verantwortlich gemachtwerden. Die Gehalte der verschiedenen Bakteriengruppe im Ablauf der Pflanzenkläranlage lie-gen durchweg unter denen vom Zulauf. Dies ist sicherlich auf die Adsorption- und sonstigenVorgänge der Abwasserklärung im Bereich des Wurzelraumes der Pflanzenkläranlage zu-rückzuführen, auch wenn der Pflanzenbewuchs auf der Anlage noch recht gering war. Im Vergleich zu zwei Proben aus konventionellen Kläranlagen liegt die Anzahl mesophileraerober Bakterien (20 °C und 36 °C) im Ablauf des Pflanzenkläranlage durchweg um ca. eineZehnerpotenz höher. Das gleiche gilt für den Nachweis von E. coli. Demgegenüber ist der Ge-halt an Clostridium perfringens im Ablauf der Pflanzenkläranlage im Vergleich zu den her-kömmlichen Kläranlagenabläufen nicht erhöht. Bei den Proben aus der Nachklärung der her-kömmlichen Kläranlagen handelt es sich zwar um einzelne Stichproben, dennoch weisenMessungen an größeren Anlagen in der Regel aufgrund des größeren Volumens der Anlagenund der größeren Prozessstabilität weniger Schwankungen auf als kleine Anlagen.Der Ablauf der Pflanzenkläranlage wird in die Vorflut, den Wiembach abgeleitet. Dieses Ober-flächengewässer wies bei einer Untersuchung am 24.01.2003 durchaus geringe allgemeineBakterienzahlen und auch geringe Gehalte an E. coli und Clostridium perfringens auf. Diesspiegelt sein Einzugsgebiet (Wiesen und Wald) und die offensichtlich geringe Kontaminationwieder. Die Gehalte dieser bakteriellen Parameter im Ablauf der Pflanzenkläranlage liegendeutlich über den Gehalten des Wiembaches. Insgesamt ist bezüglich der Auswirkungen aufden Wiembach auch dessen deutlich höherer Volumenstrom und damit das Verdünnungspo-tenzial zu berücksichtigen. Schließlich wurde am 22.10.2002 eine Kompostprobe untersucht. Diese Probe wies durchweghohe Gehalte der allgemeinen Koloniezahl, aber auch der Fäkalindikatoren E. coli und Clo-stridium perfringens auf. Diese hohen Gehalte lassen sich durch den Verlauf der Kompostie-rung erklären, wie aus den Untersuchungen des Instituts für Pflanzenernährung der Univer-sität Bonn hervorgeht, hat keine Heißrotte stattgefunden und offensichtlich hat auch die La-gerzeit nicht ausgereicht hat, eine weitgehende Abtötung von z.B. Escherichia coli zu errei-chen. Somit hat auch keine nennenswerte Hygienisierung des Kompostes stattgefunden.

    Hygienische BewertungDie verschiedenen Abwasserteilströme einschließlich des Pflanzenkläranlagenablaufes sindmit Bakterien allgemeiner Art, wie auch mit Escherichia coli und Clostridium perfringens kon-taminiert und können daher aus hygienischer Sicht wie übliches häusliches Abwasser bzw.Kläranlagenablauf angesehen werden. D.h., diese Teilströme sind als infektiös anzusehen.

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    Analytik polarer Arzneimittelrückstände in Urinproben

    einschließlich der Entwicklung der hierzu notwendigen adäquaten

    Verfahren mittels GC-MS/MS

    Dr. Sabine Strompen, Dr. Friedrich Werres, Dr. Peter Balsaa, Prof. Dr. Horst Overath

    IWW Rheinisch-Westfälisches Institut für Wasserforschung gemeinnützige GmbH Institut an der Gerhard-Mercator-Universität DuisburgMoritzstraße 26, 45476 Mülheim an der RuhrTel.: 0208 - 40303-0, [email protected]

