If you can't read please download the document
Upload
dangliem
View
218
Download
2
Embed Size (px)
Citation preview
P. C. Lindncr, Zum zweiten Male auf ornithologischer Tour in Bosnien etc. 23
Schwnzchen oder auch ein Rotkehlchen gettet habe. Nach dem
Glauben der Motjken bringt man sich um das Gedeihen des Viehs,wenn man Schwalben, Kibitze, Tauben oder Bachstelzen, Schtzlinge
der Gottheit, ttet.
Sie tragen den Stempel des sinnigen Aberglaubens, diese Aus-
flsse volkstmlichen poetischen Denkens aus befangenem Geiste.
Aber der Schutzbrief, der sich auf diese Mythen und trgerischen
Vorstellungen sttzt, bleibe den Vgeln, so lange giltig erhalten, bis
ihnen die menschliche Vernunft einen zweiten schreibt". So sagt
Peter Rosegger! Und er hat wie immer Recht!
Zum zweiten Male auf ornithologischer Tour in Bosnien und derHerzegovina im Jahre 1904.
Von P. C. Lindner- Wetteburg.
(Mit drei Scliwarzbildern, Tafel I, II und III, und einer Abbildung im Texte.)
I.
Nach dem mancherlei Lehrgeld, das ich habe zahlen mssen,
verspreche ich mir von einem schon ins Auge gefassten Dacapo neuen
grsseren Erfolg." Mit diesen Worten schliesst mein in der Monats-
schrift vom Jahre 1903 S. 209223 erschienener Aufsatz ber eineornithologische Reise durch Oesterreich-Ungarn und Bosnien im Jahre
1902". Whrend vor zwei Jahren sich mein Aufenthalt im Occupations-
gebiet nur anhangsweise an den in Oesterreich-Ungarn anschloss, sich
nur auf Bosnien, genauer Sarajevo und Trebevic, beschrnkte und sich
nur auf einige Tage erstreckte, die ich bis auf einen ganz im Museum
verbrachte; whrend ich frher vor allen Dingen aufs Geratewohl
losgefahren war, trat ich diesmal meine Reise wohlvorbereitet an;
whrend damals, abgesehen von dem Tagesausflug auf den Trebevic,
ich zu Beobachtungen im Freien nicht gekommen bin, waren von den
25 Tagen, die ich heuer im Occupationsgebiet zubrachte, 1-i Tage zwei
grsseren Exkursionen gewidmet, die lngst vorher planmssig fest-
gestellt waren.
Ursprnglich ging meine Absicht dahin, zur Zugzeit, und zwar
im Frhjahr, die Reise auszufhren. Indessen gab ich diese Absicht
auf, bewogen durch die wohlbegrndeten Vorstellungen des Herrn Arndt.
Biodiversity Heritage Library, http://www.biodiversitylibrary.org/; www.zobodat.at
24 P. C. Linduer.
Diesmal ging es ohne Aufenthalt unmittelbar aufs Ziel, Sarajevo,
los, das ich, nachdem ich am 2. Juni frh 4 Uhr von meiner Bahn-station abgefahren war, am Vormittag des 4., etwa 8 Uhr erreichte,froh, nach 25 stndiger ununterbrochener Fahrt von Wien aus, die
zwischen Ofen-Pest und Brod durch die Pussta mit ihrer einfrmigen
Ebene unsglich langweilig ist, dem Gehege des rollenden Kerkers zu
entrinnen. Im Unterschied von vor zwei Jahren begrsste mich ein
klarblauer Himmel bei der Einfahrt und der von meiner Ankunfttelegraphisch benachrichtigte Herr Arndt. Etwas spter kam auchHerr Custos Reiser mit dem Prparator Santarius, welch letzterer gleich
darauf auf eine mehrtgige ornitholbgische Exkursion in die Umgegend
von Neum abfuhr, jener Stelle sdlich von Metkovic, wo die Herze-govina, das schmale Dalmatien durchbrechend, an die Adria stsst.
(Das ist noch an einer zweiten Stelle ganz im Sden, nur in geringerem
Masse, der Fall, wo in einem schmalen Streifen Land, der den Namen
Sutorina trgt, die Herzegovina die See berhrt.) Es war ein Sonn-
abend, an dem ich in Sarajevo anlangte.
Da lag es wieder vor mir, das zwischen ragende Berge geschobene,
von der meist flachen, nur nach starken Regengssen ungebrdigen
Miljacka durchflossene, von hochgelegenen Forts umgrtete Sarajevo
mit seinem so anziehenden orientalischen Leben und Treiben in den
Strassen. Auch das flinkste Auge hat trotz wochenlanger fleissiger
Beobachtung nicht Zeit, die Flle jeden Moment wechselnder^Strassen-
bilder in sich aufzunehmen. Soll doch in dieser Beziehung Sarajevo
noch interessanter sein als selbst Stambul. Manches Bild, auch
wenn sich's tagtglich darbietet, wirkt immer wieder komisch, so
vor allem die weite, sackartig tief herabhngende Ausbuchtung am
Hinterteil der Hose der Bosniaken, eine charakteristische, hchst im-
sthetische Kleidungseigentmlichkeit, fr die der Scherz einen be-
zeichnenden adquaten Ausdruck gefunden hat. So habe ich am
Nachmittag des Sonnabend und dem darauffolgenden Tag besonders
die Menschen in ihren Trachten (Kostmen), aber auch in ihrem Treiben
angesehen, mich wieder an dem Anblick von Fez imd Turban der
Mnner, Feredschi und Jaschmak der verschleierten trkischen Frauen
in ihren ungrazisen gelben Stiefeln, die eigentmliche Kopfbedeckung
Biodiversity Heritage Library, http://www.biodiversitylibrary.org/; www.zobodat.at
Zum zweiten Male auf ornithologischcr Tour in l^osnien und (l(>r Herzegovina. 25
der Frauen der Spaniolcn u. s. w. gewhnt, aber auch, wenn gleich
w^enig, im Museum mich umgeschaut, dem Gottesdienst in der schmuck
am Quai gelegenen evangelischen Kirche beigewohnt und die eine und
andere neue Bekanntschaft gemacht.
