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Das rote Universum

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Nr. 75Das rote UniversumGeschwindigkeit ist ihre beste Waffe. Der Husarenritt des SpezialkreuzersCALIFORNIA. - Das 5. Atlan-Abenteuer!von K. H. Scheer

Auf der Erde schreibt man das Jahr 2043, und damit ist jener Zeitpunkt herangenaht, für den Perry RhodansMathematiker die beginnende Stabilisierung der beiden Zeitebenen - des Universums, der Druuf und»Einsteinraums«, wie man die Zeitebene neuerdings nennt, in der Terra beheimatet ist - errechnet hatten.Der solare Flottenstützpunkt Gray Beast, die ehemalige Siedlerwelt, 6562 Lichtjahre von der Erde entfernt,wird in den Alarmzustand versetzt. Die Raumflotte von Terra bezieht Kampfpositionen. Perry Rhodan,Reginald Bull und andere führende Persönlichkeiten des Solaren Imperiums versammeln sich in Erwartung deskommenden auf Gray Beast, da dieser Planet dem Tor zum anderen Universum am nächsten liegt. Auch Atlan,der Mentor der irdischen Menschheit, ist dabei, als Perry Rhodan seinen kühnen Plan entwickelt.Atlan, der Arkonide, der bereits vor 10000 Jahren irdischer Zeitrechnung gegen die Druuf gekämpft hatte, istjedoch äußerst skeptisch, als er von dem geplanten Vorstoß in DAS ROTE UNIVERSUM hört ...

Die Hautpersonen des Romans:Atlan - Der Unsterbliche entsetzt sich über den Leichtsinn der Terraner.Perry Rhodan - Erster Administrator des Solaren Imperiums.Oberstleutnant Baldur Sikermann - Er beherrscht souverän die Kontrollen der CALIFORNIA.Dr. Sköldson - Der Chefarzt findet unter den Männern der CALIFORNIA kein einziges »Opfer« für seine Spritze.Fellmer Lloyd - Ein Schild ist daran schuld, daß der Mutant nicht rechtzeitig den Arzt aufsucht.

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Sie waren emsiger als Bienen und so hartnäckigwie ausgehungerte Nordlandwölfe auf der Fährteeines erschöpften Elches.

Sie arbeiteten eifrig, ohne sich dabei wie wirklicheEiferer zu benehmen. Jeder Handgriff saß, jedeBerechnung stimmte, und jeder von ihnen wußteganz genau, wo er im nächsten Augenblickanzufassen hatte.

Sie waren darin geübt, die fraglos vorhandeneInitiative des einzelnen so planvoll zu steuern, daß esniemals zu Überschneidungen oder schwerwiegendenKompetenzstreitigkeiten kam.

All das taten sie in einer humorvollen Art, dieSchwierigkeiten von selbst beseitigte und denUmgangston zwischen Wissenschaftlern, Offizierenund Mannschaften so auflockerte, daß sie für einenaußenstehenden Beobachter wie eine große Familiewirkten.

Es war ein Wimmeln und Hasten, Dröhnen,Hämmern und Fauchen, wie man es nur auf einergroßen Raumschiffswerft erleben konnte.

Ich war zutiefst beeindruckt! Vor einer Stundehatte mich der Chefingenieur der AusrüstungswerftXIV händeringend gebeten, ich solle doch die oberePolkuppel des neuen Superschlachtschiffes KUBLAIKHAN verlassen, da ich seinen tüchtigen Leuten nurim Wege wäre.

Leicht beleidigt war ich gegangen. Schließlich war

ich es gewesen, der tagelang darüber nachgebrütethatte, wie man den Fiktivtransmitter aus dem altenSchlachtschiff GANYMED ausbauen und in derWaffenhalle der KUBLAI KHAN unterbringenkönne.

Als ich zwölfhundert Meter tiefer in der kleinenMannschleuse angekommen war, hatte sich meinGroll schon wieder gelegt.

Eins muß man diesen Barbaren lassen: Sie warenehrlich! Daran gewöhnt, meine Handlungen undGefühle einer strengen Selbstkritik zu unterziehen,stellte ich später nachdenklich fest, daß ich denMännern der Werft tatsächlich im Wegherumgestanden hatte. Wissenschaftler sind dazu da,um den Spezialisten einen bestimmten Weg zuweisen. Nun, da ich die Berechnungen beendet hatte,war ich wirklich überflüssig geworden. DieIngenieure aus Michels Team wußten auch ohne guteRatschläge, wie sie den Transmitter zu verankern unddie Kraftversorgung zu installieren hatten.

So kam es, daß ich jetzt noch auf jener Plastikkistesaß, die ich mir dreißig Minuten zuvor als Ruheplatzausgesucht hatte.

Von hier aus hatte ich einen einigermaßen gutenBlick auf die gewölbten Flanken des fünfzehnhundertMeter durchmessenden Kugelriesen, dem man denNamen KUBLAI KHAN gegeben hatte. Anscheinendhielt Perry Rhodan sehr viel von dem großenMongolen, der einmal ein ganzes Weltreichaufgebaut hatte.

Ich lachte still vor mich hin. Ich hatte den Khan

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recht gut gekannt, was aber Rhodan noch nichtwußte. Damals hätte ich mir nicht träumen lassen,einmal ein Riesenschiff auszurüsten, das den Namendieses Herrschers tragen würde.

Diese Terraner schienen überhaupt sehr an ihrereigenen Geschichte zu hängen. Wenn es nach denMännern dieser Werft gegangen wäre, hätte ichwenigstens viermal in der Woche aus meinem langenLeben erzählen müssen. Ich hütete mich jedochdavor, da ich die von meinem Extrahirn verursachtenQuälereien zu gut kannte. Wenn derErinnerungssektor erst einmal in voller Stärkeansprach, dann war es vorbei mit dem normalenAblauf meiner Denkprozesse.

Der auf meiner Brust hängende Zellaktivatormachte sich durch ein kaum fühlbares Pulsierenbemerkbar. Ich runzelte überrascht die Stirn. Dieseseigroße, rätselhafte Gerät begann immer dann zuarbeiten, wenn mein Zellgewebe gewisseReizimpulse benötigte. War ich jetzt nur abgespannt,oder ging in meinem Körper wieder einmal etwasvor, was ein terranischer Biologe mit dem Begriff»rechtzeitige Regenerierung von Zellen, dieeigentlich längst abgestorben sein müßten«bezeichnet hatte?

Ich setzte mich schulterzuckend darüber hinweg.Das Geheimnis um den Mikroaktivator, der mir

praktisch seit zehntausend Jahren Jugend und Frischeerhalten hatte, würde ich wohl niemals enträtselnkönnen. Das einzige Lebewesen, das mich darüberhätte informieren können, war seit der Panne auf demKunstplaneten Wanderer verschwunden.

ES hatte gemeint, für einige Augenblicke seinerZeit verschnaufen und ruhen zu müssen. Was eineentstofflichte Intelligenz darunter verstand, konnteich mir plastisch vorstellen. Vielleicht konnte ich infünfzig Jahren einmal anfragen, ob die »paarAugenblicke« nun vorüber seien. Ich machte mir indieser Hinsicht keine Illusionen.

Das mir am nächsten stehende Landebein derKUBLAI KHAN war etwa hundert Meter entfernt.Die gewaltige, turmstarke Säule versperrte mirteilweise die Sicht auf jenen finsteren Abgrund, dersich unter der Polrundung auftat. Dort verschwandenMänner und Material in unübersehbarer Menge.

Wahrscheinlich hatten sie gleich mir Wochen undMonate benötigt, um ihre Platzangst zu überwinden.Schließlich war es keine Kleinigkeit, mehrereMillionen Tonnen Arkonstahl dicht über sich zuwissen. Wenn nur eins der ausgefahrenen Landebeineabknickte oder der Auflageteller in den Beton desGeländes einsank, konnte es zu einemschwerwiegenden Unfall kommen.

Ich schrak zusammen, als ich plötzlich einSchattenbild gewahrte. Jemand war lautlos hintermich getreten. Erst im letzten Augenblick sagte mir

mein Logiksektor, daß es hier keine Feinde oderAngreifer gab. So lockerte sich mein sprungbereiterKörper.

»Hallo!« sagte ich schleppend. »Haben Sie schoneinmal einen toten Mann gesehen? Man tritt nichtnach Katzenart an nervöse Leute heran.« Ich wandtelangsam den Kopf. Dr.-Ing. Michels, Chefingenieurder Ausrüstungswerft XIV, grinste breit. Seinstrohblondes Haar hing unter der zerknautschtenDienstmütze hervor, und seine Kombination sah aus,als hätte man sie in einem Altölbehälter eingeweicht.

Schnaufend hob er den Fuß und stellte ihn auf dielängliche Plastikkiste. So blieb er erst einmal stehen,um schließlich den rinnenden Schweiß von der Stirnzu wischen.

»Ein Hundeleben, was?« bemerkte er. »Was einemso alles zugemutet wird, hmm ...«

»Stimmt!« antwortete ich auf gut Glück, »einwahres Hundeleben.«

Michels nickte trübsinnig. Er führte etwas imSchilde, ich ahnte es! Diese Terraner entwickeltenmanchmal einen Humor, der einen Arkoniden an denRand des Irrsinns bringen konnte. Ich wurde immerwieder von dieser Charaktereigenschaft überrascht,obwohl ich doch nun schon lange genug unter denMenschen lebte. Fünf andere Männer näherten sich.Hinter ihnen glitt lautlos eineAntigravitations-Lastenplattform durch die Luft.Einer von ihnen steuerte lässig das mächtige Gerät.Das kleine Fernlenkgerät hielt er in der Hand, alswäre es ein angebissenes Sandwich.

Als mich die Neuankömmlinge sahen, begannensie wie auf Kommando zu grinsen. Ich runzelte dieStirn und fühlte ein leichtes Unbehagen in miraufsteigen. Wieder einmal bedauerte ich es, keinTelepath zu sein.

Michels stand dicht neben mir und spendete mirwillkommenen Schatten. Es war kurz vor zwölf Uhr,und weit über mir wölbte sich der blaue, wolkenloseHimmel der ehemaligen Wüste Gobi.

Von den Turmbauten der irdischen HauptstadtTerrania war hier nichts mehr zu sehen. DieSilhouette der KUBLAI KHAN war übermächtig undblickfüllend.

»Allerhand!« sagte ein blutjunger Leutnant desSicherheitsdienstes. Er gehörte zu den fünf Männerndes Transportkommandos.

Ich schaute ihn scharf an und begann, nervös mitden Absätzen meiner dicksohligen Stiefel gegen dieKistenwandung zu trommeln, bis Dr. Michels leisesagte:

»Darf ich Herrn Admiral darüber aufklären, daßHerr Admiral dicht über dem Zünder einerFünfhundert-Megatonnen-Katalyse-Bombe hocken?Wenn Herr Admiral die Güte haben wollen, diesengefahrvollen Ruheplatz zu ...«

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Ich rannte schon! Hinter mir klang das dröhnendeGelächter der Männer auf. Diese Kerle schienenüberhaupt keine Nerven zu haben! Jetzt ahnte ichauch, warum mich die bewaffneten Posten so seltsamangeblickt hatten, als ich mich kurz zuvor auf dieserverflixten Kiste niederließ. Dabei war es denBurschen gar nicht eingefallen, mich über meinenhaarsträubenden Irrtum aufzuklären. Außerdem: Wiekamen die dazu, Plastikbehälter mit gefährlichenKernwaffen so einfach auf dem Werftgeländeabzustellen?

»Endausrüstung, Narr!« gab mir mein Extrahirn inlakonischer Kürze bekannt.

Jedenfalls hielt ich in meinem Spurt nicht eherinne, bis mich die Verrückten nicht mehr sehenkonnten. Schnaufend lehnte ich mich mit demRücken gegen den Schaltkasten einesrobotgesteuerten Material-Prüfungsautomaten, indem alle möglichen Güter auf Fabrikationsfehlernochmals durchleuchtet wurden.

Augenblicke später wurde ich schon wiederdavongejagt. Nein, auf diesem Werftgelände warkein Platz für mich. Ein solches Gewimmel hatte icheigentlich nur während des großen Krieges vorzehntausend Jahren erlebt. Damals kämpfte meinVolk um die Erhaltung der humanoidenZivilisationen, und unsere erbitterten Feinde warennichtarkonidische Methanatmer aus demNebel-Sektor der Milchstraße gewesen.

Das war aber lange vorbei. Heute ging es umandere Probleme. Die Galaxis war wieder in Aufruhr,doch diesmal hatten keine Giftgasatmer angegriffen.Jene, die aus einer anderen Zeitebene aufgetauchtwaren, wurden kurz und bündig »Druuf« genannt.Außer Rhodan gab es nur noch wenige Leute, dieüberhaupt wußten, wie dieser Name entstanden war.Irgendwelche Tiere, die man kurz nach dem erstenEindringen in die Zeitzone angetroffen hatte, hattendumpfe Rufe ausgestoßen, die wie »druuuf« klangen.Schon hatte ein reichlich leichtsinniger Leutnant derSolaren Flotte die Bezeichnung parat gehabt. Insolchen Dingen waren die Menschen schnell bei derHand.

Ich schüttelte die letzten Spuren des Ärgers vonmir ab und wollte eben nach meinem Flugwagenrufen, als das kleine Armbandvisifon ansprach.

General Deringhouse, einer der ältestenMitkämpfer Rhodans, jung erhalten durch eineWanderer-Zelldusche, wurde auf demfingernagelgroßen Bildschirm erkennbar. Seinsommersprossiges Gesicht war auffallendausdruckslos.

»Nachricht vom Chef, Sir«, sagte er knapp.»Könnten Sie sofort im Hauptquartier desAbwehrdienstes erscheinen? Ja ...? Okay, vielenDank.«

Ich schaute verblüfft auf die verlöschendeBildfläche. Deringhouse hatte schon wiederabgeschaltet. Das war eine sehr eigenartigeAufforderung gewesen!

Ich war darüber informiert, daß Rhodan mit einemgroßen Teil der terranischen Flotte im Myrthasystemweilte. Der Planet Gray Beast, die siebte Welt derfernen Sonne, war während der vergangenen zwanzigMonate zu einem solaren Flottenstützpunktausgebaut worden.

Wir wußten sehr genau, daß eine von derDruufebene erzeugte Überlappungszone nahe desSterns entstehen würde, doch diesmal wollten wirnicht abwarten, bis das Unheil hereinbrach.

Ich konnte mir vorstellen, wie es auf denentvölkerten Welten der ganzen Milchstraße aussah.Es war dort das geschehen, was ich schonzehntausend Jahre früher in meiner Eigenschaft alsarkonidischer Geschwaderchef erlebt hatte.

Zehn Minuten später landete ich auf dem flachenDach des Hochhauses. Während der Besprechung, inder mir von den verantwortlichen Leuten des SolarenImperiums kurz und bündig mitgeteilt wurde, nahedes Myrthasystems seien wie erwartet riesenhafteÜberlappungszonen gesichtet worden, wurde mir einhünenhaft gebauter Offizier mit blondenStachelhaaren und blauen, offen blickenden Augenvorgestellt.

Es war ein Oberst, und er nannte sich MarcusEverson. Ein Blick auf die Auszeichnungen genügtemir, um zu wissen, daß ich es mit einem tausendfachbewährten Raumoffizier zu tun hatte.

»Angenehm, Sir«, meinte Everson. »OberstEverson erhält ab sofort das Kommando über dieKUBLAI KHAN«, erklärte Deringhouse geschäftig.»Lassen Sie sich von Märe erzählen, was er beimRückflug vom Planeten Eppan erlebte. Dabei hatte ernur den Auftrag erhalten, den kosmischen AgentenGoldstein abzuholen.«

Everson verzog die Lippen zu einem breitenLachen.

»Einer, der sich Mataal nannte und vorgab, eineppanischer Eingeborener zu sein, war drauf unddran, meine Kaulquappe zu übernehmen. Kennen Sieeine galaktische Spezies, deren Angehörige aussehenwie sehr große Fledermäuse? Die Kerle sindMolekularverformer. Unser spezieller Freund brachtees fertig, meine Besatzung Mann für Mannauszuschalten. Schließlich machte er doch einenFehler. Das war eigentlich alles.«

Everson nickte nachdenklich, und ich schwieg. Ichkonnte mir lebhaft vorstellen, was an Bord deskleinen Schiffes geschehen war.

»Michels meldete, der Einbau desFiktivtransmitters sei beendet«, lenkte Deringhouseab. »Wir möchten Sie bitten, sofort mit der KUBLAI

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KHAN zu starten. Das Schiff wird soeben aus derWerft bugsiert. Mit Eversons Kommando dürften Siezufrieden sein. Er kennt sich auf unseren neuenSuperriesen aus.«

Ich brauchte mir den Mann nur näher anzusehen,um davon felsenfest überzeugt zu sein. Everson hatteden Aufstieg der ehemaligen »Dritten Macht« unterPerry Rhodan von Grund auf miterlebt. Zu jener Zeitwar ich noch der Meinung gewesen, alles tun zumüssen, um der Menschheit eine bittere Lektion zuerteilen.

Die Zeiten hatten sich geändert. Auf den dreiArkonwelten, meiner fernen Heimat, regierte einübermächtig gewordenes Robotgehirn, dessenProgrammierungsschaltungen offenbar nichtausreichend waren, um eine vernünftige galaktischeGroßraumpolitik zu betreiben.

Minuten später - ich unterhielt mich eben mit demOberst über die Verwendungsmöglichkeiten derKUBLAI KHAN - lief eine neue Funknachricht ausden Tiefen der Milchstraße ein. Der verschlüsselteKurzimpuls kam aus dem Myrthasektor, 6562Lichtjahre von der Erde entfernt.

Als die Dechiffrierung vorlag, bemerkte ich, daßsich Deringhouses Gesicht verfärbte. Wortlos, miteinem unsicheren Blick, reichte er mir den Streifen.

Fall POTOMAK eingetreten, Notstand ab 1.August 2043 - 24 Uhr, N-Gesetz ab sofort in Kraft.Start Flotte nach Anweisung A-3, abstoppenHandelsverkehr bis auf Widerruf. Atlan zurück nachStützpunkt gez.: Rhodan, Chef Solare Flotte, ErsterAdministrator Solares Imperium.

Ich benötigte einige Augenblicke, um dieNachricht zu verarbeiten. Also war es endlich soweit!Unsere Berechnungen über die statistischeWahrscheinlichkeit einer Totalüberlappung nahe demMyrthasystem hatten sich als positiv erwiesen.

Ich legte den Plastikstreifen auf den Tisch undmusterte die anwesenden Offiziere der Reihe nach.Das neue Notstandsgesetz würde einigeUnannehmlichkeiten für die Bevölkerung desPlaneten Erde mit sich bringen; dazu noch sehr vieleFragen, die wir aus Gründen der erforderlichenGeheimhaltung nicht wahrheitsgetreu beantwortenkonnten.

Aus dieser Überlegung heraus sagte ich gedehnt:»Fall Potomak, wie? Das bedeutet, daß sich die

Fronten stabilisieren. Meine Herren, Sie werdenetwas unternehmen müssen, um zu verhindern, daßman Sie in weiten Kreisen der Bevölkerung für diewilligen Untergebenen eines großmächtigenDiktators hält. Viel Vergnügen, Deringhouse!«

Er sah mich etwas unsicher an, dann straffte sichseine Miene.

»Abwarten«, erklärte er gefaßt. »Einmal hat eskommen müssen. Sie starten bitte sofort, Sir.

Wahrscheinlich werden Sie im Myrthasystem nundringender benötigt als auf der Erde. Hier werden wirschon allein fertig.«

Zwanzig Minuten später stieg ich aus meinemFluggleiter. Wieder wuchsen die gewaltigenWandungen des Superschlachtschiffes vor mir auf.Die KUBLAI KHAN war klar zum Start.

Der Erste Offizier des Giganten erstattete an derBodenschleuse Meldung. Ich wurde mit all demzeremoniellen Pomp empfangen, der auf RhodansWunsch hin eingeführt worden war. Aus Gründen derDisziplin mochte es nicht verkehrt sein, zumal in deralten Arkonidenflotte ähnliche Bestimmungen inKraft gewesen waren.

Mein letzter Blick galt den fertig ausgerüstetenEinheiten der interplanetarischenAbwehrgeschwader, die unter Deringhousespersönlichem Befehl standen. Unter den Schiffen, diezum Schutze des Sonnensystems zurückbleibensollten, befanden sich auch die beiden älterenSuperriesen TITAN und GENERAL POUNDER.Dazu kamen zahlreiche Schlachtkreuzer derSolarklasse sowie Schwere und Leichte Kreuzer ausden neuen Bauserien. Es war schon allerhand, wasdie Terraner in der relativ kurzen Zeitspanne vonetwa 70 Jahren auf die Beine gestellt hatten.

Ich lauschte auf das dumpfe Dröhnen einigerstartender Kreuzer der Staatenklasse. Ehe diewarmen Druckwellen bei uns ankamen, stand ichbereits im Antigravlift der Bodenschleuse. Über miröffnete sich der Leib der KUBLAI KHAN, einesRaumers, in den alle technischen Errungenschaftender Neuzeit eingebaut worden waren.

Marcus Everson, der Kommandant, legte grüßenddie Hand an den Schirm der leichten Bordmütze. Inder großen Zentrale des Superschlachtschiffesherrschte jene erregende Atmosphäre von sinnloserscheinender Emsigkeit, die mich immer wieder inihren Bann schlug. Die Meldungen aus demMaschinenleitstand liefen in rascher Folge ein. Tiefunter uns begannen die monströsen Stromreaktorender vielen Kraftwerke zu rumoren. Es war einGeräusch, das einen Mann von meiner Ausbildungbis hinab zur kleinsten Nervenfaser aufrüttelte.Fasziniert sah ich auf die großen Bildschirme derPanoramagalerie. Noch glänzten die Anlagen desgrößten terranischen Raumhafens auf den3-D-Flächen, doch Sekunden später änderte sich dasBild.

Vom Start der KUBLAI KHAN zeugte eigentlichnur das tiefe, machtvolle Donnern der mit zweiProzent maximal anlaufenden Triebwerke. Derentstehende Schub reichte völlig aus, um denfünfzehnhundert Meter durchmessenden Kugelriesenin den blauen Mittagshimmel vorstoßen zu lassen.

Ich wußte, daß man auf dem Raumhafen längst in

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Deckung gegangen war. Die von Großraumschiffenerzeugten Druckwellen waren berühmt-berüchtigt,obwohl sich jeder Kommandant vernünftigerweisebemühte, mit den geringsten eben noch vertretbarenTriebwerkswerten abzufliegen. Bei einem Schiff vonder Größe unserer KUBLAI KHAN ließ sich abereine gewisse Größenordnung nicht mehr unterbieten.So kam es, daß man Superschlachtschiffegrundsätzlich nur von den entferntesten Pisten ausstarten ließ.

Die Andruckabsorber nahmen die entstehendenBeharrungskräfte auf. Ich spürte nichts von einemNaturgesetz, das einem Perry Rhodan beim erstenbemannten Mondflug beinahe den Unterganggebracht hätte. Leicht und völlig müheloserscheinend, jagte der mächtige Stahlball aufleuchtenden Impulswellensäulen seinem Element,dem freien Raum, entgegen.

Ich lehnte mich aufatmend imzurückschwenkenden Gliedersessel nach hinten. Nunwar es soweit! Jene, die mein Geschwaderzehntausend Jahre zuvor vernichtet hatten, sollteneine bittere Lehre erhalten.

Nein - ich hatte nicht umsonst gekämpft undgelitten! Mein Erinnerungssektor schaltete sich beidiesem flüchtigen Gedankengang sofort ein. Es war,als lauere mein Extrahirn nur auf einen Impulsmeines Wachbewußtseins, um sofort mit demschmerzhaften Drängen zu beginnen.

Mit allen Kräften bemühte ich mich um meineSelbstbeherrschung. Es wäre augenblicklich sinnlosgewesen, über längst vergangene Dinge zu berichten.Das alte Arkonidenreich existierte in seinerehemaligen Form nicht mehr. Meine Kraft gehörtenun den Bewohnern der Erde, jener Erde, die ichnoch in anderer geologischer Gestaltungkennengelernt hatte.

Das Dröhnen der achtzehnHochleistungstriebwerke steigerte sich. Die KUBLAIKHAN nahm nach der Überquerung der MondbahnFahrt auf. Wieder fühlte ich nichts von dementstehenden Andruck. Die neuen terranischenAbsorber waren erstklassig.

Marcus Everson lächelte mir zu. Er machte einenvertrauenerweckenden Eindruck. Fast glich ermeinem alten Lehrmeister und Kommandanten derTOSOMA, Kapitän Tarts.

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Everson war doch ein verrückter Bursche! Er hättees durchaus nicht nötig gehabt, mit nur einerTransition die große Entfernung zu überwinden. Sohatten wir die 6562 Lichtjahre bis zum Myrthasystemauf einmal bewältigt, was - mit anderen Wortengesagt - einen äußerst unangenehmen

Rematerialisierungsschmerz erzeugte. Eine nurgeistig erfaßbare, praktisch aber niemals erklärbareReise durch den übergeordneten Hyperraum derfünften Dimension war eine Angelegenheit, diestarke Männer total zermürben und schwächlicherscheinenden Individuen ein Gefühl der Stärkeverleihen konnte. Man konnte niemals vorhersagen,wie dieser oder jener Mensch auf die Entstofflichungreagieren würde.

Ich fühlte mich total erschlagen sowie körperlichund geistig zermürbt.

Ein nervöser Ingenieur war dabei, die Funktion desneuartigen Eigenschwingungs-Dämpfers zukontrollieren. Dieses Gerät war zu dem Zweckentwickelt worden, die entstehendenEigenfrequenzen der Schockwellenabsorberaufzunehmen, um somit eine Anpeilung zuunterbinden.

Ich sah zum Diagrammschirm derKontrollautomatik hinüber. Die grünen Zacken warensauber und gleichmäßig, ein Zeichen dafür, daßEverson Glück gehabt hatte.

»Das hätte wohl ins Auge gehen können, wie?«fragte er stirnrunzelnd.

Der Ingenieur murmelte etwas, was ich mit dembesten Willen nicht verstehen konnte. EineLiebenswürdigkeit schien es aber nicht gewesen zusein.

Everson lachte ungerührt. Dabei hatte ich wiedereinmal Gelegenheit, festzustellen, daß derUmgangston zwischen Untergebenen undVorgesetzten durchaus frei und offen war.