    1 EinleitungDas Auftreten verschiedener Arzneimittel und Steroide in der aquatischen Umwelt wird seit ei-nigen Jahren zunehmend diskutiert. Einige Arzneimittel und Steroide - zum Teil auch polareAbbauprodukte einzelner Wirkstoffe - können inzwischen als umweltrelevante Stoffe mit einemhohem Verbreitungsgrad angesehen werden [1, 2]. Die Wirkstoffe gelangen nach ihrer therapeutischen Anwendung über menschliche Ausschei-dungen unzersetzt bzw. metabolisiert in das häusliche Abwasser. Umfangreiche Untersu-chungen, die in den letzten Jahren durchgeführt wurden, konnten zeigen, dass diese Wirk-stoffe regelmäßig in Kläranlagenabläufen und Fließgewässern nachgewiesen werden konnten[3, 4, 5]. Da sie zum Teil in kommunalen Kläranlagen nicht vollständig abbaubar sind, könnensie somit Wasserversorgern, die ihr Trinkwasser direkt oder indirekt aus Oberflächenwassergewinnen, Probleme bereiten, da einige Stoffe bei der Trinkwasseraufarbeitung gegebenen-falls nicht vollständig eliminiert werden können. Es ist somit naheliegend, dass in einem alternativen Abwasserkonzept nach effektiveren Mög-lichkeiten der Abwasserversorgung und problemorientierten Abwasserreinigung gesucht wird.Dieser Grundgedanke wird mit dem Projekt Lambertsmühle - Zukunftsfähiges Abwasserma-nagement im ländlichen Raum - verfolgt. Das anfallende Abwasser wird hierbei entsprechendseiner Belastung mit Schadstoffen bzw. seiner Nährstofffracht zunächst in unterschiedlicheTeilströme aufgegliedert. Auf diese Weise kann jeder Abwasserteilstrom einer adäquaten undRessourcen schonenden Abwasserbehandlung zugeführt werden. Durch den Einsatz beson-derer Trenntoiletten wird zum Beispiel der Teilstrom "Gelbwasser" (Urin mit ggf. geringemSpülwasseranteil) vom "Braunwasser" (Fäkalien mit Spülwasser) getrennt abgeleitet. Der Urinwird in einem unterirdischen Tank gesammelt und zwischengelagert, bevor er einer Verwer-tung als Düngemittel zugeführt wird. Fäkalien aus dem Braunwasser werden in einem spe-ziellen Rottesack kompostiert. Das vergleichsweise nährstoffarme Filtrat aus der Entwässe-rung des Rottesacks wird mit dem sogenannten Grauwasser (fäkalienfreies Abwasser ausHandwaschbecken, Dusche, Küche etc.) gemeinsam in einem durchströmten bewachsenenBodenfilter (Pflanzenkläranlage) behandelt.

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    Bei der im Projekt angedachten Rückführung einzelner Abwasserteilströme in den Ökokreis-lauf - insbesondere vor dem Hintergrund einer landwirtschaftlichen Verwertung des Gelbwas-sers - ist vorgesehen, den Verbleib und die Konzentration bestimmter anthropogener organi-scher Stoffe zu überwachen, die typischerweise in der Matrix Urin anzutreffen sind. Das Spek-trum der Untersuchungen berücksichtigt bekanntermaßen im Abwasser in messbaren Kon-zentrationen vorkommende Stoffe wie pharmazeutische Wirkstoffe, aber auch verschiedenenatürliche und synthetische Steroide. Dies setzt eine empfindliche und präzise Spurenstoff-analytik voraus, die auch unter schwierigen Matrixbedingungen - wie sie in Gelbwasser undanderen Abwasserteilströmen vorliegen - angewandt werden kann.

    2 ZielsetzungIm Rahmen dieses Projektes sollten durch den Einsatz von leistungsstarken chromatographi-schen und spektroskopischen Systemen Analysenmethoden für die Bestimmung ausgewähl-ter Arzneimittel und Steroide in Gelbwasser und in bestimmten Abwasserteilströmen entwi-ckelt werden. Durch eine Weiterentwicklung bekannter Verfahren der Probenvorbereitung inKombination mit neuen analytischen Techniken sollte ein rascher und präziser Nachweis die-ser Stoffe in schwieriger Matrix ermöglicht werden. Die neu entwickelten analytischen Verfah-ren sollten nach ihrer Validierung in den projektbezogenen Routinebetrieb übertragen werden.Im nachfolgenden Kapitel wird ein kurzer Überblick über den allgemeinen Stand der Technikzur Probenaufarbeitung und instrumentellen Analytik gegeben.

