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Deloitte Radar 2019 Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Österreich Sechste Ausgabe

Deloitte Radar 2019 · 2020. 9. 20. · Die erfolgreichsten Länder der Welt sind wirtschaftlich attraktiv durch ihre ... Das BIP-Wachstum war das stärkste seit Aus-bruch der Finanz-

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Deloitte Radar 2019Attraktivität des Wirtschaftsstandortes ÖsterreichSechste Ausgabe

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Executive Summary 05

Cockpit 06

Österreich im globalen Standortwettbewerb 08

Analyse der Standortfaktoren 13

1. Politisches und makroökonomisches Umfeld 14

2. Unternehmensinfrastruktur und Umfeld 18

3. Regulatorisches Umfeld 24

4. Kosten 30

5. Digitalisierung, Innovation, Forschung und Technologie 34

6. Verfügbarkeit von Arbeitskräften 42

7. Lebensqualität 50

Deloitte Studien 56

Inhalt

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Executive SummaryViel Luft nach obenDen Österreicherinnen und Österreichern geht es gut. Wir behaupten uns als wohlhabende Volkswirtschaft, erfolgreiche Exportnation mit hoher Produktivität und Weltmeister hinsichtlich Lebensqualität. Erfolg ist aber auch eine Frage der Zukunftsperspektive und wird in Relation zu anderen gemessen. Wie schlägt sich Österreich im weltweiten Vergleich? Das analysieren wir in unserem Deloitte Radar und stellen dabei fest: Es gibt deutlich Luft nach oben.

Unternehmen erwarten sich von einem Wirtschaftsstandort attraktive Rahmen- bedingungen, höchstmögliche Planungs-sicherheit und eine positive Dynamik. Dann investieren sie, schaffen Arbeitsplätze und sichern damit künftigen Wohlstand. Attraktive Standorte stehen in einem ständigen Wettbewerb zueinander. Seit 2014 analysieren wir mit dem Deloitte Radar die Attraktivität des österreichischen Standorts im internationalen und euro-päischen Vergleich – auf Basis anerkannter globaler Rankings und Studien, gepaart mit der Deloitte Expertise.

Die Analyse über viele Jahre führt im Wesentlichen zu folgendem Bild:

Der Standort war schon einmal deutlich besser bewertet. Noch vor zehn Jahren zählte Österreich in allen Standortrankings zu den Top 15 Nationen. Dann verlor der Standort während der Finanzkrise an Boden und stagniert seit mehreren Jahren global gesehen auf Plätzen rund um die Top 20

sowie in Europa knapp hinter den Top 10. Das ist der Beleg für den Stillstand der letzten Jahre. Die Frage lautet: Werden wir jetzt wieder dynamischer?

Österreich punktet mit Lebensqualität, hoher Forschungsquote, qualifizierten Arbeitskräften, Exporterfolgen, einem florierenden Tourismus und einer hervorragenden Basis-Infrastruktur.

Die Mankos liegen wiederum seit mehreren Jahren im Bereich der Steuern und Abgaben, der überbordenden Administration und im Bildungsbereich. Zudem fehlt es in großen Teilen des Landes an Dynamik bei der Inno- vations-, Investitions- und Technologieaffinität.

Der Standort schlägt sich solide, doch für eine immer dynamischere Zukunft braucht es mehr. Die Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit ist eine mehrjährige, konsequente Anstrengung und diese sollte im Fall von Österreich vor allem auf drei Grundpfeilern aufgebaut sein:

Handlungsspielräume schaffen Das kann durch die lange geforderte Kostenentlastung für Unternehmen und arbeitende Menschen sowie durch eine Entbürokratisierung, Vereinfachung und Strukturreformen gelingen.

Talente begeistern Die notwendigen und hoch qualifizierten Fachkräfte können nur in einem Umfeld aus exzellenter Bildung, Diversität, Chancen- gleichheit, lebenslanger Qualifizierung und gezielter Einwanderungspolitik entwickelt werden.

Innovationen hervorbringen Die Wertschöpfung des 21. Jahrhunderts muss aktiv im Land entwickelt werden. Dazu braucht es Innovationen in den Unternehmen, eine breite Digitalisierung in Gesellschaft und Bildung, die Schaffung der nötigen Infrastruktur sowie die Bereitschaft zu einer Fehlerkultur.

Deloitte Radar 2019 | Executive Summary

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Die erfolgreichsten Länder der Welt sind wirtschaftlich attraktiv durch ihre Größe und/oder durch eine besondere Einzigartigkeit.

Schweden, Dänemark oder die Niederlande bestechen durch ihr hohes Innovationsniveau, Estland im Bereich der digitalisierten Behördenwege, Finnland durch eine exzellente Bildung, kleinere Stadtstaaten durch minimale Bürokratie. Sie alle setzen damit ganz gezielt auf eigene Stärken.

Wenn sich Österreich auf die Grundpfeiler – Handlungsspielräume schaffen, Talente begeistern, Innovationen hervorbringen – fokussiert, kann sich in der Folge auch im wirtschaftlichen Kontext eine Einzigartigkeit und neue Agilität entwickeln.

Das ist die Voraussetzung, um Österreich langfristig wieder unter die Top 5 in Europa und die Top 15 der Welt zu führen.

Deloitte Radar 2019 | Executive Summary

Bernhard Gröhs | CEO

Karin Mair | Clients & Industries

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Deloitte Radar 2019 | Cockpit

Cockpit

Ausblick

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Aktu

ell Politisches und makroökonomisches Umfeld

Österreichs Wirtschaft hat in den letzten beiden Jahren einen wirtschaftlichen Höhenflug erlebt. Das BIP-Wachstum war das stärkste seit Aus-bruch der Finanz- und Wirtschaftskrise. Die Arbeitslosigkeit – mit zuletzt beunruhigenden Höchstständen – sinkt ebenso wie die Staats- verschuldung. Der Zenit ist allerdings über-schritten und wir müssen uns in den nächsten Jahren auf ein abgeschwächtes Wachstum einstellen.

Digitalisierung, Innovation, Forschung und Technologie Forschungs-Champion Österreich: In den Bereichen Innovation, Forschung und Ent- wicklung hat sich das Land einen klaren Standortvorteil erarbeitet. Zahlreiche Hidden Champions sind Technologieführer in ihren Branchen, und das weltweit. Die Forschungs- quote ist hoch und die Investitionen steigen. Noch nicht ganz so gut schneidet das Land beim Stand der Digitalisierung ab.

Kosten Österreich ist teuer. Mit einer der höchsten Abgabenquoten im europäischen und globalen Vergleich hat das Land in diesem Bereich seit Jahren einen klaren Standort- nachteil. Die positive Konjunktur bietet jetzt ein Zeitfenster für eine umfassende Reform des Steuer- und Abgabensystems. Aber die Zeit drängt.

Ausblick

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Ausblick

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Aktu

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Deloitte Index über alle Standortfaktoren Nach mehrjährigem Abwärtstrend und letztjähriger Stagnation entwickelt sich Österreich nun mit leicht positivem Ausblick. Über die sieben von Deloitte analysierten Standortfaktoren liegt der Indexwert bei 3,1 von maximal 5 möglichen Punkten. Die einzelnen Faktoren entwickeln sich dabei durchaus unterschiedlich.

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Deloitte Radar 2019 | Cockpit

Lebensqualität In Österreich lässt es sich sehr gut leben. Das zeigen alle Rankings und ist seit Jahrzehnten ein wichtiger Standortvorteil. Wohlstand, Sicherheit, eine intakte Umwelt sowie ein anregendes soziales und kulturelles Umfeld werden sowohl von den Österreicherinnen und Öster- reichern als auch von internationalen Gästen geschätzt.

Verfügbarkeit von Arbeitskräften Fachkräftemangel, Arbeitslosigkeit, Bildung und Flexibilisierung – das sind die zentralen Themen. Während die Arbeitslosigkeit tendenziell sinkt, klagen die Unternehmen europaweit über große Schwierigkeiten bei der Suche nach ausreichend qualifiziertem Personal. Das Bildungssystem schafft es nach wie vor nicht, mit der Entwicklung Schritt zu halten. Auch bei der Chancen- gleichheit ist Österreich kein Vorreiter.

Unternehmensinfrastruktur und Umfeld Viel Licht und einiges an Schatten – Österreich wird in allen internationalen Rankings in Sachen Infrastruktur positiv bewertet. Die Straßen-, Schienen- und Energieinfrastruktur gilt sogar als vorbildlich. Beim Ausbau der für die digitale Transformation so wichtigen Breitbandnetze hinkt Österreich allerdings hinterher. Gerade in diesem Bereich wird aber die Zukunft stattfinden.

Regulatorisches Umfeld Mehr Luft zum Atmen – so kann der vielfach geäußerte Wunsch der Unternehmen nach weniger Regulierung und administrativem Aufwand auf den Punkt gebracht werden. Österreich gilt in allen Rankings tendenziell als überreguliert. Im Zuge der Finanz- und Wirt- schaftskrise kamen vor allem im Finanzsektor noch viele neue Regularien dazu. Es ist klar an der Zeit, hier spürbar gegenzusteuern.

Dringender Handlungsbedarf

Handlungsbedarf Gute Basis für notwendige Verbesserung

Standortvorteil mit Verbesserungs- potenzial

Klarer Standort- vorteil

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Ausblick negativ gleichbleibend positiv

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Deloitte Radar 2019 | Österreich im globalen Standortwettbewerb

Österreich im globalen Standortwettbewerb

Eine Reihe von renommierten inter-nationalen Organisationen erstellt jährlich Rankings der attraktivsten Wirtschaftsstandorte. Die thematischen Gewichtungen sind unterschiedlich, aber die Rankings basieren stets auf einem Mix aus verfügbaren volkswirtschaftlichen Kennzahlen und eigens dafür durch-geführten Meinungsumfragen. Die Ergebnisse der einzelnen Indizes haben definitiv ihre Bruchstellen: Änderungen in der Erhebungs- oder Berechnungs-methode, Detailunterschiede zwischen den meist lokalen Datenquellen sowie die Subjektivität der Befragten. Durch eine mehrjährige Betrachtung lassen sich jedoch klare Trends und Handlungsfelder ableiten. Deloitte analysiert die Stärken und Schwächen des Standortes Österreich bereits seit sechs Jahren anhand mehr- jähriger Indexentwicklungen und Erfahrungen aus der Beratungspraxis.

Die Mehrjahresbetrachtung zeigt: In den Top 10 der besten Wirtschaftsstandorte waren in der letzten Dekade in unter-schiedlicher Reihenfolge die USA, die skandinavischen Länder, die Schweiz,

Deutschland, die Niederlande, das Vereinigte Königreich (UK) sowie Hong Kong und Singapur vertreten.

Mitbewerber entwickelten sich besserÖsterreich hat in diesen Standortvergleichen über die Zeit einige Ränge verloren. Während zu Beginn der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 noch durchwegs Platzierungen in den Top 15 erzielt werden konnten, haben sich in den vergangenen zehn Jahren einige europäische und internationale Volkwirtschaften besser positioniert. Österreich pendelte sich über die letzten Jahre rund um Platz 20 ein, zwischendurch auch dahinter. Lediglich in diversen Rankings betreffend Lebensqualität – World Happiness Index, OECD Better Life Index – konnten durchwegs bessere Platzierungen erreicht werden.

Vergangenes Jahr wurde Österreich im Global Competitiveness Index vom World Economic Forum (WEF) auf Rang 22 gereiht. Die Verschlechterung um vier Plätze ist zu einem großen Teil auf die erfolgte Umstellung im Studiendesign zurückzuführen. Das WEF hat sein

Ranking modernisiert und von bisher 114 Indikatoren auf 98 reduziert, von denen 64 neu sind. Wenn man die Ergebnisse auf vergleichbare Indikatoren im Vorjahr zurückrechnet, würde Österreich laut WIFO nur einen Platz verlieren – wobei einzelne Platzierungen von Zehntelprozentpunkten abhängen. Über die teils verbesserungswürdige Performance Österreichs soll dies freilich dennoch nicht hinwegtäuschen.Im World Competitiveness Index des IMD konnte Österreich im Mai 2018 dank guter Wirtschaftsdaten und wirtschaftsliberaler Absichtserklärungen der neuen Bundesregierung deutlich besser abschneiden als noch ein Jahr davor (Verbesserung von Rang 25 auf 18). In einer mehrjährigen Betrachtung ist dies die beste Bewertung seit sieben Jahren, wenngleich es davor auch in diesem Ranking schon für die Top 15 gereicht hatte.

Das Spitzenfeld rückt näher zusammenBei einem Vergleich der Scores zeigt sich eine Verdichtung unter den topplatzierten Ländern. Während im Global Competitiveness Index 2008-2009 die Top 10 mit einem

Benchmarking ist ein Ausdruck von Ambition. Die Besten einer Disziplin machen in Summe vieles richtig und dienen somit als Richtschnur für die Weiterentwicklung der Mitstreiter. Im globalen Wettbewerb der Wirtschafts-standorte behaupten sich einige Länder seit Jahren im Spitzenfeld gleich mehrerer Rankings – auch wenn diese Gruppe immer enger zusammenrückt. Österreich reiht sich weiterhin nur im Verfolgerfeld ein. Es ist an der Zeit aufzuschließen.

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Deloitte Radar 2019 | Österreich im globalen Standortwettbewerb

Indizes Ranking Österreich 2008 - 2018

Score von 87,9 % des Spitzenreiters zu erreichen waren, hatte im GCI 2018 die Volkswirtschaft auf Rang 10 einen Score von 89,9 % der führenden Nation. Noch deutlicher fällt dieses Zusammenrücken beim World Competitveness Index des IMD aus. Der Wettbewerb im Standort-ranking wird somit enger und selbst kleinste Unterschiede in der Bewertung einzelner Indikatoren bewirken

Veränderungen in der Platzierung. Umso mehr bedarf es einer Kraftanstrengung, um als Standort an der Spitze mitspielen zu können.

Topstandort bei der LebensqualitätIn einem Bereich ist Österreich seit Jahren Spitze: Geht es um einen Vergleich der Lebensqualität, dann ist Österreich neben Skandinavien, der Schweiz, den Nieder-

landen und einigen Ländern aus Übersee (Kanada, Neuseeland, Australien) weiter- hin vorne dabei. Im World Happiness Index des Sustainable Development Solutions Network der Vereinten Nationen wird das subjektive Wohlbefinden und die Lebenszufriedenheit in insgesamt 156 Ländern verglichen. Österreich belegt dort Rang 12, innerhalb Europas reicht es sogar für Rang 8.