Ächzend richtete ich mich in meinemGliedersessel auf. Auf den Bildschirmen der Galeriewaren zur Zeit fünf Planeten auf einmal zu sehen.Weit vor uns stand der gleißende Ball einer fremdenSonne, die nach den Angaben der Auswertung nurmit dem Stern Myrtha identisch sein konnte.

Ich schritt taumelnd zu den Kontrollen hinüber undließ mich auf dem Platz des stellvertretendenKommandanten nieder. Ehe ich wieder recht zu mirkam, landete die KUBLAI KHAN.

Ich kannte den erdähnlichen Planeten Gray Beastvon einem Unternehmen her, bei dem es darumgegangen war, flüchtige Verräter wiedereinzufangen. Beinahe wäre die galaktische PositionTerras dem Robotgehirn auf Arkon bekanntgeworden. Nur das Eingreifen eines tüchtigenMannes hatte die wahrscheinliche Zerstörung dersolaren Welten verhindert.

Als wir in die dichte Atmosphäre vorstießen unddas Heulen der verdrängten Luftmassen hörbarwurde, empfingen wir die ersten Funkimpulse voneiner anscheinend sehr starken Bodenstation. Eswaren normallichtschnelle Ultrakurzwellen, einZeichen dafür, daß man da unten auf den leicht

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anpeilbaren Hyperfunk verzichten wollte.Rhodans Gesicht wurde auf einem Bildschirm

sichtbar.Er hob grüßend die Hand. Sein Lächeln gefiel mir

nicht. Es wirkte wie ein routinemäßiges,gedankenloses Verziehen der Lippen ohne jede echteHerzlichkeit.

Sein schmales Gesicht war noch hagerergeworden. Ich hatte ihn seit Monaten nicht mehrgesehen, da ich den Auftrag erhalten hatte, denwertvollen Fiktivtransmitter in die nagelneueKUBLAI KHAN einzubauen.

»Willkommen«, sagte Rhodan. Mir war, als wäreer mit seinen Gedanken an einem ganz anderen Ort.»Landen Sie auf Bahn drei, Sie werden eingewiesen.Bitte kein unnötiges Feuerwerk. Auch Impulswellenentwickeln eine gewisse Schockstrahlung, die manmit 5-D-Meßgeräten unter Umständen ausmachenkann.«

Die Bemerkung rüttelte mich auf. Seit wannbestand in dieser Hinsicht eine Anmeßgefahr?

»Aber nur dann, wenn sich der Peiler näher als vierLichtstunden befindet!« entgegnete ich gespannt.

Sein unechtes Lächeln verschwand, und dieLippen verkniffen sich.

»Du sagst es, Arkonide. Es ist wahrscheinlich, daßsich einige fremde Schiffe im äußeren Grenzbezirkdieses Sternsystems aufhalten. Also bitte möglichstnur mit Hilfe des Antigravitations-Schirmes landen.Das wäre alles. Wir sehen uns gleich, Ende.«

Der Bildschirm verdunkelte sich. Ich hörte MarcusEverson schrill und entsetzlich falsch pfeifen. Seinbreites Gesicht hatte den selbstzufriedenen Ausdruckverloren.

»Verstehen Sie das?« erkundigte er sich wiebeiläufig. Mit der rechten Hand drückte er denSchalter der Bordverbindung. Während ich noch eineAntwort suchte, meldete sich bereits dieEnergiezentrale.

»Alle Werke auf Antigrav«, befahl derKommandant gleichmütig. »Der Chef hat etwasgegen harte Impulswellen. Bestätigung ...!«

Dann wiederholte er seine Frage. Ich sah auf dieBildschirme, die nun die vertrauten Landschaften desehemaligen Siedlerplaneten zeigten. Rhodan hatte ihnzu einem entlegenen Stützpunkt der Solaren Flotteausbauen lassen; Kostenaufwand etwa siebzigMilliarden Solar, der neuen Währung des kleinenSternenreiches.

Als weit unter uns die erstaunlich großen Anlagendes neuen Raumhafens sichtbar wurden und dieKUBLAI KHAN im Banne ihrerschwerkraftabschirmenden Antigravfelderauszupendeln begann, hatte ich Perrys Anweisungendlich verstanden.

Ahnungsschwer sagte ich:

»Erscheint es Ihnen möglich, daß der Robotregentvon Arkon von dem Auftauchen derÜberlappungszonen nichts bemerkt hat? Nein ...? Naalso, da haben wir die Lösung. Wie ich die Maschinekenne, hat sie auf Grund ihrer völlig einseitigenProgrammierung und ihrer damit verbundenenGedankenlosigkeit wieder zu dem altbewährtenMittel gegriffen, das da heißt: Entsendung einerRiesenflotte, zuschlagen und versuchen, den neuenGegner unter Arkons Vorherrschaft zu zwingen. DerRegent wird niemals begreifen, daß sich dieVerhältnisse geändert haben. Es ist rein mechanischnicht fähig, die Existenz einer zweiten Zeitebene zuerfassen. Demnach haben wir in der Tat mit demplötzlichen Erscheinen von zumindest einigenAufklärungskreuzern zu rechnen. Rhodan istnaturgemäß nicht daran interessiert, daß derStützpunkt auf Gray Beast sofort nach seinerEntstehung entdeckt wird. Was das bedeutet, könnenSie sich vorstellen!«

Everson sagte nichts mehr. Er konnte es sichvorstellen!

Minuten später begannen die Ringwulsttriebwerkeder KUBLAI KHAN zu donnern. Es ließ sich nuneinmal nicht vermeiden, den fallenden Riesenkörperabzufangen.

Das Geräusch stach mir schmerzhaft in die Ohren.Everson verzog das Gesicht zu einer Grimasse, unddie Männer der Zentralebesatzung schauten bestürztzu uns herüber.

»Abstellen, verdammt noch mal«, schrie Everson.Da war es aber schon vorbei. Die Landeteller der

ausgefahrenen Hydraulikbeine berührten denPanzerplastbeton des neuen Platzes. Das Rumorenverstummte. Mit angehaltenem Atem lauschten wirauf die letzten Geräusche.

»Das kann ja ganz heiter werden«, sagte jemandahnungsvoll. Ich sah mich um. Ein junger Offizier,mit den Streifen der neuen Mondakademie auf derUniform hatte die Worte ausgesprochen.

»Da dürften Sie recht haben«, entgegnete ichunbewußt.

Langsam schritt ich auf die Schotts der Zentralezu. Ich wußte, daß Rhodan bereits wartete.

*

Die Handlungsweise eineselektronisch-positronischen Computersystems miteiner halborganischen Individualschaltung ist nurdann voraussagbar, wenn man über diezugrundeliegenden Programmierungen einigermaßengenau informiert ist.

Wir wußten nicht, was meine längst verstorbenenVorfahren vor etwa fünftausend Jahren Terrazeit inden Speichersektoren des Riesenrobots verankert

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hatten. Eines aber war ganz gewiß:Der sogenannte Regent wußte nicht mehr, was er

tat! Offensichtlich in mechanische Unordnunggeraten, leitete er Maßnahmen ein, die bei einem alsnormal anzusehenden Kolonialkrieg zwischenverschiedenartigen Intelligenzen der Milchstraßeverständlich gewesen wären. Dagegen erschien esmir grundverkehrt, genau die gleichen Prinzipiengegen Lebewesen anzuwenden, die noch nicht einmaldem Einstein-Universum entstammten.

Wir standen mit dem neuen KreuzerCALIFORNIA knapp zehn Lichtstunden vomPlaneten Gray Beast entfernt. Da es sich bei ihm umdie siebte Welt der Sonne Myrtha handelte, hattenwir noch nicht einmal die Grenzen des gewaltigenSystems erreicht. Vor uns erstreckten sich noch dieBahnen der äußeren Planeten; eiskalte,unbewohnbare Gasriesen ohne jeden ersichtlichenDaseinssinn. Myrtha besaß insgesamt 49 Satelliten,aber nur zwei davon waren besiedelt.

Wir hatten die zehn Lichtstunden im freien,abtriebslosen Fall durchflogen, nachdem man mirkurz nach dem Start gezeigt hatte, wie die neuenLeichten Kreuzer der Staatenklasse beschleunigenkonnten.

Mitten im interplanetarischen Raum der SonneMyrtha hatten wir mit einem atemberaubendenManöver angehalten. Die Verzögerungswerte hattenbei 1000 Kilometer pro Sekundenquadrat gelegen,wobei im Gebiet der relativistischenGeschwindigkeiten jedoch mehr Stützmasseverbraucht wurde, als sie von einem Schlachtschiffbei drei bis vier Volltransitionen benötigt wurde.

Die CALIFORNIA gehörte zu jenen neuartigen,blitzschnellen Aufklärungsschiffen, deren Panzerungund Bewaffnung infolge der überdimensioniertenTriebwerke und Kraftstationen arg vernachlässigtworden waren. Damit hatten auch die Terranererfahren, daß besondere Fähigkeiten immer nur in derForm von Kompromissen erreicht werden konnten.

Bei der CALIFORNIA galt offenbar der Grundsatzalter Seeflotten-Konstrukteure, der da lautete:

»Schneller als stärkere Schiffe und stärker alsschnellere Einheiten.«

Ich hatte mich in den Maschinenständen diesesRaumers umgesehen. Genau betrachtet, war er einefliegende Bombe oder ein notdürftig umhülltesRiesentriebwerk, mit dem man gut und gern einenmächtigen Schlachtkreuzer durch das All hätte jagenkönnen.

Immerhin war die CALIFORNIA doch etwas mehrals ein reiner Kompromiß. Ihr Aufgabenbereich warzweckgebunden und daher begrenzt. Sie konnteunerhört schnell auftauchen, zuschlagen und wiederverschwinden. Ob sie ernsthafte Wunden hinterlassenkonnte, sollte erst die Zukunft zeigen. Ich war

jedenfalls mit dem hundert Meter durchmessendenKugelschiff sehr zufrieden. Es vermittelte ein Gefühlgroßer Sicherheit, vorausgesetzt, auf der Brückestand ein Kommandant, der nicht unbedingt beweisenwollte, wie heldenhaft und verwegen er war. Indiesem Falle wären die reichlich dünnenSchutzschirme des Spezialkreuzers sehr schnell insich zusammengebrochen.

Wir befanden uns in der geräumigen Zentrale,deren Ortungsgeräte ebenfalls auf die Bestimmungdes Kreuzers hinwiesen. Niemals zuvor hatte ichbessere Ausführungen gesehen. Die fürKreuzerverhältnisse viel zu großen Bildschirme derPanoramagalerie zeigten ein Geschehen, das mir denAtem raubte. Auf ihnen gleißte und schillerte dieMacht der Milchstraße!

Mein Extrahirn pochte hart und schmerzhaft inseinem Drang, mich zur Erzählung zu verleiten. Das,was ich da sah, erinnerte mich lebhaft an dieEreignisse während des sogenannten Methankriegsvor zehntausend Jahren irdischer Zeitrechnung. Nurgewaltsam konnte ich den zwingenden Bann von mirabschütteln. Ich wollte diesmal nicht erzählen,sondern bewußt erleben.

Reginald Bull, Rhodans Stellvertreter, hatte sichmit beiden Armen auf die Rückenstütze desKommandantensitzes gelehnt. Aus verkniffenenAugen starrte er zu den Bildschirmen hinauf, dienach dem Prinzip der überlichtschnellenImpulserfassung und Echoauswertung arbeiteten.

Die etwa zwanzig Lichtjahre entfernten Schiffekonnten wir nicht so sehen, als befänden sie sichdirekt vor uns. Immerhin konnten wir aus der Größeund Abmessung der grünen Lichtflecken herauslesen,was man dort an Raumschiffen aller Art aufgebotenhatte. Es gab niemand an Bord, der nicht fähiggewesen wäre, aus den Reliefechos ein klares Bild zurekonstruieren.

»Wenigstens tausend Einheiten derSTARDUST-Klasse«, sagte Bully gepreßt. »Nicht zufassen! Der Robot hat wohl alles aufgeboten, was ernoch in den unterirdischen Hangars auf Arkon IIIhatte, wie?«

Ich schaute mit einem spöttischen Lächeln zu dembreitschultrigen, untersetzten Mann hinüber. Bullmachte sich falsche Vorstellungen von der Macht desGroßen Imperiums.

»Irrtum!« belehrte ich ihn ohne jedesTriumphgefühl.

Rhodan drehte mir sein schmales, ausdrucksvollesGesicht zu. »Irrtum ...?« Ich nickte bedauernd. »Manunterschätzt die Kapazität eines Sternenreiches mitmehr als hunderttausend Industrieplaneten. Überallgibt es Raumschiffswerften, und überall wird gebaut.Gewiß, nach einem Schema, aber es wird gebaut!Wenn da vorn hunderttausend Raumschiffe stünden,

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würde ich mich keine Sekunde lang Wundern.«Rhodans Augen zweifelten. Bull stieß ein

gepreßtes Lachen aus. »Verrückt!« behauptete er. Ichwußte es besser, aber ich schwieg. Es war auchsinnlos, den Terranern etwas über dieLeistungsfähigkeit des Imperiums zu sagen.

Die Ortungszentrale meldete sich. John Marshall,der Chef des geheimen Mutantenkorps, war amApparat.

»Schätzungsweise dreißigtausend Einheitenunterschiedlicher Größe, Sir«, gab er bekannt.»Außerdem sind das keine Gefechte mehr, sondernregelrechte Schlachten, die mit ungeheurerErbitterung geführt werden. Mir schlagen bald dieHyperorter durch. Solche Schockwellen habe ichnoch nie erlebt.«

Rhodans Finger begannen nervös mit der Tastaturder Feuerorgel zu spielen. Die relativ kleineCALIFORNIA besaß keinen separatenWaffenleitstand.

»Dreißigtausend, wie?« wiederholte er monoton.»Deine Meinung?«

Es dauerte einige Sekunden, bis ich wußte, daßman mich angesprochen hatte. Ich sah beharrlich zuden Strukturtastern hinüber. Auf ihrenDiagrammschirmen war ein ununterbrochenesFlackern zu sehen, was aber nicht allein von denzahllosen Transitionen Fremder Raumschiffeherrührte.

Die flache, konstant sichtbar bleibende Wellenliniezeigte etwas an, was annähernd einerStrukturerschütterung glich. Nur handelte es sichnicht um auftreffende Stoßwellen übergeordneterEnergieüberschüsse, sondern um das gefahrdrohendeÜberlappen einer anderen, kaum begreifbarenRaumzeit-Ebene.

Die Auswertung lag bereits vor. Es stand fest, daßwir es diesmal nicht mehr mit einer Relativfront zutun hatten, sondern mit einer sogenanntenEntladungszone, die seit 36 Stunden Standardzeitstabil geblieben war.

»Deine Meinung?« wiederholte Rhodanhartnäckig.

Die Gesichter der anwesenden Männer waren nurumrißhaft erkennbar. Wir hatten jede Lichtquelleabgeschaltet, um die Hyperaufnahme möglichstungestört beobachten zu können.

»Meine Meinung?« wiederholte ich gepreßt»Schön, hier ist sie. Ihr kennt meine Erlebnisse ausder Vergangenheit. Die letzten Berechnungen zeigen,daß die Eigenzeit der Druuf bei einem Verhältnis voneins zu zweiundsiebzigtausend nicht das zuläßt, wasich soeben mildem Begriff Vergangenheit erwähnthabe. Seit meiner damaligen Abwehrschlacht imirdischen Sonnensystem sind für diese Burschenbestenfalls zwei Monate vergangen. Das einmal zur

Klärung der direkten Situation.«In Rhodans Gesicht zuckte kein Muskel. Er hatte

wieder seine Maske übergestreift; die Maske derunbedingten Selbstbeherrschung. »Und wie geht esweiter?«

»Die Zeiten der Relativfronten mit dem typischenEntführungscharakter sind vorüber. Ich habe damalsin einer ähnlichen Situation trichterförmigeEnergiegebilde erlebt, die sich mitten im anscheinendleeren Raum bildeten. Es handelte sich umEntladungszonen, mit deren Hilfe derunterschiedliche Energiegehalt der beiden Universenausgeglichen wurde. Die Trichter waren identisch mitvorzüglichen Leitern, durch die ein Gleichgewichtder Kräfte erzeugt wurde. Es handelte sich um einennatürlichen Vorgang, der keineswegs von denkendenWesen gesteuert wurde. Hier aber sieht sie Sachenoch übler aus.«

Ich schwieg für einen Augenblick, um dasPhänomen der fast gradlinig gewordenenSchockwellenkurve näher zu begutachten.

»Unter Berücksichtigung einer differierendenEigenzeit von eins zu zweiundsiebzigtausend undeiner Massenverlagerung der materiell stabilenBallungspunkte innerhalb der Druufebene wird esklar, daß die damaligen Gegebenheiten nur einVorläufer dessen waren, was wir jetzt sehen. Leiderkönnen wir es noch nicht optisch beobachten, da dasnormale Licht die Entfernung von zwanzigLichtjahren noch nicht zurückgelegt hat. Wäre esbereits geschehen, könntet ihr rötlich leuchtende,ineinander verschmelzende Trichteröffnungenbemerken, die mehr und mehr die Form eines langen,relativ schmalen Risses in der Schwärze desEinstein-Universums annehmen. Das ist die neue,stabil bleibende Entladungszone, die nach unsererwillkürlichen Zeitbestimmung vor etwa zehntausendJahren ihren Anfang genommen hat, daß dieser Wertfür andere Wesen nicht gültig ist, dürfte mittlerweileklar sein. Ich schätze, Barbar, daß du von nun an aufdeine komplizierten Apparaturen zur Erzeugungeines Spiegelfeldes verzichten kannst. Jetzt wirst duungehindert durch jene Zone fliegen können,vorausgesetzt man läßt dich hindurchfliegen.«

Die letzte Spitze konnte ich mir nicht verkneifen,obwohl ich keinen Wert darauf legte, meine Freundezu kränken. Rhodan war auch nicht eingeschnappt.Dagegen meinte er trocken:

»Vielen Dank für die Aufklärung, Admiral! Dashatten wir mittlerweile selbst herausgefunden. Wennwir landen, werden wir die ersten robotgesteuertenSonden vorfinden, die ich bereits vor deiner Ankunftin diese Zone geschickt habe. Damit werden wir auchnormaloptische Aufnahmen erhalten. Sinn undZweck dieses Fluges war es lediglich festzustellen,was das Robotgehirn gegen die so plötzlich

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aufgetauchte Gefahr unternommen hat. Natürlich hates eine Riesenflotte ausgeschickt. AndereMöglichkeiten scheint es nicht zu kennen.«

Ich schluckte meinen Grimm hinunter und warfdem grinsenden Mutanten Wuriu Sengu einen bösenBlick zu.

»Und welche Möglichkeiten kennst du, kleinerBarbar?« fragte ich spöttisch.

Rhodan gähnte und hielt die Hand vor den Mund.Seine Lider blinzelten. »Ich ...?«

Er stand langsam auf und rief denMaschinenleitstand an. Augenblicke später nahm dieCALIFORNIA mit ungeheuerlich dröhnendenTriebwerken die Fahrt auf. Man konnte kaum nochsein eigenes Wort verstehen. Diese fliegendeHochleistungsmaschine war eine Konstruktion, dieverwegenste Konstrukteure als zu verrücktbezeichnet hätten.

»Wir werden uns vorsichtig umsehen, mit jedemgut Freund sein und jedem die Hände schütteln,immer angenommen, daß jene überhaupt Händehaben. Du aber, mein Lieber, dürftest zu jenerSchiffsbesatzung zählen, die unter meiner Führungdurch diesen Riß im Einstein-Raum in dieDruufebene eindringen wird. Was ...? Sagtest duetwas?«

Nein, ich hatte nichts gesagt. Er lächelte mich an,rückte mit einem Griff das Schloß seinesWaffengürtels zurecht und verschwand in derRechenzentrale.

Ich aber fragte mich erneut, was diesen Mann sogroß und bedeutend gemacht hatte. Fast erschien ermir in diesen Augenblicken als verwegenerAbenteurer mit den beschränkten Geistesgaben einesRitters Parzival von König Artus Hof; aber dannbesann ich mich eines Besseren.

Perry Rhodan, ehemaliger Major und Risikopilotder sagenhaften U S. Space Force, war im Grundeseines Wesens ein genialer Spieler, der seineTrümpfe meisterhaft anzubringen wußte. Wenn eraber zufällig keine besaß, begann er zu bluffen.

Zur Zeit hatte er kein einziges As in der Hand unddennoch griff er kaltschnäuzig nach dem großenEinsatz namens »Macht in der Milchstraße«.

Ich erhob mich ebenfalls aus meinem Sitz, warfnoch einen Blick auf die leuchtenden Bildflächen deroptischen Außenbordaufnahmen und sagte dann zuBull:

»Sind Sie tatsächlich der Meinung, mit einigenSuperschlachtschiffen und Kreuzern ganzeSternenreiche unterwerfen zu können?«

Er runzelte nachdenklich die Stirnhaut, fuhr sichmit beiden Händen über die roten, kurz gestutztenHaarborsten, ehe er treuherzig meinte:

»Nichts für ungut, alter Junge, aber Sie sindverkalkt.«

Das war also auch eine Antwort auf eine durchausernstgemeinte Frage. Gucky, die Riesenmaus miteinem lächerlichen Biberschwanz, brach in einlautstarkes Quietschen aus.

Ich starrte wie betäubt auf den entblößtenNagezahn und dabei fühlte ich, wie es mir kalt denRücken hinunterrann. Nicht wegen des Zahnes,wirklich nicht!

Wenn ich aber an Rhodans Vorhaben und an dieAntwort seines Stellvertreters dachte, wurde miretwas übel. Was dachten sich diese Weseneigentlich? Ich wollte sie daran erinnern, daß sieohne die Hilfe meines ehrwürdigen Volkes zu diesemZeitpunkt bestenfalls einen lächerlichenThermalreaktor als Schiffstriebwerk entwickeltgehabt hätten. Vielleicht wären sie auch schon demPhotonenantrieb auf der Spur gewesen; aber voneinem Überlichtaggregat hätten sie garantiert nochkeine Ahnung gehabt.

Ich schluckte meine Bemerkung hinunter und gingwortlos zur Schleuse hinüber. Ich war also nach BullsBegriffen verkalkt! Ich würde ihnen schon zeigen,wie ein arkonidischer Flottenadmiral die Dinge zumeistern verstand.

3.

Der neue Flottenstützpunkt auf Myrtha VII glicheinem wimmelnden Ameisenhaufen. Täglich fielenschwere Kampfschiffe aus dem Himmel.

Die Terraner, die in einem Anflug vonGrößenwahn ihr kleines Planetensystem »SolaresImperium« genannt hatten, waren drauf und dran, inoft geübter Frechheit der stärksten Macht derMilchstraße die Stirn zu bieten.

Sie gingen dabei so weit, dicht unter denGeschützen einer großen Raumflotte einenStützpunkt zu errichten, wobei sie darauf hofften,unentdeckt zu bleiben.

Rhodans Vorhaben war klar. Er wollte mit jedemgut Freund sein, jedem die Hand reichen und dabeidie profitheischende Macht im Hintergrund werden.Alles ging nach dem Motto »wenn zwei sich streiten,freut sich der dritte«.

Man konnte es mir nicht verübeln, daß ich beigenauerer Begutachtung all dieser Dinge vonZweifeln geplagt wurde. Wenn Rhodan diesmal nichtzuviel riskierte, wollte ich nicht mehr Atlan heißen!

Selbst er, der sonst so klar denkende Mann, neigteneuerdings dazu, den Robotregenten von Arkon zuunterschätzen. Noch aufregender für mich war dieTatsache, daß man die anderen Lebewesen derGalaxis sozusagen als vernachlässigbare Faktorenansah.

Das augenblicklich vorherrschendeSelbstbewußtsein war ein Übel, das einzig und allein

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im Vorhandensein dieser Mutanten wurzelte. Mantraute den Leuten zuviel zu; aber es wurde vergessen,daß andere Intelligenzen auch aus gemachtenErfahrungen lernen können.

Aus all diesen Gegebenheiten leitete ich dieAnsicht ab, daß die so schnell nach obengekommenen Menschen noch lange nicht wirklichreif waren. Rhodans erste Erfolge waren ein Produktgrenzenloser Überraschungseffekte gewesen. Ichahnte, daß ein schmerzhafter Nackenschlag dicht vorder Tür stand. Es war nun einmal nicht möglich, miteinigen Schlachtschiffen und Kreuzern ein Imperiumauszuschalten, dessen Industrie seit Jahrtausendenauf die galaktische Kriegführung ausgerichtet war.

Außer mir warnten noch andere Männer. Rhodansah meine Argumente wohl ein, jedoch glaubte er,den fraglos auftauchenden Gefahren begegnen zukönnen. Wenn er es wenigstens unterlassen hätte,seinen Stützpunkt ausgerechnet auf Gray Beasteinzurichten!

Zwischen Rhodan und mir hatten sich somit einigeernsthafte Zerwürfnisse ergeben, die jedoch keinenfeindseligen Hintergrund hatten. Es gehörte auchnicht zu meiner Mentalität, immer wiederKassandrarufe auszustoßen. Sollten sie zusehen, wiesie mit der Sache fertig wurden.

*

Nun hatte man es auf Terra sogar geschafft, diegeheimnisvollen Materietransmitter der Ferronenanhand der vorliegenden Pläne zu bauen. Bisher wardie Fabrikation immer an den erforderlichenMikro-Kraftstationen gescheitert, da dieseTransmitter nun einmal auf eine direkteEigenversorgung angewiesen waren. Nur in denseltensten Fällen konnte man sich auf stationäre, alsounbewegliche Energiestationen beziehen, die aber aufGrund der technischen Erfordernisse keine langenStromleiter besitzen durften. Weshalb das so war,konnte noch nicht in logischer Form enträtseltwerden. Ein Transmitter funktionierte nur dannstörungsfrei, wenn die Energieversorgung direkt imSockel eines solchen Gerätes stattfand.Wahrscheinlich handelte es sich umfünfdimensionale Entmaterialisierungseffekte, zuderen Erzeugung das zwangsläufig entstehendeKraftfeld einer Stromquelle mit erforderlich war.

Die großen Schiffe der Solaren Flotte waren nunalle mit wenigstens einem Transmittergerätausgerüstet worden. So war es von nun an möglich,Personen oder Güter über große Entfernungenhinweg von einem Raumer in den anderen zuschaffen, ohne, daß man gezwungen war, langwierigeAnlegemanöver zu fliegen.

