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LÜCKENschlussDas städtische Reihenhaus
INHALT UND KONZEPTIONUniversität SiegenFakultät 2: Bildung · Architektur · KünsteDepartment ArchitekturStadtplanung und PlanungsgeschichteStädtebau und Städtebauliches EntwerfenDipl. Ing. Kathrin Herz
DRUCKZentrale Vervielfältigung Universität Siegen1. Auflage, Siegen 2013
LÜCKENschlussDas städtische Reihenhaus
Dokumentation der Ergebnisse des StegreifentwurfsSommersemester 2012
Annäherung
Baulücken
Die Reaktivierung urbaner Potentiale im städtischen Kontext ist die Antithese zum Ressourcenfraß auf der ‚grünen Wiese’,
das Gegenmodell zur Suburbanisierung mit all ihren Folgen. Die Beschäftigung mit Baulücken ist die Beschäftigung mit
Stadt auf Mikroebene. Baulücken sind Leerstellen oder Brüche innerhalb des Stadtkörpers wie wir sie beim Spaziergang -mit
offenen Augen- in jeder Stadt entdecken.
Hierbei unterscheidet man zwischen ‚klassischen’ und ‚geringfügig bebauten’ Baulücken. Erstere, die klassische Baulücke
definiert sich als nichtbebaute Parzelle, die an einer geschlossenen Straßenflucht angrenzt. Bei der geringfügig bebauten
Baulücke weichen Maß und Art der baulichen Nutzung von der, der umgebenden Bebauung ab.
Beide Typen vereint jedoch die Verortung an einer funktionstüchtigen technischen Infrastruktur und verkehrlichen Erschließung
sowie das Vorhandensein -je nach Lagegunst- einer mehr oder wenigen umfangreichen Versorgung mit Bildungs- und
Kultureinrichtungen, Gütern des täglichen Bedarfs, ÖPNV-Anschluss...
Was also hemmt die Entwicklung dieser baureifen Flächen in funktionierenden Quartieren?
Ungünstige Zuschnitte und Orientierung der Grundstücke, Auflagen des Brandschutzes, Altlasten, Stellplatzregelungen,
Nachbarschaftskonflikte, mangelndes Verkaufsinteresse oder schwierige Eigentumsverhältnisse sind nur einige der Ursachen
für das Fehlen von Bebauung oder das Existieren von mindergenutzten Grundstücken.
Projekte, wie das 2,56 Meter breite Wohn- und Geschäftshaus von BK+ Architekten am Kölner Eigelstein zeigen, dass auch
extreme Grundstücke bebaubar sind. Anstelle eines eingeschossigen Kiosks steht dort seit 1997 ein fünfgeschossiges Haus.
Auch wenn hierbei der Planungsaufwand höher war und privatrechtliche Verträge mit den Nachbarn abgeschlossen werden
müssten um die Grundfläche optimal nutzen zu können, machen sie Mut!
Typologie Städtisches Reihenhaus
1 Insulae und Typenhäuser, Piräus (Hippodamos von Milet / um 480 v. Chr.)2 Palazzi am Canal Grande, Venedig (div. Architekten / 16. - 18. Jahrhundert)3 Borneo-Sporenburg, Amsterdam (West 8, Bauzeit ab 1995)
Laut den Architekten Günter Pfeifer und Per Brauneck ist ‚Typologie ist die ‚Abstrahierung formaler Merkmale zum Prinzip‘1.
Schubladendenken? Nein, vielmehr die ‚Beschäftigung mit den Grundfesten der Architektur’, so Rafel Moneo in seinem
Essay ‚On Typology’! Denn, anders als in den Naturwissenschaften ist der Typologiebegriff in der Architektur kein reiner
Ordnungsbegriff, sondern ein Wissenscontainer: Er speichert Ursprung und Wesen der Typologien. Die simple Frage ‚Warum
ist das städtische Reihenhaus wie es ist?‘ verweist uns auf das dialektische Verhältnis von Typologie und Ort (Ort umfasst in
diesem Fall nicht nur den Begriff des topografischen Raumes, sondern erweitert sich um den Begriff Kontext, in dem sich
Sozialstruktur, Religion und Politik einer Gesellschaft widerspiegeln.
Bei der typologischen Betrachtung werden einzelne Objekte anhand ihrer strukturellen Analogien bestimmten Gruppen zu
geordnet. Wie die menschliche Wahrnehmungsstruktur dem Erkennen der Wiederholung von Mustern und somit dem Ver-
langen nach Vereinfachung unterworfen ist, ist jedes architektonische Objekt -mag es noch so spektakulär sein- nur eines
von vielen.
Was also charakterisiert den Typus des städtischen Reihenhauses?
