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11 Vera Herzog DAS UJAZDÓWER BAD (ŁAZIENKI) ALS REPRÄSENTATIONSBAU (VON 1683 – BIS 1733) In der zweiten Hälſte des 18. Jahrhunderts überformt König Stanisław Au- gust Poniatowski (1732-1798) die Łazienka im Park von Schloss Ujazdów 1 bei Warschau zu seinem permanenten Wohnsitz. Das kleine Lustschloss auf den Ländereien des Schlosses Ujazdów wurde dazu schrittweise vergrößert. Es rückte nun als eigenständige Residenz in den Fokus der kunsthistorischen Forschung, auch bezogen auf eine politische Ikonographie. Der Bau in sei- ner idyllischen Naturverbundenheit stehe zusammen mit den umliegenden neuen Lustschlösschen für eine neue, aufgeklärte Ära in der polnischen Geschichte, aber auch für die Auruchstimmung in der Wahlmonarchie nach ihrer ersten Teilung (1772). 2 Der Palast auf der Insel scheint somit erst 1 Im deutschprachigen Raum sind vor allem die Studien von Walter Hentschel Grundlagenvorschung zur Architektur des 17. Jahrhunderts in Polen und somit auch zur Łazienka. Das polnisches Standartwerk zum Pavillon Łazienka von Władysław Tatarkiewicz wurde vor allem von Marek Kwiatkowki erweitert und ins Deutsche übertragen. Die grundlegenden Artikel zur Ausstattung des Bades im Polnischen Kunsthistorischen Bulettin gibt es leider nicht in deutschsprachiger Übersetzung. Weitere Informationen liefern die Arbeiten zu Tillman van Gameren von Stanisław Mossakowski, die übersetzt vorliegen. W. Hentschel, Die sächsische Baukunst des 18. Jahrhunderts in Polen, Berlin 1967; W. Tatarkiewicz, Łazienki Warszawskie, Warschau 1968; M. Kwiatkowski, Łazienki, Warschau 1972; ibidem, Stanisław August Król – Architekt, Wrocław 1983; S. Mossakowski, Tilman van Gameren. Leben und Werk, München 1994. Die in diesem Artikel gezeigten Pläne sind bereits in der Literatur publiziert, wurden aber zum ersten Mal durch die Autorin in Hinblick auf eine Umbaugeschichte des Bades ausgewertet. Erstmals vorgestellt wuden die Ergebnisse in: V. Herzog, Der fürstliche Badepavillon als zweckmäßige und repräsentative Bauaufgabe im späten 17. und 18. Jahrhundert, Berlin 2016. 2 W. Tatarkiewicz, Łazienki Warszawskie; M. Kwiatkowski, Łazienki, Warschau 1972; M. Kwiatkowski, Stanisław August Król – Architekt, Wrocław 1983.

Das UJaZDÓWER BaD (ŁaZIENKI) aLs … · ersten Satelittenbau, der Pavillon Arkadia (1678-1689), 7 entstand jedoch nicht in der Ebene, sondern auf einem Terrain, das Lubomirski vier

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Das UJaZDÓWER BaD (ŁaZIENKI) aLs REPRÄsENTaTIONsBaU (VON 1683 – BIs 1733)

In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts überformt König Stanisław Au-gust Poniatowski (1732-1798) die Łazienka im Park von Schloss Ujazdów1 bei Warschau zu seinem permanenten Wohnsitz. Das kleine Lustschloss auf den Ländereien des Schlosses Ujazdów wurde dazu schrittweise vergrößert. Es rückte nun als eigenständige Residenz in den Fokus der kunsthistorischen Forschung, auch bezogen auf eine politische Ikonographie. Der Bau in sei-ner idyllischen Naturverbundenheit stehe zusammen mit den umliegenden neuen Lustschlösschen für eine neue, aufgeklärte Ära in der polnischen Geschichte, aber auch für die Aufbruchstimmung in der Wahlmonarchie nach ihrer ersten Teilung (1772).2 Der Palast auf der Insel scheint somit erst

1 Im deutschprachigen Raum sind vor allem die Studien von Walter Hentschel Grundlagenvorschung zur Architektur des 17. Jahrhunderts in Polen und somit auch zur Łazienka. Das polnisches Standartwerk zum Pavillon Łazienka von Władysław Tatarkiewicz wurde vor allem von Marek Kwiatkowki erweitert und ins Deutsche übertragen. Die grundlegenden Artikel zur Ausstattung des Bades im Polnischen Kunsthistorischen Bulettin gibt es leider nicht in deutschsprachiger Übersetzung. Weitere Informationen liefern die Arbeiten zu Tillman van Gameren von Stanisław Mossakowski, die übersetzt vorliegen. W.  Hentschel, Die sächsische Baukunst des 18. Jahrhunderts in Polen, Berlin 1967; W. Tatarkiewicz, Łazienki Warszawskie, Warschau 1968; M. Kwiatkowski, Łazienki, Warschau 1972; ibidem, Stanisław August Król – Architekt, Wrocław 1983; S. Mossakowski, Tilman van Gameren. Leben und Werk, München 1994. Die in diesem Artikel gezeigten Pläne sind bereits in der Literatur publiziert, wurden aber zum ersten Mal durch die Autorin in Hinblick auf eine Umbaugeschichte des Bades ausgewertet. Erstmals vorgestellt wuden die Ergebnisse in: V. Herzog, Der fürstliche Badepavillon als zweckmäßige und repräsentative Bauaufgabe im späten 17. und 18. Jahrhundert, Berlin 2016.

2 W. Tatarkiewicz, Łazienki Warszawskie; M. Kwiatkowski, Łazienki, Warschau 1972; M. Kwiatkowski, Stanisław August Król – Architekt, Wrocław 1983.

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durch die Aufwertung zur Residenz seine politische Dimension zu entfal-ten. Die Łazienka war aber bereits zu ihrer Entstehungszeit mehr als nur Lustschlösschen und Bad. Sie wurde als Repräsentationsbau genutzt. Jedoch eignete sich das Gebäude, so zeigt seine Umbaugeschichte, nicht für alle Re-präsentationsanliegen, obgleich die Nutzung als Versammlungs- und Reprä-sentationsraum schon bald die anderen Funktionen dominierte.

Vom Bad zum Tempel: Die Łazienka entsteht

Um die polnische Hauptstadt Warschau wurde in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts intensiv gebaut.3 Zum einen handelte es sich dabei um eine Notwendigkeit, denn nach dem zweiten Polnisch-Schwedischen Krieg (1655-1660) waren architektonische Neuerungen unerlässlich. Für die Warschauer Badekultur lässt sich zum Beispiel konstatieren, dass die Kriege das öffentli-che Badewesen in der Hauptstadt stark beeinträchtigten, so, dass nun zuneh-mend auch in Gästehäusern, Adelspalästen und Krankenhäusern Badeanla-gen errichtet wurden.4

Darüber hinaus gab es aber natürlich individuelle Motivationen architek-tonisch Präsenz zu zeigen, wie zum Beispiel bei Fürst Stanisław Herakliusz Lu-bomirski (1642-1702), den Bauherrn und ersten Bewohner des Ujazdówer Bades. Lubomirski erwarb 1674 das einstmals königliche Schloss Ujazdów von seinem

3 J. Putkowska, Warszawskie rezydencje na przedmieściach i pod miastem w XVI – XVIII wieku, Warschau 2016; eadem, Architektura Warszawy XVII wieku, Warschau 1991.

