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DAS VERHÄLTNIS VON IRREVERSIBLEN UND REVERSIBLEN PROZESSEN WÄHREND DES KRISTALLISIERENS UND SCHMELZENS VON POLYMEREN DISSERTATION zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Naturwissenschaften (Dr. rer. nat.) vorgelegt der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Rostock von Andreas Wurm aus Güstrow Rostock, März 2001

DAS VERHÄLTNIS VON · Das zwischen den Kristalllamellen verbleibende Material beinhaltet nichtkristallisier-bare Segmente, Kettenenden und Verschlaufungen und ist amorph. Kalorimetrie

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DAS VERHÄLTNIS VON IRREVERSIBLEN UND REVERSIBLEN PROZESSEN WÄHREND

DES KRISTALLISIERENS UND SCHMELZENS VON POLYMEREN

DISSERTATION

zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Naturwissenschaften

(Dr. rer. nat.)

vorgelegt der

Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Rostock

von Andreas Wurm aus Güstrow

Rostock, März 2001

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Dekan: Prof. Dr. R. Redmer 1. Gutachter: Prof. Dr. C. Schick 2. Gutachter: Prof. Dr. G. Strobl (Freiburg) 3. Gutachter: Prof. Dr. B. Wunderlich (Knoxville, TN, USA) Tag der Verteidigung: 7. Juni 2001

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KAPITEL 1: EINLEITUNG .........................................................................................1

KAPITEL 2: ZUSAMMENHANG ZWISCHEN MORPHOLOGIE UND WÄRMEKAPAZITÄT TEILKRISTALLINER POLYMERE.....................3

2.1. Morphologie teilkristalliner Polymere ..............................................................3 2.2. Vorstellungen zur Entstehung der teilkristallinen Strukturen...........................5 2.3. Wärmekapazität teilkristalliner Polymere ........................................................8

KAPITEL 3: DYNAMISCHE MESSMETHODEN......................................................15 3.1. Bestimmung der Wärmekapazität.................................................................15

3.1.1. Standard DSC ........................................................................................15 3.1.2. AC Kalorimetrie und 3-ω-Methode..........................................................16 3.1.3. Temperaturmodulierte DSC (TMDSC) ...................................................17

3.2. Experimentelle Bestimmung des Schermoduls ............................................22 3.2.1. Kriech- und Erholungsexperiment bzw. Spannungsrelaxation ...............23 3.2.2. Dynamisch Mechanische Analyse..........................................................23 3.2.3. Temperaturmodulierte Dynamisch Mechanische Analyse (TMDMA) .....28

KAPITEL 4: EXPERIMENTELLE ERGEBNISSE ....................................................35 4.1. TMDSC Scanexperimente zwischen Glasübergangs- und

Schmelztemperatur.......................................................................................35 4.2. TMDSC und TMDMA im Schmelzbereich.....................................................45

4.2.1. Der Einfluss irreversibler latenter Wärmen auf die dynamische Wärmekapazität......................................................45

4.2.2. Vergleich berechneter und gemessener dynamischer Wärmekapazitäten .................................................................................49

4.2.3. Quasi-isotherme TMDSC und TMDMA im Schmelzbereich ...................52 4.2.4. DMA Experimente ohne Temperaturmodulation ....................................60

4.3. Quasi-isotherme TMDSC und TMDMA während der Kristallisation..............64

KAPITEL 5: DISKUSSION.......................................................................................77 5.1. Reversibles Schmelzen als Relaxationsprozess ..........................................77 5.2. Immobilisierung und Mobilisierung der starr amorphen Bereiche in

Polycarbonat und Polyhydroxybuttersäure ...................................................86

KAPITEL 6: ZUSAMMENFASSUNG.......................................................................93

LITERATURVERZEICHNIS......................................................................................97

ANHANG

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KAPITEL 1: EINLEITUNG

Die Entstehung teilkristalliner Strukturen in Polymeren und ihr Schmelzen sind bis heute nicht vollständig verstandene Phänomene. Es gibt trotz vielfältiger Bemühun-gen weder eine allgemein anerkannte Theorie zur Beschreibung der Prozesse noch ein universelles Modell für die teilkristalline Morphologie auf molekularer Ebene. Bei neueren Theorien werden, basierend auf zahlreichen Hinweisen aus verschiede-nen experimentellen Methoden, trotz großer Unterkühlung lokale Gleichgewichte zwischen Kristall und Flüssigkeit angenommen. Für die Untersuchung dieser Gleichgewichte kann neben anderen Methoden die Temperaturmodulierte Differential Scanning Calorimetry (TMDSC) erfolgreich einge-setzt werden. Auf diese neue Methode geht z.B. auch die 1997 erfolgte erstmalige Beschreibung des reversiblen Schmelzens bei Polymeren, die keinen kristallinen α-Prozess und kein damit verbundenes Oberflächenschmelzen zeigen, zurück. Der Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit liegt in der breiten Anwendung der TMDSC und dem Ausloten ihrer Möglichkeiten und Grenzen bei der Untersuchung der Ent-stehung, der Alterung und des Schmelzens von teilkristallinen Strukturen in Polyme-ren. Im Mittelpunkt soll dabei die Diskussion der Exzesswärmekapazität stehen. Diese wird sowohl durch latente Wärmen irreversibel ablaufender Prozesse, wie Kristallisation und Schmelzen, als auch durch latente Wärmen reversibler Schmelz- und Kristallisationsprozesse hervorgerufen. Der Einfluss des irreversiblen Schmelzens auf die in TMDSC Scanexperimenten ermittelte dynamische Wärmekapazität und ihre Abhängigkeit von den Messbedin-gungen soll im Rahmen der vorliegenden Arbeit im Vergleich mit Modellrechnungen diskutiert werden. Da es sich hierbei um sehr komplexe Phänomene handelt, wurde der Versuch unternommen irreversible Prozesse weitestgehend auszuschließen. Dazu erfolgten quasi-isotherme Experimente im Schmelzbereich und während der Kristallisation. Die beobachtete Exzesswärmekapazität ist dann nur Ausdruck rever-sibler latenter Schmelz- und Kristallisationswärmen. Diese werden als Folge lokaler reversibler Übergänge zwischen kristalliner und amorpher Phase diskutiert. Als Ver-gleichsmethode wird die im Rahmen der vorliegenden Arbeit neu entwickelte Tempe-raturmodulierte Dynamisch Mechanische Analyse (TMDMA) herangezogen.

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2 Einleitung

Bei der TMDSC steht im Vergleich zur konventionellen DSC mit der Wahl der Fre-quenz der Temperaturmodulation ein weiterer, unabhängiger Parameter zur Verfü-gung. Durch Veränderung der aufgeprägten Temperaturmodulationsfrequenz lässt sich die dynamische Wärmekapazität frequenzabhängig bestimmen. Es sollen an-hand der Frequenzabhängigkeit der Wärmekapazität Aussagen zur Dynamik der reversiblen Prozesse erhalten werden. Ein mögliches molekulares Bild für das rever-sible Schmelzen wird diskutiert. Ein weiterer Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit ist die Bestimmung der Basis-linienwärmekapazität (Wärmekapazität, die nur durch die zur Temperaturerhöhung der Probe, ohne Änderung der Phasenanteile, notwendige Wärme bestimmt wird). Durch geeignete Wahl der Temperaturmodulationsfrequenz soll die Möglichkeit des direkten experimentellen Zugangs zur Basislinienwärmekapazität mittels TMDSC gezeigt werden. Diese direkte experimentelle Bestimmung der Basislinienwärmekapazität lässt Infor-mationen über die Prozesse erwarten, die die Basislinienwärmekapazität bestimmen. Solche Prozesse sind z.B. das Immobilisieren und Mobilisieren der starr amorphen Bereiche in teilkristallinen Polymeren. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird am Beispiel von Polycarbonat und Polyhydroxybuttersäure das Immobilisieren dieser Bereiche während der isothermen Kristallisation und ihr Mobilisieren beim Aufheizen untersucht. Die Ergebnisse sollen im Rahmen von Strobl's Modell zur Polymerkristal-lisation und Marand's Modell zur Kristallisation von Polycarbonat diskutiert werden.

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KAPITEL 2: ZUSAMMENHANG ZWISCHEN MORPHOLOGIE UND WÄRMEKAPAZITÄT TEILKRISTALLINER POLYMERE

Die physikalischen Eigenschaften von teilkristallinen Polymeren werden entschei-dend durch ihre Morphologie bestimmt. In Abschnitt 2.1 erfolgt die Beschreibung der Morphologie teilkristalliner Polymere auf unterschiedlichen Längenskalen. Daran anschließend werden in Abschnitt 2.2 Theorien und Vorstellungen zur Entstehung der teilkristallinen Strukturen vorgestellt. Die Ausführungen hierzu beziehen sich im Wesentlichen auf Darstellungen von Wunderlich [1], Gedde [2] und Strobl [3, 4]. Im Abschnitt 2.3 wird die experimentell bestimmte Wärmekapazität als Überlagerung der durch die Morphologie bestimmten Basislinienwärmekapazität und der an latente Wärmen geknüpften Exzesswärmekapazität diskutiert. Die theoretischen Grundlagen hierzu basieren auf der Darstellung von Mathot [5].

2.1. MORPHOLOGIE TEILKRISTALLINER POLYMERE

Nach genügend langer Kristallisationszeit stellt sich in Abhängigkeit von den Kristallisationsbedingungen eine teilkristalline Struktur ein, die sich in einem stationären Zustand befindet. Auf verschiedenen Längenskalen zwischen einem nm und mehreren mm können sich charakteristische Strukturen herausbilden. Mittels Transmissionselektronenmikroskopie bzw. Atomkraftmikroskopie findet man auf der 1-20 nm Skala in den meisten Fällen Kristalllamellen, die sich wie in Abbildung 2.1b dargestellt als Lamellenstapel arrangieren. Die charakteristischen Dimensionen der Lamellenstapel, wie Langperiode und Dicke der kristallinen und amorphen Bereiche, sind aus Röntgenkleinwinkelbeugungsuntersuchungen zu ermitteln. Die laterale Ausdehnung einer Kristalllamelle kann mehrere µm betragen. Das zwischen den Kristalllamellen verbleibende Material beinhaltet nichtkristallisier-bare Segmente, Kettenenden und Verschlaufungen und ist amorph. Kalorimetrie sowie NMR-, Raman-, dielektrische- und mechanische Spektroskopie zeigen, dass die amorphe Phase nach der Teilnahme bzw. Nichtteilnahme am Glasprozess bei der Glasübergangstemperatur in beweglich und starr amorphe Bereiche unterteilt werden kann [6-10].

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4 Kapitel 2

Abb. 2.1: Schematische Darstellung der Struktur teilkristalliner Polymere auf verschiedenen Längenskalen. Die supermolekulare Struktur - Sphärolit (Teil a)- wird aus Kristalllamellen rückgefalteter Moleküle mit dazwischenliegenden amorphen Bereichen gebildet (Teil b). Zwischen den kristallinen Bereichen der Kristalllamellen und den isotropen amorphen Anteilen existiert eine starr amorphe Randschicht (Teil c). Die kristallinen, amorphen und starr amorphen Anteile sind in Teil c mit c, a und ra gekennzeichnet.

Im Lichtmikroskop erkennt man, dass diese Lamellenstapel meist in supermolekula-ren Strukturen wie Sphäroliten, Axialiten oder Dendriten angeordnet sind, die oft das gesamte Volumen ausfüllen. Sphärolitische Strukturen, als häufigster Vertreter, entstehen durch axiales Wachstum der verschiedenen Lamellen ausgehend von einem Kristallisationskeim (Abbildung 2.1a). Die Größe der Sphärolite hängt vom Polymer, der Molekularmasse und den Kristallisationsbedingungen ab und kann sich vom µm bis in den mm Bereich erstrecken. Auf der sub- Nanometer Längenskala zeigt sich anhand von Röntgenweitwinkel- und Elektronenbeugungsexperimenten, dass die Polymerketten in der Kristalllamelle weitestgehend senkrecht zur Lamellenebene und in den dazwischenliegenden amorphen Bereichen isotrop angeordnet sind. Im 3-Phasen-Stapelmodell wird der Übergangsbereich zwischen der Kristalllamelle und der Schmelze, der auch Rückfaltungen einer Kette in die Lamelle beinhaltet, als starr amorpher Bereich angesehen (Abbildung 2.1c) [11, 12]. Diese Möglichkeit der Kettenrückfaltung in die Kristalllamelle als grundlegendes Konzept zur Beschreibung der teilkristallinen lamellaren Strukturen wurde 1938 von Storks [13] basierend auf Elektronenbeugungsuntersuchungen an trans-(Polyisopren) vorgeschlagen, was aber unbeachtet blieb. Basierend auf Vorstellungen von Abitz, Gerngroß und Hermann (1930) [14] wurde bei der Beschreibung teilkristalliner Polymere das sogenannte „fringed micelle“ Konzept bis in die fünfziger Jahre favorisiert. Dabei ragen die Enden der Moleküle aus den sich parallel nebeneinander liegenden Ketten heraus und bilden somit den amorphen Anteil. Keller [15], Fischer [16] und Till [17] entdeckten 1957 unabhängig voneinan-der, dass Polyethylen in Lösung in dünne, plättchenförmige Kristallite mit einer Dicke

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Morphologie und Wärmekapazität teilkristalliner Polymere 5

von ca. 12 nm kristallisiert. Keller [15] zeigte erstmals, dass die Polymerketten in Polyethyleneinkristallen senkrecht zur lateralen Ausdehnungsrichtung der Kristall-lamelle stehen. Da aber die Länge der Ketten viel größer ist als die Dicke der Lamellen, schlussfolgerte Keller, dass Makromoleküle viele Male in eine reguläre Struktur rückgefaltet werden. Während der Kristallisation kommt es jedoch nicht zur vollständigen Umlagerung des gesamten Kettenmoleküls zu regulären, scharfen Rückfaltungen. Neutronenkleinwinkelstreuexperimente an deuteriertem Probenmate-rial zeigen, dass die räumliche Ausdehnung des Moleküls im wesentlichen erhalten bleibt und nur eine Separation von kristallisierbaren und nichtkristallisierbaren Kettensegmenten stattfindet [18-20]. Dies wird im „switchbord“ - Modell von Flory [21] und im Erstarrungsmodell zur Kristallisation von Fischer [22] berücksichtigt. Experimentelle Befunde zeigen, dass neben den die Morphologie dominierenden Kristalllamellen oftmals unperfekte Kristalle (Blöckchen) vorliegen [23-28]. Der Entstehungsmechanismus und die Morphologie dieser Kristalle ist Gegenstand der aktuellen Forschung und wird kontrovers diskutiert.

2.2. VORSTELLUNGEN ZUR ENTSTEHUNG DER TEILKRISTALLINEN STRUKTUREN

Es existieren viele verschiedenartige Modelle zur Beschreibung der Kristallisations-mechanismen von Makromolekülen. Bis heute wird die Literatur von dem 1960 von Hoffmann und Lauritzen [29] vorgeschlagenen Modell dominiert.

Abb. 2.2: Modell nach Hoffman und Lauritzen [29, 30] zur sekundären Oberflächen-keimbildung und zum Wachstum der Kristalle aus rückgefalteten Ketten. Ein sekundärer Keim mit der durch den Grad der Unterkühlung bestimmten Länge b und Höhe l wächst lateral in Richtung g, wobei a die Breite des Moleküls ist. Die Wachstumsrichtung der Kristalllamelle ist G.

Dieses Modell berücksichtigt die reguläre Kettenrückfaltung. Die Kristallisation wird hierbei als zweistufiger Prozess aufgefasst. Im ersten Schritt werden durch

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6 Kapitel 2

heterogene oder homogene Keimbildung stabile, primäre Keime gebildet. Im zweiten Schritt wächst der Kristall beginnend mit der sekundären Keimbildung an der glatten Wachstumsfront und dem lateralen Wachstum (Richtung g in Abbildung 2.2). Die Kristalloberfläche wird, wie in Abbildung 2.2 dargestellt, durch laterales Anlagern und Rückfalten der Polymerkette abgeschlossen. Die eigentliche Wachstumsrichtung der Kristalllamelle ist die Richtung G in Abbildung 2.2. Aufgrund vieler Unzulänglichkeiten der Hoffmann-Lauritzen Theorie bei der Erklärung experimenteller Befunde wie Kristalllamellendickenwachstum, Einschubkristallisation und reversibles Schmelzen entstanden alternative Konzepte. Andere Modelle wurden unter anderem von Wunderlich [1], Sadler [31, 32] und Strobl [23, 33, 34] vorge-schlagen. Wunderlich legte den Schwerpunkt auf molekulare Fraktionierungseffekte, die die Polymerkristallisation oft begleiten. Der grundlegende Unterschied zur Hoffmann-Lauritzen Theorie ist, dass jedes einzelne Molekül vor der Kristallisation eine sekundäre Keimbildung durchlaufen muss, die sogenannte „molecular nucleation“ und nicht nur für jede Ebene an der Wachstumsfront ein sekundärer Keim vorhanden sein muss. Sadler unterteilt das Polymermolekül in eine Aneinanderreihung kristallisierbarer Einheiten, im allgemeinen aus einigen Monomeren bestehende Kettensegmente, und betrachtet sie als unabhängige Einheiten. Es wird angenommen, dass sich die Kettensegmente nicht notwendigerweise vorteilhaft für den weiteren Verlauf der Kristallisation an der Wachstumsfront anlagern. Außerdem wird das Ablösen der gerade an der Wachstumsfront angelagerten Segmente zugelassen. So können vorher „falsch“ eingebaute Kettensegmente nach dem Ablösen „richtig“ an den Kristall angelagert werden. Die gerade an der Wachstumsfront befindlichen Segmente fluktuieren solange zwischen Kristall und Schmelze, bis sie eine thermodynamisch stabile Position eingenommen haben. Solche Fluktuationen können zur Beschreibung des später diskutierten reversiblen Schmelzens herange-zogen werden (Kapitel 5.1). Strobl’s Modell zur Entstehung der Kristalllamellen ist, wie in Abbildung 2.3 dargestellt, ein dreistufiger Prozess, bei dem zuerst eine Schicht mit mesomorpher innerer Struktur entsteht. Diese Phase besteht aus nicht vollständig gestreckten und rückgefalteten Ketten und entspricht in ihren thermodynamischen Eigenschaften eher der isotropen Schmelze als dem Kristall. Diese Schichten müssen eine Mindestdicke aufweisen, um in der umgebenden Schmelze stabil zu sein. Sie wachsen lateral durch Anlagerung teilweise gestreckter Kettensegmente entsprechender Länge. Aufgrund der immer noch hohen Beweglichkeit der Ketten kommt es durch kontinuierliche Umlagerungen zu einer Verdickung und Perfektionierung der Schichten. Bei Erreichen einer kritischen Dicke erstarrt die Schicht und das Dickenwachstum endet.

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Morphologie und Wärmekapazität teilkristalliner Polymere 7

Abb. 2.3: Skizze des von Strobl vorgeschlagenen Mechanismus zur Bildung einer Kristalllamelle (entnommen aus [23]).

Basierend auf kraftmikroskopischen Untersuchungen (AFM) wird angenommen, dass im zweiten Schritt granulare, blöckchenartige Schichten entstehen [35]. Bei diesem Übergang soll es sich um einen Phasenübergang 2. Ordnung handeln, der spontan und ohne Keimbildung ablaufen kann. Bis zu diesem Zeitpunkt befinden sich die gebildeten Strukturen im thermodynamischen Gleichgewicht mit der sie umgebenden Schmelze. Dieses ermöglicht den Übergang von Polymersegmenten zwischen Schmelze und Blöckchen bei konstanter Temperatur. Der dritte Schritt beschreibt dann das Zusammenwachsen (Verschmelzen) der im zweiten Schritt entstandenen Blöckchen zu einer homogenen Kristalllamelle mit der Dicke der ursprünglichen Blöckchen. Die Stabilisierung der Struktur führt zu der bekannten Erhöhung der Schmelztemperatur im Vergleich zur Kristallisationstemperatur. Im Rahmen dieses Modells lassen sich, aufgrund der Annahme von lokalen Gleichgewichten zwischen Kristall und Schmelze, in den frühen Stadien der Kristallisation Effekte wie Einschub-kristallisation, Dickenwachstum der Kristalllamellen bei Temperaturerhöhung und reversibles Schmelzen erklären. Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit sind reversible und irreversible Schmelz- bzw. Kristallisationsprozesse auf molekularer Ebene. Mit dem Schmelzen bzw. Kristallisieren von Polymermolekülen oder Kettenbestandteilen ändert sich die Zahl der inneren Freiheitsgrade des Systems. Ein Maß für die inneren Freiheitsgrade ist die Wärmekapazität. Somit können mit Hilfe der Wärmekapazität Aussagen zur molekularen Beweglichkeit der Polymerketten gemacht werden.

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8 Kapitel 2

2.3. WÄRMEKAPAZITÄT TEILKRISTALLINER POLYMERE

Abbildung 2.4 zeigt am Beispiel von Polyetheretherketon (PEEK) den für kristallisa-tionsfähige Polymere typischen Verlauf der Wärmekapazität.

400 450 500 550 600 650-3

-2

-1

0

1

2

3

4

5

melting

crystallization

glass transition

c p in

J g-1

K-1

T in K

Abb. 2.4: Spezifische Wärmekapazität von PEEK aus einem standard DSC Experiment. PerkinElmer Instruments Pyris1 DSC, q0=20K/min.

Die Wärmekapazität repräsentiert eine Überlagerung aller parallel ablaufenden Prozesse, die sowohl reversibel als auch irreversibeler Natur sein können. Als Beispiele seien Glasübergang, Kristallisation und Schmelzen genannt. Einen bedeutenden Anteil an der Wärmekapazität liefern aber auch die schnellen, atomaren und molekularen Prozesse. Es handelt sich hierbei um Vibrationen, Rotationen und interne Rotationen von Atomen bzw. von Molekülen. Die Frequenzen dieser Vibrationen und Rotationen liegen im Bereich 1012-1014 Hz [36]. Somit liefern diese Bewegungen bei jedem derzeit möglichen Experiment Beiträge zur gemes-senen Wärmekapazität. Um Phasenübergänge, wie Kristallisation und Schmelzen, beschreiben zu können, ist es notwendig, die entsprechenden Beiträge dieser Prozesse von der gemessenen Wärmekapazität zu separieren. Ein wichtiger Schritt ist hierbei die Bestimmung der Basislinienwärmekapazität cpb. Diese entspricht der Wärme, die nötig ist, um die Temperatur der Probe zu erhöhen, ohne die Phasenverhältnisse (hier Kristallini-tätsgrad) zu verändern [5]. Alle Beiträge latenter Wärmen aus Kristallisations- und Schmelzprozessen zählen demnach nicht zur Basislinienwärmekapazität. Diese nicht zur Basislinienwärmekapazität gehörenden Beiträge werden zur Exzesswärmekapa-zität cp excess zusammengefasst. Die gemessene Wärmekapazität cp setzt sich dann additiv aus der Basislinienwärmekapazität cpb und der Exzesswärmekapazität cp excess

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Morphologie und Wärmekapazität teilkristalliner Polymere 9

zusammen, wobei beide stark vom aufgeprägten Messprogramm, der Vorgeschichte der Probe und natürlich der Temperatur abhängen:

),(),(),( tTctTctTc excessppbp += (2-1)

Bestimmung der Basislinienwärmekapazität Sind die Wärmekapazitäten des flüssigen (cp liquid) bzw. kristallinen Materials (cp crystal) bekannt, kann bei Kenntnis des Kristallinitätsgrades (χ) und unter Annahme eines „2-Pasen-Modells“ durch Superposition der einzelnen Wärmekapazitäten die Basis-linienwärmekapazität (cpb) des teilkristallinen Polymers oberhalb von Tg bestimmt werden:

)( )),( 1()( t)(T, ),( liquid TctTTctTc pcrystalppb χχ −+= (2-2)

Die Bestimmung der Wärmekapazitäten des kristallinen bzw. flüssigen Materials kann für Polymere näherungsweise aus Messungen der Wärmekapazitäten unterhalb der Glasübergangstemperatur Tg und oberhalb der Schmelztemperatur Tm erfolgen. Grundvoraussetzung dafür ist, dass unterhalb von Tg und oberhalb von Tm keine anderen Prozesse, als die die Basislinienwärmekapazität repräsentierenden, ablaufen. Die Wärmekapazität der Flüssigkeit im Bereich zwischen Tg und Tm wird, falls nicht direkt messbar, durch Extrapolation der gemessenen Wärmekapazität von oberhalb Tm zu tieferen Temperaturen ermittelt. Die direkte experimentelle Bestim-mung der Wärmekapazität der kristallinen Phase ist für die meisten Polymere aufgrund der unvollständigen Kristallisation nicht möglich. cp crystal kann aber durch Extrapolation der unterhalb von Tg gemessenen Wärmekapazität zu höheren Temperaturen bestimmt werden. Hierbei wird angenommen, dass unterhalb von Tg die Wärmekapazität des Kristalls der Wärmekapazität des amorphen Festkörpers (Glas) entspricht. Eine Bestätigung dieser Annahme liefert Abbildung 2.5, wo die spezifischen Wärmekapazitäten der amorphen und kristallinen Zustände einiger Polymere über einer normierten Temperaturachse aufgetragen sind. Die der ATHAS Datenbank [37] entnommenen Daten für das Glas bzw. den Kristall eines Polymers zeigen unterhalb der Glasübergangstemperatur nur Unterschiede, die geringer sind als die in der Datenbank angegeben Unsicherheiten von weniger als 5%. In der ATHAS Datenbank sind die Wärmekapazitäten für eine Vielzahl von Polymeren in einem weiten Temperaturbereich aufgeführt. Neben den Werten für die Schmelze und den amorphen Festkörper (Glas) findet man hier auch die Wärme-kapazitäten der Kristalle, so dass die vorher beschriebene experimentelle Bestim-mung nur selten nötig ist.

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10 Kapitel 2

-50 -40 -30 -20 -10 0 10

1

2

PE PEN PCL PBT PS PC PET PP PEO PEEK

c p in

J g-1

K-1

T-Tg in K

Abb. 2.5: Spezifische Wärmekapazität für amorphe und kristalline Zustände verschiedener Polymere. Die Daten sind der ATHAS Datenbank [37] entnommen. Die spezifische Wärmekapazität des amorphen Polymers entspricht bei positiven normierten Temperaturen der der Flüssigkeit und bei negativen der des Glases.

Nutzt man für cp liquid und cp crystal die Datenbankwerte, ist für die Bestimmung der Basislinienwärmekapazität die Bestimmung des Kristallinitätsgrades entscheidend. Diese erfolgt aus der spezifischen Enthalpie h mittels des Gesamtenthalpieverfah-rens [38-40]:

)()()()(

)(ThTh

ThThT

crystalliquid

liquid

−=χ (2-3)

wobei die Differenz hliquid (T) – h(T) durch Integration der experimentell ermittelten Wärmekapazitätsdifferenz zwischen Probe und Flüssigkeit erhalten werden kann. Die spezifischen Enthalpien der amorphen und kristallinen Referenzzustände hliquid (T) bzw. hcrystal (T) können der ATHAS Datenbank entnommen werden. In Abbildung 2.6 ist der Verlauf der gemessenen Wärmekapazität von PEEK zusammen mit den Wärmekapazitäten für den Kristall cp crystal und der Flüssigkeit cp liquid aus der ATHAS Datenbank dargestellt. Zusätzlich ist der Verlauf der Basislinienwärmekapazität cpb(χcrystal(T)), erhalten aus den Gleichungen 2-2 und 2-3 eingezeichnet. Die Basislinienwärmekapazität wird neben dem temperaturabhängigen Anstieg am Glasübergang auch durch Prozesse beeinflusst, die mit latenten Wärmen einherge-hen. Zum Beispiel spiegelt sich die Abnahme der Freiheitsgrade beim Kristallisieren bzw. ihre Zunahme beim Schmelzen in cpb wieder. In Abbildung 2.5 ist dies die Zunahme von cpb(χcrystal(T)) gegenüber cpb(χcrystal=0.3) im Schmelzbereich aufgrund der höheren Wärmekapazität der Schmelze im Vergleich zum Kristall.

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Morphologie und Wärmekapazität teilkristalliner Polymere 11

400 450 500 550 600 650

2

3

4

5

cpb(χcrystal(T))

cp solid

cp liquid

c p in

J g-1

K-1

T in K

cpb(χcrystal=0.3)

Abb. 2.6: Spezifische Wärmekapazität von PEEK aus einem standard DSC Experiment. Die Geraden repräsentieren den Verlauf der Wärmekapazitäten der flüssigen und kristallinen Substanz bzw. die Wärmekapazität der teilkristallinen Probe mit einem Kristallinitätsgrad von 0.3 berechnet aus einem „2-Phasen-Modell“. Zusätzlich ist die Basislinienwärmekapazität unter Berücksichtigung der Änderung des Kristallinitätsgrades beim Schmelzen angegeben. PerkinElmer Instruments Pyris1 DSC, q0=20K/min.

Beim Vergleich der Basislinienwärmekapazität mit der gemessenen Wärmekapazität in Abb. 2.5 ist auffällig, dass beide nur im vollständig amorphen Zustand (oberhalb Tm) und dem festen Zustand (unterhalb Tg) übereinstimmen. Die gemessene Wärmekapazität im Bereich zwischen Tg und Tm weicht einerseits aufgrund der Exzesswärmekapazität durch mit latenten Wärmen verbundenen Prozessen ab, andererseits aufgrund der unzureichenden Näherung des „2-Phasen-Modells“ für die Basislinienwärmekapazität. Voraussetzung für die Diskussion der Exzesswärme-kapazität und die dafür ursächlichen Prozesse ist aber die korrekte Bestimmung der Basislinienwärmekapazität. Für die meisten Polymere genügt hierfür das oben beschriebene „2-Phasen-Modell“ nicht. Auch in dielektrischer [7, 9] und mechani-scher [7] Relaxationsspektroskopie sowie in Raman- [8, 10, 12, 41] und NMR [10, 12, 42, 43] Spektroskopie werden Abweichungen vom einfachen „2-Phasen-Modell“ beobachtet.

Bestimmung der Basislinienwärmekapazität - 3-Phasen-Modell Bei kalorimetrischen Untersuchungen ist besonders auffällig, dass die gemessene Stufe in der Wärmekapazität am Glasübergang deutlich geringer ist, als die dem amorphen Anteil des „2-Phasen-Modells“ entsprechende (siehe auch Abb. 2.5) [6, 7,

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12 Kapitel 2

10, 12, 44]. Durch Einbeziehung einer dritten „Phase“1, die nicht zur Kristallisations- bzw. Schmelzwärme beiträgt und auch nicht im Bereich des Glasübergangs immobilisiert bzw. wieder mobilisiert wird, lässt sich das Modell zu einem „3-Phasen-Modell“ erweitern. Es wird angenommen, dass die Mobilität der Moleküle bzw. Molekülsegmente, die diesem amorphen Anteil angehören eingeschränkt ist und sie somit keinen Beitrag zur Wärmekapazitätsstufe im Glasübergangsbereich liefern. Weiterhin zeigt sich in Röntgenbeugungsuntersuchungen, dass die Struktur dieses Anteils ungeordnet ist und der der amorphen Phase ähnelt. Im DSC Experiment ist demzufolge kein Beitrag zum Schmelzprozess zu erwarten. Diese Situation ist z.B. im „3-Phasen-Lamellenstapelmodell“, als Erweiterung des „2-Phasen-Lamellensta-pelmodells“ [45] an den Faltenoberflächen der Kristalle gegeben (siehe Abb. 2.1c) [10-12]. Die „3. Phase“ wird daher als starr amorpher Anteil bezeichnet und verhält sich wie die eingefrorene Flüssigkeit (Glas). Die Wärmekapazität des starr amorphen Anteils entspricht damit der des Glases. Unter der Voraussetzung gleicher Wärme-kapazitäten von kristalliner und Glasphase, kann man einen festen Anteil als Summe der Anteile der kristallinen χcrystal und starr amorphen Anteile χrigid amorph mit der Wärmekapazität cp solid = cp crystal = cp rigid amorph = cp glass definieren:

amorphrigidcrystalsolid χχχ += (2-4)

Den Anteil χsolid dieser festen Phase am Polymer erhält man aus Kenntnis des flüssigen (beweglich amorphen) Anteils χliquid :

liquidsolid χχ −=1 (2-5)

Dieser kann aus dem Verhältnis der Stufenhöhen der Wärmekapazität des teilkristallinen ∆cp und des vollständig amorphen Polymers ∆cp amorph am Glasüber-gang ermittelt werden:

amorphp

pliquid c

c

∆=χ (2-6)

Mit Kenntnis des kristallinen Anteils entsprechend Gleichung 2.3 und dem beweglich amorphem Anteil lässt sich auch der starr amorphe Anteil bestimmen:

liquidcrystalamorphrigid χχχ −−= 1 (2-7)

Unter Verwendung des „3-Phasen-Modells“ wird die Basislinienwärmekapazität des teilkristallinen Polymers additiv aus der Wärmekapazität des flüssigen und des festen Anteils berechnet:

)T(c) t)(T,()T(c t)(T,)t,T(c liquid psolid solidpsolid pb χχ −+= 1 (2-8)

Unter Kenntnis der Basislinienwärmekapazität und Gleichung 2-1 erhält man nun aus der gemessenen Wärmekapazität die Funktion für die Exzesswärmekapazität, die

1 Der Begriff Phase ist hier im Sinne von Bereichen unterschiedlicher Ordnung oder molekularer Beweglichkeit und nicht im thermodynamischen Sinne gemeint.