Neuferts Bauentwurfslehre definiert diese Typologie folgendermaßen: „...gemeinschaftliche Bauform in Reihung gleicher
oder abgestimmt variierender Haustypen, offene oder geschlossene Bauweise, hohe Verdichtung bei gutem Wohnwert
möglich, besonders wirtschaftliche Hausform...“2. Ist dass nun das Patentrezept für das Reihenhaus und der Freischein für
dessen sture Wiederholung? Nein! Obwohl ganze Städte auf typologischen Eigenheiten dieses Typus errichtet sind, zeigt der
Exkurs hinweg über Ländergrenzen und quer durch die Geschichte das Gegenteil: Nämlich die kontinuierliche Auseinander-
setzung mit dem Typus und dessen Unterwerfung eines ständigen Transformationsprozesses.
1 PFEIFER Günter, BRAUNECK Per: Hofhäuser: Eine prospektive Wohnbautypologie in vier Banden. Band 1: Birkhäuser Berlin, 20072 NEUFERT Peter, NEFF Ludwig (Hrsg.): Neufert Bauentwurfslehre. 36. Auflage, vieweg, Braunschweig/Wiesbaden, 2000, S. 274 3
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1
Ort und Typologie stehen in enger Beziehung. So ist der Ort zunächst die Bedingung eines jeden Bauens. Die Typologie ist
somit ein unmittelbares Produkt ihrer räumlichen Umgebung.
Gegenstand des Stegreifentwurfs ist das städtische Reihenhaus. Der Ort, die Baulücke muss von dem Studierenden selbst
gefunden werden! Die Suche nach dem Ort dient der Erlangung eines Verständnisses für das dialektische Verhältnis
zwischen Haus und Stadt. Am konkreten Entwurf - insbesondere der Grundrissorganisation - wird die interne Erschließung
als maßgeblich prägendes Merkmal des Typus Reihenhaus untersucht.
Vorgehensweise:
finden Sie den Ort, die Baulücke für das Reihenhaus
dokumentieren Sie den Ort / erstellen Sie die Plangrundlage
entwerfen Sie das Reihenhaus
Arbeitsschritte waren:
1. Lageplan mit Grundrissplan Erdgeschoss
2. Grundrisse Obergeschosse, Schnitte, Ansichten
3. Modell
4. Sonstiges (Illustrationen, Piktogramme, Entwurfsprinzipen...)
Ort finden
Projekte
Oranienstraße 33/35, Freudenberg / Tamara Jung
A-A
A-A
B-B
B-B
1 Ansicht Nord-West2 Grundriss Erdgeschoss3 Grundriss 1. Obergeschoss4 Grundriss 2. Obergeschoss5 Grundriss 3. Obergeschoss
1 2
5
4
3
Oranienstraße 33/35, Freudenberg / Tamara Jung
1 Schnitt B-B2 Schnitt A-A3 Ansicht Süd-Ost
Ein ‚friendly alien’ drängt sich in die Struktur der aufgelösten Blockrandbebauung und behauptet seinen Platz zwischen den denkmalgeschützten Fachwerkhäusern der historischen Altstadt Freudenbergs. Das Ensemble aus Vorder- und Hinterhaus greift die städtebaulichen Motive ‚Gasse‘ und ‚Platz‘ auf und setzt diese auf der eigenen Parzelle fort.2
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S- 0 2
S- 0 1
Martinstraße 16, Olpe / Veronika Ida Nohl
S- 0 2
S- 0 1
S- 0 1
S- 0 2
S- 0 1
1 Schnitt2 Grundriss Erdgeschoss3 Grundriss 1. + 2. Obergeschoss4 Grundriss 3. Obergeschoss5 Grundriss 4. Obergeschoss
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1
Martinstraße 16, Olpe / Veronika Ida Nohl
1 Ansicht von der Straße2 Schnitt 3 Schnitt4 Piktogramme
Parasit oder Symbiose? Die Andockung und Aufstockung an einen bestehenden Baukörper schafft autarken Wohnraum und heilt eine architektonische Wunde. Die Grundrisse sind klar gegliedert: Im offenen Grundriss des 3. Obergeschosses spiegelt sich die familiäre Gemeinschaft. Das 4. Obergeschoss bietet Rückzugsmöglichkeiten für die einzelnen Familienmitglieder. Flexibilität und großes Potential hinsichtlich Generationenwohnen bietet der angedockte Erschließungsbaukörper, der Durch-brüche zum Bestandsgebäude denkbar macht.3
1
2
4
Reguliersgracht 109, Amsterdam / Annika Heinz
Küche
Essen
Wohnen
Terrasse
Küche
Bad
Eingang
Bad
Schlafen
Gäste
Dachterrasse
Arbeit/Hobby
Ansicht
1 Grundriss Erdgeschoss2 Grundriss 1. Obergeschoss3 Grundriss 2. Obergeschoss4 Piktogramme4 Schnitte