4 V. Herzog, Der fürstliche Badepavillon, S. 77.

1 Tilman van Gameren, Gesamtanlage des Tiergartens von Schloss Ujazdów (grau) mit trapezförmigem Kanalsystem (schwarz) und Bad auf einer Insel (weiß), um 1678, digitale Zeichnung von Hubert Graml nach Sächsisches Staatsarchiv, Hauptstaatsarchiv Dresden, 12884 Karten und Risse, Schr. 26 F. 99 Bl. 13 (MF 3533) / Tylman van Gameren, Ogólny układ Zwierzyńca zamku Ujazdów (szary) z trapezowym systemem kanałów (czarny) i łaźnią na wyspie (biały) w roku 1678, cyfrowy rysunek Huberta Gramla według oryginału w Sächsisches Staatsarchiv, Hauptstaatsarchiv Dresden, 12884, Karten und Risse, Schr. 26 F.99 Bl.13 (MF 3533)

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Das Ujazdówer Bad (Łazienki) als Repräsentationsbau

späteren Schwiegervater Theodor Dönnhoff5 und setzte damit ein deutliches Zeichen der Annäherung an den königlichen Hof, an dem er gleichzeitig das Amt des Hofmarschalls annahm. Er beendete damit eine Ära bei der die Familie der Lubomirskis die Politik des Königs bis hin zur kriegerischen Konfrontation bekämpft hatte.6 Die Rehabilitierung der Lubomirskis bei Hof erfolgte nicht auf der Stelle, sondern war ein Prozess, der bis 1683 dauerte. Erst dann erkannte der Reichstag die erworbenen Ländereien bei Ujazdów als erbliche Güter an.

5 S. Mossakowski, Tilman van Gameren, s. 78f. In der deutsprachigen Literatur wird der König Johann III. Sobieski als Besitzer genannt, der die Güter 1674 an Lubomirski abtrat. W. Hentschel, Die sächsische Baukunst, S. 191. Wann die Dönhoffs das einstmals königliche Gelände erwarben, konnte nicht geklärt werden.

6 Der Vater von Stanisław Herakliusz, Jerzy Sebastian Lubomirski (1616-1667), war führend bei der aufständischen Verteidigung der Rechte des polnischen Adels gegenüber den Reformen König Johanns II. Kasimir gewesen und im Zuge der Niederschlagung dieses Aufstandes aus Polen verbannt worden. Aus der Verbannung führte er einen von Österreich und Brandenburg unterstützte Rebellion gegen den König, die erfolgreich verlief: Er verhinderte durch den Monarchen intendierte Reformen des polnischen Staatswesens und der König Johann Kasimir dankte 1668 ab. Im Ausland beförderte dies das Ansehen der Familie Lubomirski, die bereits zuvor von Kaiser Ferdinand II. in den Reichsfürstenstand erhoben wurde. J. K. Hoensch, Geschichte Polens, Stuttgart 1990, S. 20, 21; S. Mossakowski, Tilman van Gameren, S. 78.

2 Unbekannter Autor, Weichselebene und Böschung von Ujazdów bis Wilanów, Karte des Wasserlei-tungssystems sowie der Besitzungen, Bebauung und Nutzung des Geländes, kolorierte Tuschezeich-nung, um 1715, Landesamt für Denkmalpflege Sachsen, LfDS-PS-M69-IVb-Bl-18, fotographische Aufnah-me von Wolfgang Junius / Nieznany autor, Równina nadwiślańska i skarpa od Ujazdowa do Wilanowa. Mapa systemu wodnego oraz posiadłości ziemskich, zabudowy i terenów użytkowych; barwny rysunek tuszem, ok. 1715, Landesamt für Denkmalpflege Sachsen, LfDS-PS-M69-IVb-B1-18, fot. Wolfgang Junius

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Die Bautätigkeit, die Lubomirski zusammen mit dem Architekten Tilmann van Gameren (1632-1706) umsetzte, erstreckte sich daher über die nächsten fünfzehn Jahre, wobei sie sich von dem ursprünglichen Zentrum Schloss Ujaz-dów mehr und mehr auf die umliegenden Besitzungen verlagerte. Der erste Ankauf Lubomirskis umfasste das Schloss Ujazdów mit anliegenden Gütern oberhalb der Weichselböschung sowie einen Tiergarten, der am Fuße des Ab-hanges in der flachen Flussebene lag. Hier sollten eine Eremitage (1683) und das auf einer Insel gelegene Bad (1683-1689) samt angrenzender Orangerie ent-stehen. Ein trapezförmiges Kanalsystem gliederte diesen Bereich (Abb. 1). Der ersten Satelittenbau, der Pavillon Arkadia (1678-1689),7 entstand jedoch nicht in der Ebene, sondern auf einem Terrain, das Lubomirski vier Jahre nach dem Er-werb von Ujazdów kaufte, ein am Hang gelegenes, quellenreiches Gebiet beim Dorf Mokotów. Erst ab 1683 wurden, trotz schon laufender Planungen, die Bau-aktivitäten in der Ebene begonnen (Abb. 2). Neben Eremitage und Bad errich-tete man auf den angrenzenden Gütern, im nahe liegenden Dorf Czerniaków, noch einen Holzpalast (um 1683) und die Antoniuskirche mit angegliedertem Bernhardiner Kloster (1687-1689, Innenausbau bis 1693).

Während der mehrjährigen Planungsphase entwickelte sich der Badepa-villon zunehmend zu einem Repräsentationsraum mit aufwendiger Ausstat-tung. Die Planung begann um 1677 mit einem kleinen Gartengebäude (Abb. 3),

7 S. Mossakowski, Tilman van Gameren, S. 81.

3 Tilmann van Gameren, Badepavillon Łazienka bei Ujazdów, Grundriss des ersten Entwurfes, Zeich-nung zum Teil in Tusche, um 1677, Kupferstichkabinett der Universitätsbibliothek Warschau, Inwgr. 6238 / Tylman van Gameren, Pawilon kąpielowy Łazienki w Ujazdowie, Rzut poziomy pierwszego projektu, rysunek częściowo tuszem, ok. 1677, Gabinet Rycin Biblioteki Uniwersytetu Warszawskiego, Inw. G.R. 6238

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Das Ujazdówer Bad (Łazienki) als Repräsentationsbau

das im Grundriss zunächst eher eine Maison de plaisance war.8 An eine Vor-halle schloss zur Rechten ein Wohnbereich an, der aus zwei kleinen Zimmern mit Ofen bestand. Zur Linken gab es einen großen Schlafraum mit Alkoven. In dem zentral liegenden achteckigen Saal befanden sich zwei im Boden ein-gelassene Wasserbecken. Diesen Raum, der sich dadurch auszeichnete, dass er aus dem Gebäude heraustrat und mit drei Fenstern gut belichtet war, konn-te man nicht direkt von der Vorhalle aus begehen, sondern nur über die Ap-partements. Die Begehung verweist hier auf die Intimität dieses Raumes, die der Funktion als Bad entspricht. Zugleich zeigt die zentrale Lage seine Wich-tigkeit für den gesamten Bau an: Dem Badevorgang, nicht dem Fest, widmete man ein ganzes Schlösschen. Doch bereits ein auf der Entwurfszeichnung sichtbares, am Schlafzimmer mit Bleistiftskizze eingezeichnetes Kabinett verdeutlicht, dass ein Gebäude dieses Zuschnitts den Nutzungswünschen des Bauherrn nicht genügte. Dieser wollte das Lustschloss auch für seine dichterischen Arbeiten und das Studium antiker Schriften verwenden.