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Morphologie und Wärmekapazität teilkristalliner Polymere 13

entscheidend von der Vorgeschichte und den Messbedingungen abhängt. Die Abhängigkeit von den Messbedingungen bei TMDSC Experimenten wird anhand von Modellrechnungen in Abschnitt 4.2 diskutiert. Zur detaillierten Diskussion der Exzesswärmekapazität ist also zunächst die genaue Kenntnis des Verlaufs der Basislinienwärmekapazität notwendig. Von Wunderlich und Mitarbeitern ist dazu die quasi-isotherme Bestimmung der Wärmekapazität als direkte experimentelle Methode (siehe auch Kapitel 3) vorgeschlagen worden [46, 47]. Ausgangspunkt war hierbei die Überlegung, dass Polymere für die Kristallisation eine hohe Unterkühlung benötigen, also keine Gleichgewichte an den Grenzflächen zwischen der amorphen und der kristallinen Phase existieren sollten. Es sind daher keine reversiblen Prozesse an diesen Phasengrenzflächen zu erwarten. Nach genügend langer Wartezeit bei einer bestimmten Temperatur sind alle irreversibel ablaufenden Prozesse beendet und man sollte nur noch die Basislinienwärmekapazität messen. Man hätte damit über die quasi-isotherme Bestimmung der Wärmekapazität, ohne den störenden Einfluss der irreversibel ablaufenden Prozesse, jederzeit die Möglichkeit Basislinienwärmekapazitäten zu bestimmen und mit deren Kenntnis Aussagen über die bei dieser Temperatur und Vorgeschichte eingestellte Morpho-logie der Probe zu machen. Aus dem Abklingverhalten der irreversiblen Prozesse lassen sich auch Aussagen zu diesen Phänomenen erwarten.

Exzesswärmekapazität im quasi-isothermen Experiment Die erste quasi-isotherme TMDSC Messung im Schmelzbereich von PET wurde 1996 von Wunderlich und Mitarbeitern durchgeführt [47, 48]. Das Ergebnis dieses Experimentes ist in Abbildung 2.6 dargestellt.

Abb. 2.7: Wärmekapazität von PET ermittelt aus standard DSC und quasi-isothermer TMDSC (entnommen aus [47]).

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14 Kapitel 2

Wider Erwarten zeigte sich, dass die quasi-isotherm bestimmte Wärmekapazität im Schmelzbereich von PET nicht nur durch die Basislinienwärmekapazität bestimmt wird. Die gemessene Wärmekapazität bleibt zwar nach langer, isothermer Wartezeit konstant, ist jedoch ab einer Temperatur von 470 K im gesamten Schmelzbereich deutlich höher als die erwartete Basislinienwärmekapazität. Ab einer Temperatur von 500 K ist die quasi-isotherm gemessene Wärmekapazität sogar höher als die Wärmekapazität der Schmelze bei dieser Temperatur. Dies lässt sich nur durch das Vorhandensein einer reversiblen latenten Wärme erklären. Demnach gibt es in diesem Beispiel mindestens einen zusätzlichen reversiblen Prozess, der eine Exzesswärmekapazität liefert. Dieser Prozess wurde von Wunderlich als reversibles Schmelzen bezeichnet [46, 49-51]. Die Ursache und der molekulare Prozess des reversiblen Schmelzens sind seitdem Gegenstand der Forschung verschiedener Arbeitsgruppen. Dabei konzentrieren sich Strobl und Mitarbeiter auf Polymere, die einen kristallinen α-Prozess [52] aufweisen. Es handelt sich hierbei um eine gleitende Diffusion von gestreckten Ketten durch den Kristall senkrecht zum Lamellenstapel. Am Beispiel von Polyethylen und Polyethylenoxid konnte durch Vergleich mit Röntgenbeugungs-experimenten gezeigt werden, dass das Auftreten der Exzesswärmekapazität durch ein reversibles Oberflächenschmelzen [53, 54] an den Faltenoberflächen der Kristalllamellen bestimmt wird [55-59]. Dieser Effekt ist streng mit dem kristallinen α-Prozess verbunden und beschränkt sich somit auf eine Minderheit unter den Polymeren. Allerdings tritt auch bei allen anderen Polymeren eine Exzesswärmekapazität auf, die nicht durch latente Wärmen des oben beschriebenen Oberflächenschmelzens hervorgerufen werden kann. Diese Prozesse sind Gegenstand der weiteren Betrachtungen im Rahmen der vorliegenden Arbeit. Ausgangspunkt ist die Annahme von lokalen Gleichgewichten an den Grenzflächen zwischen Kristall und amorpher Phase. Das Vorhandensein solcher Gleichgewichte würde das Auftreten reversibler Übergänge zwischen kristallinen und amorphen Bereichen erklären. Mit der Untersuchung der Exzesswärmekapazität ist ein Beitrag zum Verständnis des reversiblen Schmelzens zu erwarten. Insbesondere die Möglichkeit der frequenzabhängigen Bestimmung der Exzesswärmekapazität in TMDSC Experimenten sollte Aufschluss über die Dynamik des Prozesses geben.

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KAPITEL 3: DYNAMISCHE MESSMETHODEN

In diesem Kapitel werden die im Rahmen der vorliegenden Arbeit verwendeten experimentelle Methoden diskutiert. Im Vordergrund stehen dabei Methoden zur Bestimmung der Wärmekapazität, Abschnitt 3.1. Hier ist vor allem die spektroskopische Untersuchung der Wärmekapa-zität von Interesse, die eine Beschreibung der Dynamik reversibler Prozesse zulässt. Des Weiteren wird in Abschnitt 3.2 die im Rahmen dieser Arbeit entwickelte Methode der Temperaturmodulierten Dynamisch Mechanischen Analyse (TMDMA) vorgestellt. Sie liefert wichtige ergänzende Aussagen über die Entwicklung des Kristallinitätsgra-des während isothermer Experimente im Schmelzbereich .

3.1. BESTIMMUNG DER WÄRMEKAPAZITÄT

Die Methode zur experimentellen Bestimmung von Wärmekapazitäten ist die Kalorimetrie. Kalorimetrie bedeutet die Messung von Wärme. Es gibt eine Vielzahl von kalorimetrischen Methoden. Dabei kann unterschieden werden zwischen solchen, die in der Zeitdomäne arbeiten (adiabatisch [60-63], isotherm [63], DSC [64, 65]) und solchen, die in der Frequenzdomäne mit periodischem Energieeintrag arbeiten (AC [66-72], 3-ω [73-77], TMDSC [78-81]). Im Rahmen der vorliegenden Arbeit steht die absolute Messung der Wärmekapazität in einem großen Tempera-turbereich im Mittelpunkt. Die hierfür einfachste geeignete Methode ist die DSC mit der Erweiterung zur Temperaturmodulierten DSC (TMDSC).

3.1.1. Standard DSC Bei der Differential Scanning Calorimetry (DSC) wird die Differenz der Wärmeströme in die Probe und in eine Referenzsubstanz gemessen. Probe und Referenz befinden sich idealerweise in symmetrischen, separaten Öfen, deren Umgebungstemperatur identisch ist. Die Probenwärmekapazität berechnet sich dann aus dem Quotienten zwischen Differenzwärmestrom und der im Experiment vorgegebenen Heizrate. Im tatsächlichen Experiment ist natürlich immer eine geringe Unsymmetrie zwischen der Proben- und Referenzseite des Kalorimeters zu verzeichnen. Der Einfluss dieser wird durch eine Leermessung und Subtraktion des hierbei gemessenen Differenzwärme-stroms von dem der Probenmessung korrigiert. Eine detaillierte Beschreibung der Methode findet man z.B. in [64, 65]. Die aus standard DSC Experimenten gewonnenen Wärmekapazitäten sind, wie im Abschnitt 2.3 angesprochenen, eine Überlagerung aller reversiblen und irreversiblen

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16 Kapitel 3

Komponenten der Wärmekapazität. Voraussetzung für die Trennung von reversiblen und irreversiblen Komponenten ist die Möglichkeit wenigstens eine Komponente direkt zu bestimmen. Bei der isothermen Bestimmung der Wärmekapazität in Abhängigkeit von der Zeit sollte mit dem Ende aller irreversiblen Prozesse nach genügend langer Wartezeit nur noch die reversible Komponente der Wärmekapazität gemessen werden. Es ist jedoch prinzipiell unmöglich die Wärmekapazität isotherm zu messen, da die Messung von Wärmen die Messung des Energiebetrages ist, der zwischen zwei Systemen unterschiedlicher Temperatur ausgetauscht wird. Als treibende Kraft für den Wärmeaustausch ist somit immer ein Temperaturgradient zwischen Probe und Reservoir nötig. Mit einer Vielzahl von kalorimetrischen Methoden lässt sich aber eine quasi-isotherme Bestimmung der Wärmekapazität erreichen. Quasi-isotherm bedeutet, dass die Probentemperatur, hervorgerufen durch einen kleinen periodischen Wärmeeintrag, periodisch um eine mittlere Temperatur schwankt.

3.1.2. AC Kalorimetrie und 3-ω-Methode Bei der AC (alternating current) Kalorimetrie erfolgt der periodische Energieeintrag in das System durch einen Wechselstrom durch einen Heizer auf einer Probenseite. Die resultierende periodische Temperaturschwankung der Probe wird detektiert [66-72]. Aus dem Verhältnis der Amplituden der eingetragenen elektrischen Leistung und der resultierenden Temperaturschwankung kann die Wärmekapazität bestimmt werden. Dies ist jedoch nur im Idealfall einer homogenen Temperaturverteilung in der Probe möglich. Im realisierbaren Experiment, wo der Wärmeeintrag und die Temperaturbestimmung auf entgegengesetzten Probenseiten erfolgen, wird es immer eine Dämpfung der Wärmewelle auf dem Weg durch die Probe geben. Die Messgröße ist dann die Diffusivität, wobei thermische Leitfähigkeit und Wärmekapa-zität als Quotient miteinander gekoppelt sind und eine Trennung schwer möglich ist. Diese Trennung gelingt nur durch eine vollständige mathematische Beschreibung des Meßsystems unter Berücksichtigung aller Wärmeübergänge und Prozesse in der Probe. Erste Erfolge hierzu sind in [82-86] dargestellt. Eine weitere Methode zur quasi-isothermen Bestimmung der Wärmekapazität ist die 3-ω-Methode. Hier wird, ähnlich wie bei der AC Kalorimetrie, auf einer Seite der als unendlich ausgedehnt angesehenen Probe eine periodische Leistung eingetragen. Allerdings erfolgt die Messung der resultierenden Temperaturamplitude auf der selben Seite [73-77]. Da auch hier der Wärmefluss in die Probe eine Rolle spielt, ist die Bestimmung der Wärmekapazität wieder untrennbar mit der thermischen Leitfähigkeit verbunden. Die Messgröße ist hierbei die Effusivität und wird vom Produkt aus Wärmekapazität und Leitfähigkeit bestimmt. Birge und Nagel [73] bzw. Christensen [74] erkannten, dass in einem solchen 3-ω-Experiment die Messfrequenz als zusätzlicher Parameter zur Verfügung steht. Sie wandten ähnlich wie bei dielektrischer und dynamisch mechanischer Spektroskopie

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Dynamische Messmethoden 17

Auswertealgorithmen der linearen Antworttheorie an und bestimmten eine frequenz-abhängige komplexe Wärmekapazität mit Real- und Imaginärteil. Im Bereich von Relaxationsprozessen, wie z.B. dem Glasübergang, ist es möglich, mit dieser Methode Wärmekapazitätsspektroskopie durchzuführen. Die Wärmekapazität ist dann analog zur dynamischen Nachgiebigkeit (J*) aus mechanischen Experimenten und der dielektrischen Suszeptibilität (ε∗) aus dielektrischen Experimenten als Suszeptibilität anzusehen. Wie erwartet findet man im Glasübergangsbereich eine Stufe im Realteil (cp’) und ein Maximum im Imaginärteil (cp’’), die sich mit der Frequenz bzw. Temperatur charakteristisch verschieben. Das Hauptproblem bei diesen Methoden, die den Effekt der Ausbreitung thermischer Wellen ausnutzen, besteht in der Separation der Wärmekapazität von der thermi-schen Leitfähigkeit. Wenn Diffusivität und Effusivität gleichzeitig verfügbar sind, kann eine Trennung von Wärmekapazität und Wärmeleitung erfolgen. Eine mögliche Methode dazu ist die gleichzeitige Detektion der Temperaturamplitude am Heizer und an der gegenüberliegenden Probenseite. So lassen sich Wärmekapazität und thermische Leitfähigkeit in einem einzigen Experiment bestimmen. Hierzu laufen in einigen Gruppen intensive Arbeiten und erste Erfolge sind zu verzeichnen [58, 59, 87-89]. Sollte dies in dem für diese Experimente gängigen Frequenzbereich von 0.01 Hz bis 100 kHz gelingen, ist es möglich, Wärmekapazitätsspektroskopie mit einem experimentellen Aufbau durchzuführen.

3.1.3. Temperaturmodulierte DSC (TMDSC) Eine andere Methode, zur direkten Bestimmung der komplexen Wärmekapazität ist die bereits 1971 von Gobrecht und Mitarbeitern erstmals durchgeführte Temperatur-modulierte DSC [78]. Hierbei wird dem linearen Temperaturprogramm der standard DSC (kann auch isotherm sein) eine periodische Temperaturänderung überlagert. Das Messprinzip ist analog zu dem der zuvor beschriebenen wärmewellenspektro-skopischen Methoden. Aus dem gemessenen periodischen Differenzwärmestrom wird mittels Fourieranalyse frequenzselektiv die Amplitude des Wärmestroms der betrachteten Frequenz ermittelt. Aus der Amplitude der aufgeprägten Heizratenmodulation (Aq) und der Amplitude des Wärmestroms (AHF) lässt sich der Betrag der komplexen Wärmekapazität1 berechnen:

q

HFp A

AC

* = (3-1)

1 Da im Rahmen dieser Arbeit die dynamisch bestimmten Wärmekapazitäten immer als Betrag der komplexen Wärmekapazität angesehen werden und die komplexen Anteile nicht separat diskutiert werden, wird die dynamisch gemessene Wärmekapazität im folgenden nur mit cp (dynamische Wärmekapazität) bezeichnet.

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18 Kapitel 3

Für TMDSC Experimente ist es möglich die Frequenz der Modulation so zu wählen, dass die ermittelte Wärmekapazität nur unwesentlich durch die thermische Leitfähigkeit beeinflusst wird. Dies ist in typischen kommerziellen Kalorimetern mit Probenmassen unter 20 mg bei Frequenzen kleiner als 0.004 Hz möglich [36]. Der Einfluss der Wärmeleitfähigkeit und der Wärmeübergänge lässt sich durch später angesprochene Korrekturen berücksichtigen, sodass insgesamt ein Frequenzbereich von ca. 0.1 Hz bis 10-5 Hz zur Bestimmung der dynamischen Wärmekapazität mittels TMDSC zur Verfügung steht. Diese Methode wurde von der wissenschaftlichen Gemeinschaft und den Entwicklern in ihrer Bedeutung und der sich daraus ergebenden Möglichkeiten unterschätzt. Es erfolgte zunächst keine weitere Entwicklung. Erst 1993 erkannte Reading die Temperaturmodulierte DSC als Möglichkeit, reversible und nicht reversible Prozesse zu trennen [79]. Die Experimente wurden mit der Überlagerung einer periodischen Temperaturstörung und einer linearen Heiz- bzw. Kühlrate, wie im DSC Experiment üblich, durchgeführt [80, 81, 90]. Weitere Untersuchungen zeigten jedoch schnell, dass aufgrund der im Vergleich zur aufgeprägten periodischen Temperaturstörung langen Zeitkonstante der ablaufenden Phasenübergänge in Polymeren eine wirkliche Trennung reversibler und irreversibler Prozesse nur im quasi-isothermen Experiment möglich sein kann [46, 48, 91]. Hierbei erfolgt die Modulation ohne unterliegende Heizrate und damit um eine gewählte mittlere Temperatur quasi-isotherm. Ein Beispiel für die quasi-isotherme Messung der Wärmekapazität während der Kristallisation der niedermolekularen Substanz 2,5-bis-(2-Propyloxycarbonylphenyl-sulfanyl) ist in Abbildung 3.1 dargestellt. Hier erfolgt um die mittlere Temperatur von 343 K eine sinusförmige Temperaturmo-dulation mit der Temperaturamplitude von 0.2 K und einer Periodendauer von 50 s (f = 0.02 Hz). Die Information über den gemessenen totalen Wärmestrom HFtotal (analog dem Wärmestrom im standard DSC Experiment) kann durch gleitende Mittelung des gemessenen periodischen Differenzwärmestroms über eine Modula-tionsperiode bestimmt werden:

∫+

=2/

2/

)(p

p

tt

tttotal dttHFHF (3-2)

Somit können in einem Experiment die dynamische Wärmekapazität aus den Amplituden der Heizraten- und Wärmestrommodulation (entsprechend Gleichung 3-1) und die Umwandlungsenthalpien aus dem totalen Wärmestrom ermittelt werden.

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Dynamische Messmethoden 19

342.8343.0343.2 a

T in

K-0.8

-0.4

0.0

0.4 b

exotherm

HF

in m

W

-0.2

-0.1

0.0c

exotherm

<HF

> in

mW

100 1000 10000

0.50

0.55

0.60d

t in s

A HF in

mW

Abb. 3.1: Quasi-isotherme Kristallisation von 2,5-bis-(2-Propyloxycarbonylphenylsulfanyl) bei einer mittleren Temperatur von 343 K, einer Temperaturamplitude von 0.2 K und einer Periodendauer von 50 s. Kurve a - periodisches Temperaturprogramm, Kurve b - gemessener periodischer Wärmestrom, Kurve c - totaler Wärmestrom, Kurve d - Amplitude des Wärmestroms in Kurve b. Die Generierung des periodischen Temperaturprogramms sowie die Ermittlung der Wärmestromamplitude erfolgte mit einem an ein PerkinElmer Instruments DSC2 gekoppelten Lock-in Amplifier EG&G 7220.

Entsprechend Gleichung 2-3 lässt sich daraus dann die Änderung des Kristallini-tätsgrades bestimmen. Im Vergleich zu standard DSC Experimenten hat man mit der Wahl der Temperatur-modulationsperiode bzw. –frequenz einen weiteren unabhängigen Parameter zur Verfügung. Durch Veränderung der aufgeprägten Frequenz der Temperaturmodu-lation ist die dynamische Wärmekapazität frequenzabhängig bestimmbar [92-95]. Insbesondere bei der Untersuchung von Relaxationsprozessen, wie z.B. dem Glasübergang von Polymeren, lässt sich mittels TMDSC das mit anderen Methoden (AC-Calorimetry, 3-ω−Methode und Photoakustik) abfragbare Frequenzfenster (100 kHz - 0.01 Hz ) zu tiefen Frequenzen hin erweitern ( 0.1 Hz - 10-5 Hz ) [94, 95]. Hierbei ist die tiefste bisher gemessene Frequenz von f = 10-5 Hz mit einem Wärmeleitungskalorimeter nach Calvet (Setaram DSC-121) erreicht worden. Im Gegensatz zu den sonst üblichen Scheibenmesssystemen, wo ein Großteil der Wärme undefiniert an die Umgebung im Probenraum abgegeben wird, fließt die

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20 Kapitel 3

Wärme während der Messung im Calvet-Kalorimeter überwiegend durch die die Probe zylinderförmig umgebenden Thermoelemente ab. Verbunden mit der vergleichsweise großen Probe (ca. 150 mg) ist eine sehr hohe Empfindlichkeit erreichbar, was jedoch mit einer großen Zeitkonstante verbunden ist, und den Frequenzbereich zu hohen Frequenzen auf 10-3 Hz beschränkt. Die Beschränkung zu tiefen Frequenzen liefert im Allgemeinen die endliche Messzeit. Bei einer Frequenz von 10-5 Hz dauert die Messung einer Periode schon über einen Tag. Im TMDSC- Hochfrequenzbereich zwischen 0.1 Hz und 10-3 Hz kann unter anderem mit dem leistungskompensierten PerkinElmer Instruments Pyris 1 DSC gemessen werden. In diesem Kalorimeter befinden sich Temperatursensor und Heizer dicht unter der kleinen Probe (ca. 10 mg), so dass eine geringe Zeitkonstante des Gerätes realisiert ist. In einem eingeschränkten Frequenzbereich (2.5*10-2 Hz - 10-2 Hz) arbeitet das in dieser Arbeit verwendete Wärmeleitungskalorimeter DSC 2920CE der Fa. TA Instruments. Im Hochfrequenzbereich für TMDSC Experimente von über 0.004 Hz wird der gemessene Wärmestrom durch den Temperaturgradienten aufgrund von Wärmelei-tungsprozessen in der Probe selber und durch alle Wärmeübergänge im Proben-Kalorimeter-System beeinflusst. Die mathematische Beschreibung dieser Prozesse ist sehr komplex und nur unter Annahme günstiger Randbedingungen möglich [96, 97]. Eine empirische Lösung unter Annahme einer effektiven Zeitkonstante zur Korrektur wurde in [98] vorgestellt. Der dort gefundene lineare Zusammenhang zwischen dem Quadrat der reziproken gemessenen dynamischen Wärmekapazität der Schmelze (1/cp)2 und dem Quadrat der Messfrequenz (ω2) liefert für jede Messtemperatur eine Korrekturfunktion für Frequenzen bis zu 0.1 Hz. Diese Korrektur setzt eine frequenzunabhängige Wärmekapazität voraus. Da aber gerade die Frequenzabhängigkeit von cp für die Beschreibung der Dynamik des reversiblen Schmelzens herangezogen werden soll und die Korrekturwerte nicht einfach interpoliert werden können, wurde diese Korrektur nicht angewendet. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit erfolgte eine einfachere Korrektur, die zu guten Ergebnissen führt [99]. Für jede einzelne Messfrequenz erfolgte die Bestimmung der dynamische Wärmekapazität der jeweiligen Probe in der Flüssigkeit. Der Korrektur-faktor für die einzelnen Frequenzen wurde aus dem Verhältnis des in der ATHAS Datenbank angegebenen Wertes für die Wärmekapazität der Flüssigkeit (cp liquid(T)) und der gemessenen dynamischen Wärmekapazität (cp(ω,T)) erhalten (K(ω) = cp liquid(T) / cp(ω,Τ)). Die Multiplikation der gemessenen dynamischen Wärmekapazität mit dem Korrekturfaktor für die entsprechende Frequenz im gesamten Temperaturbereich ergibt die im folgenden immer dargestellte korrigierte dynamische Wärmekapazität. Auch dieses Korrekturverfahren berücksichtigt über die interne Kalibrierung mit den Werten in der Flüssigkeit die für jede Probe unterschied-lichen thermischen Kontakte. Das Verfahren liefert für Polymere bei einer Einwage von 20 mg bis zu Periodendauern von 45 s gute Ergebnisse [99]. Die hier verwen-

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Dynamische Messmethoden 21

deten Einwagen betragen nur ca. 10 mg, sodass das Korrekturverfahren auch noch für Perioden von 30 s anwendbar ist. Von den ATHAS Datenbankwerten abweichende Wärmekapazitäten misst man oftmals auch bei tiefen Frequenzen (f < 0.004 Hz), bei denen keine frequenzabhän-gige Korrektur aufgrund von Wärmeleitungsprozessen erfolgen muss. Die Ursachen des Fehlers liegen sowohl in der Messungenauigkeit des Kalorimeters als auch in der Unsicherheit der Datenbankwerte von teilweise über 5% begründet. Die gefundenen Abweichungen sind aber immer kleiner als die in der Datenbank angegebenen Unsicherheiten. Um jedoch auch für die niedrigen Frequenzen die Vergleichbarkeit der gemessenen Wärmekapazitäten mit den ATHAS Datenbank-werten zu gewährleisten, erfolgt auch hier die Bestimmung eines Korrekturfaktors (K = cp liquid(ω) / cp(ω)) in der Flüssigkeit und die anschließende Multiplikation der gemessenen dynamischen Wärmekapazität mit K(ω) im gesamten Temperatur-bereich. Somit ist für alle Messfrequenzen die Vergleichbarkeit mit den ATHAS Datenbankwerten gegeben. Eine Kontrolle der Güte der frequenzabhängigen Korrektur liefert der Vergleich der korrigierten Wärmekapazitäten mit den ATHAS Datenbankwerten unterhalb der Glasübergangstemperatur. Hier hat die Probe die Wärmekapazität des Festkörpers (cp solid) und ist nahezu unabhängig von der Probenmorphologie. Die korrigierte dynamische Wärmekapazität sollte demnach für alle Frequenzen der Wärmekapa-zität des Festkörpers entsprechen. Das Ergebnis dieses Vergleichs zeigt für alle korrigierten dynamischen Wärmekapazitäten unterhalb der Glasübergangstempe-ratur eine gute Übereinstimmung mit den Datenbankwerten (Fehler<3%) trotz des sich ändernden thermischen Kontaktes während der Kristallisation und dem Glasübergang. Bei der frequenzabhängigen Bestimmung der dynamischen Wärmekapazität mit verschiedenen Kalorimetern wurde stets auf eine Überlappung der Frequenzbereiche geachtet. Im Überlappungsbereich der verschiedenen Kalorimeter stimmten die korrigierten dynamischen Wärmekapazitäten überein. Auch dies ist eine Bestätigung der Anwendbarkeit der Korrekturen. Die Temperaturkalibrierung der Kalorimeter erfolgte nach GEFTA Empfehlung bei Heizrate null [100] und wurde im TMDSC Messprinzip durch die smectischA–nematisch Phasenumwandlung von 4.4’-n-octyloxycyanobiphenyl (8OCB) überprüft [101, 102]. Neben der Kalibrierung ist die geeignete Wahl der Messparameter unterliegende Heizrate, Periodendauer (Frequenz) und Temperaturamplitude für eine korrekte Bestimmung der dynamischen Wärmekapazität notwendig. Die Parameter müssen so kombiniert sein, dass die Bedingungen für Linearität und Stationarität gleichzeitig erfüllt sind. Linearität bedeutet, dass die Antwort auf die Temperaturstörung linear zu erfolgen hat; Stationarität, dass sich der Zustand der Probe während einer Periode nicht ändert. Aus Abschätzungen lassen sich Parametersätze für die

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22 Kapitel 3

Messbedingungen angeben, unter denen der Fehler aufgrund von geringer Nichtstationarität und Nichtlinearität klein bleibt [103, 104]. Zum Einhalten dieser Bedingungen und zur Ermittlung der entsprechenden Parametersätze für die Messungen (Messfrequenz – Temperaturamplitude - unterliegende Heiz- bzw. Kühlrate) sind Vorkenntnisse über das Probenverhalten im entsprechenden Temperaturbereich erforderlich. Insbesondere fließen die Breite des Übergangsbereichs und die Temperatur- bzw. zeitabhängige Änderung der Wärmekapazität in die Abschätzungen ein. Das Problem aller temperaturmodulierter Methoden besteht darin, dass die Störung eine Temperaturänderung darstellt und die Messgröße ebenfalls temperaturabhängig ist. Die dynamische Bestimmung der Wärmekapazität ist allerdings prinzipiell an eine Temperaturmodulation gebunden. Somit werden der Zustand der Probe und damit die zu bestimmende Größe Wärmekapazität bei jeder temperaturmodulierten Messung schon allein durch die Temperaturmodulation verändert. Daher ist es oftmals notwendig TMDSC- Untersuchungen mit anderen Messmethoden, deren Störung keine Temperaturänderung darstellt, zu vergleichen. Hierdurch wird entscheidbar, ob die zur Wärmekapazität beitragenden Prozesse erst durch die Temperaturmodulation in das System eingebracht werden oder ob diese Prozesse auch ohne Temperaturmodulation (z.B. isotherm) stattfinden. Als Beispiel sei hier der dynamische Glasübergang genannt, wo dynamische Messmethoden (z.B. dielektri-sche und mechanische Spektroskopie) ohne Temperaturmodulation zeigen, dass die beobachteten Prozesse nicht an die Temperaturmodulation selbst gebunden sind. Auch andere den Zustand des Systems charakterisierende, temperaturabhängige Größen lassen sich in isothermen Experimenten bestimmen (z.B. Dichte, spezifi-sches Volumen, Streufunktion, Dielektrizitätszahl). Die Eigenschaften teilkristalliner Polymere werden entscheidend vom Kristallinitätsgrad bestimmt. So spiegelt sich ein während der Temperaturmodulation veränderter Kristallinitätsgrad stark in den mechanischen Eigenschaften der Probe wider. Deshalb wurden neben kalorimetri-schen auch mechanische Untersuchungen an teilkristallinen Polymeren durchge-führt.

3.2. EXPERIMENTELLE BESTIMMUNG DES SCHERMODULS

Die experimentelle Methode zur Bestimmung des Schermoduls ist die mechanische Analyse mit Scheranregung. Bei dieser Methode werden die Zusammenhänge zwischen Scherspannung (σ) und Scherdeformation (γ) untersucht. Polymere zeigen dabei weder linear elastisches Deformationsverhalten, wie z.B. Stahl oder Kerami-ken, noch linear viskoses Fließverhalten, wie niedermolekulare Flüssigkeiten und Gase. Das Verhalten von Polymeren, wo ein Teil der Deformation sofort auftritt, ein anderer sich aber erst unter konstanter Spannung ausbildet, wird als visko-elastisches Deformationsverhalten bezeichnet. Die Grundlage der Theorie des linearen visko-elastischen Verhaltens ist das Superpositionsprinzip von Boltzmann

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Dynamische Messmethoden 23

[105]. Es beinhaltet, dass die Summe der aufgeprägten Spannungen die Summe der entsprechenden Deformationen zur Folge hat bzw. umgekehrt. Detaillierte Beschrei-bungen des Deformationsverhaltens von Polymeren und der im folgenden angespro-chenen Methoden finden sich z.B. bei Ferry [52] und Schwarzl [106].