2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018

14 17 18 19 16 16 21 23 19 18 22 Global Competitiveness Index

14 16 14 18 21 23 22 26 24 25 18 World Competitiveness Index

15 15 21 19 22 23 20 18 20 20 21 Global Innovation Index

13 12 13 12 World Happiness Index

2008 2015 201820112009 2010 2012 2013 2014

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RangGlobal Competitiveness Index (WEF) 2018

World Competitiveness Index (IMD) 2018

Global Innovation Index (INSEAD) 2018

World Happiness Report (UN) 2018

1 USA 2* USA 4* Schweiz 1* Finnland 5*

2 Singapur 3* Hong Kong 1* Niederlande 3* Norwegen 1*

3 Deutschland 5* Singapur 3* Schweden 2* Dänemark 2*

4 Schweiz 1* Niederlande 5* UK 5* Island 3*

5 Japan 9* Schweiz 2* Singapur 7* Schweiz 4*

6 Niederlande 4* Dänemark 7* USA 4* Niederlande 6*

7 Hong Kong 6* Vereinigte Arab. Emirate 10* Finnland 8* Kanada 7*

8 UK 8* Norwegen 11* Dänemark 6* Neuseeland 8*

9 Schweden 7* Schweden 9* Deutschland 9* Schweden 10*

10 Dänemark 12* Kanada 12* Irland 10* Australien 9*

11 Finnland 10* Luxemburg 8* Israel 17* Israel 11*

12 Kanada 14* Irland 6* Korea, Rep. 11* Österreich 13*

13 Taiwan, China 15* China 18* Japan 14* Costa Rica 12*

14 Australien 21* Katar 17* Hong Kong 16* Irland 15*

15 Korea, Rep. 26* Deutschland 13* Luxemburg 12* Deutschland 16*

16 Norwegen 11* Finnland 15* Frankreich 15* Belgien 17*

17 Frankreich 22* Taiwan, China 14* China 22* Luxemburg 18*

18 Neuseeland 13* Österreich 25* Kanada 18* USA 14*

19 Luxemburg 19* Australien 21* Norwegen 19* UK 19*

20 Israel 16* UK 19* Australien 23* Vereinigte Arab. Emirate 21*

21 Österreich 20*

22 Österreich 18*

Deloitte Radar 2019 | Österreich im globalen Standortwettbewerb

Top Nationen in internationalen Standortrankings

* Ranking Vorjahr

Herausgeber: World Economic Forum / WEF (Schweiz)Anzahl der unter-suchten Nationen: 140 VolkswirtschaftenVeröffentlichung: Seit 1979, jährlich, zuletzt im Oktober 2018Erhebungsmethode: Umfassende Executive Opinion Survey (ca. 12.000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer) sowie statistische Kennzahlen internationaler Institu-tionen (z.B. OECD, Währungsfonds, WHO)

Herausgeber: International Institute for Management Development / IMD (Schweiz)Anzahl der unter-suchten Nationen: 63 IndustrienationenVeröffentlichung: Seit 1989, jährlich, zuletzt im Mai 2018Erhebungsmethode: Umfassende Executive Opinion Survey (ca. 6.300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer) sowie statistische Kennzahlen internationaler Institu-tionen (z.B. OECD, World Bank)

Herausgeber: Cornell University (USA), INSEAD (Frankreich) und World Intellectual Property Organization (Schweiz)Anzahl der unter-suchten Nationen: 126 VolkswirtschaftenVeröffentlichung: Seit 2007, jährlich, zuletzt im Juli 2018Erhebungsmethode: Analyse der Innovations-fähigkeit und -unterstützung anhand diverser Indika-toren in Bereichen wie Infrastruktur, Bildung, Knowledge, Kapazitäten und Innovations-Output. Diesjähriger Fokus: Energie

Herausgeber: Sustainable Development Solutions Network der Vereinten NationenAnzahl der unter-suchten Nationen: 156 LänderVeröffentlichung: Seit 2012, jährlich, zuletzt im März 2018Erhebungsmethode: Analyse basierend auf den Gallup World Poll Umfragen von der Gallup Organization mit Hauptsitz in Washington D.C.

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RangGlobal Competitiveness Index (WEF) 2018

World Competitiveness Index (IMD) 2018

Global Innovation Index (INSEAD) 2018

World Happiness Report (UN) 2018

1 Deutschland 3* Niederlande 2* Schweiz 1* Finnland 5*

2 Schweiz 1* Schweiz 1* Niederlande 3* Norwegen 1*

3 Niederlande 2* Dänemark 4* Schweden 2* Dänemark 2*

4 UK 5* Norwegen 7* UK 4* Island 3*

5 Schweden 4* Schweden 6* Finnland 6* Schweiz 4*

6 Dänemark 8* Luxemburg 5* Dänemark 5* Niederlande 6*

7 Finnland 6* Irland 3* Deutschland 7* Schweden 7*

8 Norwegen 7* Deutschland 8* Irland 8* Österreich 8*

9 Frankreich 12* Finnland 9* Luxemburg 9* Irland 9*

10 Luxemburg 10* Österreich 13* Frankreich 11* Deutschland 10*

11 Österreich 9* UK 10* Norwegen 12* Belgien 11*

12 Irland 13* Island 11* Österreich 13* Luxemburg 12*

13 Island 14* Belgien 12* Island 10* UK 13*

14 Spanien 17* Frankreich 16* Estland 15* Tschechien 14*

15 Tschechien 16* Tschechien 14* Belgien 14* Malta 15*

Fokus: Top Nationen im europäischen Vergleich

Deloitte Radar 2019 | Österreich im globalen Standortwettbewerb

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Deloitte Radar 2019 | Österreich im globalen Standortwettbewerb

In der Praxis sind für Österreich vor allem die Vergleiche mit anderen Standorten in Europa entscheidend, da diese mit den gleichen globalen Entwicklungen und ähnlichen Rahmenbe-dingungen konfrontiert sind. Bei einem solchen auf Europa fokussierten Vergleich bleibt Österreich auch knapp hinter den Top 10.

RangDeloitte Radar Europaranking

1 Schweiz

2 Niederlande

3 Dänemark

4 Schweden

5 Finnland

6 Norwegen

7 Deutschland

8 UK

9 Irland

10 Luxemburg

11 Österreich

12 Island

13 Frankreich

14 Tschechien

15 Spanien

16 Malta

17 Italien

18 Estland

19 Slowenien

20 Portugal

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Deloitte Radar 2019 | Analyse der Standortfaktoren

Analyse der Standortfaktoren

Unternehmen, Führungskräfte sowie Investorinnen und Investoren bewerten Standorte anhand quantitativer und qualitativer Faktoren. Für eine gesamt-hafte Einschätzung der Attraktivität des Wirtschaftsstandortes analysiert, vergleicht und verdichtet Deloitte im Rahmen dieser Metastudie seit 2014 mehrere Quellen:

• Analyse und Bewertung umfangreicher und mehrjähriger Standortvergleiche renommierter internationaler Organisa-tionen (WEF, IMD, INSEAD, UN)

• Quantitative Daten anerkannter Institutionen (EUROSTAT, OECD, Statistik Austria, WKO, WIFO)

• Deloitte Studien zu ausgewählten Themen

• Bewertungen und Empfehlungen durch die Fachexpertinnen und -experten von Deloitte

Darüber hinaus berücksichtigt der Deloitte Radar auch die Spezifika Österreichs mit einer stark KMU-dominierten Wirtschaft, der zentralen Lage inmitten von Europa und einem sozialpartnerschaftlich geprägten Unternehmensumfeld.

Indikatoren und StandortfaktorenWirtschaftliche Kennzahlen, rechtliche Rahmenbedingungen, die Verfügbarkeit von Ressourcen, aber auch Einschätzungen und Erwartungen hinsichtlich zukünftiger Entwicklungen sind die Bewertungsbasis für insgesamt 41 Indikatoren.

Mehrere Indikatoren werden schließlich zu sieben wesentlichen Standortfaktoren zusammengefasst:

1. Politisches und makro- ökonomisches Umfeld

2. Unternehmensinfrastruktur und Umfeld

3. Regulatorisches Umfeld

4. Kosten

5. Digitalisierung, Innovation, Forschung und Technologie

6. Verfügbarkeit von Arbeitskräften

7. Lebensqualität

Der ebenfalls dargestellte Ausblick bei den einzelnen Standortfaktoren basiert auf der langjährigen Entwicklung sowie aktuellen Einschätzungen der Expertinnen und Experten.

Die vorliegende Analyse und Bewertung der Attraktivität des Wirtschaftsstandortes Österreich beruht auf international anerkannten Indizes, fachspezifischen Deloitte Studien und der Expertise aus der Beratungspraxis.

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Deloitte Radar 2019 | Analyse der Standortfaktoren | Politisches und makroökonomisches Umfeld

1. Politisches und makroökonomisches Umfeld

Das Bruttoinlandsprodukt Österreichs wuchs im Jahr 2018 um 2,7 %. Das ist deutlich über dem Schnitt der Euroländer und der beste Wert seit mehr als zehn Jahren. Das gute nationale Wachstum wurde vor allem von der starken internationalen Konjunktur getragen. Die exportorientierte Industrie war einer der wesentlichen Wachstumstreiber. Mit einem noch nie dagewesenen Exportvolumen von über 150 Milliarden Euro und einem Anstieg um fast 6 % ist klar, worin der Erfolg begründet liegt: In der Internationalität unserer Wirtschaft. Fast 80 % aller Exporte gehen nach Europa, was wiederum zeigt, wie wichtig die europäische Integration für unseren Wohlstand ist.

Dank einer vorsichtigeren Haushaltspolitik, der positiven Konjunktur und der niedrigen Zinsen wurde die Staatsverschuldung im letzten Jahr gesenkt. Das ist eine wichtige Voraussetzung für die von der Bundesregierung geplante Steuersenkung.

2019 wird sich das Wachstum deutlich abschwächen. Aktuell geht man von einem Plus von höchstens 2 % aus. Bei wichtigen Exportpartnern wie Deutschland, Frankreich und Italien schwächelt bereits die Konjunktur. Gleichzeitig steigen die internationalen

Risiken durch Handelsstreitigkeiten zwischen den USA und China oder dem andauernden Krisenthema Brexit. Auch die Zinslandschaft wird sich mittelfristig verändern. Die Zeiten werden also wieder herausfordernder.

Die Bundesregierung hat sich einem wirtschaftsliberalen Programm ver-schrieben, zeigt sich handlungsfähig und hat den Wirtschaftsstandort auch kommunikativ in den Fokus gerückt. Die ersten gesetzten Maßnahmen wurden von Unternehmensseite überwiegend begrüßt. Eine Kritik der Wirtschaft richtet sich aber gegen die Abschiebung von bereits integrierten Flüchtlingen, durch die diese wieder aus dem Erwerbsleben in Österreich genommen werden.

Entscheidend wird sein, ob die Dynamik angesichts der internationalen Risiken und der Konjunkturabschwächung aufrechterhalten werden kann.

Der Deloitte Radar vergibt bei diesem Standortfaktor 3,5 von 5 möglichen Punkten (2018: 3 Punkte) mit gleichbleibendem Ausblick.

Österreichs Wirtschaft hat in den letzten beiden Jahren einen wirtschaftlichen Höhenflug erlebt. Das BIP-Wachstum war das stärkste seit Ausbruch der Finanz- und Wirtschaftskrise. Die Arbeitslosigkeit – mit zuletzt beunruhigenden Höchstständen – sinkt ebenso wie die Staatsverschuldung. Der Zenit ist allerdings überschritten und wir müssen uns in den nächsten Jahren auf ein abgeschwächtes Wachstum einstellen.

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Deloitte Radar 2019 | Analyse der Standortfaktoren | Politisches und makroökonomisches Umfeld

Wirtschaftsleistung

Wirtschaftswachstum

Arbeitslosigkeit

Staatsverschuldung

Öffentliche Verwaltung

Bedeutung des Finanzplatzes

Handelsbilanz

Investitionen

Quellen: Eurostat, OECD, Statistik Austria, Statista, WKO

Dringender Handlungs- bedarf

Handlungs- bedarf

Gute Basis für notwendige Verbesserung

Standortvorteil mit Verbesse- rungspotenzial

Klarer Standortvorteil

Ausblick

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Aktu

ell

Politisches und makroökonomisches

Umfeld

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Austrian competitiveness: the London view

There is widespread agreement, that strong and stable growth are indispensable drivers of human welfare. But how can we capture the vast array of factors, which combine to determine the environment for growth in a country?

League tables of international competitiveness provide an important part of the picture, compressing a huge amount of micro-economic data into a form. This allows comparisons across economies. The rankings themselves are informative, but so are the periodic promotions and demotions that occur, which tell their own story of the changing competitiveness of economies.

History provides many examples of countries losing competitiveness. Contrast, for instance, the dynamism and prosperity of early twentieth century Argentina with the turbulent experience of the last three decades. Italy’s long-term growth rate has fallen

precipitously since the 1980s, with regulatory and institutional weakness getting much of the blame.

There are positive stories too. The Thatcher reforms of the 1980s strengthened the UK economy and led to markedly improved outcomes in terms of unemployment, foreign investment and inflation. More recently, Germany’s Hartz reforms of the early 2000s have helped give Germany one of the lowest unemployment rates in Europe.

A major structural reform tends to be politically contentious. It involves changes in established methods and practices, which trade the risk of disruption and change, in the hope of improving growth prospects in the future. The backlash against President Macron’s reform agenda last year testifies to the political perils of such change.

“There is scope for Austria to raise its game.”Ian Stewart | Chief Economist Deloitte UK

Deloitte Radar 2019 | Analyse der Standortfaktoren | Politisches und makroökonomisches Umfeld

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Austrian competitiveness: the London view

It is, perhaps, no coincidence, that countries which are featured in the top of the competitiveness leagues, also tend to be countries in which there is a degree of consistency and consensus about the broad aims of economic policy. Delivering successful structural reform involves firstly building support for it in the country.

Austria is nowhere near the top tier OECD countries, ranking 22nd place in the WEF Global Competitiveness Index. As London based-economists focussed on the global economy, we were struck by the fact that Austria is much lower ranked than countries such as Switzerland, Germany and the Netherlands, with which it has many shared characteristics.

Numerous factors explain the gap, but labour market performance is perhaps the most obvious. While levels of female labour force participation are high in Austria, more women work part-time

than in many EU countries. This offers the potential to raise growth by bringing more women into full time work. Tax is, of course, a political choice, albeit one with profound implications for growth. In Austria, levels of labour taxation are about one third higher than in the average OECD country. This too, warrants debate.

The league tables of competitiveness and human welfare covered in the Deloitte Radar provide an invaluable guide to a country’s economy and its social policy. But they do not tell the full story. Three other important indicators enrich the picture and testify to Austria’s existing strengths.

On productivity, a measure of economic output beloved by economists, Austria performs very strongly with the sixth highest output per hour amongst OECD members. In the UK, such levels would be the envy of policy makers.

Looking at GDP per person, Austria also performs strongly with the ninth highest level amongst OECD members, similar to Denmark and Germany.

Vienna is ranked top of the Economist Intelligence Unit’s Global Liveability Index 2018, with a perfect score in four out of five categories.

There is much to admire about the Austrian economy. Yet, as with all rich economies, there is scope for Austria to raise its game.

Ian Stewart | Chief EconomistPeter Ireson | Economist Deloitte UK

Deloitte Radar 2019 | Analyse der Standortfaktoren | Politisches und makroökonomisches Umfeld

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Deloitte Radar 2019 | Analyse der Standortfaktoren | Unternehmensinfrastruktur und Umfeld

2. Unternehmensinfrastruktur und Umfeld

Eine gute öffentliche Infrastruktur ist eine wichtige Grundvoraussetzung für einen erfolgreichen Standort. Straßen- und Schienennetz, die Wasser- und Energie- versorgung sowie die Serviceleistungen der öffentlichen Hand sind wichtige Assets für Österreich. Die Milliardenin-vestitionen in Schienenprojekte am Brenner oder am Semmering werden diese auch für die nächsten Jahrzehnte sichern. Mit einem Standortsicherungs-gesetz will die Bundesregierung Groß-projekte in Zukunft stärker fördern.

Im Energiebereich, vor allem bei der Erzeugung und Verteilung von Strom, hat Österreich ebenso beste Voraussetzungen. Mit der österreichischen Klima- und Energiestrategie #mission2030 sollen Milliardeninvestitionen ausgelöst werden und die Stromerzeugung in Österreich bis 2030 zu 100 % aus erneuerbaren Energieformen kommen. Die Versorgungs-sicherheit mit Energie ist generell sehr hoch, allerdings entwickeln sich die Energiepreise nach oben. Neue Technologien – wie etwa das Projekt H2FUTURE von Siemens, Verbund und voestalpine – sowie die Dynamiken der

Mobilitätswende – etwa E-Mobility und autonomes Fahren – bieten für den Standort hingegen neue Chancen auf Wettbewerbsvorteile.