Um 1680 war die Planung zum Badepavillon weiter fortgeschritten. Im Zent-rum lag nun eine Grotte mit einer zentralen Fontäne, während der Baderaum in eines der seitlichen Appartements verschoben wurde (Abb. 4). Der Grottenraum mit Springbrunnen war sinnbildlich zu verstehen. Lubomirski nannte den spä-ter ausgeführten Bau „Hypokrena“9 und verwies damit auf die zum Dichten be-

8 Ebd., S. 85.9 Ebd., S. 26.

4 Tilmann van Gameren, Querschnitt durch den Badepavillon Łazienka bei Ujazdów, Ansicht von Schlafzimmer, Grotte und Baderaum, zweiter Entwurf, Zeichnung, um 1680, Kupferstichkabinett der Universitätsbibliothek Warschau, Inwgr. 6226 / Tylman van Gameren, Przekrój poprzeczny pawilonu kąpielowego Łazienek w Ujazdowie. Widok sypialni, groty i łaźni, drugi projekt, rysunek, ok. 1680, Gabinet Rycin Biblioteki Uniwersytetu Warszawskiego, Inw. G.R. 6226

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geisternde, Apoll und den Musen geweihte Quelle am Gipfel des Helikons. Das Bad sollte sein Musenort sein, der ihm alles bot, was der Inspiration diente.

Das dann von 1683 bis 168910 errichtete Gebäude stellte noch mehr Räume als die in der Planungsphase angedachten zur Verfügung (Abb. 5): An die zentra-le Grotte schloss nun ein großer Gesellschaftsraum oder auch Saal an, ein Hin-weis, dass das Bad für den Empfang von Besuchern diente. Zentrum des quad-ratischen Baus war immer noch die Grotte mit kreisförmigem Grundriss und zentralem Fontänenbecken. Rechts von dieser gab es ein Schlafappartement, be-stehend aus Schlafzimmer und Kabinett, links lag das Badeappartement mit Vor-raum, Baderaum und ebenfalls einem Kabinett. Zwischen den Appartements war zu einer Seite der Grotte eine Vorhalle, über die man das Gebäude betrat, zur anderen Seite befand sich der achteckige Saal. Im Grundriss entsprach das Ujazdówer Badehaus damit ganz dem aus der Antike erwachsenden Ideal einer symmetrischen, sich um ein Zentrum gruppierenden Bäderarchitektur.11 Noch mehr Antikenbezug fand sich im Saal, der sich aus der Fassadenfront ins um-gebende Wasser heraus schob und mit großen, bodentiefen Fenstern versehen

10 Ebd., S. 84 sowie S. 97, FN 24.11 V. Herzog, Der fürstliche Badepavillon, S. 35-45. Neben den Schriften Vitruvs, die vor allem die

Festigkeit und technische Effizienz von Bädern behandelten und Heizanlagen vorstellten, waren die nachvitruvianischen Ruinen der römischen Thermenbauten prägend für die Architekturideen zum Bad in der frühen Neuzeit. Leon Battista Alberti ging bereits weit über die Badarchitekturbeschreibung Vitruvs hinaus, indem er versuchte, die römischen Thermenkomplexe mit den Forderungen Vitruvs in Einklang zu bringen. Das erste, kleine königliche Badehaus, das sich an diesen Forderungen orientierte, entwarf Sebastiano Serlio für den französischen König François I. in seinem unveröffentlichten sechsten Buch der Architektur. Wie bei der Łazienka gruppierte er Schlaf- und Badeappartement um einen zentralen runden Raum im eingeschossigen Sockel eines Belvederes.

5 Christian Eltester, Grundriss des Badepavillon Łazienka samt Insel und Kanal, aquarellierte Federzeichnung, 1698, Kupferstichkabinett. Sta-atliche Museen zu Berlin, Eltester, 79 D 25, fol. 23 (rote Nr. 21) / Christian Eltester, Rzut poziomy pawilonu kąpielowego wraz z wyspą i kanałem, akwarelowy rysunek piórkiem, 1698, Gabinet Miedziorytów, Staatliche Museen zu Berlin, Eltester, 79 D 25, fol. 23 (rote nr 21)

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war, eine architektonische Form, die der antiken Idee zur Aussicht aus dem Bad geschuldet war.12 Für die schlichten Arbeitsräume und das Archiv Lubomirskis behielt man sich die obere Etage vor.

Bemerkenswert an der Konzeption war dabei, dass kein zentraler Zugang zu Grotte und anschließendem Saal vorgesehen war. Der Besucher musste erst die seitlichen Räume, also das Schlafzimmer, wahrscheinlicher aber das Bad, durchqueren, um hierher zu gelangen. Denn die Baderäume verfügten im Gegensatz zum Schlafappartement über ein aufwendiges Bildprogramm. Letzteres legitimierte wohl, dass der Baderaum nun – ganz im Gegenteil zur ersten Konzeption – nicht mehr intimer Endpunkt der Raumfolge war, sondern Durchgangszimmer. Dies widersprach aber nicht der Nutzung als Baderaum: Zwei rechteckige, mit Metall ausgekleidete wannengroße Becken waren in den Fußboden des Bades eingelassen. Sie waren an einen wasser-führenden Ofen angeschlossen, der sich in einem an das Badezimmer an-schließenden Versorgungsbereich befand.13 Der Baderaum erhielt somit durch seine Lage eine neue Funktion als Repräsentationsraum.

12 Im Haus des Senators Plinius Caelicius Secundus (62-113/115) im Laurentinum war das Badeappartement in einem Flügel gelegen, der Aussicht auf das Meer bot. Plinius Villenbeschreibungen bestimmten lange die Ideale der frühen Neuzeit. J. F. Félibien, Les Planes et les Descriptions d[e] plus belles Maisons de Campagne de Pline Le Consul. Avec des remarques sur tous ses bâtimens, et une dissertation touchant l‘architecture antique & l‘architecture gothique, Paris 1699, S. 27.

13 M. Kwiatkowski, Park und Palast Łazienki in Warschau, Warschau 1978, S. 21. Zu sehen ist die Heizvorrichtung auch auf den zeitgenössischen Grundrissen. Zudem wurde bei Restaurationsarbeiten im 20. Jahrhundert im Bereich der Kaskade ein hölzernes Rohr aus der Entstehungszeit des Pavillons entdeckt, mit dem das gebrauchte Wasser höchstwahrscheinlich abgelassen wurde.