Trichterförmig weitet sich die Baulücke vom öffentlichen Straßenraum zum privaten Garten auf. Die Kaskadentreppe folgt der trapezförmigen Form der Parzelle. Als eigenständiger Raum ist sie weit mehr als profane Erschließung, sondern macht sowohl den Übergang zwischen den Niveaus als auch das Eintauchen in die Wohnräume räumlich erlebbar.1
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2
4
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16 x 18,8/ 26,6
A
A
B
B
B
A
A
B
A
A
B
B
B
A
A
B
Alexanderstraße 22a, Bonn / Anna Lembke
1 Grundriss Erdgeschoss2 Grundriss 1. Obergeschoss3 Grundriss 2. Obergeschoss4 Grundriss 3. Obergeschoss5 Schnitt A-A6 Schnitt B-B
Mit einem Architekturbüro in Erdgeschoss beginnt das Wohnhaus im 1. Oberschoss mit einer offenen Wohnlandschaft. Im 2. Obergeschoss befinden sich die Individualräume der Familie. Das letzte Geschoss beherbergt neben der Dachterrasse ein Appartement für das Au-Pair-Mädchen. Die einläufige Treppe läuft entlang der rückwärtigen Fassade mit Blick auf den begrünten Hof und das quirlige Leben im Blockinneren.1
2
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65
Marburger Tor 28, Siegen / Sarah Pursch
1 Grundriss Erdgeschoss2 Grundriss 1. Obergeschoss3 Grundriss 2. Obergeschoss4 Grundriss 3. Obergeschoss5 Schnitt, quer6 Schnitt, längs
2
3 4
1
Mittels der Grundrisstypologie des Splitt-Levels entsteht obgleich der schmalen Parzelle eine offene Raumlandschaft. Im Erdgeschoss -zur Straße hin- wird gekocht ein Niveau höher -mit Zugang zur Gartenterrasse- gegessen. Dann folgen Kinder- und Badezimmer. Der überhöhte Raum im Dachgeschoss dient als Lese- und Kaminzimmer und ist dem Elternschlaf-zimmer zugeordnet.
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Luftraum
Arbeite
n
Luftraum
Sauna
Wellness
A
A
B
B
Abstellr
aum
Luftraum
Hobby
Luftraum
Marburger Tor 12, Siegen / Sarah Thor
1 Grundriss Erdgeschoss2 Grundriss 1. Obergeschoss3 Grundriss 2. Obergeschoss4 Grundriss 3. Obergeschoss5 Grundriss 4. Obergeschoss6 Schnitt A-A7 Schnitt B-B
1Vertikale und horizontale Erschließung bilden gemeinsam mit den Badezimmern einen innenliegenden Kern, der den Grund-riss zoniert. Das Ergebnis sind klare Raumzuordnungen und Raumübergänge.
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Donzenbachstraße 43, Siegen / Sabine Hoppe
B
B
A
A
B
B
A
A
B
B
A
A
1 Grundriss Erdgeschoss2 Grundriss 1. Obergeschoss3 Grundriss 2. Obergeschoss4 Schnitt A-A5 Schnitt B-B6 Schnitt
1Durch die Aufnahme der Baufluchten der Nachbarbauten ergibt sich ein rautenförmiger Grundriss. Das Spiel der unter-schiedlichen Winkel wird auch bei der Gestaltung des von starker Topographie geprägten Außenraums fortgeführt. 32
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Bahnhofstraße 66 b, Lüdenscheid / Kathrin Hartwig
1 Grundriss Erdgeschoss2 Grundriss 1. Obergeschoss3 Grundriss 2. Obergeschoss4 Grundriss 3. Obergeschoss5 Grundriss 4. Obergeschoss6 Ansicht von der Straße7 Schnitt
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Auf einen gemeinsamen Sockel entwickeln sich zwei Baukörper: Einer der beiden dient der Erschließung, der andere beher-bergt die Wohnfunktionen. Diese Gliederung dient nicht nur dem bewussten Übergang in die kabinettartigen Wohnräume, sondern bietet auch Flexibilität hinsichtlich einer möglichen Teilbarkeit des Hauses.Erst ab dem 1. Obergeschoss verdoppelt sich die Grundfläche des ‚Wohnkörpers’, so dass die bestehende Garagenzufahrt erhalten bleibt.
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Teilnehmer
Sabine Hoppe
Tamara Jung Annika Heinz
Sarah Pursch Sarah Thor
Veronika Ida Nohl
Svenja HartwigKathrin Hartwig
Laura Hinzel Diana Schäfer
Anna Lemke
ABBILDUNGENS. 3 / 4: ‚Baulücke Neusser Straße, Köln‘ + S. 5 / 6: ‚Baulücke Hohe Straße, Köln‘: Raimond SpekkingS. 12 + 13: Wüstenrot Stiftung (Hrsg.): Das städtische Reihenhaus: Geschichte und Typologie, Krämer, Stuttgart, 2004S. 7 / 8, 9, 15, 16, 17, 20, 40: Kathrin Herzrestliche Abbildungen: Studierende