In der Telekommunikationsinfrastruktur hat Österreich dringenden Handlungsbedarf beim Ausbau der Breitbandnetze. Mit dem neuen Mobilfunkstandard 5G, der nach erfolgter Ausschreibung der ersten Stufe heuer in die Umsetzung gehen wird, sind höchste Erwartungen für die digitale Transformation des Landes verknüpft. Gleichzeitig ist noch unklar, wie die zu erwartenden Investitionskosten von mehreren Milliarden finanziert werden können, ohne die Unternehmen und Haushalte zusätzlich zu belasten. Die Rahmenbedingungen und Infrastruktur-investitionen für die Digitalisierung müssen die Top-Priorität der kommenden Jahre sein.

Der Deloitte Radar vergibt in diesem Standortfaktor 3,5 von fünf möglichen Punkten (2018: 3,5 Punkte) mit neutral vorsichtigem Ausblick.

Viel Licht und einiges an Schatten – Österreich wird in allen internationalen Rankings in Sachen Infrastruktur positiv bewertet. Die Straßen-, Schienen- und Energie-infrastruktur gilt sogar als vorbildlich. Beim Ausbau der für die digitale Transformation so wichtigen Breitbandnetze hinkt Österreich allerdings hinterher. Gerade in diesem Bereich wird aber die Zukunft stattfinden.

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Basisinfrastruktur

Transportwesen

Energieversorgung

Telekommunikation

Breitbandausbau

Immobilien

Quellen: Global Competitiveness Index, World Competitiveness Index, Deloitte Property Index

Dringender Handlungs- bedarf

Handlungs- bedarf

Gute Basis für notwendige Verbesserung

Standortvorteil mit Verbesse- rungspotenzial

Klarer Standortvorteil

Unternehmens- infrastruktur

und Umfeld

Ausblick

Vorj

ahr

Aktu

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Die Akzeptanz der österreichischen Bevölkerung gegenüber erneuerbaren Energien ist nach aktuellen Studien- ergebnissen so hoch wie noch nie. Das bietet große Chancen für eine nachhaltige und umweltfreundliche Entwicklung des Wirtschafts-standortes. Gerhard Marterbauer spricht im Interview über Trends und notwendige Schritte im Energiebereich.

Wo steht Österreich beim Thema erneuerbare Energien?Gerhard Marterbauer: Insgesamt ist der Standort auf einem guten Weg. Die österreichische Bundesregierung hat sich mit der Klima- und Energiestrategie #mission2030 ambitionierte Ziele gesteckt. Bis 2030 sollen die Treibhausgasemissionen im Vergleich zu 2005 um 36 % reduziert werden. Bei der Stromerzeugung soll zu 100 % auf erneuerbare Energiequellen gesetzt werden. Die erfreuliche Nachricht: Die Bevölkerung steht dem Ausbau erneuerbarer Energien überaus positiv gegenüber. Laut einer aktuellen Studie von Deloitte, Wien Energie, WU Wien und Uni Klagenfurt befürwortet die große Mehrheit der Befragten die Ziele der #mission2030. Alles in allem fehlt es aber bei der Umsetzung noch ein wenig an Schwung. Die Energiewirtschaft sollte jetzt die gute Stimmung für sich nutzen und schnell ins Tun kommen.

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„Der Standort ist beim Thema erneuerbare Energien auf einem guten Weg. Die Energie-wirtschaft sollte mit konkreter Umsetzung diese gute Stimmung nutzen.“Gerhard Marterbauer | Energy & Resources

Erneuerbare Energien als Schlüssel für eine nachhaltige Entwicklung

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Was sind die aktuellen Trends im Energiebereich? Gerhard Marterbauer: Laut unserer Studie zählt Photovoltaik zu den beliebtesten erneuerbaren Energie-technologien der Österreicherinnen und Österreicher und erreicht bei den Akzeptanzwerten einen neuen Höchststand. Bei 12 % der Befragten ist der Bau einer Photovoltaikanlage auf ihren Wohngebäuden geplant, 64 % zeigen sich an der Beteiligung bei einer Gemeinschaftsanlage interessiert. Wir rechnen damit, dass sich dieser Trend auch in Zukunft fortsetzen wird.

Beim Thema Elektromobilität beobachten wir ebenfalls eine positive Entwicklung. Die Gruppe der potenziellen Käuferinnen

und Käufer von Elektroautos wächst stetig und beträgt derzeit 54 %. Rund 18 % der Befragten wollen sogar schon beim nächsten Autokauf auf Elektroantrieb umsteigen. In den nächsten drei Jahren ist ein weiterer Sprung zu erwarten. Zum einen wird der Kauf eines E-Autos durch eine Modelloffensive einfacher und günstiger. Zum anderen schreitet der Ausbau der Ladeinfrastruktur rasch voran. Diese Punkte machen den Umstieg auf Elektroautos noch attraktiver.

Worauf muss die Branche in Zukunft achten?Gerhard Marterbauer: Mit dem Wissen steigt die Akzeptanz. Das zeigt sich gerade am Beispiel Windkraft sehr schön. Je mehr Erfahrung die

Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer mit Windkraft in der eigenen Umgebung haben, desto eher stimmen sie einem weiteren Ausbau zu. Das ist speziell vor dem Hintergrund, dass Windkraft bei der Erreichung der Klimaziele eine wesentliche Rolle spielen soll, nicht unwesentlich. Bis 2030 muss die Zahl der Windräder dafür fast verdoppelt werden. Insgesamt bedeutet das für die Energiebranche: Wenn man die Bevölkerung über alle Vor- und Nachteile informiert, kann man beim Ausbau von erneuerbaren Energien auch mit verstärkter Unterstützung rechnen. Um Skepsis abzubauen, sind Dialog und Information immer noch das beste Mittel.

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#mission2030 Die Themen, die am meisten Unterstützung finden:

Die Möglichkeit der aktiven Teilnahme am Energiesystem als „Prosumer“ (93 %)

Der Kohleausstieg bei der Stromproduktion in den nächsten Jahren (89 %)

Die Vereinfachung und Verkürzung von Genehmigungsverfahren für neue Kraftwerksprojekte im Bereich erneuerbare Energien (87 %)

Quelle: Studie "Erneuerbare Energien in Österreich" von Deloitte Österreich, WU Wien, Wien Energie und Alpen-Adria-Universität Klagenfurt

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Sowohl der Immobilienbereich als auch die Baubranche gehören seit Jahren zu den Wachstumstreibern in Österreich. Auch im vergangenen Jahr konnten gute Ergebnisse erzielt werden. Aktuell gibt es aber die Tendenz zu mehr Regulierung. Die Unternehmen rüsten sich bereits für ein Ende des Booms. Die Real-Estate-Expertinnen Frederike Benscheid und Gabriele Etzl im Radar-Interview.

Wo liegt der heimische Immobilien-bereich im internationalen Vergleich?Frederike Benscheid: Aktuell leben mit 45 % der Haushalte überdurchschnittlich viele Österreicherinnen und Österreicher in Mietverhältnissen. Nur die Schweiz und Deutschland liegen weiter vorne. Dazu kommt, dass Wien bei den Mietwohnungen mit 77 % einen der höchsten Anteile im europäischen Großstädtevergleich hat. Das liegt vor allem am großen Bestand städtischer Wohnhausanlagen. Die Mieten sind dabei hierzulande noch immer verhältnismäßig günstig. Während in Wien der durchschnittliche Mietpreis pro Quadratmeter bei 9,60 Euro liegt, werden in Städten wie Prag mit 13,10 Euro oder München mit 16,50 Euro deutlich höhere Preise verlangt. Es geht aber auch noch teurer: Die absoluten Spitzenreiter Europas sind Inner London mit 26,40 Euro gefolgt von der Pariser Innenstadt mit 26,30 Euro pro Quadratmeter.

Auch Wohnungseigentum ist in Österreich noch vergleichsweise erschwinglich. Durchschnittlich

müssen 5,6 Bruttojahresgehälter aufgebracht werden, um eine neue 70-m²-Wohnung sein Eigen nennen zu können. Knapp der doppelte Aufwand muss in Tschechien geleistet werden. In Belgien hingegen reichen durchschnittlich 3,7 Jahresgehälter, um eine gleichwertige Wohnung zu erwerben.

Wie sieht es im Bausektor aus?Frederike Benscheid: Die in den letzten Jahren spürbar angezogene Baukonjunktur findet sich in den Statistiken wieder. Laut Deloitte Property Index wurden 2017 pro 1.000 Einwohnerinnen und Einwohner 8,6 Wohnungen auf österreichischem Boden errichtet. Mit diesem europäischen Spitzenwert rangiert Österreich weit vor dem zweitplatzierten Frankreich mit 6,4 und dem drittplatzierten Polen mit 5,4 Wohnungen.

Auch die heimischen Baukonzerne sind stark: Strabag und PORR finden sich unter Europas umsatzstärksten Top 20 der Baubranche. Im globalen Wettkampf kommt beiden Unternehmen ihre inter- nationale Ausrichtung zugute. So ist vor allem Deutschland ein absoluter Kernmarkt für die Strabag. Dort werden 51 % des Umsatzes erwirtschaftet.

„Die rasante Entwicklung der Immobilienmärkte dürfte auch 2019 anhalten. Viele Immobilienunternehmen bereiten sich jedoch schon heute mit einem Fokus auf IT und Digitalisierung auf die Zeiten nach dem Boom vor."Frederike Benscheid | Real Estate

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Immobilien- und Baubranche zwischen Erfolg, Regulierung und Digitalisierung

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Was ist im letzten Jahr im Real-Estate-Bereich Relevantes für den Standort passiert?Gabriele Etzl: In der Bundeshauptstadt Wien gab es eine wichtige Neuerung. Im Schatten des aktuellen Booms am Immobilienmarkt wurde eine scheinbar geringfügige Änderung der Wiener Bau- ordnung durchgeführt: Die mit 21. März 2019 in Kraft getretene, neue Widmungskategorie „Gebiete für geförderten Wohnbau“. Diese Neuregelung wird weitrechende Folgen haben. Denn gemäß der Baurechtsnovelle muss auf Wiener Grundstücksflächen zu zwei Dritteln geförderte Wohnnutzfläche entstehen, bei der die Widmung zur An- wendung kommt. Stadtweit sind das neue Baugebietswidmungen und Nachverdich-tungen mit mehr als 5000 m² Brutto-Grundfläche. Im Umkehrschluss bleibt nur mehr ein Drittel für freifinanzierten Wohnbau übrig. Insgesamt darf der Grundkostenanteil für die geförderte Bruttogeschoßfläche höchstens 188,- Euro pro Quadratmeter betragen. Zudem sollen Immobilienspekulationen durch strengere rechtliche Auflagen verhindert werden. Konkret handelt es sich dabei um im Grundbuch eingetragene Veräußerungs-verbote für geförderte Wohneinheiten. Die Stadt Wien muss im Fall eines Verkaufes ihre Zustimmung geben.

Vor allem freifinanzierte Wohnbauträger, die sich zwischenzeitlich Bauerwartungs-land zu hohen Preisen gesichert haben, sehen sich dadurch mit erheblichen Unsicherheiten konfrontiert. Bei Anwend-barkeit der neuen Widmungskategorie würde jeder Quadratmeter freifinanzierter Wohnraum wesentlich teurer werden. In der Branche herrscht Skepsis, ob durch diese Maßnahmen im Endeffekt die Errichtung leistbarer Wohnungen gesichert werden kann. Gewerbliche Bauträger

könnten dazu angehalten sein, ihre Bau-vorhaben in die Zukunft zu verschieben. Auch Grundstücksbesitzerinnen und -besitzer könnten ihr Verkaufsverhalten entsprechend anpassen. In weiterer Folge läuft der Wiener Wohnungsneubau Gefahr, erheblich an Fahrt zu verlieren.

Welche Auswirkungen die Baurechtsnovelle tatsächlich mit sich bringt, werden aber erst die kommenden Jahre zeigen.

Welche Entwicklungen und Heraus-forderungen sind in Zukunft zu erwarten?Frederike Benscheid: US-amerikanische wie auch asiatische Investorinnen und Investoren treten am österreichischen Immobilienmarkt verstärkt in Erscheinung. Dabei werden vor allem große Transaktions- volumina bevorzugt, wohingegen europäische Investorinnen und Investoren in differen-zierteren Preisbandbreiten agieren. Auch bei den Asset-Klassen zeigen sich unterschiedliche Sättigungsgrade.

Die Neuflächenentwicklung im Retail-Segment ist praktisch zum Stillstand gekommen. Hier wird zukünftig vermehrt in Qualitätsverbesserungen und Erweiterungen investiert.

Folgt 2019 den bisherigen Trends, dann sollten insbesondere Büroflächen, Hotel-entwicklungen und Logistikimmobilien auf verstärkte Nachfrage stoßen. Grund-sätzlich rechnen wir damit, dass die rasante Entwicklung der Immobilienmärkte auch in diesem Jahr anhalten wird. Hinter den Kulissen verstärken die Immobilienunternehmen die Bemühungen, sich im Bereich Digitali-sierung konkurrenzfähig aufzustellen – um für die Zeiten nach dem Boom gerüstet zu sein.

„Der Wiener Wohnungs- neubau könnte durch die Bau- rechtsnovelle erheblich an Fahrt verlieren. Ihre konkreten Auswirkungen werden aber erst die kommenden Jahre zeigen.“Gabriele Etzl | Deloitte Legal

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3. Regulatorisches Umfeld

Regulierung hat auch Vorteile für Unter-nehmen sowie Konsumentinnen und Konsumenten. Intelligente Regulierung schafft Sicherheit, Klarheit und Verbind-lichkeit für alle Marktteilnehmerinnen und -teilnehmer. Zu viel Regulierung bewirkt aber, dass durch immer mehr Auflagen Unsicherheit und Marktverzerrung entstehen sowie Innovationen und unternehmerische Kreativität auf der Strecke bleiben. Die Balance ist daher entscheidend.

In den letzten Jahren wurde viel über Deregulierung diskutiert, konkrete Maßnahmen wurden aber bislang nur vereinzelt getroffen. Die Bundesregierung und diverse Interessensvertretungen haben das Thema ganz oben auf ihre Prioritätenliste genommen und im letzten Jahr erste wichtige Impulse gesetzt. Das neue Gesetz zur Arbeitszeitflexibilisierung kann als Meilenstein bezeichnet werden, zumal hier über viele Jahre keine Einigung erzielt werden konnte.

Mit der Einrichtung eines „Bundes-ministeriums für Verfassung, Reformen, Regulierung und Justiz“ wurde ein politisches Zeichen gesetzt.

Die Ankündigungen dazu waren bisher sehr ambitioniert, die konkreten Schritte allerdings noch vage. Es besteht weiter- hin Handlungsbedarf bei der Entbüro-kratisierung für Unternehmen. Betriebs-gründungen dauern nach wie vor viel zu lange, die Gewerbeordnung ist nicht mehr modern, die Überregulierung im Bau- und Immobiliensektor treibt Kosten und Preise nach oben. Auch im E-Government, in der Finanzverwaltung sowie im Gesund-heitsbereich sind die Vereinfachungen noch nicht weitreichend genug.

Mit den Bemühungen „Gold Plating“ zu reduzieren wurde kürzlich ein wichtiges Zukunftsthema angegangen. Österreichische Gesetze sollen dabei künftig keine schärferen Bestimmungen für Unternehmen enthalten als nach dem EU-Recht nötig. Die Reform der Sozial-versicherungsträger kann ebenso als wichtiger Schritt bewertet werden, auch wenn die Empfehlungen von Expertinnen und Experten noch wesentlich weiter gehen.

Der Deloitte Radar vergibt bei diesem Standortfaktor 2,5 von 5 möglichen Punkten (2018: 2,5 Punkte) mit positivem Ausblick.