6 Christian Eltester, Eingangs- oder Südfassade des Badepavillon Łazienka, aquarellierte Federzeich-nung, 1698, Kupferstichkabinett. Staatliche Museen zu Berlin, Eltester, 79 D 25, fol. 24 (rote Nr. 22) / Christian Eltester, Fasada wejściowa lub południowa pawilonu kąpielowego Łazienki, akwarelowy rysunek piórkiem, 1698, Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin, Eltester, 79 D 25, fol. 24 (rote nr 22)

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In der äußeren Erscheinung traten die Referenzen an die Bäderarchitek-tur jedoch nicht in Erscheinung. Christian Eltester (1671-1700) präsentiert uns Außenansichten des Lustschlösschens als hybride Form aus Garten- und Kir-chenarchitektur (Abb. 6). Ein hohes Zeltdach überfängt das scheinbar ein-geschossige Gebäude, das eine Laterne mittig bekrönt. Man vermutet einen Zentralraum unter diesem Dach. Allein gewisse Ähnlichkeit zur Eremitage des Hl. Antonius im königlichen Garten des spanischen Herrschers Philipp IV.14 mögen den zeitgenössischen Architekturliebhaber als Hinweis gedient haben, sich zentral eine Kapelle vorzustellen, um die herum der Architekt Wohnräume strukturiert. Daß die Ujazdówer Kapelle aber kaum der heili-gen Dreifaltigkeit, noch ihren Heiligen gewidmet war, ließen die hohe An-zahl der Schornsteine (Anzeichen für viele Öfen und Kamine im Inneren) und die Kugeln und Vasen auf dem Dach vermuten. Das Bildprogramm der Eingangsfassade klärte das Rätsel der äußeren Erscheinung auf, indem es das Gebäude als einen Musentempel charakterisiert.

Musentempel eines kriegerischen Geschlechts: Die repräsentativen Funktionen der Łazienka

Das Thema des Musentempels bestimmt die Gestaltung der Eingangsfassade, denn sie war eine gebaute Version von Marolles’ Architekturbeschreibung der „Pforte der Liebe,“15 durch die der Autor den Eintritt in den Musentempel empfahl. Bereits die Konzeption des Eingangsbereiches des Lubomirskischen Lustschlösschens mit einfachen Pilastern und Symbolen für Apoll und Merkur entsprach dem von Marolles vorgegebenen Architektur- und Bildprogramm des Liebestores. Marolles verstand Apoll und Merkur als Sinnbilder von Musik und Redekunst, die in seinem Text zusammen mit den Personifikationen der Malerei und Poesie auftreten. Nichts anderes als die Liebe leite – laut Marolles – zur Be-wunderung dieser vier Künste an und gewähre damit den Eintritt zum Tempel der Musen. In seiner Beschreibung gibt es über der Liebespforte einen sechs-eckigen Tempel mit vorgelagerten ionischen Säulen, über denen sich rauchende Parfümvasen befinden, um den Duft der Liebe zu verbreiten. Dieses Tempietto-motiv wurde beim Ujazdówer Bad in die sechseckige Laterne mit bekrönender Vase übersetzt. Eine weitere Besonderheit der Fassadengestaltung des Badepa-villons waren die für eine Außenfassade außergewöhnlichen Bilderrahmen bei-derseits des reich geschmückten Eingangsbereiches, die ebenfalls auf Marolles’ Bemerkungen zur Außengestaltung des Musentempels zurückzuführen sind. An der Außenwand des Tempels sollten sich Marolles zufolge Skulpturenni-schen oder eine Bildergalerie befinden, als Bildthemen imaginierte er Szenen

14 J. Brown, E. Brown, A palace for a king. The Buen Retiro and the Court of Philip IV, New Haven 1980, S. 72 ff.15 Marolles’ literarische Zusammenstellung antiker Mythen samt Übersetzung, Kommentar und

druckgrafischer Darstellung eröffnet mit einer sinnbildlichen Architekturbeschreibung, die den Leser durch die „Pforte der Liebe“ in den „Musentempel“ geleitet. Denn nichts anderes als die Liebe, so Marolles, leite zur Bewunderung der Künste an und gewähre damit den Eintritt zum Tempel der Musen. Vgl. die Mythensammlung M. de Marolles, Tableaux du Temple des Muses, Paris 1655, Preface.

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Das Ujazdówer Bad (Łazienki) als Repräsentationsbau

seiner Mythensammlung. Diese Anweisungen sind am Bau der Łazienka eben-falls wörtlich umgesetzt: Zwei mythologische Badeszenen an den Seiten des Pa-villons transformierten ihn in seiner Gesamtheit zu einem Musentempel.

Auch innerhalb des Baus war der Musentempel das Leitmotiv der bildli-chen Ausstattung,16 wobei jeder Raum noch seine eigene Thematik entfaltete.

In der Vorhalle empfing den Besucher die Büste des Hausherrn, die rechts von einer Skulptur des ruhenden Mars und links von einer Personifikation des Glücklichen Zeitalters flankiert wurde, Hinweise auf die erwünschte, friedvolle Atmosphäre im Bau.

Auf die Vorhalle folgte das Badeappartement, dessen Wände mit hollän-dischen Fliesen bedeckt waren. Im Auskleidezimmer hingen Gemälde, im Badezimmer sahen grottierte Rahmungen Ausstellungsflächen vor, in denen sich große Stuckreliefs befanden. Hier wurden Szenen aus Ovids Metamor-phosen gezeigt, die allesamt, passend zur Funktion des Raums, am Wasser spielten. Die meisten dieser Reliefs zitierten durch direkte motivische und kompositorische Übernahme die Druckgrafiken Diepenbeeks aus Marol-les Tableaux du Temple des Muses.17 Gemeinsam waren zudem allen Reliefs die Themen Begehren und Liebe, denn beide Empfindungen motivierten die Handlungen der hier gezeigten Figuren. Drei kleine Sopraporten vertiefen das Thema in Hinblick auf die eheliche Liebe. Sie waren Szenen mit üppi-gen Kindlein im Stile des Emblembuchs „Amorum Emblemata“ von Otto van Veen.18 Diese Bildwerke ergänzte ein Wasserspiel, das direkt gegenüber der Eingangstür installiert war. Es war zunächst als Grotte mit zwei Flussper-sonifikationen gedacht, die das Wappen des Bauherrn mit dem abstrahier-ten Flüsschen „Śreniawa“ halten sollten. Letztendlich wurde es in Form ei-ner pyramidenförmigen Kaskade ausgeführt. Der Verweis auf das Wappen Lubomirskis war somit in ein Bild gefasst: Hier sprudelte die Quelle der Śreniawa.19 Es war die leidenschaftliche Liebe zu seiner zweiten Frau, der Gräfin Elisabeth von Dönhoff (1650-1702), die der Bauherr im Baderaum aus aktuellem Anlass besang, denn Elisabeth gebar 1683, im Jahr des Baubeginns, den ersten von drei Söhnen. Der Baderaum stand damit als Symbol für die Zukunft des Geschlechts Lubomirskis. Das durch den Besucher imaginierte Bad der Eheleute war hier unmissverständlich dynastisch zu lesen, beim Bad entsprang die Quelle dieses erlauchten Geschlechts.

16 Folgende Informationen zum Bildprogramm sind soweit nicht weiter gekennzeichnet den Aufsätzen M. Mrozińska, Pierwowzory graficzne łazienkowskich stiuków figuralnych, In: Biuletyn Historii Sztuki,

1953, Bd. XV, s. 33-47 und M. Karpowicz, Łazienka Stanisława Herakliusza Lubomirskiego. Pierwowzory graficzne dekoracji i próba interpretacji treści, In: Biuletyn Historii Sztuki, 1969, Bd. XXXI, s. 393-403.

17 Jedem Mythos war in der Sammlung eine Druckgrafik des niederländischen Künstlers Abraham van Diepenbeek (1590-1675) vorangestellt, die den Höhepunkt der Erzählung bildlich fasste. M. de Marolles, Tableaux du Temple des Muses, Paris 1655.