Der große, grauäugige Barbar hätte nicht Perry

Rhodan heißen dürfen, wenn er die neuartigenAusrüstungsstücke nicht sofort in seineGesamtplanung eingebaut hätte. Wie er es aber tat,ließ mich einer Angstpsychose immer näherrücken.

Ich liebäugelte schon mit dem Gedanken, meinefreiwillige Hilfeleistung für Terra aufzugeben, ummeine eigenen Wege zu gehen, als ich aus demTiefbunker-Hauptquartier des Planeten angerufenwurde. Ich befand mich zur Zeit an Bord derDRUSUS, des Flaggschiffs, wo ich mich mitOberstleutnant Sikermann eingehend ausgesprochenhatte.

Der Anruf erreichte mich im kleinen Messeraumneben der Ortungszentrale. Rhodans Gesicht wurdeauf dem Bildschirm sichtbar.

»Hat man sich wieder beruhigt. Erhabener?«erkundigte er sich an Stelle einer Begrüßung.

»Der Teufel soll dich holen, Urmensch«,antwortete ich wütend. »Knapp zwanzig Lichtjahreentfernt stehen mehr als dreißigtausend Raumschiffe.Es ist erwiesen, daß die in unsere Zeitebeneeindringenden Druuf eine fürchterliche Niederlageerlitten haben. Kein einziges ihrer Schiffe ist weiterals zwei Lichtminuten aus dem Entladungsspalthervorgekommen. Vielleicht überzeugt dich das vonder unwahrscheinlichen Macht des GroßenImperiums, auch wenn es zur Zeit von einerMaschine beherrscht wird. Oder bildest du dirtatsächlich ein, mit deinen Mutanten ein solchesAufgebot an stärksten Einheiten aus dem Wege fegezu können? Man wird dir zeigen, wo die Grenzedeines Einflusses liegt. Niemand ist unbesiegbar,auch du nicht. Es erscheint mir an der Zeit, daß dirdas einmal klar und deutlich gesagt wird. Was also istdein Vorhaben?«

Er schwieg für einige Augenblicke. Dann zeigte ersein undurchsichtiges Lächeln.

»Deine Bedenken sind akzeptiert worden,Admiral. Ich bin nicht daran interessiert, meinewenigen Schiffe zu verlieren. Immerhin werde ichmitspielen, mit deiner Erlaubnis.«

»Deinen Spott kannst du dir ersparen. Ich rate dir,deine wenigen Trümpfe recht gut aufzuheben. Esmag sein, daß du sie noch dringend benötigst, umdeine eigene Haut zu retten.«

Das waren harte Worte für einen Mann, der darangewohnt war, im Handumdrehen Erfolgeeinzuheimsen. Rhodan blieb jedoch sachlich.

»Ebenfalls akzeptiert, Arkonide! DieMeßergebnisse der ferngesteuerten Sonden sindausgewertet worden. Es steht fest, daß man dieseEntladungszone durchfliegen kann, ohne einSpiegelfeld aufbauen zu müssen. Sagt dir dasetwas?«

»Du willst in die zweite Ebene vorstoßen?« fragteich.

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»Genau das«, bestätigte er. »Die CALIFORNIA iststartklar und ausgerüstet. Wir haben uns dazuentschlossen, vorläufig unter keinen Umständen aktivan den stattfindenden Kampfhandlungen zwischenRobotregent und den Druuf teilzunehmen. Wirbleiben die Beobachter im Hintergrund, bis wirwissen, womit wir es überhaupt zu tun haben.«

»Der vernünftigste Ausspruch seit Tagen!«Er lachte, und ich beruhigte mich sehr schnell. Er

war also doch nicht verrückt genug, mit Pauken undTrompeten an der Front zu erscheinen. »Start erfolgtin einer halben Stunde. Wenn du möchtest, kannst duan Bord kommen.«

»Heuchler«, knirschte ich. »Du willst, daß ich anBord komme.«

»Habe ich das gesagt?« Rhodan schaltete ab, undich drehte mich zu dem Kommandanten derDRUSUS um. Baldur Sikermann hüstelte hinter dervorgehaltenen Hand.

»Euch Burschen hätte ich achttausend Jahre vorder Zeitwende durch ein Relativfeld entführen lassensollen«, sagte ich kalt. »Dann wäre mir nämlichallerlei Aufregung erspart geblieben. Mit Verlaub,Herr Oberstleutnant, Sie gehen mir auf die Nerven!Sind Sie etwa auch mit von der Partie?«

Sikermanns breites Gesicht wurde hinter der Handsichtbar. Ich kannte ihn als fähigsten Offizier undverwegenen Draufgänger; jedoch gehörte er zu jenerSorte Mensch, der im genau richtigen Augenblickseinen Verstand zu gebrauchen wußte.

»Ich bitte um Entschuldigung, Sir; aber ich binsogar als Kommandant der CALIFORNIA eingesetztworden.«

Ich holte tief Luft. Plötzlich wurde mir klar, daßRhodan seine besten Leute in den Einsatz schickenwollte. Wenn Sikermann schon die DRUSUS verließ,um einen relativ unwichtigen Erkundungskreuzer zuübernehmen, dann war dicke Luft. Wahrscheinlichwürde ich an Bord des kleinen Schiffes die Elite derSpezies Mensch antreffen.

Es wäre sinnlos gewesen, noch mehr Fragen zustellen. Mir war klar, daß Rhodan dieEntladungszone durchdringen wollte, um innerhalbder Druufebene nachzusehen, was da eigentlichgespielt wurde.

Schön, dagegen hatte ich an sich nichtseinzuwenden, immer vorausgesetzt, er kam nicht aufdie Idee, den starken Mann zu markieren.

Zehn Minuten später verließ ich dasFlottenflaggschiff durch die Bodenschleuse. Überdem Planeten Gray Beast lag eine dunkle, stürmischeNacht. Hier und da lugten einige Sterne zwischen denWolken hervor. Auf dem großen Raumhafenherrschte Ruhe. Vor einigen Stunden war einStartverbot erlassen worden, da man fremdeRaumschiffe in nächster Nähe des Systems geortet

hatte.Ich ging zu Fuß zur schwach erkennbaren

CALIFORNIA hinüber. Die Maschinen des Kreuzersliefen bereits, aber es drang kein Lichtstrahl aus denLuken.

Vor dem offenen Schott der Bodenschleuse wurdeich von zwei bewaffneten Posten angerufen. Ichschaute einigermaßen sprachlos in die deutlichfluoreszierenden Mündungen der Energiegewehre,ehe ich sagen konnte:

»Ist hier jedermann verrückt geworden?«Man verlangte die Parole, die ich natürlich nicht

kannte. Erst Sekunden später begann ich mich überdie altertümliche Bezeichnung zu amüsieren.»Kodewort« hätte viel besser und auch etwasmoderner geklungen.

Ein finster blickender Sergeant vomRaumpatrouillen-Einsatzkommando musterte michaus nächster Nähe. Erst dann ließ er seinemörderische Waffe sinken.

»Ziemlich unvorsichtig, Sir«, sagte erzurechtweisend. »Wir haben Schießbefehl!«

»Ach ...!«»Jawohl, Sir, Schießbefehl! Nicht autorisierte

Personen dürfen nicht näher als fünfzig Meter an denKreuzer heran.«

»Haben Sie Superbomben oder galaktischeLeckerbissen geladen?« fragte ich ironisch. Er grinsteunterdrückt. »Nicht ganz, Sir, nur einenMaterietransmitter.«

Einen Transmitter? Ich runzelte nachdenklich dieStirn, als ich endlich eingelassen wurde. Was wardaran so ungewöhnlich? Auf jedem größeren Schiffgab es neuerdings ein solches Gerät.

Schulterzuckend schritt ich zu meiner Kabine.Man hatte natürlich einen Raum reserviert, wonaches für mich feststand, daß Rhodan mit meinerAnkunft gerechnet hatte.

»Alter Halunke!« flüsterte ich vor mich hin.Eine Viertelstunde später erschien er persönlich. In

seiner Begleitung befanden sich Reginald Bull undder sympathische, immer zurückhaltende MutantJohn Marshall, dessen angenehme Umgangsformenich schätzte.

Fast unbewußt verstärkte ich meinen individuellenMonoschirm, um vor der Gehirnspionage diesesMannes sicher zu sein. Marshall begann prompt zulächeln. Er hatte meine Abwehr erkannt.

»Niemand bemüht sich, deinen Gedankeninhalt zulesen«, spöttelte Rhodan. »Warum so mißtrauisch?«

Ich winkte wortlos ab. Ich war nun einmal darangewöhnt, meine Hirnimpulse zu kontrollieren. Ichmusterte Rhodan prüfend, und als er so vor mir stand,erkannte ich in voller Klarheit, daß uns trotz allerFreundschaft Welten trennten.

»Ich habe vor, die Front zu durchstoßen«, begann

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er übergangslos. »Dabei liegt mir daran, möglichstnicht geortet zu werden. Die Auswertung derSondenmessungen zeigt verblüffende Ergebnisse.Danach hat sich das Verhältnis der Eigenzeiten vonehemals eins zu zweiundsiebzigtausend auf nur einszu zwei reduziert. Das bedeutet, daß wir in allunseren Berechnungen nur noch doppelt so schnellsind wie die Unbekannten.«

Ich war zutiefst überrascht. Das änderte dieSachlage ganz entscheidend.

»Damit wird auch deine Theorie, daß für die Druufseit den Geschehnissen vor zehntausend Jahren nuretwa zwei Monate vergangen sein könnten, ziemlichhinfällig, es sei denn, die Zeitanpassung ist erstkürzlich geschehen. Eine Verschiebung wird sichaber ergeben. Außer der Klärung dieser Dingeinteressiert mich natürlich noch der Vorgang an sich.Es ist sinnlos, ganze Fragenkomplexe aufzuwerfen,ehe wir uns die Lage nicht selbst angesehen haben.«

Das klang durchaus vernünftig und längst nichtmehr so verwegen wie die Gespräche vor wenigenTagen.

Wir redeten nicht mehr lange über dieAngelegenheit, denn nachsehen wollte ich ebenfalls.

»Ich bin neugierig, wie diese Burschen inWirklichkeit aussehen. Es ist mit höchsterWahrscheinlichkeit anzunehmen, daß wir es diesmalmit den echten Beherrschern des fremdenUniversums zu tun bekommen. Nach demerrechneten Massegesetz sollte sich dasHeimatsystem der Druuf sogar in unmittelbarer Näheder Übergangszone befinden. Noch Einwände?«

Nein, ich hatte keine mehr. Nur fragte ich nach derTransmitterladung, von der der Wachtpostengesprochen hatte.

In Rhodans Augen schien ein winziges Pünktchenaufzuglimmen. Ich wußte, daß er doch etwas imSchilde führte.

»Wenn sich die Gelegenheit bietet, werden wirdrüben einen Stützpunkt errichten. Es wärephantastisch, wenn wir mit Hilfe der Transmitterunbemerkt von einer Zone in die anderehinüberwechseln könnten.«

Er nickte mir abwesend zu. Anscheinendbeschäftigte er seine rege Vorstellungskraft mit demkühnen Gedanken.

Ich befaßte mich ebenfalls mit der Idee, die mirplötzlich durchaus nicht so unmöglich erschien.Materietransmitter beruhten auf einerfünfdimensionalen Feldbasis. Das jeweiligeTransportgut wurde im Sendegerät entmaterialisiert,in dieser Form gebündelt und als Impuls abgestrahlt.

Im genau einjustierten Empfänger erfolgte derrückläufige Vorgang.

Demnach war es praktisch unmöglich,Transmittersendungen anzupeilen oder sie gar zu

stören.»Das ist die Sache, was?« meinte Bull leise, ehe er

hinter Rhodan meine Kabine verließ. Ich war nichtmehr gefragt worden, ob ich unter diesen Umständenebenfalls mitmachen wollte. Rhodan schien michrecht genau zu kennen.

Minuten später erreichte ich die Kreuzerzentrale.Sikermann hatte im Sessel des Ersten Piloten Platzgenommen. Rhodan und Bull hatten anscheinend vor,nicht in die Belange der direkten Schiffsführungeinzugreifen.

Als wir mit fast auf Nullwert laufendenTriebwerken abhoben, tobte draußen ein heftigerSturm. Es war, als riefe uns Gray Beast eingrimmiges Lebewohl nach.

Die CALIFORNIA nahm erst Fahrt auf, als wir diedichte Atmosphäre von Myrtha VII längst hinter unshatten. Die Ortungsergebnisse lautetenzufriedenstellend. Die kürzlich beobachtetenFremdschiffe waren wieder verschwunden.Anscheinend war deren Besatzung das Myrthasystemals taktisch uninteressant erschienen.

Rhodan reichte mir einen Becher mit Kaffee.Dabei blickte er mich so ironisch an, daß mir dasBlut in den Kopf schoß. Wir verstanden uns auchohne Worte.

»Abwarten, Höhlenmensch«, sagte ich erbost.»Einmal werden sie dich auf dieser Welt entdecken.Was dann geschieht, kann ich dir jetzt schonverraten. Was denkst du wohl, über wie vieleSuperschlachtschiffe vom Range deiner DRUSUSder Robotregent verfügt? Deine beidenFiktivtransmitter werden dir notfalls verzweifeltwenig nützen. Wenn du von zwanzig ebenbürtigenEinheiten ins Kreuzfeuer genommen wirst, dürftestdu schätzungsweise Gelegenheit haben, deineÜberwaffen sechs- bis siebenmal erfolgreicheinzusetzen. Damit bleiben von den anderen Schiffennoch wenigstens dreizehn Stück übrig. Zum achtenSchuß wirst du nicht mehr kommen, da du zu diesemZeitpunkt bereits vernichtet bist. Lasse dich voneinem alten Arkonidenadmiral ruhig einmal belehren.Ich habe mehr Gefechte und Schlachten erlebt, als dusie jemals sehen wirst.«

»Du hast deine Uniform mit Kaffeefleckenbeschmutzt!« entgegnete er.

Ich sah ihm überlegend nach. Ja, er schienneuerdings doch zu wissen, wo die Grenzen seinerMacht lagen. Dabei erinnerte ich mich an dieEnzyklopädia Terrania, in der Rhodans Aufstiegaufgezeichnet worden war.

Damals, in den Jahren 1971 bis 1985, hatte er auchschon gefühlt, wie weit er gehen durfte. Er hatteeinen Weg gesucht und gefunden, um dieinnerpolitischen Widerstände zur Errichtung einerWeltregierung zu beseitigen.

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Nun befand er sich in einer ähnlichen Situation,nur, daß er es jetzt mit ganz anderen Faktoren zu tunhatte. Diesmal hatte er gegen zwei galaktischeSternenreiche anzugehen. Für mich gab es jedenfallskeinen Zweifel, daß die Unbekannten aus der anderenZeitebene dem Großen Imperium ungefährebenbürtig waren.

Die CALIFORNIA beschleunigte wieder mit denWahnsinnswerten von 1000 Kilometer proSekundenquadrat. Ich lauschte auf das fürchterlicheDröhnen der Triebwerke, das sich nach Erreichen derkritischen Geschwindigkeit noch steigerte. Vier derfünf großen Laderäume des Kreuzers enthieltenlediglich Tanks für die Stützmassenvorräte. Wirverbrauchten pro Sekunde etwa fünfundvierzigTonnen Wismut, das nach seiner Einsprühung in dieImpulskonverter ein sehr dichtes und schubstarkesPlasma ergab.

Nach Erreichen der annäherndenLichtgeschwindigkeit gingen wir sofort in dieTransition. Ich beobachtete die Ingenieure desKontrollteams, die den neuen Eigenfrequenzdämpfernochmals kontrollierten. Wenn dieses Gerät nichteinwandfrei funktionierte, würde die CALIFORNIAvon den Schiffen der arkonidischen Flotte unbedingtgeortet werden.

Ein Mann erhob die Hand. Rhodan nickte kurz.Dann war es soweit. Die Transition begann miteinem ziehenden Schmerz, dem das Raunen desfünfdimensionalen Überraums folgte.

4.

Wir bedeuteten nicht mehr als ein Virus imBlutkreislauf eines Riesen. Wenn man in derBiologie solche Mikrolebewesen bekämpfen will,muß man sie erst einmal entdecken, ehe mangeeignete Gegenmittel erschaffen kann.

In unserem Falle war die CALIFORNIA das Virus,und der Riese war identisch mit dem größtenFlottenaufgebot, das ich seit zehntausend Jahrengesehen hatte.

Wir waren mit lichtschneller Fahrt aus demübergeordneten Hyperraum aufgetaucht, umanschließend sofort auf Zielkurs zu gehen. Ein freier,antriebsloser Fall war im hochrelativistischenGeschwindigkeitsbereich dicht unter der Lichtmauernicht mehr möglich. Wenn wir unser Tempo von nur98,8 Prozent der Lichtgeschwindigkeit haltenwollten, mußten wir die Triebwerke ununterbrochenmit Vollschub laufen lassen.

Die Kugelzelle des Leichten Kreuzers schwangund dröhnte wie eine Glocke. Auch den terranischenKonstrukteuren war es nicht einwandfrei gelungen,die Resonanz zu beseitigen, um somit ein »lautloses«Schiff zu bauen.

Die harten Korpuskelwellen der Impulstriebwerkewaren durchaus für eine schnelle Anpeilung geeignet.Dazu kam noch der dichte Plasmastrom derausgestoßenen Stützmassen, deren Schubleistung wirbei dieser Fahrt benötigten.

Im Rotsektor des davonrasenden Kreuzers war dieHölle los. In etwa 10 Grad rot vertikal und 22 Gradrot horizontal schienen Sonnen zu explodieren undWellen unterzugehen. Es sah aber nur so aus, alsfände dort eine Naturkatastrophe statt.

Das grelle Lohen zahlloser Impulskanonenkonnten wir nicht direkt sehen. Wohl aber zeichnetejeder neue Abschuß einen spitzen, steilenEchozacken auf den Schirm der Energieortung.

Knapp eine Lichtstunde entfernt tobte diegewaltigste Schlacht, die ich jemals auf einem soengen Raum erlebt hatte.

Das Krachen und Dröhnen in den Strukturtasterndeutete darauf hin, daß dort drüben ununterbrochengroße Raumschiffe in die Transition gingen. AndereMeßergebnisse verrieten einwandfrei, daß fremde,nichtgalaktische Lebewesen mit einerÜberlichtflugtechnik arbeiteten, die keinemIntelligenzwesen des Einstein-Universums bekanntwar.

Das waren wieder jene rätselhaften, sehr flachenSchockwellenechos, die niemals von einerruckartigen Transition herrühren konnten. SolchePhänomene entstanden nur dann, wenn man denÜberraum im Sinne des Wortes durchflog.

Unsere 5-D-Massenorter zeigten unvorstellbarviele Raumschiffe an. Offenbar war die Flotte desRobotregenten soeben dabei, einen erneuten Angriffder Druuf abzuschlagen. Ich konnte mir dabei lebhaftvorstellen, wie versessen die Unbekannten daraufwaren, nach der Stabilisierung der Überlappungszonein unserem Universum Umschau zu halten.

Mit einem solchen Widerstand mochten sie jedochnicht gerechnet haben. Wahrscheinlich waren siesogar der Meinung gewesen, völlig unbeobachtet undnach eigenem Ermessen einfliegen zu können.

Dicht vor uns, noch knapp zehn Lichtminutenentfernt, wurde die tiefe Schwärze des Raumes voneiner irrlichternden Leuchterscheinung unterbrochen.Es war, als hätte ein verrückter Maler mit einemtitanischen Pinsel unsachgemäß hantiert, um dasallgegenwärtige Dunkel mit düsterroten Strichen undKlecksen aufzuhellen.

Hier und da waren noch die bekanntenTrichtergebilde zu sehen. Ich kannte sie aus trübenErfahrungen! Größtenteils waren einzelne Öffnungenaber bereits so miteinander verschmolzen, daß einunregelmäßig gezackter Riß entstanden war.

Von ihm ging das bedrückende Leuchten aus. DieMeßergebnisse der ferngesteuerten Sonden hattenausgewiesen, daß die Entladungszone variabel war.

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Zumeist schwankten ihre Ausmaße zwischen 0,6 und1,1 Lichtjahren. Die Breite differierte zwischen 20und 100 Milliarden Kilometern. Danach zu urteilen,handelte es sich unter Berücksichtigung kosmischerMaße um einen nur winzigen Spalt, der einzig undallein einen freien, ungehinderten Durchflug zurDruufebene erlaubte.

Wir hatten längst unsere arkonidischenEinsatzkombinationen angelegt, da uns normaleRaumanzüge in dieser Situation als unzureichenderschienen waren. Wir hatten die Druckhelmeübergestülpt, und unsere Daumen ruhten auf denKontaktschaltern der Schutzschirmprojektoren. DieMikroreaktoren in den Rückentornistern liefen. Somithatten wir alles getan, um einer plötzlichenBeschädigung der schwachen Kreuzerhüllefolgerichtig begegnen zu können.

Der diensthabende Ortungsoffizier hatte längstdarauf verzichtet, die einlaufenden Werte in derüblichen Weise bekanntzugeben. Es sprach überhauptniemand an Bord der ultraschnellen CALIFORNIA.Im Lautsprecher meines Helmes waren nur diehastigen Atemzüge erregter Männer zu hören.

Rhodans Gesicht war ernst und verschlossen.Anscheinend hatte er jetzt erst in vollsterKonsequenz erkannt, was das Robotgehirnaufzubieten hatte.

Hier und da vernahm ich eine lautstarkeVerwünschung. Solche Worte wurden immer dann indie Helmmikrophone gesprochen, wenn es wiedereinmal in nächster Nähe zu einer Katastrophe kam.

Die vielen Schiffe konnten wir nicht optisch sehen.Allein die Hyperortung wies aus, daß sich im Dunkeldes Raumes zahllose Stahlkörper versteckten, ausderen Flanken der feurige Atomodem schwererImpuls- und Desintegratorgeschütze lohte.

Nur die vernichteten Einheiten konnten wirerkennen. Wenn uns das Licht schnell genugerreichte, flammte es auf den Bildschirmen unsererNormaloptik in blendender Glut auf. Wir zähltenwährend der wenigen Augenblicke seit unseremEintauchmanöver mehr als zweihundert künstlicheAtomsonnen. Es mochten noch wesentlich mehr sein,aber die konnten wir schon nicht mehr direktbeobachten.

Rhodans Stimme unterbrach das bedrückendwerdende Schweigen.

»Achtung, an alle: Wir erreichen die Zone inknapp drei Minuten. Anschnallen und die Gurte erstdann lösen, wenn wir durchgestoßen sind. Der Spaltist nicht tief. Wir dürften ihn in wenigenAugenblicken durchstoßen haben. Mit Angriffen istnicht zu rechnen. Wir sind sogar in unseremUniversum viel zu schnell für ein gut sitzendesWirkungsfeuer. Man kann nur dann genau schießen,wenn man über die halbe Lichtgeschwindigkeit nicht

hinausgeht. Wir fliegen einem jeden Strahlschußdavon. Das zu Ihrer Information. Sonst bitte ichlediglich darum, etwas auf Ihre Nerven zu achten.Wenn unsere Meßsonden durchgekommen sind,werden wir es auch schaffen! Ende der Durchsage!«

Ich sah mich in der nur schwach beleuchtetenZentrale um. Die Männer saßen wie teilnahmsloshinter ihren Instrumenten, und doch brannte in jedemdie Erregung. Sie wußten, wie sich das Durchdringeneiner Entladungszone auswirken kann.

Als unsere schwachen Schutzschirme plötzlich aufden Bildflächen der Außenbordbeobachtung sichtbarwurden und bläuliche Entladungen unsere Augenblendeten, wußten wir, daß es mit RhodansBemerkung, ein fast lichtschnelles Schiff könnteüberhaupt nicht getroffen werden, nicht weit her war.

Ein mörderisches Krachen wurde hörbar. Dieohnehin bis zur letzten Schweißnaht beanspruchteZelle der CALIFORNIA begann zu läuten, daß ichdas Gefühl hatte, im Glockenstuhl eines Domes zusitzen.

»Zufallstreffer, nicht beabsichtigt, genauhineingeflogen«, hörte ich Rhodans Stimmeaufklingen. Jemand lachte lauthals. Nach demkratzigen Organ zu urteilen, konnte es nur Bullygewesen sein.

»Ruhe an Bord!« schrie Perry. Er schien etwasaußer Fassung zu sein.

Der Entladungsspalt, der aus größerer Entfernungso harmlos und unscheinbar ausgesehen hatte, warzum gähnenden Abgrund geworden. Längst konntenwir ihn nicht mehr in voller Breite überblicken.

Ehe Sikermanns Warnruf die Leute erreichte,schossen wir schon in das rötliche Flimmern hinein.Die vielen Ortungsimpulse erloschen so rasch, alshätte es dicht hinter uns niemals eine Arkonidenflottegegeben.

Das letzte, bisher noch leerlaufende Kraftwerk derCALIFORNIA fiel in das Maschinengetobe ein. Vonda an konnte man kaum noch dieFunksprechdurchsage verstehen.

Sikermann schrie etwas, was niemand mehridentifizieren konnte. Draußen schienen unsereSchutzschirme auf eine unsichtbare Energiemauer zuprallen.

Etwa sechs Sekunden nach dem Eintauchen in dieAusgleichszone flackerten die Warnlampen vonKraftwerk drei auf. Es war jene Station, die wir ebenerst eingeschaltet hatten.

Das dumpfe Rumoren steigerte sich zwar noch,aber die flammenden Abwehrschirme erhieltenkeinen Funken Strom mehr. Auf einem kleinenBildschirm erschien die Leuchtschrift :

WARNAUTOMATIK - Werk III aufAndruckabsorber umgeschaltet.

Sikermanns Hände gerieten in fieberhafte

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Tätigkeit. Es war klar, daß die CALIFORNIA einerungewollten Bremsverzögerung unterlag, derenWerte anscheinend so hoch waren, daß derStrombedarf der Neutralisatoren von demNebenaggregat allein nicht mehr gedeckt werdenkonnte.

Ich sah, daß sich Rhodans Gesicht etwas verzerrthatte. Aus dem Maschinenleitstand lief die Meldungein, die Maximalkapazität der Reaktoren sei erreicht.Sikermann ordnete Notleistung an.

Nach zwanzig Sekunden wurde unsereFahrtaufhebung schon bemerkbar. Wir wareninnerhalb kürzester Frist auf 79 Prozent LGabgesunken.

Vor der Kugelhülle des Kreuzers tobtenfürchterliche Entladungen. Wir waren in etwashineingestoßen, was wir weder klar begreifen nochtechnisch beherrschen konnten. Es war, als hätte sichder Schlund der Unterwelt geöffnet, um das kleineSchiff mit Mann und Maus zu verschlingen.