    3 Allgemeines zur Analytik und Stand der TechnikDie Spurenanalyse anthropogener organischer Stoffe in wässrigen Proben macht Verfahrenmit zum Teil erheblichem instrumentellen Aufwand notwendig. Gaschromatographische Me-thoden mit unterschiedlichen Detektionsarten (GC-FID, GC-NPD, GC-ECD) und die Hochleis-tungsflüssigchromatographie mit Einwellenlängen-, Mehrwellenlängen- bzw. Diodenarray-De-tektion (HPLC-DAD) sind inzwischen weit verbreitet. Aber auch Kopplungstechniken der Gas-chromatographie und der Flüssigkeitschromatographie mit der Massenspektrometrie (GC-MSund LC-MS) werden inzwischen routinemäßig eingesetzt, um die verschiedenartigen Konta-minanten sicher - und nicht selten in sehr niedrigen Konzentrationen - nachweisen zu können.Eine hinreichende Analysenempfindlichkeit wird trotz chromatographischer Verfahren mithochsensiblen Detektoren nur durch eine Extraktion der Analyten aus der Originalprobe, ver-bunden mit einer Aufkonzentrierung, erreicht. Untersuchungen von wässrigen Proben kom-plexer Matrix erfordern meist umfangreiche Reinigungsschritte. Die Extraktion der Analytenaus der wässrigen Phase kann entweder mit einem organischen Lösungsmittel (Flüssig-Flüs-sig-Extraktion) oder aber mit der sogenannten Festphasenextraktion (SPE) erreicht werden.

    3.1 ProbenvorbereitungstechnikenDie Flüssig-Flüssig-Extraktion ist die ältere der beiden genannten Methoden [6]. Sie wird heu-te in vielen typischen Anwendungsbereichen bereits durch die Festphasenextraktion ersetzt.Ihr größter Nachteil ist der Verbrauch großer Volumina hochreiner, teurer und teilweise auchtoxischer organischer Lösungsmittel, die anschließend einer sachgerechten Entsorgung zu-geführt werden müssen. Darüber hinaus sind hohe Extraktionsausbeuten - insbesondere beizunehmender Polarität der zu extrahierenden Stoffe - meist nur durch eine zeitraubende Mehr-fachextraktion zu erreichen, die sich jedoch für die Routine nicht eignet und zudem mit einemnoch höheren Lösungsmittelverbrauch verbunden ist. Die beachtliche Wasserlöslichkeit eini-