Mehr Luft zum Atmen – so kann der vielfach geäußerte Wunsch der Unternehmen nach weniger Regulierung und administrativem Aufwand auf den Punkt gebracht werden. Österreich gilt in allen Rankings tendenziell als überreguliert. Im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise kamen vor allem im Finanzsektor noch viele neue Regularien dazu. Es ist klar an der Zeit, hier spürbar gegenzusteuern.

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Deloitte Radar 2019 | Analyse der Standortfaktoren | Regulatorisches Umfeld

Bürokratie

Regulierung

Rechtsstaatlichkeit

Unternehmensgründung

Quellen: Global Competitiveness Index, World Competitiveness Index, Global Innovation Index

Dringender Handlungs- bedarf

Handlungs- bedarf

Gute Basis für notwendige Verbesserung

Standortvorteil mit Verbesse- rungspotenzial

Klarer Standortvorteil

Regulatorisches Umfeld

Ausblick

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Aktu

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Deloitte Radar 2019 | Analyse der Standortfaktoren | Regulatorisches Umfeld

In jüngster Vergangenheit sah sich die Finanzindustrie europaweit und auch in Österreich mit vielen Herausforderungen konfrontiert. Zwar zeichnet sich im regulatorischen Bereich nach Jahren der stetig steigenden Anforderungen eine leichte Entspannung ab. Doch im geschäfts- politischen und betriebswirtschaft-lichen Umfeld bleiben die Anforde-rungen ambitioniert. Gottfried Spitzer und Dominik Damm geben Einblicke in eine Branche im Umbruch.

Im Rückblick betrachtet: Was hat die Finanzbranche in letzter Zeit beschäftigt?Dominik Damm: Die Operationalisierung der MiFID II/MiFIR und PRIIPS Anforde- rungen war im letzten Jahr in aller Munde. Während die großen Implementierungs-projekte weitgehend zeitgerecht abge-schlossen wurden, geht es nun um die Umsetzung konkreter Maßnahmen im

Geschäftsbetrieb. Der Feinschliff der Umsetzungsarbeiten hat weitreichende Auswirkungen – von der Marktseite und Kundenbetreuung bis hin zu Compliance, Legal und Meldewesen. Im Bereich der Anlageberatung und Portfolioverwaltung rückte zudem das Thema der Nachhaltig-keit weiter in den Vordergrund. Das zeigt sich an der Vielzahl und Taktfrequenz der hierzu veröffentlichten regulatorischen Vorgaben. Es bleibt abzuwarten, inwieweit die ökologische und soziale Verantwortung das Geschäftsmodell der Banken zukünftig beeinflussen wird.

Gottfried Spitzer: Ein weiterer regula-torischer Schwerpunkt des vergangenen Jahres war die intensive Überarbeitung der Fit & Proper-Anforderungen an Auf- sichtsrat, Geschäftsleitung und Schlüssel-funktionen in den Banken. Einerseits wurden die Anforderungen an die fachliche Eignung und Erfahrung, die persönliche Zuverlässigkeit, Aufrichtigkeit und

Unvoreingenommenheit der angeführten Personen sowie deren Dokumentation verschärft. Andererseits kam es auch zur Konkretisierung der Regeln in Hinblick auf die Unabhängigkeit des Aufsichtsrates.

Dominik Damm: Noch ein Thema sorgte für Diskussionen: Die Integration einer wesentlichen Sorgfaltspflicht im Sinne einer gesamthaften regulatorischen Compliance durch den neu hinzugekommenen § 39 Abs 6 BWG. Diese Bestimmung behandelt den Umgang mit regulatorischen Risiken und die Verfeinerung eines regulatorischen internen Kontrollsystems. Gerade weil die Ansiedelung dieser Funktion innerhalb der Banken sowie das Aufgabengebiet und die Tätigkeiten gesetzlich nicht weiter konkretisiert wurden, besteht da Handlungs- spielraum, der von den Banken auch positiv besetzt werden kann. Ein Branchenstandard wird wohl erst in naher Zukunft entstehen.

Finanzbranche vor strategischen und regulatorischen Herausforderungen

„Der technologische Fortschritt bildet gemeinsam mit dem wirtschaftlichen Umfeld, gestiegenen Personalkosten und geänderten Kundenbedürfnissen eine explosive Mischung. Die Banken müssen diesen Herausforderungen mit Innovationswillen und neuen Konzepten begegnen.“Gottfried Spitzer | Financial Services Industry

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Welche neuen Entwicklungen zeichnen sich ab? Dominik Damm: Beim Risikomanagement der Banken rechnen wir mit einer weiteren Konzentration auf nicht-finanzielle Risiken. In diesem Zusammenhang werden Themen wie Cyberrisiko, IKT-Risiko, Compliance-Risiko, Auslagerungsrisiko, Verhaltensrisiko und Nachhaltigkeitsrisiken in den Mittel-punkt rücken. Das spiegelt sich bereits in den dazu erlassenen Rechtsakten und Leitfäden wider. Auch die Auswirkungen des Brexits auf die europäische und österreichische Bankenlandschaft sind noch schwer abschätzbar. Zudem wird das Thema der Auslagerungen und der hiermit verbundenen Anforderungen im Jahr 2019 weiter an Bedeutung gewinnen und Banken vor nicht unerhebliche Herausforderungen stellen.

Gottfried Spitzer: Wir sehen eine weitere Fokussierung der Industrie auf ein nachhaltiges, ertragreiches und mit der Risikostrategie abgestimmtes Geschäftsmodell. Damit einher gehen Bemühungen, sich auf die vorhandenen Stärken des Kernbankengeschäftes und eine Optimierung der internen Abläufe und Prozesse zu besinnen. Selbstverständlich werden Themen wie Datenqualität und -effizienz, Digitalisierung, der Umgang mit „disruptiven“ Marktteilnehmerinnen und -teilnehmern, die Entwicklung

und Umsetzung einer optimalen Vertriebsstrategie der Zukunft sowie die schon jahrelange Niedrigzinsphase einen Platz auf der Agenda von Bankenvorständen finden müssen.

Stichwort Vertrieb: Sind Digitalisierung und Filialgeschäft ein Widerspruch? Gottfried Spitzer: Die Anzahl der Filialen österreichischer Banken sinkt seit Jahren – dieser Trend wird grundsätzlich weitergehen. Der technologische Fortschritt bildet gemeinsam mit dem wirtschaftlichen Umfeld, gestiegenen Personalkosten und geänderten Kundenbedürfnissen eine explosive Mischung.

Dazu setzen die großen US-Technologie-giganten die traditionellen Banken unter Druck. Diese Unternehmen leben von und unter permanenter Innovation und sind den Geschäftsbanken vor allem in Bezug auf Artificial Intelligence weit voraus. Dazu kommt der Vorteil der de facto fehlenden Regulierung. Das wird vor allem im relativ leicht automatisierbaren Retailbanking für fortgesetzte Veränderungen sorgen. Das Corporate Banking wird hingegen noch von der langjährigen Kundenbeziehung und dem daraus entstandenen Risikoprofil leben. Alles in allem müssen die Banken diesen Herausforderungen mit Innovationswillen und neuen Konzepten und Kompetenzen begegnen.

Deloitte Radar 2019 | Analyse der Standortfaktoren | Regulatorisches Umfeld

„Beim Risiko-management der Banken rechnen wir mit einer Konzentration auf nicht-finanzielle Risiken. Themen wie Cyber Risiko, Compliance und Nachhaltigkeits- risiken rücken in den Mittelpunkt.“Dominik Damm | FSI Advisory

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Die EU-DSGVO ist seit 25. Mai 2018 in Kraft, das Thema Datenschutz beschäftigt die österreichischen Unternehmen noch immer. Welche Maßnahmen bereits getroffen wurden und wo noch Optimierungspotenzial besteht, erklärt Datenschutzexperte Andreas Niederbacher im Gespräch.

Wie steht Österreich bei Datenschutz und Regularien im internationalen Vergleich da?Andreas Niederbacher: Das Ziel der EU-DSGVO ist es, ein einheitliches Daten-schutzregime in Europa zu schaffen. Die Gesetzgebung im Bereich Datenschutz war hierzulande aber bereits vor Inkrafttreten der EU-DSGVO überdurchschnittlich streng. Folglich wurde von der EU-Justizkommissarin im Mai 2018 attestiert, dass sich der Standort Österreich auf Kurs befindet. Länder wie Belgien, Bulgarien, Griechenland, Litauen, Slowenien, Tschechien, Ungarn und Zypern konnten hingegen die Verordnung nicht zeitgerecht einführen.

Durch ein Änderungsgesetz des Datenschutzes wurde die zuständige Behörde in Österreich bereits vor Mai 2018 angehalten, bei einem erstmaligen Verstoß abzumahnen und keine Strafen auszusprechen. Generell werden eher geringe Strafen verhängt: Das Strafausmaß belief sich im vergangenen Jahr auf unter 10.000,- Euro. Das gibt den Unternehmen die Möglichkeit, ihre finanziellen Mittel in Nachbesserungsarbeiten zu stecken. Aufklärung ist auch langfristig nachhaltiger als Strafen.

Durch die gute Ausgangsposition, die Österreich bereits vor der EU-DSGVO hatte, kann man das Datenschutzniveau hierzulande als hoch einstufen. Noch beobachten wir aber häufig Unsicherheiten durch fehlende Rechtsprechungen. Hier müsste der Gesetzgeber ansetzen und klarere Vorgaben formulieren.

Datenschutz als Großprojekt

Deloitte Radar 2019 | Analyse der Standortfaktoren | Regulatorisches Umfeld

26 %9 %

1 %

Vollständig abgeschlossenGrößtenteils abgeschlossenTeilweise abgeschlossenKaum abgeschlossenNoch gar nicht abgeschlossen

62 %

2 %

Inwiefern haben österreichische Unternehmen die Anforderungen der EU-DSGVO bereits umgesetzt?

Quelle: Deloitte Umfrage "Bestandsaufnahme nach einem halben Jahr EU-DSGVO"

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Was ist in den Monaten nach Einführung der EU-DSGVO in Österreich passiert?Andreas Niederbacher: 12 % der heimischen Unternehmen stehen bei Umsetzung der EU-DSGVO noch immer am Anfang, die meisten befinden sich aber erfreulicherweise bereits auf der Zielgeraden. Für 2019 geht es bei ihnen jetzt vor allem um Optimierung und Weiterbildung.

Auch in der öffentlichen Wahrnehmung ist die Relevanz des Themas im vergangenen Jahr deutlich gestiegen. Laut unserer Umfrage erhielten die Unternehmen vor der Einführung der EU-DSGVO eher selten Anfragen in Bezug auf Auskunft und Löschung. Zwar hat sich das nach

dem 25. Mai 2018 kaum geändert. Künftig muss man aber damit rechnen, dass die Betroffenen vermehrt von ihren Rechten Gebrauch machen.

Welche Schwerpunkte müssen in Zukunft gesetzt werden? Andreas Niederbacher: Die Unternehmen haben den Fokus vor allem auf Dokumentationserfordernisse und die Sicht von außen gelegt. Bei der Änderung von Prozessen und dem Umgang mit Daten sind sie bisher noch zurückhaltend. E-Mails werden weiterhin unstrukturiert gespeichert, Dateien am Server werden nicht ausreichend klassifiziert und gelöscht, Kommunikation mit Dritten läuft zumeist nicht verschlüsselt ab. Auch

an entsprechenden Schulungen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mangelt es noch in den meisten heimischen Betrieben.

Immerhin wurden laut unserer Bestandsaufnahme die richtigen Vorsätze gefasst. So steht die Verbesserung des Löschkonzeptes mit 51 % auf dem ersten Platz der Datenschutz-Agenda. Auch der verstärkte Einsatz von Awareness-Maßnahmen und gezielte Schulungen finden sich auf der To-Do-Liste der Unternehmen. Der wichtigste Schritt liegt aber in der Änderung der Unternehmenskultur. Erst wenn das Bewusstsein für Datenschutz vollständig in den Berufsalltag integriert wird, sind die Unternehmen auf der sicheren Seite.

„Die österreichischen Unternehmen haben die richtigen Vorsätze gefasst. Der wichtigste Schritt liegt aber in der Änderung der Unternehmenskultur.“ Andreas Niederbacher | Risk Advisory

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Deloitte Radar 2019 | Analyse der Standortfaktoren | Kosten

4. Kosten

Der heimische Wirtschaftsstandort hat weiterhin eine der weltweit höchsten Steuer- und Abgabenquoten. Nach einer Erhebung der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ist zwar die Quote von 42,2 % auf 41,8 % leicht zurückgegangen, allerdings rangiert Österreich damit in allen Rankings auf den letzten Plätzen – schlechter als viele vergleichbare Hochsteuerländer. Vor allem Arbeit wird nach einhelliger Einschätzung der Expertinnen und Experten zu hoch besteuert. Spitzenwerte erreicht Österreich auch bei den Sozialbeiträgen mit rund 35 % (OECD-Schnitt: 26 %).

Die Bundesregierung will nun im Zuge der geplanten Steuerreform die Abgabenquote sukzessive und in mehreren Etappen bis 2021 auf 40 % senken. Das ist begrüßenswert und vor allem dringlich. Für eine Erhöhung der Wettbewerbs-fähigkeit braucht es deutliche Signale.

Die Körperschaftsteuer ist in fast allen Nachbarländern – mit Ausnahme Deutschlands und Italiens – deutlich geringer. Eine Senkung der KÖSt auf 19 % mit begleitenden Maßnahmen, die das Vertrauen der Unternehmen in eine standortfreundliche Politik erhöhen. Das würde Wertschöpfung und Steuerbasis nach Österreich bringen und die Tarifsenkung in einem hohen Ausmaß selbst finanzieren.

Insgesamt sollte auch die Fiskalpolitik in den kommenden Jahren noch viel stärker die zukunftsfähige Wertschöpfung im Land in den Fokus rücken, also Arbeits-plätze, Betriebsansiedelungen und Innovationen stimulieren.

Im Bereich der Einkommensteuer ist bereits eine Tarifreform sowie die Abschaffung der kalten Progression angekündigt, deren Automatik jedoch eine vorherige Erhöhung der gesamt- staatlichen Budgetdisziplin voraussetzt.

Auf den Staatshaushalt kommen in nächsten Jahren große Herausforderungen zu, etwa beim Thema Pflege. Hier werden sich die Kosten laut IHS in den nächsten 20 Jahren verdoppeln. Für Pensionen wird ein Viertel des Budgets aufgewendet. Durch die demografische Entwicklung entsteht akuter Handlungsbedarf. Vor diesem Hintergrund und der abflachenden Konjunktur läuft Österreich Gefahr, dass sich das Zeitfenster für eine Steuerentlastung bald wieder schließt.

Der Deloitte Radar bewertet diesen Standortfaktor aufgrund der Ausgangslage und dem eingeschlagenen Weg mit 2 von 5 möglichen Punkten (2018: 1,5 Punkte), Ausblick positiv.

Österreich ist teuer. Mit einer der höchsten Abgaben-quoten im europäischen und globalen Vergleich hat das Land in diesem Bereich seit Jahren einen klaren Standortnachteil. Die positive Konjunktur bietet jetzt ein Zeitfenster für eine umfassende Reform des Steuer- und Abgabensystems. Aber die Zeit drängt.

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Deloitte Radar 2019 | Analyse der Standortfaktoren | Kosten

Steuer- und Abgabenquote

Komplexität des Abgabensystems

Effektivität der Fiskalpolitik

Steueradministration

Quellen: Global Competitiveness Index, World Competitiveness Index, Deloitte Tax Survey

Dringender Handlungs- bedarf

Handlungs- bedarf

Gute Basis für notwendige Verbesserung

Standortvorteil mit Verbesse- rungspotenzial

Klarer Standortvorteil Kosten

Ausblick

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Aktu

ell

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Arbeitsplätze und Betriebsansied-lungen sind volkswirtschaftliche Ziele, die nicht zuletzt durch die Fiskalpolitik mitbestimmt werden. Herbert Kovar spricht im Interview über steuerliche Maßnahmen, die Österreich gerade jetzt als positive Signale an Unternehmen und Investitionswillige aussenden sollte.