Der Mutant Ralf Marten wurde hart aus seinemSitz geschleudert, als er bei seinen instinktivenArmbewegungen an das Katastrophenschloß derGurte kam. Ich sah ihn quer durch die Zentraleschlittern, bis er von einem kosmonautischenRechengerät aufgehalten wurde.

Befehle und Nachrichten waren nicht mehr zuverstehen. Als ich meinen Anzug-Schutzschirmeinschaltete, wurde die finstere Zentrale in eingeisterhaft fluoreszierendes Licht gehüllt. Die Luftaußerhalb unserer Kampfanzüge schien sichaufgeladen zu haben, andernfalls hätte meinKörperschirm nicht sichtbar werden dürfen. »Aus«,dachte ich, »zuviel riskiert«. Im gleichen Augenblickverstummte das unwirkliche Dröhnen so schnell, alshätten wir es uns nur eingebildet. Nur die auf Vollastlaufenden Reaktoren der Schiffskraftwerke erzeugtennoch die üblichen Arbeitsgeräusche.

Dicht vor mir blendete wieder die Leuchtschriftauf.

WARNAUTOMATIK - Werk III zurückgeschaltetauf Abwehrschirme.

Jetzt erst kam ich dazu, mich in der Zentraleumzusehen. Etwa dreißig Prozent derVerbindungsbildschirme waren infolge der maßlosenErschütterungen ausgefallen.

Mein auf volle Lautstärke eingestelltesFunksprechgerät drohte mir das Gehör zu zerreißen.Rhodans Stimme glich einem Orkan.

Aufstöhnend drehte ich den Regler nach links.Anderen Männern war es ebenso ergangen, dennjeder hatte während des Durchfluges versucht, dieNachrichten noch aufzunehmen.

» ... sind durch. Kümmern Sie sich um Marten. Erscheint sich beim Sturz verletzt zu haben. Sonst allesokay?«

Ich schlug mit der flachen Hand auf dasSammelschloß der Anschnallgurte und erhob michstöhnend aus dem Sessel. Da kam aus derEnergiezentrale die Durchsage:

»Verzögerung erfolgte mit tausendacht Kilometernpro Sekundenquadrat. Absorber waren überlastet.«

»Wieso das?« fragte er schwer atmend. »DieSondenmessungen lauteten anders.«

Ich brauchte nicht zu überlegen, um für diesesPhänomen eine glaubwürdige Erklärung zu finden.Differierende Gravitationseinflüsse. DieAusgleichszone ist noch zu jung, um bereits gänzlichstabil zu sein. Wir hätten noch einige Wochen wartensollen.

Das technische Team des Schiffes war bereitsdabei, die entstandenen Schäden zu beseitigen. Ausdem unteren Schleusenraum wurde ein Riß in derAußenhülle gemeldet. Sonst schien dieCALIFORNIA aber noch dicht zu sein.

»Seht euch das an!« sagte Sikermann atemlos.Mein Kopf fuhr herum. Richtig, da waren ja auchnoch die Bildschirme der Panoramagalerie!

Was ich darauf sah, hätte andere Männer zu wildenVerwünschungen veranlaßt. Ich dagegen fühlte nurmein Herz langsamer pulsieren. Mir war, als solle dasBlut in meinen Adern stocken.

»Schiff klar zum Gefecht!« befahl Rhodan tonlosüber die Rundrufanlage des Kleinen Kreuzers.

Während die Sirenen zu heulen begannen und dieKontrollen auswiesen, daß wir nur nochhalblichtschnell waren, starrte ich benommen auf diegroßen Bildflächen.

»Eigentlich hätten wir uns denken können, daß dieDruuf auf ihrer Seite ebenfalls eine Wachflottepostieren würden«, meldete sich Reginald Bull. »Obdie wohl Spaß verstehen?«

Nein, sie verstanden keinen Spaß. Wahrscheinlichwaren sie nach den Ereignissen jenseits derEntladungszone ganz und gar humorlos geworden,immer vorausgesetzt, sie hatten jemals Humorbesessen.

Die langen, stabförmigen Raumschiffe waren sonahe, daß wir sie als deutliche Reliefbilder auf denSchirmen der Hyperortung sehen konnten. Wären sieweiter entfernt gewesen, hätte die Aufnahmebestenfalls zu einem grünen Pünktchen gereicht.

Sikermann handelte wie im Traum. Seine Händearbeiteten unwahrscheinlich schnell mit denSchaltern der Manuellkontrolle. Von da an wußte ichgenau, warum ihm Rhodan vorübergehend dasKommando über das ExpeditionsschiffCALIFORNIA übertragen hatte!

Die erste Salve aus der Breitseite eines wenigstensdreihundert Meter langen Kampfschiffes steckten wirvoll ein. In unseren Abwehrfeldern brach wieder einenergetischer Vulkan los, nur, daß er diesmal von den

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unbekannten Strahlkanonen eines ebensounbekannten Feindes erzeugt wurde.

Im Bruchteil einer Millisekunde glich die äußerlichso schöne und innerlich so schwache CALIFORNIAeinem blitzespeienden Stahlball, dessen schwacheDefensivbewaffnung bereits beim ersten Feuerschlagihren Geist aufgab. Allerdings hatten wir auch dasPech gehabt, einem anscheinend sehr starken Schiffgenau vor die Geschütze zu fliegen.

Als ich das infernalische Donnern vernahm undgrelle, von den Bildschirmen ausstrahlende Glutmeine Augen zu blenden drohte, wurde ich auchschon von den Beinen gerissen.

Ich wurde von einer fürchterlichen Gewalt überden glatten Kunststoffboden der Zentrale gewirbelt,bis ich mich an den Verankerungen eines Ortersitzesfesthalten konnte.

Schreien, Brüllen und unwirkliches Tosen - daswar es, was mein Gehör an das Gehirn weiterleitete.Ich wußte, daß wir wenigstens vier Thermaltrefferauf einmal erhalten hatten; etwas zuviel für denKleinen Kreuzer, dessen einzige Stärke nun einmal inseinen Maschinen lag.

Augenblicke später wirbelte das Schiff um seineQuerachse. Der düsterrote Raum des fremdenUniversums wurde mitsamt seinen zahlreichenSternen zu einem Feuerrad.

Ich hatte schon jede Hoffnung aufgegeben, alsendlich die gestörten Kraftwerke der CALIFORNIAwieder ansprangen. Jetzt erst war es möglich, dieTitanengewalten der Triebwerke voll einzusetzen,ohne befürchten zu müssen, von den entstehendenBeharrungskräften zu Stäubchen zermalmt zuwerden.

Ein greller, bis in die letzte Nervenfaser spürbarerSchmerz durchzuckte meinen Körper. DieAndruckneutralisatoren waren etwa um eineMillisekunde zu spät eingefallen. Das helleIrrlichtern in unseren zusammenbrechendenSchutzschirmen erlosch im gleichen Augenblick.Wenn die Druuf jetzt genauso schnell beschleunigtenwie wir, dann gab es keine Rettung mehr.

Sie kamen aber bei weitem nicht mit. Wir rastenmit einem Wahnsinnswert aus dem Winkelfeuerheraus, noch ehe sich weitere Schiffe auf unseingeschossen hatten.

Die Stabilisierungsautomaten fingen denkreiselnden Rumpf auf. Als der Vorgang beendet warund die Feinabstimmung surrend einsetzte, konnteich auch wieder den fremden Raum sehen.

Jetzt schien er stillzustehen. Wenn es in unseremUniversum tiefschwarz war, so herrschte hier dieserdüsterrote Farbton vor. Die Sterne leuchteten ebensohell und klar wie bei uns, nur wurde ihr natürlichesLicht verzerrt.

»Kurztransition!« befahl ich ächzend. »Nun los

schon, wir müssen hier verschwinden. Wir rasengenau in die tiefgestaffelte Phalanx der Fremdenhinein. Hast du endlich einmal einen Nasenstüberbekommen, du Höhlenmensch? Frechheit siegt nichtimmer, und deine Mutanten sterben imGeschützfeuer genauso wie jede andere Kreatur.Transistiere schon!«

Rhodan hatte meine Worte gehört, aberwahrscheinlich wären sie gar nicht nötig gewesen.Sikermann hieb bereits auf den entsicherten Knopfder sogenannten Notsprungautomatik.

Damit begann eine mathematisch unkontrollierbareTransition, die uns irgendwohin bringen mußte. Nurdie zu überwindende Entfernung ließ sich ungefährermessen, nicht aber die Richtung.

Ich wurde vom Entstofflichungsschmerz inliegender Haltung überrascht. Obwohl es dabei nachden gültigen Gesetzen vollkommen gleichgültig seinsollte, in welcher Lage man die Prozedur über sichergehen ließ, so schien das Druufuniversum auch inder Hinsicht einige Überraschungen zu bieten.

Ehe ich die Erkenntnis geistig verarbeiten konnte,wurde mir klar, daß wir einen zweiten Fehlerbegangen hatten! Ein kluger Mann sollte sich davorhüten, die Gesetzmäßigkeiten des Einsteinraumesohne wesentliche Einschränkung auf die einesfremden Strukturgebildes zu übertragen. Es war einWunder, daß wir überhaupt im Hyperraumverschwanden.

Ich vermißte das Murmeln und Raunen, das sonstbei jeder Transition kurz nach der Entstofflichungeintrat. Dafür blieb aber der Schmerz. Es schien, alshätte sich das empfindsame Nervensystem nichtebenfalls entmaterialisiert.

Wir schrien noch, als wir bereits zumEintauchmanöver ansetzten. Was dann kam, warnicht mehr erträglich. Für mich war eswahrscheinlich eine Wohltat, in den Abgrund derOhnmacht versinken zu dürfen.

Narren waren wir! Was nützte das schnellste undbeste Schiff, wenn der darin sitzende Mensch nichtmehr mitmachte. Es war das alte Problem, das manaber erfahrungsgemäß sehr leicht zu übersehenpflegte, wenn die perfekter werdende Technik dasnatürliche Angstgefühl des Individuumseinschläferte. Narren waren wir!

5.

Ich erwachte als erster Mann an Bord derCALIFORNIA. Mein arkonidischer Organismusschien den Schock schnell überwunden zu haben.

Eigentlich fand ich das erstaunlich. Bei anderenGelegenheiten hatte es sich herausgestellt, daß derKörper eines Terraners mehr Reserven aufzuweisenhatte.

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Mühevoll richtete ich mich auf. Vor meinen Augenschien sich eine ganze Sterneninsel in irrsinnigemTempo zu drehen. Unbewußt registrierte ich dasheftige Pochen meines Aktivators. Das Gerät schienin voller Tätigkeit zu sein, um meinen Zellen dienötigen Reizimpulse zu geben.

Nach einigen Augenblicken wurde mir besser.Mein Gesichtssinn klärte sich.

Rhodan lag in verkrampfter Stellung auf demBoden. Sikermann, der den Notsprungimpulsausgelöst hatte, hing vornübergesunken in seinenAnschnallgurten.

Den anderen Männern der Zentralebesatzungerging es nicht viel besser. Ich schleppte mich zumnächsten Sitz hinüber und versuchte dabei zuüberlegen, was nun zu tun sei. Um dieBesinnungslosen brauchte ich mich nicht zukümmern, da unsere Medo-Roboter bereits aus denengen Zuführungsschächten längs der Zentraledeckeherauskrochen.

Ich fragte mich, ob die verabreichtenKreislaufmedikamente in dieser Situation vorteilhaftsein könnten. Wenn wir schon über diephysikalischen Gesetzmäßigkeiten des Druufraumeskaum etwas wußten, dann konnten unserephysiologischen und biologischen Erkenntnisse imEinflußbereich dieser Umgebung ebenfalls nutzlosoder gar gefahrbringend sein.

Jedenfalls stemmte ich mich mit bebenden Armenaus dem tiefen Sessel heraus, schritt zu Sikermannhinüber und schlug mit der flachen Hand auf dasSammelschloß seiner Gurte. Langsam kippte er nachvorn.

Ich zog ihn zwischen Kommandosessel undHufeisenkontrollen hervor, ließ ihn liegen und setztemich selbst vor die wichtigen Schaltungen derManuellelemente.

Die CALIFORNIA glitt mit nur halberLichtgeschwindigkeit im freien Fall durch den Raum.Alle Maschinen hatten sich nach der vollzogenenNottransition automatisch abgeschaltet.

Auf den Bildschirmen der Rundumgalerie glänzteein roter Riesenstern, der außerdem einengrünleuchtenden Begleiter hatte. Weiter als zweiLichtjahre konnte dieser Doppelstern nicht von derEntladungszone entfernt sein, denn eine größereDistanz hatten wir bei der Kurztransition nichtüberwunden.

Wenigstens hatte also die Entfernungseinstellungfunktioniert, obwohl es zu so eigenartigen Effektengekommen war.

Ich lauschte auf das helle Klingeln derastronautischen Massenortung. Als ich den Schalterniederdrückte, leuchtete der große Spezialschirm auf.Er vermittelte ein sehr klares Echomuster über dieausgemachten und mit hyperschnellen Tastimpulsen

angemessenen Himmelskörper.Acht Planeten erschienen sofort. Mitlaufende

Walzenskalen zeigten die von der Automatikermittelten Werte an.

Selten hatte ich so verrückte und exzentrischeUmlaufbahnen gesehen! Die vielen Planeten diesesoffenbar riesenhaften Systems schlängelten sichteilweise zwischen den beiden Sonnen hindurch, waszweifellos ganz katastrophale Witterungseinflüsseergab.

Andere Himmelskörper umliefen gleichzeitigbeide Sterne, was mir günstiger erschien. Nach zehnMinuten hatte der automatische Massentaster schon58 Planeten festgestellt. Ein Phänomen ließ michaufmerksam werden.

Die Gravosphärenmessungen deuteten darauf hin,daß viele Planeten zahlreiche Monde hatten. Auf demDiagrammschirm der Einzelbeobachtung zeichnetensich immer wieder steile Spitzzacken ab, diebeharrlich das klare Bild der anderen Echosunterbrachen.

Fraglos hatten die größeren Monde wiederumSatelliten, die obendrein noch auf gegensätzlichenUmlaufbahnen lagen.

Noch schlimmer war aber die Tatsache, daß wirschon tief in dem unbekannten System steckten!Anscheinend waren wir mitten hineingesprungen.Die rote Riesensonne füllte bereits den Grünsektorder vorderen Bildschirme aus.

Mein noch etwas benommenes Gehirn begannunter dem Druck all meiner Willenskräfte endlichwieder klarer zu arbeiten. Ich erfaßte, daß wir denwahrscheinlichen Gefahrenherd einfachübersprungen hatten. Wenn ich die Massentastungenrichtig beurteilte, lagen schon mehr als vierzigPlanetenbahnen hinter uns.

Der grüne Begleiter des Hauptsterns schob sichlangsam hinter der mächtigen Rundung seines großenBruders hervor. Das von den Bildschirmeneinfallende Licht war eine spektralanalytischeKuriosität. Jetzt erst empfand ich in voller Schärfe,daß wir nicht mehr »zu Hause« waren!

Schließlich meldete sich auch noch dieautomatische Energieortung mit einemaufdringlichen Summton. Der auf demInformationsschirm sichtbar werdende Planet warvon der Maschine mit der Nummer 16 desDoppelsternsystems bezeichnet worden.

In der Umgebung des Kugelkörpers wurde einpausenloses Blitzen erkennbar. Wenn der Automatnicht seinen mechanischen »Verstand« verlorenhatte, mußte Nummer 16 mit der Hauptwelt dieserPlanetenfamilie identisch sein. Jedenfalls deuteten allmeine Erfahrungen darauf hin, daß einHimmelskörper mit einer solchenEnergieausstrahlung immer mit einer besiedelten und

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hochtechnifizierten Welt identisch war.»Lebensraum der Druuf!« gab mein Extrahirn in

aufregender Kürze durch.Eigentlich hatte ich keine Ursache, am Ergebnis

meines Logiksektors zu zweifeln. Das Blitzen undLeuchten rings um die sichtbare Halbkugel konntenur von pausenlos startenden oder landendenRaumschiffen erzeugt werden. Es warenkorpuskularähnliche Impulse, die ganz einwandfreiauf laufende Triebwerke hinwiesen. Das konnte janoch heiter werden!

Hinter mir hantierten die Medo-Roboter. IhreHochdruckspritzen zischten immer wieder, dochweder Rhodan noch die anderen Männer erwachtenaus ihrer eigenartigen Starre.

Ich rief die einzelnen Abteilungen über Visifon an.Es antworteten aber nur die automatischenSprechgeräte, die mir knapp und klar mitteilten, diemenschliche Besatzung sei ausgefallen.

Von da an arbeitete mein Verstand wieder in vollerSchärfe. Für nichts in der Welt hätte ich es jetztriskiert, mit einem nochmaligen Hypersprung ausdieser offenbar gefährlichen Umgebung zu fliehen.Noch bestand die Wahrscheinlichkeit, daß man dieCALIFORNIA nicht angemessen hatte. Wenn es sogewesen wäre, hätte man sich eigentlich längst umuns kümmern müssen.

Dann war da noch eine andere Frage, die mir mehrund mehr zu schaffen machte.

Wieso war es möglich, daß wir ausgerechnet imDruufsystem herausgekommen waren? War es einZufall ...?

Ich dachte darüber nach, bis sich erwartungsgemäßmein Logiksektor meldete:

»Massengesetz im Druufuniversum. Beiunkontrolliertem, planlosem Sprung erfolgtAbweisung in Richtung stabiler Materie, die vonHypergravofeldern umlagert wird.«

Das war eine wahrscheinliche Lösung, jedochmochte sie nicht so einfach sein, wie es meinExtrahirn soeben erklärt hatte.

Augenblicke später sagte ich mir, daß dieCALIFORNIA momentan nirgends so gutaufgehoben sein könne wie ausgerechnet in derHöhle des Löwen. Dabei war ich schon halb davonüberzeugt, mit dem sechzehnten Planeten endlich diegeheimnisvolle Heimatwelt der Druuf entdeckt zuhaben. Die vielen Starts und Landungen waren schonnicht mehr als normaler Raumflugverkehr anzusehen.Außerdem schien auf den Monden von Nr. 16 auchallerlei los zu sein.

Ich streckte zögernd die Hand aus, um diestilliegenden Triebwerke des Kreuzers wieder inTätigkeit zu setzen. Schließlich unterließ ich es aber,da ich mich an die Meßergebnisse derferngesteuerten Sonden erinnerte.

Demnach sollte sich der ehemalige Zeit- undGeschwindigkeitsfaktor auf eins zu zwei reduzierthaben. Wenn wir unsere Eigenzeit mitgenommenhatten, mußten wir mit unserem nurhalblichtschnellen Tempo noch ebenso schnell sein,wie die Druufschiffe bei Höchstfahrt.

So unterließ ich es, den Unbekannten alshervorragendes Ortungsobjekt zu dienen. UnsereImpulswellen hätten auf dem sechzehnten Planetenwahrscheinlich wie eine Bombe eingeschlagen.

Es gab aber noch einen anderen Grund, dieMaschinen schweigen zu lassen. Dicht vor uns,vielleicht noch dreißig Millionen Kilometer entfernt,schob sich ein etwa marsgroßer Planet in unsereFlugrichtung.

Ich wartete, bis die Automatik die von mirangeforderten Meßdaten lieferte.

Es handelte sich um einen sogenannten»Umlaufdreher«, dessen Rotation mit einervollzogenen Umlaufbahn identisch war. Damitwendete er den beiden Sonnen immer die gleicheKugelhälfte zu; ein Vorgang, den man auch imEinstein-Universum immer wieder fand.

Naturgemäß mußten die klimatischenBedingungen auf diesem Himmelskörper extremschlecht sein. Fraglos aber wurde eine solche Weltniemals besiedelt.

Es war die Nummer 13 im Druufsystem. Improportionalen Verhältnis zur gewaltigen Größe desroten Riesensterns mußte es auf der Tagseite nocherdrückend heiß sein.

Dieser und andere Gründe bewogen mich, dieCALIFORNIA durch vorsichtige Schubstöße aus denPlasma-Hilfstriebwerken im Kurs zu korrigieren. DieAnflugautomatik übernahm von da an die Arbeit desErsten Piloten. Ich hatte weiter nichts zu tun, als dasgrüne Fadenkreuz so zu justieren, daß seinSchnittpunkt den deutlich erkennbaren Planetendeckte.

Sorgenschwer lauschte ich auf das Rumoren in denMaschinenräumen des Ringwulstes. Plasmapartikelbesaßen keine hochenergetische Natur. UnterUmständen wurden sie nicht angepeilt.

Ich holte Nummer 13 mit der Elektronenoptiknäher heran. Als der Planet in voller Größe auf demBildschirm sichtbar wurde, überfiel mich einSchaudern. Eine Atmosphäre schien er nicht zubesitzen. Die mittleren Temperaturen auf derTagesseite schwankten bei 188 Grad Celsius. Dieewige Nachthalbkugel mochte in ihren Werten nahevon absolut Null liegen.

Immerhin gab es eine Zwielichtzone, die infolgeder ungewöhnlichen Libration starkenGrößenveränderungen unterlag. Dort wollte ichlanden, um in Ruhe und relativer Sicherheitabzuwarten, wie sich die besorgniserregenden

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Erstarrungssymptome bei der Besatzung auswirkenwürden. Es wäre sinnlos und kaum zu verantwortengewesen, weiterhin im internen HerrschaftsbereichFremder Intelligenzen spazierenzufliegen.

Meine Glieder schmerzten, als ich mich aus demPilotensessel erhob. Die kleinen Medo-Robots hattenihre Tätigkeit eingestellt. Das sagte mir sehr deutlich,daß wir es hier mit unbekannten Erscheinungen zutun hatten.

Schwerfällig beugte ich mich zu Rhodan nieder.Ich blickte in weit aufgerissene Augen. Sein Gesichtwar schrecklich verzerrt. Meine medizinischenKenntnisse reichten nicht aus, um eine genaueDiagnose zu stellen. Dennoch hielt ich es fürmöglich, daß die Starre mit einer echtenBesinnungslosigkeit nicht identisch war. Ich hatteMänner gesehen, die in ähnlichen Situationen geistigregsam waren, obwohl sie kein Glied bewegenkonnten.

Auch Rhodans Muskulatur war bretthart. Es sah soaus, als wäre er von einem physiologischenWaffenstrahl geschockt worden.

Ich beugte mich noch weiter über ihn und sagtelaut:

»Es ist möglich, daß du mich hören und verstehenkannst. Wir müssen abwarten, bis die Lähmung vonselbst vergeht. Ich werde jetzt auf dem dreizehntenPlaneten des Systems landen, in das wir genauhineingeflogen sind. Es handelt sich um einenunbewohnten Umlaufdreher. Die Energieortungspricht nicht an. Ich bringe das Schiff in derZwielichtzone auf den Boden und versuche, es so gutwie möglich zu tarnen. Kannst du mir ein Zeichengeben, ob du mich verstanden hast?«

Ich sah aufmerksam in seine offenen Augen, aberes erfolgte nichts, was ich als Bestätigung hätteauffassen können.

Innerlich verzweifelnd, aber nach außen hinberuhigend lächelnd, richtete ich mich wieder auf.Der Automatpilot läutete. Es wurde Zeit, dieBremsellipse einzuleiten.

Diesmal blieb mir keine andere Wahl, als diestarken Haupttriebwerke der CALIFORNIA inBetrieb zu nehmen. Die Plasma-Aggregate reichtennicht dazu aus, die halblichtschnelle Fahrt in dererforderlichen Zeitspanne aufzuheben.

Ich wagte es, weil ich es riskieren mußte.Dröhnend liefen die Impulskonverter an. DieGrünlicht-Kontrolle der Andruckneutralisatorenleuchtete auf.

Ich bremste mit Höchstwerten, wobei ich mirdarüber klar war, daß ich in denEnergieortungsgeräten eines aufmerksamenBeobachters ein Feuerwerk entfachen mußte.

Möglicherweise fielen wir aber bei dem aufNummer 16 herrschenden Betrieb überhaupt nicht

auf. Es gab viele Möglichkeiten, die ich abermathematisch nicht erfassen konnte, weil mir dieerforderlichen Grundwerte fehlten.

Wie ein feuerspeiendes Ungeheuer raste derLeichte Kreuzer auf den Hitzeplaneten zu, den ichHades taufte.

Auf mich wirkte er wie die Unterwelt dergriechischen Sage. Wenn mir etwas unangenehmwar, dann waren es die Zwielichtzonen solcherHimmelskörper.

Librationsstreifen sind immer nur Halbheiten, dieweder die brennende Glut einer nahen Sonne nochdie echte Finsternis des Raumes vermitteln.

Nahe der Oberfläche kam die CALIFORNIA aufLandegeschwindigkeit. Ich flog nur eineBremsellipse, wobei ich feststellte, daß Hades dochRestspuren einer Lufthülle aufwies. Anscheinendhatten sich die Gase auf der eisigen Nachtseiteniedergeschlagen, um während derZwielichtzonen-Veränderungen nahe derErhitzungspunkte zu verflüchtigen.

So kam es zu heftigen Stürmen, die aber nur imGebiet des Schattenstreifens tobten. Es war genaudas, was ich mir in meinen schlimmstenVorstellungen ausgemalt hatte.

Ich hatte alle Hände voll zu tun, um den Kreuzerim Banne des Antigravfeldes auszupendeln.Schließlich landete ich ihn mit den Hilfsaggregatenauf einer weiten, ebenen Felsfläche, die zur Zeitmitten in der Zwielichtzone lag.

Am Horizont war noch die flammende Korona desroten Riesen zu sehen. Sein grüner Begleiter warmeteorologisch bedeutungslos. Dessen Energiereichte nicht aus, um die Temperaturen noch mehransteigen zu lassen. Außerdem umlief Hades beideSonnen gleichzeitig. So kam es, daß der grüne Sternebenfalls nur die Vorderseite erhellte.

Wenn er jedoch im Zuge seiner Kreisbahn überden Horizont hinauswuchs kam es zu jenem grünenLeuchten, das mir während der Landung auffiel.

Es war ein wirklicher Teufelsplanet, auf dem ichda niedergegangen war. Ich beruhigte mich erst,nachdem sich die Landeteller der Teleskopbeine inden Grund gebohrt hatten.