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    ger häufig verwendeter Extraktionsmittel (z.B. Dichlormethan oder Diethylether) macht zu-sätzlich eine kostspielige und ggf. umweltbelastende Entsorgung der gesamten - nach derExtraktion mit organischem Lösungsmittel gesättigten - Originalprobe notwendig. Gleichzeitigist die Auswahl geeigneter Lösungsmittel begrenzt, da es ggf. zu Störungen der jeweils ge-planten Detektionsart sowohl bei der GC als auch HPLC kommen kann.Die Festphasenextraktion (SPE) ist heute im Bereich der Umweltanalytik weitverbreitet. Auf-grund verschiedener Vorteile, die sie im Vergleich zur Flüssig-Flüssig-Extraktion besitzt, wirdsie seit langem im Rahmen der Probenaufbereitung zur Anreicherung einer Vielzahl unter-schiedlicher organischer Stoffe aus wässrigen Proben [7], aber auch aus der Matrix Urin ein-gesetzt [8]. Kommerziell sind Adsorbentien erhältlich, die sich in ihren physikalisch-chemi-schen Eigenschaften - insbesondere in ihrer Polarität - unterscheiden. Häufig werden modifi-zierte Kieselgele, wie das bekannte RP-C18 - Material bzw. Materialien auf der Basis von quer-vernetztem Polystyroldivinylbenzol verwendet, mit denen organische Verbindungen unter-schiedlicher Polarität mit hoher Effizienz aus der Wasserprobe extrahiert werden können. Dieunterschiedlichen Phasenmaterialien sind in Polypropylen- oder Glaskartuschen fertig abge-füllt erhältlich. In der Praxis wird die Probe mittels Über- oder Unterdruck durch die mit Adsor-bens gefüllte Kartusche gedrückt bzw. gesaugt. Meist ist eine Trocknung der Phase (z.B. mitStickstoff) notwendig. Es folgt ein Elutionsschritt mit organischem Lösungsmittel sowie in derRegel ein Aufkonzentrieren des Eluates am Rotationsverdampfer oder durch Abblasen desLösungsmittels mit Stickstoff. Die SPE besitzt den Vorteil eines erheblich geringeren Lö-sungsmittelverbrauchs und die Möglichkeit einer Automatisierung.Viele Analyten mit stark polaren funktionellen Gruppen (Carbonsäuren, phenolische Verbin-dungen bzw. Amine) erfordern eine chemische Derivatisierung, um ihre Polarität so weit her-abzusetzen, dass sie einer gaschromatographischen Analyse zugänglich werden. Dies machtzusätzliche manuelle Probenvorbereitungstechniken (z.B. Veresterungen mit Methanol /Schwefelsäure, etherischer Diazomethanlösung [9], Trimethylsulfoniumhydroxid (TMSH) [10]und andere Derivatisierungsverfahren auf der Basis von Silylierungsreaktionen [11]) notwen-dig, die einer Automation entgegenstehen oder diese nur eingeschränkt zulassen.

    3.2 Instrumentelle Analytik (Chromatographie und Spektrometrie)Sowohl die Gaschromatographie (GC) als auch die Hochleistungsflüssigchromatographie(HPLC) sind heute in allen Umweltlaboratorien die Basis für jede Art von Spurenstoffanalytikim Bereich anthropogener organischer Kontaminanten. Nach wie vor besitzt die GC gegen-über der HPLC den Vorteil einer höheren Trennschärfe, die insbesondere bei komplexen Stoff-gemischen bzw. schwierigen Matrices - wie im Bereich der Analytik von Urin - aufgrund einergenaueren Signalzuordnung in der Targetanalyse (Untersuchung auf bekannte Zielsubstan-zen) eine höhere Sicherheit bietet. Ein weiterer Vorteil der GC ist zweifellos die mögliche Kom-bination mit einer Reihe unterschiedlicher Detektoren (z.B. ECD, NPD, FID, MS), die eine se-lektive bzw. universelle Bestimmung mit hoher Empfindlichkeit ermöglichen. Die Absicherungdes Befundes kann darüber hinaus entweder im Rahmen der Targetanalyse mittels einer zwei-ten Säule anderer Polarität (Doppelsäulentechnik) erfolgen oder im Falle der GC-MS übervollständige Massenspektren oder charakteristische Ionen der nachzuweisenden Stoffe. Ins-besondere massenspektrometrische Verfahren bieten im Rahmen der Gaschromatographiederzeit die besten Voraussetzungen hinsichtlich Spezifität und Empfindlichkeit. Im Bereich derUmweltanalytik werden vor allem Quadrupol- bzw. Ion-Trap-Massenspektrometer eingesetzt.Mit letzteren können im sogenannten MS/MS-Betrieb einzelne, mittels Elektronenstoßionisie-