3.2.1. Kriech- und Erholungsexperiment bzw. Spannungsrelaxation Die Bestimmung der mechanischen Größen Schermodul und Schernachgiebigkeit kann aus der Spannungsrelaxation und dem Kriechexperiment erfolgen. Bei letzterem wird die Deformation unter konstanter Spannung betrachtet und die Schernachgiebigkeit ermittelt, während beim Spannungsrelaxationsexperiment durch Beobachtung der notwendigen Spannung für eine konstant zu haltende Deformation der Schermodul bestimmt wird. Aus der Zeitabhängigkeit von Schermodul und Schernachgiebigkeit lassen sich die Relaxationszeit und das Relaxationspektrum bzw. die Retardationszeit und das Retardationsspektrum mit den entsprechenden Relaxationsstärken und Retardationsstärken berechnen. Da beide Experimente prinzipiell den gleichen Sachverhalt, nämlich den Zusammenhang von Spannungs- und Deformationsablauf beschreiben, sind die Größen Schermodul und -nachgiebigkeit voneinander abhängig. Es ist möglich, die aus dem Experiment erhaltenen Größen in die entsprechend andere umzurechnen. Das Frequenzfenster solcher Messungen liegt beginnend bei 10-1 Hz und ist zu niedrigen Frequenzen durch die Messzeit begrenzt. Inzwischen wurde gezeigt, dass das Messprinzip der einmaligen Anregung der Probe auch bei kalorimetrischen Experimenten angewandt werden kann [107, 108]. Hier vollführt man einen Temperatursprung und ermittelt das zeitliche Abklingverhalten des Wärmestroms. Daraus lässt sich dann das Spektrum der Wärmekapazität bestimmen. Der Vorteil gegenüber den oben beschriebenen frequenzabhängigen quasi-isothermen TMDSC-Experimenten, wo die dynamischen Wärmekapazitäten nacheinander bei den einzelnen Frequenzen gemessen werden besteht darin, dass so das gesamte Spektrum innerhalb der Periodendauer der Grundfrequenz erhalten wird. Als Konsequenz daraus ergibt sich einerseits die extrem verkürzte Messzeit, andererseits aber auch, dass der Zustand des Systems für alle Frequenzen identisch ist.

3.2.2. Dynamisch Mechanische Analyse Eine Erweiterung des Messbereiches mechanischer Methoden kann man durch periodische Messungen, wie erzwungene Schwingungen, freie Schwingungen, Resonanz stehender Wellen und Wellenausbreitung bis zu 108 Hz erreichen. Die üblichen kommerziellen Geräte, wie das im Rahmen dieser Arbeit verwendete Advanced Rheometric Expansion System (ARES) der Fa. Rheometric Scientific, arbeiten nach dem Prinzip der erzwungenen Schwingungen und überstreichen den Frequenzbereich zwischen 10-4 Hz und 100 Hz. Hierbei wird das Verhältnis von Spannung σ(t) und aufgeprägter harmonischer Deformation (γ(t)=γ0sin(ωt)) erfasst, wobei ω die Kreisfrequenz der Schwingung ist.

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24 Kapitel 3

Die resultierende Spannung lässt sich in die Summe zweier harmonischer Kompo-nenten zerlegen:

[ ] )sin()()cos()('')sin()(')( *00 δωωγωωωωγσ +=+= tGtGtGt (3-3)

wobei eine Komponente mit der Deformation in Phase ist und die Amplitude γ0G’(ω) hat und die andere der Deformation um π/2 mit der Amplitude γ0G’’(ω) vorauseilt. So lässt sich der komplexe dynamische Schermodul:

)('')(')(* ωωω iGGG += (3-4)

mit dem Phasenwinkel

)(')('')tan(

ωωδ

GG

= (3-5)

definieren. Der schematische Verlauf des Schermoduls eines teilkristallinen sowie eines amorphen Polymers in Abhängigkeit von der Temperatur ist in Abb. 3.2 dargestellt. Im Temperaturbereich unterhalb des Glasübergangs findet man einen oder mehrere Dispersionsstufen, die sekundären Relaxationsprozessen zuzuordnen sind. Diese werden durch Bewegungen kurzer Kettenstücke der amorphen Phase hervorgerufen. In diesem Bereich ist das Material am härtesten (steifsten) und das teilkristalline Polymer besitzt einen Schermodul, der etwas höher als der des rein amorphen Polymers im Glaszustand ist.

4

5

6

7

8

9

T

amorphous

flow

melting

αcrystalline- relaxation process

glass transition

secondary relaxation processes

log

(G/P

a)

semi-crystalline

Abb.3.2: Schematische Darstellung des Schermoduls eines amorphen und eines teilkristallinen Polymers.

Im Glasübergangsbereich kommt es zur Erweichung der amorphen Phase und somit zu einer Abnahme des Schermoduls bis zum gummi-elastischen Zustand. In teilkristallinen Polymeren lässt sich das Polymer im Bereich zwischen Tg und der

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Dynamische Messmethoden 25

Schmelztemperatur Tm als eine Mischung harter (kristalliner) und weicher (amorpher) Anteile auffassen. Der Schermodul hängt in diesem Bereich nicht nur stark vom Kristallinitätsgrad sondern vor allem von der Morphologie ab. Bei einigen Polymeren findet man in diesem Bereich auch Dispersionsstufen, die Relaxationsprozessen in der kristallinen Phase zugeordnet werden. Als ein Beispiel sei die Kettendiffusion innerhalb der Kristalle genannt (kristalliner α Prozess). Mit der Abnahme des Kristallinitätsgrades im Schmelzbereich kommt es auch zu einer dramatischen Abnahme des Schermoduls. Nach dem Schmelzen aller Kristalle wird für den Schermodul der Wert für die amorphe Phase bei dieser Temperatur gemessen. Daran anschließend findet man im amorphen Polymer den Fließbereich, der auch schon bei Temperaturen unterhalb der Schmelztemperatur beginnen kann. Die in Abb. 3.2 verwendete Achsenskalierung für den Schermodul deutet in etwa die Dimension des Übergangs vom teilkristallinen zum amorphen Polymer an. Während der Kristallisation lässt sich entsprechend ein deutlicher Anstieg im Schermodul erwarten. Mit Hilfe der DMA lassen sich verschiedene mechanische Größen bestimmen, die direkt mit Strukturänderungen korreliert sind (Schermodul, Schernachgiebigkeit, Elastizitätsmodul und Viskosität jeweils mit den einzelnen komplexen Komponenten). Im Rahmen der vorliegenden Arbeit soll nur die Speicherkomponente bzw. der Realteil des komplexen Schermoduls G’ als Parameter für die Änderung des Kristallinitätsgrades beim Kristallisieren und Schmelzen betrachtet werden. Makroskopisch ist G’ als Widerstand gegen Formänderung eines Probenmaterials auffassbar und lässt sich aus den Amplitudenverhältnissen von Spannung und Deformation und dem Phasenwinkel bestimmen:

δγσ

cos'0

0=G (3-6)

Im Vergleich mit TMDSC Untersuchungen soll aus G’ die Bestimmung der rever-siblen und irreversiblen Kristallinitätsgradsänderungen erfolgen. Eine direkte Proportionalität zum Kristallinitätsgrad gibt es jedoch nicht. Es existieren verschie-dene Modelle zur Beschreibung der Relationen zwischen G’ und dem Kristallini-tätsgrad [109-111]. Die einfachsten Modelle basieren auf paralleler (Voigt Modell) und serieller (Reuss Modell) Anordnung der Phasen. G’ wird dann aufgrund der Phasenverhältnisse und der Phasenanordnung ermittelt. Diese beiden Modelle sind Grenzfälle des realen Verhaltens teilkristalliner Polymere. Die von Takayanagi [112-114] vorgeschlagene Kombination des Voigt und Reuss Modells zum parallel-seriellen bzw. seriell-parallelen Modell der Verknüpfung kristalliner und amorpher Bereiche führt oft zu guten Anpassungen. Hier fließen neben geometrische Angaben zur Morphologie immer die Werte für den Schermodul der amorphen und kristallinen Phasen ein. Letzterer ist aufgrund der unvollständigen Kristallisation nicht messbar. Außerdem ist bei diesen Modellen die experimentell gefundene Unterteilung der

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26 Kapitel 3

amorphen Bereiche in starre bzw. bewegliche Anteile nicht berücksichtigt. Das von Kerner [115, 116] entwickelte Modell der Mischung von Kugeln in amorpher Matrix hat den Vorteil, dass die Kugeln als teilkristalline Sphärolite in der amorphen Umgebung angesehen werden können. Der Schermodul der Sphärolite wird dabei dem gemessenen Schermodul des teilkristallinen Materials nach Beendigung der Kristallisation, wenn der gesamte Raum mit Sphäroliten ausgefüllt ist, gleichgesetzt und ist somit experimentell bestimmbar. Die mit dem Kerner Modell bestimmte Abhängigkeit des Schermoduls vom Kristallinitätsgrad ist in Abbildung 3.3 gezeigt. Diese Werte weichen stark von der im Folgenden beschriebenen experimentell ermittelten Korrelation ab. Daher wurde für weiterführende Rechnungen zur Bestimmung von Kristallinitätsgradsänderungen aus dem Realteil des Schermoduls in Abschnitt 4 die im folgenden beschriebenen experimentell ermittelte Beziehungen herangezogen.

0.0 0.1 0.2 0.3 0.4 0.53

4

5

6

7

8

log(

G'/P

a)

χc

570 595 620

5

6

7

8 A

T in K

log(

G'/P

a)

545 570 595 620

0

1

2

3

χc

T in K

c e in

J/g

K

0.0

0.1

0.2

0.3

0.4

B

Abb. 3.3: Beziehung zwischen Schermodul und Kristallinitätsgrad ermittelt aus DMA (Einschub A) und analogen DSC (Einschub B) Experimenten im Schmelzbereich von PEEK. Die Quadrate geben die nach dem Kerner Modell berechnete Beziehung an. DSC: PerkinElmer Instruments DSC7.

Abbildung 3.3 zeigt am Beispiel von PEEK einen anderen, experimentellen Weg zur Bestimmung der Korrelation zwischen Kristallinitätsgrad und dem Logarithmus des Schermoduls. Hierzu wurden Schmelzexperimente mit gleichem Temperaturprogramm an gleich kristallisierten Proben im DSC und im mechanischen Spektrometer ARES durchge-

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Dynamische Messmethoden 27

führt. Die Änderung des Kristallinitätsgrades während des Schmelzprozesses werden im DSC und im ARES als gleich vorausgesetzt. Die Bestimmung des Kristallini-tätsgrades in Abhängigkeit von der Temperatur erfolgte aus der Schmelzkurve des DSC Experiments (Einschub B). Einschub A zeigt die Abnahme des Schermoduls während des Schmelzens um mehr als 3 Größenordnungen. Kombiniert man die Größen Schermodul und Kristallinitätsgrad (Einschübe A und B), erhält man die in Abb. 3.3 gezeigte Korrelation zwischen dem Schermodul und dem Kristallinitätsgrad. Eine weitere Möglichkeit experimentell diese Korrelation zu bestimmen, eröffnet die auf 1 µm genaue Messbarkeit der Längenänderung der Probe ∆l im ARES. Die Abhängigkeit der Speicherkomponente des Schermoduls von der Längenänderung während der isothermen Kristallisation von Polycaprolacton bei 328 K ist in Abbildung 3.4 dargestellt.

0.00 0.01 0.02 0.03 0.04 0.05 0.06

5

6

7

∆l in mm

log

(G')

in P

a

Abb. 3.4: Logarithmus des Realteils des Schermoduls als Funktion der Längenände-rung während der quasi-isothermen Kristallisation von PCL bei 328 K.

Diese Längenänderung der Probe zwischen den parallelen Platten kann als Änderung des Volumens während der Kristallisation betrachtet werden. Die Änderung des Volumens repräsentiert unter Annahme einer isotropen Probe über die Dichte die Änderung des Kristallinitätsgrades (Gleichung 3-7). Somit kann simultan die Änderung des Schermoduls und des Kristallinitätsgrades bestimmt werden.

constl

llll

VVVV

ca

sca

ca

sca

acsc

ascc ∆=

−−

=−−

=−−

=)()(

ρρρρρρ

χ (3-7)

Gleichung 3-7 gibt die Beziehungen zwischen Kristallinität χ, Dichte ρa, ρc, ρsc, Volumen Va, Vc, Vsc und Dicke la, lc, lsc der amorphen, kristallinen bzw. teilkristallinen Bereiche und der Längenänderung ∆l an.

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28 Kapitel 3

Aus der in Abbildung 3.4 gezeigten linearen Abhängigkeit lassen sich Änderungen des Kristallinitätsgrades aus der Änderung des Realteil des Schermoduls bestimmen.

3.2.3. Temperaturmodulierte Dynamisch Mechanische Analyse (TMDMA) Das Konzept der temperaturmodulierten DSC, die Unterteilung der Antwort eines Systems auf eine periodische Temperaturstörung in ein unterliegendes und ein periodisches Signal wird auch auf andere Methoden wie Thermogravimetrie [117], Dilatometrie [118-120], dielektrische Messungen [121] und Dynamisch Mechanische Analyse [122, 123] angewandt. Im Rahmen dieser Arbeit wurde die Temperatur-modulierte Dynamisch Mechanische Analyse entwickelt [122-127]. Der Vergleich der TMDSC mit der TMDMA liefert insbesondere dann neue Informationen, wenn im TMDSC Experiment aufgrund des niedrigen Signal-Rausch-Verhältnisses kleine Änderungen des Gesamtkristallinitätsgrades nicht aufgelöst werden können. Der Grund hierfür besteht darin, dass die Messgröße nicht eine Funktion des Kristallinitätsgrades sondern deren Ableitung ist. Die Verfolgung solch kleiner Änderungen ermöglicht aber die DMA, wo die Messgröße eine Funktion des Kristallinitätsgrades ist. Somit können langsame Prozesse mit geringer Rate der Kristallinitätsgradsänderungen isotherm verfolgt werden. Neben diesen isothermen Experimenten lassen sich auch quasi-isotherme Experimente wie bei der TMDSC durchführen. Analog zur TMDSC spricht man hier von der TMDMA und es lässt sich die Amplitude der Schermodulantwort auf die Temperaturstörung bestimmen und im Vergleich mit TMDSC-Experimenten diskutieren. Eine wesentliche Voraussetzung für die Vergleichbarkeit beider Methoden ist die gleiche Kristallisationskinetik der Proben in den unterschiedlichen Geräten, die insbesondere durch Unterschiede in der Temperatur aber auch durch scherinduzierte Prozesse beeinflusst werden kann. Das im Rahmen dieser Arbeit genutzte mechanische Messgerät ARES wurde daher wie folgt temperaturkalibriert:

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Dynamische Messmethoden 29

200 250 300 350 400 450 500 550 600 650

0

2

4

Hg

Pb

Sn

In

H2O

T o-Tm in

K

Tm in K

430 432-0.8

-0.6

-0.4

-0.2

0.0

T in K

∆l i

n m

m

Abb. 3.5: Bestimmung der Temperaturkalibrierfunktion für das ARES anhand der Schmelztemperatur verschiedener Stoffe.

Zwischen die bei den Kristallisations- und Schmelzexperimenten verwendeten Probenhalter, parallele Platten (untere Platte mit größerem Durchmesser und erhöhter Umrandung), werden nacheinander kristalline Festkörper mit exakt bekanntem Schmelzpunkt (Quecksilber, Wasser, Indium, Zinn und Blei) gelegt. Unter leichter, konstant gehaltener Kompression der Probe ist es nun möglich, wie im Einschub in Abbildung 3.5 dargestellt, die Dickenänderung der Probe in Abhängigkeit von der Temperatur aufzuzeichnen. Beim Schmelzen der Kalibriersubstanz nimmt die Dicke durch die Kompression drastisch ab. Die so gefundene Schmelztemperatur wird mit der Schmelztemperatur aus Tabellenwerten verglichen. Anhand der Messpunkte für mehrere Kalibriersubstanzen lässt sich eine exponentielle Tempera-turkalibrierfunktion mit T-Tm = 0.35*e(Tm/144) für die Abweichung der gemessenen von der wahren Temperatur bestimmen. Ein weiterer Einflussfaktor auf die Kristallisationskinetik kann die Scherung der Probe sein. Man spricht dann von scherinduzierter Kristallisation. In [128, 129] wurde dieser Einfluss für PCL unter Verwendung sehr großer Scherraten gezeigt. Für die im Rahmen dieser Arbeit verwendeten kleinen Scherraten konnte, wie in Abb. 3.6 ebenfalls am Beispiel von PCL gezeigt ist, keine Abhängigkeit der Kristallisations-kinetik von der Scherung gefunden werden.

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30 Kapitel 3

0 10000 20000 30000 40000 50000 60000101

102

103

104

105

106

107

108

18000 s

14400 s

10800 s

7200 s

3600 s

0 s

applied shear strain after:

G' i

n Pa

t in s

Abb. 3.6: Einfluss der Scherung auf die Kristallisationskinetik von PCL.

Hierzu wurde die Probe zunächst mit 2 K/min aus der Schmelze (343 K) auf die Kristallisationstemperatur (328 K) abgekühlt und die Entwicklung des Schermoduls unter aufgeprägter Scherung bestimmt. In den folgenden Experimenten wurde die Probe nach dem Abkühlen aus der Schmelze ohne Scherung bei der Kristallisati-onstemperatur getempert und erst nach verschiedenen Wartezeiten mit der Scherung begonnen. Da alle Kurvenverläufe nahezu deckungsgleich sind, kann davon ausgegangen werden, dass das Kristallisationsverhalten bei den verwendeten Messbedingungen gar nicht oder nur unwesentlich durch die Scherung beeinflusst wird. Zum Vergleich temperaturmodulierter Messungen im DSC und im mechanischen Spektrometer ist es weiterhin notwendig, mit gleichen Periodendauern (Frequenzen) der Temperaturmodulation und gleichen Temperaturamplituden zu arbeiten. Für die unterschiedlichen DSC’s ist aufgrund der frequenzabhängigen Kalibriermessungen in der Schmelze (siehe oben) bekannt, ab welcher Periodendauer die vorgegebene Temperaturamplitude in der gesamten Probe realisiert wird. Für Untersuchungen der Kristallisation ist es aus Gründen der Einhaltung stationärer Bedingungen immer günstig, mit der höchst möglichen Frequenz zu arbeiten. Um zu bestimmen, ab welcher Frequenz auch im mechanischen Spektrometer die gesamte Probe der aufgeprägten Temperaturmodulation folgt, wurde für teilkristallines PCL die Abhängigkeit der Amplitude des Schermoduls von der Frequenz der Temperaturmo-dulation bestimmt. Die Amplitude der Sägezahntemperaturmodulation wurde mit 0.5 K analog zu üblichen Werten im DSC und zu den späteren Messungen während der isothermen Kristallisation gewählt. Die für die Auswertung maßgebliche Temperaturamplitude der 1. Harmonischen ist dann 0.4 K (AT soll). Die Regelung der Temperatur erfolgte über ein im Probenraum des Spektrometers angebrachtes

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Dynamische Messmethoden 31

Thermoelement. Die Amplitude der mit diesem Thermoelement ermittelten Temperatur (AT oven) ist, wie in Abbildung 3.7 a dargestellt, erst ab Frequenzen kleiner als 3*10-3 Hz im Bereich des Sollwertes. Betrachtet man die Temperaturamplitude eines Thermoelementes, das sich in direktem Kontakt zur unteren Platte befindet (AT sample), ist zu erkennen, dass erst bei Frequenzen kleiner als 10-3 Hz die vorgegebene Temperaturamplitude von 0.4 K realisiert wird. Dass die Temperatur, gemessen unter der unteren Platte, auch der Temperatur der gesamten Probe entspricht, sieht man am Verlauf der Schermodulamplituden (Abb. 3.7 b) und der Temperaturamplitude unter der unteren Platte (Abb. 3.7 a).

0.10.20.30.40.5

A T in

K

0.05

0.10

0.15

0.20

b

AG

' in M

Pa

1E-3 0.010.51

0.54

0.57

0.60

0.63

c

f in Hz AG

' /AT

sam

ple i

n M

Pa K

-1

1000 100

a

AT soll

AT sample

tp in s

AT oven

Abb. 3.7: Bestimmung der Frequenzabhängigkeit der Temperaturamplitude der parallelen Platten und der Amplitude der Speicherkomponente des Schermoduls.

Wird jedoch das Amplitudenverhältnis der Schermoduloszillation und der Temperatur betrachtet (Abb. 3.7 c), findet man einen relativ konstanten Wert. Dies spricht dafür, dass auch eine schnellere Modulation möglich ist. Damit könnte ein direkter Vergleich der aus der TMDSC erhaltenen Dynamik mit TMDMA Experimenten erfolgen. Allerdings muss dann wie in TMDSC Experimenten eine Korrektur des gemessenen Schermoduls in Abhängigkeit von der Temperaturmodulationsfrequenz erfolgen. Darauf wurde zunächst verzichtet und alle nachfolgenden Untersuchungen mit einer Temperaturamplitude von 0.5 K und einer Frequenz von 8.33*10-4 Hz (Periodendauer tp = 1200 s) durchgeführt. Die Realisierung des periodischen Temperaturprogramms erfolgte im ARES mit Hilfe der von Rheometric Scientific zur Verfügung gestellten Software „RheoParse“. Diese ermöglicht jedes beliebige Temperaturprogramm (insbesondere auch ein perio-

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32 Kapitel 3

disches) zu generieren. Hierbei wird einem aus der RSIOrchestrator-Software standardmäßig gewählten Messprogramm das Temperaturprogramm der Rheoserve Software überlagert. Das Beispiel für eine Modulation mit variabler Temperatur-amplitude, Temperaturmodulationsfrequenz, Anfangstemperatur und unterliegender Heiz- bzw. Kühlrate als Überlagerung zu einem isothermen dynamischen Experiment ist im Anhang A2 aufgelistet. Bei der Wahl der unterliegenden Heizrate von 0 K/min spricht man analog zum quasi-isothermen TMDSC Experiment von quasi-isothermer TMDMA. In Abbildung 3.8 ist als Beispiel für ein quasi-isothermes TMDMA Experiment ein Ausschnitt der Entwicklung des Schermoduls während des schrittweise quasi-isothermen Schmelzens von PCL dargestellt.

106

107

b

G' i

n Pa

90000 95000 100000 105000 1100000.0

0.1

0.2

e

t in s

A G' /G

'

0

1x106

2x106

d

A G'

106

107

c

<G'>

in P

a

333

334

335

336

aT in

K

Abb. 3.8: Schrittweise quasi-isotherme TMDMA im Schmelzbereich von PCL. Im Teil b ist der Realteil des Schermoduls als Antwort auf das periodische Temperatur-programm (Teil a) dargestellt. Teil c zeigt den totalen Schermodul, Teil d die Amplitude des periodischen Schermoduls und Teil e die Normierung dieser Amplitude auf den Schermodul.

Neben dem Abfall des Schermoduls aufgrund der Abnahme des Kristallinitätsgrades bei jedem Schritt zur nächst höheren mittleren Temperatur ist auch deutlich die Antwort auf die Temperaturmodulation zu erkennen. Analog zum TMDSC Experiment erhält man einen totalen Schermodul als gleitende Mittlung des gemessenen Schermoduls über eine Periode und eine Amplitude der Schermoduloszillation. Schon aufgrund der großen Änderungen des Schermoduls selbst ändert sich auch die Amplitude. Deshalb wird die Betrachtung der auf G' normierten Amplitude

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Dynamische Messmethoden 33

empfohlen. In dieser spiegeln sich, wie Abb. 3.8 z.B. zwischen 100000 s und 105000 s zeigt, die Zeitabhängigkeit des Schermoduls und damit der Kristallinität wieder. In Abbildung 3.9 sind für PEEK die Amplituden der periodischen Anteile des Wärmestroms und die normierten Amplituden des Schermoduls aus schrittweise quasi-isothermen und Scanexperimenten dargestellt. Analog zur Amplitude des Wärmestroms findet man aufgrund eines reversiblen Prozesses auch in der normierten Amplitude des Schermoduls aus TMDMA Scan- und schrittweise quasi-isothermen Experimenten einen Peak.

0.6

0.8

1.0

1.2

c

b

a-TMDSC

A HF in

mW

520 540 560 580 600 620

0.0

0.1

0.2

0.3

0.4

e

b-TMDMA

T in K

A G' /G

'

a

d

Abb. 3.9: Amplituden des Wärmestroms aus TMDSC Scan- (Kurve a) und quasi-isothermen Experimenten (Kurve b nach 1800 s bzw. Kurve c nach 10800 s) und normierte Amplitude des Schermoduls aus TMDMA Scan- (Kurve a) und quasi-isothermen Experimenten. TMDSC: Setaram DSC141, TMDMA: Rheometric Scientific ARES, AT = 0.5 K, tp = 1200 s, qo scan = 0.1 K/min.

Die zeitliche Entwicklung der Amplitude des Schermoduls ist im vorliegenden Beispiel aufgrund des niedrigen Signal-Rausch-Verhältnisses nicht verfolgbar. Wie in der TMDSC lassen sich auch für die TMDMA temperaturmodulierte Messun-gen mit unterliegender Heizrate realisieren. In Abbildung 3.10 sind das periodische Temperaturprogramm und der gemessene Schermodul bzw. der totale Schermodul für einen Ausschnitt eines TMDMA Scanexperiments dargestellt. Die aus dem periodischen Schermodul bestimmte normierte Amplitude der Gesamtmessung ist im Abschnitt ist in Abb. 3.9 b zu sehen.

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34 Kapitel 3

41000 42000 43000 44000 45000

5.5x107

6.0x107

6.5x107

7.0x107

7.5x107

8.0x107

G'

G' i

n Pa

t in s

565

570

575

580

585

590

T in K

<G'>

Abb. 3.10: Beispiel für ein TMDMA Scanexperiment im Schmelzbereich von PEEK. Neben dem periodischen Temperaturprogramm (blau) und dem Realteil des Schermoduls (schwarz) sind auch der geglättete Schermodul (grün) und der totale Schermodul <G’> (rot) dargestellt.

Aus dem Verlauf von G’ ist deutlich die Antwort auf das periodische Temperatur-programm zu erkennen. Der Abfall während der Heizphasen wird im Wesentlichen durch das Schmelzen und den sich damit verringernden Kristallinitätsgrad bestimmt, wobei die Zunahme von G’ während der Isothermen für eine Rekristallisation und Zunahme des Kristallinitätsgrades spricht. Grundsätzlich lässt sich zur TMDMA sagen, dass eine vollständige Korrelation der Messgrößen zur Morphologie immer an der unbekannten Beziehung zwischen Schermodul und Kristallinitätsgrad scheitert. Trotzdem können basierend auf der experimentell bestimmten Abhängigkeit des Schermoduls vom Kristallinitätsgrad neben qualitativen Aussagen aufgrund der Zu- bzw. Abnahme des Schermoduls auch Kristallinitätsgradsänderungen abgeschätzt werden. Wie die folgenden Kapitel zeigen, kann die Kombination der vorgestellten dyna-mischen Messmethoden zusätzliche Erkenntnisse liefern. Es sei hier nochmals auf die Möglichkeit der Ermittlung kleinster Änderungen der Morphologie bzw. des Kristallinitätsgrades im TMDMA Experiment hingewiesen. Dies ist als Zusatzinfor-mation zu den TMDSC Experimenten zu verstehen. Auch der Vergleich der frequenzabhängigen (Temperaturmodulationsfrequenz) Untersuchungen der Wärmekapazität mit den frequenzabhängigen (Scherfrequenz) dynamisch mecha-nischen Untersuchungen liefert interessante Ergebnisse zur Dynamik des reversiblen Schmelzens.

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KAPITEL 4: EXPERIMENTELLE ERGEBNISSE

Die vorgestellten TMDSC Experimente an teilkristallinen Polymeren sind vielseitig. Das betrifft sowohl die unterschiedlichen Messbedingungen und Probenmaterialien, als auch die verschiedenen Fragestellungen beim Schmelzen und Kristallisieren. Zunächst werden im Abschnitt 4.1 TMDSC Scanexperimente in einem weiten Temperaturbereich betrachtet, um danach in Abschnitt 4.2 auf detailliertere Fragestellungen beim Schmelzen und in Abschnitt 4.3 beim Kristallisieren einzuge-hen. In Abschnitt 4.2 wird anhand von Modellrechnungen der Einfluss der irreversiblen latenten Wärmen auf die dynamische Wärmekapazität mit dem Ergebnis betrachtet, dass quantitative Aussagen zum reversiblen Schmelzen nur aus quasi-isothermen Experimenten gewonnen werden können. Daran anschließend erfolgt in Abschnitt 4.2 bzw. 4.3 die Vorstellung und Diskussion quasi-isothermer TMDSC und TMDMA Experimente und frequenzabhängiger Messungen des Schermoduls bzw. der dynamischen Wärmekapazität im Schmelzbereich und während der Kristallisation.

4.1. TMDSC SCANEXPERIMENTE ZWISCHEN GLASÜBERGANG UND SCHMELZTEMPERATUR

Um für verschiedene Polymere einen Überblick über den Temperaturbereich zu erlangen in dem Exzessphänomene auftreten, bietet sich die Betrachtung der dynamischen Wärmekapazität aus TMDSC Scanexperimenten im Temperaturbereich von unterhalb der Glasübergangstemperatur bis oberhalb der Schmelztemperatur und der Vergleich mit ATHAS Datenbankwerten an. Dieser Vergleich ist aufgrund der in Abschnitt 3.1.4 beschriebenen Kalibrierung der gemessenen dynamischen Wärmekapazitäten auf die Datenbankwerte oberhalb der Schmelztemperatur möglich. Die gemessenen dynamischen Wärmekapazitäten stimmen sowohl oberhalb der Schmelz- als auch unterhalb der Glasübergangs-temperatur mit den Datenbankwerten überein. Zwischen diesen beiden Referenz-zuständen findet man bei allen teilkristallinen Polymeren Exzessphänomene, deren Ausprägung jedoch in Abhängigkeit vom Polymer sehr unterschiedlich sein kann. Im folgenden werden mit Polyethylen (PE), syndiotaktischem Polypropylen (sPP),

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36 Kapitel 4

Polycaprolacton (PCL), Polycarbonat (PC) und Polyhydroxybuttersäure (PHB) verschiedene Vertreter vorgestellt.1 In Abbildung 4.1 ist die gemessene dynamische Wärmekapazität zusammen mit der Basislinienwärmekapazität aus einem „2-Phasen Modell“ und den Wärmekapazitäten der flüssigen bzw. festen Substanz während des Kühlens und nachfolgenden Heizens für PE dargestellt.

250 300 350 4001

2

3

4

5

6

7

8

9

10

heating

cooling

cpb (χcrystal= 0.78)cp solid

cp liquid

|cp*|

in J

g-1 K

-1

T in K

380 390 400 410

-0.6

-0.4

-0.2

0.0

0.2

0.4

exotherm

heating

cooling

T in K

HFto

tal in

W g

-1

Abb. 4.1: Gemessene spezifische dynamische Wärmekapazität von Polyethylen (BASF: HDPE6011H) während einer TMDSC Scan-Kühlmessung und darauffolgen-der Heizmessung. Die Geraden geben den Verlauf der Wärmekapazitäten der flüssigen, kristallinen und teilkristallinen Substanz an. TA Instruments DSC 2920CE, q0=0.5 K/min, AT=0.5 K, tp=100 s.