Draußen war alles still. Der von mir beobachteteSturm war schon wieder abgeflaut. Fröstelnd erhobich mich aus dem Sessel. Die Verbände derCALIFORNIA knackten und prasselten so, wie es dieVerstrebungen eines jeden Raumschiffes nachvorangegangener Höchstbelastung taten. DieAbkühlung erfolgte wahrscheinlich sehr rasch.»Perry, hörst du mich?« Sein Gesicht blieb so starrwie eine steinerne Maske. Wenn er denken, sehenund hören könnte, mußte er fürchterliche Qualenempfinden.

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6.

Ich hatte noch einige Stunden warten müssen, bisdie ersten Terraner erwachten. Rhodan kam alsfünfter Mann auf die Beine. Am schlimmsten warendie Mutanten dran, deren leicht veränderte Gehirneanscheinend noch empfindlicher waren als die deranderen Menschen.

Nun war die gesamte Besatzung wieder aktiv. Eshatte keine Todesfälle gegeben, jedoch hatte der vonder DRUSUS übernommene Mediziner Dr. Sköldsonstrengste Ruhe angeordnet.

Nachdem ich mit ihm gesprochen hatte, wußte ichauch warum ich so schnell wieder munter gewordenwar. Ich besaß eine andere Hirnstruktur.

Wie mir erklärt wurde, hatten die Geschocktenwährend der Lähmungszeit überhaupt nichtsempfunden. Demnach waren meine Ängsteunbegründet gewesen. Wie das aber bei zukünftigenTransitionen werden sollte, wagte niemand laut zufragen!

Wir standen ganz zweifellos runde zwei Lichtjahrevon der Überlappungszone entfernt. Vor der Landunghatte ich sie noch klar und deutlich als schillerndeLinie beobachten können. Wenn wir jedoch auf eineTransition verzichteten, hatten wir etwas mehr alszwei Jahre zu fliegen, um den Riß erreichen zukönnen.

Für uns wären infolge der eintretenden Dilatationnur einige Tage vergangen; aber auf einer anderenBezugsebene wäre die Zeit stabil geblieben. Wirdurften gar nicht daran denken, was dann auf demFlottenstützpunkt Gray Beast geschehen mußte!Sicher würde man uns für tot halten.

So war es jetzt unsere vordringlichste Aufgabe,einen wirkungsvollen Schutz gegen die Gefahreneines Hypersprunges zu suchen. Bully, der sichzusammen mit dem Mathematiker Keniusstundenlang im Rechenraum aufgehalten hatte,behauptete anschließend, die Lage im DruufUniversum würde sich von Tag zu Tag mehrstabilisieren. Die Lähmung sei nur infolge desgestörten Gleichgewichts der Naturkräfte entstanden.

Da es nicht so aussah, als könnten wir einGegenmittel auf biochemischer Basis entdecken,waren wir übereingekommen, so lange wie nurirgend möglich auf Hades zu warten. Jedeverstreichende Stunde mußte zur endlichenStabilisierung der unterschiedlichen Energieformenbeitragen.

Notfalls mußte eine Transition unter denbekannten Bedingungen vorgenommen werden.Wenn alles schiefging, sollte ich den Sprungausführen und nach meinem Erwachen dafür sorgen,daß die CALIFORNIA nicht zerstört wurde!

Wenn ich nun aber angenommen hatte, dieseverrückten Kerle von Terra ließen sich von dendurchaus nicht rosig aussehenden Tatsachenniederschmettern, so hatte ich mich ganz gehöriggetäuscht!

Was hatten sie getan, kaum, daß sie wieder auf denBeinen stehen konnten? Anstatt nur darauf zu achten,daß sie wieder in Ordnung kamen, hatten sie nichtsanderes im Sinn gehabt, als den sogenannten»Transmitterstützpunkt« in Angriff zu nehmen.

Dr. Sköldson war fluchend durch das ganze Schiffgerannt, doch die Besatzung war ihm so geschicktaus dem Wege gegangen, daß er tatsächlich keineneinzigen von den Männern erwischt hatte. Sköldsons»Bewaffnung«, eine Automatspritze mit wenigstensfünfhundert Milliliter Dauerschlaf-Narkotikum, hattesich als völlig wirkungslos erwiesen, da er nirgendsein Opfer gefunden hatte.

Ich selber hatte mich vor der Spritze nur durcheinen zungenfertigen Hinweis auf meinenandersartigen Arkoniden-Organismus retten können.

Nachdem Sköldson von einer plötzlichzuschnappenden Panzertür beinahe halbiert wordenwäre, hatte er es endlich aufgegeben. Seitdem hingüber der Tür der Bordklinik ein großes Schild mit derAufschrift:

Eintritt nur kriechend gestattet.Das war die Rache des Arztes, nur hatte er das

Pech, daß niemand gekrochen kam. Ich war davonüberzeugt, daß sich die Burschen lieber eigenhändigden Blinddarm operieren würden, ehe sie Sköldsonden Gefallen mit der Kriecherei taten.

Normalerweise hätte man über den für dasBenehmen der irdischen Raumfahrer ganz typischenVorfall Tränen lachen können, wenn wir uns nicht ineiner so verzweifelten Lage befunden hätten.

Das war die Situation acht Tage Standardzeit nachder Landung auf dem Planeten Hades, den wirmittlerweile als wirkliche Hölle kennengelernt hatten.

*

Den großen Transmitter mit einerTransportreichweite von etwas über zwei Lichtjahrenbrauchten wir sozusagen nur noch in den großenHohlraum hineinzustellen.

Praktisch veranlagt waren sie ja, diese Terraner!Sie hatten die CALIFORNIA kurzerhand an den Fußjenes mächtigen Gebirgszuges bugsiert, den nicht zuberühren ich mich während der Landung bemühthatte.

»Hoffnungsberge« hatte Rhodan das Massivgenannt, das sich quer durch die etwa achtzigKilometer breite Zwielichtzone erstreckte. Östlichunseres Standortes ragte es in das gnadenloseSonnenlicht hinaus, und westlich von uns

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verschwanden die letzten Gipfel im immerwährendenDunkel der eisigen Nachthälfte.

Immerhin hatte sich der gewachsene Fels nichtdagegen sträuben können, als ihm Rhodanhöchstpersönlich mit einem mittelschwerenImpulsgeschütz eine große, tunnelähnliche Öffnungin die Flanken gebrannt hatte.

Die entstehenden Gesteinsgase hatten wir ionisiertund mit Magnetfeldern eingefangen. Weit jenseitsdes Librationsstreifens waren die Dämpfe wieder festgeworden und im Zuge der herrschenden Schwerkraftabgeregnet.

Die hohe Einschußöffnung war imPanzerplast-Spritzverfahren ausgegossen und miteiner relativ kleinen Luftschleuse versehen worden.Vorher hatten wir natürlich den umfangreichenTransmitter in den zwanzig Meter hohen und fastfünfzig Meter tiefen Stollen gebracht.

Zur Zeit waren die Männer dabei, die künstlicheAußenwand zu tarnen. Wieder wurde natürlichesGestein vergast, im ionisierten Zustand von einemTransportstrahl erfaßt und gegen diePanzerplastwölbung gepreßt. Es entstand bei guterHaftfähigkeit ein so unregelmäßiger und dahernatürlich wirkender Verputz, daß ich nuranerkennend nicken konnte. Sie wußten sich zuhelfen, die kleinen Barbaren! Wenn sie nur nicht sobodenlos leichtsinnig gewesen wären! Nach meinerPlanung hätten wir schon vor einem Tag abfliegenund den Sprung versuchen müssen. BullysBerechnungen schienen nämlich Hand und Fuß zuhaben, wie meine sorgfältige Kontrolle bewiesenhatte. Aber nein: Erst mußte dieser verflixteTransmitter installiert werden!

Die Libration des Planeten war stärker, als wirbisher angenommen hatten. Schon seit drei Tagenwar beobachtet worden, daß sich der obere Rand derroten Riesensonne mehr und mehr über den Horizonthervorschob.

Die Folge davon war eine Ausdehnung derTageszone in unserer Richtung; ein durchausunwillkommener Effekt.

Es war heller geworden. Man konnte einwandfreidie Konturen der Berge unterscheiden und im Freienkleingedruckte Schriften lesen. Dazu kam eineVorahnung von dem Gluthauch, der uns in allerKürze überfluten mußte. Wir machten uns nicht dieMühe, durch eingehende Beobachtungen dengenauen Ablauf der Schwankung zu berechnen. Dazuwar uns Hades viel zu uninteressant.

Es genügte uns, zu wissen, daß er 6385 Kilometerdurchmaß und eine Schwerkraft von 0,35 Gravosaufbot. Das waren etwa Marsverhältnisse, wenn nichtseine langsame Achsendrehung gewesen wäre.

Ich stand im verwaschenen Schlagschatten derCALIFORNIA. Dicht über dem Boden hielten sich

immer dünne Gasspuren, die von auftauendenatmosphärischen Niederschlägen herrührten. Wirhatten sogar Sauerstoff festgestellt, nur war seinAnteil viel zu gering, als, daß man ihn hätteverwerten können.

Wir trugen schwere Raumanzüge mit eingebauterEnergieschirm-Automatik. Somit waren wir durchSchwerkraftaufhebung beschränkt flugfähig und auchgut gegen die Einflüsse der lebensfeindlichenUmwelt geschützt. Das Spezialinstrument an meinemHandgelenk zeigte an, daß die Temperatur starkveränderlich war. Es wurde laufend wärmer, je weitersich der rotglühende Sonnenrand über den flachenHorizont schob.

Drüben, nur wenige Kilometer entfernt, herrschteeine tödliche Hitze. Dort siedeten alle Elemente miteinem niederen Schmelzpunkt, und das trostloseGelände war so heiß, daß man es nur mit gepanzertenSpezialstiefeln betreten konnte. Ich hatte bisher nureinen Versuch unternommen, die Wüste unter demtödlichen Auge der roten Sonne etwas näher zuerforschen. Ich hatte es aber schnell wiederaufgegeben, zumal das Vorhaben ohnehin keinenpraktischen Wert besaß.

Ich zog mich fluchtartig zurück, als ein kleinesImpulsgeschütz der CALIFORNIA erneut zudonnern begann. Anscheinend genügte Bully derbereits drei Meter starke Felsverputz noch nicht. Voreinigen Minuten hatte er mir über Sprechfunkzugerufen, es bestünde noch eine geringe Gefahr vonFremdstoffortung.

Ich wartete resignierend, bis der sonnenhelleEnergiestrahl erlosch. Erst dann begab ich mich zurbereits vorzüglich getarnten Felswand hinüber, umdurch die winzige Schleuse das Innere des Tunnelszu betreten.

Die. Installation des Transmitters war beendet. Einkleines Notstromaggregat spendete bereits Licht undnotfalls auch Wärme, nur war die Luftversorgungnoch nicht gelöst. Am nächsten Tag sollte die Klima-und Sauerstoffanlage mitsamt Regenerierungsstationeingebaut werden.

So standen die beiden Stahltore der Luftschleusenoch offen, als ich endlich die Felswand erreichte.Die geringe Schwerkraft des Planeten hob dasbeachtliche Gewicht des schweren Raumanzugessoweit auf, daß ich mich fast unbelastet fühlte.

Zu meiner größten Überraschung traf ich Rhodanund den Mutanten Fellmer Lloyd in dem großenStollen an. Sie kontrollierten die Anschlüsse desTransmitters, dessen Eigenversorgung undJustierungselemente unser Sorgenkind waren. Es wargeplant, mit dieser Station andere Transmitterteile zuempfangen, um so den Zusammenbau innerhalb desStützpunktes vornehmen zu können. Wenn das alleswunschgemäß gelang, konnte es schon geschehen,

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daß die Terraner eines Tages eine versteckte Festungim Herzen des Druufsystems besaßen.

»Ihr seid wohl ganz und gar verrückt geworden!«rief ich ins Mikrophon meines Helmsenders. »Fallses euch entgangen sein sollte: Mr. Reginald Bull hatvor etwa zehn Minuten mit einem Strahlgeschütz aufdiesen Berg geschossen, um neues Tarnmaterial zugewinnen.«

Rhodan wendete den ganzen Körper, um michansehen zu können. Lloyd, dessen mutationsbedingteFähigkeit nur im Wahrnehmen FremderHirnwellenimpulse bestanden hatte, bis er im Laufeseiner Schulung auch Telepath geworden war, lachte.Er war ein dunkler, apathisch wirkender Alltagstypmit dunklen Augen und untersetzter, muskulöserGestalt. Ich mochte ihn gut leiden, da er nochniemals versucht hatte, meinen gedanklichenMonoschirm zu durchbrochen, um meinenBewußtseinsinhalt sondieren zu können.

»Stimmt!« bestätigte Rhodan ungerührt. »Hierdrinnen hat man aber nichts davon bemerkt. Wostecken denn die Schlafmützen schon wieder?«

Ich holte tief Luft. Dieser Barbar war wohl derMeinung, andere Leute kämen ebenfallsachtundvierzig Stunden ohne Schlaf aus!

»Die habe ich ausnahmslos in die Kojen geschickt,wenn du nachträglich gestattest. Was denkst du wohl,wie es um den Gesundheitszustand der Männerbestellt ist? Das sind keine Roboter.«

Seine müden, rotumränderten Augen blinzeltenhinter der Helmscheibe. Dann gewahrte ich einschwaches Lächeln auf seinen Lippen.

»Okay, in Ordnung«, entgegnete er leise. »Morgenkommt die Luftversorgung in die Höhle.Anschließend werden wir sehen, ob deineAngleichungstheorie stimmt. Ich möchte die Starrenicht noch einmal erleben, verstehst du!«

Ja, das verstand ich sogar sehr gut. Derscheußliche Anblick haftete jetzt noch in meinemGedächtnis; Von draußen kamen leise Geräusche.Die vorhandenen Luftreste leiteten den Schallwenigstens so gut, daß man starke Lärmquellen nocheinigermaßen hören konnte. Über Sprechfunk kamdie Warnung durch, die Station nicht zu verlassen.Die Spezialisten des Kreuzers brachten eine neueTarnungsschicht auf den Fels.

Nach fünfzehn Minuten war die Sache erledigt.Vor der offenen Luftschleuse hatte sich ein Wall ausherabgetropftem Gestein gebildet, der fast denEingang versperrte.

»Saubere Arbeit«, bemerkte Lloyd. »Andere Leutehätten das Manntor restlos zugekleistert.«

Ich dagegen fand es sehr nett von derCALIFORNIA-Besatzung, daß man uns wenigstensnoch einen winzigen Ausschlupf gelassen hatte. Eswar ein bodenloser Leichtsinn von Rhodan, während

dieser Aktion in dem Stollen zu bleiben.Rhodan legte eben sein Spezialwerkzeug zu

Boden, als draußen das Inferno losbrach. EineDruckwelle pfiff so hart durch das kleine Luk, daßwir alle drei auf einmal erfaßt und nach hintengeschleudert wurden.

Ich hörte noch Lloyds schrillen Schrei, ehe michdie aus meinem Rücken aufsteigendenSchmerzkaskaden halb besinnungslos werden ließen.Ich erfaßte nur, daß der schon nicht mehr erwarteteAngriff dennoch erfolgt war; aber ganz anders, alswir es uns vorgestellt hatten.

Ich hörte Rhodans brüllende Stimme imHelmfunk. Die Anweisung regte mich ebensowenigauf wie Perrys überflüssige Lautstärke. Ich fühlte nurnoch den Schmerz.

»Starten, sofort starten! Bully, Sikermann. Schiffabheben und sofort in die Transition gehen. Wirwarten hier, bis die Transmitterstation auf derDRUSUS Grünzeichen gibt. Los, sofort starten! Dasist ein Befehl. Wir haben keine Zeit mehr zumEinsteigen. Ihr sollt starten ...!«

Immer wieder schrie er die gleichen Worte, bisplötzlich das tiefe Dröhnen der starken Triebwerkeaufklang. Demnach war der Kreuzer gar nicht odernur leicht beschädigt worden. Sikermann flog mitVollschub an, was unseren Tunnel beinahe zumEinsturz brachte. Das davon erzeugte Beben ließmich qualvoll aufstöhnen. Es war mir in diesemMoment gleichgültig, ob die CALIFORNIA nunohne uns startete oder nicht. Ich dachte nur noch andie möglicherweise ernsthafte Verletzung, die ich mirbei dem harten Aufprall zugezogen haben konnte.

Es gab hier keine Möglichkeit, den hermetischschließenden Raumanzug zu öffnen, um eineneventuellen Bruch zu behandeln. Lloyds Stimme rißmich aus meinen panikerfüllten Überlegungen.

»Sie sind fort, mein Gott, sie sind fort!«Rhodan richtete sich schwerfällig vom Boden auf.

Draußen, dicht vor der Schleusenöffnung lohteblendende Glut.

Trotz meiner Schmerzen konnte ich es nichtunterlassen, zu bemerken:

»Na, Barbar, was sagst du nun? HübscheÜberraschung, wie? Könntest du einmal nachsehen,ob ich mir etwa die Wirbelsäule gebrochen habe?«

7.

»Wenn ich dich so betrachte, erscheint es mirerstaunlich, daß die Mutter meines Sohnes eineArkonidin ist«, sagte Rhodan so laut, daß ich ihntrotz des Helmes verstehen konnte.

Anscheinend war der große Tunnel durch dieStrahlschußschockwelle mit einem dichterenGasgemisch angefüllt worden. Draußen ging ein

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leichter Wind. Wahrscheinlich hatte der sonnenheißeThermostrahl den bereits eingeleiteten Vorgang derGasauftauung noch beschleunigt. Jedenfalls konnteich Rhodan verstehen, wonach auch einschalleitendes Medium vorhanden sein mußte.

Ich lag flach auf dem Bauch und drehte ihmmeinen Rücken zu. Fellmer Lloyd kauerte dicht vordem Eingang und sah auf die wellige Felsebenehinaus, auf der vor fünfzehn Minuten noch dieCALIFORNIA gestanden hatte.

Wir hatten wenige Sekunden nach dem Alarmstarteine Nachricht über Normalsprechfunk erhalten. Dader Kreuzer wahrscheinlich mit seiner typischenWahnsinnsbeschleunigung in den Raum gerast war,hatten wir die Durchsage kaum noch verstehenkönnen. Ultrakurze Wellen wurden nun einmal vomPartikelstrom der Triebwerke sehr empfindlichgestört, und Hyperfunkgeräte besaßen wir nicht.

Sikermann und Bully hatten uns mitgeteilt, daß derDurchbruch gelungen sei. Man würde nun dieTransition wagen, durch den Spalt insEinstein-Universum eindringen und mit derDRUSUS auf Biegen oder Brechen zurückkehren.

Nachdem wir diesen letzten Gesprächsfetzenempfangen hatten, war die Funkverbindung endgültigunterbrochen worden. Sicherlich war dieCALIFORNIA längst gesprungen, denn sie benötigtenur etwa fünf Minuten, um die einfacheLichtgeschwindigkeit zu erreichen.

Ob Sikermann auch die Flucht aus der Zeitebeneder Druuf gelingen würde, war eine andere Frage.Wahrscheinlich hatten sich aber die Gravostürmeinnerhalb der Entladungszone abgemildert. Wenn wirviel Glück hatten, konnte die DRUSUS schon inwenigen Stunden im Druufraum eintreffen. Da siedrei vorzügliche Hochleistungstransmitter an Bordhatte, war es dann wohl möglich, mit Hilfe unseresGerätes aus dieser Hölle zu entkommen.

Rhodans Finger preßten sich wieder in meinenRücken. Ich konnte ein leises Aufstöhnen kaumunterdrücken. Fellmer Lloyd wendete sich nach unsum. In dem von draußen hereinfallenden Licht sahich sein schweißüberströmtes Gesicht.

Ich versuchte ein Lächeln, um jenen Mann unteruns moralisch zu stärken, der wahrscheinlich nochviel mehr auszustehen hatte als ich!

Rhodan hatte mir zugeflüstert, der Mutant litte seiteinigen Stunden unter einer beginnenden Dysenterie.Er hatte die Krankheit nicht sofort gemeldet, da Dr.Sköldson noch immer auf seiner »Kriechvorschrift«bestanden hatte. Natürlich war es heller Wahnsinngewesen, mit dieser unangenehmen Sache nichtsofort zum Arzt zu gehen.

Nach dem Abflug der CALIFORNIA hatte sichLloyd in qualvollen Darmkrämpfen gewunden. Eswar für mich erdrückend und beschämend zugleich,

zu sehen, wie mannhaft er seine Qual unterdrückthatte, Augenblicklich schien es ihm besser zu gehen.Wenigstens versuchte er, mein Lächeln zu erwidern.

Zu diesem Zeitpunkt wußten wir aber noch nicht,daß die sanitäre Anlage in Fellmers Raumanzugausgefallen war. Anscheinend hatte er sie bei demheftigen Sturz so schwer beschädigt, daß sie ihrelebenswichtige Funktion nicht mehr erfüllen konnte.Und dazu kam jetzt auch noch eine Dysenterie, dieDr. Sköldson normalerweise mit einer einzigenInjektion beseitigt hätte. Uns war es völligunmöglich, dem Mutanten zu helfen. Er war alleinauf die wenigen Medikamente angewiesen, die sichin der automatischen Zuführungskapsel seinesHelmes befanden. Sicherlich gab es darunter aberkein Mittel gegen die Darmkrankheit. Er mußtefürchterliche Qualen ausstehen.

Von da an verzog ich nicht mehr das Gesicht, bisRhodan mit seiner Untersuchung fertig war. Ertastete meinen Rücken durch das dicke Material derKombination ab; eine höchst unzulängliche Methode.

»Was ist? Kennst du dich in meinerKnochenstruktur aus?«

»Annähernd. Da du keinen normalen Brustkorbbesitzt, muß die stabile Knochenplatte dortangebrochen sein, wo sich bei mir die untere rechteRippe befindet. Was sitzt bei dir an dieser Stelle?«

Er tippte auf die Quelle des Schmerzes, und ichfuhr schimpfend auf. Wenigstens konnte ich michschon wieder bewegen, ohne bald verrückt zuwerden.

Wenn nur die Rückenplatte angebrochen war, sowar alles halb so schlimm. Das starke, aberhochelastische Gewebe regenerierte sich sehr rasch.Ich brauchte wahrscheinlich nur einige StundenRuhe.

»Ein wunderbarer Arzt bist du«, ächzte ich, als ichendlich auf den Füßen stand. »Okay, sehen wir unsdie Lage an.«

Ich schritt vorsichtig zur kleinen Luftschleusehinüber, die draußen von einem hohen Steinwallverdeckt wurde. Wir konnten nur noch durch einenschmalen Riß ins Freie sehen.

Der ehemalige Nachteil dieser Verschüttung warnun zu einem Vorteil geworden.

Wenn die Druuf nur einen Funken Verstand hatten,würden sie sich fragen, was die Besatzung desunbekannten und so schnell entflohenen Kreuzers aufdieser Welt gesucht hatte. Wenn sie dieCALIFORNIA obendrein nicht gefaßt odervernichtet hatten, würde man zweifellos versuchen,nähere Anhaltspunkte zu finden. Die aber konnte esnur dort geben, wo das Schiff gestanden hatte; alsoknapp sechshundert Meter von unserer zu 75 Prozentzugeschmolzenen Höhlenöffnung entfernt.

Wir machten uns keine Illusionen darüber, was bei

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einer peinlich genauen Nachforschung geschehenwürde. Die große Spritzgußwand des Stollens warinfolge der wirklich vorzüglichen Tarnung auf keinenFall mehr zu sehen. Eine Fremdstoffortung erschienmir auch ausgeschlossen, falls man nicht gerade aufdie Idee kam, mit einem entsprechenden Gerät dichtvor den Tunnel zu kommen. Das aber wäre ein Zufallgewesen.

Gefahrdrohender waren die allerdings weiterentfernten Stellen, wo wir das Felsmaterial zumZwecke des Verputzes abgeschmolzen hatten. Dortwaren breite, glasige Flächen entstanden, die wohleinige Rückschlüsse erlaubten.

Menschen wären unter Umständen auf denrichtigen Gedanken gekommen. Wie es dabei um dieDruuf bestellt war, erschien uns noch sehr ungewiß.Vielleicht konnten sie sich über den Sinn dieserAbschmelzung überhaupt keine Vorstellung machen.

Das war unsere einzige Hoffnung; denn, daß dieUntersuchung kam, war so sicher wie die Existenzder Druuf selbst.

Wir legten uns in der Schleuse nieder undarbeiteten uns den steilen Abhang hinauf. Der Spaltwar knapp vierzig Zentimeter breit. Man konnte sichzur Not hindurchzwängen; aber ob er von draußen alsÖffnung erkannt werden konnte, war eine andereFrage. Wahrscheinlich fügte er sich so unauffällig indie zerklüftete Felswand ein, daß nur ein inunmittelbarer Nähe Vorüberkommender aufmerksamwerden konnte. Unter solchen Umständen mit denDruuf Kontakt aufzunehmen, lag nicht in unsererPlanung.

Als ich meinen Helm an den von Fellmer Lloydpreßte, um durch die Schalleitung des Materials nochbesser sprechen zu können, hörte ich ihn leisestöhnen. Sein untersetzter Körper bebte.Wahrscheinlich wurde er von einem erneutenschmerzhaften Anfall heimgesucht.

»Bewahren Sie Ihre Ruhe, Junge«, rief ich ihm lautzu. »In wenigen Stunden wird die DRUSUS in denDruufraum eindringen. Unser Transmitter ist tadellosangeschlossen. Er wird einwandfrei funktionieren.«

»Hoffentlich, Sir«, entgegnete er stockend. Ichvernahm deutlich seine keuchenden Atemzüge.

»Sir, ich bitte um Entschuldigung, wenn ich dieseunangenehmen Dinge überhaupt erwähne. Ich binaber auch nur ein Mensch, und mein Körper ...«

»Selbstverständlich, da gibt es überhaupt nichts zuentschuldigen«, unterbrach ich ihn peinlich berührt;nicht wegen seiner Krankheit an sich, denn die warebenso natürlich wie jede andere auch. Vielmehrbedrückte mich die Erkenntnis, daß er es überhauptfür erforderlich gehalten hatte, dieseentschuldigenden Worte auszusprechen.

»Sie müssen es durchstehen, Lloyd. Wir könnenüberhaupt nichts tun. Die Höhle ist praktisch luftleer.

Was zeigt die Kontrollmarke Ihrer sanitären Anlagean? Wir werden die Reinigung für Sie besorgen. Siebleiben jetzt erst einmal ruhig liegen. VerstehenSie?«

»Jawohl, Sir, das werde ich auch tun müssen. Nurwird es da nichts mehr zu reinigen geben, Sir.«

Rhodan drückte seinen Helm dichter an denmeinen. Ich hatte noch nicht begriffen, aber er schienzu ahnen, was obendrein noch passiert war.