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    rung (EI) oder chemischer Ionisierung (CI) erzeugte Ionen erneut in der Trap gesammelt wer-den und in einem zweiten Schritt einer kollisionsinduzierten Fragmentierung unterzogen wer-den [12]. Man erhält auf diese Weise ein sekundäres Fragmentspektrum (Tochterionenspek-trum). Die Vorteile dieser Technik liegen in einer besseren Absicherung des Befundes, einerweitestgehenden Ausblendung aller störenden Matrixeinflüsse sowie einer damit einherge-henden zusätzlichen Empfindlichkeitssteigerung.Im Gegensatz zur GC lässt sich die HPLC meist nur mit Detektoren koppeln, die nach demPrinzip der Absorption von UV-Licht arbeiten. Die Empfindlichkeit der UV-Detektion ist zwarvielfach ausreichend hoch, jedoch ist für eine erfolgreiche Detektion erforderlich, dass derAnalyt wenigstens ein Chromophor besitzt, um die Absorption ultravioletten Lichts überhauptzu ermöglichen. Dies ist jedoch leider häufig nicht gegeben. Daher kann dieser für die HPLCwichtige Detektortyp nicht als universell bezeichnet werden. Hinzu kommt, dass aufgrund dermeist eingeschränkten Aussagekraft von UV-Spektren diesem Verfahren hinsichtlich Nach-weissicherheit selbst bei Verwendung von UV-Diodenarray-Detektoren (UV-DAD) Grenzen ge-setzt sind. Seit einigen Jahren gewinnt die Kopplung zwischen HPLC und einem Massenspektrometeran Bedeutung, da die inzwischen verfügbaren Interfaces einen schonenderen - auch für ther-molabile Stoffe geeigneten - Übergang der Analyten aus dem HPLC-Laufmittel in den Ionisie-rungsbereich des Massenspektrometers ermöglichen. Insbesondere durch die Entwicklungvon Ionenquellen, die bei Atmosphärendruck arbeiten (API) - der "atmospheric pressure che-mical ionisation" (APCI) und der "electrospray ionisation" (ESI) - wurden erstmals robusteHPLC-MS-Systeme verfügbar, die darüber hinaus den Vorteil bieten, dass Proben zum Teil oh-ne aufwendige Probenaufarbeitung und Derivatisierung gemessen werden können und dasseine Absicherung der Analytik selbst bei koeluierenden Stoffen möglich ist. Die Vorteile derMassenspektrometrie lassen sich folgendermaßen zusammenfassen:• Die Massenspektrometrie als Detektionsverfahren ist universell, sicher und empfindlich.Eine Absicherung der Analytik ist in einem gewissen Umfang auch bei koeluierenden Stoffenmöglich.• Ion-Trap-Massenspektrometer in Verbindung mit der MS/MS-Technik erhöhen die Nach-weissicherheit und Analysenempfindlichkeit in der Targetanalyse. Der störende Matrixeinfluss,sowohl bei der GC-MS als auch bei der LC-MS kann besser ausgeblendet werden.

    4 Methodenentwicklung4.1 Allgemeines und StoffauswahlVerabreichte Arzneimittel einschließlich endokriner Wirkstoffe und deren Metaboliten lassensich naturgemäß im menschlichen Urin nachweisen. Die "Rote Liste", die über 90 % der deut-schen Arzneimittel aufführt, enthält allein mehr als 8000 Präparateeintragungen [13]. Die allein in Deutschland verordneten Jahresmengen vieler dieser Wirkstoffe betragen häufigzwischen 10 und mehr als 100 Tonnen. Einige Wirkstoffe werden jedoch zur Therapie in derHumanmedizin besonders häufig und meist über längere Zeiträume hinweg eingesetzt. Diesbetrifft insbesondere gängige Lipidsenker, Schmerz- und Rheumamittel, sowie Mittel zur Ver-besserung der Durchblutung. Aber auch bestimmte synthetische Steroide, die z.B. als Kontra-zeptiva Verwendung finden, besitzen einen hohen Verbreitungsgrad. Diese Wirkstoffe und de-ren Metaboliten werden daher in kommunalen Abwässern regelmäßig in erhöhten Konzentra-tionen nachgewiesen [1, 3]. Die Tabellen 1 und 2 geben eine aktuelle Übersicht über typischeVertreter der oben genannten Wirkstoffgruppen.

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    Im Rahmen des Projekteswurden Analysenverfahrenzunächst für diese Stoffe er-arbeitet. In Abhängigkeit vonder Beschaffenheit der imProjekt zu untersuchendenGelbwasser- und Abwasser-proben wurde die endgültigeStoffauswahl für die geplan-ten projektbegleitenden Rou-tineuntersuchungen den An-forderungen entsprechendangepasst.