Die dynamische Wärmekapazität entspricht vor der Kristallisation der Wärmekapa-zität der Flüssigkeit. Bei 397 K beginnt das Polymer zu kristallisieren. Da Polyethylen aufgrund der hohen Kettenbeweglichkeit ein sehr gut kristallisierbares Material ist, erfolgt die Kristallisation nach ihrem Beginn im Kühlexperiment sehr schnell. Schon innerhalb von 10 Minuten (5 K in Abbildung 4.1) ist die Hauptkristallisation abge-schlossen. Während der Kristallisation bestimmen die hierbei auftretenden latenten Kristallisationswärmen den Kurvenverlauf und es wird ein scharfes Maximum in der dynamischen Wärmekapazität registriert. Eine Diskussion dieses Bereiches ist nicht möglich, da aufgrund der schnellen Kristallisation und der damit verbundenen schnell frei werdenden Kristallisationswärmen die Grundvoraussetzungen Linearität und Stationarität (nur 6 Modulationsperioden im Kristallisationsbereich) während der Messung nicht erfüllt sind. Bei 392 K wird die dynamische Wärmekapazität mit

1 Details über die im Rahmen der vorliegenden Arbeit untersuchten Polymere sind im Anhang A1 aufgeführt.

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Experimentelle Ergebnisse 37

3.5 J/gK ermittelt. Die erwartete Basislinienwärmekapazität für das hier zu 78 % kristallisierte Material beträgt jedoch nur 2.2 J/gK. Die Exzesswärmekapazität, die immer die Differenz zwischen gemessener und Basislinienwärmekapazität darstellt, beträgt demnach zu diesem Zeitpunkt der Messung 1.3 J/gK. Während der weiteren Abkühlphase nähert sich die gemessene dynamische Wärmekapazität der Basislinienwärmekapazität an, erreicht diese jedoch erst bei ca. 280 K. In diesem Bereich von über 100 K findet man also eine Exzesswärmekapazität. Die dynami-sche Wärmekapazität während der Aufheizphase verläuft bis zu 392 K identisch zu der während des Abkühlens. Das weitere Aufheizen ist bis zum Schmelzbereich mit einer Zunahme der dynamischen Wärmekapazität auf über 10 J/gK verbunden, was einer Exzesswärmekapazität von 8 J/gK entspricht. Auch hier wird ein Großteil der Exzesswärmekapazität durch latente, irreversible Schmelzwärmen hervorgerufen und die Messung wird unter den gegebenen Bedingungen nichtlinear und nichtsta-tionär. Bei Experimenten mit quasi-isothermen Messbedingungen, die sowohl unter stationären als auch unter linearen Bedingungen durchgeführt wurden, findet man für PE im Schmelzbereich dynamische Wärmekapazitäten, die mehr als dem Doppelten der Basislinienwärmekapazität entsprechen [56]. Dies ist nur mit dem Auftreten reversibler latenter Wärmen zu erklären, die einen Beitrag zur dynamischen Wärmekapazität liefern. Für das Polyethylen scheint die Frage nach dem damit einhergehenden reversiblen Schmelz- und Kristallisationsprozess geklärt. Hier tritt, wie z.B. auch bei Polyethylenoxid, ein reversibles Oberflächenschmelzen an den Faltenoberflächen der Kristalllamellen auf [53, 54]. Dieses reversible Oberflächen-schmelzen ist, wie durch Vergleich mit Röntgenbeugungsexperimenten gezeigt, streng mit dem kristallinen α-Prozess, der die gleitende Bewegung von gestreckten Ketten durch die Kristalllamelle beschreibt, verbunden [55-57]. Der Vergleich der Exzesswärmekapazitäten, ermittelt aus temperaturmodulierten DSC Untersuchungen mit aus Röntgenkleinwinkeluntersuchungen berechneten Exzesswärmekapazitäten, lässt den Schluss zu, dass das reversible Oberflächenschmelzen für die große Exzesswärmekapazität verantwortlich ist. Dennoch ist für das Polyethylen nicht auszuschließen, dass weitere reversible Prozesse einen, wenn auch vergleichsweise kleinen Beitrag zur gemessenen dynamischen Wärmekapazität liefern. Eine aus dieser Überlegung resultierende Aufteilung der Exzesswärmekapazität auf zwei oder mehrere Prozesse wäre nur unter präziser Bestimmung der Exzesswärmekapazität aufgrund eines der reversiblen Prozesse möglich. Für das reversible Oberflächen-schmelzen ist es sowohl aus theoretischen Überlegungen als auch aus den Vergleichsexperimenten mit Röntgenkleinwinkelstreuung gegenwärtig nicht möglich, die notwendige Genauigkeit zu erzielen. Die erforderliche Genauigkeit ergibt sich aus der Betrachtung der Exzesswärmekapazitäten anderer Polymere, bei denen kein reversibles Oberflächenschmelzen auftritt. Hier werden, wie im Folgenden gezeigt, oftmals nur Exzesswärmekapazitäten von unter 10% der Basislinienwärmekapazität beobachtet.

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38 Kapitel 4

Eine andere Möglichkeit der Trennung verschiedener Prozesse besteht in frequenz-abhängigen Untersuchungen. Hierbei werden z.B. in der dielektrischen und mechanischen Spektroskopie einzelne Prozesse entsprechend ihrer Dynamik voneinander separiert. Sollten das reversible Oberflächenschmelzen und mögliche andere reversible Prozesse unterschiedliche Dynamiken aufweisen, ist eine Separation durch wärmekapazitätsspektroskopische Untersuchungen denkbar. Allerdings ist der hierfür zur Zeit experimentell zur Verfügung stehende Frequenz-bereich zu gering. Da das Auftreten des kristallinen α-Prozesses und damit das reversible Oberflächen-schmelzen auf eine Minderheit unter den Polymeren beschränkt ist, jedoch auch alle anderen Polymere zumindest im Schmelzbereich Exzesswärmekapazitäten zeigen, gibt es mindestens einen weiteren reversiblen Prozess. Die Untersuchung der Exzesswärmekapazität und des zugrundeliegenden reversiblen Prozesses, die nicht vom Oberflächenschmelzen an den Faltenoberflächen der Kristalllamellen herrühren, soll im weiteren im Mittelpunkt stehen. Abbildung 4.2 zeigt, analog zum Experiment am Polyethylen, die gemessene dynamische Wärmekapazität während des Abkühlens und nachfolgenden Aufhei-zens von syndiotaktischem Polypropylen.

250 300 350 400

2

3

cpb (χcrystal= 0.17)

cp solid

cp liquid

heating

cooling

|cp*|

in J

g-1 K

-1

T in K

360 370 380 390 400 410 420

-0.05

0.00

0.05

exotherm

heating

cooling

T in K

HF to

tal in

W g

-1

cpb (χsolid(Tg) = 0.59)

Abb. 4.2: Gemessene spezifische dynamische Wärmekapazität von Polypropylen (sPP) während einer TMDSC Scan-Kühlmessung und darauffolgender Heizmessung. Die Geraden geben den Verlauf der Wärmekapazitäten der flüssigen, kristallinen und teilkristallinen Substanz an. TA Instruments DSC 2920CE, q0=0.5 K/min, AT=0.5 K, tp=100 s.

Auch hier entspricht die gemessene dynamische Wärmekapazität vor dem Beginn der Kristallisation der Wärmekapazität der Flüssigkeit. Anhand des totalen Wärme-stroms lässt sich der Beginn der Kristallisation bei 376 K erkennen. Ab hier weicht

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Experimentelle Ergebnisse 39

auch die gemessene dynamische Wärmekapazität von der Wärmekapazität der Flüssigkeit ab. Vergleicht man jedoch die gemessene dynamische Wärmekapazität nach erfolgter Kristallisation bei 363 K (Ende der Kristallisationsexothermen im totalen Wärmestrom) von 2.27 J/gK mit der Basislinienwärmekapazität von 2.15 J/gK, ist ein deutlicher Unterschied zu verzeichnen. Die Exzesswärmekapazität beträgt 0.12 J/gK. Dabei erfolgt die Berechnung der Basislinienwärmekapazität des teilkristallinen Polymers aus Gleichung 2-8 nach einem „3-Phasen Modell“. Bei einer quantitativen Betrachtung der Exzesswärmekapazitäten während der TMDSC Scan-Kühlexperimente im Kristallisationsbereich (hier: 376 K-363 K) ist zu beachten, dass die Kristallisation zu diesem Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen ist und somit die aktuelle Morphologie nicht bekannt und nicht identisch mit der der auskristallisierten Probe ist. Die Bestimmung der hier angegebenen Basislinien-wärmekapazität für das teilkristalline Material erfolgt allerdings immer aus der Höhe der Wärmekapazitätsstufe am Glasübergang bzw. der Fläche des Schmelzpeaks der auskristallisierten Probe. Mit dem weiteren Abkühlen sinkt die Exzesswärmekapazität in Abhängigkeit von der Temperatur langsam ab und verschwindet erst 30 K oberhalb des Glasübergangs bei 310 K. Unterhalb des Glasübergangs verlaufen sowohl die Kühl- als auch die Heizkurve ähnlich der erwarteten Basislinienwärmekapazität der starren Phase. Oberhalb des Glasübergangs verläuft die gemessene dynamische Wärmekapazität des Heizexperimentes bis zur Kristallisationstemperatur identisch zur dynamischen Wärmekapazität des Kühlexperimentes. Dieser Fakt zeigt, dass mit der gemessenen dynamischen Wärmekapazität bzw. der daraus ermittelten Exzesswärmekapazität der aktuelle Zustand der Probe in Abhängigkeit von der Temperatur erfasst wird. Die Ab- bzw. Zunahme der Exzesswärmekapazität ist also verbunden mit temperaturab-hängigen Probeneigenschaften. Diesen Probeneigenschaften muss ein reversibler Prozess zugrunde liegen, da in diesem Bereich keine latenten Wärmen von irreversiblen Schmelz- und Kristallisationsprozessen Beiträge zur dynamischen Wärmekapazität liefern können. Im Schmelzbereich steigt die dynamische Wärme-kapazität im Maximum auf 3 J/gK an, was einer Exzesswärmekapazität von 0.6 J/gK entspricht. Die im direkten Schmelzbereich gemessenen dynamischen Wärmekapa-zitäten sind unter den gegebenen Messbedingungen wesentlich durch latente Wärmen irreversibler Prozesse, wie partielles Schmelzen der Probe mit möglicher nachfolgender Reorganisation, bestimmt. Aus diesem Grunde ist es nicht ohne weiteres möglich, aus TMDSC Scanexperimenten zwischen der Exzesswärmeka-pazität hervorgerufen durch das reversible Schmelzen oder der durch irreversible Schmelz- und Rekristallisationsprozesse zu unterscheiden. Der Einfluss des irreversiblen Schmelzens auf die gemessene dynamische Wärmekapazität ist im folgenden Abschnitt durch Modellrechnungen quantifiziert. Eine Möglichkeit der Trennung reversibler und irreversibler Prozesse bietet das schrittweise quasi-isotherme Aufheizen der Probe. Hierbei wird in entsprechenden Temperaturinter-

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40 Kapitel 4

vallen das Aufheizen unterbrochen und quasi-isotherm die Entwicklung der Exzesswärmekapazität verfolgt. Der aus irreversiblen Prozessen herrührende Anteil an der Exzesswärmekapazität verschwindet mit der Zeit. Was übrig bleibt ist die das reversible Schmelzen charakterisierende Wärmekapazität. Allerdings ist bei diesen Experimenten der Vergleich mit den entsprechenden TMDSC Scanexperimenten oftmals schwer möglich, da durch das Tempern bei den verschiedenen Tempera-turen die Morphologie der Probe entscheidend geändert werden kann. Der Einfluss der Temperzeit und -temperatur ist dabei vom Polymer abhängig. So zeigt z.B. PET starke Morphologieveränderungen durch Tempern in einem weiten Temperatur-bereich zwischen dem Glasübergangs- und dem Schmelzbereich [10, 130], währenddessen die Morphologie von teilkristallinem PCL außerhalb des Schmelz-bereiches weniger von der thermischen Vorgeschichte abhängt. In Abbildung 4.3 sind für PCL neben den dynamischen Wärmekapazitäten aus den TMDSC Scan-Kühl- und Heizexperimenten auch die dynamischen Wärmekapazitäten aus quasi-isothermen Experimenten nach 8 Stunden Wartezeit bei der entsprechenden Temperatur dargestellt.

320 325 330 335-0.08

-0.06

-0.04

-0.02

0.00

0.02

heating

cooling

exotherm

T in K

HFto

tal in

W g

-1

290 300 310 320 330 3401.7

1.8

1.9

2.0

2.1

cpb(χcrystal(T))

cpb(χcrystal(T))cpb

(χcrystal= 0.43)

cp melt

cooling

heating

T in K

|cp*|

in J

g-1 K

-1

Abb. 4.3: Gemessene spezifische dynamische Wärmekapazität von ε-Polycaprolac-ton (PCL) während einer TMDSC-Scan-Kühlmessung und darauffolgender Heizmessung. Die Geraden geben den Verlauf der Wärmekapazitäten der flüssigen und teilkristallinen Substanz an. Die gestrichelten Linien im Kristallisations- bzw. Schmelzbereich zeigen den Verlauf der Basislinienwärmekapazität entsprechend der Änderung des Kristallinitätsgrades erhalten aus dem totalen Wärmestrom. Die Quadrate zeigen die gemessene dynamische Wärmekapazität aus schrittweise quasi-isothermen Heizmessungen nach 8 Stunden Wartezeit. TA Instruments DSC 2920CE, q0=0.05 K/min, AT=0.2 K, tp=100 s.

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Experimentelle Ergebnisse 41

Betrachtet man zunächst die dynamische Wärmekapazität aus den TMDSC Scanexperimenten, zeigt sich wiederum auch außerhalb der direkten Phasenüber-gangsbereiche (entsprechend der Peaks des totalen Wärmestroms für die Kühl-messung unterhalb 320 K, für die Heizmessung unterhalb 330 K) eine Exzess-wärmekapazität. Die Basislinienwärmekapazität von PCL wurde mit dem 2-Phasen-Modell bestimmt (Gleichung 2-2), da der Glasübergang bei 207 K mit der vorhandenen Kühlung außerhalb des Messbereichs lag. Die Exzesswärmekapazität beträgt bei der Temperatur von 320 K für die Heiz- und Kühlmessung 0.15 J/gK. Wartet man im Heizexperiment bei dieser Temperatur 8 Stunden und ermittelt danach die dynamische Wärmekapazität quasi-isotherm, erhält man mit 0.12 J/gK eine um 0.03 J/gK geringere Exzesswärmekapazität. Diese Exzesswärmekapazität entspricht nunmehr nur noch der durch das reversible Schmelzen hervorgerufenen Wärmekapazität. Im Schmelzbereich wird dieser Unterschied noch größer, da hier größere latente Wärmen von irreversiblen Schmelz- und Reorganisationsprozessen in der dynamischen Wärmekapazität der TMDSC Scanmessung enthalten sind. Allerdings steigt im Schmelzbereich auch die nicht von irreversiblen Prozessen beeinflusste Exzesswärmekapazität aus den quasi-isothermen Messungen an. Für die Temperatur von 332 K wurde mit 1.97 J/gK eine Wärmekapazität ermittelt, die höher als die der Flüssigkeit ist und einer Exzesswärmekapazität von 0.17 J/gK entspricht. Da sich diese Temperatur bereits - entsprechend dem endothermen Peak im totalen Wärmestrom - im direkten Schmelzbereich befindet, konnte für die Basislinienwärmekapazität nicht die Gerade, die die Wärmekapazität des zu 43 % kristallinen Materials repräsentiert, herangezogen werden. Vielmehr wurde aus dem totalen Wärmestrom die Veränderung des Kristallinitätsgrades bestimmt und in der Basislinienwärmekapazität berücksichtigt. In Abb. 4.3 sind die so ermittelten Basislinienwärmekapazitäten im Kristallisations- bzw. Schmelzenbereich gestrichelt dargestellt. Die gemessene dynamische Wärmekapazität des Polycarbonats zeigt einen anderen Verlauf bezüglich der Basislinienwärmekapazität als die bisher aufgeführten Beispiele. Wie in der Abbildung 4.4 zu erkennen ist, findet man bei der TMDSC Scan-Heizmessung außerhalb des direkten Schmelzbereiches, beginnend mit dem endothermen Peak in der totalen Wärmekapazität bei 465 K, keine Exzesswärme-kapazität. Dies bedeutet, dass unter den gegebenen Messbedingungen weder irreversible Schmelz- und Kristallisationsprozesse noch reversible Schmelzprozesse Beiträge zur gemessenen dynamischen Wärmekapazität liefern. Es erfolgt eine direkte Messung der Basislinienwärmekapazität. Wie später im Abschnitt 5.2 gezeigt wird, lässt das Nichtauftreten von Exzesswärmekapazitäten bei Temperaturen unterhalb des Schmelzbereichs gezielte Untersuchungen der Basislinienwärmekapa-zität bezüglich des Übergangs des starr amorphen Anteils zur Flüssigkeit und umgekehrt zu.

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42 Kapitel 4

Aufgrund der in Kapitel 4.3 gezeigten langsamen Kristallisationskinetik kristallisiert Polycarbonat während der TMDSC Scan-Kühlmessung mit einer unterliegenden Kühlrate von 0.5 K/min nicht. Die Kristallisation der Probe für die Bestimmung der in Abbildung 4.4 dargestellten dynamische Wärmekapazität des TMDSC Scan-Heizexperimentes erfolgte isotherm bei 458 K für 202 Stunden.

380 400 420 440 460 480 500

1,5

1,6

1,7

1,8

1,9

2,0

2,1

2,2

g

d

a

cpb (χcrystal= 0.23)

b - c p solidc - cp liquid

|cp*|

in J

g-1 K

-1

T in K

2

3

4 cp in J g

-1 K-1f - cp total

cpb (χsolid(Tg) = 0.49)

e

Abb. 4.4: Gemessene spezifische dynamische Wärmekapazität von teilkristallinem und amorphem Bisphenol-A Polycarbonat (PC) aus TMDSC-Scan-Heizmessungen und die dazugehörige totale Wärmekapazität aus dem totalen Wärmestrom im Schmelzbereich des teilkristallinen Materials. Die Geraden geben den Verlauf der Wärmekapazitäten der flüssigen, kristallinen und teilkristallinen Substanz an. TA Instruments DSC 2920CE, q0=0.5 K/min, AT=0.5 K, tp=100 s.

Auch während der TMDSC Scan-Heizmessung mit einer unterliegenden Heizrate von 0.5 K/min erfolgt aufgrund der langsamen Kristallisationskinetik keine Kaltkristal-lisation. Somit konnte die dynamische Wärmekapazität einer vollständig amorphen Polycarbonatprobe im gesamten Temperaturbereich experimentell bestimmt werden. Die hierbei ermittelte Wärmekapazität stimmt mit den ATHAS Datenbankwerten für die amorphe Substanz überein. [131] Für ursprünglich amorphe Polyhydroxybuttersäure (PHB) kann, wie in Abbildung 4.5 gezeigt, in einem Scan-Heizexperiment mit unterliegender Heizrate von 0.5 K/min der Verlauf der dynamischen Wärmekapazität während des Glasübergangs, nachfolgender Kaltkristallisation und späterem Schmelzen verfolgt werden. In der gemessenen dynamischen Wärmekapazität findet man dabei unterhalb des Glasübergangs (T < 265 K) die Wärmekapazität des Glases, daran anschließend die den Glasübergang repräsentierende Stufe (265 K < T < 280 K) und danach die Wärmekapazität der unterkühlten Flüssigkeit (280 K < T < 300 K). Während der

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Experimentelle Ergebnisse 43

Kaltkristallisation (300 K < T < 310 K) sinkt die Wärmekapazität und zeigt beim weiteren Aufheizen weit vor dem eigentlichen Schmelzbereich (430 K < T < 450 K) eine große Exzesswärmekapazität.

250 300 350 400 450

1,0

1,2

1,4

1,6

1,8

2,0

2,2

b - c p solid

c - cp liquid

T in K

|cp*|

in J

g-1 K

-1

-5

0

5

10

15a

f - cp total

cp in J g

-1K-1

Abb. 4.5: Gemessene spezifische dynamische Wärmekapazität von teilkristalliner und amorpher Polyhydroxybuttersäure (PHB) aus TMDSC-Scan-Heizmessungen und die dazugehörige totale Wärmekapazität aus dem totalen Wärmestrom im Schmelz-bereich des teilkristallinen Materials. Die Geraden geben den Verlauf der Wärme-kapazitäten der flüssigen und kristallinen Substanz an. PerkinElmer Instruments DSC2, q0=1 K/min, AT=0.4 K, tp=60 s.

Leider stehen für PHB keine Datenbankwerte für die Wärmekapazitäten der amorphen und kristallinen Substanzen zur Verfügung. Somit erfolgte die Bestimmung der Temperaturabhängigkeiten der Wärmekapazitäten der Flüssigkeit und des kristallinen Festkörpers anhand der gemessenen dynamischen Wärmekapazität. Die Wärmekapazität der Flüssigkeit wurde dabei aus der Verbindung der gemessenen dynamischen Wärmekapazitäten der unterkühlten Flüssigkeit (280 K bis 300 K) und der Schmelze (453 K bis 473 K) erhalten. Die Gerade cp liquid (T) = 1.1 J/gK + 0.00208 J/gK2 *T beschreibt dabei beide Regionen sehr gut, was eine lineare Abhängigkeit von cp liquid im gegebenen Temperaturbereich unterstützt. Die Wärmekapazität der festen Anteile wurde aus einem linearen Fit der gemessenen Wärmekapazität unterhalb des Glasübergangs mit cp solid (T) = 0.22 J/gK + 0.0035 J/gK2 *T und Extrapolation zu höheren Temperaturen unter Annahme gleicher Wärmekapazitäten von Glas und Kristall bestimmt. Unterhalb der Glasübergangstemperatur wurde für teilkristallines Material die gleiche Temperaturabhängigkeit ermittelt [132]. Eine Besonderheit des PHB ist, dass es sich zu sehr hohen Kristallinitätsgraden (bis 0.8) kristallisieren lässt [133]. Wie im Abschnitt 4.3 gezeigt wird, findet man trotz der

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44 Kapitel 4

extremen Unterschiede von Polycarbonat und Polyhydroxybuttersäure bezüglich der Kristallisationskinetik und der erreichten Kristallinitätsgrade (bei PC üblicherweise kleiner 0.25 [24, 134, 135]) für beide Polymere in TMDSC Experimenten keine Exzesswärmekapazität im Bereich der Kristallisationstemperatur und darunter. Alle anderen bisher untersuchten Polymere zeigen auch in diesem Bereich eine Exzesswärmekapazität. Dies lässt für PC und PHB in diesem Bereich eine direkte Messung der Basislinienwärmekapazität zu, womit eine Untersuchung der Immobili-sierung der starr amorphen Bereiche und ihrer Mobilisierung beim Heizen möglich wird (siehe Abschnitt 5.2). Eine Gemeinsamkeit bei allen untersuchten Polymeren ist die - wenn auch unterschiedlich große - Exzesswärmekapazität im Schmelzbereich. In Abbildung 4.6 sind die Exzesswärmekapazitäten aus Scan-Heizexperimenten für eine Vielzahl von Polymeren zusammengestellt. Zur besseren Vergleichbarkeit wurde die Temperatur auf die Differenz zwischen Glas- und Schmelztemperatur normiert. Somit entspricht der Ordinatenwert 0 der Glasübergangstemperatur und der Wert 1 der Schmelztem-peratur.

0.0 0.2 0.4 0.6 0.8 1.0

0.0

0.5

1.0

1.5

2.0

2.5

3.0 PET sPP PA 6 sPS PBT LDPE HDPE PC

T-Tg/Tm-Tg

c p ex

cess

in J

g-1 K

-1

Abb. 4.6: Exzesswärmekapazitäten verschiedener Polymere aus TMDSC-Scan-Heizexperimenten. TA Instruments DSC 2920CE, q0=0.5 K/min, AT=0.5 K, tp=100 s.

In den Scan-Heizexperimenten wird die Exzesswärmekapazität einerseits immer von latenten irreversiblen Schmelz- und Rekristallisationsprozessen hervorgerufen, andererseits findet man, wie quasi-isotherme Experimente zeigen, immer einen reversiblen Prozess, der ebenfalls einen Beitrag zur gemessenen Wärmekapazität und damit zu cp excess liefert. Die Untersuchung der Exzesswärmekapazität im Schmelzbereich und die Zuordnung der Einzelbestandteile zu irreversiblen bzw. reversiblen Prozessen steht im Mittelpunkt des folgenden Abschnitts.

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Experimentelle Ergebnisse 45

4.2. TMDSC UND TMDMA IM SCHMELZBEREICH

Zunächst soll im Abschnitt 4.2.1 anhand von Modellrechnungen gezeigt werden, wie irreversible latente Wärmen die dynamische Wärmekapazität beeinflussen. Im Abschnitt 4.2.2 erfolgt dann der Vergleich der berechneten mit experimentell ermittelten dynamischen Wärmekapazitäten. Basierend auf den Ergebnissen dieses Vergleichs werden für die qualitativen Betrachtungen der dynamischen Wärmekapa-zität im Schmelzbereich nur quasi-isotherme TMDSC und TMDMA Experimente herangezogen. Die Ergebnisse hierzu sind in Abschnitt 4.2.3 dargestellt.

4.2.1. Der Einfluss irreversibler latenter Wärmen auf die dynamische Wärmekapazität

Ausgangspunkt der Überlegungen war es, anhand von Beispielberechnungen zu klären, welchen Verlauf die dynamische Wärmekapazität aus TMDSC-Scan- und quasi-isothermen Experimenten zeigt, wenn man annimmt, dass die Exzesswärme-kapazität in der totalen Wärmekapazität nur durch reversible beziehungsweise nur durch irreversible Prozesse hervorgerufen wird. Hierzu wurden am Beispiel von PET die entsprechenden Wärmeströme im Schmelzbereich für verschiedene Temperaturprogramme berechnet2. Dazu erfolgte zunächst die Unterteilung der totalen Wärmekapazität in Basislinienwärmekapazität und Exzesswärmekapazität. Die die Basislinienwärmekapazität bestimmenden Wärmen gehen in allen Modellrechnungen immer als vollständig reversibel ein. Die die Exzesswärmekapazität bestimmenden latenten Wärmen können in den Modellrechnungen als vollständig reversibel bzw. als vollständig irreversibel aber auch als teilweise reversibel und irreversibel angesetzt werden. In den hier vorgestellten Modellrechnungen wird die Kinetik der irreversiblen Prozesse vollständig vernachlässigt. Der Einfachheit halber erfolgt das irreversible Schmelzen sofort mit dem Temperaturschritt zur höheren Temperatur. Andere Autoren berücksichtigen in Modellrechnungen zur Kristallisation und zum Schmelzen die Kinetik dieser Prozesse [136-140]. Eine Beschreibung der Messkurven gelingt allerdings nur unter Annahme verschiedener Kinetiken mehrerer parallel ablaufender Prozesse [141] oder unter der Voraussetzung einer linearen Änderung der Schmelzrate mit dem Abweichen der Temperatur von der mittleren Temperatur, was nur für sehr enge Temperaturbereiche gilt [137]. In Abschnitt 3.2.2 wird an drei Beispielen gezeigt, dass auch der Vergleich der berechneten Wärmekapazitäten ohne Berücksichtigung von Schmelzkinetiken mit experimentell ermittelten Wärmekapazitäten zusätzliche Erkenntnisse liefern kann. Der Ausschnitt eines für TMDSC Scanmessungen typischen Temperaturprogramms mit einer unterliegenden Heizrate von q0 = 0.5 K/min, einer Periodendauer von

2 Das unter Microcal Origin LabTalk (Version 5) lauffähige Programm ist im Anhang A3 aufgelistet.

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46 Kapitel 4

tp = 100 s und einer Temperaturamplitude von AT = 0.5 K ist in Abbildung 4.7a dargestellt. Um die Antwort des Wärmestroms auf die periodische Temperaturände-rung besser zu veranschaulichen, erfolgte die Darstellung für ein sägezahnförmiges Temperaturprogramm, dass aus einer Reihenentwicklung berechnet wurde (siehe Anhang 3). Durch die daraus erforderliche Glättung der Wärmestromkurven in Abb. 4.7 ergibt sich die nicht ideale Rechteckform der Wärmestromantwort. Die später gezeigten Wärmekapazitäten, die zum Vergleich mit den gemessenen Wärmekapazitäten herangezogen werden, basieren auf einem sinusförmigen Temperaturprogramm, wo diese Probleme nicht auftreten. Abb. 4.7b zeigt den aus der totalen Wärmekapazität berechneten, Wärmestrom unter Annahme vollständiger Reversibilität der die Exzesswärmekapazität bestimmenden latenten Wärmen. Damit tragen zum Verlauf des periodischen Wärmestroms sowohl beim Heizen als auch beim Kühlen immer die die Basislinienwärmekapazität bestimmenden Wärmen und die latenten Wärmen bei. Die unter diesen Voraussetzungen berechnete dynamische Wärmekapazität ist immer gleich der totalen Wärmekapazität.

527

528

529 a

T in

K

0

1

2 b reversible

0

1

2 c 50% reversible

HF

in m

W

850 900 950 1000

0

1

2 d irreversible

t in s

HF[cpb]

HF[cpb]

HF[cpb]

Abb. 4.7: Ausschnitt des berechneten Wärmestroms unter Berücksichtigung von Basislinienwärmekapazität und Exzesswärmekapazität im Schmelzbereich von PET, Teil b: unter Voraussetzung vollständiger Reversibilität der latenten Wärmen, Teil c: unter Voraussetzung von 50%iger Reversibilität der latenten Wärmen, Teil d: unter Voraussetzung vollständiger Irreversibilität der latenten Wärmen, Teil a: zugrundelie-gendes Temperaturprogramm.

In Abbildung 4.7d ist der berechnete Wärmestrom unter Annahme vollständiger Irreversibilität aller latenter Wärmen dargestellt. Die latenten Wärmen sind in den hier vorgestellten Modellrechnungen nur als Funktion der Temperatur angesetzt. Kinetische Effekte werden nicht berücksichtigt. Somit tragen zum berechneten

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Experimentelle Ergebnisse 47

periodische Wärmestrom nur dann latente Wärmen bei, wenn die Temperatur über die höchste zuvor im Experiment erreichte Temperatur steigt. In Abb. 4.7 wird z.B., gekennzeichnet durch die Hilfslinien, nach 996 s bei 528.3 K die Maximaltemperatur der vorherigen Periode überschritten. Zusätzlich zu den die Basislinienwärmekapa-zität bestimmenden Wärmen beinhaltet der Wärmestrom ab hier, bis zum Beginn der nächsten Kühlphase latente Wärmen. Im Wärmestrom gibt es damit einen Sprung. Während der Kühlphasen der Temperaturmodulation repräsentiert der Wärmestrom wieder nur die die Basislinienwärmekapazität bestimmenden Wärmen. Der Fall, dass sowohl irreversible als auch reversible latente Wärmen auftreten ist im Wärmestrom in Abb. 4.7c berücksichtigt. Hier tragen jederzeit neben den die Basislinienwärmekapazität bestimmenden Wärmen auch latente Wärmen zum Wärmestrom bei. Der Anteil der reversiblen latenten Wärmen ist in Abb. 4.7c mit 50% festgelegt, lässt sich aber in den Modellrechnungen variieren. Analog zum Beispiel der vollständigen Irreversibilität der latenten Wärmen kommt es mit dem Über-schreiten der zuvor im Experiment erreichten Maximaltemperatur zum Auftreten der irreversiblen latenten Wärmen und damit zu einem Sprung im Wärmestrom. Es ist leicht einzusehen, dass die aus solchen Wärmestromkurven (Abb. 4.7c und d) bestimmten Amplituden des Wärmestroms AHF und die Phasenwinkel von den irreversiblen latenten Wärmen beeinflusst werden. Damit ergibt sich auch ein Einfluss der irreversiblen latenten Wärmen auf die entsprechend Gleichung 3-1 berechnete dynamische Wärmekapazität. Dieser ist von den Modulationsparametern abhängig und Gegenstand der nachfolgenden Betrachtungen. In Abbildung 4.8 sind die berechneten dynamischen Wärmekapazitäten für verschiedene Modulationsbedingungen, sowie die dazugehörigen Phasenwinkel unter der Voraussetzung vollständiger Irreversibilität der die Exzesswärmekapazität bestimmenden latenten Wärmen dargestellt. Die den Berechnungen zugrunde liegende totale Wärmekapazität und Basislinienwärmekapazität wurden aus Darstellungsgründen nur punktuell angedeutet. Zunächst wurden die Parameter Heizrate, Periodendauer und Temperaturamplitude anhand des Vorschlags von TA Instruments für die Durchführung von TMDSC Experimenten gewählt [142]. Dieser Vorschlag beinhaltet im wesentlichen das Verhältnis von unterliegender Heizrate zur Modulationsperiodendauer so zu wählen, dass während des zu untersuchenden Ereignisses mindestens 4 bis 5 Perioden der Temperaturmodulation ablaufen. Außerdem soll aus „psychologischen Gründen“ die Amplitude so gewählt werden, dass die Probe zu jeder Zeit des Scan-Heizexperimentes geheizt wird (“heat-only“ conditions). Unter den so gegebenen Parametern (AT = 0.75 K, tp = 60 s, q0 = 3.2 K/min) tragen jederzeit irreversible latente Wärmen zum Wärmestrom bei. Die berechnete dynamische Wärmekapazität (grüne Kurve in Abb. 4.8a) entspricht dann der totalen Wärmekapazität. Die Annahme vollständiger Reversibilität und vollständiger Irreversibilität führt unter "heat-only" Bedingungen in der dynamischen Wärmekapazität zum gleichen Verlauf. Eine Trennung reversibler und irreversibler

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48 Kapitel 4

Prozesse ist demnach unter "heat-only" Bedingungen prinzipiell nicht möglich. Beobachtete Unterschiede zwischen totaler und dynamischer Wärmekapazität sind also auf Prozesse zurückzuführen, die in den hier diskutierten Modellrechnungen nicht berücksichtigt sind. Das können u.a. Zeitabhängigkeiten beim Schmelzen oder Rekristallisationsvorgänge sein.