Sekunden später gestand Lloyd stockend, dasGerät beim Druckwellensturz zerbrochen oderanderweitig beschädigt zu haben.

Da hatten wir die katastrophale Nachricht gehört.Die Symptome seiner Erkrankung konnten eine sehrschnelle Vergiftung der Atemluft bewirken. Wegendes erforderlichen Außendrucks, der hier fast völligfehlte, waren die Monturen innen mit dem gewohntenGasgemisch gefüllt, das dem Körper einen Druck vonetwa fünfhundert Millibar vermittelte.

»Halten Sie durch, Lloyd, die DRUSUS kommtbald«, sagte Rhodan tröstend. Ich fand in diesemMoment keine Worte, da sie die Schwere des Fallesdoch nicht getroffen hätten.

Der Mutant drehte den Kopf und lachte unsverzerrt an. Ich hatte einmal unter einer infektiösenDysenterie gelitten, weshalb ich also ahnte, wasdieser Mann in seiner hermetisch schließendenUmhüllung auszustehen hatte.

Mir war das Unheil in einem Feldlager desKriegsherrn Wallenstein widerfahren. Es war eineSeuche gewesen, und wir hatten keine Mittel zurVerfügung gehabt.

»Wo, um Himmels willen, haben Sie sichinfiziert?« fragte Rhodan. »Das muß doch eineUrsache haben?«

»Vielleicht das Wasser auf Gray Beast, Sir«, gabLloyd schwach zurück.

Das war eine Vermutung, die ohne weiteresstichhaltig sein konnte. Wenn er sich von demanscheinend so klaren Quellwasser hatte verlockenlassen, war eine Ansteckung schon wahrscheinlich.Ich nahm mir fest vor, den Flottenmedizinern den Ratzu erteilen, hochwirksame Breitband-Antibiotika alsAusrüstung für die Raumanzüge vorzusehen. LloydsRuhr konnte nur infektiös sein, eine andereMöglichkeit gab es nicht. Die Schiffe der SolarenFlotte waren peinlich sauber und die sanitärenEinrichtungen so erstklassig, wie ich es noch nichteinmal auf arkonidischen Einheiten erlebt hatte.

Mir lag es auf der Zunge, Lloyd zu fragen, warumer nicht bei den ersten Anzeichen zum Arzt gegangensei. Dann unterließ ich es aber. Es war sinnlos, jetztnoch über unabänderliche Dinge zu sprechen. Erselbst würde sich schon genügend Selbstvorwürfemachen. Rhodan begann wortlos einigehervorstehende, messerscharfe Zacken auf dem Grat

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des Walles abzubrechen. Ich beobachtete ihn einigeAugenblicke. Während der kurzen Unterhaltung mitLloyd hatte ich meine eigenen Schmerzen völligvergessen. Sie waren auch nicht mehr so schlimm,um mich in meinen Bewegungen ernsthaft behindernzu können.

»Ich werde mir von draußen ansehen, wie unsereTarnung beschaffen ist«, sagte er. »Paß du hier auf,okay?«

Er nickte unauffällig zu Lloyd hinüber, derapathisch neben uns lag.

Augenblicke später zwängte sich Perry durch denschmalen Spalt. Das Material seines Raumpanzerswar so fest, daß Risse nur bei einer erheblichstärkeren Gewaltanwendung entstehen konnten. Sosah ich unbedenklich zu, wie er sich zwischen denFelsen hindurchwand.

In meiner Hand lag die schwere Thermoautomatik,wozu die Terraner Impulsstrahler sagten. Obwohl indieser Situation jeder Widerstand sinnlos gewesenwäre, war ich fest entschlossen, ihm im Falle einesFalles wirksamen Feuerschutz zu geben.

Draußen hatte die grelle Sonnenglut endlichunseren Stützpunkt erreicht. Die wenigen Schattenverschwanden, und einige Minuten später sah ichgeblendet auf die weite Wüstenlandschaft hinaus.Wir mußten bei starken Librationen genau am Randeder Zwielichtzone liegen.

Rhodan verschwand weiter hinten im tiefenSchatten. Von hier aus betrachtet, wirkte dieLandschaft wie ein stockdunkler Abgrund, der keinenklaren Einblick mehr erlaubte.

»Alles in Ordnung, Sir«, teilte mir der Telepathmit. Er preßte seinen Helm noch dichter gegen denmeinen.

Ich nickte Lloyd schweigend zu. Vielleicht war esgut, wenn er sich geistig betätigte. Das würde ihn vonseinen Qualen ablenken. Nach etwa drei Minutensprach mein Empfänger an. Rhodan meldete sichüber Sprechfunk.

»Bist du wahnsinnig geworden!« unterbrach ichihn schon nach den ersten Worten. »Wir könnenangepeilt werden.«

»Unsinn, ich sende mit 0,2 Watt. Außerdem istweit und breit nichts zu sehen, was unser Gesprächaufnehmen könnte. Ich befinde mich einen Kilometerentfernt im Schatten der Zwielichtzone. Wie sieht dasvon drüben aus?«

»Von uns aus, meinst du?«»Sicher, was sonst!«»Miserable Ausdrucksweise«, murmelte ich.

»Aber beruhige dich, wir können weder dich nochirgend etwas anderes sehen. Die Sonne blendetfürchterlich. Für meine Begriffe herrscht da drübenfinstere Nacht.«

»Ausgezeichnet. Dafür ist eure Felswand für mich

ein schemenhaftes, verwaschenes Gebilde, weil ichnicht einwandfrei in das helle Leuchtenhineinschauen kann. Von der Stollenwand ist mitdem besten Willen nichts zu bemerken, und denEinschlupf erkenne ich nur noch an ganz bestimmtenMerkmalen. Ich halte jede Wette, daß sie uns nichtfinden werden.«

»Du brauchst nur noch eine halbe Stunde länger zufunken, dann haben sie uns gleich.«

»Okay, ich höre ja schon auf, alter Schwarzseher.Nein, nein, rege dich nicht auf! Wir hätten tatsächlichum einen Tag früher starten sollen. Dann wäre unsdas alles erspart geblieben. Lloyd, wie geht es Ihnen?Wollen Sie zu mir herauskommen? Das lenkt Sievielleicht etwas ab!«

»Lieber nicht, Sir«, hörte ich Fellmer leise sagen.»Mir ist hundeelend. Könnten Sie mir vielleichtetwas von Ihrem Sauerstoff abgeben?«

Ich fühlte, daß ich erblaßte. Sauerstoff ...? Warumverlangte er das? Es war strengste Vorschrift, dasUltrahochdruck-Regeneratorgerät täglich neu füllenund kontrollieren zu lassen. Hatte er diese primitivsteund wichtigste Regel etwa auch vernachlässigt?Nein, er hatte es nicht getan!

Rhodan schien ebenfalls verblüfft zu sein.»Sauerstoff? Lloyd, das geht nicht! Der

Regenerator sitzt unter dem Material derKombination. Wir kommen nicht ran. Was ist los?Haben Sie Atemschwierigkeiten?«

Ich drehte den Kopf, um den Kranken ansehen zukönnen. Als er meinen Blick spürte, wurde erentsetzlich verlegen. Da ahnte ich etwas.

»Nnnn ... nein, Sir«, stammelte Lloyd als Antwort.»Mein Gerät ist schon in Ordnung. Kann ich esriskieren, die derzeitige Druckfüllung der Monturdurch das Reglerventil abzublasen? Ich müßte dannden Flaschen eine neue Ladung entnehmen.«

»Ja, um Gottes willen, warum denn?«»Frage nicht wie ein Kleinkind«, fiel ich grob in

das Funkgespräch ein. »Seine Atemluft ist einfachverbraucht, verstehst du! Das soll bei einerDysenterie und gleichzeitigem Ausfall der sanitärenAnlagen vorkommen. In Ordnung, Lloyd, blasen Siedie Füllung ab. Ihr Sauerstoffvorrat reichtnormalerweise für acht Tage Terrazeit. Machen Siesich darauf gefaßt, nur noch vier Tage damitauskommen zu können. Nun fangen Sie schon an!Raus mit der giftigen Luft.«

Ich half ihm, das Reglerventil an der Rückseite desHelmes zu öffnen. Der Druck sank rapide ab. Bei derGefahrengrenze gab ich frischen Sauerstoff aus denUltraflaschen in den Regenerationskreislauf. DieBehälter aus Arkon-Leichtstahl waren aufzehntausend atü geeicht.

Rhodan schimpfte leise und erbittert. Es galt abernicht Lloyd, sondern der allgemeinen Situation.

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Bissig sagte ich dazwischen:»Seltsam, daß man da noch fluchen muß! Das habt

ihr bei eurer frischfröhlichen Weltraumeroberungwohl auch noch nicht erlebt, wie? Ihr werdet nachden Anfangserfolgen noch mehr Rückschlägekennenlernen, so wahr ich Atlan heiße und so wahrich die Galaxis einigermaßen kenne.«

»Halte nur den Mund, Arkonide!«»Ich halte ihn eben nicht. Du solltest lieber

zusehen, daß du wieder in den Stollen kommst.Meiner Meinung nach kann jeden Augenblick einDruufschiff landen.«

Er sagte nichts mehr, weil es nichts mehr zu sagengab. Dafür sah ich ihn aber plötzlich mit unerhörterGeschwindigkeit aus dem Schatten kommen. Amfinsteren Himmel war ein greller Lichtschein sichtbargeworden.

»Angst hat er nicht, aber rennen kann er«,murmelte ich spöttisch vor mich hin.

Lloyd lachte unterdrückt. Ich fand ihn sehrsympathisch.

Rhodan kam keuchend und mit wankenden Beinenan. Ich zerrte ihn reichlich grob durch den Spalt. SeinGesicht war schweißüberströmt. Mit einemFingerdruck schaltete ich seinen Sender aus.

Minuten später senkte sich ein tiefschwarzes, vomhellen Sonnenlicht angestrahltes Ungeheuer auflohenden Impulssäulen auf den Boden herab. Dastiefe Dröhnen des Antriebs war klar zu hören, und dieauftreffenden Schubstrahlen ließen das Gebirgeerzittern. Besorgt schaute ich mich nach denverkleideten Wandungen unseres Stollens um. Eszeigten sich aber noch nicht einmal feineBelastungsrisse.

Als das Druufschiff in den Schatten derHoffnungsberge eintauchte, war es nur nochumrißhaft zu erkennen. Sie waren in derZwielichtzone gelandet; genauso, wie wir es erwartethatten. Keine vernunftbegabte Kreatur würdeausgerechnet in der Sonnenglut niedergehen.

»Gut so!« sagte Rhodan leise. »Nun werden siesich umsehen.«

Ich sah mich ebenfalls um, nur galt mein Blickdem Allzweckgerät an meinem linken Handgelenk.Die Sonnenstrahlung hatte uns voll erreicht.Innerhalb von wenigen Minuten war die Temperaturauf 68 Grad Celsius angestiegen. Draußen mußte esschon viel heißer sein.

Unsere Schutzanzüge waren darauf eingerichtet,fünfhundert Hitzegrade durch reine Reflexion und dieTätigkeit der Klimaanlage von uns abzuhalten. Wennes jedoch härter kommen sollte, mußte derSchutzschirmgenerator eingeschaltet werden, dessenIndividualfeld aber fraglos zu einer Energieortungführen würde. Ich hoffte, nicht gezwungen zuwerden, das Gerät zu benutzen. Es genügte, wenn der

Mikroreaktor zur Sättigung des Strombedarfs tätigwar.

Fellmer Lloyd krümmte sich unter einem neuenAnfall. Damit fiel er praktisch als Telepath aus. Ichfolgte Rhodans Blick, aber die grüne Lampe an derAußenseite des Materietransmitters leuchtete nochimmer nicht auf.

Wir sahen uns bezeichnend an. Was war mit derCALIFORNIA geschehen? War siedurchgekommen? Wenn ja, warum war die DRUSUSnoch nicht da?

Rhodan zog sehr bedächtig seinen Impulsstrahleraus dem Gürtelhalfter. Als die rote Lampeaufleuchtete, wußte ich, daß er nicht gewillt war,kampflos in die Gefangenschaft der Druuf zu gehen.Dabei war es noch gar nicht sicher, ob diese Wesenden Begriff Gefangenschaft überhaupt kannten.

Während des großen Methankrieges vorzehntausend Jahren waren nur wenige Gefangenegemacht worden. Keine der Parteien hatte genügendMittel besessen, für überwältigte Feinde diegeeigneten Lebensmöglichkeiten zu schaffen. Wärendie Methans Sauerstoffatmer, oder wir Methanatmergewesen, hätte es besser ausgesehen. So aber ...!

Wir warteten ab. Von dem großen Schiff, das etwadreihundert Meter hoch in den dunklen Himmel überder Zwielichtzone ragte, war nur noch diehalbkugelige Spitze klar zu sehen. Der Druufraumerstand auf weitgespreizten Heckflossen, dieanscheinend erst vor der Landung ausgefahrenworden waren.

»Ihr Hypertriebwerk würde mich interessieren!«sagte Rhodan gelassen.

Der Barbar hatte Nerven! Mir war das Aggregat indiesen Augenblicken verteufelt gleichgültig. Hierging es nur noch ums Überleben, was nach derAussage eines klugen Mannes die Kunst derIntelligenten sein sollte.

Ich war mir dessen gar nicht so sicher, obwohl ichmir einbildete, einigermaßen intelligent zu sein.

Auf der weiten Ebene rührte sich noch nichts. Jeintensiver wir nach drüben blickten, um so mehrschälten sich die Umrisse des fremden Schiffes ausden Schatten der Zwielichtzone heraus. UnsereAugen gewöhnten sich allmählich an das seltsameLicht. Die Druuf kamen eine Viertelstunde späternachdem sie die Umgebung wahrscheinlich ersteinmal mit ihren Ortungsgeräten abgesucht hatten.

Klug waren sie auch, oder sie wären nicht auf dieIdee gekommen, von vornherein darauf zuverzichten, zu Fuß in die Sonnenglut einzudringen.Wir sahen nur mehrere Fahrzeuge von flacher,elliptischer Form, die sich anscheinend aufmagnetischen Abstoß-Prallfeldern über den Bodenbewegten. Räder oder Raupenketten waren keinevorhanden.

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Das überzeugte mich erneut davon, daß dieseWesen über eine großartige Technik verfügten.Natürlich wußten sie ganz genau, was sie in ihremeigenen Sonnensystem erwartete. Demnach setztensie gleich solche Geräte ein, die für die jeweiligenErfordernisse am besten geeignet waren.

Wir hielten den Atem an, als drei dieser Gleiterlangsam an unserem Spalt vorüberfuhren. Ichbemerkte kreisende Antennen und rötlich leuchtendeAufnahmelinsen, die wahrscheinlich zu einemoptisch wirksamen Bildsystem gehörten.

Unsere Waffen drohten, bis sie vorbei waren. DreiStunden später hob das fremde Raumschiff mitDonnergetöse ab. Als das letzte Geräusch verhalltwar, stieß ich seufzend die Luft aus. Rhodan stecktedie Waffe in das Halfter zurück.

»Okay, das hätten wir«, meinte er. »Die kommennicht wieder. Ich wäre an ihrer Stelle wahrscheinlichauch nicht auf die Idee gekommen, daß sich hiergewissermaßen unter ihren Nasen ein FremderStützpunkt befindet. Das ist schon eine Frechheit,was?«

Da mußte ich ihm allerdings beipflichten.Anschließend kümmerten wir uns um den

Mutanten. Seine Luft wurde schon wieder schlecht.Wenn das so blieb, war sein Sauerstoff sehr schnellverbraucht. Sehnsüchtig blickten wir zu demTransmitter hinüber. Die grüne Lampe leuchtete abernicht auf, ein Zeichen dafür, daß niemand einEmpfängergerät eingeschaltet hatte.

Ich ging anschließend zum Landeplatz desDruuf-Schiffes hinüber. Dabei hoffte ich, vielleichteinige vergessene Gegenstände zu finden.

Außer einer glasigen, nachglühenden Bodenflächeentdeckte ich aber nichts.

8.

Dreimal vierundzwanzig Stunden lang hatten wirim Wachen und im Halbschlaf auf das grüneTransmittersignal gehofft. Es hatte nichts mehrgegeben, was die Skala unserer Wünsche mehrausgefüllt hätte, als dieses brennende Verlangen nacheinem endlichen Aufleuchten der Kontrollampe.

Dazu war noch Lloyds Erkrankung gekommen, diezwar nur indirekt sein Leben bedrohte, uns aber dafürum so mehr belastete. Seine Druckluft mußte zuhäufig erneuert werden. Wir hatten keineMöglichkeit gefunden, die giftig gewordenen Gasezu reinigen. Für solche Fälle war auch derLuftregenerator nicht vorgesehen; fraglos eineFehlkonstruktion dieses Anzugtyps!

Fellmer Lloyd hatte noch Luft für knapp zwölfStunden. Wenn er bis dahin die Montur nicht ablegenkonnte, mußte er rettungslos verloren sein.

Dann, vor zwei Sekunden, hatte die Lampe zu

flackern begonnen. Jetzt leuchtete sie bereits so klar,als wäre es niemals anders gewesen.

Wir zögerten nicht lange. Wenn die DRUSUSendlich durchgebrochen war, dann kam es sicherlichauf Sekunden an.

Rhodan und ich erhoben uns ruckartig von demdürftigen Ruhelager, das wir aus zurückgelassenemPackmaterial aufgeschichtet hatten. Lloyd ruhteapathisch neben uns. Sein Gesicht war blaß undeingefallen. Er schien jede Energie verloren zuhaben.

»Lloyd, aufstehen«, schrie ihm Rhodan zu.»Lloyd, die Kontrollampe brennt. Die DRUSUS hatauf Empfang geschaltet, kommen Sie.«

An Lloyds Beispiel zeigte es sich, daß einmenschliches Wesen von Fall zu Fall ungeheureKraftreserven aufbieten kann. Es war, als erwache indem Mutanten ein bisher stillgelegter Antriebsmotormit einer geheimnisvollen Energiequelle.

Seine Augen schienen plötzlich viel klarer zu sein.Ich erblickte hinter der Helmscheibe ein hartesGesicht mit scharfen Falten zwischen Nase undMund.

»Okay«, sagte er einfach. Er war jetzt dieKonzentration in Person. In dem Augenblickerkannte ich, daß er alles, was er noch ankörperlichen Kräften besaß, für diesen Momentaufgehoben hatte.

Wir brauchten ihm nicht behilflich zu sein.Leichtfüßig sprang er nach hinten in den Stollenhinein, wo der mächtige Hochleistungstransmitterfast bis zur Decke reichte.

Rhodan hatte die Energieversorgung bereitsanlaufen lassen. Längst hatten wir alles vorbereitet.Es waren nur noch wenige Handgriffe erforderlich,um das Gerät in Betrieb zu nehmen.

Die Transportkoordinaten stimmten bis zur letztenDezimalstelle. DieEinlauf-Justierungsverschiebungen hatten wirwährend der vergangenen drei Tage immer wiederkontrolliert und korrigiert.

Rhodan betrat zuerst die große Metallplattformzwischen den kreisförmig angeordneten Gatterstäben.Sie ragten weit über uns hinaus, um jenseits unsererKöpfe die kupferartig glänzende Polhaube zu stützen.

Von ihr aus würde sich das Entstofflichungsfeldauf uns niedersenken. Ich schob mit bebendenHänden Lloyds Füße in die Kontakthalterung derBodenklammern. Ein Fingerdruck genügte, um denEingang zu schließen.

Erstmals begann ich richtig zu begreifen, warumdiese Transmitter speziell für eine separateStromversorgung eingerichtet waren. In unserem Fallhätten wir keine andere Kraftquelle zur Verfügunggehabt.

Rhodan leitete die Vorstufenschaltungen ein. Es

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dauerte nur wenige Augenblicke, bis sich das leiseSummen im meterstarken Sockel zu einem tiefenDonnergetöse steigerte.

Eine blaßrote Energiewand huschte an denGatterstäben nach unten, wo sie sich mit demleuchtenden Feld nahe der Plattenpole verband.

Noch konnten wir sprechen, fühlen und denken.Aber in den Augenblicken vor einem beginnendenTransmittersprung war das klare Denken von kaumkontrollierbaren Ängsten überlagert, die aus denverborgenen Tiefen des Unterbewußtseinsentsprangen.

Das natürliche Empfinden des Individuums wehrtesich gegen die Entstofflichung. Je stärker derSelbsterhaltungstrieb ausgeprägt war, um soschwieriger wurde seine Überwindung.

Wir hatten Lloyd zwischen uns genommen. Dasleuchtende Kraftfeld schien die Höhle aufglühen zulassen.

Rhodan gab sich betont ruhig. Ich bemühte michebenfalls um meine Fassung. EinenTransmittersprung über etwa zwei Lichtjahre hinweghatte ich noch nicht unternommen; wenigstens nichtmit einem Gerät, das auf der Erde gebaut wordenwar.

Ich dachte an die physikalische Instabilität desDruufuniversums. Wenn wir schon bei einer ganznormalen Transition solche Schwierigkeiten gehabthatten - wie würde sie sich erst bei einemparaphysischen Transportvorgang auswirken?

Auch Rhodan erwog den gleichen Effekt. Wennsein Gesicht so ausdruckslos wurde wie jetzt, danngrübelte er über schwerwiegende Dinge nach.

Das Klingelzeichen kam nach drei Sekunden. Mirwaren sie wie Ewigkeiten erschienen. Lloyd sah michan. Die dunklen Augen in seinem scharfgezeichnetenGesicht glühten wie Kohlen. Er schien sich mit allerGewalt zusammenzureißen.

Ich versuchte ein Lächeln, das mir aber mißlang.Da der Sprungauslöser auf der rechten Seite desKäfigs lag, preßte ich meinen Daumen darauf.

Meine letzte, flüchtige Überlegung galt demEnergieaufwand des Transmitters. Mit gewöhnlichenStrukturtastern konnte er nicht angepeilt werden, daer keine hyperstrukturellen Schockwellen erzeugte.Wenn man aber das geeignete Gerät entwickelt hatte...

Der Entmaterialisierungsschmerz überfiel uns mitsolcher Stärke, daß ich mich selbst schreien hörte. Eswar, als begänne ein Chirurg mit der Operation, nochehe die Narkose voll wirksam ist.

Mein letzter Sinneseindruck vermittelte mirRhodans verkrampfte Gestalt. Sie war im Momentder beginnenden Entstofflichung eckig geworden undin die Breite gegangen. Dann fühlte ich nur noch denbrennenden Schmerz. Es war das Druufuniversum,

das sich anscheinend noch immer nichthundertprozentig stabilisiert hatte.

Anschließend war nichts mehr. Vielleicht warmein empfindliches Nervengewebe zuletzt aufgelöstworden. Eigentlich war es ja so, daß ein in seineAtome gespaltener Organismus überhaupt nichtsmehr fühlen sollte. Um so erstaunlicher waren dieseEffekte. Ich glaubte, in eine irrlichternde Feuerspiralehineinzufallen.

*

Das Brennen und Zerren in jeder Nervenfaserschien die Transportation mitgemacht zu haben. Alsdie Rematerialisierung im Empfangsgerät begann,kam zum natürlichen R-Schock noch dasÜberbleibsel der Auflösung hinzu.

Ich konnte noch nichts sehen, obwohl ich schonwieder körperlich war. Das gewohnteAuslauf-Rauschen eines auf Empfang gestelltenTransmitters war auch nicht zu hören. Entwederstanden wir schon einige Zeit im halbbewußtlosenZustand auf der Plattform, oder mit dem Gerät waretwas nicht in Ordnung.

Jedenfalls konnte ich meine Arme und Händebewegen. Ich tastete umher, und dabei merkte ich,daß jemand nach mir griff.

Die Hand gehörte Fellmer Lloyd. Sie drückte festzu, und da wußte ich, daß er ebenfalls einigermaßenin Ordnung war. Vor meinen Augen wallten roteNebel. Hier schien überhaupt alles rot zu sein.Langsam begann ich, diese Farbe zu hassen.

Dann glaubte ich, Rufe oder laute Schreie zuhören. Es dauerte noch lange, bis ich meinen Namenheraushören konnte. Gleich darauf konnte ich auchwieder sehen. Aus den Nebeln schälte sich LloydsGesicht heraus. Danach erkannte ich Rhodan, der aufdem Boden des Transmitters saß und unsicher seineFußkontakte zu lösen versuchte.

Nein - da waren ja überhaupt keine Kontakte! Wirstanden auch nicht auf einer kreisrundenSockelplattform, wie sie jeder terranische Transmitterbesaß.

Das, was wir mit den dicken Stahlplastiksohlenunserer Stiefel berührten, schien aus geschliffenenSteinplatten zu bestehen. In meinem Hirn breitetesich ein dumpfer, drückender Schmerz aus, der beimErwachen meines Logiksektors heftig aufbrandete,um dann abrupt zu verschwinden.

»Fehlsprung, fremde Umgebung. Nicht identischmit Terra-Raumschiff!« gab mein Extrahirn durch.

Da erwachte ich endgültig aus meiner eigenartigenStarre. Die Geräusche, die mir bisher alsDonnergetöse erschienen waren, wurden von meinemTornister-Energieaggregat erzeugt. DasHelmgravometer zeigte einen Ausgleichswert von

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0,95 Gravos an. Demnach befanden wir uns auf einerWelt oder einem Raumschiff, auf der oder in dem dieSchwerkraft 1,95 Gravoeinheiten betrug.

Diese unleugbare Tatsache machte mich munter.Es gehörte nicht nur zur Eigenart des Terraners, insolchen Situationen erst einmal und fast unbewußtzur Waffe zu greifen. Ich hatte den Impulsstrahlerschneller in der Hand, als es Fellmer Lloyd begreifenkonnte.

»Was ist?« fragte er hastig. Seine Stimme drangdumpf aus dem Druckhelm hervor.

Rhodan war meinem Beispiel inzwischen gefolgtAuch er schien die seltsame Schwäche überwundenzu haben.

Da erst sah ich mich richtig um. Wir befanden unsin einem sehr großen, nur matt erleuchteten Raummit gewölbter, fugenloser Decke. Uns gegenüberführte ein hoher Torbogen ins Freie. Dort war esnoch finsterer als in dem Saal. Die Einrichtungbestand lediglich aus einigen seltsamen,mammuthaften Maschinenaggregaten ringsum an denWänden und aus dem Gerät, in dem wir unsaugenblicklich befanden.