Wie steht der Wirtschaftsstandort Österreich im Bereich Steuern und Abgaben im internationalen Vergleich da?Herbert Kovar: Österreich ist bekannter-maßen ein Hochsteuerland. Sowohl bei der Einkommensbesteuerung als auch bei der Körperschaftsteuer sind wir mittler- weile nicht mehr konkurrenzfähig. Es ist daher unerlässlich, dass neben der angekündigten Senkung der Lohnneben- kosten und der Abschaffung der kalten Progression auch eine Unternehmens-steuerreform kommt. Der KÖSt-Satz sollte von 25 % auf 19 % gesenkt werden. Das wäre ein deutliches Signal nach außen und eine Investitionsunterstützung nach innen, bevor die Konjunktur wieder nachlässt. Ein großer Teil einer solchen Senkung würde sich unter bestimmten Voraussetzungen selbst finanzieren und daneben sollte eine Haushaltsreform die staatlichen Ausgaben insgesamt reduzieren. Neben den Tarifen ist auch die Servicierung seitens der Finanzbehörden ganz entscheidend. Da sehen wir einerseits sehr Positives wie FinanzOnline als gutes Serviceportal, aber leider auch Negatives wie die langen Beauskunftungszeiten für internationale Unternehmen. Während in den Niederlanden eine Auskunft innerhalb von drei Wochen möglich ist, dauert es in Österreich mitunter drei Monate. Eine Beschleunigung solcher Auskunftsverfahren wäre ein positives

Signal, dass wir diese Unternehmen mit ihren Gewinnen bei uns im Land haben wollen. Mit dem nunmehr erfolgten richtigen Schritt der Erweiterung des Auskunftsbescheides und der Einführung einer maximalen Bearbeitungsdauer könnte das gelingen. Abzuwarten bleibt jedoch, wie das in der Praxis gehandhabt werden wird.

Was hat sich am Standort im vergangenen Jahr Relevantes getan?Herbert Kovar: Das Thema Steuer-senkung wird intensiver diskutiert, konkrete Absichtserklärungen und Zeitpläne kommuniziert. Das geht in die richtige Richtung. Jetzt kommt es auf die Umsetzung an. Im Bereich der Finanzverwaltung gibt es eine wirkliche Neuerung seit Anfang 2019. Mit der begleitenden Kontrolle (Horizontal Monitoring) wurde für Großunter-nehmen eine mittelfristige Alternative zur Betriebsprüfung geschaffen, die dem Ziel der Planungssicherheit Rechnung trägt. Verbunden mit einem begleitenden Steuerkontrollsystem wird das die Steuerplanung professionalisieren.

Welchen Herausforderungen muss sich Österreich in Zukunft stellen? Herbert Kovar: Die zentrale Herausforderung besteht darin, die eigene Wertschöpfung im Land zu fördern. Da Österreich auf die Besteuerung global erwirtschafteter Umsätze von Plattformen oder Konzernen kaum Einfluss hat, sollten wir uns auf eigene attraktive Rahmenbedingungen konzen-trieren. Wir brauchen Sophisticated Investors und dafür sehen wir vier einfach umsetzbare Hebel: Erstens die steuerliche Begünstigung von Innovationen – die Forschungsprämie hat einen positiven Effekt und könnte noch durch Patentboxen

mit halbem KÖSt-Satz ergänzt werden. Zweitens die steuerliche Förderung der notwendigen Fachkräfte, indem wirklich der Faktor Arbeit entlastet und eine breite digitale Ausbildung beispielsweise durch eine Bildungsprämie forciert wird. Drittens Investitionsbegünstigungen für die Beratung beim Aufbau und Schutz von Marken. Und viertens – wie vorhin angesprochen – einen reduzierten KÖSt-Satz von 19 % als Signal.

Deloitte Radar 2019 | Analyse der Standortfaktoren | Kosten

„Wir zielen auf Sophisticated Investors ab – dafür braucht es konkurrenzfähige Rahmenbe- dingungen samt neuer Anreize.“ Herbert Kovar | Tax & Legal

Wertschöpfung des 21. Jahrhunderts

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Auf dem Weg zu mehr Planungssicher-heit gehen die Steuerbehörden neue Wege. Seit Beginn dieses Jahres gibt es für Großunternehmen die Möglichkeit einer freiwilligen, begleitenden Kontrolle durch die Finanzverwaltung. Verena Gabler und Gisela Bogner sprechen im Interview über Potenziale und Herausforderungen von Horizontal Monitoring.

Was versteht man unter Horizontal Monitoring?Verena Gabler: Unter der Bezeichnung Horizontal Monitoring hat sich die Finanzverwaltung gemeinsam mit WKO, IV und KSW mit einer Innovation aus den Niederlanden beschäftigt. Ziel dieses Pilotprojektes war die Einführung einer neuen Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Steuerbehörden, die eine laufende, begleitende Kontrolle anstelle einer nachträglichen Betriebs-prüfung vorsieht.

Seit 1. Jänner 2019 kann man einen Antrag auf eine begleitende Kontrolle stellen. Eine zentrale Voraussetzung ist, ein begutachtetes Steuerkontroll-system (SKS) im Unternehmen etabliert zu haben. Es ist zu erwarten, dass die ersten Unternehmen ihren Antrag auf begleitende Kontrolle für das Veranlagungsjahr 2020 stellen werden.

Welchen Zweck verfolgt diese begleitende Kontrolle?Verena Gabler: Durch die zeitnahe Abstimmung der wesentlichen steuer-lichen Risiken mit der Finanzbehörde erhält das Unternehmen mehr Planungs- sicherheit. Das Risiko einer unvorher-gesehenen Steuerlast nach einer steuerlichen Außenprüfung wird entschärft. Es entfallen auch Risiken für nachträglich zu bildende Rückstellungen.

Gisela Bogner: Das neue Angebot für Großbetriebe baut auf drei Kernelementen auf: Erweiterte Offenlegungspflichten für das Unternehmen, laufender Austausch mit der Finanzbehörde und ein begutachtetes Steuerkontrollsystem.

Verena Gabler: Die Finanzverwaltung erwartet sich, dass viele größere Unternehmensgruppen ein internes System für die steuerliche Selbstkontrolle und damit mehr Transparenz aufbauen. Die Behörden können und wollen sich damit mittelfristig mehr Ressourcen für steuerliche Problemfälle freischaufeln.

Wie können sich Unternehmen darauf vorbereiten?Gisela Bogner: Ein wesentlicher Ausgangs- punkt ist die Einrichtung eines Steuer-kontrollsystems. Das bedeutet anfänglich einen Mehraufwand. Denn ausgehend von einer Analyse der bekannten steuer-relevanten Risiken und der bestehenden Dokumentation des SKS gilt es einen Soll-Zustand für das SKS zu definieren und die entsprechenden Lücken zu schließen. Durch die klare Regelung der Verantwortlichkeiten und die Definition der Prozesse legt das Unternehmen die Basis zur Reduktion finanzstrafrechtlicher Risiken und erhöht seine steuerliche Planungssicherheit.

Deloitte Radar 2019 | Analyse der Standortfaktoren | Kosten

„Wir zielen auf Sophisticated Investors ab – dafür braucht es konkurrenzfähige Rahmenbe- dingungen samt neuer Anreize.“ Herbert Kovar | Tax & Legal

„Die begleitende Kontrolle ermöglicht den Unternehmen mehr Planungssicherheit im Gegenzug für mehr Transparenz.“

Verena Gabler | Indirect Tax

„Ein wirksames Steuer-kontrollsystem unter-stützt beim proaktiven Management der steuer- lichen Risiken und Chancen – und reduziert Ineffizienzen in den internen Steuer-prozessen.“

Gisela Bogner | Tax Management Consulting

Trend zu kooperativer Tax Compliance

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Der im Herbst 2018 erfolgte Spatenstich für die Milliardeninvestition von Infineon am Standort Villach ist ein Paradebeispiel für das Zusammenspiel von unternehme-rischer Innovation und attraktiven Standort- bedingungen. Die Erhöhung der Forschungs- prämie 2018 von 12 % auf 14 % gilt als wichtiger Zukunftsimpuls. Die Forschungs-quote ist zuletzt auf rund 3,16 % des BIP angestiegen. In Summe wurden im vergangenen Jahr an die 12,3 Milliarden Euro für F&E aufgewendet, knapp die Hälfte davon wurde von Unternehmen finanziert. Das sind europaweite Spitzenwerte. Auch global gesehen liegt Österreich bei der Innovation im WEF-Ranking auf dem guten 15. Platz. Neben den hohen F&E-Ausgaben sowie der Nutzung von Patenten und Markenschutzrechten wird vor allem auch die große Zahl internationaler Forschungskooperationen positiv bewertet.

Industrie 4.0, AI, IoT und digitale Transformation sind die Schlagworte für zukünftige Wachstumstreiber. Die Voraussetzungen dafür sind eine moderne digitale Infrastruktur und entsprechende digitale Kompetenzen. In beiden Bereichen hat Österreich Aufholbedarf und liegt in allen relevanten Rankings lediglich im Mittelfeld. Im europäischen Vergleich – wie etwa beim European Innovation

Scoreboard – spielt das Land nur in der zweiten Liga. Ziel muss es aber sein, zu den größenmäßig vergleichbaren Innovation Leaders wie Schweden, Dänemark, Finnland oder den Nieder-landen aufzuschließen.

Weiteren Aufholbedarf gibt es nach wie vor in puncto Start-up-Kultur und den entsprechenden rechtlichen Rahmenbedingungen. Zudem mangelt es an Venture Capital für die wichtigen zweiten Finanzierungsrunden. Erst diese führen zu den erwarteten positiven volkswirtschaftlichen Effekten wie Investitionen und Arbeitsplätze.

Die Politik hat reagiert und Digitalisierung zu einer Top-Priorität erklärt. Die von der Bundesregierung neu gegründete Digitalisierungsagentur soll Digitalisierung auf allen Ebenen vorantreiben. Aber auch hier gilt: Digitalisierung ist eine Pflichtauf-gabe und nicht die Lösung selbst. Sie ermöglicht es den Unternehmen erst, an künftigen Wettbewerbsvorteilen zu arbeiten.

Der Deloitte Radar vergibt bei diesem Standortfaktor 4 von 5 möglichen Punkten (2018: 4 Punkte) mit gleichbleibendem Ausblick.

Deloitte Radar 2019 | Analyse der Standortfaktoren | Digitalisierung, Innovation, Forschung und Technologie

5. Digitalisierung, Innovation, Forschung und TechnologieForschungs-Champion Österreich: In den Bereichen Innovation, Forschung und Entwicklung hat sich das Land einen klaren Standortvorteil erarbeitet. Zahlreiche Hidden Champions sind Technologieführer in ihren Branchen, und das weltweit. Die Forschungsquote ist hoch und die Investitionen steigen. Noch nicht ganz so gut schneidet das Land beim Stand der Digitalisierung ab.

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Deloitte Radar 2019 | Analyse der Standortfaktoren | Digitalisierung, Innovation, Forschung und Technologie

Kooperation Wirtschaft und Wissenschaft

F&E Quote

Risikokapital

Staatliches Förderwesen

Anzahl Forscherinnen und Forscher bzw. Entwicklerinnen und Entwickler

Technologische Voraussetzungen

Innovationskraft der Unternehmen

Quellen: Global Competitiveness Index, World Competitiveness Index, Global Innovation Index, European Innovation Scoreboard

Dringender Handlungs- bedarf

Handlungs- bedarf

Gute Basis für notwendige Verbesserung

Standortvorteil mit Verbesse- rungspotenzial

Klarer Standortvorteil

Ausblick

Vorj

ahr

Aktu

ell

Digitalisierung, Innovation, Forschung und Technologie

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Die Digitalisierung ist seit Jahren in aller Munde. In der Vergangenheit wurde zwar viel über das Thema gesprochen, in der Umsetzung übten sich die Unternehmen aber noch in Zurückhaltung. Es stellt sich die Frage: Wie ist der Status quo in den heimischen Unternehmen? Beate Edl und Katrin Demelius sprechen im Doppelinterview über mögliche Stellschrauben und das richtige Mindset.

Wo steht Österreich im Bereich Digitalisierung im europäischen Vergleich?Beate Edl: Österreich setzt bei der Digitali- sierung andere Schwerpunkte als die meisten europäischen Länder. Während man laut Deloitte CIO Survey europaweit auf Digitalisierungsthemen mit einem stark kundenzentrierten Fokus rund um die Customer Journey baut und Themen wie Kundenbindung und Kundenwachstum vorantreibt, wird Digitalisierung in Österreich derzeit noch überwiegend als Mittel zur Kostensenkung und Effizienzsteigerung gesehen. Das bedeutet, dass heimische Unternehmen in ihren Digitalisierungs-bestrebungen noch stärker nach innen gerichtet sind und sich beispielsweise mit der Modernisierung von Bestands-systemen beschäftigen. Das ist zwar ein wichtiger Schritt. In weiterer Folge müssen

aber auch internationale Zukunftsthemen sowie Supportprozesse angegangen werden.

Katrin Demelius: Bisher verfügen die meisten Unternehmen noch über keine durchgängig digitalen Prozesse. Das zeigt sich gerade am Beispiel der elektronischen Rechnungen. Laut der Deloitte Studie „Automatisierung und Digitalisierung im Rechnungswesen“ werden zwar digitale Rechnungen ver- schickt und erhalten, strukturierte Formate haben sich aber noch nicht durchgesetzt. PDF gilt immer noch als eines der beliebtesten Rechnungsformate der Öster-reicherinnen und Österreicher. So können die Prozesse im Rechnungswesen aber nicht vollständig automatisiert werden. Es fehlt zum einen an entsprechenden Softwaretools, die nahtlose Übergänge zwischen bestehenden Insellösungen ermöglichen. Zum anderen mangelt es den Unternehmen auch oft an Know-how zur effektiven Nutzung von Digitalisierung.

Was ist hier im letzten Jahr Relevantes für den Standort passiert?Katrin Demelius: Unsere Analyse belegt: Große Unternehmen sind im Bereich Digitali- sierung derzeit noch besser aufgestellt als KMU. Doch gerade letztere machen einen Großteil der österreichischen Wirtschaft aus. Viele dieser kleineren Betriebe haben ein Problem mit der Skalierbarkeit digitaler Lösungen. Spezielle Förderprogramme

„Die heimischen Unternehmen müssen jetzt ins Tun kommen. Wir raten unseren Kundinnen und Kunden: Think big, start small, act fast.“ Beate Edl | Deloitte Digital

Deloitte Radar 2019 | Analyse der Standortfaktoren | Digitalisierung, Innovation, Forschung und Technologie

Österreichs Unternehmen zunehmend auf Digitalisierungskurs

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Deloitte Radar 2019 | Analyse der Standortfaktoren | Digitalisierung, Innovation, Forschung und Technologie

„Große Unternehmen sind bei der Digitalisierung derzeit noch besser aufgestellt als KMU. Förderprogramme setzen da an und können ressourcen-schwächeren Unternehmen die notwendige Unterstützung bieten.“ Katrin Demelius | Business Process Services

setzen genau da an und können gerade den ressourcenschwächeren Unternehmen die notwendige Unterstützung bieten.

Bei elektronischen Rechnungen bräuchte es vor allem von Seiten des Gesetzgebers klare Vorgaben. In Italien sind elektronische Rechnungen bereits verpflichtend und auch in anderen Länder beobachten wir ähnliche Entwicklungen. Österreich sollte hier rasch Standards vorgeben.

