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Demographischer Wandel – Herausforderung an die Wirtschaft! Nordakademie Elmshorn 24.Juni 2008 Betriebsärztliche Arbeit und der demographische Wandel Detlef Glomm Facharzt für Arbeitsmedizin BAD-Zentrum Meldorf Vizepräsident des Verbandes Deutscher Betriebs- und Werksärzte e.V. (VDBW)

Demographischer Wandel – Herausforderung an die Wirtschaft! Nordakademie Elmshorn 24.Juni 2008 Betriebsärztliche Arbeit und der demographische Wandel Detlef

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Demographischer Wandel –Herausforderung an die Wirtschaft!

Nordakademie Elmshorn 24.Juni 2008

Betriebsärztliche Arbeit und der demographische Wandel

Detlef Glomm

Facharzt für Arbeitsmedizin

BAD-Zentrum Meldorf

Vizepräsident des Verbandes Deutscher

Betriebs- und Werksärzte e.V. (VDBW)

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Demographischer Wandel im Betrieb

abnehmende Geburtenrate und steigende Lebenserwartungen

führen zu

• Anhebung der Altersgrenze für die Altersrente auf 67 Jahre

• Anstieg des Anteils der über 50jährigen Menschen im Erwerbsalter von heute 30% auf 41% im Jahr 2020

• Fachkräftemangel

• Erhöhung der Erwerbsquote der über 55-Jährigen

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Quelle: Statistisches Bundesamt 2004

Implikationen aus der Entwicklung der Altersstruktur

Arbeitskräfteangebot nach Alterssgruppen

30 39

3831

32 30

0%

20%

40%

60%

80%

100%

2006 2020

über 50 jährige 35 - 49 jährige

20 - 34 jährige

• Steigende Fehlzeiten und damit Kosten

• Gestaltung von altersgerechten Arbeitsverhältnissen– Grenzwerte

– Ergonomische Anforderungen

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Entwicklung der Fehlzeiten in Abhängigkeit vom Alter*

Quelle:Wissenschaftliches Institut der der AOK 2006

0 100 200 300

55-64

45-54

35-44

25-34

bis 24

0 1.000 2.000 3.000 4.000

55-64

45-54

35-44

25-34

bis 24

Arbeitsunfähigkeitsfälle

* In 2005, Angaben je 100 Versicherungsjahre

Arbeitsunfähigkeitstage

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Altersabhängige Entwicklung von Krankheiten*

0

200400

600800

1000

12001400

1600

bis 24Jahre

25-34Jahre

35-44Jahre

45-54Jahre

55-64Jahre

Skelett

Herz/ Kreislauf

Atmungsorgane

Verdauung

Verletzung /Vergiftung

Quelle:Wissenschaftliches Institut der der AOKFehlzeitenreport 2005

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Krankheit und Alter

Es gibt keine spezifischen Alterskrankheiten manche Krankheiten, z.B. Bluthochdruck oder

Diabetes weisen eine deutliche Altersabhängigkeit auf ältere Menschen erkranken nicht häufiger, jedoch

dauern die Krankheiten länger die Zunahme der Arbeitsunfähigkeit älterer Arbeit-

nehmer ist auf den Anstieg von Erkrankungen des Muskel- und Skelettsystems, von Herz-Kreislauf-erkrankungen und psychischen Erkrankungen zurückzuführen

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„Wenn die Erinnrung an die Jugend nicht wäre, so würde man das Alter nicht verspüren, nur, daß man das nicht mehr zu tun vermag, was man ehmals vermochte, macht die Krankheit aus. Denn der Alte ist gewiß ein eben so vollkommnes Geschöpf in seiner Art als der Jüngling“.

aus den Sudelbüchern desGeorg Christoph Lichtenberg (1742 – 1799)

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Berufsgruppen mit dem höchsten Anteil der

Rentenneuzugänge wegen Erwerbsunfähigkeit an allen

Rentenneuzugängen 2003

33,2

36,4

43,3

20,2

0 20 40 60 80 100

Fleisch- und Fischverarbeiter

Straßen- und Tiefbauer

Zimmerer, Dachdecker, Gerüstbauer

insgesamt

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Krankheit, Belastung und Alter

• Die Erkrankungshäufigkeit in den 3 genannten Krankheitsgruppen differiert mit zunehmendem Lebensalter stark in Abhängigkeit vom Wirtschaftszweig – bei ähnlichem Ausgangs-niveau der Beschäftigten in jüngeren Jahren.