    4.2 Geräte und ChemikalienDie verwendeten Lösungs-mittel Aceton, Acetonitril, Me-thanol, Diethylether (Promo-chem, Wesel), Diethylengly-colmonoethylether und Es-sigsäure (Merck, Darmstadt)besaßen die Qualität "zurRückstandsanalytik". DasHPLC-Wasser stammt eben-falls von Promochem (We-sel). N-Methyl-N-nitroso-4-toluolsulfonamid "zur Herstellung von Diazomethan", Kaliumhydro-xid und Salzsäure (25 %ig) wurden von Merck (Darmstadt) bezogen. Die als Referenzsub-stanz eingesetzten Arzneimittel und Steroide (Sigma-Aldrich, Seelze) besaßen eine Reinheitvon > 98 % und wurden zur Herstellung der Stammlösungen und Verdünnungen verwendet.Als Modellwasser wurde Mülheimer Trinkwasser (aufbereitet aus Uferfiltrat der Ruhr) einge-setzt. Zur Festphasenextraktion wurden SPE-Kartuschen des Typs LiChrolut DYE (3 mL, ge-füllt mit 0,2 g Polystyroldivinylbenzol) von Merck (Darmstadt) sowie SDB 1 (3 mL, gefüllt mit0,2 g Polystyroldivinylbenzol) und Polar-Plus (6 mL, gefüllt mit 1 g RP-C18 Material) von J.T.Baker (Deventer, Niederlande) eingesetzt.Die gaschromatographischen Messungen wurden mit einem GC-MS-System der Firma Agi-lent (Waldbronn) (Typ Agilent 6890 GC, 5973 MSD) durchgeführt, das mit einem Kaltaufgabe-system (KAS 3) und dem Auto-Injektor (MPS 2) von Gerstel (Mülheim an der Ruhr) ausgerüs-tet war. Zur chromatographischen Trennung wurden GC-Säulen des Typs ZB 5 und ZB 50 vonPhenomenex (Aschaffenburg) eingesetzt. Die flüssigchromatographischen Untersuchungenwurden mit einem HPLC-MS-System der Firma Thermo-Finnigan (Egelsbach) durchgeführt.Dieses bestand aus der HPLC-Pumpe (P 4000) mit vorgeschaltetem Degaser (SCM 1000),Autosampler (AS 3000), UV-Diodenarray Detektor (UV 6000 LP) und nachgeschaltetem Ion-Trap Massenspektrometer (LCQ Duo). Zur chromatographischen Trennung wurde eine HPLC-Säule des Typs Discovery HS C18 (150 x 2,1 mm; 3 µm) der Firma Supelco (Taufkirchen) ein-gesetzt. Probengefäße mit einem Volumen von 2 mL, entsprechende Inlets und passendeBördelkappen wurden von Escape (Freigericht) bezogen.

    Tab. 1: Arzneimittel und Metaboliten, für deren Bestimmung in Urinund Abwässern Analysenverfahren erarbeitet wurden.

    Tab. 2: Steroide und Metaboliten, für deren Bestimmung in Urin undAbwässern Analysenverfahren erarbeitet wurden.

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    4.3 Erarbeitung von Analysenverfahren für ausgewählte Arzneimittel und SteroideFür die in Tabelle 1 und 2 genannten Stoffe wurden zunächst geeignete Analysenverfahren er-arbeitet, die eine Bestimmung sowohl in der komplexen Matrix Urin als auch in Abwässernbzw. abwasserverwandten Wässern (z.B. Kläranlagenabläufen) erlaubten. Letzteres war not-wendig, um ein Monitoring des Zu- und Ablaufs der Pflanzenkläranlage zu untersuchen. Neben der vollständigen Neuentwicklung einzelner Methoden wurde zum Teil auch auf in derLiteratur beschriebene Verfahren zurückgegriffen und ggf. eine notwendige Modifikation vor-genommen. Einige dieser Verfahren beschreiben die Chromatographie (GC-MS) einschließ-lich der Probenaufarbeitung von Arzneimitteln und Steroiden in Fließgewässern und Kläranla-genabläufen. Verfahren zur Bestimmung von Arzneimitteln erfordern meist zunächst eine Probenfiltrationnach Ansäuern auf pH 2 sowie eine Anreicherung mittels Festphasenextraktion. Nach Trock-nung der Phase und Elution mit einem organischen Lösungsmittel müssen die polaren Stoffemeist einer chemischen Derivatisierung unterzogen werden, um ihre Polarität soweit herabzu-setzen, dass sie gaschromatographisch (in der Regel mittels GC-MS) vermessen werden kön-nen [2]. Die meisten der beschriebenen Verfahren zur Bestimmung von Steroiden schließeneinen GC-MS-Bestimmungsschritt nach Festphasenanreicherung, clean-up und Derivatisie-rungsverfahren ein. Die Probe wird zunächst filtriert, auf einen pH-Wert von 3 eingestellt undanschließend an einer Festphase angereichert. Nach der Trocknung wird der Probenextraktz.B. mittels Säulenchromatographie an Kieselgel/Florisil gereinigt (clean-up). Anschließendwird mit Stickstoff zur Trockene eingeengt und eine chemische Derivatisierung mit einem ge-eigneten Silylierungsreagenz durchgeführt [3].