18 A. Buschhoff, Die Liebesemblematik des Otto van Veen. Die Amorum Emblemata (1608) und die Amoris Divini Emblemata (1615), Bremen 2004.

19 S. Mossakowski, Tilman van Gameren in Polen. His oeuvre in an art-historical context, In: K. Ottenheym, E.-J. Goossens, (Hrsg.), Tilman van Gameren. A Dutch Architect to the Polish Court. Ausstellungskatalog. Tilman van Gameren im Königlichen Palast, Amsterdam 2002, s. 32 ff. sowie S. Mossakowski, Tilman van Gameren, S. 63, 65.

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In der Begehung folgte auf das Bad nun die zentrale Grotte, der bedeu-tendste Raum des Badepavillons.20 Wieder ist es das zentrale Wasserspiel, das den Hinweis auf die Bedeutung dieses Raums liefert. Ein großes, rundes Wasserbecken bedeckte fast den ganzen Boden, mittig entsprang eine bis in den Kuppelraum reichende Fontäne, die Quelle der Inspiration. Ein schmaler Umgang führte um die Wasserkunst herum, vorbei an Skulpturennischen mit lebensgroßen Bildnissen und Durchgängen zu Bad, Saal und Schlafraum, über denen, statt Sopraporten, Büsten ausgestellt waren. Das Bildprogramm des Grottenraumes ist im Einzelnen heute nicht mehr bekannt, aber es ist zu vermuten, dass der Hain um die Hypokrene die Referenz war und man Götterskulpturen, Personifikationen der Musen oder Porträts von Dichtern und Denkern betrachten konnte,21 indem man sich langsam den dämmrigen Passageraum erschloss, der nur über die Laterne und indirekt über den Saal beleuchtet wurde. Die Grotte selbst fungierte somit als Sinnbild für die ei-gentliche Funktion des Gebäudes, das dem Bauherrn alles bieten sollte, um seine Inspiration als Dichter und Übersetzer zu fördern. Sie bot darüber hin-aus mit den Wasserspielen Raum für ganz reale Amüsements.

Die Überhöhung der Łazienka orientiert sich primär an Marolles My-thensammlung. Und dies nicht ohne Grund: Lubomirski präsentierte mit der Referenz an Marolles’ Musentempel die Seiten seiner Persönlichkeit, die ihn bereits in den Zeiten der politischen Konfrontation mit dem Königshaus verbanden. Mit der musischen Königin Luisa Maria Gonzaga (Ludowika Maria Gonzaga, 1611-1667) stand Stanisław Herakliusz Lubomirski aufgrund seiner Vorliebe für antike Dichter in engem Kontakt. Dieser Königin war Marolles’ Mythensammlung gewidmet. Sie entsandte Lubomirski in diplo-matischer Mission unter anderem nach Spanien, wo er möglicherweise im Madrider Buen Retiro die Eremitagen als temporäre Aufenthaltsorte kennen und schätzen lernte. Zum Musentempel erkoren formulierte das Bad damit das selbe Programm wie die Kirche in Czerniaków, die nur vier Jahre später entstand, und mit dem Bad die Materialität (beide waren Steinbauten), den gleichen Bauunternehmer (Tommaso Affeità) und Architekten (Tilman van Gameren) sowie die formalen Ähnlichkeiten des überkuppelten Zentralbaus teilte. Die Kirche war Antonius von Padua geweiht, einem Heiligen, der nicht zuletzt für seine Redegewandtheit verehrt wurde – im Bad wiederum, Lubo-mirskis Musentempel, feierte sich der Bauherr als Dichter. Diese Parallelitä-ten lassen vermuten, dass die bildliche Konzeption des Baus also wohl nicht allein dessen Nutzung als Musen- und Arbeitsort Lubomirskis entsprang.

Daß das Gebäude im Laufe seiner Entstehung zunehmend repräsenta-tiven Zwecken diente, war zunächst einfach auch auf seine Lage zurückzu-

20 Neben der Zeichnung Tilman van Gamerens haben sich aus dem frühen 18. Jahrhundert (1705) noch in Stockholm Zeichnungen eines unbekannten Architekten erhalten, die das gesamte Bad und die Grotte dokumentieren. Stockholm, Nationalmuseum, HCC 2716-2718. Mitte des 18. Jahrhunderts (1776) zeichnet Johann Christian Kamsetzer den inzwischen veränderten Grotteraum (ISPAN Warschau, BR0000006846). Die hiesige Beschreibung ist als Synthese dieser Zeichnungen entstanden.

21 H. Herzog, Der fürstliche Badepavillon, S. 62-64.

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Das Ujazdówer Bad (Łazienki) als Repräsentationsbau

führen.22 Der Pavillon befand sich zwar auf einer Insel im trapezförmigen Kanalsystem des Tiergartens von Schloss Ujazdów, dem eigentlichen Haupt-sitz Lubomirskis. Das Schloss lag aber oberhalb der Weichselböschung und war damit bereits räumlich vom Tiergarten getrennt, der sich im flachen Urstromtal der Weichsel befand. Es war auch nicht Bezugspunkt des unten liegenden Badepavillons, der vielmehr als eigenständiges Lustschlösschen fungierte. Seine Eingangsfassade war in Richtung Czerniaków gerichtet. In diese Richtung zweigte die Wasserstraße aus dem geschlossenen Kanalsys-tem ab. Sie endete als Sackgasse auf das Straßennetz, das die Weichselebene Richtung Czerniaków erschloss. Kurz hinter dem Dorf Czerniaków began-nen die Ländereien des polnischen Wahlkönigs Jan III. Sobieski (1629-1696). Dieser errichtete hier seit 1679 seinen königlichen Landsitz Wilanów für sich und seine Frau Maria Kazimiera Sobieska (1641-1716). Die höfische Ge-sellschaft musste nun auf dem Weg nach Wilanów entweder den Weg vor Schloss Ujazdów oberhalb der Böschung passieren oder kam am Badehaus und Musentempel auf dem Weg über Czerniaków vorbei.

Lubomirkis Bauten nahmen nun inhaltlich direkt Bezug zum königli-chen Projekt in Wilanów: In seinem Landsitz präsentierte sich Sobieski als „Türkensieger“ und ließ sich umringt von Büsten römischer Kaiser und Konsulen darstellen. Lubomirski aber favorisierte das musische Element in seiner bildlich-repräsentativen Selbstdarstellung. Sein Signal gegenüber Kö-nigshaus und der zum königlichen Landsitz seine Ländereien passierenden Gesellschaft des Hochadels sollte nach Jahren familiärer Fehde wohl unmiss-verständlich sein: Ein „Türkensieger“ wie Sobieski musste einen Lubomirski, der sich den Musen widmete und Antonius eine Kirche baute, nicht fürchten.