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Fitness und Alter

wussten Sie, dass nur 10% der Abnahme der Leistungsfähigkeit eines 65-jährigen

Mannes auf Alterungsvorgänge zurückzuführen sind, 90% auf Übungsverlust, Trainingsmangel und Bequemlichkeit

ein 75-jähriger Mann sich im Durchschnitt noch 75% der Leistungsfähigkeit erhalten kann, die er als 25-Jähriger gehabt hat, wenn er in seinem Leben regelmäßig Sport betrieben hat

Menschen jeden Alters trainierbar sind. Sogar bei 75-Jährigen, die in ihrem Leben bisher keinen Sport betrieben haben, ist bereits nach 6 Wochen moderaten Ausdauertrainings ein Leistungszuwachs von bis zu 30% zu beobachten.

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Fitness und Alter

wussten Sie, dass der Intelligenzquotient bei Menschen, die einen

geistig anregenden Beruf oder entsprechende Hobbies haben, bis ins hohe Alter kontinuierlich anwächst ?

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Was können die Alten eigentlich ?

-Ältere behalten die Fähigkeit, sich normalen psychischen und physischen Anforderungen anzupassen-Die körperliche und psychische Belastbarkeit Älterer ist unterhalb der Dauerleistungsgrenze kaum eingeschränkt-Die Konzentrationsfähigkeit und der Wissensgebrauch sind bis ins hohe Alter kaum begrenzt – ausreichende Erholungsphasen vorausgesetzt.-Die Lernfähigkeit ist bei hinreichender Übung über das Erwerbsleben hinweg in gleicher Weise ausgeprägt wie bei Jüngeren, wobei sich häufig ausgeprägte individuelle Lernstrategien entwickeln

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Was können die Alten eigentlich besser ?

-Kommunikative Fähigkeiten sind nicht selten besser ausgeprägt als bei Jüngeren-Komplexe Sachverhalte können oft besser durch die höhere Lebens- und Berufserfahrung überblickt werden-Die eigenen Möglichkeiten und Grenzen können oft wesentlich besser eingeschätzt werden-Entscheidungen werden oft fundierter vertreten und umgesetzt

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Es gibt Aufgaben, die von Älteren tendenziell besser erledigt werden wenn sie

-vertraut und geübt sind-autonom bearbeitet werden können, d.h. Arbeits- pensum, Arbeitsrhythmus und Arbeitsablauf bis zu einem bestimmten Grade bestimmbar sind-komplexe Arbeitsabläufe beinhalten, für deren Bearbeitung Erfahrung eine entscheidende Rolle spielt-soziale Kompetenzen voraussetzen-Kenntnisse der betrieblichen Abläufe und informellen Beziehungen voraussetzen.

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Tendenziell schwerer fällt Älteren die Bewältigung von Aufgaben

-unter extremen Umgebungseinflüssen wie Hitze, Kälte und hoher Luftfeuchtigkeit-mit schwerer körperlicher Belastung z.B. schweres Heben und Tragen-mit lang andauernder, extremer Zwangshaltung, z.B. mit angehobenen Armen und verdrehter Wirbelsäule-in Situationen mit Zeit- und Leistungsdruck-mit fremdbestimmtem Arbeitstempo-bei denen ausreichende Erholungsmöglichkeiten fehlen-mit ungünstigen Arbeitszeiten, z.B. Nacht- und Schichtarbeit (aber nur bedingt) -die differenzierte Seh- und Hörleistungen erfordern.

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Empfehlungen für eine zukunftsorientierte Personalpolitik

kurzfristig:-Analyse der betrieblichen Personal- und Altersstruktur, um unausgewogene Altersverteilungen und daraus resultierende Problemfelder zu identifizieren-generationsübergreifende Zusammenarbeit initiieren und Tandems bilden, um rechtzeitig die Übertragung von Erfahrungen und Wissen künftig ausscheidender Mitarbeiter auf ihre Nachfolger zu gewährleisten.-Angepasste und erweiterte Rekrutierungs- und Personalentwicklungsstrategien entwickeln.

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Empfehlungen für eine zukunftsorientierte Personalpolitik

mittelfristig:-Die Attraktivität der Arbeit im eigenen Unternehmen entwickeln und herausstellen.-Vorurteile über die Leistungsfähigkeit älterer Mitarbeiter abbauen und auch in Innovationsprojekten die Erfahrung Älterer zur Vermeidung von Sackgassen nutzen-Den älter werdenden Mitarbeitern eine Entwicklungsperspektive geben und damit die mittlerweile fest gefügte Erwartung auf vorzeitige Berentung aufbrechen, z.B. durch die Entwicklung einer alterns- gerechten, lebensphasenorientierten Laufbahngestaltung und flexible Übergänge in die Nacherwerbsphase-Etablierung von altersgemischten Teams zur Gewährleistung von Wissens- und Erfahrungstransfer und zur Nutzung der komplementären Stärken von Jüngeren und Älteren.