Am Montag, den 6. Juni unternahm ich mit Herrn PrparatorZelebor, der so freundlich war, auf diesen Plan einzugehen, einen
Ausflug nach dem Skakavac, dem einstigen, allen Ornithologen wohl-
bekannten Brutplatz des Sarajevoer Lmmergeierprchens. Schon
in einem Artikel von 1902 konnte ich die betrbliche Mitteilung machen,
dass die Befrchtung von Blasius, die dieser zwei Jahre zuvor betreffs
Ausrottung des Lmmergeiers am Skakavac ausgesprochen hatte, inErfllung gegangen sei, insofern seit 1899 die alte Brutstelle verlassen
ist. Frh ^/^6 erst bracen wir von Zelebors Wohnung auf; ein, zwei
Stunden frher wre in Anbetracht der sich bald einstellenden Hitze
praktischer gewesen. Beim Aufstieg nach Zelebors am Berge gelegener
Wohnung lernt man alsbald den grellen Unterschied in der Beschaffen-
heit der Strassen in dem im Tale gelegenen ,,europischen" Stadtteil
mit seinen Verwaltungs- und Schulgebuden, Kirchen und Kauflden,
und den ,,trkischen" Vierteln, die, von zahlreichen schmalen Gsschen
zerschnitten, ringsum am Fusse der Berge hinaufklettern. Druntengutes, modernes Pflaster, Asphalt und Makadam, bergauf die sogen.
Katzenkpfe", die allerdings auch schon in den bengstigend engen,
wirr durcheinander laufenden Gsschen der Carsija (des** so charakte-
ristischen, mit stndigen Verkaufsbuden bedeckten Marktes) auftreten.
S'ist das ein niedertrchtiges Pflaster, das aus runden, abgeschliffenen,
harten, festen, wackenartigen Steinen besteht, die unter einander (nach
oben zu sich verbreiternde) Zwischenrume haben, so dass man oft mit
dem Fuss von der glatten Oberflche der Steine in die Spalten ab-
rutscht. Zumal bei Glatteis im Winter muss das eine fr den normalen
Europer lebensgefhrche Sache sein, auf solchem Pflaster die steilen
Bergstrassen bergab zu gehen. Die Unannehmhchkeit des Pflasters
wird noch durch die ungleiche Hhe der Katzenkpfe, sowie durch die
vielen kleinen Gruben, in denen einzelne Steine mehr oder weniger
versunken sind, gesteigert. Mir war dieses abscheuUche Pflaster noch
recht wohl in unangenehmer Erinnerung besonders von der Tour auf
Biodiversity Heritage Library, http://www.biodiversitylibrary.org/; www.zobodat.at
26 P. C. Lindner.
den Trebevic, an deren Schlsse die ermdeten Fsse beim Eintritt in
die Stadt die Folter der Katzenkopfsteine, dieser Ausgeburt der Hlle,
grndlich sich gefallen lassen mussten.
Wir waren kaum ein paar hundert Schritt gegangen, als mir auch
schon die Unzahl von Elstern auffiel, die sich berall in den Grten
und den als Weide benutzten trkischen Friedhfen zeigten, die, eine
Eigentmlichkeit der Mohammedaner, sich in grosser Masse, bald grsser,
bald nur aus ein paar Grabsteinen bestehend, berall in der und umdie Stadt her befinden und ausnahmslos trostlos verwildert sind. Dader Mohammedaner die freilebenden Tiere in keiner Weise verfolgt,
so haben sich die klugen Elstern das zu nutze gemacht und ungestrt
sich in bedenklicher Weise vermehrt. Mehrfach sahen wir auf alten
Obstbumen ihre Nester, aus denen eben erst die allenthalben sich
umhertreibenden Jungen ausgeflogen waren. Dicht bei dem an der
Stadtgrenze gelegenen umfangreichen Landesspital, das eine ganze
kleine Villenstadt fr sich bildet, umschlossen von wohlgepflegten
Grten, und in seiner Einrichtung im Inneren die besten Errungen-
schaften der Neuzeit aufweist, in seiner Architektonik und Gruppierung
der einzelnen Gebude die lebhafteste Bewunderung des Beschauers
hervorruft, hrte und sah ich meine ersten Parus lugubris, die sich zu
flchtig umhertrieben und zu bald dem Gesichtskreis entschwanden,
als dass wir eines Exemplars htten habhaft werden knnen. Ebenso-
wenig konnte ich mir ber die Artzugehrigkeit einiger sehr unsteter
Sumpfmeisen etwas ausserhalb der Stadt klar werden. Weiter unter-
wegs konnten wir nicht das geringste ornithologisch Beobachtenswerte
bemerken. Dafr zog die Formation des Gesteins und spter die Flora
in etwas meine Aufmerksamkeit an. Hie imd da war der Kalkstein
durch Schiefer abgelst, welcher mehrfach in auffallend senkrechter
Schichtung zu tage trat. In der Nhe des Skakavac fanden wir rck-
wrts hart am Weg auch mehrfach Gips. Unter dem Dache und inMauerlchern eines turmartigen, anscheinend nicht mehr bewohnten
trkischen Bauernhauses am Wege sahen wir eine Anzahl halb zahmer
Columb livia. Diese paart sich nicht selten mit der Haustaube. Bastarde
haben ein weniger reines Weiss des Brzels. In s