Aus einem einfachen Badepavillon war in Ujazdów somit ein auf funktiona-ler und symbolischer Ebene mehrdimensionaler Bau geworden. Als barocker Initialbau setzte er Maßstäbe für die architektonische Öffnung der Bauaufgabe Badepavillon in Hinblick auf weitere Nutzungen und eine repräsentative Aus-deutung. In seiner Nachfolge entstand zum Beispiel die Münchener Badenburg.23

Grenzen der repräsentativen Nutzung: Umbauten an der Łazienka unter August dem Starken

Der Badepavillon Łazienka wurde nach Stanisław Herakliusz’ Tod 1702 an seinen ältesten Sohn Theodor Lubomirski24 vererbt, der den Bau und das

22 Ebd., S. 76 ff.23 Ebd., S. 78-82.24 Ob der Bruder Stanisławs oder sein Sohn August dem Starken das Gelände in Ujazdów lieh, ist nicht

eindeutig in der Literatur geklärt. Nach Francastel und Tatakiewicz war es der Sohn Theodor Lubomirski. P. Francastel, Le Marmorbad de Cassel et les Łazienki de Varsovie, In: Gazette des Beaux-Arts, Paris 1933, S. 138-156; W. Tatarkiewicz, Łazienki Warszawskie, s. 10. Dieser Annahme wird hier gefolgt. Theodor war der älteste Sohn Lubomirskis mit Elisabeth Dönhoff, der einige Zeit unter Einfluss seines Onkels Jerzy Lubomirski proaugustinisch gestimmt war. Jerzy Lubomirski pflegte eine enge politische und kriegerische Zusammenarbeit mit August dem Starken.

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umliegende Gelände ab 1715 dem polnischen König und sächsischen Kurfürst August dem Starken zur Verfügung stellte. August der Starke verfolgte ab 1713 das Ziel, Warschau als zweite Residenz neben Dresden zu etablieren. Da er in Warschau aber keine erblichen Ländereien besaß, musste er dazu zunächst Land erwerben. Auch in Hinblick auf eine noch zu etablierende Erbdynastie zielten seine Versuche darauf, eine Art Kontinuität zu seinem Vorgänger Sobieski herzustellen, und dessen Residenzen zu kaufen oder zu pachten.25 Das Unterfangen gestaltete sich aufgrund politischer Konflikte mit Sobieskis Söhnen jedoch schwierig und zog sich über die gesamte Re-gierungszeit Augusts hin. Erst 1725 kaufte er den Kasimierz-Palast, 1726 Ma-riemont, 1729 pachtete er Marieville, ein Jahr später Wilanów. Ujazdów war daher willkommenes Ausweichgebiet und wurde zunächst zum königlichen Landsitz überformt. Vertraglich war festgelegt, dass der sächsische Kurfürst noch vor einer Übernahme des Besitzes, die 1720 erfolgen sollte, die Güter umgestalten durfte.26 August begann umgehend mit einer groß angelegten Neugestaltung des Geländes, die auch den Badepavillon betraf.

Augusts Umbauprojekt für Ujazdów ging weit über die unter Lubomirski entstandene Gestaltung des Terrains hinaus. Während Lubomirski mit kleinen Bauten seine Ländereien förmlich besetzte, überzog August die Ebene mit einem Netz aus Achsen (Abb. 7), das die gesamten Ländereien unterhalb des Schlosses Ujazdów strukturierte, auch solche, die dem König nicht gehörten. Zentrum war ein 600 Meter langer Kanal, der vom Ufer der Weichsel auf das Schloss Ujazdów zulief. Dieses war auch Fluchtpunkt des übergreifenden Systems von Lindenal-leen und sollte über eine großartige Treppenanlage mit Ebene und Kanal ver-bunden werden. Nur ein Arm des alten Kanalsystems wollte man erhalten und in Richtung Wilanów weiterführen, nämlich jenen, in dem die Insel mit dem Pavillon Łazienka lag. Gegenüber dem Bad, gespiegelt am neuen Kanal, sollte zu-dem ein weiteres Lustschloss entstehen, das aber nicht über eine Wasserstraße, sondern über ein Wegenetz in den Park eingebunden werden sollte. Das Bad hät-te damit seine solitäre Stellung als Lustgebäude in der Weichselebene verloren.

Die Ujazdówer Planungen konnten in der weitreichenden Art nicht realisiert werden, da die Besitzverhältnisse in der Ebene unterhalb der Weichselböschung eine Durchführung verhinderten.27 Der Kanal, Arbeiten am Badepavillon und am alten Kanalsystem wurden aber umgesetzt und begannen im Jahr 1717.28 Die Umbauten am Bad realisierte man wohl um 1720 und zwar im Zusammenhang mit den Arbeiten am alten Kanalsystem, da bei ihnen die Insel und das Gebäu-de neu befestigt wurden – ein Hinweis, dass es möglicherweise Altersschäden und technische Mängel am Bau gab. Eine undatierte Bauaufnahme mit der Über-schrift „Ujazdówer Bad. Unter und Ober Grundt nebst dem Vor Platz der kleine

25 J. Putkowska, Das Ensemble der königlichen Residenzen August II in Warschau und der Anteil Matthäus Daniel Pöppelmanns an seinem Entstehen, In: K. Milde, (Hrsg.), Daniel Matthäus Pöppelmann (1662-1736) und die Architektur der Zeit August des Starken, Dresden 1990, S. 464f.

26 W. Hentschel, Die sächsische Baukunst, S. 191f.27 W. Hentschel, Die sächsische Baukunst, S. 192.28 SHStA, 10026, Geheimes Kabinett, Loc. 3521/3, Polnische General-Cassa Sachen, 1717, Blatt 108.

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Insel, item die Fatciade von vorne und hinten“ dokumentiert die Veränderun-gen, die während dieser Arbeiten vorgenommen wurden (Abb. 8). Der Umbau erfolgte wahrscheinlich durch den Architekten Joachim Daniel Jauch (1684-1745).

Die Insel, auf der das Bad lag, wurde zunächst mit einer zweiten Zufahrt gegenüber der vorhandenen Brücke in ein neues Wegesystem integriert, das zum nahe gelegenen „Belweder“ – einem oberhalb des Hangs gelegenen Gut, das August der Starke ebenfalls angemietet hatte – und zum Schloss Ujaz-dów führte. Zudem wurde die Insel insgesamt neu befestigt und erhielt eine breitere Böschung, die auch im Norden des Gebäudes aufgeschüttet wurde. Der Pavillon wurde damit gleichsam aus dem Wasser gehoben und bekam im Norden eine Terrasse, die vom Saal aus direkt zu begehen war, da gleich-zeitig die Fenster des Bauwerkes zu Türdurchbrüchen gewandelt wurden. Insel und Gebäude konnten damit per Schiff auch von der Nordseite erreicht werden, wobei der Besucher aus dieser Richtung das Gebäude über den Saal betrat. Die neuen Zugänge zur Insel brachten auch eine Veränderung des Parterres vor dem Pavillon mit sich, das man nun für den Aufenthalt einer größeren Anzahl von Personen oder für den Zugang zu Pferd konzipierte. Der Architekt entfernte dazu die Wasserspiele und die Hecken.

Im Inneren des Gebäudes gab es eine grundlegende Veränderung in der Raumerschließung durch einen Durchbruch zwischen der Vorhalle und der zentralen Grotte. Die verwinkelte Wegeführung van Gamerens war damit zugunsten einer klaren axialen Durchlässigkeit aufgegeben, die auf eine direkte Zugänglichkeit sämtlicher repräsentativer Bereiche abzielte und die Gewichtung der Räume untereinander veränderte. Der Baderaum lag nun

7 Unbekannter Autor, Pla-nung der Erweiterung des Schlossparkes von Ujazdów mit zentralem Kanal und Alleen, kolorierte Tuschezeich-nung, 1726, Landesamt für Denkmalpflege Sachsen, LfDS-PS-M69-X-Bl-13, fotographis-che Aufnahme von Wolfgang Junius / Autor nieznany, Plany rozszerzenia parku zamkowe-go w Ujazdowie z centralnym kanałem i alejami, barwny rysunek tuszem, 1726, Lan-desamt für Denkmalpflege Sachsen, LfDS-PS-M69-X-Bl-13, fot. Wolfgang Junius

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außerhalb der direkten Begehungsroute, während der Versammlungsraum und die Vorhalle beide den Charakter von Aufenthaltsräumen bekamen. Die Grotte blieb architektonischer Höhepunkt des Bauwerks.