460 480 500 520 540 560

2.0

2.5

3.0

3.5

4.0

4.5

5.0

5.5

6.0 q0=3.2Kmin-1, AT=0.75K q0=1.2Kmin-1, AT=0.5K q0=1.0Kmin-1, AT=0.5K q0=0.5Kmin-1, AT=0.5K q0=0.1Kmin-1, AT=0.5K q0=0.01Kmin-1, AT=0.5K cpb cp total

T in K

c p in

J g-1

K-1

a

460 480 500 520 540 560-0.1

0.0

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5 q0=3.2Kmin-1, AT=0.75K q0=1.2Kmin-1, AT=0.5K q0=1.0Kmin-1, AT=0.5K q0=0.5Kmin-1, AT=0.5K q0=0.1Kmin-1, AT=0.5K q0=0.01Kmin-1, AT=0.5K

T in K

δ in

rad

b

Abb. 4.8: Berechnete spezifische dynamische Wärmekapazitäten (Teil a) und Phasenwinkel (Teil b) unter Annahme vollständiger Irreversibilität der latenten Wärmen bei verschiedenen Modulationsbedingungen ohne Berücksichtigung kinetischer Aspekte.

Die Wahl der weiteren Modulationsparameter orientierte sich an den im Rahmen der vorliegenden Arbeit verwendeten Messparametern. Hierbei sind sowohl die Temperaturamplitude mit 0.5 K als auch die Periodendauer mit 100 s fest vorgege-ben. Lediglich die unterliegende Heizrate wurde im Bereich von 1.2 K/min bis 0.01 K/min variiert. Größere unterliegende Heizraten resultieren in “heat-only“ Temperaturprogrammen, was wiederum identische Verläufe von totaler und dynamischer Wärmekapazität ergibt. Mit der Heizrate von 1.2 K/min wird ein aus Heizabschnitten und Isothermen bestehendes Temperaturprogramm realisiert („scan-iso“). Dies ist der Übergang von „heat-only“ zu sich abwechselnden Heiz- und Kühlsegmenten. Auch hier stimmt die berechnete dynamische Wärmekapazität (blaue Kurve in Abb. 4.8a) noch mit der totalen Wärmekapazität überein. Bei sich abwechselnden Heiz- und Kühlsegmenten wird der Beitrag der latenten Wärmen des irreversiblen Schmelzens mit der Verringerung des Verhältnisses der unterliegenden Heizrate zur Periodendauer kleiner. Für die unterliegende Heizrate von 0.01 K/min stimmen berechnete dynamische Wärmekapazität und Basislinien-wärmekapazität weitestgehend überein. Dieses Temperaturprogramm ist dicht an der Realisierung quasi-isothermer Bedingungen, bei denen es ohne Berücksichtigung

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Experimentelle Ergebnisse 49

kinetischer Aspekte keinen Einfluss latenter Wärmen irreversibler Prozesse auf die dynamische Wärmekapazität gibt. Erwähnenswert ist auch das Auftreten eines Phasenwinkels. Obwohl im Modell keinerlei Zeitabhängigkeiten berücksichtigt werden, ist ein großer Phasenwinkel, der stark von den Modulationsbedingungen abhängt, zu beobachten.

4.2.2. Vergleich berechneter und gemessener dynamischer Wärmekapazitäten Das erste Beispiel ist ein statistisches Ethylen-Octen-Copolymer. Bei diesem Polymer beginnt der Schmelzbereich sofort oberhalb des Glasübergangs bei 240 K und endet bei etwa 355 K. Die Morphologie dieses Polymers wird entscheidend von der Ethylen-Sequenzlängenverteilung und der Temperatur bestimmt. Neben den Kristalllamellen, die von langen Ethylen-Sequenzen gebildet werden und erst in der Endphase des Schmelzprozesses verschwinden (irreversibles Schmelzen), existieren granulare Strukturen [143]. Diese schmelzen weitestgehend reversibel [144-146]. Der Vergleich verschiedener TMDSC Scanexperimente mit quasi-isothermen Experimenten in Abbildung 4.9 zeigt, dass bis zu einer Temperatur von ca. 290 K nahezu die gesamte gemessene dynamische Wärmekapazität von reversiblen Effekten bestimmt wird. Erst danach weicht die dynamische Wärmekapa-zität aus den Scanexperimenten entsprechend der Modulationsbedingungen von den quasi-isotherm ermittelten Wärmekapazitäten ab. Dies zeigt, in Analogie zu Abbildung 4.8a, dass nun auch irreversible latente Wärmen die dynamische Wärmekapazität beeinflussen und die Reversibilität abnimmt.

260 280 300 320 340 360

2.0

2.2

2.4

2.6

2.8

3.0

3.2

3.4

AT=0.2K AT=0.5K AT=1K AT=2K AT=5K quasi-isotherm cpb

|cp*|

in J

g-1K-1

T in K

Abb. 4.9: Gemessene spezifische dynamische Wärmekapazität eines Ethylen-Octen-Copolymers aus TMDSC Scanexperimenten unter Verwendung verschiedener Temperaturamplituden [147]. PerkinElmer Instruments DSC2, q0=0.5 K, tp=240 s. Die Quadrate zeigen quasi-isotherm ermittelte spezifische dynamische Wärmekapazi-täten.

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50 Kapitel 4

In die Modellrechnungen sollte diese Veränderung der Reversibilität von zunächst 1 (vollständig reversibel) bis zu 0 (vollständig irreversibel) am Ende des Schmelzens einfließen. Dazu wurde die dynamische Wärmekapazität für verschiedene Anteile des reversiblen und des irreversiblen Schmelzens an der Exzesswärmekapazität berechnet. In Abbildung 4.10a sind die für verschiedene Reversibilitäten berechneten dynamischen Wärmekapazitäten bei einer Modulationsamplitude von 2 K und die mit gleichen Modulationsbedingungen gemessene dynamische Wärmekapazität dargestellt. Der Vergleich zeigt, dass bis zur Temperatur von 290 K alle ablaufenden Prozesse reversibel sind. Ab hier weicht die gemessene Kurve von der unter Annahme vollständiger Reversibilität berechneten ab. Bei 325 K stimmt die gemessene Wärmekapazität mit der berechneten Wärmekapazität unter der Annahme überein, dass die Exzesswärmekapazität zu 80% von reversiblen latenten Wärmen und zu 20% von irreversiblen latenten Wärmen hervorgerufen wird. Bei 338 K muss davon ausgegangen werden, dass nur noch ein Anteil von 60% der Exzesswärmekapazität reversiblen Ursprungs ist. Die so ermittelten Paare von Reversibilität und Temperatur sind in Abbildung 4.10b für verschiedene Temperaturamplituden dargestellt. Es zeigt sich für alle Tempera-turamplituden eine Abnahme der Reversibilität mit steigender Temperatur.

260 280 300 320 340 3602.0

2.2

2.4

2.6

2.8

3.0

3.2 reversibility: 0 measured cp 0.2 cp total 0.4 cpb 0.6 0.8 1

c p in

J g-1

K-1

T in K

a

260 280 300 320 340 360

0.0

0.2

0.4

0.6

0.8

1.0

AT=5K AT=2K AT=1K

reve

rsib

ility

T in K

b

Abb. 4.10: Teil a: Berechnete spezifische dynamische Wärmekapazitäten unter Annahme verschiedener Reversibilitäten und gemessene spezifische dynamische Wärmekapazität. AT = 2 K, tp = 240 s, q0 = 0.5 K/min. Teil b: Abhängigkeit der Reversibilität von der Temperatur für verschiedene Temperaturamplituden aus dem Vergleich der berechneten und gemessenen spezifischen dynamischen Wärme-kapazitäten.

Die Ursache für den unterschiedlichen Verlauf der Kurven für die verschiedenen Temperaturamplituden ist nicht geklärt. Während bei der Temperaturamplitude von

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Experimentelle Ergebnisse 51

1 K bei 315 K das gesamte Material noch reversibel schmilzt, gibt es bei einer Temperaturamplitude von 5 K schon einen Anteil von 20% durch irreversible latente Wärmen an der Exzesswärmekapazität. Es ist vorstellbar, dass bei den großen Temperaturamplituden das zu Beginn eines Heizsegments der Temperaturmodu-lation geschmolzene Material am Ende des Kühlsegments nicht wieder rekristallisiert. Ursache hierfür kann die Verweildauer bei den hohen Temperaturen und damit ein schnelleres Verschlaufen und Verhaken der Ketten sein. Während der Kühlphase der Modulation reicht dann die Zeit nicht mehr aus, um diese Verhakungen und Verschlaufungen zu lösen, so dass als Konsequenz keine Kristallisation der betreffenden Kettenteile erfolgt und die Reversibilität abnimmt. Während für das gerade betrachtete Beispiel des Ethylen-Octen-Copolymers große Teile der Exzesswärmekapazität durch reversible latente Wärmen bestimmt werden, ist für Polycarbonat bei einer Modulationsperiode von 100 s in TMDSC Scanexperi-menten aufgrund der niedrigen Kristallisationsgeschwindigkeit davon auszugehen, dass die Exzesswärmekapazität im wesentlichen von irreversiblen Schmelzprozes-sen bestimmt wird. Die berechnete dynamische Wärmekapazität unter Annahme vollständiger Irreversibilität der die Exzesswärmekapazität bestimmenden latenten Wärmen ist in Abbildung 4.11a dargestellt.

460 470 480 490 500 510

2.0

2.5

3.0

3.5

4.0 measured |cp*| total cp calculated |cp*|

T in K

c p in

J g-1

K-1

a

460 480 500 520 540 560

2.0

2.5

3.0

3.5

4.0

4.5

5.0

5.5 measured |cp*| total cp calculated |cp*|

T in K

c p in

J g-1

K-1

b

Abb. 4.11: Vergleich von berechneter und gemessener dynamischer Wärmekapa-zität für den Fall totaler Irreversibilität der latenten Wärmen für Polycarbonat (Teil a) und Polyethylenterephthalat (Teil b).

Berechnete und gemessene dynamische Wärmekapazitäten haben deutlich unterschiedliche Kurvenverläufe. Die vergleichsweise kleine gemessene dynamische Wärmekapazität zeigt, dass die latenten Wärmen des irreversiblen Schmelzens bei den verwendeten Modulationsbedingungen (AT = 0.5 K, tp = 100 s, q0 = 0.5K/min) keinen periodischen Beitrag zum Wärmestrom liefern. Das irreversible Schmelzen ist

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52 Kapitel 4

für die Modulation zu langsam und die Schmelzkinetik spielt hier eine entscheidende Rolle. Um die aus den Modellrechnungen bestimmten und die gemessenen Wärmekapazitäten in Übereinstimmung zu bringen und somit Erkenntnisse über die Schmelzkinetik zu bekommen, sind zwei verschiedene Ansätze möglich. Der erste besteht darin, die Kinetik des irreversiblen Schmelzens in die Berechnungen einfließen zu lassen. Der zweite ist, die Bestimmung der dynamischen Wärmekapa-zität mit so großen Periodendauern durchzuführen, dass das irreversible Schmelzen wieder einen Beitrag zur periodischen Wärmekapazität liefert. Beiden Ansätzen soll in Zukunft nachgegangen werden. Für Polyethylenterephthalat als 3. Beispiel zeigt der Vergleich von berechneter dynamischer Wärmekapazität, unter Annahme vollständiger Irreversibilität der latenten Wärmen, mit der gemessenen Wärmekapazität ebenfalls keine Überein-stimmung. Dies ist auch nicht verwunderlich, da aus den vorangegangenen Betrachtungen für EOM und PC schnell klar wird, dass bei PET sowohl das reversible Schmelzen die gemessene Wärmekapazität beeinflusst (wie beim EOM), als auch die Kinetik des irreversiblen Schmelzens eine Rolle spielt (wie beim PC). Zusätzlich muss für PET der irreversible Prozess der Rekristallisation im Schmelz-bereich berücksichtigt werden. Für detaillierte Berechnungen sollten neben allen Kinetiken auch alle Wärmelei-tungsprozesse im Kalorimeter-Probe-System berücksichtigt werden. Dies zeigt die Komplexität der notwendigen Modellrechnungen, um eine gute Übereinstimmung zwischen experimentell bestimmter und berechneter dynamischer Wärmekapazität zu erreichen. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurden solche Rechnungen nicht weiter vorangetrieben, da die Anwendung der Methode im Mittelpunkt stand.

4.2.3. Quasi-isotherme TMDSC und TMDMA im Schmelzbereich Am Beispiel des Polyetheretherketons (PEEK) wird im folgenden eine mögliche Bestimmung der unterschiedlichen Kinetiken von irreversiblen und reversiblen Prozessen mittels stufenweise quasi-isothermen TMDSC und TMDMA Heizexperi-menten betrachtet. In Abbildung 4.12 sind die gemessenen dynamischen Wärmekapazitäten von PEEK im Schmelzbereich aus einem standard DSC Experiment (Kurve a), einem TMDSC-scan-Experiment (Kurve b) sowie einem schrittweise quasi-isothermen Aufheizexpe-riment (Kurven c und d) dargestellt.

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Experimentelle Ergebnisse 53

450 500 550 600 6501.5

2.0

2.5

3.0

3.5

4.0

4.5

5.0

cp liquid

cp solid

T in K

d

c

a

|cp*|

in J

g-1 K

-1

b

Abb. 4.12: Gemessene spezifische Wärmekapazität bzw. spezifische dynamische Wärmekapazität von PEEK aus einem standard DSC Experiment (q0 = 1 K/min), Kurve a, einem TMDSC Scanexperiment (q0 = 1 K/min), Kurve b, und aus einem schrittweise quasi-isothermen Heizexperiment nach 100 s bzw. 3600 s, Kurven c bzw. d. Die Geraden geben den Verlauf der Wärmekapazitäten der flüssigen und kristallinen Substanz an. PerkinElmer Instruments DSC7, AT=0.2 K, tp=50 s.

Die gemessenen dynamischen Wärmekapazitäten im Schmelzbereich sind bei allen Experimenten deutlich höher als die Wärmekapazität der Flüssigkeit. Für die quasi-isothermen Experimente, insbesondere nach der Wartezeit von 3600 s, zeugt dies vom Auftreten reversibler latenter Wärmen. Die Kurven c und d entsprechen den quasi-isotherm ermittelten Wärmekapazitäten 100 s bzw. 3600 s nach Vollendung des Temperaturschritts zur aktuellen Messtemperatur. Betrachtet man die Entwick-lung der dynamischen Wärmekapazität während der quasi-isothermen Messungen, findet man eine Abnahme mit der Zeit. Wie in [148] anhand von Experimenten mit unterschiedlichen Kalorimetern gezeigt wurde, ist diese Abnahme nicht auf mögliche Zeitkonstanten des Wärmetransportes im Kalorimeter-Probe-System zurückzuführen. In [148] wurde durch verschiedene isotherme Wartezeiten vor Beginn des modulier-ten Experiments ebenfalls gezeigt, dass die Abnahme der Wärmekapazität unabhängig vom Aufprägen einer Temperaturmodulation erfolgt. Somit ist klar, dass die zeitliche Abnahme der quasi-isotherm ermittelten Wärmekapazität im Schmelz-bereich auf eine tatsächlich Änderung der in der Probe ablaufenden reversiblen Prozesse zurückzuführen ist. Gleiches wurde in [56] für Polyethylen, in [51, 148] für PET und in [149] für PCL beobachtet. In Abbildung 4.13 sind die gemessene Temperatur (Kurve a) sowie der periodischer Wärmestrom HFp(t) (Kurve b) bei einer quasi-isothermen Temperatur dargestellt.

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54 Kapitel 4

-1.0

-0.5

0.0

0.5

1.0Endo

c

HFp i

n m

W

0 2000 4000 6000 8000 100000.15

0.20

0.25

f

A HF in

mW

t in s

603

604a

T in

K

-0.2

0.0

0.2

f in

mW

d

e

b

Abb. 4.13: Periodischer Anteil der gemessenen Wärmeströme (Kurven b bzw. c) als Antwort auf die periodische, quasi-isotherme Temperaturstörung (Kurve a) bei einer mittleren Temperatur von 603 K im Schmelzbereich von PEEK bzw. bei einer mittleren Temperatur von 640 K in der Schmelze. Kurve d zeigt die Differenz zwischen den Kurven b und c und Kurve e die Amplitude dieser Differenz. Kurve f ist ein exponentieller Fit an die Kurve e mit . Setaram DSC141, A

)/(* rteBAf τ+=

T = 0.5 K, tp = 1200 s.

Der Vergleich der periodischen Wärmeströme im Schmelzbereich bei 603 K (Kurve b) und in der Schmelze bei 640 K (Kurve c) zeigt, dass auch nach langer Wartezeit von 3 Stunden der gemessene Wärmestrom im Schmelzbereich größer als der in der Schmelze ist. Die Differenz HFd(t) der periodischen Wärmeströme im Schmelz-bereich und in der Schmelze ist als Kurve d im Bereich zwischen 4000 s und 10000 s gezeigt. Der Vergleich der Kühl- und Heizsegmente in dieser Kurve verdeutlicht, dass Kristallisation und Schmelzen den Wärmestrom verschiedenartig beeinflussen. Während des Heizsegments bzw. des Schmelzens wird der Wärmestrom schneller quasi-stationär als während des Kühlsegmentes bzw. der Kristallisation. Diese Folgerungen aus der Kurvenform lassen sich nur bei der Wahl sägezahnförmiger Temperaturmodulation und durch das direkte Betrachten der Wärmeströme und nicht aus den daraus berechneten dynamischen Wärmekapazitäten ziehen. Aus der Differenz HFd(t) lässt sich näherungsweise die reversible Enthalpieänderung ∆h während einer Modulationsperiode berechnen:

πpHF

t

td

tAdttHFh d≈=∆ ∫

2

1

)( (4-1)

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Experimentelle Ergebnisse 55

wobei t1 und t2 die Zeiten zweier aufeinanderfolgender Nulldurchläufe von HFd , AHFd die Amplitude von HFd und tp die Periodendauer sind. Das Verhältnis von ∆h und der Schmelzenthalpie einer vollständig kristallinen Probe (∆H0m = 130J/g) stellt nunmehr die reversible Änderung des Kristallinitätsgrades während einer Periode dar. Im vorliegenden Beispiel wurde sie bei 600 K mit 0.0035 zu Beginn bzw. 0.0025 am Ende des quasi-isothermen Experiments bestimmt [123]. Dass die Amplitude von HFd mit der quasi-isothermen Verweilzeit gegen eine von Null verschiedene Asymptote geht, ist nur mit der Präsenz eines reversiblen Prozesses zu erklären. Für andere Polymere werden die reversibel schmelzenden Anteile je Kelvin z.B. für PET bei 522 K mit 0.0003 [51, 150], für Poly(ethylen-co-1-octen) bei 299 K mit 0.001 [145] und für PCL bei 328 K mit 0.001 [127] angegeben. Da für PEEK bekannt ist, dass ein Tempern im Schmelzbereich zur Rekristallisation (Morphologieveränderung) führt, was mit einem Anstieg des Kristallinitätsgrades verbunden ist [151, 152], stellt sich die Frage, ob die Verringerung des reversibel schmelzenden Anteils mit der Zunahme des Kristallinitätsgrades einhergeht, oder ob beide Prozesse unabhängig voneinander ablaufen. Während der bisher betrachtete periodische Wärmestrom im quasi-isothermen Experiment weitesgehend reversible Prozesse repräsentiert, beschreibt der Verlauf des totalen Wärmestroms die irreversiblen Prozesse bei einer quasi-isothermen Messung. Der totale Wärmestrom wird dabei bei jeder Heizphase zur nächsten quasi-isothermen Temperatur durch die latenten Schmelzwärmen des irreversibel schmelzenden Materials bestimmt. Diese latenten Wärmen beeinflussen, wie aus den TMDSC Scanexperimenten bekannt ist, auch den periodischen Wärmestrom (erste halbe Periode in Abbildung 4.13). Die Betrachtung der Entwicklung des totalen Wärmestroms mit der Zeit lässt die Bestimmung der irreversiblen Kristallininitätsgradsänderungen während einer Quasi-isothermen zu. Allerdings liegen die Änderungen im totalen Wärmestrom mit 0.05 mW in der gleichen Größenordnung, wie die Wärmestromdrift des verwendeten Gerätes (Setaram DSC141) während der langen Messung. Dadurch wird eine quantitative Angabe zum Anstieg des Kristallinitätsgrades aus TMDSC Experimenten unmöglich. Dies ist jedoch, wie im Folgenden gezeigt, aus der Betrachtung der zeitlichen Entwicklung des Schermoduls möglich. Ausgenutzt wird hierfür die in Abschnitt 3.2.2 diskutierte und in Abbildung 3.3 dargestellte nahezu lineare Korrelation zwischen Kristallinitätsgrad und dem Logarithmus des Schermoduls im Schmelzbereich von PEEK zwischen 580 K und 610 K. In Abbildung 4.14 ist die Entwicklung des Schermoduls für den Temperaturschritt bei 599 K einer quasi-isothermen TMDMA Messung dargestellt.

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56 Kapitel 4

7.10

7.15

7.20

7.25

7.30

7.35

7.40

b

log(

G'/P

a)

50000 55000598599600

T in

K

t in s

0 50000 100000

6

7

8

d

t in s

log(

G'/P

a)

c 450

500

550

600

T in K

a

Abb. 4.14: Entwicklung des Logarithmus des Schermoduls (Kurve b) während einer quasi-isothermen Messung im Schmelzbereich von PEEK als Antwort auf das periodische Temperaturprogramm (Kurve a). Im Bereich zwischen 50000 s und 52000 s ist nur der geglättete Schermodul (grün) gezeigt. Im Einschub sind der Logarithmus des Schermoduls (Kurve d) und das schrittweise quasi-isotherme Temperaturprogramm des gesamten TMDMA Experiments dargestellt (Kurve c). Rheometric Scientific ARES, T0=599K, tp=1200s, AT=0.5K.

Sowohl der Anstieg des Schermoduls mit der Zeit aufgrund der Zunahme des Kristallinitätsgrades, als auch die Antwort auf die periodische Temperaturstörung sind zu erkennen. Im Einschub sind Temperatur und Schermodul des gesamten schrittweise quasi-isothermen TMDMA Experiments dargestellt. Hier wird deutlich, dass der Schermodul bei jedem Schritt zur nächst höheren Temperatur zunächst abnimmt, was durch die Abnahme des Kristallinitätsgrades zu erklären ist. Während jeder Quasi-isothermen kommt es dann durch Rekristallisation zu einer erneuten Zunahme des Kristallinitätsgrades und des Schermoduls. Unterteilt man den Schermodul analog zum Wärmestrom in einen periodischen Schermodul und einen totalen Schermodul, gibt letzterer die irreversiblen Kristallini-tätsgradsänderungen wieder, währenddessen im periodische Anteil die reversiblen Kristallinitätsgradsänderungen erfasst werden. Bei der Temperatur von 599 K wurden die irreversiblen Änderungen während der dreistündigen Messzeit mit einem Anstieg des Kristallinitätsgrades um 0.03 von 0.29 auf 0.32 und die reversiblen Änderungen mit 0.003 bestimmt. Letzteres erfolgte aus der Amplitude des Scher-moduls und ist in guter Übereinstimmung mit den Ergebnissen aus TMDSC-Experimenten (siehe oben). Bei der Ermittlung der reversiblen Änderung des

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Experimentelle Ergebnisse 57

Kristallinitätsgrades wurde vorausgesetzt, dass die gesamte reversible Änderung des Schermoduls durch das reversible Schmelzen bestimmt wird und keine Temperatur-abhängigkeit des Schermoduls vorliegt. Will man die eingangs gestellte Frage nach einem direkten Zusammenhang zwischen der irreversiblen Änderung des Kristallinitätsgrades und der Änderung der Stärke der reversiblen Prozesse beantworten, kann man die Kinetik beider Änderungen verfolgen. Die Kinetik der reversiblen Kristallinitätsgradsänderung ist durch die Zeitkonstante der exponentiellen Anpassung an die zeitliche Abnahme von AHFd (Kurve f in Abb. 4.13) gegeben, während die Kinetik der irreversiblen Ände-rungen durch die Angabe der Zeitkonstante aus einem exponentiellen Fit an die zeitliche Änderung des totalen Schermoduls erhalten wird. Für quasi-isotherme TMDSC Experimente erfolgt oftmals eine exponentielle Anpassung mit mindestens 2 Zeitkonstanten, um auch die Kinetik des irreversiblen Schmelzens zu Beginn der Quasi-isothermen zu erfassen [51, 148]. Darauf wurde im vorliegenden Fall verzichtet und die im wesentlichen vom irreversiblen Schmelzen beeinflusste erste Periode (hier 1200 s) bei der Ermittlung der Zeitkonstante außer acht gelassen. Die Ergebnisse von TMDSC und TMDMA ergänzen sich ausgezeichnet, da mit jeder Methode jeweils nur eine Kinetik beschrieben werden kann. Die Zeitkonstanten der exponentiellen Anpassungen bei verschiedenen Temperaturen sind in Abbildung 4.15 dargestellt.

590 600 610 620 630

2500

5000

7500

10000

12500

15000

17500

τr

T in K

Tim

e Co

nsta

nt in

s

τi

Abb. 4.15: Zeitkonstanten für reversible (τr) und irreversible (τi) Änderungen des Kristallinitätsgrades bei verschiedenen quasi-isothermen Temperaturen. Die Linien sind willkürlich zur Verdeutlichung des unterschiedlichen Verlaufs eingezeichnet.

Aus den unterschiedlichen Verläufen der Zeitkonstanten in Abhängigkeit von der Temperatur wird klar, dass die Verringerung der reversiblen Änderung des Kristallinitätsgrades (reversibles Schmelzen) und der irreversible Anstieg des Kristallinitätsgrades während der Quasi-isothermen unabhängige Prozesse sind. Mit Zunahme der Temperatur wird die Rate der irreversiblen Erhöhung des Kristallini-

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58 Kapitel 4

tätsgrades kleiner, während der Abfall der reversiblen Änderung des Kristallini-tätsgrades schneller wird. Daraus lässt sich schlussfolgern, dass das reversible Schmelzen als lokaler Prozess im Hintergrund der irreversiblen Änderungen des Kristallinitätsgrades abläuft. Diese Behauptung wird durch im Abschnitt 4.3. gezeigte quasi-isotherme TMDSC und TMDMA Kristallisationsexperimente unterstützt, wo man während der Sekundärkristallisation keine Änderung des reversiblen Schmel-zens beobachtet, obwohl der Kristallinitätsgrad noch deutlich ansteigt (siehe Abbildungen 4.23 und 4.26). Zunächst soll jedoch der Frage nach der Dynamik des reversiblen Prozesses nachgegangen werden, wenn sich die Probe in einem stationären Zustand befindet und keine Kristallinitätsgradsänderungen durch irreversibles Schmelzen oder Rekristallisation stattfinden. Dies scheint im Schmelzbereich am günstigsten, da hier die größten Exzesswärmekapazitäten auch im stationären Zustand auftreten und dadurch eine quantitative Diskussion möglich ist. Allerdings ist für alle Betrachtungen der unterschiedlichen Dynamik des Prozesses bei verschiedenen Temperaturen, vor allem im Schmelzbereich, immer die Möglichkeit einer Morphologieänderung durch irreversible Schmelz- oder Kristallisationsprozesse und die daraus resultierende Veränderungen der Dynamik in Erwägung zu ziehen. Oftmals wird der lokale reversible Schmelzprozess am Ende der Kristallisation mit der An- bzw. Ablagerung von Kettensegmenten am Kristall aufgrund der Tempera-turvariation beschrieben. Ist die Kinetik des Anlagerns und Ablösens langsamer als die Temperaturmodulationsfrequenz, können nur wenige Kettensegmente der Temperaturmodulation folgen, während bei langsamerer Modulation (niedrige Frequenzen, lange Perioden) deutlich mehr Kettensegmente am reversiblen Prozess teilnehmen. Damit würde sich für niedrige Frequenzen eine deutlich höhere Exzesswärmekapazität ergeben. In Abbildung 4.16 ist die quasi-isotherm ermittelte Exzesswärmekapazität bei verschiedenen Temperaturen im Schmelzbereich eines Ethylen-Octen-Copolymers in Abhängigkeit von der Frequenz dargestellt.

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Experimentelle Ergebnisse 59

1E-4 1E-3 0.01 0.1 1 10 100

0.0

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

0.6

283 K 293 K 303 K 313 K 323 K 333 K 343 K 353 K 363 K

c p ex

cess

in J

g-1 K

-1

f in Hz

Abb. 4.16: Exzesswärmekapazität eines Ethylen-Octen-Copolymers bei verschie-denen Temperaturen in Abhängigkeit von der Modulationsfrequenz. Offene Symbole: Setaram DSC 121, geschlossene Symbole PerkinElmer Instruments Pyris1 DSC, AT=0.5K.

Wie erwartet, findet man für tiefere Frequenzen höhere Exzesswärmekapazitäten. Die Temperaturabhängigkeit von cp excess soll hier nicht weiter diskutiert werden, da bei diesem Polymer große Morphologieänderungen mit jeder Temperaturänderung verbunden sind [143, 146]. Einen ähnlichen Verlauf - mit einer hohen Exzesswärmekapazität bei niedrigen Frequenzen und einer geringen bei höheren Frequenzen - findet man auch für die Exzesswärmekapazität von PCL im Schmelzbereich, die durch die Abweichung der gemessenen von der Basislinienwärmekapazität in Abbildung 4.17 gegeben ist. Es ist aber auch zu erkennen, dass die Dynamik des reversiblen Prozesses in beiden Polymeren unterschiedlich ist.

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60 Kapitel 4

1E-4 1E-3 0.01 0.1 1 10 100

1.7

1.8

1.9

2.0

2.1

cpb(χ=0.5, T=335K)

332 K 333 K 334 K 335 K

|cp*|

in J

g-1 K

-1

f in Hz

5

10

15

328 K

G'' in M

Pa

Abb. 4.17: Frequenzabhängige spezifische dynamische Wärmekapazität im Schmelzbereich von PCL bei verschiedenen Temperaturen zwischen 332 K und 335 K und frequenzabhängiger Imaginärteil des Schermoduls von PCL bei 328 K. Offene Symbole: Setaram DSC 121, geschlossene Symbole PerkinElmer Instru-ments Pyris1 DSC, AT=0.5K.