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Empfehlungen für eine zukunftsorientierte Personalpolitik

langfristig:-Den Status von Fachlaufbahnen neben hierarchischen Karrieren aufwerten. -Veränderungs- und Lernfähigkeit durch Wechsel zwischen Aufgaben und Positionen fördern.-Lebensbegleitende Kompetenzentwicklung fördern. Mitarbeiter mittleren und höheren Alters durch Weiterbildung und Tätigkeits- wechsel aktivieren.-Tätigkeiten, die nur begrenzte Zeit ausgeübt werden können, anders zuschneiden oder vermeiden. Längerfristige einseitige Belastungen der Mitarbeiter verhindern und für Belastungsminderung bzw. -wechsel sorgen-Ausgewogene betriebliche und bereichsspezifische Personal- und Altersstrukturen etablieren, um Einstellungs- und Verrentungswellen zu vermeiden.

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Aufgaben des Betriebsarztes beim demographischen Wandel

1. Prävention

• Identifikation von physischen und psychischen Belastungen mit Langzeitwirkung, die infolge andauernder Fehlbelastung zu vorzeitigem Verschleiß, Burn-out oder innerer Kündigung führen

• Intensivierung der Beratung hinsichtlich ergonomischer Gestaltung von Arbeitsplätzen und –tätigkeiten, beim Einsatz von Arbeitsstoffen und bei der Beschaffung von Geräten und Hilfsmitteln zur Reduzierung von Fehlbelastungen

• Identifikation von Tätigkeiten, die absehbar nicht bis zum 67. Lebensjahr zu bewältigen sind (Beispiel: Werkfeuerwehrmann unter schwerem Atemschutz) und Beratung bei der Gestaltung horizontaler Karrieren

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Aufgaben des Betriebsarztes beim demographischen Wandel

2. Betriebliche Gesundheitsförderung

• Tätigkeitsbezogene betriebliche Gesundheitsförderung auf Grundlage einer Belastungsanalyse

• Durchführung betrieblicher Gesundheitstage zur Information über und Identifikation von Funktionsstörungen, die häufig lange unerkannt bleiben und langfristig Beschäftigungsfähigkeit und Lebensqualität einschränken (z.B. Bluthochdruck, Diabetes, Hautkrebs, Darmkrebs)

• Vorträge, Ausstellungen und Aktionen zu Gesundheitsthemen wie Ernährung und Bewegung, Hautschutz- und Pflege, Lärm und Gehör usw.

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Aufgaben des Betriebsarztes beim demographischen Wandel

3. Frühzeitige Erkennung von Rehabilitations-Bedarf

• Identifikation von Beschäftigten mit Rehabilitationsbedarf im Rahmen von arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen

• Beratung und Einleitung von Rehabilitations-Maßnahmen

• Bewertung ungünstiger Belastungen am Arbeitsplatz und Beratung des Arbeitgebers hinsichtlich Gestaltungsbedarf (allgemeiner Bedarf)

• Organisation eines Round-Table Gesprächs mit Einverständnis des Beschäftigten zur Klärung betrieblicher Maßnahmen (individueller Bedarf)

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Aufgaben des Betriebsarztes beim demographischen Wandel

4. Betriebliches Eingliederungsmanagement

• Frühzeitige Kontaktaufnahme mit dem betroffenen Beschäftigten und Klärung der medizinischen Sachlage

• Abgleich von Anforderungs- und Fähigkeitsprofil

• Bei groben Abweichungen Einleitung von Trainings-, Rehabilitations- oder betrieblichen Maßnahmen

• Unterstützung bei der Erstellung eines Eingliederungsplans

• Begleitung des Beschäftigten bei der (Wieder-)Eingliederung

• Unterstützung der Nachhaltigkeit nach erfolgreich abgeschlossener Wiedereingliederung durch regelmäßige Beratungsangebote

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„Und das soll die wahre Jugend von heute sein ?

– Siehst Du nicht, wie sie von Stunde zu Stunde

altert ?“

„Die Zukunft gehört der Jugend – sobald diese

alt ist“aus: Alle unfrisierten Gedanken

Stanislaw Jerzy Lec (1909 – 1966),

Polnischer Satiriker

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