    • Analytik von Arzneimittelrückständen und Metaboliten in Abwasser und UrinFür die Analyse der in Frage kommenden Arzneimittelrückstände und Metaboliten musstenaufgrund ihrer chemischen Eigenschaften zunächst zwei unterschiedliche Analysenverfahrenerarbeitet werden. Dies schloss sowohl die Probenvorbereitung als auch den gaschromato-graphischen Bestimmungsschritt ein. Ferner mussten beide Methoden auf die unterschied-lichen Matrices Urin und Abwasser abgestimmt werden, so dass schließlich vier Verfahren er-arbeitet wurden. In den Abbildungen 1, 2 und 3 werden neben den gaschromatographischen und spektrosko-pischen Bedingungen auch die unterschiedlichen Arbeitsschritte für die Probenvorbereitungvon Abwasser und Urin dargestellt.Die besten chromatographischen Ergebnisse hinsichtlich Signalsymmetrie, Trennleistung undUnterdrückung von Störungen durch Matrixbelastungen der zu vermessenden Probenextrak-te konnte mit einer mittelpolaren Kapillarsäule des Typs ZB 50 erreicht werden. Neben dengaschromatographischen Bedingungen sind in Abbildung 1 die Retentionszeiten der unter-suchten Stoffe und die zur Identifizierung und Quantifizierung verwendeten Fragmentmassen(Qualifier-Ionen) dargestellt. Auf der Basis der Festphasenextraktion (SPE) wurden für die aus-gewählten Stoffe geeignete Anreicherungsverfahren erarbeitet. Alle Versuche zur Optimierungder Anreicherungsbedingungen (z.B. das Testen von unterschiedlichen SPE-Materialien,unterschiedlichen Lösungsmitteln zur Konditionierung und Elution sowie Trocknung der Pha-sen), wurden mit dotierten Modellwasserproben durchgeführt. Als Modellwässer wurden Was-ser, Abwasser und Urinproben verwendet. Die Stoffe Bezafibrat, Clofibrinsäure, Diclofenac,Fenoprofen, Gemfibrozil, Ibuprofen, Indometacin und Ketoprofen besitzen eine polare Carbo-xylgruppe ("acide Stoffe") und ließen sich daher effektiv bei einem pH-Wert von 2 anreichern.

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    Abb. 2: Schema zur Analytik vonArzneimittelwirkstoffen (Matrix Abwasser)

    Abb. 1:GC-MS Bedingungen für die Be-stimmung von Arzneimittelwirk-stoffen in Wasser und Urin

    Abb. 3:Schema zur Analytik von Arzneimittelwirkstoffen (Matrix Urin)

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    Carbamazepin, Fenofibrat,Pentoxifyllin, Phenacetin undPhenazon besitzen keineCarboxylgruppe und sindvergleichsweise weniger po-lar (sogenannte "neutraleStoffe"). Ihre Anreicherunggelang am besten bei einempH-Wert von 9. Die Ergebnisse der Untersu-chungen zu den Wiederfin-dungsraten sind in Tabelle 3dargestellt. Man erkennt, dass die höch-sten Wiederfindungsraten mitder Styroldivinylbenzol-Pha-se LiChrolut DYE erreic