Das Bildprogramm der Grotte wurde aber wohl, so lässt eine Zeichnung des Architekten Johann Christian Kamsetzer vermuten (Abb. 9), überarbei-tet. Das Skulpturenprogramm Lubomirskis wurde entfernt, die Bildwerke in den Nischen durch Vasen ersetzt. Auch die Bilder in der Kuppel unter-scheiden sich, da statt der runden und ovalen Rahmungen mit Porträts, die van Gameren festhielt (Abb. 4),, Kamsetzer opulente, mehrfigürliche Werke gerahmt von Masken und Hummerschwänzen zeigt. Deutlich tritt zudem eine Abänderung der Form der Kuppel zutage. Diese ist bei van Gameren eine Halbkugel, nun aber ein Halboval, also höher. Möglicherweise ist diese Veränderung auf die Umbauten im Obergeschoss zurück zu führen. Die vie-len kleinen Aufbewahrungsräume für Bücher und Dokumente wurden ent-fernt, die Gänge gradigt (Abb. 8).. So entstanden durch Holzwände abgeteilte, größere Räume, die die Grundstruktur der unteren Etage nachzeichneten. Auf diese Weise wurden zwei weitere Appartements im Dach geschaffen, das auch nach außen durch eine Lambrequinverzierung erneuert wurde.29

Alles weist darauf hin, dass August der Starke den Badepavillon für hö-fische Veranstaltungen umgestaltete, sei es als Zielpunkt für Gondelfahrten

29 W. Hentschel, Die sächsische Baukunst, S. 197.

8 Joachim Daniel Jauch (?), Grundriss von Erdgeschoss und erster Etage des Badepa-villon Łazienka, kolorierte Tuschezeichnung, um 1720, Sächsisches Staatsarchiv, Haup-tstaatsarchiv Dresden, 12884 Karten und Risse, Schr. 7 F. 90 Nr. 35b, Bl. o (MF 11046) / Joachim Daniel Jauch (?), Rzut poziomy parteru i pierwszego piętra pawilonu kąpie-lowego Łazienki, barwny rysunek tuszem, ok. 1720, Sächsisches Staatsarchiv, Haupt-staatsarchiv Dresden, 12884 Mapy i rysun-ki, Schr. 7 F. 90 nr 35b, Bl. o (MF 11046)

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oder als Aufenthaltsort während einer Landpartie.30 Für einen längeren Auf-enthalt oder gar als Zentrum des Hofes war die Anlage zu klein und selbst die neue achsiale Erschließung konnte die begrenzte Raumsituation wohl nicht zufrieden stellend lösen.31 Als Lustschloss eines Königs hätte es einer räum-lichen Erweiterung bedurft. Punktuelle Besuche Augusts blieben wohl die Regel. Daß der König während dieser Aufenthalte die nun schon alten Bade-becken nutzte, die zudem seinen Kurbadegewohnheiten mit der Vorliebe für große Laufbecken nicht entsprachen, ist unwahrscheinlich.32

Die Annahme, dass der Pavillon trotz Umgestaltung nicht ganz den Wün-schen des neuen Pächters entsprach, zeigt auch seine temporäre Nutzung als religiöser Ort im Rahmen der Veranstaltungen der Karwoche. 1724 ersann August der Starke eine neue Konzeption für Ujazdów als religiöses Zentrum, wodurch der Ausbau der Anlage zum Lustschloss ins Hintertreffen geriet. Als erster Schritt wurde dazu ein Pilgerweg mit Kreuzstationen samt Kal-varienberg umgesetzt, zunächst als temporäre Einrichtung (Abb. 10). Auf

30 Die Vermutung, dass er den Badepavillon für seinen Mätresse, die Gräfin Dönhoff, einrichten ließ, lässt sich zeitlich nicht richtig mit den Umbauten in Einklang bringen. Die Gräfin Dönhoff war von 1716-1719 Mätresse, der Umbau erfolgte aber wohl erst im Jahr 1720. C. Gurlitt, Warschauer Bauten aus der Zeit der Sächsischen Könige, Berlin 1917, S. 59.

31 Es ist daher nicht verwunderlich, dass sich ein Entwurf erhalten hat, der die Überformung des Bades zu einer Pavillonanlage und somit zu einem eigenständigen Lustschloss zeigt. SHStA, Dresden 12884, Karten und Risse, Schr. 7 F. 90 Nr. 35p, Bl. q, MF 11048. Dieser Plan wurde allerdings nicht vollendet.

32 V. Herzog, Der fürstliche Badepavillon, S. 91, 94.

9 Jan Christian Kamsetzer, Querschnitt durch den Badepavillon Łazienka, Ansicht von Bad, Grotte und Schlafzimmer, Zeichnung, 1776, fotografiert von Jaworski, 1924, IS PAN Warschau, BR0000006846 / Jan Christian Kamsetzer, Przekrój poprzeczny pawilonu kąpielowego Łazienki, widok łaźni, groty i sypialni, Rysunek, 1776 kopia, fot. Jaworskiego, 1924, IS PAN Warszawa, BR 0000006846

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der Straße, die auf das Gut „Belweder“ zulief, wurden neunzehn Stationen errichtet, die die Vorgeschichte der Kreuzigung darstellten. Im Gebäude des „Belweder“ waren zwei weitere Stationen untergebracht, die Handwaschung des Pilatus und das „Ecce Homo“. Dann durchlief der Kreuzweg den geomet-rischen Garten unterhalb des „Belweder“ und mündete auf einem unbefestig-ten Pfad am Fuße der Weichselböschung, dessen Stationen die Leiden Christi unter dem Kreuz zeigten und der zu einer Treppe auf den Kalvarienberg mit den drei Stationen „Kreuzabnahme“, „Begräbnis“ und „Salbung“ führte. Zwei weitere Stationen wurden vermerkt, die nicht der Passionsgeschichte Christi entnommen waren, sondern sich auf das Ritual der zeitgenössischen Insze-nierung bezogen. Station 30 verzeichnete zwölf „Canonen“, die hier zur „Bu-ßerhebung“ abgefeuert wurden. Station 31 nun war dem Badegebäude zuge-ordnet und besagte, dass hier am Vorabend des Karfreitags Fußwaschungen vorgenommen wurden.