Während beim EOM, angedeutet durch die gestrichelte Linie in Abbildung 4.16, die direkte experimentelle Bestimmung der Basislinienwärmekapazität ab ca. 100 Hz möglich scheint, reicht für PCL in diesem Temperaturbereich schon eine Frequenz ab ca. 1 Hz aus (gestrichelte Linie in Abb. 4.17). Diese Frequenzen sind im DSC nicht zu erreichen. Experimente mittels AC-Kalorimetrie an einer ähnlich präparierten Probe im Frequenzbereich zwischen 0.1 Hz und 1 Hz zeigen, dass hier nur eine unwesentliche Exzesswärmekapazität auftritt [153]. Die direkte experimentelle Bestimmung der Basislinienwärmekapazität kann die Diskussionen bisher offener Fragen der die Basislinienwärmekapazität selbst bestimmenden Prozesse vorantreiben. Als Beispiel sei wiederum auf den Abschnitt 5.2 und die Frage des Immobilisierens und Mobilisierens der starr amorphen Bereiche verwiesen.

4.2.4. DMA Experimente ohne Temperaturmodulation Bei der Betrachtung der Dynamik von Prozessen stellt sich immer die Frage, mit welchen Aktivitäten diese Prozesse verbunden ist. So findet man z.B. im Glasüber-gangsbereich neben der Aktivität in der Wärmekapazität auch viele andere, wie dielektrische und mechanische Aktivitäten, wohingegen sekundäre Relaxations-prozesse nicht wärmekapazitätsaktiv, sehr wohl aber aktiv bezüglich mechanischer und dielektrischer Anregungen sind. Der breite Peak im der Verlustkomponente des Schermoduls in Abhängigkeit von der mechanischen Anregungsfrequenz in Abbildung 4.17 bei konstanter Temperatur von 328 K zeugt von der mechanischen Aktivität des mittels frequenzabhängiger TMDSC im gleichen Temperatur- und

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Experimentelle Ergebnisse 61

Frequenzbereich gefundenen Prozesses. In Abbildung 4.17 wird die selbe Fre-quenzachse sowohl für die mechanische Anregungsfrequenz der DMA als auch für die Frequenz der Temperaturmodulation der TMDSC genutzt. Die Position des Maximum in G’’ ist temperaturabhängig. Das Maximum selbst ist nur bei den hohen Temperaturen, weit weg vom Glasübergang zu detektieren. Bei tiefen Temperaturen ist es zu kleineren Frequenzen als den Messfrequenzen verschoben. Außerdem überlagern sich hier Glasübergang und reversibler Schmelzprozess in der G’’ Kurve. Die Charakteristik der Temperaturabhängigkeit lässt sich besser am ausgeprägteren Maximum in tan δ bestimmen. Dazu wurde tan δ in dem zwischen Kristallisations-temperatur (328 K) und Glasübergangstemperatur (208 K) zugänglichen Bereich frequenzabhängig in Temperaturschritten von 10 K bestimmt. Die Variation der Frequenz der mechanischen Anregung erfolgte von 5*10-4 Hz bis 70 Hz. In Abbildung 4.18 a sind die gemessenen Spektren bei fünf ausgewählten, charakteristischen Temperaturen dargestellt. In den Spektren der beiden hohen Temperaturen von 313 K und 293 K sind die Maxima in tan δ aufgrund des zu untersuchenden Prozesses deutlich ausgeprägt und der Glasübergang befindet sich noch nicht im Messfenster. Für diese Temperaturen kann die Frequenz des Maximums in tan δ direkt aus der Kurve abgelesen werden. Bei 253 K findet man bei tiefen Frequenzen nur noch die Hochfrequenzflanke des zu untersuchenden Prozesses, während man bei hohen Frequenzen die Tieffrequenzflanke des Glasübergangs findet. Das Spektrum bei der Temperatur von 228 K wird im wesentlichen von dem nun komplett im Messfenster befindlichen Glasübergang bestimmt, lediglich bei tiefen Frequenzen beeinflusst die Hochfrequenzflanke des reversiblen Schmelzprozesses das Spektrum. Bei noch tieferen Temperaturen, wie z.B. bei 218 K, überlagern sich die Hochfrequenzflanken beider Prozesse. Aus Abbildung 4.18a wird schon die langsame Dynamik des reversiblen Schmelzprozesses im Vergleich zum Glasüber-gang deutlich. Eine detaillierte Diskussion der Dynamik des reversiblen Schmelzens lässt erst die Abtrennung vom Glasübergang zu.

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62 Kapitel 4

10-3 10-2 10-1 100 101 102 103

0.02

0.03

0.04

0.05

0.06

0.07

0.08 313 K 293 K 253 K 228 K 218 K

tan

δ

ω in rads-1

a

10-8 10-3 102 107 1012

0.00

0.01

0.02

0.03

0.04

0.05

0.06

0.07

0.08

tan

δ

aT GTω in rad s-1

b

HN-function

10-3 10-2 10-1 100 101 102 103

0.00

0.01

0.02

0.03

0.04

0.05 208 K 223 K 243 K 253 K 263 K 283 K

tan

δ

ω in rads-1

c

10-5 10-4 10-3 10-2 10-1 100 101 102 103 104 105-0.01

0.00

0.01

0.02

0.03

0.04

0.05 208 K 223 K 243 K 253 K 263 K 283 K

ta

n δ

aT RMω in rads-1

d

Abb. 4.18: Ein Weg zur Trennung von Glasübergang und reversiblem Schmelzen zur Untersuchung der Dynamik des reversiblen Schmelzens, siehe Text.

Hierzu wurden die Kurven, bei denen das dem Glasübergang zuzuordnende Maximum von tan δ nicht direkt aus dem Spektrum ablesbar war, entsprechend dem Zeit-Temperatur-Superpositionsprinzip [siehe 52, 106] relativ zur Temperatur von 253 K auf den Glasübergang verschoben (Abbildung 4.18b, Verschiebungsfaktor aT GT). Danach erfolgte eine Anpassung der Masterkurve mit der für Relaxations-prozesse üblicherweise genutzten Havriliak-Negami-Funktion (HN-Funktion) [154]. Nun gestattet die Subtraktion der HN-Funktion von jeder einzelnen geschobenen Kurve, wie in Abb. 4.18b für ein einzelnes Spektrum farbig hervorgehoben gezeigt, die Abtrennung des Glasübergangs. Zurückgeschoben in den gemessenen Frequenzbereich zeigt sich in Abbildung 4.18c das vom Glasübergang separierte, frequenzabhängige tan δ bei verschiedenen Temperaturen, das nur noch durch den zu untersuchenden reversiblen Schmelzprozess bestimmt wird. Auch für diesen Prozess lässt sich wieder, wie in Abbildung 4.18d gezeigt, eine Masterkurve nach

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Experimentelle Ergebnisse 63

dem Zeit-Temperatur-Superpositionsprinzip konstruieren (Verschiebungsfaktor aT RM). Allerdings ist zu beachten, dass nicht das gesamte Maximum sondern nur eine Flanke des Maximums in tan δ zur Masterkurvenkonstruktion zur Verfügung stand und die Werte für die Verschiebungsfaktoren somit stark fehlerbehaftet sind. In Abbildung 4.19 sind in einem Aktivierungsdiagramm sowohl das reversible Schmelzen (Kreise) als auch der Glasübergang (Quadrate) eingetragen. Für den Glasübergang sind die Maxima von tan δ entsprechend der Verschiebungsfaktoren der Masterkurvenkonstruktion angegeben. Diese Punkte konnten mit einer üblicherweise die Dynamik des Glasübergangs beschreibenden Vogel-Fulcher-Tammann Gleichung (VFT) [155-157] angepasst werden.

3.0 3.5 4.0 4.5 5.0

-8

-6

-4

-2

0

2

4

6

8

10

12

log(

f tan

δ max

/Hz)

1000/T in K-1

320 300 280 260 240 220 200T in K

Abb. 4.19: Aktivierungsdiagramm für PCL für das Maximum von tan δ aus DMA-Experimenten. Die Quadrate repräsentieren den Glasübergang. Der VFT-Fit ergibt folgende Parameter: f0 = 1018 Hz, EA = 24 kJ/mol, TV = 160 K. Die Kreise repräsentie-ren das reversible Schmelzen. Für die Bestimmung der Fitparameter nach dem „Arrhenius-Gesetz“ mit EA = 79 kJ/mol und f0 = 2*1011 Hz wurden nur die direkt abgelesenen Maximumlagen in tan δ berücksichtigt (geschlossen Kreise).

Für das reversible Schmelzen sind sowohl die direkt aus den Spektren abgelesenen Maximumlagen (gefüllte Kreise) als auch die aus den Verschiebungsfaktoren der Masterkurvenkonstruktion bestimmten Maximumlagen (offene Kreise) nach Abtrennung des Glasübergangs eingezeichnet. Wie für thermisch aktivierte Sekundärrelaxationsprozesse findet man einen linearen Zusammenhang –Arrhenius-Gesetz- zwischen dem Logarithmus der Maximumfrequenz und der reziproken Temperatur. Dies spricht dafür, dass es sich beim reversiblen Schmelzen um einen thermisch aktivierten Prozess handelt. Für die lineare Anpassung im Aktivierungsdiagramm wurden nur die direkt im Spektrum abgelesenen Punkte

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64 Kapitel 4

herangezogen, da hier die Genauigkeit nicht durch die notwendige Abtrennung vom Glasübergang beeinflusst wird. Als Parameter ergeben sich für die Aktivierungs-energie der Wert EA = 79 kJ/mol und für die charakteristische Frequenz der Wert f0 = 2*1011 Hz. Dieser Parametersatz charakterisiert die Dynamik des reversiblen Schmelzens. Auch für die Kalorimetrie ist es möglich, Aktivierungsdiagramme zu erstellen. Für den dynamischen Glasübergang lassen sich so die Dynamik aus einem in der Frequenz 9 Dekaden überstreichenden Bereich bestimmen [95, 158, 159]. Unter alleiniger Nutzung der TMDSC ist dies nur in einem Frequenzbereich von 4 Dekaden möglich. Einen Ausweg bietet die oben beschriebene Konstruktion einer Masterkurve. Dabei muss davon ausgegangen werden, dass sich die Wärmekapazitäts-Frequenzkurve ohne Formänderung mit der Temperatur verschiebt. Im Schmelzbereich von Polymeren tritt als weiteres Problem die sich mit der Temperatur verändernde Morphologie der Probe auf, was zu deutlichen Veränderungen in der Exzesswärme-kapazität führen kann. Daher ist es für TMDSC Untersuchungen im Schmelzbereich weitaus schwieriger die Dynamik der Prozesse aus spektroskopischen Untersu-chungen zu bestimmen. Dieser Ansatz wurde im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht weiter verfolgt. Im Weiteren wurde die isotherme Kristallisation untersucht. Aufgrund der konstanten Temperatur scheinen die Verhältnisse hier einfacher zu sein.

4.3. QUASI-ISOTHERME TMDSC UND TMDMA WÄHREND DER KRISTALLISATION

Die Temperaturmodulierte DSC ermöglicht die quasi-isotherme Bestimmung der Wärmekapazität auch während der Kristallisation. Dafür wird die Probe aus der Schmelze oberhalb der Schmelztemperatur Tm so schnell wie möglich (im DSC üblicherweise mit 100 K/min) auf die Kristallisationstemperatur Tc abgekühlt und sofort mit dem temperaturmodulierten Experiment begonnen. Die gewählte Kristallisationstemperatur zwischen der Glasübergangs- und Schmelztemperatur bestimmt die Zeitdauer der Kristallisation und die entstehende Morphologie. Abbildung 4.20 verdeutlicht schematisch den Ablauf des Experimentes und den erwarteten Verlauf der Basislinienwärmekapazität während der Kristallisation. Ausgehend von der Wärmekapazität der Schmelze (cp liquid) erwartet man mit Zunahme des Kristallinitätsgrades eine Abnahme der Wärmekapazität in Abhängig-keit von den amorphen und kristallinen Anteilen (Gleichungen 2-2 bzw. 2-8). Bei einer vollständig kristallisierten Probe misst man demnach nach Beendigung der Kristallisation die Wärmekapazität der rein kristallinen Substanz (cp solid).

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Experimentelle Ergebnisse 65

TC

p

Tg Tm

cp solid

cp liquid

TC

Abb. 4.20: Schematische Darstellung des Verlaufs der Basislinienwärmekapazitäten zur Verdeutlichung der Situation beim quasi-isothermen Experiment.

In Abb. 3.1 auf Seite 19 sind am Beispiel der niedermolekularen Substanz 2,5-bis-(2-Propyloxycarbonylphenylsulfanyl) das aufgeprägte quasi-isotherme, periodische Temperaturprogramm, der daraus resultierende periodische Wärmestrom in die Probe, der totale Wärmestrom und die errechnete Amplitude des periodischen Wärmestroms dargestellt. Schon im periodischen Wärmestrom ist die Verringerung der Amplitude während der Kristallisation zu erkennen. Nach Anwendung des Auswertealgorithmus und Bestimmung der dynamischen Wärmekapazität aus Gleichung 3-1 ergibt sich der in Abbildung 4.21 dargestellte Verlauf für die dynamische Wärmekapazität. Die aus dem Experiment bestimmte dynamische Wärmekapazität stimmt während des Kristallisationsprozesses mit dem erwarteten Abfall der Basislinienwärmekapazität durch die Zunahme des Kristallinitätsgrades überein und erreicht nach vollständiger Kristallisation den Wert für kristallines Material.

100 1000 10000

1.6

1.7

1.8

measured cp

cp crystal

cp liquid

t in s

|cP*

| in

J g-1

K-1

expected cpb

Abb. 4.21: Vergleich der erwarteten Basislinienwärmekapazität mit der gemessenen spezifischen dynamischen Wärmekapazität aus Abbildung 3.1.

Dies ist für niedermolekulare Substanzen auch nicht verwunderlich, denn das Molekül wird bei der Kristallisation als Ganzes an den Kristall angelagert. Da es für

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66 Kapitel 4

niedermolekulare Substanzen im Gegensatz zu Polymeren nicht denkbar ist, dass Moleküle teilweise in den Kristall eingebaut werden, ist ein Molekül also entweder in den Kristall eingebaut oder gehört der Schmelze an. Für die hier vorliegenden Unterkühlung von 60 K ist der Kristall der thermodynamische Gleichgewichtszustand. Somit muss eine hohe Energiebarriere überschritten werden, um ein einmal an den Kristall gebundenes Molekül daraus zu lösen. Die kleinen Temperaturerhöhungen von weniger als einem Kelvin während der Temperaturmodulation reichen nicht aus, um Moleküle aus dem Kristall herauszulösen. Es treten auch keine Fluktuationen einzelner Moleküle zwischen den Zuständen auf. Reversible Schmelzprozesse sind bei diesen Unterkühlungen und Temperaturamplituden demnach für niedermole-kulare Substanzen nicht möglich. Die im temperaturmodulierten Experiment für niedermolekulare Substanzen ermittelte dynamische Wärmekapazität gibt die Einschränkung der Freiheitsgrade des Moleküls durch den Übergang von der Flüssigkeit zum Kristall direkt wider. Betrachtet man dagegen während der Kristallisation den zeitlichen Verlauf der dynamischen Wärmekapazität von Polymeren, so findet man oft, entgegen dem erwarteten Abfall, einen Anstieg. Als Beispiel seien hier zunächst wieder Polyethylen und Polyethylenoxid genannt [56, 160, 161]. Bei diesen Polymeren tritt das Oberflächenschmelzen an den Faltenflächen auf. Dieses reversible Oberflächen-schmelzen ist streng mit dem kristallinen α-Prozess, der die gleitende Bewegung von gestreckten Ketten durch den Kristall beschreibt, verbunden [56, 57, 162] und liefert einen beträchtlichen Beitrag zur gemessenen dynamischen Wärmekapazität. Betrachtet man jedoch die Entwicklung der dynamischen Wärmekapazitäten während der quasi-isothermen Kristallisation von PEEK, PET, PCL, PEN, EOM, PP, bei denen kein kristalliner α-Prozess und damit kein Oberflächenschmelzen an den Faltenoberflächen der Kristalllamellen auftritt, findet man ebenfalls eine höhere Wärmekapazität als die erwartete Basislinienwärmekapazität und damit eine Exzesswärmekapazität [124, 127, 163]. Für diese Polymere muss es demnach auch während der Kristallisation andere reversible Prozesse - als das reversible Schmelzen an der Faltenoberfläche - mit anderen Mechanismen geben, deren Folge latente Wärmen und damit Exzesswärmekapazitäten im quasi-isothermen TMDSC Experiment sind. Besonders deutlich wird der Einfluss der Exzesswärmekapazität beim PEEK, wo, wie in Abbildung 4.22 dargestellt, während der Kristallisation bei 606.5 K ein Anstieg der Wärmekapazität zu beobachten ist. Die Abnahme der Basislinienwärmekapazität entspricht der Zunahme des Kristallinitätsgrades auf 0.21 am Ende der Kristallisation.

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Experimentelle Ergebnisse 67

10000 1000001.90

1.95

2.00

2.05

2.10

2.15

2.20

2.25

2.30

2.35

2.40

cpb (χcrystal=0.21)

cp solid

cp liquid

measured cp

cp excess

|cp*|

in J

g-1 K

-1

t in s

expected cpb

Abb. 4.22: Entwicklung der gemessenen spezifischen dynamischen Wärmekapazität bzw. der Basislinienwärmekapazität während der quasi-isothermen Kristallisation von Polyetheretherketon bei 606.5 K. Die Geraden geben die Wärmekapazitäten der flüssigen, kristallinen und teilkristallinen Substanz an. Setaram DSC 141, tp=2400 s, AT=0.5 K.

Betrachtet man nun, wie in Abbildung 4.23 dargestellt, den zeitlichen Verlauf der Exzesswärmekapazität im obigen Experiment, erkennt man 3 charakteristische Kurvenabschnitte. Zunächst findet man bis ca. 8000 s keine Exzesswärmekapazität. Danach steigt die Exzesswärmekapazität an und bleibt nach etwa 40000 s auf einen Wert von ca. 0.28 J/gK konstant. Aus dem Vergleich mit der ebenfalls in Abbildung 4.23 gezeigten Entwicklung des Kristallinitätsgrades während des quasi-isothermen Experiments kann man die Kurvenabschnitte zuordnen. Die zeitabhängige Bestimmung des Kristallinitätsgrades erfolgte aus dem exothermen Peak im totalen Wärmestrom.

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68 Kapitel 4

10000 100000

0.00

0.05

0.10

0.15

0.20

0.25

0.30

cp excess in J g

-1 K-1

χ

t in s

0.00

0.05

0.10

0.15

0.20

Abb. 4.23: Entwicklung des Kristallinitätsgrades bzw. der Exzesswärmekapazität während der quasi-isothermen Kristallisation von Polyetheretherketon.

Zu Beginn der Messung ist die gesamte Probe in der Schmelze (χ = 0), wo keine Exzesswärmekapazität auftritt. Während des zweiten Kurvenabschnitts, in dem die Exzesswärmekapazität stark ansteigt, steigt auch der Kristallinitätsgrad stark an. Dieser Abschnitt repräsentiert die Hauptkristallisation, dem sich ein langsamerer Anstieg des Kristallinitätsgrades ab ca. 40000 s anschließt. Dieser langsamere Anstieg ist die Folge des Endes der Hauptkristallisation und alleiniger Präsenz der Sekundärkristallisation, bei der es zu einer Perfektion der bestehenden kristallinen Strukturen kommt. Während der Sekundärkristallisation bleibt die Exzesswärmeka-pazität konstant. Der reversible Prozess, der dem Auftreten der Exzesswärmeka-pazität zugrunde liegt, setzt also mit Beginn der Kristallisation ein, steigt in seiner Stärke während der Hauptkristallisation mit der Zunahme der Zahl der Kristallite und des Kristallinitätsgrades an und bleibt während der sekundären Kristallisation trotz weiterem Anstieg des Kristallinitätsgrades in seiner Stärke gleich. Die Höhe der ermittelten Exzesswärmekapazität von über 10 % der Basislinienwär-mekapazität am Ende der Kristallisation wird von einem beträchtlichen Anteil reversibler latenter Wärmen während des quasi-isothermen Experiments verursacht, die nur mit einer merklichen Änderung der Morphologie (Kristallinitätsgradsänderung) einhergehen können. Berechnet man aus der Exzesswärmekapazität am Ende der Kristallisation von 0.29 J/gK den reversibel schmelzenden Anteil, ergibt sich für die vorliegende Temperaturamplitude von 0.5 K bei 606.5 K ein Wert von 0.0024, was bei einem Kristallinitätsgrad von 0.21 etwa 1 % des kristallinen Materials entspricht. Eine andere Möglichkeit zur Bestimmung der reversibel schmelzenden Anteile kann, wie im Schmelzbereich, aus dynamisch mechanischen Kristallisationsexperimenten mit dem gleichen quasi-isothermen Temperaturprogramm wie im DSC erfolgen. Das

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Experimentelle Ergebnisse 69

Ergebnis eines dieser quasi-isothermen TMDMA Experimente für PEEK bei 605 K ist in Abbildung 4.24 gezeigt.

0 100000 200000 3000000

1x107

2x107

G' i

n Pa

t in s

0

x104

4x104

6x104

8x104

AG

' in Pa

30000 400008x106

9x106

1x107

1x107

t in s

G' i

n Pa

2604

606

T in K

Abb. 4.24: Entwicklung des Schermoduls bzw. der Amplitude der Schermoduloszilla-tionen während der quasi-isothermen Kristallisation von Polyetheretherketon. Rheometric Scientific ARES, T0=604.5 K, AT=0.5 K, tp=1200 s.

Da die Entwicklung des Schermoduls streng mit der Entwicklung des Kristallini-tätsgrades verbunden ist, findet man einen ähnlichen Verlauf beider (siehe für χ Abbildung 4.23). Zunächst wird in der Schmelze der Wert für flüssiges PEEK gemessen. Während der Kristallisation ab ca. 10000 s steigt der Schermodul stark an. Dieser Anstieg verlangsamt sich mit dem Beginn der Verringerung des Anstiegs des Kristallinitätsgrades nach dem Ende der Hauptkristallisation. Wird dagegen die Amplitude der Schermoduloszillationen betrachtet, findet man nach dem Anstieg während der Hauptkristallisation einen Übergang zu einem konstanten Wert während der Sekundärkristallisation. Dieser konstante Verlauf von AG’, einhergehend mit einem weiteren Anstieg von G’ mit Zunahme des Kristallini-tätsgrades während der Sekundärkristallisation ist ähnlich dem Verlauf der Exzesswärmekapazität. Dies deutet darauf hin, dass hier mit beiden Messmethoden TMDSC und TMDMA der selbe reversible Prozess getestet wird, der einerseits zum Auftreten der Exzesswärmekapazität und andererseits zum ähnlichen Verlauf der Amplitude des Schermoduls führt. Diese Frage ist jedoch nicht abschließend geklärt, da in die Überlegungen hierzu die Temperaturabhängigkeit von G’ bei verschiedenen Kristallinitätsgraden einfließen muss. Die Beziehungen zwischen den Größen sind jedoch sehr komplex und es gibt keine allgemeingültige Theorie. Unter Vernachläs-sigung der Temperaturabhängigkeit von G’ lässt sich aus dem in Abschnitt 3.2.2, Abbildung 3.3 experimentell ermittelten Zusammenhang von G’ und dem Kristallini-tätsgrad von PEEK und aus der Amplitude von G’ nach 100000 s eine reversible Änderung des Kristallinitätsgrades von 0.003 bestimmen. Diese ist etwas höher als der aus der Exzesswärmekapazität bestimmte Wert von 0.0024.

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70 Kapitel 4

Im Gegensatz zu PEEK findet man bei den meisten Polymeren, die kein reversibles Oberflächenschmelzen an den Faltenflächen der Lamelle zeigen, keine Zunahme der dynamischen Wärmekapazität während der Kristallisation über den Wert der Flüssigkeit. Die meist beobachtete Abnahme ist allerdings geringer als die für die Basislinienkapazität erwartete Abnahme der Wärmekapazität. Dies ist am Beispiel von PCL in Abbildung 4.25 gezeigt.

0 100000 200000

1.6

1.7

1.8

1.9

2.0

measured cp

cp solid

cpb (χcrystal= 0.5)

cp liquid

cp excess

|cp*|

in J

g-1 K

-1

t in s

expected cpb

Abb. 4.25: Entwicklung der gemessenen spezifischen dynamischen Wärmekapazität bzw. der Basislinienwärmekapazität während der quasi-isothermen Kristallisation von Polycaprolacton bei 328 K. Die Geraden geben die Wärmekapazitäten der flüssigen, kristallinen und teilkristallinen Substanz an. PerkinElmer Instruments Pyris1 DSC, T0=328 K, AT=0.5 K, tp=1200 s.

Die Differenz zwischen der gemessenen dynamischen Wärmekapazität und der Basislinienwärmekapazität ergibt wieder eine Exzesswärmekapazität (analog zu Abbildung 4.22 für PEEK), deren zeitliche Entwicklung während der Kristallisation zusammen mit der Entwicklung des Kristallinitätsgrades in Abbildung 4.26 dargestellt ist. Da im vorliegenden Beispiel der exotherme Effekt im totalen Wärmestrom mit 0.05 mW während der Kristallisation die gleiche Größenordnung wie die Drift des Messgerätes während der Messzeit von 3 Tagen hat, lässt sich die Entwicklung des Kristallinitätsgrades nicht aus der Integration des totalen Wärmestrom bestimmen, sondern wurde aus dem Phasenwinkel ermittelt [164].

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Experimentelle Ergebnisse 71

10000 100000

0.0

0.1

0.2

0.3

0.4

0.5

cp excess in J g

-1 K-1

t in s

0.00

0.05

0.10

0.15

χ

Abb. 4.26: Entwicklung des Kristallinitätsgrades bzw. der Exzesswärmekapazität während der quasi-isothermen Kristallisation von Polycaprolacton.

Die Kristallisation startet nach einer Keimbildungszeit von ca. 30000s. Sofort mit dem Ausbilden von kristallinen Strukturen gibt es auch eine Exzesswärmekapazität, die während der Hauptkristallisation mit Zunahme der Zahl der Kristallite und des Kristallinitätsgrades stark ansteigt und ab dem Ende der Hauptkristallisation konstant bleibt. Aus der Exzesswärmekapazität am Ende der Kristallisation von 0.17 J/gK lässt sich wiederum die Änderung des Kristallinitätsgrades während der Tempera-turmodulation mit 0.001 angeben, was bei einem Kristallinitätsgrad von 0.5 einer Änderung des kristallinen Anteils von 0.2 % entspricht. Auch für PCL wurde mit Hilfe der TMDMA getestet, ob die Exzesswärmekapazität und die Amplitude der Schermoduloszillationen gleiche Kurvenverläufe haben. Zunächst zeigt sich in Abbildung 4.27 für den Schermodul wiederum der starke Anstieg während der Hauptkristallisation bis ca. 200000 s und ein schwächerer Anstieg bei alleiniger Präsenz der Sekundärkristallisation bis zum Ende der mehr als 6 Tage dauernden Messung.

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72 Kapitel 4

0 200000 400000 600000

0

2x106

4x106

6x106

8x106

1x107

G' i

n Pa

t in s

0

x104

2x104

3x104

4x104

5x104

6x104

AG

' in Pa

150000 175000

6x106

7x106

t in s

G' i

n Pa

1

330

332

T in K

Abb. 4.27: Entwicklung des Schermoduls bzw. der Amplitude der Schermodul-oszillationen während der quasi-isothermen Kristallisation von Polycaprolacton. Rheometric Scientific ARES, T0=331 K, AT=0.5 K, tp=1200 s.

Betrachtet man die Amplitude des Schermoduls, bleibt sie wiederum analog zum PEEK und analog zur Exzesswärmekapazität ab dem Ende der Hauptkristallisation konstant. Wie in Abschnitt 3.2.2, Gleichung 3-7 und Abbildung 3.4 gezeigt wurde, lässt sich für PCL durch die lineare Beziehung von Schermodul und Dickenänderung der Probe während der Kristallisation die reversible Änderung des kristallinen Anteils in einer Modulationsperiode bestimmen. Am Ende der Kristallisation wurde die Änderung des kristallinen Anteils mit 0.5 % bestimmt, was etwa doppelt so hoch ist, wie der aus der TMDSC ermittelte Anteil. Ein Grund hierfür könnte sein, dass die gesamte Amplitude des Schermoduls als Folge des reversiblen Prozesses betrachtet wurde und dabei vernachlässigt wird, dass AG’ auch einen Anteil allein aufgrund der Temperaturabhängigkeit des Schermoduls hat. Bei quasi-isothermen Experimenten während der Kristallisation hat man die Frequenz der Temperaturmodulation als zusätzlichen Parameter. Durch die Betrachtung der Änderung der dynamischen Wärmekapazität bzw. der Exzesswär-mekapazität in Abhängigkeit von der Frequenz können Aussagen zur Dynamik des reversiblen Schmelzens gemacht werden. In Abbildung 4.28 ist die Entwicklung der dynamischen Wärmekapazität während der quasi-isothermen Kristallisation von PCL bei Frequenzen von 1 Hz bis 8.3*10-4 Hz dargestellt. Wie bei der frequenzab-hängigen Betrachtung der dynamischen Wärmekapazität bzw. Exzesswärmekapa-zität im Schmelzbereich, findet man auch während der Kristallisation eine Abnahme der Exzesswärmekapazität mit höheren Frequenzen. Die dynamische Wärmekapa-zität für die in Abbildung 4.28 dargestellte höchste Frequenz von 1 Hz wurde mit einem AC-Kalorimeter bestimmt [72, 153, 165].

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Experimentelle Ergebnisse 73

1000 2000 3000 4000 50001.70

1.75

1.80

1.85

1.90

1.95

2.00

cp excess

cpb (χcrystal = 0.5)

cp liquid

Frequency 8.3*10-4Hz 1.6*10-3Hz 6.2*10-3Hz 2.5*10-2Hz 5.0*10-2Hz 1.0 Hz AC

|cp*|

in J

g-1 K

-1

t in min

cpb (χcrystal(T))

Abb. 4.28: Entwicklung der gemessenen spezifischen dynamischen Wärmekapazität bzw. der Basislinienwärmekapazität bei der quasi-isothermen Kristallisation von Polycaprolacton bei verschiedenen Temperaturmodulationsfrequenzen. Die Geraden geben die Wärmekapazitäten der flüssigen und teilkristallinen Substanz an. PerkinElmer Instruments Pyris1 DSC, T0 = 328 K, tp = 20 s…..1200 s, AT = 0.5 K; AC-Calorimeter, T0 = 327.5 K, tp = 1 s, AT = 0.02 K.

Eine detaillierte Diskussion dieser frequenzabhängigen Experimente erfolgt in Abschnitt 5.1. Wie in Abbildung 4.28 gezeigt, ist es für PCL bei einer Kristallisationstemperatur von 328 K mit einer Modulationsfrequenz von 1 Hz noch nicht möglich, die Basislinien-wärmekapazität direkt zu messen. Jedoch sollte eine noch höhere Frequenz dies erlauben. Andere Polymere zeigen andere Dynamiken. Es ist zu erwarten, dass für bestimmte Polymere sogar im Frequenzbereich von TMDSC Messungen die Möglichkeit besteht, die Entwicklung der Basislinienwärmekapazität während der Kristallisation experimentell zu verfolgen. So misst man z.B. nach der quasi-isothermen Kristallisation von Polycarbonat für die Wärmekapazität exakt den aus einem „3-Phasen-Modell“ (siehe Gleichung 2-8 in 2.3) berechneten Wert der Basislinienwärmekapazität. Die während der Kristallisation gemessene dynamische Wärmekapazität ist in Abbildung 4.29 zusammen mit den Wärmekapazitäten der Flüssigkeit und des Kristalls sowie der Basislinienwärmekapazitäten am Ende der Kristallisation aus dem „2-Phasen Modell“ bzw. „3-Phasen Modell“ dargestellt.