Beate Edl: Generell beobachten wir, dass viele Unternehmen im letzten Jahr ihre Haus- aufgaben gemacht und sich intensiv mit Digitalisierung auseinandergesetzt haben. Im Zuge dessen wurde dem Thema auch ein höherer Stellenwert eingeräumt. Es wurden spezifische Departments und Rollen geschaffen, die sich gezielt mit Digitalisierungs- agenden beschäftigen und diese voran-

treiben. Auch die Zusammenarbeit mit Technologie-Start-ups wird vermehrt als Möglichkeit gesehen, Innovationen ins Unternehmen einzubringen. Dieser Kurs sollte zielstrebig beibehalten werden.

Welchen Herausforderungen muss man sich künftig stellen?Beate Edl: Nachdem sich die heimischen Unternehmen eingehend mit Digitalisierung beschäftigt haben, müssen sie jetzt ins Tun kommen. Wir raten unseren Kundinnen und Kunden: Think big, start small, act fast. Das bedeutet, digitale Visionen und Strategien rasch zu verwirklichen, indem man erste Prototypen baut, um einen Feedback- und Lernprozess anzustoßen. Der Schritt weg von der Strategieentwicklung hin zur Umsetzung stellt aber sicherlich viele Unternehmen vor neue Herausforderungen. Denn dafür

braucht es auch eine Unternehmenskultur, die offen für Innovationen ist.

Katrin Demelius: Um eine neue Denk-weise im Unternehmen zu etablieren, ist die Einbindung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter essenziell. Potenzielle Ängste müssen ernst genommen und abgebaut werden. Gerade im Rechnungswesen kann sich Digitalisierung sehr positiv auswirken. Durch den anhaltenden Fachkräftemangel steigt der Workload für die Angestellten kontinuierlich an. Automatisierte Prozesse könnten deutlich entlasten. Doch digitale Lösungen alleine reichen nicht: Um die fehlenden Arbeitskräfte langfristig zu kompen- sieren, wird es in Zukunft immer wichtiger sein, Talente aus den eigenen Reihen aufzubauen und die gewünschten Skills bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aktiv zu fördern.

48 %

5 %1 %

In welchem Format versenden heimische Unternehmen Ausgangsrechnungen?

PapierPDFEDIFACTXMLExcel und Andere

43 %

3 %

Quelle: Deloitte Studie „Automatisierung und Digitalisierung im Rechnungswesen“

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Die österreichische Start-up-Szene entwickelt sich anhaltend positiv und kann im internationalen Vergleich immer besser mithalten. Warum die bisherigen Maßnahmen zur Unterstützung von Gründerinnen und Gründern jedoch unzureichend sind und was sich noch tun muss, erklärt Barbara Edelmann im Radar-Gespräch.

Wo liegt Österreich im Bereich Start-ups im Standortvergleich?Barbara Edelmann: Die österreichische Start-up-Szene hat sich in letzter Zeit sehr positiv weiterentwickelt und definitiv an Selbstbewusstsein sowie Professionalität zugelegt. Die große Abkühlung, über die vielerorts gemunkelt wurde, hat sich nicht eingestellt. Das Thema ist in der Gesell-schaft auf breiter Basis angekommen und mittlerweile sehr positiv besetzt. Auch im internationalen Vergleich hat Wien im vergangenen Jahr aufgeholt und wird vereinzelt sogar vor Berlin oder London verortet.

Diese Positivbeispiele überdecken aber zwei wesentliche Handlungsfelder, die wir in der Praxis sehen: Einerseits fehlen mögliche Anschlussfinanzierungen, um nach der ersten Phase die Expansion zu ermöglichen. Andererseits mangelt es vielfach an qualifizierten Fachkräften.

Welche Entwicklungen waren in den letzten Jahren für Start-ups relevant?Barbara Edelmann: Von Seiten der Politik gibt es viele gute Ideen, um Start-ups das Leben zu erleichtern. In der Gesamt-betrachtung handelt es sich aber um

einen Fleckerlteppich an Mikromaß-nahmen. Die echte Zukunftsvision ist nicht zu erkennen und die große Reform lässt noch auf sich warten.

Ein gutes Beispiel dafür ist das Deregulierungsgesetz 2017, das die e-Gründung von GmbHs zwar ermöglicht hat, aber doch in sehr engen Grenzen hält. Folglich wurden die Vereinfachungen auf nicht einmal 4 % der 2018 gegründeten GmbHs angewendet. Für Start-ups scheidet die e-Gründung vielfach aus, da es sich oft um Gründungs-Teams handelt und eine e-Gründung bei mehr als einer Person in Gesellschafterfunktion nicht zulässig ist.

Zudem sind wir mit einer Vielzahl von Ankündigungen konfrontiert, deren konkrete Umsetzung noch ungewiss ist. Nach der im Jahr 2017 nach wenigen Monaten wieder abgeschafften Risiko-kapitalprämie sollen nun abermals steuerliche Anreize für Investitionen in Start-ups geschaffen werden. Details sind aber noch nicht bekannt. Es bleibt zu hoffen, dass sich diese an den Bedürfnissen der Start-ups und deren Investorinnen und Investoren orientieren werden.

Wo besteht künftig noch Nachholbedarf? Barbara Edelmann: Das kreative Potenzial der Gründerinnen und Gründer sowie die Innovationsfreude der Start-up Community sind beachtlich. Entgegen der gängigen Klischees vom „gemütlichen Österreich“ ist unsere Erfahrung aus der Zusammenarbeit mit Start-ups eine

Selbstbewusstsein der heimischen Start-ups nimmt zu

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andere. Sie sind extrem agil, nehmen globale Trends rasch auf und mischen nicht selten sogar an der Spitze dieser Entwicklungen mit. Offenbar setzen sich hier die Learnings aus der „Old Economy“ fort, denn nicht umsonst ist Österreich das Land der Hidden Champions mit einem starken Fokus auf exportorientierte Produkte. Der Unternehmergeist ist da und die Arbeitskräfte sind fleißig, loyal und packen an – sie warten nicht auf politische Maßnahmen.

Leider wandern allerdings viele erfolgreiche Projekte ins Ausland ab, sobald es um relevante Wachstumsfinanzierungen oder IPOs geht und eine signifikante Anzahl hochqualifizierter Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter rekrutiert werden muss. In der Frühphase ist Österreich mit Förderungen aus Steuergeldern sehr großzügig, kann die Headquarters aber in späteren Phasen oftmals nicht am Standort halten. Das ist im Ergebnis doppelt bitter.

Wir müssen darauf achten, dass die Talente am Standort motiviert und positiv bleiben, um sie auch langfristig halten zu können. Außerdem muss sich im regulativen Bereich, insbesondere bei der Finanzmarktaufsicht, einiges bewegen. Das ist eine Grundvoraussetzung, um als Standort für FinTech Start-ups relevant zu bleiben. Die Schaffung von Regulatory Sandboxes ist begrüßenswert. Das hätte jedoch schon vor zehn Jahren erfolgen müssen – wir sollten proaktiv und nicht reaktiv sein.

„In der Frühphase ist Österreich mit Förderungen aus Steuergeldern sehr großzügig, kann die Head-quarters der Start-ups aber in späteren Phasen oftmals nicht am Standort halten.“Barbara Edelmann | Tax

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Die Automobilbranche unterliegt weltweit einem massiven Wandel. Trends wie autonomes Fahren oder vernetzte Fahrzeuge beschäftigen auch die Zulieferindustrie am Standort Österreich. Matthias Kunsch über Herausforderungen, die der Wandel im Automotive-Bereich mit sich bringt.

Wie soll die Automobilbranche auf aktuelle Entwicklungen reagieren?Matthias Kunsch: Die wichtigste Aufgabe ist aktuell, die Konsumentinnen und Konsumenten vom Nutzen und der Sicherheit der neuen Technologien wie autonomes Fahren oder Connected Vehicles zu überzeugen. Denn nur wenn es eine entsprechende Kaufbereitschaft am Markt gibt, rechnen sich die hohen Investitionen auf Herstellerseite. Bei den vernetzten Fahrzeugen herrscht vor allem in Österreich noch jede Menge Aufholbedarf. Laut aktueller Global Automotive Consumer Study ist rund die

Hälfte der heimischen Konsumentinnen und Konsumenten nicht bereit, für vernetzte Technologien mehr zu bezahlen. Das kann langfristig zu einem erhöhten Margendruck bei den Autoherstellern führen.

Beim autonomen Fahren wirken sich vor allem die Sicherheitsbedenken negativ aus. In Österreich halten 43 % selbstfahrende Autos noch für unsicher. Diese Skepsis beobachten wir auch im restlichen Europa. Das liegt zum einen an negativen Medienberichten, zum anderen aber auch an den fehlenden Erfahrungswerten.

Die Automobilbranche ist deshalb ge- fordert, die Vorteile der neuen Technologien klar zu kommunizieren und mit Fakten zu punkten. Neugierig sind die meisten Befragten immerhin schon: 59 % der heimischen Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer würden prinzipiell gerne einmal in einem selbstfahrenden Auto sitzen.

Deloitte Radar 2019 | Analyse der Standortfaktoren | Digitalisierung, Innovation, Forschung und Technologie

Die Automobilbranche unter Zugzwang

43% der österreichischen Befragten sind der Meinung, dass autonomes Fahren unsicher ist.

Italien Frankreich Österreich Deutschland UK

29%36%

47% 48%43%

Quelle: Deloitte Global Automotive Consumer Study 2019

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Welche Rahmenbedingungen müssen geschaffen werden, damit die neuen Trends sich durchsetzen können?Matthias Kunsch: Damit sich vor allem autonomes Fahren am Markt etablieren kann, braucht es primär die Unterstützung der Behörden. Denn Sicherheitskontrollen und entsprechende Rahmenbedingungen gelten laut Deloitte Studie als wirksamste Mittel gegen Sicherheitsbedenken. In Österreich wünschen sich 85 % der Befragten eine umfassende Kontrolle durch die Regierungsbehörden hinsichtlich der Entwicklung und Benutzung autonomer Fahrzeuge.

Die Rolle der Behörden wird vor dem Hintergrund des sinkenden Vertrauens in traditionelle Hersteller immer wichtiger. Diese müssen verstärkt an ihrem Image und ihrer Vertrauenswürdigkeit arbeiten. Derzeit sind herkömmliche Autohersteller nur für 28 % der heimischen Befragten die vertrauenswürdigste Wahl. Die neuen Anbieter aus dem Tech-Bereich werden hingegen immer stärker. Sogar in Deutschland lässt sich diese Entwicklung beobachten – und das, obwohl das Vertrauen in die klassischen Hersteller traditionsbedingt sehr hoch ist. Während 2017 noch 51 % der Deutschen den klassischen Autoherstellern vertraut haben, sind es aktuell nur mehr 33 %. Das sollte die Branche als Weckruf verstehen.

Deloitte Radar 2019 | Analyse der Standortfaktoren | Digitalisierung, Innovation, Forschung und Technologie

„Die Automobilbranche ist gefordert, die Vorteile der neuen Technologien klar zu kommunizieren und mit Fakten zu punkten.“ Matthias Kunsch | Automotive

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Deloitte Radar 2019 | Analyse der Standortfaktoren | Verfügbarkeit von Arbeitskräften

6. Verfügbarkeit von Arbeitskräften

Erfreulich ist die Trendwende am Arbeits-markt. Seit rund einem Jahr sinkt die Arbeitslosenrate leicht, dennoch waren Ende 2018 über 370.000 Menschen ohne Job. Dem gegenüber steht ein bereits chronischer Fachkräftemangel. Qualifikation ist ein wesentlicher Schlüssel, aber auch mehr Chancengleichheit sowie eine aktive, seriöse Migrationspolitik sind dringend notwendig, um diesem Trend entgegen zu wirken.

Mit dem neuen Gesetz zur Arbeitszeit-flexibilisierung, das seit September 2018 tägliche und wöchentliche Höchstarbeits-zeiten von 12 bzw. 60 Stunden ermöglicht, wurde eine langjährige Forderung der Wirtschaft umgesetzt. Das ist aus Unter-nehmenssicht positiv zu bewerten. Dadurch wird es vor allem für die exportorientierte Industrie möglich, flexibler auf Auftragsspitzen zu reagieren und wettbewerbsfähig zu bleiben. Das Gesetz wurde gegen großen Widerstand der Organisationen seitens der Arbeit-nehmerinnen und Arbeitnehmer durch- gesetzt. Es bleibt abzuwarten, wie sehr das die Konfliktbereitschaft der Sozial-partnerschaft beeinflusst hat.

Das duale Ausbildungssystem wird in den internationalen Rankings als vor- bildlich hervorgehoben, das Qualifika-tionsniveau gilt als hoch. Auch der universitäre Sektor entwickelt sich positiv. Die zusätzlichen finanziellen Mittel und ein studienplatzorientiertes Finanzierungsmodell waren dringend notwendig und können den Universitäten einen neuen Schub bringen. Aktuelle Hochschul-Rankings zeigen bei diesem Thema einen leichten Trend nach oben.

Die größte Herausforderung hat das Land weiterhin im schulischen Bereich und ganz besonders in der Elementarbildung zu stemmen. Leider wurde in diesem wichtigen Feld oft zu ideologisch diskutiert und Bildung zu häufig „vererbt“. Damit verknüpft sind wichtige Themen wie Teilzeitfalle und Chancengleichheit, digitale Kompetenzen oder Fachkräftemangel. In diesen Punkten hat Österreich weiterhin Handlungsbedarf.

Der Deloitte Radar sieht hier einen deutlichen Schwachpunkt und vergibt bei diesem Standortfaktor 2 von 5 möglichen Punkten (2018: 2 Punkte) bei gleichbleibendem Ausblick.

Fachkräftemangel, Arbeitslosigkeit, Bildung und Flexibilisierung – das sind die zentralen Themen. Während die Arbeitslosigkeit tendenziell sinkt, klagen die Unternehmen europaweit über große Schwierigkeiten bei der Suche nach ausreichend qualifiziertem Personal. Das Bildungssystem schafft es nach wie vor nicht, mit der Entwicklung Schritt zu halten. Auch bei der Chancengleichheit ist Österreich kein Vorreiter.

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Deloitte Radar 2019 | Analyse der Standortfaktoren | Verfügbarkeit von Arbeitskräften

Bildung

Weiterbildung

Flexibilität des Arbeitsmarktes

Chancengleichheit

Arbeitsleistung

Attraktivität für Arbeitskräfte

Quellen: Global Competitiveness Index, World Competitiveness Index, Social Progress Index

Dringender Handlungs- bedarf

Handlungs- bedarf

Gute Basis für notwendige Verbesserung

Standortvorteil mit Verbesse- rungspotenzial

Klarer Standortvorteil

Ausblick

Vorj

ahr

Aktu

ell

Verfügbarkeit von Arbeitskräften

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Deloitte Radar 2019 | Analyse der Standortfaktoren | Verfügbarkeit von Arbeitskräften

„Unternehmen müssen sich von der Idee der 'fertigen' Arbeits- kraft lösen. Denn gerade vor dem Hintergrund des digitalen Wandels ist lebenslanges Lernen eine Grund-voraussetzung für erfolgreiche Karrierewege.“Christian Havranek | Human Capital

Die neue Arbeitswelt als Chance begreifen

Digitalisierung, Fachkräftemangel und ein zunehmender „War for Talents“ – die österreichischen Unternehmen müssen sich in einer immer schneller wandelnden Arbeitswelt behaupten. Wie kann das gelingen? Christian Havranek und Anna Nowshad zeigen im Radar- Interview konkrete Lösungsansätze auf.

Wie sieht es aktuell am österreichischen Arbeitsmarkt aus?Christian Havranek: Der Fachkräfte-mangel ist in aller Munde. Aber den einen großen Fachkräftemangel gibt es nicht. Dementsprechend gibt es auch nicht die eine Lösung. Vielmehr haben wir es mit mehreren Fachkräftemängeln in verschiedenen Branchen zu tun, mit unterschiedlichen Ursachen und Herausforderungen. Wir müssen Segment für Segment durchleuchten, um die jeweils passenden Lösungen erarbeiten zu können.