Diese Waschungen wurden höchstwahrscheinlich durch den König selbst ausgeführt, und es ist zu vermuten, dass August der Starke sich so in die Tradition der römisch-katholischen Potentaten des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation einzureihen suchte, darunter der Kurfürst von Bayern und der Kaiser.33 Beide bestellten jährlich am Gründonnerstag zwölf

33 A. Müller, Lexikon des Kirchenrechts und der römisch-katholischen Liturgie, Bd. 2, Würzburg 1938, s. 913, 914.

10 Warschau, Ujazdow, Plan des Kreuzweges mit Badepavillon als Ort der Fußwaschung, kolorierte Zeichnung, um 1720, Landesamt für Denkmalpflege Sachsen, LfDS-PS-M4-IVb-Bl-7, fotographische Aufnahme von Wolfgang Junius / Warszawa, Ujazdów, Plan Drogi Krzyżowej z pawilonem kąpielowym jako miejscem rytualnego obmycia nóg, rysunek, ok. 1720, Landesamt für Denkmalpflege Sachsen, LfDS-PS-M4-IVb-Bl-7, fot. Wolfgang Junius

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Das Ujazdówer Bad (Łazienki) als Repräsentationsbau

Arme, also meist alte Männer aus den unteren Schichten, in ihre Residenz, wuschen ihnen die Füße und überreichten Almosen. Die Handlung fand ausdrücklich nicht in einem geistlichen Gebäude statt, das Ujazdówer Bad wäre somit kein ungewöhnlicher Ort für eine solche Handlung gewesen, die als „sächsisches“ Ritual erst zu etablieren war. Allerdings scheint das Bad keinen überzeugenden Rahmen abgegeben zu haben. In dem 1724 bis 1731 realisierte in Stein gefassten Kreuzweg wurde es nicht mehr einbezo-gen, da gleichzeitig zu dem in der Wegführung veränderten Kreuzweg die Idee aufkam, den Innenhof des Schlosses Ujazdów zu einer Auferstehungs-kirche zu überformen.34 Es ist davon auszugehen, dass die Anstrengungen, den Kreuzweg als feste Einrichtung zu gestalten, mit dem Ziel verbunden waren, die Feier einem größeren Publikum zugänglich zu machen. Das Bad bot für eine adäquate Inszenierung der Fußwaschung durch den polnischen König wohl nicht genügend Raum.

Drei Repräsentationsstrategien formen ein Bad

Unzweifelhaft ist für Stanisław Herakliusz Lubomirski und für August den Starken festzustellen, dass ihre Bauabsichten politisch motiviert waren. Bei-de trieb die Idee ihre Position bei Hofe zu legitimieren, das Bad war dabei nur ein kleiner Ausschnitt einer umfassenden Landesgestaltung. Und doch manifestieren sich an ihm Art und Erfolg der unterschiedlichen Repräsen-tationsstrategien.

Stanisław Herakliusz Lubomirski kam aus der polnischen Gesellschaft. Seine Strategie war die des langsamen Wiedereingliederns, indem er Ämter und Länder erwarb und diese im Zuge des Rehabilitierungsprozesses durch kleine Bauten besetzte. Dabei ersann er für sich und seine Familie die Rolle des Gelehrten als spezifische Qualitäten seines Geschlechts im Vergleich zu anderen Magnaten. Er setzte diese Selbstdarstellung immer an den realen Verhältnissen orientiert um und stellte sich als Einen unter Gleichen dar.

August der Starke kam nicht aus der polnischen Gesellschaft. Seine Bauab-sichten in Ujazdów waren einem Anspruch an herrschaftliche Repräsentation und einer umfangreichen Festkultur geschuldet, die importierte Vorstellun-gen bediente, nämlich solche, wie sie im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation üblich waren. Der Bauherr verortet sich also in einer anderen höfi-schen Gesellschaft, die um 1700 durch starke Autonomisierungstendenzen der einzelnen Fürsten gegenüber dem Kaiser geprägt war. Die Rangerhöhung war notwendig. Für August den Starken bedeutete dies eine Legitimierung des Kö-nigtums durch das Erbe anzustreben. Die Umbauten am Bad führen vor Au-gen, dass die angewandten Prinzipien der Achsialität und Hierarchisierung nicht den von August gewünschten Raum schaffen konnten. Pars pro toto steht das Bad dabei für Ujazdów, denn auch hier scheiterte die großartige Gartenpla-

34 Die Planung ist umfassend dokumentiert bei Hentschel 1967, S. 197 ff.

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nung an den realen Besitzverhältnissen in der Ebene. Die Idee, sich als souve-räner König darzustellen, sprengte augenscheinlich die vorgefundene Gege-benheiten und den ihm von der polnischen Adelsgesellschaft zugestandenen Raum. Der Versuch, sich als Einer ohne Gleichen darzustellen, misslang.

So konnte ein weiterer Wahlkönig, Stanisław August Poniatowski, das Bad gut fünfzig Jahre später zu seiner Residenz machen. Er nutzte den stark vergrößerten Bau, den „Palast auf der Insel“, um hier ein Pantheon der polni-schen Monarchie zu errichten. Als letzte 1792 bis 1793 erfolgte Baumaßnahme35 wurde die zentrale Grotte klassizistisch überformt. Der bereits aus Warschau weggezogene König integrierte Bildnisse der bedeutendsten polnischen Köni-ge sowie Büsten von römischen Kaisern. Er schuf so ein Denkmal für ein un-tergehendes Staatswesen, in dem der König Erster unter Gleichen war.

Das Ujazdówer Bad (Łazienki) als Repräsentationsbau (von 1683 – bis 1733) – Zusammenfassung

Der vorliegende Text befasst sich mit der Bau- und Umbaugeschichte des Badepavillons Łazienka in Ujazdów. Er behandelt die Zeit von der ersten Pla-nung unter Stanisław Herakliusz Lubomirski bis zur Überformung durch August dem Starken, also von 1677 bis 1733, wobei der Fokus auf der politi-schen Ikonographie des Gebäudes liegt, Bildprogramm und Nutzung also mit der Selbstdarstellung des Bauherrn korreliert werden. Der in seiner ursprünglichen Erscheinung hybride Architekturkörper, der architekto-nische Referenzen an Kirche, Klause, Lustschloss, Tempel und Bad aufwies, diente seinem polnischen Bauherrn als Musentempel und bekundete dessen friedfertige Haltung gegenüber dem Wahlkönig Sobieski und der polnischen Adelsgesellschaft. Die spätere Ausdeutung des Baus als Lustschloss und Kir-che durch den sächsischen Kurfürst und polnischen Wahlkönig erreichte nicht mehr ein ähnlich schlüssiges Gesamtkonzept. Beide von August dem Starken ersonnene Überformungsideen, zum Lustschloss und zum sakralen Raum, konnten nicht völlig umgesetzt werden. Der Ausbau zur Pavillonanla-ge wurde bereits im Planungsstadium wieder verworfen, die Überformung für die Inszenierung der Fußwaschung am Gründonnerstag, die im Rahmen des Ausbaus von Ujazdów zum religiösen Zentrum erfolgte, nur in Teilen re-alisiert. Die wechselvollen Umbaugeschichte des Bades verdeutlicht auch lan-destypischen Rahmenbedingung und divergierende Vorstellungen der höfi-schen Gesellschaften Polens und des Hl. Römischen Reiches Deutscher Nation bezogen auf eine politische Instrumentalisierung von Architektur.

Keywords: Bad, Badepavillon, Musentempel, Łazienka, Ujazdów, politische Ikonographie, Stanisław Herakliusz Lubomirski, August der Starke

35 M. Kwiatkowski, Stanisław August Król; N. Batowska, Jan Chrystian Kamsetzer; W. Tatarkiewicz, Łazienki Warszawskie; J. K. Hoensch, Geschichte Polens, S. 162-168.