Es war eine Gitterkonstruktion ohne erkennbareAbschlußdecke. Wir standen auf dem nacktenSteinboden, der uns weder ein Gefühl der Wärmenoch das der Sicherheit vermittelte.

Weit über unseren Köpfen, nahe der gewölbtenDecke, hing eine rotglühende Metallkugel schwerelosin der Luft. Von ihr ging das widerliche Licht aus.Die Gitterkonstruktion umschloß eine etwa zehnMeter durchmessende, kreisförmige Fläche, dochwaren die Stäbe so weit voneinander entfernt, daßwir uns bequem zwischen ihnen hindurchzwängenkonnten.

Für Perry Rhodan war es ganz typisch, in einerderart verfahrenen Situation eine von denaugenblicklichen Eindrücken abweichendeBemerkung zu machen.

»Atembare Luft!« sagte er so laut, daß ich ihn klarverstehen konnte. »Lloyd, kippen Sie Ihren Helmzurück. Das ist für Sie die Chance.«

Ich schaute rasch auf meinen Analyse-Automaten.Bisher hatte er immer exakt reagiert. Tatsächlich,hier gab es Sauerstoff, Stickstoff und überraschendhohe Spuren von Edelgasen. Helium und Argonwaren fast überreichlich vorhanden. DerDruckmesser stand allerdings auf 1130 Millibar.Lloyd konnte es riskieren, seine kostbar werdendeFlaschenluft einzusparen.

Er stand apathisch neben mir. Da schlug ich mitder flachen Hand auf den Magnetverschluß seinesHelmes. Lautlos klappte er nach hinten. Ein Schwallverbrauchter, giftiger Luft wurde aus dem Anzuggepreßt.

»Aus!« sagte da der Mutant, ohne überhaupt auf

meine Maßnahme zu reagieren. »Wir sind bei denDruuf gelandet. Draußen kommt jemand näher. Ichspüre deutlich die fremden Gehirnimpulse. Ich kannnicht klar erkennen, was der Unbekannte denkt. Zufremd, zu nichtmenschlich in jeder Faser. Beinahe so,als würde ich ein halbintelligentes Tier mitÜberlagerungs-Körperfeldern belauschen. Aus, Sir!«

Ich klappte nun ebenfalls meinen Helm auf. DieLuft war überraschend gut, nur mußte ich mich erstan den hohen Druck gewöhnen. In meinen Ohrensauste es. Ich stocherte mit den kleinen Fingern,öffnete weit den Mund und wischte mir dabei endlicheinmal meine verkrusteten Augen sauber. Es war fürArkoniden immer unangenehm, für längere Zeit imRaumanzug verweilen zu müssen, denn dieAugenfeuchtigkeit steigerte sich im Zustand derErregung sehr stark.

Rhodan drückte sich zuerst durch die Stäbe. Mitweiten Sätzen sprang er nach vorn, wo er sich amweit vorspringenden Sockel der Türfüllung zu Bodenwarf.

Ich rief ihm hastig zu, er solle auf sein Gravometerachten. Da bemerkte er erst, daß wir uns imEinflußbereich von 1,95 Gravoeinheiten befanden.

Lloyd schleppte sich müde hinter mir her. Erschien bereit zu sein, endgültig aufzugeben.Nachdem ich den aus seinem Anzug aufsteigendenGeruch wahrgenommen hatte, wußte ich, was erbereits erduldet hatte.

Er blieb einfach hinter Rhodan stehen und lehnteden Rücken gegen die Wand. Ich ging auf deranderen Seite des Eingangs in Deckung.

»Wo können wir gelandet sein?« fragte Rhodanflüsternd.

Ich hob leicht die Schultern.»Mir geht es weniger darum, wo wir

herausgekommen sind, sondern weshalb das so ist!«entgegnete ich ebenso leise. »DieTransmitterjustierung war in Ordnung, da gibt eskeinen Zweifel. Das Grünlicht war auch da, alsomußte eine Station auf Empfang geschaltet haben,und zwar genau auf unserer Hyperfrequenz.«

»Diese hier!« Er warf einen düsteren Blick zu demunförmigen Gerät hinüber.

»Aber wieso? Es gibt Milliarden Möglichkeiten«,sagte ich erregt. »Da stimmt doch etwas nicht.«

»Irgendwie identisch mit unserer Transition mittenin das Druufsystem hinein. Hier müssenÜberlagerungskräfte vorherrschen, von denen wirnoch nicht einmal andeutungsweise etwas wissen.Vielleicht ist diese Maschine wegen ganz andererZwecke eingeschaltet worden. Wir gaben denSprungkontakt, und schon wurden wir eingefangen.Die Frequenzen haben dabei garantiert nichtübereingestimmt. Trotzdem sind wir gefaßt und ander falschen Stelle eingefangen worden. Feststeht

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nur, daß die DRUSUS überhaupt noch nicht da war.Ein verteufelter Zufall.«

Mir stieg die Galle hoch, wenn er in seiner typischterranischen Mentalität diesen Begriff gebrauchte.Nach unseren Forschungen konnte es keineZufälligkeiten geben.

»Es kommt näher«, hauchte Lloyd, der wiederstarr durch die Wand zu blicken schien. »DasGedankengut kann ich nicht so auswerten, als wennda ein Mensch käme. Eher handelt es sich um eineGruppenerfassung von Impulsen, die in diesem FalleErwartung ausdrücken. Was erwartet er?«

Rhodans Augen verkniffen sich, ein sicheresZeichen dafür, daß er mit einer Idee liebäugelte.

»Das, was dieser Druuftransmitter herbeischaffensollte. Dafür ist er eingeschaltet worden! Durchunbekannte Feldüberlagerungen bekamen wir dasGrünzeichen. Diese Burschen besitzen also auchfünfdimensionale Abstrahlungsbasis. Interessant!«

»Ich traue dem Ding nicht viel zu. Sieht eher wieein Versuchsgerät aus.«

Diesmal hob Rhodan die Schultern an. Wir wußtenes beide nicht genau, und zu einer eingehendenUntersuchung hatten wir weder Zeit noch dieerforderlichen Prüfgeräte.

»Vorsicht!« flüsterte Lloyd. Plötzlich hielt erebenfalls seinen Strahler in der Hand, nur war er miteinem Schockblaster ausgerüstet.

»Probieren Sie es mit dem Schocker«, meinteRhodan hastig. »Wenn es nichts hilft, können wirimmer noch mit unseren Impulswaffen eingreifen.«

Draußen, auf dem fast dunklen Flur, wurde dasGeräusch von schweren, tapsenden Schritten hörbar.Es klang, als setze jemand mit unnötiger Kraft seineFüße auf.

»Schwerkraft von 1,95 Gravos, natürlicherEffekt!« teilte mir mein Extrahirn mit.

Rhodan war ebenfalls auf den richtigen Gedankengekommen. Ob er aber auch ahnte, daß wir eswahrscheinlich mit großgewachsenen, äußerstmuskulösen Geschöpfen zu tun haben würden?Meine Erfahrungen sagten jedenfalls aus, daß aufbewohnten Planeten mit hohen Gravitationswertenimmer sehr stabil gebaute Intelligenzenherangewachsen waren. Schließlich mußten sie sichfrei bewegen und mühelos atmen können.

Augenblicke später sahen wir den Druuf! Wirlugten vorsichtig um die Türecke, und da bemerktenwir im Hintergrund des Ganges einen finsteren,wesenlosen Schatten von so quadratischer Form, daßmeine Augen vor Erregung feucht wurden. Langsam,für meine Begriffe zu langsam, stapfte daswenigstens drei Meter hohe Wesen auf uns zu. Ichwunderte mich darüber, bis mir der Zeitunterschiedzwischen Druufebene und Einstein-Raum einfiel.

Schnell flüsterte ich meinen Gefährten zu:

»Er ist um die Hälfte langsamer als wir, denktdaran. Für seine Begriffe bewegt er sichwahrscheinlich mit beachtlicher Geschwindigkeit.Lloyd sagte ja, er käme in erwartungsvollerStimmung. Da beschleunigt man gewöhnlich seinenSchritt. In dieser Hinsicht sind wir den Druuf alsoüberlegen.«

Als der Druuf endlich vom nach draußen fallendenLichtschein erfaßt wurde, konnten wir ihn richtigsehen.

Ich musterte ihn trotz seiner ungewöhnlichenKörperform in aller Ruhe. Lloyd dagegen stöhnteentsetzt auf, und Rhodan zuckte zusammen.

In dieser Situation kam mir meine arkonidischeSchulung als Xenopsychologe zugute. Ich wundertemich längst nicht mehr über die Geschöpfe, die inzahlloser Vielfalt von einer verschwenderischwirkenden Natur erschaffen worden waren.

»Guter Gott!« ächzte der Mutant. Dann schwieg erunter meinem verweisenden Blick.

Der Druuf war wirklich drei Meter hoch, nur warer fast ebenso breit gebaut. Auf unförmig wirkendenSäulenbeinen kam er näher. Es waren aber nur zwei,wonach er in etwa beruhigend wirkte. Die beidensehr starken Arme endeten in auffallend zarten undfeingliedrigen Greifwerkzeugen, die äußerlich auchungefähr einer humanoiden Form entsprachen.

Damit war die Menschenähnlichkeit aber auchrestlos erschöpft.

Erschreckend war der kugelrunde, etwa 50Zentimeter durchmessende Kopf mit den vier großenAugen, in denen sich jetzt das Licht brach. Zweisaßen vorn an gewohnter Stelle, aber die beidenanderen Sehwerkzeuge waren bei dem Druuf dortangeordnet, wo sich beim Menschen die Schläfenbefanden.

Nase und Ohren waren nicht vorhanden. Dazufehlte jeder Haarwuchs. Schließlich brachte mich derrißförmige Dreiecksmund auf die richtige Idee. DieseWesen stammten zweifellos von Insekten ab. Daherresultierte auch Lloyds Unvermögen, mittels seinertelepathischen Kräfte den Gedankeninhalteinwandfrei zu erfassen.

Es war gut, daß uns der Druuf vorher Gelegenheitgeboten hatte, seinen monströsen, klotzig wirkendenKörper zu betrachten. Ohne diesen unförmigen Kopfwäre er trotz seiner Unförmigkeit noch nicht einmalso beängstigend erschienen.

Ich kannte jedoch die Menschen, und ich wußteauch meine eigenen Gefühle klar zu definieren.Wenn auch der Verstand immer wieder sagte, auf dieäußere Form käme es bei der Beurteilung einesLebewesens überhaupt nicht an, sondern nur aufdessen Geist, so wehrte sich der Instinkt dennochgegen einen solchen Anblick.

Besonders aber wurden humanoide Wesen von

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unserer Art äußerst mißtrauisch, wenn ein Fremderoffenkundig ein Insekten- oder Echsennachkömmlingwar. Da machte das menschliche Gefühl einfachnicht mehr mit. Man konnte aufsteigendenWiderwillen, Argwohn und Mißtrauen nur noch mitden Kräften des klaren Verstandes unterdrücken,vorausgesetzt, der Verstand war dazu mächtig genug.

Ich beobachtete Rhodan unauffällig. Er schien wieerwartet mit seinem Gefühl zu kämpfen. Natürlichsagte er sich auch, daß der Druuf für sein Aussehennicht verantwortlich war. Wahrscheinlich waren wirfür ihn ebensolche Monstren wie er für unsereBegriffe.

Rhodan fing sich sehr rasch, nur Lloyd stand derWiderwille im Gesicht geschrieben. Das mochte aberin seinen besonderen Fähigkeiten begründet liegen.Er erfaßte ja mehr als ich vom eigentlichen Wesendes Druuf.

Wir zogen uns wieder in die Sichtdeckung zurück,da der Fremde sicherlich einen vorzüglichenGesichtssinn besaß. Er bewegte sich in der Düsternisso sicher, wie wir im hellen Sonnenschein.

»Gut treffen, Lloyd«, raunte ich schnell. »Er wirdnicht wie wir sprechen können. Wahrscheinlichverständigt er sich auf anderer Basis. Keine Zeit füreinen Hilferuf lassen.«

Lloyd nickte verkrampft. Widerwillen zeichnetesein Gesicht. Das Dröhnen verstummte für einenAugenblick, um dann wieder einzusetzen. Der Druuftappte langsam in die breite Türöffnung hinein, vonder ich nun wußte, warum sie so breit und hoch war.

Ich preßte mich hinter die glatte Mauer. Rhodanwar ebenfalls verschwunden. Als die Säulenbeine inmein Gesichtsfeld gerieten, sah ich, daß dieseSpezies über eine braunschwarze, lederartige Hautverfügte, die wie ein elastischer Panzer wirkte. Dieenganliegende Kleidung des Druuf war fastdurchsichtig. Ich fand es verwunderlich, daß sieüberhaupt eine künstliche Körperumhüllung fürerforderlich hielten.

Lloyd zögerte mit seinem Strahlschuß so lange,daß ich schon bereit war, mit meinem Impulsblastereinzugreifen. Dann erkannte ich aber, daß der Mutantnoch versuchte, die Geistesimpulse des Fremden ausnächster Nähe zu erfassen.

Im gleichen Augenblick blieb der Druuf ruckartigstehen. Ich sah, daß sich auch seine seitlich am Kopfsitzenden Augen nach vorn drehten. Starr, völligreglos auf einer Stelle stehend schaute er zu demGatter aus metallisch glänzenden Stangen hinüber.Ich ahnte, daß er das vermißte, was zu sehen ererwartet hatte. Für Lloyd wurde es Zeit!

Als das helle Krachen des Schockschussesaufklang, wollte ich eben zum Angriff übergehen. Ichunterließ es, da der mächtige Körper wie ein gefällterBaum zu Boden stürzte.

Schwer und hart schlug der Druuf auf. Ich fingseinen Kugelschädel ab, um ihn vor Verletzungen zubewahren.

Rhodan huschte aus seiner Deckung hervor. Diegroßen Augen des Fremden waren weit geöffnet.

Lloyd kam langsam und taumelig näher. SeinGesicht war verzerrt. Anscheinend stand er dicht voreinem neuen Dysenterieanfall.

»Ich habe noch gewartet«, erklärte er stockend.»Er dachte an etwas, was ich nicht verstehe. Esscheint aber ein Frachtstück gewesen zu sein. Erbeschäftigte sich mit einer Kiste, oder einem großenKarton. Ich ...«

Lloyd schwieg plötzlich. Stöhnend ging er in dieKnie. Ich schleppte ihn rasch zur Seite und legte ihnneben der Türfüllung auf den Boden. Die Qualen desMannes waren fürchterlich. Flüchtig dachte ich aneine mögliche Infizierung, die jetzt, nach dem Öffnendes Raumanzuges, durchaus möglich war. Doch daswar mir egal.

Ich ging zu Rhodan hinüber. Da sagte der Mutantächzend:

»Vorsicht, Sir, der Bursche muß doch noch eineArt von Warnimpuls abgestrahlt haben. Eine reintelepathische Nachricht war es aber nicht.«

Rhodan deutete stumm auf die winzigenAuswüchse oberhalb der vorderen Schädelrundung.Sie hingen zur Zeit schlaff nach unten.

»Fühler oder auch Antennen, wie man es nimmt«,erklärte er. »Kann es sein, daß sich die Druuf mitultrahohen Frequenzen verständigen?«

»Ultrasprecher?« entgegnete ich nervös. »Möglichist es schon. Ich kenne Intelligenzen, die in dieserWeise die Sprachwerkzeuge ersetzen. Das heißt: Fürsie sind es Sprachwerkzeuge, ebenso natürlich wiedie Stimmbänder für uns. Wenn Lloyd keineeinwandfreien telepathischen Impulse vernahm, wirdes wohl so sein. Demnach werden wir die Stimmeeines Druuf nur mit entsprechenden Hilfsgerätenverstehen können. Und was passiert jetzt?«

Er zuckte leicht zusammen, als ich das Thema soabrupt wechselte. Schwach deutete er zu dem Gatterhinüber.

»Kannst du das Ding in Betrieb nehmen? DerWohnsitz auf Hades wäre mir wesentlich lieber.«

Ich wußte, daß ich mit dem unsagbar fremdenAggregat ohne eingehende Versuche überhauptnichts beginnen konnte. Ich ahnte noch nicht einmal,wo es hier eine Kraftversorgung gab. »Sinnlos!«

Rhodan stand langsam auf. Starr schaute er auf denbretthart gewordenen Körper des dunkelhäutigenGiganten hinunter.

»Sie können uns zwischen ihren Armen müheloszerdrücken«, stellte er sachlich fest. »Okay, bringenwir ihn in Sicherheit. Da er so prompt umfiel, scheinter ein recht sensibles Nervensystem zu besitzen.

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Schätzungsweise wird die Lähmung nicht vor zweiStunden weichen. Bis dahin dürfte sich unsereSituation entschieden haben, was mit anderen Wortenbedeutet, daß wir ihn nicht festzubinden brauchen.Außerdem habe ich noch nicht einmal einenarmseligen Strick in der Tasche.«

»Das würde einem Romanhelden nie passieren«,lachte ich humorlos. »Sehen wir uns also um, bis sieuns haben. Lloyd, Sie bleiben am besten hier amEingang liegen. Verteidigen Sie sich mit IhremSchockblaster so gut und so lange es eben geht. Wiefühlen Sie sich?«

»Miserabel, Sir. Ich hätte nie geglaubt, daß es soetwas gibt. Alles Gute, Sir. Ich spüre wieder fremdeGehirnwellen, diesmal aber eine ganze Menge. Dielassen sich ja reichlich Zeit mit ihrem Auftauchen.«

Wir prüften unsere starken Impulsstrahler nach.Nur der Mutant besaß einen Schocker.

»Sir, tun Sie doch das Ungeheuer weg!« rief unsLloyd mit einem hysterisch klingenden Unterton inder Stimme nach.

Wir zerrten den Riesenkörper des Druuf nochtiefer in den Saal hinein. Lloyd lächelte mich dankbaran. Seine Antipathie war zu natürlich, um auf michbefremdend wirken zu können. Rhodan dagegensagte brummig:

»Stellen Sie sich nicht so an, Mann! Der sieht nuretwas anders aus.«

»Trotzdem, Sir, wenn ich ihn sehe, muß ichlaufend an die Hölle denken. Hier kommt so schnellkeiner herein.«

Ich unterließ es, ihn darüber zu belehren, wieeinfach das für die Druuf sein müsse. Was wollte ermit seinem Schockblaster schon anfangen! Natürlichhatten wir mit unseren tödlich wirkenden Waffenauch kaum bessere Chancen.

Er winkte uns nochmals zu, dann gingen wir. Eserübrigte sich, geduckt in den langen Gang zuschleichen, um etwa zu versuchen, den Blicken derFremden zu entgehen.

So schritten wir in aufrechter Haltung voran.Rhodan wußte auch, daß wir endgültig ausgespielthatten. Noch hatte uns niemand belästigt oder garangegriffen. Trotzdem war es ganz sicher, daß wirhier nicht mehr herauskamen, wenn nicht gerade einWunder geschah.

Rhodan meinte durchaus sachlich:»Ich glaube, daß wir uns tief unter der Oberfläche

eines Planeten befinden. Die Schwerkraft ist enorm.Unter Umständen sind wir auf der Nummer sechzehndes Druuf Systems gelandet, also auf demHauptplaneten, von dem du so viele Energieortungenbekommen hast. Da vorn sind Maschinen.«

Ich hatte das dumpfe Poltern auch schon gehört.Nach etwa hundert Metern öffnete sich vor uns einriesiger Saal, der diesmal aber mehrere Ausgänge

besaß. Türen schien man hier nicht zu kennen. Icherblickte überall diese offenen Torbogen.

Die Zweckbestimmung der vor uns liegendenAggregate war klar. Auch die Druuf konnten ihreAtomreaktoren nicht wesentlich anders bauen, alswir. Gekoppelte Umformerbänke sahen wir dagegennicht.

Es waren Mammutmaschinen, die man in diesemRaum aufgestellt hatte. Man verwendete drahtlose,feldisolierte Energieleiter, deren ultrablaues Leuchtenendlich einmal ein vernünftiges Licht schuf. Dasdüstere Rot war verschwunden.

Schweigend sahen wir uns die Großstation an.Sekunden später spürte sogar Rhodan mit seiner nurschwach entwickelten TelepathieGabe dienäherkommenden Druuf.

»Furchteinflößende Impulse«, behauptete er.»Kein Wunder, daß Lloyd einfach durchdrehte.Wenn wir vernünftig wären, würden wir uns nunwaffenlos und mit erhobenen Händen unter dienächste Tür stellen, um auf die Leute zu warten.«

Ich sah augenzwinkernd in sein verkniffenesGesicht.

»Sind wir vernünftig?«Er warf mir einen düsteren Blick zu und schüttelte

den Kopf.»Da drüben ist eine gute Deckung. Ich nehme den

Reaktorsockel auf der rechten Seite.«Rhodan ging, ohne noch ein weiteres Wort zu

verlieren.Ich suchte mir einen guten Platz aus und versuchte,

die allgemeine Lage zu übersehen. Dicht hinter mirlag der Gang, aus dem wir gekommen waren.Während wir ihn durchschritten hatten, war uns keineanderweitige Wandöffnung aufgefallen.

Demnach konnten wir uns hier einige Zeitaufhalten, um später in den Saal mit demEnergiegatter zurückzukehren. Dort würde dann wohldas unvermeidliche Ende kommen.

Ich dachte an Lloyd, an meine Freunde auf derErde und an meine wildbewegte Vergangenheit. Ichhatte viele ausweglos erscheinende Situationenerlebt, aber diese war es wirklich.

Wenn wir hier irgendwo einen Bekanntengefunden hätten, oder wenigstens jemand, der unsüber die völlig andersartige Technik der Druuf einenFingerzeig hätte geben können, hätten wir eswahrscheinlich darauf ankommen lassen und einenDurchbruch nach oben versucht. So blieben wireinfach in der Mausefalle sitzen, um auf daskommende zu warten.

Ja, ich wäre sogar losgespurtet, wenn ich davonüberzeugt gewesen wäre, ein Druuf-Raumschiffbedienen und fliegen zu können. Das wäre immerhineine kleine Chance gewesen.

So aber unterließ ich es sofort, mit dem Gedanken

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zu spielen. Letzten Endes hätte ich hilflos vor denKontrollen gestanden und die Arme doch in die Luftstrecken müssen.

Das aber wollten wir nicht. Wenn die Druufhumanoid gewesen wären, vielleicht! Wenn siegroßen Wert auf unsere gesunden Körper zumZwecke einer Untersuchung legten, dann sollten sieuns gefälligst holen; und zwar dort wo es uns paßte.

Ich sah zu Rhodan hinüber. Er hatte ebenfalls einegute Deckung gefunden.

Natürlich war unser Widerstand völlig sinnlos.Einmal würden sie uns haben. Eigentlich sollte mannichts unternehmen, wenn man so ganz genau weiß,daß es ohne jede Erfolgsaussicht ist.

Dennoch - was tut man nicht alles ohnebesonderen Sinn! Für uns war es schon wertvoll, fürvielleicht eine Stunde länger in Freiheit dieerstaunlich gute Luft einatmen zu können. Das warauch schon etwas wert!

9.

Wir hatten insgesamt vier Eingänge zuüberwachen. Der fünfte begann hinter uns. Das rechtsvor mir liegende Tor hatte sich vor wenigenAugenblicken unter den sonnenheißen Strahlschüssenmeines Blasters in einen glühenden Gesteinskuchenverwandelt, unter dem die metallischen Körper vonzwei ungewöhnlich geformten Roboternzerschmolzen waren.

Die Druuf hatten sich nicht selbst in die Feuerliniebegeben, aber sie hatten auch noch keinen ernsthaftenVersuch unternommen, uns aus den Deckungen zuvertreiben. Die vorgeschickten Robots schienen nochnicht einmal Spezialausführungen für denKampfeinsatz gewesen zu sein. Mir war es eher sovorgekommen, als hätte man erst einmalversuchsweise irgendwelche Reparaturmaschinengenommen, um zu sehen, wie wir auf derenEindringen reagierten.

Nun ja, wir hatten äußerst heftig unserer MeinungAusdruck verliehen, die da hieß: Bis zum Tor undkeinen Schritt weiter!

Damit war auch mein Gewissen beruhigt, das mirgeraten hatte, den Druuf eine ganz offizielleKampfansage zukommen zu lassen. Schließlichwaren Rhodan und ich die Vertreter eines großenStaatsgebildes, dessen gültige Gesetze einendeutlichen Unterschied zwischen Mord undkriegerischer Kampfhandlung machten.

Nunmehr wußten die Druuf also, woran sie waren.Es war ihre Sache, sich dementsprechendeinzurichten.

Das Isolationsgriffstück meines Thermostrahlerswar schon etwas warm geworden. In derMiniatur-Verschmelzungskammer wartete eine

winzige Katalyseladung auf den nächstenelektrischen Zündfunken. Ein Bruchteil derfreiwerdenden Energie wurde von demMikrokonverter aufgenommen, der alsStromerzeuger die Aufgabe hatte, die eingehendenKraftfelder für die Reaktionskammer und denGleichrichtungslauf zu erzeugen. Wäre das nicht sogewesen, hätte sich in meiner Rechten eine kleineAtombombe entzündet, denn die Katalyseladungreagierte beim kalten Fusionsprozeß auf eineAnlauftemperatur von nur knapp viertausend Grad.

Mein Ziel, der am weitesten rechts liegendeTorbogen, war etwa hundert Meter entfernt.Trotzdem wurden wir bereits von der freigewordenenHitze erfaßt. Übelriechende Qualmwolken breitetensich in dem Saal aus. Die darin aufgebautenMaschinen waren kurz nach meiner Feuereröffnungabgeschaltet worden. So kam es, daß wir das Brodelnund Zischen der nachglühenden Lava überdeutlichhörten. Der scharfe Geruch kann anscheinend vonden zerschmorenden Robotern.

Rhodan begann zuerst zu husten. Ich schaute austränenden Augen zu ihm hinüber und rief ihmanklagend zu:

»Schöne Helden sind wir. Die Luft, auf die wir sogroßen Wert legten, verpesten wir uns noch selbst.«

Er winkte ab und bekämpfte seinen Hustenreiz.Dann schrie er zurück:

»Ist dir klar, daß sie die Kraftstation nichtbeschädigen wollen? Wenn das eine wichtigeEnergieeinheit ist, sind wir hier ganz gutaufgehoben.«

Ich lachte spöttisch über seinen Optimismus. Aberso waren sie nun einmal, diese kleinen Barbaren. Bisdie einmal aufgaben, mußte schon eine halbe Weltzusammenstürzen.