Diese Herangehensweise zahlt sich aus. Im Tourismus kann man bereits erste positive Entwicklungen erkennen. Laut AMS-Bericht ist die Zahl der Arbeitslosen in der Tourismusbranche im Vergleich zum Vorjahr deutlich zurückgegangen und lag Ende Jänner 2019 bei 35.475 Personen. Gezielte Beratungsprogramme wie die vom AMS geförderte Impulsberatung zeigen Wirkung. Hier wird gemeinsam mit betroffenen Unternehmen an maßgeschneiderten Lösungen gearbeitet.

Generell beobachten wir in den vergangenen Monaten eine leichte

Verbesserung der Arbeitslosensituation in Österreich. Eine Personengruppe bleibt davon jedoch weitgehend unberührt: Im Bereich der älteren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer greift diese positive Entwicklung nicht. Damit bleibt eine Menge an wertvollem Potenzial ungenutzt. Unter- nehmen müssen da dringend umdenken: Vom Problemfall zum Asset lautet die Devise.

Anna Nowshad: Die aktuelle Deloitte Studie „Voice of the Workforce in Europe“ gibt diesem Ansatz recht. Ältere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bringen den Unternehmen eine Reihe an Vorteilen: Sie sind zufriedener und wissen eher, wo ihre Stärken liegen, als Jüngere. Außerdem sind sie deutlich eher dazu bereit, in flexiblen Beschäfti-gungsverhältnissen zu arbeiten. Darauf können Unternehmen im Zeitalter von Gig Economy und Flexible Working aufbauen. Welche Herausforderungen bringt die Veränderung der Arbeitswelt für die Unternehmen mit sich?Anna Nowshad: In vielen Unternehmen entsteht im Arbeitsalltag eine Gleichzeitig-keit unterschiedlicher Geschwindigkeiten und Zielsetzungen. Einerseits gilt es, das Kerngeschäft am Laufen zu halten und damit möglichst viel Profit zu erzielen. Andererseits muss man Innovationen vorantreiben, Digitalisierung als neue Realität verinnerlichen und bisherige Arbeitsweisen hinter sich lassen. Das ist keine leichte Aufgabe.

Außerdem müssen Unternehmen erkennen, dass der Weg, der sie zu ihrem heutigen Erfolg geführt hat, nicht derselbe sein wird wie der, mit dem sie

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künftig erfolgreich sein werden. Der ständige Wandel, sich verändernde Rahmenbedingungen und neue Zielgruppen sowie Marktteilnehmerinnen und -teilnehmer erfordern ein radikales Umdenken. Digitalisierung und Innovation müssen Teil der Unternehmensstrategie werden und auch von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mitgetragen werden.

Wie kann unter diesen Voraussetz-ungen konstruktiv gehandelt werden? Christian Havranek: Unternehmen müssen sich von der Idee der „fertigen“ Arbeitskraft lösen. Denn gerade vor dem Hintergrund des digitalen Wandels ist lebenslanges Lernen eine Grundvoraus-setzung für erfolgreiche Karrierewege. Somit sollten potenzielle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht aufgrund ihrer Ausbildung bewertet werden, sondern vor allem auf Basis ihrer Kompetenzen. Denn Jobs werden sich künftig immer schneller

und stärker verändern. Unternehmen sollten bei Bewerberinnen und Bewerbern nicht nach der exakten Erfüllung eines Jobprofils suchen, sondern nach dem richtigen Bündel an Kompetenzen, Skills und Potenzial. Es braucht einen grundsätzlichen Perspektivenwechsel hin zu einer Kompetenzorientierung.

Anna Nowshad: Es ist offensichtlich: Es verändern sich nicht nur Arbeitsweisen und Geschwindigkeiten, sondern es braucht auch neue Strategien zum Umgang mit dem Fachkräftemangel. Gerade bei den Zielgruppen, die man für sich gewinnen möchte, ist ein Blick über den Tellerrand empfehlenswert. Unternehmen, die bereit sind, für gewisse Jobs über traditionelle Zielgruppen hinauszudenken und gleichzeitig die Bedürfnisse der Talente kennen, haben einen deutlichen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen.

Deloitte Radar 2019 | Analyse der Standortfaktoren | Verfügbarkeit von Arbeitskräften

„In vielen Unternehmen entsteht eine Gleichzeitigkeit unterschiedlicher Geschwindigkeiten und Zielsetzungen. Einerseits gilt es, das Kerngeschäft am Laufen zu halten. Andererseits muss man Innovationen vorantreiben und bisherige Arbeitsweisen hinter sich lassen.“Anna Nowshad | Human Capital

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Diverse Teams machen aus vielerlei Gründen Sinn. Für Unternehmen bringen die unterschiedlichen Zugänge nachweislich einen Mehrwert, der sich positiv auf den Unternehmenserfolg auswirken kann. Warum Frauen aber gerade in Führungsetagen nach wie vor eine Seltenheit darstellen und wo hier angesetzt werden muss, erklären Gundi Wentner und Elisa Aichinger im Radar-Interview.

Wird das Arbeitskräftepotenzial am Standort Österreich bereits voll ausgeschöpft? Gundi Wentner: Unsere Beobachtungen zeigen ein wenig zufriedenstellendes Bild: Trotz vielfach beklagtem Fachkräftemangel bleibt jede Menge Potenzial am Arbeits-markt ungenutzt. Es scheint so, als ob viele Unternehmen bei der Suche nach geeigneten Arbeitskräften Scheuklappen tragen würden. Dieser Eindruck entsteht vor allem hinsichtlich der Besetzung von leitenden Positionen. Frauen sind in Führungs- und Entscheidungsfunktionen deutlich unterrepräsentiert. Im mittleren Management machen sie lediglich einen Anteil von 15 % aus, auf Vorstandsebene

nur 5 %. Und das, obwohl 93 % der Unternehmen in einer aktuellen Deloitte Umfrage davon überzeugt sind, dass Frauen in Führungspositionen einen Wettbewerbsvorteil darstellen. Hier klaffen Theorie und Praxis auseinander.

Elisa Aichinger: Unternehmen mit geschlechtergemischten Führungsteams bringen nachweislich eine bessere Performance. Die Tatsache, dass Frauen in leitender Funktion von den heimischen Betrieben als Wettbewerbsvorteil gesehen werden, beweist aber: Diversität gehört hierzulande noch nicht zur Normalität. Ein Haupthindernis ist das Fehlen von messbaren Zielen. Erst 28 % der Unternehmen haben konkrete Ziele zur Erhöhung des Frauenanteils formuliert. Gleichzeitig glauben aber 84 % an deren Notwendigkeit. Diese Diskrepanz muss beseitigt werden.

Haben denn Frauen in österreichischen Chefetagen dieselben Chancen wie ihre männlichen Kollegen?Gundi Wentner: Dazu liegen uns ernüchternde Zahlen vor. Nur 21 % der Befragten gehen laut Deloitte Umfrage

von einer generellen Chancengleichheit von Frauen und Männern im eigenen Unternehmen aus. Bei mehr als der Hälfte gilt die Vollzeitbeschäftigung als Grundvoraussetzung für dieselben Karrierechancen. Viele Frauen gehen aber aufgrund ihrer traditionellen Rolle innerhalb der Familie einer Teilzeitbe-schäftigung nach. Denn Kinderbetreuung ist hierzulande offenbar noch immer die Aufgabe der Frau.

Elisa Aichinger: In der Umfrage werden die erschwerte Vereinbarkeit von Familie und Beruf, konservative Rollenbilder und schlechte Rahmenbedingungen bei Kinderbetreuung und Ganztagsschul-angeboten am häufigsten als Hürden für Frauenkarrieren genannt. Die daraus resultierende Teilzeitfalle hindert die Frauen beim beruflichen Aufstieg. Doch nicht nur das Rollenverständnis ist hierzulande veraltet. Auch in puncto Leistung hält man an traditionellen Werten fest. Wir beobachten in Österreich nach wie vor eine sehr ausgeprägte Präsenz- und Meetingkultur. Berufliche Leistung wird oft an die physische Anwesenheit im Unternehmen geknüpft.

Ein weiter Weg zur Chancengleichheit

Deloitte Radar 2019 | Analyse der Standortfaktoren | Verfügbarkeit von Arbeitskräften

„Die Einflussmöglichkeiten der Wirtschaft beim Thema Gleichstellung sind beachtlich. Viel zu oft werden Karrierehürden aber lediglich auf gesellschaftlicher oder individueller Ebene gesehen.“ Gundi Wentner | Human Capital

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Wie kann Österreich im Bereich Diversity aufholen? Elisa Aichinger: Um Defizite auszu-gleichen braucht es Maßnahmen sowohl auf struktureller als auch auf unternehmerischer Ebene. Unter die strukturellen Rahmenbedingungen fallen etwa das Angebot an Ganztagsschulen sowie flächendeckender, umfassender Kinderbetreuung und Anreizsysteme, um sich Karenz und Elternteilzeit zwischen Mutter und Vater zu teilen. Die Unternehmen wiederum müssen sich von der vorherrschenden Präsenzkultur lösen und – wenn jobtechnisch möglich – mehr zeitliche und örtliche Flexibilität erlauben.

Gundi Wentner: Die Einflussmöglichkeiten der Wirtschaft beim Thema Gleichstellung sind beachtlich. Viel zu oft werden Karrierehürden für Frauen aber lediglich auf gesellschaftlicher oder individueller Ebene gesehen. Dabei tragen gerade die Unternehmen als Arbeitgeber eine große Verantwortung. Laut unserer Umfrage ist dieses Bewusstsein mittlerweile bei vielen vorhanden. Um bloßen Lippenbekenntnissen jetzt auch Taten folgen zu lassen, müssen die Unternehmen langfristig konkrete Ziele formulieren und konsequent an deren Einhaltung arbeiten. Nur so kann Chancengleichheit in Österreichs Unternehmen zum Durchbruch verholfen werden.

Deloitte Radar 2019 | Analyse der Standortfaktoren | Verfügbarkeit von Arbeitskräften

„Frauen in leitender Funktion werden von heimischen Betrieben als Wettbewerbsvorteil gesehen. Das beweist: Diversität gehört hierzulande noch nicht zur Normalität.“ Elisa Aichinger | Human Capital

Stimme zuStimme eher zuStimme eher nicht zuStimme nicht zu

Um den Frauenanteil in den obersten Führungsebenen zu erhöhen, muss man sich messbare Ziele setzen.

31 %

53 %

11 %

5 %

Haben österreichische Unternehmen messbare Ziele eingeführt, um den Frauenanteil zu erhöhen?

JaNeinKeine Angabe

59 %

28 %

13 %

Quelle: Deloitte Umfrage „Frauen und Führung“

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Deloitte Radar 2019 | Analyse der Standortfaktoren | Verfügbarkeit von Arbeitskräften

ArbeitszeitflexibilisierungSeit 1. September 2018 ist die Arbeitszeitrechtsnovelle in Kraft. Die Auswirkungen im Hinblick auf die damit verbundene, schon lange von vielen Expertinnen und Experten geforderte Arbeitszeitflexibilisierung werden wohl erst im Laufe dieses Jahres zu spüren sein. Hier die wichtigsten Fakten im Überblick.

Fact 1: Ausweitung der Ausnahmen

Neben leitenden Angestellten sind nahe Angehörige der Arbeitgeberin bzw. des Arbeitgebers und sonstige Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, denen maßgebliche selbständige Entscheidungsbefugnis übertragen ist, unter bestimmten Voraussetzungen vom Geltungsbereich des Arbeitszeit- und Arbeitsruhegesetzes ausgenommen. Mangels einschlägiger Judikatur ist nicht abschließend geklärt, welche Arbeit- nehmerinnen und Arbeitnehmer konkret darunter fallen. Das ist vor allem dann relevant, wenn gesetzliche Höchstarbeitszeitgrenzen überschritten werden und den Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern Verwaltungsstrafen drohen.

Fact 2: Arbeiten an Wochenenden und Feiertagen

Wochenend- und Feiertagsarbeit ist mittels Betriebs- oder Einzel- vereinbarung eingeschränkt zulässig. Diese Gestaltungsmöglichkeit wird bisher vor allem in der Beratungs- und Finanzdienstleistungsbranche genutzt, um einen reibungslosen Ablauf in Zeiten mit vorübergehend auftretendem besonderem Arbeitsbedarf zu ermöglichen.

Fact 3: Ausdehnung der Normalarbeitszeit

In Gleitzeitvereinbarungen ist eine Verlängerung der täglichen Normal- arbeitszeit auf bis zu 12 Stunden zulässig, wenn Zeitguthaben ganztägig verbraucht werden kann und ein Verbrauch in Zusammenhang mit einer wöchentlichen Ruhezeit nicht ausgeschlossen ist. Bestehende Gleitzeitvereinbarungen werden von den Neuregelungen nicht berührt. Daher überlegen viele Unternehmen derzeit, die Gleitzeitvereinbarungen neu zu gestalten, um von der Ausdehnungs- möglichkeit der Normalarbeitszeit Gebrauch machen zu können.

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Deloitte Radar 2019 | Analyse der Standortfaktoren | Verfügbarkeit von Arbeitskräften

Arbeitszeitflexibilisierung

„Bisher haben sich die heimischen Unternehmen im Zusammenhang mit den neuen Bestimmungen eher zurückhaltend gezeigt. Sollte es zukünftig zu einer Anwendung der neuen Gestaltungsmöglichkeiten kommen, gilt es die gesetz- lichen Bestimmungen zu beachten.“ Stefan Zischka | Deloitte Legal

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Deloitte Radar 2019 | Analyse der Standortfaktoren | Lebensqualität

7. Lebensqualität

Die Lebenszufriedenheit ist in Österreich traditionell sehr hoch. Die Menschen sind stolz auf ihr Land, die schöne Natur und die kulturellen Einrichtungen. Der Wohl- stand wächst, das Gesundheitssystem gehört zu den besten der Welt. Die Lebens-erwartung ist hoch und das Sozialsystem hervorragend ausgebaut. Dieses Umfeld zieht nicht nur Millionen Touristinnen und Touristen an, sondern wird auch von internationalen Unternehmen, Führungs-personen und Fachkräften geschätzt. Unter anderem wird die Bundeshauptstadt Wien immer wieder unter den lebenswertesten Großstädten der Welt gerankt – in der Studie von Mercer bereits seit zehn Jahren sogar auf dem ersten Platz.

Die hohe Lebensqualität ist ein zentraler Wettbewerbsvorteil für den Standort Österreich. Sie sollte aber keinesfalls als Komfortzone missverstanden werden.

Auch die Vorreiterrolle Österreichs im Umweltbereich ist nicht mehr selbst-verständlich. Der CO2-Ausstoß steigt, obwohl er im Einklang mit den Klima- zielen sinken sollte.

Der Bodenverbrauch ist zu hoch, der Treibhauseffekt belastet die Land- und Forstwirtschaft und kostet jährlich Millionen. Der Sozialstaat steht vor einem größeren Umbau, etwa bei der Mindest- sicherung und der Arbeitslosenver-sicherung. Im Gesundheitssystem ist der Reformstau enorm, das Pensionssystem gilt als langfristig nicht mehr finanzierbar.

In all diesen Bereichen kommt es zum Teil zu Zielkonflikten, die sich in einer stärkeren gesellschaftlichen Polarisierung manifestieren. Das kann die erfolgreiche Konsenskultur und den sozialen Zusam-menhalt nachhaltig schwächen. Hier gilt es, achtsam zu sein und gegenzusteuern – denn Stärken sollten Stärken bleiben.

Der Deloitte Radar vergibt bei diesem Standortfaktor 4 von 5 möglichen Punkten (2018: 4,5 Punkte) mit gleichbleibendem Ausblick.