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74 Kapitel 4

10000 100000 10000001.80

1.85

1.90

1.95

2.00

atp 30s - 12 ks

d - cpb (χcrystal= 0.22)

b - cp solid

c - cp liquid

|cp*|

in J

g-1 K

-1

t in s

e - cpb (χsolid(Tg) = 0.49)

Abb.4.29: Entwicklung der gemessenen spezifischen dynamischen Wärmekapazität während der quasi-isothermen Kristallisation von Polycarbonat (Kurve a). Die Quadrate zeigen frequenzabhängige Messungen der dynamischen Wärmekapazität im Anschluss an die Kristallisation. Die Geraden geben die Wärmekapazitäten der flüssigen und kristallinen Substanz bzw. die aus einem „2- bzw. 3-Phasen Modell“ berechneten Basislinienwärmekapazitäten am Ende der Kristallisation an. TA Instruments DSC 2920CE, T0 = 456.8 K, tp = 100 s, AT = 0.5 K; Frequenzabhängig-keit: PerkinElmer Instruments DSC Pyris1 tp = 30 s....1000 s, Setaram DSC 121 tp = 600 s....12000 s.

Dieses quasi-isotherme Experiment erfolgte bei einer mittleren Temperatur von 456.8 K, was etwa dem Maximum der Kristallisationsgeschwindigkeit entspricht. Trotzdem dauerte die Kristallisation etwa 10 Tage, was die langsame Kristallisations-kinetik von Polycarbonat verdeutlicht. Zunächst wurde angenommen, dass dies auch der Grund für das Nichtauftreten einer Exzesswärmekapazität ist, da das An- bzw. Ablagern einzelner Molekülbestandteile länger dauert als eine Modulationsperiode von 100 s [166]. Doch auch bei längeren Modulationsperioden von bis zu 12000 s wurde nach der Kristallisation keine Exzesswärmekapazität beobachtet (Quadrate in Abb. 4.29). Dass die langsame Kristallisationskinetik nicht das Kriterium für das nicht Beobachten einer Exzesswärmekapazität ist, zeigt sich am Beispiel von Poly-hydroxybuttersäure (PHB). Dieses sehr schnell und zu hohen Kristallinitätsgraden (bis zu 0.8) kristallisierende Polymer [133] zeigt am Ende der Kristallisation, wie in Abbildung 4.30 dargestellt, ebenfalls keine Exzesswärmekapazität. Die gemessene dynamische Wärmekapazität stimmt wiederum mit der berechneten Basislinien-wärmekapazität aus einem „3-Phasen-Modell“ überein.

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Experimentelle Ergebnisse 75

1000 10000 100000

t in s

-40

-20

0f - HFtotal

HF

in µ

W1.2

1.3

1.4

1.5

1.6

1.7

tp 240s - 1.2ks

ad - cpb(χcrystal= 0.64)

c - cp liquid

b - cp solid

|cp*|

in J

g-1 K

-1

e - cpb(χsolid(Tg) = 0.88)

Abb. 4.30: Entwicklung der gemessenen spezifischen dynamischen Wärmekapazität während der quasi-isothermen Kristallisation von Polyhydroxybuttersäure. Die Geraden geben die Wärmekapazitäten der flüssigen und kristallinen Substanz bzw. die aus einem „2- und 3-Phasen Modell“ berechneten Basislinienwärmekapazitäten am Ende der Kristallisation an. PerkinElmer Instruments Pyris1 DSC, T0 = 296 K, AT = 0.4 K, tp = 100 s; Frequenzabhängigkeit bei tp = 240 s....1200 s.

Auch für PHB findet man bei längeren Periodendauern nach der Kristallisation keine Exzesswärmekapazität (Quadrate in Abb. 4.30). Dieser Fakt des Nichtauftretens von Exzesswärmekapazitäten während der Kristallisation von PC und PHB im TMDSC Messbereich und der somit direkten Messung der Basislinienwärmekapazität ermöglicht eine detaillierte Betrachtung der die Basislinienwärmekapazität mitbe-stimmenden Prozesse. Einer davon ist die Mobilisierung und Immobilisierung der starr amorphen Anteile. Überlegungen und Schlussfolgerungen hierzu sind im Abschnitt 5.2 dargestellt.

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KAPITEL 5: DISKUSSION

In diesem Kapitel wird basierend auf den experimentellen Ergebnissen die Diskussion zu zwei Hauptresultaten der vorliegenden Arbeit geführt. In Abschnitt 5.1 erfolgt die Erörterung der Frage nach der Natur des reversiblen Schmelzens. Hierbei wird besonderer Augenmerk auf die experimentell gefundene Frequenzabhängigkeit der Exzesswärmekapazität gelegt. Basierend auf diesen Ergebnissen in Kombination mit denen der Dynamisch Mechanischen Analyse im selben Frequenz- und Temperaturbereich wird als Mechanismus des reversiblen Schmelzens ein fluktuativer Prozess von Kettensegmenten an der Wachstumsgrenz-fläche zwischen Kristall und Flüssigkeit vorgeschlagen. Daran anschließend erfolgt in Abschnitt 5.2 für zwei Polymere, bei denen unter bestimmten Messbedingungen die direkte Messung der Basislinienwärmekapazität möglich ist, die Diskussion des Immobilisierens der starr amorphen Bereiche als Konsequenz des isothermen Kristallisationsprozesses. Die Mobilisierung dieser Bereiche wird während des Schmelzens mit dem Auftreten des niedrigsten endothermen Peaks verbunden.

5.1. REVERSIBLES SCHMELZEN ALS RELAXATIONSPROZESS

Temperaturmodulierte Experimente zeigen für Polymere in einem weiten Bereich zwischen Glasübergangs- und Schmelztemperatur das Auftreten einer Exzesswär-mekapazität. Diese Exzesswärmekapazität kann nur durch eine reversible latente Wärme erklärt werden. Die reversible latente Wärme ist Konsequenz eines reversiblen Prozesses, der auch nach langer Wartezeit, wenn sich das Polymer in einem quasi-stationären Zustand befindet, auftritt. Es ergibt sich die Frage nach den molekularen Prozessen, die für das reversible Schmelzen verantwortlich sind. Für Polymere, bei denen es einen kristallinen α-Prozess gibt, wurde am Beispiel von Polyethylen und Polyethylenoxid gezeigt, dass der reversible Prozess ein Oberflä-chenschmelzen an den Faltengrenzflächen zwischen Kristalllamelle und amorphen Bereichen ist [56-59]. Dabei wird davon ausgegangen, dass es sich beim reversiblen Oberflächenschmelzen um einen kooperativen Prozess von amorphen und kristallinen Bereichen handelt. Die notwendige Beweglichkeit der Ketten in den kristallinen Bereichen wird durch den kristallinen α-Prozess realisiert. Dieser bestimmt demnach auch die Dynamik des Oberflächenschmelzens [57]. Für Polymere, die wegen fehlender Kettenbeweglichkeit im Kristall (α-Prozess) dieses Oberflächenschmelzen nicht zeigen, stellt sich zunächst die Frage, wo der

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78 Kapitel 5

reversible Prozess stattfindet. Es scheint aufgrund der in TMDSC Experimenten gefundenen latenten Wärmen klar, dass der reversible Prozess mit der Zu- bzw. Abnahme des Kristallinitätsgrades verbunden ist. Dieser Prozess hat die gemessene Exzesswärmekapazität zur Folge. Daraus lassen sich die Änderungen der kristallinen Bereiche bei einer Temperaturmodulationsamplitude von 0.5 K z.B. für PCL bei 328 K mit 0.2 % und für PEEK bei 606.5 K mit 1 % angeben. Die unterschiedlichen zeitlichen Entwicklungen der Exzesswärmekapazität und des Kristallinitätsgrades während der quasi-isothermen Kristallisation in den Abbildungen 4.23 und 4.26 zeigen, dass dieser Prozess nicht allein mit der Zunahme des kristallinen Anteils zu erklären ist. Vielmehr deutet die konstante Exzesswärmekapazität während der Nachkristallisation auf einen Prozess an den Oberflächen der Kristalle hin. Diese Oberflächen werden während der Hauptkristallisation mit der Entstehung der Kristalle gebildet. Hier steigt auch die Exzesswärmekapazität mit dem Anstieg des Kristallini-tätsgrades an. Während der Nachkristallisation entstehen trotz Zunahme des Kristallinitätsgrades nur wenige neue Oberflächen. Es kommt zu einer Perfektionie-rung bereits vorhandener kristalliner Strukturen. Die Exzesswärmekapazität bleibt, wie erwartet, konstant. Geht man vom Lamellenstapelmodell [10-12, 45] für teilkristalline Polymere aus, existieren zwei ausgezeichnete Oberflächen der Kristalle. Dies sind die Falten- bzw. die Wachstumsflächen der Kristalllamellen. Es sind jeweils die Grenzflächen zwischen kristallinen und amorphen Bereichen im Polymer. Die Frage, ob das reversible Schmelzen an den Falten- oder den Wachstumsflächen stattfindet, ist nicht endgültig geklärt. Auch simultane Prozesse an beiden Grenz-flächen sind denkbar. Aufschluss hierüber können Untersuchungen der Exzesswär-mekapazität in Abhängigkeit von der Kristallitgröße geben. Diese kann durch unterschiedliche Kristallisationsbedingungen eingestellt werden. Erste Ergebnisse solcher Untersuchungen sind von Androsch [167] vorgestellt worden. Die beobach-teten Unterschiede aufgrund verschiedener Morphologien in der durch das reversible Schmelzen hervorgerufenen Exzesswärmekapazität lassen sich durch einen Prozess an der Wachstumsfront, aber nur schwer mit einem Prozess an der Faltenfläche erklären. Im Folgenden wird daher das reversible Schmelzen als Prozess an den Wachstums-flächen einzelner Kristallite diskutiert. Es werden dabei auch innere Grenzflächen (Blöckchenstruktur) der Lammellen einbezogen. Außerdem ist es notwendig nicht nur Eigenschaften der Kristalllamellen, wie die Lamellendicke und sich daraus ergeben-den Stabilitätsbedingungen, sondern auch die Prozesse in der Schmelze, wie mögliche Vorordnungen [23] bzw. molekulare Keimbildungsprozesse [1] und Verschlaufungen zu berücksichtigen. In Abbildung 5.1 sind zwei Kristalllamellen mit ihren Wachstumsfronten und der sie umgebenden Schmelze skizziert. Diese Situation kann nach unendlich langer isothermer Kristallisation angenommen werden. Bei der Betrachtung werden damit

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Diskussion 79

zunächst keine primären und sekundären Kristallisationsprozesse und auch keine Alterungseffekte berücksichtigt. Für das Ende des Lamellenwachstums an einer bestimmten Stelle gibt es verschiedene Erklärungen. Im Gegensatz zu niedermole-kularen Substanzen, wo während der Kristallisation das gesamte Molekül in den Kristall eingebaut wird, sind es bei Polymeren aufgrund der Kettenstruktur immer nur Segmente der Kette. Die Beweglichkeit des sich gerade an der Wachstumsfront befindlichen Kettensegments wird dabei stark von anderen Kettensegmenten der selben Kette und benachbarter Ketten beeinflusst. Somit ist es aufgrund geometri-scher Restriktionen möglich, dass das Kettensegment nicht passgerecht in den Kristall eingebaut werden kann und das Lamellenwachstum zum Erliegen kommt. Eine mögliche Hinderung der Beweglichkeit ist, dass das Molekül mit anderen Kettensegmenten bereits Teil eines anderen Kristalls ist. Diese Situation ist in Abbildung 5.1 für das Molekülsegment a gezeigt.

Abb. 5.1: Skizze von Polymermolekülen an Wachstumsflächen von Polymerkristallen [168].

Eine weitere Möglichkeit besteht darin, dass das Molekül bereits Teil des selben Kristalls ist, eine reguläre Rückfaltung jedoch nicht möglich ist. Weiterhin kann das Molekül in der Schmelze so verankert sein, dass es nicht gelingt diese Verhakungen und Verschlaufungen zu lösen. Dies ist in Abbildung 5.1 für das Molekülsegment b angedeutet. Alle Fälle, die zu einem Stoppen des Lamellenwachstums führen, haben zwei Gesichtspunkte gemeinsam: 1. der aufgrund der Temperatur (hohe Unterküh-lung) gegebene thermodynamisch günstigere Zustand für das Polymer ist der Kristall und 2. dieser Zustand kann aufgrund der großen Kettenlänge und daraus resultie-render Restriktionen nicht realisiert werden. Die sich gerade an der Wachstumsfläche befindlichen Molekülsegmente sind dann in einem lokalen Gleichgewicht zwischen

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80 Kapitel 5

dem thermodynamisch günstigeren kristallinen und dem flüssigen Zustand, der durch die geometrischen Restriktionen erzwungen wird. Aus klassischer Sicht lässt sich nun argumentieren, dass dieses lokale Gleichgewicht mit Temperaturerhöhung und Temperaturerniedrigung in Richtung Schmelze oder Kristall verschoben wird. Im temperaturmodulierten Experiment würden demnach während des Heizens einige Segmente vom Kristall gelöst und während des Kühlens würden sich diese wieder anlagern. Im Ergebnis erhält man reversible latente Wärmen, die den gemessenen Wärmestrom beeinflussen und eine Exzesswärme-kapazität hervorrufen. Für Ketten, die bereits an anderer Stelle in einem Kristall eingebaut sind, ließe sich dies mit der Theorie der molekularen Keimbildung [1] vereinbaren, deren Grundaus-sage ist, dass jedes Molekül vor der möglichen Anlagerung an den Kristall einen Keimbildungsprozess durchlaufen muss. Diese molekulare Keimbildung ist aufgrund der Zugehörigkeit des selben Moleküls zum Kristall bereits gegeben. Auch im Bild des Vorordnens der Schmelze und der Ausbildung granularer Strukturen, die dann zur Kristalllamelle zusammenwachsen [23], ließe sich ein solches lokales Gleichgewicht an Grenzflächen der Blöcke erklären, da hier in den Frühstadien der Kristallisation von einem Gleichgewicht der Schmelze und den entstandenen Kristallen ausgegangen wird [23]. Einige der Kristalle verbleiben auch nach langer Alterungszeit in ihren granularen Strukturen und bilden keine zusam-menhängenden Lamellen aus. Eine kleine Temperaturerhöhung bzw. -erniedrigung während der Temperaturmodulation könnte die Struktur dieser Kristalle reversibel ändern. Betrachtet man nun die Situation während der isothermen Kristallisation an einer Wachstumsfront. Auch hier ist durch die Temperatur die treibende Kraft gegeben, den thermodynamisch günstigeren kristallinen Zustand einzustellen. Dem entgegen stehen wiederum die geometrischen Restriktionen durch bereits kristallisierte Kettensegmente und Verschlaufungen oder Verhakungen in der Schmelze. Während der Kristallisation ist die treibende Kraft, gegeben durch die Unterkühlung, größer als die geometrischen Restriktionen und die Kristalllamelle wächst. Im quasi-isothermen Experiment wurden Kristallisationstemperatur und Modulationsperiodendauer jedoch so gewählt, dass auch während der Kristallisation die Antwort des Systems quasi-stationär bleibt. Der Gesamtkristallinitätsgrad darf sich während einer Modulations-periode also nur unwesentlich ändern. Dann ist, im Zeitintervall einer Modulations-periode, die lokale Gleichgewichtssituation an der Wachstumsfläche analog zu der oben diskutierten. Auch hier kann es innerhalb einer Modulationsamplitude während des Heizens zu reversiblen Übergängen einzelner Kettensegmente in die Schmelze und während des Kühlens in den Kristall kommen. Die Ab- bzw. Zunahme des Schermoduls während einer Modulationsperiode (siehe Einschub in Abb. 4.24 bzw. 4.27) unterstützt diese Vorstellungen.

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Diskussion 81

In Abbildung 5.2 ist die gemessene Wärmekapazität im Schmelzbereich von PCL als Funktion der Amplitude der Temperaturmodulation dargestellt.

1E-3 0.01 0.1 1 101.8

1.9

2.0

2.1

2.2

2.3

2.4

cp eccess

cpb

cp liquid

|cp*|

in J

g-1 K

-1

AT in K

Abb. 5.2: Spezifische dynamische Wärmekapazität von PCL als Funktion der Amplitude der Temperaturmodulation [149]. Setaram DSC 121, tp = 1200 s, T0 = 334 K.

Die dynamische Wärmekapazität und damit auch, wie durch die Pfeile angedeutet, die Exzesswärmekapazität ist im Temperaturamplitudenbereich von 5 mK bis 2 K weitestgehend konstant. Dies bedeutet, dass die Antwort des reversiblen Schmel-zens in diesem weiten Amplitudenbereich von fast 3 Dekaden linear ist. Im Modell des oben beschriebenen An- und Ablagerns von Kettensegmenten als Folge der Temperaturänderung nimmt demnach die Anzahl der sich ablösenden und anlagernden Kettensegmente mit der Heizratenamplitude linear zu. Betrachtet man die dynamische Wärmekapazität in Abb. 5.2 bei großen Temperatur-amplituden, erkennt man das Verschwinden von cp excess ab einer Temperaturampli-tude von ca. 3 K. Der Grund hierfür ist, dass mit der höchsten Temperatur im Modulationszyklus bereits während der ersten Heizphase des quasi-isothermen Experiments die Schmelztemperatur überschritten wird. Damit ist die gesamte Probe geschmolzen und eine Rekristallisation während der Kühlphase findet nicht statt. Folglich gibt es kein reversibles Schmelzen mehr und die Exzesswärmekapazität verschwindet. Die gemessene dynamische Wärmekapazität entspricht nunmehr der Wärmekapazität der Flüssigkeit. Dies zeigt, dass die Kristallisation ohne nennens-werte Unterkühlung nur möglich ist, wenn genügend Keime im Sinne der molekula-ren Keimbildung vorhanden sind. Das Auftreten einer Exzesswärmekapazität bei Temperaturamplituden von nur 5 mK zeigt, dass der Prozess des reversiblen Schmelzens wahrscheinlich ohne oder mit

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82 Kapitel 5

sehr kleiner Unterkühlung abläuft. Dies lässt sich nur unter der Annahme lokaler Gleichgewichte zwischen Kristall und Schmelze erklären. Neben der Linearität des reversiblen Schmelzens und dem Fehlen einer Unterküh-lung ist die in Kapitel 4 gezeigte Frequenzabhängigkeit eine weitere Eigenschaft des reversiblen Schmelzens. Für die in Abbildung 4.28 gezeigte quasi-isotherme Kristallisation von PCL bei verschiedenen Temperaturmodulationsfrequenzen lässt sich durch einen isochronen Schnitt bei 2000 min (senkrechte Linie in Abb. 4.28) der in Abbildung 5.3 dargestellte frequenzabhängige Verlauf der Exzesswärmekapazität für die Temperatur von 328 K angeben. Die Quadrate in Abb. 5.3 entsprechen den Exzesswärmekapazitäten der Schnittpunkte der Linie nach 2000 s mit den Wärme-kapazitätskurven bei der entsprechenden Frequenz in Abb. 4.28. Die durchgezogene Linie soll trotz des begrenzten Frequenzbereiches den angenommenen stufenförmi-gen Verlauf der Exzesswärmekapazität in Abhängigkeit von der Frequenz verdeut-lichen. Für den mit dem reversiblen Schmelzen verbundenen molekularen Prozess ergibt sich in diesem Beispiel eine charakteristische Zeit von einigen Sekunden. Diese entspricht der häufigsten Relaxationszeit der Relaxationszeitenverteilung und kann über die Beziehung ωτ = 1 aus der Frequenz der halben Stufenhöhe in Abb. 5.3 abgeschätzt werden. Interessant ist die Beobachtung eines Verlustpeaks in isothermen scherspektroskopischen Untersuchungen (DMA) bei 328 K (siehe Abb. 4.17), der die gleiche charakteristische Zeit ergibt.

1E-5 1E-4 1E-3 0.01 0.1 1 10 100

0.00

0.05

0.10

0.15

0.20

c p ex

cess

in J

g-1K-1

f in Hz

Abb. 5.3: Exzesswärmekapazität von PCL nach 2000 min Kristallisationszeit bei 328 K als Funktion der Temperaturmodulationsfrequenz (siehe Abb. 4.28).

Die beobachtete Frequenzabhängigkeit der Exzesswärmekapazität kann nicht mit einfachen Annahmen zur Schmelzkinetik erklärt werden. Ein solcher stufenförmiger Verlauf im Realteil einer Nachgiebigkeit ist typisch für Relaxationsprozesse. Auch die neben der Frequenzabhängigkeit gefunden anderen Eigenschaften des reversiblen

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Diskussion 83

Schmelzens, wie Linearität und Ablaufen des Prozesses ohne Unterkühlung bzw. die Kopplung an einen isothermen mechanisch aktiven Prozess sind Eigenschaften, die Relaxationsprozessen zugeschrieben werden können. Wie von Donth [169, 170] für den Glasübergang gezeigt wurde, lassen sich solche Relaxationsprozesse durch Fluktuationen um ein lokales Gleichgewicht beschreiben. Ausgangspunkt dieser Betrachtung sind thermische Fluktuationen in kleinen Subsystemen, die noch eine Beschreibung mittels der Thermodynamik zulassen. Die Fluktuationen beschreiben dann die spontan ablaufenden Zufallsbewegungen der Teilchen aufgrund chaotischer Wärmebewegung. Solche Fluktuationen sind z.B. die des Volumens, der Dichte oder der Temperatur. Die Verbindung zwischen internen Bewegungsmechanismen (Fluktuationen) und der Antwort der Probe auf eine äußere Störung stellt das Fluktuations-Dissipationstheorem [171, 172] her. Im dynamischen Experiment werden die Fluktuationen in Abhängigkeit von der Messfrequenz über die Reaktion abgefragt. Dabei fragt jede äußere Störung eine spezifische Fluktuation ab, d.h. die Temperaturstörung fragt Entropiefluktuationen ab, während eine mechani-sche Spannung die Scherwinkelfluktuationen detektiert. Sind die Frequenzen der äußeren Störung klein gegenüber denen der Fluktuationen wird in der entsprechen-den Messung über alle Fluktuationen gemittelt. Sind die Frequenzen der äußeren Störung jedoch größer als die der Fluktuationen, werden die Fluktuationen nicht im Messsignal erfasst. Dies hat für die Nachgiebigkeiten die charakteristische Stufe zur Folge. Für den Glasübergang wird die Wärmekapazität als Entropienachgiebigkeit angesehen [169, 170]. Mit der Messung der Wärmekapazität erhält man damit Zugang zu den Entropiefluktuationen. Für die Wärmekapazität kann folgende Relation angegeben werden:

kSC p

2∆= (5-1)

wobei 2S∆ die mittlere Entropiefluktuation und k die Boltzmannkonstante ist. Ein zentrales Ergebnis des Donth’schen Fluktuationszugangs zum Glasübergang ist die Abschätzung des Volumens eines kooperativen Umlagerungsbereiches (CRR) [169, 170] nach Adam-Gibbs [173] mit:

( )

∆=

v

ga cT

kTV 1

2

2

αρδ (5-2)

wobei δT die mittlere Temperaturfluktuation, Tg die Glasübergangstemperatur, k die

Boltzmannkonstante, ρ die Dichte und

vc1

α die Stufenhöhe der reziproken

Wärmekapazität bei konstantem Volumen ist. Betrachtet man das reversible Schmelzen analog zum Glasübergang als fluktuativen Prozess, stellt sich zunächst die Frage nach dem molekularen Prozess. Dieser kann, unter Annahme des in Abbildung 5.1 dargestellten lokalen Gleichgewichts zwischen

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84 Kapitel 5

Kristall und Flüssigkeit, als Zufallsbewegung der betrachteten Segmente zwischen Kristall und Schmelze angesehen werden. Ein Kettensegment ist also manchmal Teil der Schmelze und manchmal Teil des Kristalls, auch unabhängig von äußeren Temperaturänderungen durch die Temperaturmodulation. Solche An- und Ablage-rungsfluktuationen ergeben große Entropiefluktuationen und damit bei entsprechen-den Frequenzen einen Beitrag zur gemessenen Wärmekapazität. Für PCL bei 328 K liegen die Frequenzen dieser Fluktuationen im Bereich der Frequenzen der wärmekapazitätsspektroskopischen Messungen, so dass die Stufe im frequenz-abhängigen Verlauf der Exzesswärmekapazität beobachtet wird (Abb. 5.3). Will man die oben angegebene Formel zur Berechnung des Volumens eines kooperativen Umlagerungsbereiches auf den Fall der Fluktuationen von Ketten-segmenten an der Wachstumsfläche anwenden, benötigt man neben der Dichte ρ auch den Wert für die charakteristische Temperatur Trm 3 (entsprechend Tg am Glasübergang), die mittlere Temperaturfluktuation δT und die Stufenhöhe der

reziproken Wärmekapazität bei konstantem Volumen

vrs c

1 .

Die Bestimmung dieser Größen kann, wie beim Glasübergang, aus der Temperatur-abhängigkeit der Exzesswärmekapazität erfolgen. Die direkte Messung der Temperaturabhängigkeit ist im Schmelzbereich von Polymeren im Gegensatz zum Glasübergang nicht möglich, da irreversible Prozesse den Kurvenverlauf mitbestim-men. Allerdings lässt sich unter Kenntnis des Temperatur-Zeit (Frequenz)-Superpo-sitionsgesetzes für das reversible Schmelzen die frequenzdispersive Darstellung in eine temperaturdispersive überführen. Setzt man nun voraus, dass der experimentell im selben Frequenz- und Temperaturbereich gefundene mechanische Relaxations-prozess (siehe Abschnitt 4.2, Abbildungen 4.17 bis 4.19) den gleichen molekularen Prozessen zuzuordnen ist, lässt sich das dort gefundene Tempe-ratur-Zeit (Frequenz)-Gesetz auf die Wärmekapazität übertragen. Aus der Stufe in Abbildung 5.3 erhält man dann über den im Aktivierungsdiagramm (Abb. 4.19) gefundenen Zusammenhang zwischen Frequenz und Temperatur den in Abbildung 5.4 dargestellten stufenförmigen Verlauf der Exzesswärmekapazität in Abhängigkeit von der Temperatur bei konstanter Frequenz von 0.05 Hz.

3 Der Index rm steht hier für das reversible Schmelzen (reversible melting).

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Diskussion 85

240 260 280 300 320 340 360 380 400

0.00

0.05

0.10

0.15

0.20 f0=0.05Hz

c p ex

cess

in J

g-1K-1

T in K

Abb. 5.4: Exzesswärmekapazität als Funktion der Temperatur erhalten aus der Frequenzabhängigkeit der Exzesswärmekapazität in Abb. 5.3 und dem Temperatur-Zeit-Gesetz aus der DMA für das reversible Schmelzen in Abb. 4.19.

Die für die Berechnung der Größe der kooperativen Umlagerungsbereiche notwendige charakteristische Temperatur lässt sich aus der halben Stufenhöhe der Exzesswärmekapazität in Abb. 4.5 mit T = 328 K ermitteln. Die mittlere Temperatur-fluktuation entspricht etwa der halben Stufenbreite, hier δT = 35 K. Die Stufenhöhe

der reziproken Wärmekapazität bei konstantem Volumen

vrs c

1 lässt sich aus der

Stufenhöhe der Wärmekapazität bei konstantem Druck ∆cp und der Wärmekapazität bei der charakteristischen Temperatur cp näherungsweise aus:

2

1

p

p

v cc

c∆

∆ (5-3)

bestimmen. Im vorliegenden Fall wurde

vrs c

1∆ mit 0.055 gK/J aus ∆cp = 0.19 J/gK

und cp = 1.86 J/gK bestimmt. Setzt man die Dichte von PCL als 1.146 g/cm3 [174] erhält man für das Volumen des Umlagerungsbereiches Vrm ≈ 5.8*10-29 m3. Eine charakteristische Länge kann näherungsweise aus der Kubikwurzel des Volumens mit ζrm = 0.4 nm bestimmt werden. Dies ist etwas kleiner als die Kuhn’sche statistische Segmentlänge, die für Polymere im Bereich von 1 nm bis 2 nm liegt. Es handelt sich also um einen sehr lokalen Prozess.

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86 Kapitel 5

5.2. IMMOBILISIERUNG UND MOBILISIERUNG DER STARR AMORPHEN BEREICHE IN POLYCARBONAT UND POLYHYDROXYBUTTERSÄURE

In diesem Abschnitt steht die Diskussion der Basislinienwärmekapazität im Vordergrund. Dazu ist es notwendig diese experimentell zu bestimmen. Wie im Kapitel 4 an vielen Beispielen gezeigt wurde, ist eine direkte experimentelle Bestimmung der Basislinienwärmekapazität nur selten möglich. Frequenzabhängige Untersuchungen bei hohen Messfrequenzen könnten eine Lösung für dieses Problem sein. Beim Betrachten der Abbildung 5.3 wird klar, dass dafür unter den gegebenen Bedingungen für PCL eine Frequenz von mindestens 10 Hz nötig ist. Noch höhere Frequenzen, von über 100 Hz, sind für ein Ethylen-Octen-Copolymer notwendig (siehe Abb. 4.16). Die exakte Bestimmung der Wärmekapazität in diesem Frequenzbereich ist aufgrund des Einflusses der Wärmeleitfähigkeit bisher weder mit TMDSC-Experimenten noch mit anderen wärmekapazitätsspektroskopischen Methoden möglich. Allerdings gibt es Polymere, bei denen die Dynamik des reversiblen Schmelzens bedeutend langsamer ist. Für diese Polymere ist die in Abbildung 5.3 gezeigte Kurve für die Exzesswärmekapazität während der Kristallisa-tion deutlich zu tieferen Frequenzen verschoben. Im Bereich des TMDSC Mess-fensters ist es dann möglich, Basislinienwärmekapazitäten direkt zu messen. Beispiele hierfür sind die Kristallisationen von Polycarbonat (Abb. 4.29 und 5.5) und von Polyhydroxybuttersäure (Abb. 4.30) bei der Frequenz von 0.01 Hz. Dass wirklich Basislinienwärmekapazitäten gemessen werden, zeigt die Unab-hängigkeit der gemessenen dynamischen Wärmekapazität von der Temperatur-modulationsfrequenz am Ende der Kristallisation (Quadrate in Abb. 4.29 bzw. 5.5 und 4.30). Warum bei diesen Polymeren keine Exzesswärmekapazität im TMDSC-Messbereich auftritt, ist nicht bekannt. Auch zeigen sie keinerlei Gemeinsamkeiten bezüglich der Kristallisationskinetik. Im Gegensatz zu Polycarbonat, das nur sehr langsam kristallisiert und damit auch die Dynamik des reversiblen Schmelzens als langsam angenommen werden kann, ist PHB ein sehr schnell kristallisierendes Material. Auch die am Ende der Kristallisation erhaltenen Kristallinitätsgrade sind deutlich verschieden. Während Polycarbonat nur bis zu 25 % kristallisiert [24, 135], können bei PHB Kristallinitätsgrade von bis zu 80 % erreicht werden [133].