Kurz vor dem ersten Schuß hatte ich es riskiert,Fellmer Lloyd über Helmfunk anzurufen. Er hattesofort geantwortet und mitgeteilt, es wäre ihmgelungen, seinen Raumanzug zu reinigen. Diesanitäre Anlage sei jedoch so schwer beschädigt, daßeine Reparatur ohne Spezialwerkzeuge nicht möglichsei. Sonst ginge es ihm einigermaßen.

Ich war davon überzeugt, daß er sich sehr elendfühlte, was er uns naturgemäß in dieser Lage nichtmitteilen wollte. Der geschockte Druuf war nochimmer starr und steif, was mich davon überzeugte,daß diese Giganten tatsächlich ein empfindlichesNervensystem besaßen.

Ich sah nach oben zur Decke, wo doch sicherlichdie Absaugschächte einer Klimaanlage sein mußten.Ich entdeckte auch einige Öffnungen, aber derunerträglich werdende Qualm wurde dort nichtaufgefangen. Demnach stand es fest, daß die Druufdiese Geräte ebenfalls abgeschaltet hatten.

Es war finster geworden. Eigentlich wurde die

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Halle nur noch von den rotglühenden Kugelgebildenerleuchtet, die ebenfalls dicht unter derDeckenwandung hingen. Ich nahm an, daß dieseKonstruktionen Antennen waren.

In meine Überlegungen platzte Rhodans Warnrufhinein. Ich senkte so heftig den Kopf, daß ich mir dasKinn an dem vorstehenden Randstück desMaschinensockels anschlug.

Wütend ging ich in die Knie und riß die Waffeerneut nach oben. Diesmal erschienen die Robotsgleich in allen drei noch nicht verschmolzenenEingängen.

Ich hörte das tiefe Donnern von Rhodans Blaster.Der grelle Glutstrahl blendete mich so, daß ich meinZiel kaum noch sehen konnte. Ich drückte erst ab, alssich das Fadenkreuz des Reflexvisiers über einenkugelförmigen Roboter legte, der mit beachtlicherGeschwindigkeit in den breiten Gang zwischen denrechts und links davon aufgestellten Großreaktorenhineinglitt.

Er war noch knapp fünfzig Meter entfernt, als ihnmein fingerstarker Energiestrahl voll traf. MeinGehör wurde noch vom Donnern des Schussesgepeinigt, da explodierte das Kugelgebilde.

Ein greller Blitz zuckte bis zur Decke empor. Ehemich die Druckwelle fassen konnte, lag ich schonflach auf dem Boden und umklammerte denGerätesockel. Es dröhnte und krachte, als wolltediese unbekannte Weit in die Luft fliegen.

Rhodan schoß wieder. Ich bemerkte seine hellenEnergiestrahlen, mit denen er planmäßig die beidenTore auf seiner Seite abstreute. Nachdem ich wiederin Stellung gegangen war quollen aus dem Eingangauf meiner Seite noch mehrere dieserKugelmaschinen hervor.

Ich schoß zweimal. Der Blaster ruckte hart gegenmeine Handfläche, und drüben entstand ein Chaos.Ehe jedoch eine zweite Maschine detonierte, zogensie sich so rasch zurück, daß ich kein Ziel mehrfinden konnte.

Mit einem langen Dauerschuß streute ich dieEinfassung des Tores ab, was zur Folge hatte, daß sieebenfalls blasenwerfend in sich zusammensank.

Da wurde es allerhöchste Zeit, den Helm zuschließen. Die Hitze wurde unerträglich, und dieRauchschwaden wurden so dick, daß wir kaum nochatmen konnten. Hell klickend rastete meineKopfumhüllung in die Magnethalterungen ein. DieSauerstoffanlage begann automatisch zu arbeiten.

»Da hätten wir es«, hörte ich Rhodans Stimme ausdem Lautsprecher drängen.

»Bist du sicher, daß sich hier keine Robotsversteckt haben?« fragte ich.

»Ziemlich. Wie man es bei dem Wirrwarr ebenfeststellen kann. Ich denke, wir werden uns langsamzum Gatterraum zurückziehen.«

»Verrückte Idee Wir halten die Kraftstation solange, wie es eben nur möglich ist. Wenn den Druufdie Maschinen so wichtig sind, daß Sie sie nichtzerstören wollen, dann ...!«

Es war Lloyds Stimme, die plötzlich unserGespräch unterbrach.

»Hier wird die Luft bereits schlecht, Sir«, gab erauffallend ruhigen Tones durch. »Die Tore kann mannicht verschließen, ich habe es probiert.«

Ich erfaßte das was er nicht erwähnen wollte.Wenn er gezwungen wurde, ebenfalls seinen Helm zuschließen, mußte er wieder auf Sauerstoffversorgungaus den Flaschen umschalten. Er hatte noch für etwasechs Stunden Luft wie wir nach unsererWiederverstofflichung festgestellt hatten.

Rhodan konnte ich nur noch schattenhaft sehen.Weiter vorn brannte der explodierte Robot aus.

»Gut, gehen wir also«, entgegnete ich, mutloswerdend. »Es wird aber erforderlich sein, das hinteruns liegende Schott zu zerschmelzen, damit derQualm auch draußen bleibt. Okay, erledige du das,Barbar. Ich ziehe mich zu Lloyd zurück.«

»Ich finde es erstaunlich, daß sich die Druuf nichtüber Funk melden und uns zur Übergabe auffordern«,entgegnete er ablenkend. »Ich sende mit fünf Watt.Das muß man doch auffangen können.«

»Worauf du dich verlassen kannst. Sie werden abermit der englischen Sprache kaum etwas anfangenkönnen. Vielleicht kennen sie das Arkonidische.«

»Ach!«»Halte dich nicht schon wieder für den Nabel der

Galaxis. Warum sollten sie nicht Arkonidischverstehen? Von unseren Leuten sind viele Milliardenin die Druufebene entführt worden. Ich erinnere andie Überlappungsfronten. Daraus können die Druufetwas abgeleitet haben, wie zum Beispiel einenÜbersetzungsapparat. Englischsprechende Menschensind meines Wissens noch niemals von den Zonenaufgesaugt worden.«

Plötzlich sprach er Arkonidisch, was aber auchnicht viel nützte. »Die Luft wird schlechter!« mahnteLloyd.

Rhodan schritt langsam zur hinter uns liegendenTür hinüber. Ich folgte ihm, nachdem ich noch einenBlick auf die so düster erleuchteten Maschinengeworfen hatte. Einen Augenblick lang spielte ichmit dem Gedanken, sie gebrauchsunfähig zu machen,dann sah ich aber ein, wie sinnlos die Zerstörunggewesen wäre.

Als wir noch einen Meter von dem hohen Torentfernt waren, begann der Mutant zu brüllen.

»Sir, jemand durchbricht die Decke desVerbindungsstollens. Sir, Atlan, Chef so hören Siedoch! Sie kommen schon herein. Sie sind in IhremRücken. Ich kann deutlich die Hirnimpulsewahrnehmen. Ich erkenne ihr Vorhaben!«

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Wir rannten bereits. Diesmal war es vorbei mitdem langsamen, aufrechten Schreiten durch deninsgesamt etwa hundertfünfzig Meter langen und fastgradlinig verlaufenden Tunnel.

Wir schalteten unsere starken Helmscheinwerferein, deren Lichtflut das vor uns liegende Wegstückstrahlend hell erleuchtete.

Etwa in der Mitte des Stollens entstand ein großesLoch in der Decke. Doch bevor man uns von dort ausunter Feuer nehmen konnte, waren wir daran vorbei.

Wir schrien nach Lloyd, damit er uns nicht mit denGegner verwechselte, und anschließend taumeltenwir in den Raum mit dem Energiegatter hinein.

Ich kippte meine Kopfbedeckung ebenfalls auf dieSchultern zurück. Neben mir warf sich Rhodan hinterdie vorzügliche Deckung der stabilen Toreinfassung.Sein Atem kam schwer und stoßweise.

»Das war hart, wie?« erkundigte sich Fellmer.Ich drehte mich um und sah forschend in sein

Gesicht. Es war blaß, aber augenblicklich schien eretwas Ruhe zu haben. »Wie geht es Ihnen?« Ermachte eine wegwerfende Handbewegung.

»Es ist nicht angenehm, Sir. Nach dem letztenAnfall muß ich besinnungslos gewesen sein. Wielange noch?«

Er meinte unsere Lage, aber darüber konnte ich ihnauch nicht aufklären.

»Sie werden langsam die Geduld verlieren«, stellteRhodan nüchtern fest. »Ich an ihrer Stelle ließe mirdas in meinem eigenen Bau nicht lange gefallen.Atlan, wir werden uns im letzten Moment ergeben,ist das klar?«

Das hatte wie ein Befehl geklungen. Ich aber warweder gewillt noch verpflichtet, Anweisungenanzunehmen, falls ich mich nicht an Bord eineskriegführenden Schiffes der Solaren Flotte befand,wo eine Unterordnung selbstverständlich war.

Ich musterte ihn abschätzend.»Das werde ich mir noch überlegen, Freund! Ich

bin nicht daran interessiert, vonInsektennachkömmlingen viviseziert zu werden.«

Lloyds Gesicht hatte sich verfärbt. Rhodan preßtedie Zähne zusammen, daß es laut knirschte.

»Trotzdem, auch auf diese Gefahr hin!« beharrte erauf seinem Standpunkt. »Damit haben wir immernoch eine Chance zum Entkommen.«

»Lächerlich! Wenn wir uns im Einstein-Raum undin der Gewalt eines bekannten Volkes befänden,würde ich ja sagen. So aber ...?«

Ich schüttelte den Kopf und wandte mich wiederdem Eingang zu. Draußen war jedoch alles ruhig.

Ich wollte eben eine Konzentrattablette aus demHelmspeicher in den Mund führen, als die Druufeinen neuen Versuch starteten. Aus dem Deckenlochfiel heller Lichtschein. Dumpfes Rumoren klang auf.Wir lauschten mit angehaltenem Atem.

»Das klingt wie ein rollender Panzer«, flüsterteLloyd.

»Oder wie schwere Kampfroboter mit eingebautenAbwehrschirmen«, fügte ich hinzu. »Wenn sie solcheMaschinen einsetzen, sind wir mit unserenHandwaffen hilflos. Okay, überlegt euch gut, ob ihreuch ergeben wollt oder nicht. Ich entscheide micherst im letzten Augenblick.«

Fellmers Gesicht begann sich schon wieder zuverfärben. Würgend und mit aufsteigender Übelkeitkämpfend, wandte er sich ab. Wenig später lag erverkrümmt an der Mauer.

Draußen fiel Deckenschutt auf die Gangsohlehinab. Es handelte sich um gewachsenen Fels, dermit dicken Brocken des Verkleidungsmaterialsdurchsetzt war. Man erweiterte die Öffnung, obwohlmir das sinnlos erschien. Warum schickten sie ihreTruppen oder was es sonst sein mochte, nicht einfachdurch die Reaktorhalle?

Ich gab es auf, mir darüber Gedanken zu machen.Uns konnte es gleichgültig sein, aus welcherRichtung sie nun kamen.

Ich lag mit schußbereiter Waffe, die ich wieder aufvolle Strahlleistung geschaltet hatte. Der Daumenmeiner linken Hand ruhte auf dem Schließknopf derHelmautomatik.

Rhodan stieß mich plötzlich mit demausgestreckten Fuß an. Sein Gesicht war eigenartiggespannt. Ich sah zu ihm hinüber.

»Hörst du nichts? Da ruft jemand meinen Namen!«»Äh ...?«»Wenn ich dir sage, jemand nennt meinen Namen!

Das ist eine telepathische Nachricht.«Er lachte unsicher und drehte sich zu dem

Mutanten um. »Lloyd, hören Sie es auch?«»Ja, Sir, aber recht schwach«, stöhnte Fellmer.

»Jemand ruft Sie mit Perry Rhodan an. Gefahr wäreim Anzug. Ihm, dem Rufer, täte es leid, unsversehentlich mit dem Transmitter eingefangen zuhaben. Es wäre aber dennoch gut gewesen, da er nunseinen inneren Widerstand überwinden könne. Nein,Sir, er weiß nicht, wer er ist. Ich habe ebenzurückgefragt.«

Selten hatte ich ein so verblüfftes Gesicht gesehen.Rhodan schien außer sich zu sein. Ich hielt die Sachefür einen schlechten Scherz.

»Wer, um alles in der Welt, kann hier meinenNamen kennen? Was sind das überhaupt fürmystische Andeutungen? Er muß doch wissen, wer erselbst ist.«

»Eben!« bekräftigte ich ganz und gar humorlos.»Ein Trick der Druuf, sonst nichts.«

»Eine neue Mitteilung«, rief Lloyd dazwischen.»Er sagt, wir sollten wieder in den Käfig steigen. Erwürde uns >zurückschalten<. Doch, er gebraucht denAusdruck >zurückschalten<. Er kann aber immer

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noch nicht sagen, woher er Ihren Namen kennt undweshalb er uns überhaupt helfen will.«

Diesmal wurde ich ärgerlich. »Paß doch auf«, fuhrich Rhodan an. »Da kommt etwas aus dem Loch.«

Ich erkannte die plumpen Beine eines riesigenRoboters. Er war den Druuf nachgebildet. Dasbewies mir, daß es sich um eine Kampfmaschinehandelte. Fast jede robotbauende Intelligenzverwendete Merkmale der eigenen Anatomie alsGrundlage für die Herstellung solcher Waffenträger.

Ich zögerte nicht lange. Dumpf aufbrüllend schlugder Blaster in meiner Hand zurück. Der dickeEnergiestrahl erfaßte die baumelnden Gehwerkzeugeund - prallte versprühend ab.

Mein zweiter Schuß brachte die Decke zumAbschmelzen, doch da segelte die Maschine schonlangsam nach unten.

Glühheiße Druckwellen fauchten durch unser Tor.Wir brauchten nicht mehr zu schalten, da dieThermoautomatik der Helme sofort reagierte. Ichriskierte einen dritten Feuerüberfall, der den Robotaber nur schwach nach hinten taumeln ließ.

Ohne uns vorher verständigt zu haben, sprangenwir in die große Halle zurück. Als die Maschine ebeneintreten wollte, brach der Eingang unter demGluthauch unseres Atomfeuers zusammen. Die bishernoch gute Luft war plötzlich rot wie Blut. In unserenAnzügen liefen die Schirmfeldprojektoren an. Es wareigentlich ein Wahnsinn, hier Thermostrahlereinzusetzen.

»Neue Nachrichten«, sagte Lloyd über Helmfunk.»Wir sollen endlich einsteigen. Er will uns sofortzurückschalten. Neue Roboter seien im Anmarsch.Um Gottes willen, Sir, so probieren Sie es dochwenigstens.«

Ich wußte nicht, ob er nun mich oder Rhodangemeint hatte. Ich blickte zu dem Energiekäfighinüber. Ich traute ihm überhaupt nichts zu.

Da begannen die dicken Gitterstäbe plötzlich zuflimmern. Entweder kam es durch die enorme Hitze,oder jemand hatte tatsächlich das transmitterähnlicheGerät eingeschaltet.

»Ich werde verrückt!« sagte Rhodan fassungslos.»Ist da etwas dran?«

»Ziemlich abenteuerlich«, spöttelte ich trotz derverzweifelten Lage. »Wer weiß, was uns in dem Dingpassiert.«

Lloyd schritt auf schwankenden Beinen an unsvorbei. Langsam näherte er sich den Stäben und tratunangefochten hindurch.

Wir sahen einen Augenblick atemlos hinüber.Nein, es geschah ihm nichts.

Vor der zerschmolzenen Türfüllung begann es zudonnern. Man war dabei, den weißglühendenSchuttberg mit irgendwelchen Gerätenwegzuräumen.

»Noch eine Minute, Arkonide!« In RhodansAugen flimmerte es. Da erhob ich mich langsam undging ebenfalls auf das Gatter zu. Er folgte mir dichtauf dem Fuße. Lloyd lauschte in sich hinein. »Erwünscht viel Glück«, sagte der Mutant. »Nochmals:Es wäre ein Versehen gewesen. Er möchte sagen,daß...«

Die folgenden Worte hörte ich nicht mehr. Eineunsichtbare Gewalt griff nach meinem Körper.

10.

Unser Stollen auf dem Umlaufdreher Hades war sofinster und luftleer wie vorher. Wir fanden uns indem Transmitter wieder, nur wußten wir nicht, wielange wir besinnungslos gewesen waren.

Lloyd war noch immer ohnmächtig. Rhodanstöhnte in mühevoll unterdrückten Schmerzen. Wirsprachen lange nichts, da wir für das Phänomen keineErklärung fanden.

Meine Logik sträubte sich auch, die unglaublichenGeschehnisse zu verarbeiten. Diese Rettung aushöchster Not klang wie eine schlechte Pointe.

Dennoch mußte es auf der unbekannten Weltjemand geben, der Rhodan kannte. Wer aber?Handelte es sich um eine Person, die einmal durchein Relativfeld der Druufzone entführt worden war?

Mir schwindelte, wenn ich nur versuchte, diesenGedankengang weiterzuspinnen.

Rhodan meldete sich plötzlich über Funk.»Lloyd hat nur noch knapp fünf Minuten Luft«,

hörte ich ihn gepreßt sprechen. »Das bedeutet, daßwir über fünf Stunden bewußtlos waren.«

Die Mitteilung erschütterte mich. Deshalb also warder Mutant noch nicht zu sich gekommen.

Wir versuchten, ihn durch Rufe und heftigesRütteln aufzuwecken. Dabei übersahen wir völlig diegrüne Transmitterlampe, die nach wie vor leuchtete.Nur schien sie nicht mehr in einem konstantbleibenden Licht, sondern zuckte in unregelmäßigenAbständen auf.

Ich brauchte einige Sekunden, bis ich auf einmalden Sinn der Mitteilung erfaßte. Jemand morste mitdem Gegengerät, indem er es rhythmisch ein- undausschaltete.

Rhodan begann gedehnt zu buchstabieren.»D ... R ... U ... S ... Mensch, DRUSUS heißt das,

DRUSUS!« brüllte er mit solcher Lautstärke, daß mirdie Ohren dröhnten. »DRUSUS, sie sind da.«Weiterhin schreiend sprang er nach vorn und hiebden Schalter des Transmitters in Anlaufstellung.Zusammen bemühten wir uns, Lloyds Füße in dieKontaktklammern zu schieben.

Als wir es geschafft hatten, zerrten wir ihn an denArmen hoch und stützten ihn mit unseren Körpernab. Dann drückte ich schnell auf den Auslöser.

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Diesmal war mir der Entmaterialisierungsschmerzwillkommen; ganz egal, was danach noch folgensollte. Ehe wir vergingen, gewann ich einen letztenEindruck von Rhodans Gesicht. Es strahlte imwahrsten Sinne des Wortes.

*

Als wir erwachten, lagen wir in blütenweißbezogenen Betten, die zweifellos zur vorbildlichenBordklinik des Flottenschiffes DRUSUS gehörten.

Nur Lloyd war nirgends zu sehen. Ich richtetemich auf den Ellenbogen auf und schaute michverwundert um.

Ein dicklicher Mann mit strohblonden Haaren undeinem viel zu weiten Kittel sah mir in die Augen.

»Hallo, Doc, auch wieder im Lande?« sagte ich.Er blies die Backen auf und entgegnete an Stelle

einer Begrüßung:»Woher, bei allen Heiligen, hat Lloyd die

infektiöse Dysenterie? Er war fast erstickt, als wir ihnaus dem Transmitter zogen.«

Da wußte ich ganz genau, daß wir in Sicherheitwaren. Für Dr. Sköldson war es ganz typisch, daß ersich erst über den wirklichen Kranken unter unserkundigte.

»Keine Ahnung, Doc, wirklich nicht. Lloydmeinte, es könnte vielleicht von dem Quellwasser aufGray. Beast kommen.«

»Was? Hier, unser Wasser?«Die Bemerkung ließ mich wieder hochfahren.»Wieso hier? Sind wir etwa auf Gray Beast?«»Was dachten Sie? Sie schliefen vierzehn Stunden.

Die DRUSUS ist längst gelandet, nachdem wirIhretwegen eine kleine Ewigkeit lang im Druufraumherumgekurvt sind. So, also von dem Quellwasser,meint er, hmmm ...«

Er griff sich an das bartlose Kinn und sah michabschätzend an.

»Dann verstehe ich aber nicht, warum er nichtschon vor unserem Alarmstart zu mir gekommen ist.Die Infizierung mußte zu diesem Zeitpunkt schonlängst bemerkbar geworden sein.«

»Da haben Sie recht, Doc. Vielleicht hätten Sienicht über der Bordklinik der CALIFORNIA einSchild aufhängen sollen, mit der Aufschrift Eintrittnur kriechend gestattet! Diese Kerle besitzen ebeneinen verrückten Stolz.«

Diesmal war er wirklich betroffen, aber er kamnicht mehr dazu, eine Antwort zu erteilen.

Eine johlende Männermeute stürmte denKrankenraum. Vorneweg unser lieber Reginald Bullund dicht dahinter Sikermann der blonde Riese. Wersonst noch alles kam, konnte ich nicht mehrfeststellen.

Wir wurden mit Fragen überschüttet, die Rhodan

noch im Halbschlaf beantwortete. Ich wollte dagegenwissen, weshalb die DRUSUS so lange hatte auf sichwarten lassen.

Bullys Gesicht wurde ernst. Rhodan wurde nunendgültig munter.

»Der Sprung mit der CALIFORNIA gelang ganzgut und der Durchbruch ebenfalls. Wir sind nichtmehr bewußtlos geworden, wonach dieAngleichungstheorie richtig ist. Nur kamen wiranschließend nicht mehr durch die Blockadefront derRobotflotte. Bis vor kurzer Zeit haben mehr alsfünfzigtausend Schiffe vor dem Entladungsrißgestanden. Wir hätten eine Schlacht riskierenmüssen, wenn die DRUSUS hätte durchbrochensollen. Da unterließen wir es, da wir uns eurenLuftvorrat ausrechnen konnten. Wenn wir natürlichetwas von Lloyds Krankheit und über die damitverbundenen Folgen gewußt hätten, wären wirgekommen. So aber erschien uns das Risiko imVerhältnis zum Erfolg zu groß.«

Damit hatte das Rätsel eine ganz einfache Lösunggefunden. Wir hatten schon mit unlösbarenSchwierigkeiten beim erforderlichen Hypersprunggerechnet.

»Wie geht es Lloyd?« fragte Rhodan matt. Ichfühlte mich ebenfalls wie erschlagen.

»Tadellos«, fiel Sköldson ein. »Die Dysenterie istbereits gestoppt worden. Sie haben eineSchutzimpfung erhalten. In wenigen Tagen hat ersich wieder erholt. Es war gerade noch Zeit.«

»Und die Arkonidenflotte?«»Ist mit einem großen Teil der

Springer-Raumschiffe abgezogen worden. Zur Zeiterfolgen keine Druufangriffe«, antwortete Bullyungeduldig. »Was war aber bei euch los? Ich habefast sechs Stunden lang mit dem Empfänger denSchiffsnamen gemorst. Schließlich war das soausgemacht!«

»Ausgemacht?« wunderte ich mich. »Wieso? Wirhatten keine Ahnung.«

»Ich hatte es nach dem Start der CALIFORNIAüber Funk durchgegeben.«

»Witzbold«, murrte Rhodan ärgerlich. »Wir habengerade noch gehört, daß ihr durch die Angreiferfrontgekommen seid. Dann war es vorbei mit demVerstehen.«

Bullys Gesicht zog sich deutlich in die Länge. ImHintergrund brach der Mausbiber Gucky in schrilleRufe aus. Er schien sich über die Niederlage seines»besonderen« Freundes köstlich zu amüsieren. Wirachteten nicht darauf. Zu deutlich hatten wir nochFellmers Worte im Ohr, mit denen er uns dietelepathischen Nachrichten eines Unbekanntenmitgeteilt hatte.

»Vermissen wir einen Mann der CALIFORNIA?«erkundigte sich Rhodan.

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Die umstehenden Männer sahen sich verblüfft an.Nein, die Besatzung war bis auf uns vollzähliggewesen.»Gib es auf, Perry« warf ich leise ein. »Das werdenwir wahrscheinlich nie erfahren.«»Ja, was war denn los?« schrie Bull. »Später«,murmelte Rhodan schläfrig, »später. Aber das werdeich noch herausfinden, mein Wort darauf.«Dr. Sköldson wies die neugierigen Männer mit rechtharten Worten hinaus, wobei er sich auf seineunbestreitbare Autorität als Chefarzt der DRUSUSberief.Ich aber dachte noch einige Augenblicke darübernach, worin nun der Sinn unseres Unternehmensbestanden hatte. Nun ja, wenigstens wußten wir nun,mit wem wir es zu tun hatten.Das waren die Intelligenzen, die vorunwahrscheinlich langer Zeit meinEinsatzgeschwader vernichtet hatten. Sie hatten michgezwungen, Jahrtausende lang im biochemischenTiefschlaf zu liegen.Sie waren daran schuld, daß ich seit grauer

Vergangenheit auf der damals noch wilden undbarbarischen Erde umherstreifte, immer in demBemühen, die Terraner zu schulen, um dadurchendlich die technischen Möglichkeiten zu erhalten,wenigstens einen Hyperfunksender zu bauen.Es war sinnlos gewesen. Niemand hatte mir helfenkönnen, und fünfdimensionale Feldumformer hatteich nicht aus den Ärmeln schütteln können.Nun wußte ich, wo die Urheber zu suchen waren. Esstand fest, daß ich eine sehr hohe Rechnung mitihnen zu begleichen hatte.Mit diesem Gedanken schlief ich ein. Es war an derZeit, Kräfte für die kommenden Einsätze zusammeln; Rhodans Flottenstützpunkt auf demMyrthaplaneten Gray Beast war nach wie vor eineverrückte Idee. Vielleicht aber konnte ich meineWarnung so anbringen, daß wir bei der sicherlichbevorstehenden Entdeckung nicht mehr auf dieserWelt waren. Vielleicht!

E N D E

Perry Rhodan hat seinen geheimnisvollen Gegnern aus der fremden Zeitebene erstmals von Angesicht zuAngesicht gegenübergestanden und ist dabei in eine mehr als fatale Situation geraten, die schließlich nur durchdas unerwartete Eingreifen eines unbekannten Freundes bereinigt werden konnte.Wer ist dieser Unbekannte? Ist es ein Druuf, der mit der Sache der Terraner sympathisiert?

UNTER DEN STERNEN VON DRUUFON

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