In Österreich lässt es sich sehr gut leben. Das zeigen alle Rankings und ist seit Jahrzehnten ein wichtiger Standortvorteil. Wohlstand, Sicherheit, eine intakte Umwelt sowie ein anregendes soziales und kulturelles Umfeld werden sowohl von den Österreicherinnen und Österreichern als auch von internationalen Gästen geschätzt.

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Lebenszufriedenheit

Sicherheit

Gesundheitswesen

Verfügbares Einkommen

Umwelt

Zivilengagement und sozialer Zusammenhalt

Quellen: Global Competitiveness Index, World Competitiveness Index, World Happiness Index, Social Progress Index, Statistik Austria

Dringender Handlungs- bedarf

Handlungs- bedarf

Gute Basis für notwendige Verbesserung

Standortvorteil mit Verbesse- rungspotenzial

Klarer Standortvorteil

Ausblick

Vorj

ahr

Aktu

ell

Lebensqualität

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„Die positive Wirtschafts-entwicklung und das anhaltend niedrige Zinsniveau erleichtern es den Tourismusunternehmen, ihr Qualitätsniveau zu halten oder zu erhöhen.“ Andreas Kapferer | Tourismus

Die Stimmung unter Österreichs Tourismusbetrieben ist überwiegend positiv. Das bestätigt eine Studie von Deloitte und der Österreichischen Hoteliervereinigung. Doch welche Entwicklungen und Hürden prägen den Tourismus aktuell? Andreas Kapferer gibt im Interview Einblicke in eine erfolgreiche und wandlungsfähige Branche.

Wie geht es dem Tourismus als Wirtschaftsfaktor am Standort Österreich?Andreas Kapferer: Trotz vieler Heraus-forderungen bewegt sich der heimische

Tourismus auf gewohnt hohem Niveau. So liegt zum Beispiel das Tourismusjahr 2017/18 im langfristigen Vergleich an erster Stelle. Auch der Winter 2018/19 hat sich gut entwickelt und der Großteil der Tourismusbetriebe wird auch diese Saison mit einem guten Ergebnis abschließen. Die extremen Schneefälle Anfang 2019 haben allerdings zu Rückgängen im Vergleich zum Vorjahr geführt. Auch der späte Ostertermin ist für den Wintertourismus eher nachteilig. Alles in allem ist die Situation aber zufriedenstellend: Die Tourismusbranche bleibt einer der bedeutendsten Wirtschaftszweige am heimischen Standort.

Der heimische Tourismus: Ein bedeutender Erfolgsfaktor des Wirtschaftsstandortes

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Welche aktuellen Herausforderungen beschäftigen die Tourismusbetriebe? Andreas Kapferer: Ein Bereich bereitet den Touristikerinnen und Touristikern besonderes Kopfzerbrechen: Die Personalsituation ist und bleibt angespannt. Es fehlt nicht nur an Facharbeitskräften, es ist auch schwierig ausreichend Hilfskräfte wie etwa Seilbahn-bedienstete zu finden. Zwar trifft der Fach- kräftemangel die gesamte Wirtschaft, in der personalintensiven Tourismusbranche ist er aber besonders spürbar. Laut Tourismus-barometer 2018 von Deloitte und ÖHV musste bereits fast ein Drittel der befragten Tourismusunternehmen das Angebot auf- grund unbesetzter Stellen zurückschrauben. Eine große Herausforderung ist auch die Erhaltung der Wertschöpfung – vor allem in der Hotellerie. Denn gerade in der Sommersaison besteht hoher Preisdruck, gleichzeitig steigen die Personalkosten weiterhin stark.

Gab es im letzten Jahr Entwicklungen, die sich auf die Tourismusbranche ausgewirkt haben?Andreas Kapferer: Insgesamt verzeichnen wir positive Entwicklungen am Standort. Mit der Rückführung des Umsatzsteuer-satzes von 13 % auf 10 % für Beherber- gungsleistungen ist die Regierung dem Tourismus entgegengekommen.

Auch die Flexibilisierung der Arbeits- zeit durch Einführung des 12-Stunden-Tages hat die Führung von Tourismus-

betrieben erleichtert. Die positive Wirtschaftsentwicklung im vergangenen Jahr und das derzeit noch anhaltende niedrige Zinsniveau erleichtern es den Unternehmen zusätzlich, ihr Qualitätsniveau zu halten oder zu erhöhen.

Welche Trends und zukünftigen Entwicklungen werden die Branche prägen?Andreas Kapferer: Tourismusbetriebe in Österreich sind gefordert, die Wert-schöpfung zu steigern. Die gezielte Erhöhung der Qualität, der Preise und der Auslastung ist dafür essenziell. Zugleich müssen die Kosten aktiv gesteuert werden. Dabei geht es nicht nur um Personalkosten, sondern auch um die steigenden Anteile und die zunehmende Relevanz der Buchungsplattformen in der Hotellerie. Außerdem gilt nach wie vor: Je besser sich Betriebe und Regionen auf Zielgruppen ausrichten, desto erfolgreicher sind sie. Hier muss die Branche verstärkt Schwerpunkte setzen.

Des Weiteren sind österreichische Tourismusunternehmen attraktiv für in- und ausländische Investorinnen und Investoren. Nicht nur in der Stadthotellerie, auch in der Ferienhotellerie ist hohe Investitionsbereitschaft zu beobachten – wobei sich dieser Trend vorrangig auf die Topdestinationen konzentriert.

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Das heimische Gesundheitswesen im Wandel

Österreich kann im Gesundheits-bereich sowohl im europäischen als auch im globalen Vergleich punkten. Die aktuelle Herausforderung besteht darin, diese Spitzenposition zu halten und gleichzeitig die Finanzierbarkeit zu gewährleisten. Mit Reformen und Aktivitäten im Gesundheitswesen wird versucht, diesen Spagat vor dem Hintergrund des digitalen Wandels zu meistern. Patrick Schöggl erklärt, wie die aktuelle Situation aussieht und worauf in den nächsten Jahren der Fokus liegen muss.

Wo steht das österreichische Gesund-heitswesen im internationalen Vergleich?Patrick Schöggl: Das heimische Gesund-heitssystem bewegt sich seit Jahren im weltweiten Spitzenfeld. Ausschlaggebend dafür ist der sehr niederschwellige Zugang zu allen Versorgungsebenen und eine nahezu vollständige Abdeckung aller Bürgerinnen und Bürger durch das öffent-liche Gesundheitswesen. In Österreich bekommen alle die Behandlung, die sie benötigen – unabhängig von Einkommen oder sozialem Status. Selbiges gilt für die Versorgung mit Medikamenten und Hilfsmitteln.

Aus struktureller Perspektive fällt auf, dass Österreich nach wie vor eine hohe Dichte an Akutspitälern und Spitalbetten aufweist. Dementsprechend gibt es seit Jahren Struktur- und Spitalsreformen, die eine Reduktion der Standorte und Betten sowie die Konzentration der medizinischen Leistungsangebote zum Ziel haben. Der primärversorgende Bereich und nachver-sorgende Strukturen sind hingegen eher

eine zunehmende Engpassressource. Insbesondere angesichts des Trends, immer mehr Leistungen aus der akuten Spitalsver- sorgung in den ambulant-niedergelassenen sowie nachversorgenden Bereich zu ver- schieben, sollte das Angebot an Ordinationen und Langzeitbetreuung dringend ausge-baut werden.

Was ist hier zuletzt Relevantes für den Standort passiert?Patrick Schöggl: Die Strukturreformen der letzten Jahre laufen weiter. In vielen Bundesländern werden Spitalstandorte abgebaut, zusammengelegt oder im Leistungsangebot verändert. Auch im Bereich der Sozialversicherung wurde eine umfassende Umstrukturierung angegangen. Die derzeit 21 Sozialver-sicherungen sollen bis 2020 auf fünf reduziert werden. Des Weiteren wurden Projekte wie eine zentrale Registrierung der Gesundheitsberufe und eine Gründungs-initiative für Primärversorgungseinheiten ins Leben gerufen.

Im Rahmen der zunehmenden Digitali-sierung des Gesundheitswesens wurde im vergangenen Jahr der Rollout der elektronischen Gesundheitsakte – kurz: ELGA – im Spitalsbereich fortgeführt und auf den niedergelassenen Bereich ausgeweitet. Dabei wurden auch neue eHealth-Anwendungen, wie etwa der digitale Impfpass, eingeführt.

All diese Maßnahmen gehen auf jeden Fall in die richtige Richtung. Ausschlaggebend für einen nachhaltigen Erfolg werden das Durchhaltevermögen und die Umsetzungsstärke sein.

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Wohin geht der Trend in Zukunft? Welchen Herausforderungen muss man sich stellen?Patrick Schöggl: Der Trend geht klar weg von spitalsstationärer hin zu ambulanter Versorgung. Auch digital-virtuell gestützte Heimbehandlung wird immer mehr zum Thema. Bei spitalspflichtigen Erkrankungen kommen neue Technologien zum Einsatz und Behandlungsabläufe verändern sich. Generell wird eine stärkere Verzahnung der verschiedenen Gesundheitssektoren immer notwendiger. Technologische Lösungen können dabei unterstützen.Die Digitalisierung verändert in weiterer Folge auch die Erwartungshaltung der Patientinnen und Patienten. Diese suchen vermehrt nach digitalen Angeboten und Lösungen. Gesundheitsvorsorge und Krankheitsbehandlung können mit Hilfe

von Biotechnologie, Nanotechnologie, Robotics, Data Analytics und Artificial Intelligence immer individueller angeboten werden. Da man im Bereich der Gesund-heitstechnologien in den nächsten 20 Jahren von einer Verdopplung bis Verdreifachung der Umsätze ausgeht, hat das auch eine immense wirtschaftliche Bedeutung.

Last but not least wird das Gesundheits-wesen in den nächsten Jahrzehnten – ob mit oder ohne Digitalisierung – von der demografischen Entwicklung geprägt sein. Die Gruppe der über 65-Jährigen wird in Österreich von aktuell 1,6 Millionen auf rund 2,6 Millionen Menschen bis 2050 anwachsen. Damit wird die integrierte Versorgung von chronisch und mehrfach Erkrankten ein zentrales Thema.

„Die Maßnahmen im Gesundheitsbereich gehen in die richtige Richtung. Ausschlaggebend für einen nachhaltigen Erfolg werden das Durchhaltevermögen und die Umsetzungsstärke sein.“ Patrick Schöggl | Life Sciences & Health Care

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Deloitte Studien

Deloitte Studien mit weiteren Informationen zu den behandelten Themen

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Alle Studien von Deloitte sowie weitere Insights finden Sie auf unserer Website www.deloitte.at

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Risk Advisory Strategic & Reputation RiskRegulatory RiskFinancial RiskOperational RiskCyber Risk

Deloitte Österreich ist der führende Anbieter von Professional Services. Mit 1.350 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern an zehn Standorten werden Unternehmen und Institutionen in den Bereichen Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung, Consulting, Financial Advisory und Risk Advisory betreut. Kundinnen und Kunden profitieren von der umfassenden Expertise sowie tiefgehenden Branchen-Insights. Deloitte Legal und Deloitte Digital vervollständigen das umfangreiche Serviceangebot. Deloitte versteht sich als smarter Impulsgeber für den Wirtschaftsstandort Österreich. Der Deloitte Future Fund setzt Initiativen im gesellschaftlichen und sozialen Bereich. Als Arbeitgeber verfolgt Deloitte den Anspruch, "Best place to work" zu sein. Mehr unter www.deloitte.at.

Tax & LegalBusiness TaxCross Border TaxTax Management ConsultingIndirect TaxTransfer PricingBusiness Process ServicesGlobal Employer Services (GES)Private ClientsFörderberatung – Global Investment &InnovationIncentives (Gi³)Mergers & AcquisitionsTax Litigation

Deloitte Global

286.200 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

43,2 Mrd. $ Umsatz FY 2017/18

150 Länder

Deloitte Österreich

1.350 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter

170,3 Mio. € Umsatz FY 2017/18

10 Standorte

Auszeichnungen

Größter

Deloitte Österreich berät/prüft mehr als 80 % der Unternehmen im Prime Market der Wiener Börse und berät die größten Investoren in CEE, dem erweiterten Heimmarkt Österreichs.

M&A Advisor nach Anzahl der Transaktionen Steuerberater mit über 450 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Human Capital Berater

Deloitte Radar 2019 | Facts & Figures

ConsultingStrategy & OperationsTechnologyHuman Capital

Financial Advisory Corporate FinanceForensic

Audit & Assurance AuditAssurance

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Elisa Aichinger

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Gisela Bogner

Katrin Demelius

GabrieleEtzl

PatrickSchöggl

AndreasNiederbacher

Dominik Damm

ClaudiaHussovits

GerhardMarterbauer

MatthiasKunsch

BernhardGröhs

KarinMair

ArminNowshad

ChristianRadauer

StefanZischka

GinaGrassmann

LisaUnterreiner

GottfriedSpitzer

AndreasKapferer

FrederikeBenscheid

VerenaGabler

HerbertKovar

ChristianHavranek

BeateEdl

AnnaNowshad

Team

Gundi Wentner

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ImpressumHerausgegeben von Deloitte Services Wirtschaftsprüfungs GmbH

Inhalt und Text: Christian Radauer, Armin Nowshad, Gina Grassmann, Lisa Unterreiner mit den jeweiligen Fachexpertinnen und Fachexperten und ihren Teams

Grafik und Layout: Claudia Hussovits

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Deloitte bezieht sich auf Deloitte Touche Tohmatsu Limited, eine "UK private company limited by guarantee" („DTTL“), deren Netzwerk von Mitgliedsunternehmen und deren verbundene Unternehmen. DTTL und jedes ihrer Mitgliedsunternehmen sind rechtlich selbstständige und unabhängige Unternehmen. DTTL (auch "Deloitte Global" genannt) erbringt keine Dienstleistungen für Kundinnen und Kunden. Unter www.deloitte.com/about finden Sie eine detaillierte Beschreibung von DTTL und ihrer Mitgliedsunternehmen.

Deloitte Legal bezieht sich auf die ständige Kooperation mit Jank Weiler Operenyi, der österreichischen Rechtsanwaltskanzlei im internationalen Deloitte Legal-Netzwerk. Deloitte erbringt Dienstleistungen aus den Bereichen Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung, Consulting, Financial Advisory und Risk Advisory für Unternehmen und Institutionen aus allen Wirtschaftszweigen. Mit einem weltweiten Netzwerk von Mitgliedsgesellschaften in mehr als 150 Ländern verbindet Deloitte herausragende Kompetenz mit erstklassigen Leistungen und steht Kundinnen und Kunden bei der Bewältigung ihrer komplexen unternehmerischen Herausforderungen zur Seite. „Making an impact that matters" – mehr als 286.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Deloitte teilen dieses gemeinsame Verständnis für den Beitrag, den wir als Unternehmen stetig für unsere Klientinnen und Klienten, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und die Gesellschaft erbringen. Dieses Dokument enthält lediglich allgemeine Informationen, die eine Beratung im Einzelfall nicht ersetzen können. Die Informationen in diesem Dokument sind weder ein Ersatz für eine professionelle Beratung noch sollten sie als Basis für eine Entscheidung oder Aktion dienen, die eine Auswirkung auf Ihre Finanzen oder Ihre Geschäftstätigkeit haben. Bevor Sie eine diesbezügliche Entscheidung treffen, sollten Sie qualifizierte, professionelle Beratung in Anspruch nehmen. Deloitte Mitgliedsfirmen übernehmen keinerlei Haftung oder Gewährleistung für in diesem Dokument enthaltene Informationen. © 2019 Deloitte Services Wirtschaftsprüfungs GmbHGesellschaftssitz Wien | Handelsgericht Wien | FN 44840 t

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