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Diskussion 87

10000 100000 10000001.80

1.85

1.90

1.95

2.00

atp 30s - 12 ks

d - cpb (χcrystal= 0.22)

b - cp solid

c - cp liquid

|cp*|

in J

g-1 K

-1

t in s

e - cpb (χsolid(Tg) = 0.49)

Abb. 5.5: Entwicklung der spezifischen dynamischen Wärmekapazität während der quasi-isothermen Kristallisation von Polycarbonat (Wiederholung der Abb. 4.29)

Die direkte experimentelle Ermittlung der Basislinienwärmekapazität ermöglicht den Vergleich mit erwarteten Werten verschiedener Modelle. Dieser Vergleich zeigt am Ende der Kristallisation, dass die gemessene dynamische Wärmekapazität (Kurve a) deutlich unter der aus dem „2-Phasen-Modell“ (Gleichung 2-2) ermittelten Wärmeka-pazität (Kurve d) liegt. Berücksichtigt man, wie im „3-Phasen Modell“ (Gleichung 2-8), die Unterteilung der amorphen Bereiche in beweglich und starr, stimmen die erwartete Wärmekapazität (Kurve e) und gemessene Basislinienwärmekapazität überein. Die Ermittlung des festen Anteils erfolgte hier nach Gleichung 2-5 in dem dem Kristallisationsexperiment folgenden Kühlexperiment am Glasübergang. Die gute Übereinstimmung der gemessenen mit der so berechneten Wärmekapazität zeigt, dass die am Glasübergang gefundenen starr amorphen Bereiche schon nach der Kristallisation bei der Kristallisationstemperatur vorlagen. Offensichtlich erfolgt die Immobilisierung dieser Bereiche für PC und PHB, während der Kristallisation und nicht während des Kühlens von der Kristallisations- zur Glasübergangstemperatur. Für PC und PHB gibt es demnach keinen breiten Glasübergang der starr amorphen Bereiche zwischen Kristallisationstemperatur und Glasübergang. Die Entstehung der starr amorphen Bereiche ist also für diese Polymere Folge von Morphologieände-rungen während der Kristallisation und nicht, wie manchmal angenommen [175], die Folge der Temperaturerniedrigung nach der Kristallisation. Es sei darauf hinge-wiesen, dass für andere Polymere, wie z.B. syndiotaktisches Polypropylen [176], das Verhalten anders sein kann. Für die Kristallisation von Polycarbonat gibt es ein spezielles Modell von Marand [24]. Er geht von zwei wesentlichen Schritten aus. Zuerst entstehen die Kristall-lamellen, diese sind in Lamellenstapeln angeordnet, welche letztendlich sphäroliti-

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88 Kapitel 5

sche Strukturen bilden. Danach entstehen hinter den Wachstumsfronten in den zwischen den Kristalllamellen liegenden amorphen Bereichen kleine mizellenartige Kristalle mit entsprechend großen spezifischen Oberflächen. Die Voraussetzung zur Bildung dieser kleinen Kristalle ist die Beweglichkeit der amorphen Bereiche zwischen den Kristalllamellen. Würden diese Bereiche schon während des Wachstums der Kristalllamellen immobilisiert, könnten keine kleinen Kristalle entstehen. Somit scheint die Bildung dieser Kristalle zwischen den Lamellen die entscheidende morphologische Veränderung zu sein, die zur Immobilisierung eines Teils der amorphen Bereiche führt. Diese starr amorphen Bereiche befinden sich dann um die Kristalle herum. Als Gründe für die Immobilisierung kommen sowohl der teilweise Einbau der Kette in die Kristalle als auch die Abnahme des Volumens der verbleibenden amorphen Bereiche unter ein kritisches Volumen für die notwendige Kooperativität der Bewegungen in Frage [170]. Ein weiteres Wachstum dieser Kristalle zwischen den Lamellen ist dann nicht möglich, da das starr amorphe Material um die Kristalle herum die notwendige weitreichende Molekularbewegung für die Anlagerung von Kettensegmenten an die Wachstumsfront der Kristalle verhindert. In Marand's Modell schmelzen diese kleinen Kristalle kurz oberhalb der Kristallisati-onstemperatur während des niedrigsten endothermen Peaks in der totalen Wärmekapazität [24, 25, 134, 177]. Damit sollte auch die Mobilisierung der starr amorphen Bereiche einhergehen. Für die Basislinienwärmekapazität hätte dies einerseits einen Anstieg aufgrund des Schmelzens eines Teils des kristallinen Materials und andererseits einen Anstieg aufgrund der Mobilisierung der amorphen Bereiche zur Folge. Betrachtet man in Abbildung 5.6 die dynamische Wärmekapa-zität aus dem TMDSC-Scan Heizexperiment (Kurve a), findet man einen deutlichen Anstieg im Bereich des niedrigsten endothermen Peaks der totalen Wärmekapazität (Kurve f). Dieses TMDSC-Scan Experiment ist jedoch aufgrund des Einflusses der irreversiblen latenten Wärmen auf die dynamische Wärmekapazität (siehe Abschnitt 4.2) nicht geeignet, Basislinienwärmekapazitäten zu messen. Außerdem tritt im Schmelzbereich auch für Polycarbonat reversibles Schmelzen auf (siehe unten). Besser geeignet ist wieder die schrittweise quasi-isotherme Bestimmung der Wärmekapazität. Zunächst wird die gemessene dynamische Wärmekapazität nach 15 min quasi-isothermer Messung ( ) betrachtet. Während des niedrigsten endothermen Peaks in der totalen Wärmekapazität kommt es zu einer Stufe in der dynamischen Wärmekapazität und zwar ausgehend von der Wärmekapazität unter Berücksichtigung der starr amorphen Bereiche („3-Phasen-Modell“, Kurve e) bis zur Wärmekapazität, die nur Kristall und Flüssigkeit berücksichtigt („2-Phasen-Modell“, Kurve d). Bei höheren Temperaturen (T > 485 K) wird auch im quasi-isothermen Experiment eine höhere Wärmekapazität als die erwartete gemessen. Dies zeugt von Exzesswärmekapazitäten, die hier die direkte Messung der Basislinienwärme-kapazität unmöglich machen.

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Diskussion 89

440 450 460 470 480 490 500 510 520

1,85

1,90

1,95

2,00

2,05

2,10

2,15a

g - cpb (χcrystal(T))

cpb (χcrystal= 0.23)

b - c p solid

c - c p liquid

|cp*|

in J

g-1 K

-1

T in K

2

3

4d c

p in J g-1 K

-1

f - cp total

cpb (χsolid(Tg) = 0.49)

e

Abb. 5.6: Spezifische dynamische Wärmekapazitäten aus TMDSC-Scan (Kurve a) und quasi-isothermen Experimenten im Schmelzbereich von Polycarbonat. Die Geraden geben den Verlauf der spezifischen Wärmekapazitäten der flüssigen (Kurve c), kristallinen (Kurve b) und teilkristallinen Substanz nach einem „2-Phasen-Modell“ (Kurve d) bzw. „3-Phasen-Modell“ (Kurve e) an. Kurve g entspricht der Basislinienwärmekapazität nach dem „2-Phasen-Modell“ unter Berücksichtigung der Kristallinitätsgradsänderung während des Schmelzens. Kurve f zeigt die totale Wärmekapazität aus dem TMDSC-Scan Experiment. Die quasi-isotherme Bestim-mung der Wärmekapazität erfolgte nach 15 min ( ) bzw. 10 Stunden ( ) bei f = 0.01 Hz und nach 10 Stunden bei f = 0.001 Hz ( ). Scan Experiment: TA Instruments DSC 2920CE, q0=0.5 K/min, AT=0.5 K, tp=100 s. Quasi-isotherme Experimente: PerkinElmer Instruments DSC2, AT=0.5 K, tp=100 s bzw. 1000 s.

Diese Stufe in der gemessenen dynamischen Wärmekapazität ausgehend von der Wärmekapazität nach dem „3-Phasen-Modell“ hin zur Wärmekapazität nach dem „2-Phasen-Modell“ zeigt, dass mit dem Schmelzen der kleinen Kristalle zwischen den Kristalllamellen auch die Mobilisierung der starr amorphen Bereiche einhergeht. Der erwartete Anstieg der Basislinienwärmekapazität aufgrund des Phasenübergangs vom Kristall zur Flüssigkeit ist in Kurve g dargestellt. Die kleine Stufe dieser Kurve g im Bereich des niedrigsten endothermen Peaks der totalen Wärmekapazität zeugt von der geringen Änderung des Gesamtkristallinitätsgrades während des Schmel-zens der kleinen Kristalle. Diese Ergebnisse sind im Einklang mit der von Lu und Cebe gefundenen Mobilisierung von amorphen Bereichen in PET beim Heizen durch den niedrigsten endothermen Peak [178]. Betrachtet man nun die zeitliche Entwicklung der gemessenen dynamischen Wärmekapazität während eines quasi-isothermen Experiments, so findet man oberhalb des niedrigsten endothermen Peaks ab ca. 475 K einen starken Abfall. In

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90 Kapitel 5

Abbildung 5.5 ist dies durch den Vergleich der gemessenen dynamischen Wärme-kapazitäten nach 15 min ( ) bzw. 10 Stunden ( ) quasi-isothermer Messzeit zu erkennen. Erst nach etwa 10 Stunden hat die Wärmekapazität im Bereich oberhalb des niedrigsten endothermen Peaks einen konstanten Wert erreicht. Die nach 10 Stunden gemessenen Wärmekapazitäten liegen weit unter der aus dem „2-Phasen-Modell“ erwarteten Wärmekapazität (Kurve d), aber wieder in der Nähe der aus dem „3-Phasen-Modell“ erwarteten Wärmekapazität. Als Erklärung hierfür wird die neuerliche Kristallisation kleiner mizellenartiger Kristalle angesehen. Dies ist nunmehr wiederum möglich, da mit dem Schmelzen der vorherigen Kristallpopulation das amorphe Material mobilisiert wird und die für die Entstehung der kleinen mizellenartigen Kristalle notwendigen molekularen Bewegungen stattfinden können. Als Konsequenz dieses Wachstums wird wiederum das amorphe Material um die Kristalle immobilisiert. Die gemessene dynamische Wärmekapazität entspricht dann annähernd der aus dem „3-Phasen-Modell“ erwarteten. Diese Prozesse wiederholen sich beim Heizen zur nächsten mittleren Temperatur und dortiger quasi-isothermer Alterung. Die Wärmekapazität ist bis zu einer Temperatur von 490 K nicht frequenz-abhängig. Somit entspricht die gemessene dynamische Wärmekapazität tatsächlich der Basislinienwärmekapazität. Erst bei höheren Temperaturen im Bereich des Schmelzens der Kristalllamellen findet man im Frequenzbereich von 0.01 Hz bis 0.001 Hz eine Frequenzabhängigkeit der Wärmekapazität. Dies zeigt, dass hier nicht die Messung der Basislinienwärmekapazität erfolgt, sondern zusätzlich eine Exzesswärmekapazität aufgrund des reversiblen Schmelzens erhalten wird. Wie bei Polycarbonat findet man auch für Polyhydroxybuttersäure keine Exzess-wärmekapazität nach der isothermen Kristallisation (Abb. 4.30). Die Ergebnisse des schrittweise quasi-isothermen Heizexperiments für PHB sind in Abbildung 5.7 gezeigt.

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Diskussion 91

250 300 350 400 450

1,0

1,2

1,4

1,6

1,8

2,0

2,2

a

d

f - cp total

b - c p solid

c - cp liquid

T in K

|cp*|

in J

g-1 K

-1

1

2

3

4

5

6cpb(χcrystal= 0.64)

cp in J g

-1 K-1

e

cpb(χsolid(Tg) = 0.88)

Abb. 5.7: Spezifische dynamische Wärmekapazitäten aus TMDSC-Scan (Kurve a) und quasi-isothermen Experimenten im Schmelzbereich von Polyhydroxybuttersäure. Die Geraden geben den Verlauf der spezifischen Wärmekapazitäten der flüssigen (Kurve c), kristallinen (Kurve b) und teilkristallinen Substanz nach einem „2-Phasen-Modell“ (Kurve d) bzw. „3-Phasen-Modell“ (Kurve e) an. Kurve f zeigt die totale Wärmekapazität aus dem TMDSC-Scan Experiment. Die quasi-isotherme Bestim-mung der Wärmekapazität erfolgte nach 30 min ( ). PerkinElmer Instruments DSC2, q0=1 K/min, AT=0.4 K, tp=60 s.

Prinzipiell ist der gleiche Verlauf der Wärmekapazität, wie im vorherigen Beispiel bei Polycarbonat zu beobachten. Es zeigt sich wiederum im Bereich des niedrigsten endothermen Peaks der totalen Wärmekapazität bei ca. 320 K eine Stufe in der gemessenen dynamischen Wärmekapazität (Kurve a und ) von der dem „3-Phasen-Modell“ entsprechenden Gerade (Kurve e) hin zur Gerade, die dem „2-Phasen-Modell“ entspricht (Kurve d). Da PHB sehr schnell kristallisiert aber die zeitliche Entwicklung der Wärmekapazität während der Kristallisation verfolgt werden sollte (siehe Abschnitt 4.3, Abb. 4.30), musste die Temperatur für die quasi-isotherme Kristallisation (Tc = 296 K) dicht oberhalb des Glasübergangs (Tg = 275 K) gewählt werden. Die Glasübergangstemperatur im teilkristallinen Material liegt ca. 15 K höher als die des amorphen PHB. Der niedrigste endotherme Peak in der totalen Wärmekapazität ist somit nicht gut vom Glasübergang separiert. Trotzdem sind die 2 getrennten Stufen in der gemessenen dynamischen Wärmekapazität im TMDSC-Scan Experiment (Kurve a) zu erkennen. Ab einer Temperatur von 350 K findet man sowohl bei Scan- als auch bei den schrittweise quasi-isothermen Experimenten eine Exzesswärmekapazität. Ob in PHB die in Marand's Modell für Polycarbonat angenommenen kleinen mizellenartigen Kristalle zwischen den Lamellen existieren, ist nicht bekannt.

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92 Kapitel 5

Betrachtet man die Ergebnisse im Rahmen von Strobl's Modell zur Kristallisation, wo die Kristalllamellen aus lamellaren, granularen, kristallinen Bereichen (Blöckchen) zusammenwachsen, die sich nach Dickenwachstum und Perfektionierung meso-morpher Schichten bilden, ist das Immobilisieren der amorphen Bereiche zwischen den Blöckchen denkbar. Während des Kristallisationsprozesses können bei ausreichender Beweglichkeit der Schmelze Blöckchen entstehen und sich zu Lamellen arrangieren. Dabei ist vorstellbar, dass das amorphe Material um die Blöckchen und Lamellen herum immobilisiert wird. Die für das Entstehen neuer Blöckchen und das Stabilisieren bereits bestehender granularer, lamellarer Strukturen zu Kristalllamellen notwendige molekulare Beweglichkeit ist dann nicht mehr gegeben und die unperfekte granulare, kristalline Struktur bleibt bestehen. Diese unperfektionierten Kristalle schmelzen durch die fehlende Stabilisierung kurz oberhalb der Kristallisationstemperatur während des niedrigsten endothermen Peaks in der totalen Wärmekapazität. Mit dieser Morphologieänderung geht auch das Mobilisieren der starr amorphen Bereiche einher und es kann, wie bei der Diskussion von Marand's Modell, durch die gewonnene Beweglichkeit in den amorphen Bereichen zur neuerlichen Bildung solcher granularen kristallinen Strukturen kommen. Die Verläufe der gemessenen dynamischen Wärmekapazitäten können mit beiden Modellen erklärt werden. In Marand's und Strobl's Modell entstehen während der isothermen Kristallisation im Vergleich zu den Kristalllamellen unperfekte kristalline Strukturen. Diese kleinen Kristalle bzw. Blöckchen existieren auch nach langer Wartezeit. Die TMDSC Untersuchungen zeigen, dass mit der Morphologieänderung durch das Schmelzen dieser Kristalle auch die Mobilisierung der starr amorphen Bereiche einhergeht. Dabei verschwinden die Zwänge für die amorphen Bereiche und eine neuerliche Kristallisation kann aufgrund der Möglichkeit großräumiger kooperativer Molekularbewegungen erfolgen. Die Immobilisierung dieser Bereiche ist damit Folge der morphologischen Veränderungen während der Kristallisation. Dies bestätigen die quasi-isothermen TMDSC- Kristallisationsexperimente. Das weitere Voranschreiten der Kristallisation der kleinen Kristalle zwischen den Lamellen als sekundärer Kristallisationsprozess (Marand) bzw. das Zusammenwachsen der Blöckchen zu stabilen Kristalllamellen (Strobl) wird durch die starr amorphen Bereiche in deren direkten Umgebung verhindert. Dieser Aspekt der molekularen Beweglichkeit in der Schmelze als Notwendigkeit für das Voranschreiten der Kristallisation sollte bei Theorien zur Kristallisation berücksichtigt werden.

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KAPITEL6: ZUSAMMENFASSUNG

Die physikalischen Eigenschaften teilkristalliner Polymere werden neben dem Mole-külaufbau entscheidend durch die Morphologie bestimmt. Für die Entstehung der teilkristallinen Strukturen während der Kristallisation und darauf folgender Alterungs-prozesse und ihr Schmelzen gibt es keine generell akzeptierte und allgemein gültige Theorie. Bei den traditionellen Theorien zur Kristallisation wird von einem Zwei-Stufen-Prozess aus Keimbildung und nachfolgendem Wachstum ausgegangen. Hiermit können viele Aspekte der Polymerkristallisation erklärt werden, einige jedoch nicht, wie z.B. das reversible Schmelzen. Dieses ist verbunden mit reversiblen Kristallinitätsgradsänderungen durch An- und Ablagerungsprozesse von Kettensegmenten am Kristall. Die damit einhergehenden latenten Schmelz- und Kristallisationswärmen bewirken in der mittels temperaturmodulierter Kalorimetrie bestimmten dynamischen Wärmekapazität einen Exzessanteil. Der Bestimmung der Exzesswärmekapazität als Differenz zwischen gemessener dynamischer Wärmekapazität und Basislinienwärmekapazität liegt ein „3-Phasen-Modell“ für die Basislinienwärmekapazität zugrunde, in dem das Auftreten von starr amorphen Bereichen oberhalb der Glasübergangstemperatur berücksichtigt ist. Beispielrechnungen zeigen, dass die im Bereich von Phasenübergängen aus TMDSC Scanexperimenten bestimmten Exzesswärmekapazitäten entscheidend von den latenten Wärmen der Phasenübergänge und von den Parametern der Tempe-raturmodulation abhängen. Die Unterdrückung der Einflüsse irreversibler Prozesse und die Diskussion der zur Exzesswärmekapazität beitragenden reversiblen latenten Wärmen ist nur bei quasi-isothermen Experimenten möglich. Aus den in quasi-isothermen TMDSC-Experimenten ermittelten Exzesswärmekapa-zitäten können die reversiblen Kristallinitätsgradsänderungen aufgrund des modu-lierten Temperaturprogramms quantitativ bestimmt werden. Diese sind abhängig vom untersuchten Polymer, dessen Morphologie, der gewählten quasi-isothermen Temperatur, der Temperaturamplitude und der Messfrequenz und liegen für verschiedene Polymere bei Temperaturamplituden von 0.5 K in der Größenordnung von 1 % des kristallinen Anteils.

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94 Kapitel 6

Mit der temperaturmodulierten DMA wurde eine Methode neu entwickelt, die eben-falls die reversiblen Kristallinitätsgradsänderungen während quasi-isothermer Temperaturmodulation quantifizieren kann. Voraussetzung hierfür sind die experi-mentell bestimmten Beziehungen zwischen der Messgröße, Realteil des Schermoduls, und der Kristallinität. Die Ergebnisse liegen für TMDSC und TMDMA in der selben Größenordnung. Mittels TMDMA kann zusätzlich auch die irreversible Änderung des Gesamtkristalli-nitätsgrades während quasi-isothermer Experimente bestimmt werden. Dies ist mittels TMDSC aufgrund der Messung differentieller Größen bezüglich der Morpho-logieänderungen nur begrenzt möglich. Im Schmelzbereich von PEEK führt die Kombination von TMDSC und TMDMA mit der Analyse der Zeitkonstanten für das Abklingen des reversiblen Schmelzens bzw. der Zunahme des Gesamtkristallinitätsgrades zu der Aussage, dass das reversible Schmelzen als lokaler Prozess im Hintergrund der irreversiblen Änderungen der Kristallinität abläuft. Es wurde gezeigt, dass man einen Zugang zur charakteristischen Dynamik des reversiblen Schmelzens über die frequenzabhängige Bestimmung der dynamischen Wärmekapazität erhält. Die charakteristische Zeit liegt für PCL in der Größenordnung von Sekunden, während sie für ein Ethylen-Octen-Copolymer unterhalb einer Sekunde beträgt. Für Polycarbonat ist die Zeit deutlich größer. Die Stufe in der frequenzabhängigen Exzesswärmekapazität während der Kristallisa-tion von PCL und die durch Temperaturamplitudenvariation experimentell gefundene Linearität des reversiblen Schmelzens lassen sich mit einem Relaxationsprozess erklären. Isotherme Scherspektroskopie im Schmelzbereich von PCL zeigt, dass der Prozess des reversiblen Schmelzens auch mechanisch aktiv ist. Die hier tatsächlich isotherm durchgeführten Untersuchungen unterstützen die Annahme eines thermisch aktivierten Relaxationsprozesses unabhängig von der aufgeprägten Temperatur-modulation im TMDSC Experiment. Legt man in Analogie zum Glasübergang einen Fluktuationsansatz zur Beschreibung dieses Relaxationsprozesses zugrunde, lässt sich eine charakteristische Länge für die an den Wachstumsflächen zwischen Kristall und Schmelze fluktuierenden Berei-che von 0.4 nm abschätzen. Beim reversiblen Schmelzen handelt es sich demnach um einen sehr lokalen Prozess. Wird die Frequenz der Temperaturmodulation so hoch gewählt, dass das reversible Schmelzen die gemessene dynamische Wärmekapazität nicht beeinflusst, erhält man einen Zugang zur direkten experimentellen Bestimmung der Basislinienwärme-kapazität. Für Polycarbonat und Polyhydroxybuttersäure fällt die gemessene dynamische Wärmekapazität während der Kristallisation unter den Wert für die aus einem

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Zusammenfassung 95

„2-Phasen Modell“ bestimmte Basislinienwärmekapazität. Am Ende der Kristallisation wird genau der Wert der Basislinienwärmekapazität gemessen, der sich unter Berücksichtigung des am Glasübergang ermittelten starr amorphen Anteils ergibt. Diese Übereinstimmung zeigt, dass während des Abkühlens von der Kristallisa-tionstemperatur zur Glastemperatur (∆T = 30K) keine Zunahme des starr amorphen Anteils erfolgt. Damit konnte erstmals direkt experimentell nachgewiesen werden, dass das Immobilisieren der starr amorphen Bereiche eine direkte Folge der Morphologieänderungen während der Kristallisation und nicht eine Folge des Abkühlens ist. Das Mobilisieren der starr amorphen Bereiche erfolgt im Temperaturbereich des niedrigsten endothermen Peaks. Dies folgt aus der dort beobachteten Stufe in der dynamischen Wärmekapazität beim schrittweisen Aufheizen. Dieser Peak ist mit dem Schmelzen von wenig perfekten Kristallen verbunden. Die gefundenen Ergebnisse für das Immobilisieren bzw. Mobilisieren der starr amor-phen Bereiche lassen sich sowohl mit Strobl's Vorstellungen zur Polymerkristallisa-tion als auch mit Marand's Vorstellungen über die Kristallisation von Polycarbonat erklären. Die Experimente zeigen, dass die Perfektionierung der in beiden Modellen angenommenen unperfekten Kristalle durch die Abnahme der molekularen Beweg-lichkeit der die Kristalle umgebenden Schmelze verhindert wird. Durch die frequenzabhängige Bestimmung der Wärmekapazität können quantitative Informationen zur molekularen Beweglichkeit an der Grenzschicht zwischen Kristall und Schmelze erhalten werden. Bei Theorien zur Polymerkristallisation sollte durch Einbeziehung der komplexen Strukturen und Eigenschaften dieser Grenzschicht der Zusammenhang zwischen der molekularen Beweglichkeit der Schmelze und dem Kristallisationsprozess berücksichtigt werden. Die Fortführung der hier vorgestellten Untersuchungen kann deshalb einen weiteren Beitrag zum Verständnis der Polymer-kristallisation leisten.

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Anhang 1 A1

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Anhang 2 A2

ANHANG 2

Programm zur Erzeugung einer Temperaturmodulation für das ARES ProgName Temperature Ramp with Modulation BeginProgram FloatVar Temp, TempFreq, TempAmp, TempStart, TempRamp IntVar UpdateTime, Count ; Display form and get modulation frequency and amplitude QueryForm ModulateForm If ( FormRtnCode = 0 ) AbortMsg( " " ) EndIf ; Get the form values TempStart = ModulateForm::GetFldFloat(1) TempRamp = ModulateForm::GetFldFloat(2) TempRamp = TempRamp / 60 ; deg/min to deg/sec TempAmp = ModulateForm::GetFldFloat(3) TempFreq = ModulateForm::GetFldFloat(4) TempFreq = TempFreq * 6.28 ; Hz to rad/s UpdateTime = 5 ; How often to update command Count = 0 StartTest TimeSweepTest While( TestState = 1 ) ; ...While the test is running WaitPacket Count = Count + 1 If( Count = UpdateTime ) ; .. time to update temp cmd Count = 0 Temp = TempStart + CurrentTime * TempRamp + TempAmp * sin( TempFreq * CurrentTime )

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A2 Anhang 2

ChangeTemp( Temp ) bprint("Temp Cmd: %.2f", Temp ) EndIf Wend EndProgram ; Modulation Form ------------------------------------------------------ BeginForm ModulateForm WindowTitle Temperature Ramp with Modulation BeginWindow = 1 BeginColumn DefFldFloat = 1 | "Starting Temperature$@$[°C]" DefFldFloat = 1 | "Linear Ramp Rate$@$[°C/min]" DefFldFloat = 1 | "Modulation Amplitude$@$[°C]" DefFldFloat = 1 | "Modulation Frequency$@$[Hz]" EndColumn EndWindow Button &Ok 1 Button &Cancel 0 EndForm ; Time Sweep test setup -------------------------------------------------- BeginTest TimeSweepTest TestMode = 6 Temperature = 185 Units = 0 EndTest

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Anhang 3 A3

ANHANG 3

Programm zur Berechnung des Wärmestroms aus vorgegebener Basislinien- und Exzesswärmekapazität und variablen Modulationsbedingungen window -t data parameter.otw para; window -a para; getnumber (HR in Kmin) HR Eingabe der Parameter (AT in K) AT (T0 in K) T0 (tp in s) tp (m in mg) m (ppp) ppp; col(para)[1]=HR; Speichern des Parametersatzes col(para)[2]=AT; col(para)[3]=T0; col(para)[4]=tp; col(para)[5]=m; HR1=HR/60+4*AT/TP; Berechnung und Speicherung HR2=HR/60-4*AT/TP; weiterer Parameter col(para)[6]=HR1; col(para)[7]=HR2; totaltime=100/HR*60; col(para)[9]=totaltime; numberperiods=totaltime/tp; col(para)[10]=numberperiods; np=ppp*numberperiods; col(para)[11]=np; step=tp/ppp; o=2*pi/tp; window -t data modell.otw [Calc]; Öffnen vorbereiteter Tamplates window -a ACalc; col(tins)=data(0,totaltime,step); Erzeugung der Zeitspalte Berechnung der Temperatur

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A3 Anhang 3

col(TK)=T0+HR/60*col(tins)+AT*8/pi/pi*(sin(o*col(tins))-(sin(3*o*col(tins))/9)+(sin(5*o*col(tins))/25)-(sin(7*o*col(tins))/49)+(sin(9*o*col(tins))/81)-(sin(11*o*col(tins))/121)+(sin(13*o*col(tins))/169)-(sin(15*o*col(tins))/225)+(sin(17*o*col(tins))/289)-(sin(19*o*col(tins))/361)+(sin(21*o*col(tins))/441));

Berechnung Heizrate und Entscheidung über

loop (i,1,np) Maximumtemperatur { %(Acalc,5,i)=(%(Acalc,2,i)-%(Acalc,2,i-1))/step;

%(Acalc,7,1)=%(Acalc,2,1); if(%(Acalc,2,i)>%(Acalc,7,i-1)) {%(Acalc,7,i)=%(Acalc,2,i);} else {%(Acalc,7,i)=%(Acalc,7,i-1);};

}; loop (j,2,np)

{ %(Acalc,8,j)=%(Acalc,7,j)-%(Acalc,7,j-1); if(%(Acalc,8,j)>0) {%(Acalc,9,j)=1;} else {%(Acalc,9,j)=0;};

}; Berechnung cp excess col(cpex)=(32.282/(9.28*sqrt(PI/2)))*exp(-2*((col(TK)-532.14)/9.69)^2)+(23.19/(18.62*sqrt(PI/2)))*exp(-2*((col(TK)-523.51)/18.62)^2)+(16.83/(46.04*sqrt(PI/2)))*exp(-2*((col(TK)-501.16)/46.04)^2); Berechnung cpb col(cpb)=(0.7867+0.00219*col(TK))+((1.234+0.00147*col(TK))-(0.7867+0.00219*col(TK)))*((240+ (124-240)/(1 + exp((col(TK)-509)/12.21))+108+ (-123-108)/(1 + exp((col(TK)-530.3)/3.72)))/346.77); Berechnung Wärmestrom col(HF)=(col(cpb)*col(horc)+col(cpex)*col(horc)*col(heat))*m; %(Acalc,10,1)=%(Acalc,10,2); %(Acalc,10,np+1)=%(Acalc,10,np);

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DANKSAGUNG

An dieser Stelle möchte ich allen Dank sagen, die mir bei der Anfertigung der Arbeit

hilfreich zur Seite standen. Dabei sind auch all jene eingeschlossen, die hier keine

namentliche Erwähnung finden.

Ganz besonderer Dank gilt meinem Betreuer Prof. Dr. Christoph Schick für sein

Interesse und sein Engagement am Vorankommen der Arbeit. Ich bedanke mich bei

ihm für die Schaffung hervorragender Voraussetzungen, insbesondere die eröffnete

Möglichkeit der Teilnahme an zahlreichen nationalen und internationalen

Konferenzen. Der kontinuierliche Kontakt zu anderen Wissenschaftlern war

mitentscheidend bei der Bearbeitung des aktuellen Themas.

Recht herzlich bedanken möchte ich mich bei Dr. Mikhail Merzliakov für unsere

zahlreichen Diskussionen; seine Anregungen, Hinweise und Ideen.

Den jetzigen und ehemaligen Mitarbeitern der Arbeitsgruppe Polymerphysik danke

ich für die gute Zusammenarbeit, das hervorragende, freundschaftliche Klima in der

Gruppe und die Hilfe bei vielen alltäglichen und nicht alltäglichen Problemen.

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Eidesstattliche Erklärung

Hiermit erkläre ich, dass ich die vorliegende Arbeit selbständig und ohne fremde Hilfe

angefertigt, andere als die von mir angegebenen Hilfsmittel und Quellen nicht benutzt

und die den benutzten Werken wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als

solche kenntlich gemacht habe.

Ferner erkläre ich, dass die Arbeit weder im Inland noch im Ausland in gleicher oder

ähnlicher Form einer anderen Prüfungsbehörde vorgelegt wurde.

Güstrow, den 2. März 2001

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LEBENSLAUF

Persönliche Daten: Name: Andreas Wurm

geboren: am 12.12.1969 in Borna (Sachsen)

Staatsangehörigkeit: BRD

Familienstand: ledig, 2 Kinder mit meiner Lebensgefährtin

Karina Gröschel (Lehrerin)

Schulbildung: 1976-1986 Polytechnische Oberschule in Schwerin

1986-1988 Spezialabitur mit erweitertem Mathematik-

und Physikunterricht an der TU Magdeburg

Wehrdienst: 1988-1989 in Stahnsdorf bei Potsdam

Studium: 1989-1991 Grundstudium Physik an der

TU Magdeburg (Vordiplom)

1991-1994 Hauptstudium Physik an der Universität

Rostock (Diplomprüfungen)

1994-1995 Diplomarbeit auf dem Gebiet der

Röntgenstrukturanalyse (Diplom)

1992 zweimonatiges Praktikum bei der

Fa. SPARTEC-Energietechnik Güstrow

Berufstätigkeit: 1995-1997 wissenschaftliche Hilfskraft

1997-jetzt wissenschaftlicher Mitarbeiter am

FB Physik der Universität Rostock,

AG Polymerphysik

Güstrow, den 02. März 2001 Andreas Wurm