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in Westfalen-Lippe Denkmalpflege Ausgabe 1.12 Die Entwicklung des Fachwerkgefüges im nördlichen Siegerland Plastische „Führich-Kreuzwege“ aus Terrakotta

Denkmalpflege - lwl.org · der hölzernen Wandvertäfelung in neobarocken FormeneindeutigalsErgebniseinerspäthistoristi-schenNeugestaltungzuerkennen. Aus der Bauakte des fürstlichen

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in Westfalen-LippeDenkmalpflege

Ausgabe 1.12

Die Entwicklung des Fachwerkgefügesim nördlichen SiegerlandPlastische „Führich-Kreuzwege“ aus Terrakotta

© 2012 Ardey-Verlag MünsterAlle Rechte vorbehaltenDruck: DruckVerlag Kettler, BönenPrinted in GermanyISSN 0947-829918. Jahrgang, Heft 1/12

Erscheinungsweise 2mal jährlich zum Preis von4,50 Euro (Einzelheft) zuzüglich Versand über denArdey-Verlag MünsterAn den Speichern 648157Münster

Herausgeber:LWL-Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur in Westfalen

Redaktion:Dr. Jost Schäfer (Leitung)Dr. Barbara PankokeDr. Thomas SpohnDr. Dirk Strohmann

Anschrift:LWL-Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur in WestfalenFürstenbergstr. 1548147 Mü[email protected]

Die Autorender LWL-Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur in Westfalen:Wiss. Bibl. Sabine Becker M.A.Dr. Dimitrij DavydovDr. David GroppDr. Hans H. HankeDipl.-Ing. Sybille HaseleyAnne Herden-Hubertus M.A.Dr. Oliver KarnauDr. Jost SchäferBettina SchürkampDr. Barbara SeifenDr. Thomas SpohnDr. Dirk Strohmann

Inhalt

Seite 3 Editorial

Aufsätze

Seite 4 Der Speise- oder Ahnensaal im Berleburger SchlossDirk Strohmann

Seite 12 Die Entwicklung des Fachwerkgefüges im nördlichen SiegerlandThomas Spohn

Seite 20 Die Denkmalverträglichkeitsprüfung: Zur Berücksichtigung konservatorischer Belangeim Erlaubnisverfahren nach §9 DSchG NRWDimitrij Davydov

Seite 25 Plastische „Führich-Kreuzwege“ aus Terrakotta in WestfalenDirk Strohmann

Seite 33 Das Kurgastzentrum in Bad Salzuflen – …der zeitgemäßen Selbstdarstellungdes größten deutschen Heilbades dienenAnne Herden-Hubertus

Seite 39 Neuerscheinungen des Amtes

Seite 41 Neuerwerbungen der Bibliothek in Auswahl

Buchvorstellung

Seite 42 Thomas Dann, Möbelschätze aus Lippe. Vier Generationen Tischler Beneke in Detmold(1816–1964)

Mitteilungen

Seite 43 Treffen der westfälischen DNK-Preisträger in Dortmund 2011

Seite 44 Finanzierung des Wandmalereiprojekts gesichert

Seite 45 5. Westfälischer Tag für Denkmalpflege 2012 – natur macht technik –Die Wechselbeziehungen von Menschen, Kulturlandschaft und Technik

Seite 46 „DENKMALPFLEGE–WESTFÄLISCH–PRAKTISCH“ – Historische Dachdeckungenund ihre Erhaltung. Fortbildung am 25.Oktober 2012 im LWL-Freilichtmuseum Detmold

Preis

Seite 46 Wassermühle am Klosterbach in Werther erhielt den Westfälisch-Lippischen Preisfür Denkmalpflege 2011

Seite 49 Personalia

Seite 52 Verkäufliches Baudenkmal

Umschlag-Foto:Warburg, Burgberg, Kreuzweg, 1857/58. Ausschnitt aus Abb.8 auf Seite 30.

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Editorial

Das Jahr 2012 begann mit zwei Meilensteinen imBereich der Inventarisation, also dem Zweig derDenkmalpflege, der sich mit der Erfassung, Erfor-schung und Dokumentation der Bau- und Kunst-denkmäler sowie deren Vermittlung in Wort, Bildund Karte beschäftigt: Zum einen wurde am 17.Ja-nuar im Musiktheater in Gelsenkirchen der neueDehio Westfalen vorgestellt, zum anderen fiel am11.Januar in Warburg der Startschuss für die künf-tige westfälische Beteiligung an der bundesweitenReihe Denkmaltopographie der BundesrepublikDeutschland.Die Vorstellung der Neubearbeitung des Dehio-Handbuches Nordrhein-WestfalenII: Westfalen er-folgte bei wunderbar sonnigem Winterwetter ineinem der herausragenden Baudenkmäler derNachkriegsmoderne im Ruhrgebiet, dem Musik-theater im Revier, einem in den späten 1950er Jah-ren errichteten Theaterbau von Werner Ruhnau.Vor der Bühne der intensivblauen, großformatigenGips- und Schwammreliefs von Yves Klein präsen-tierten die Herausgeber und Förderer des Projektesstolz die neue Publikation, darunter der LWL-Direktor Dr. Wolfgang Kirsch, Dieter Gebhard alsVorsitzender der LandschaftsversammlungWestfa-len-Lippe, der Oberbürgermeister der Stadt Gel-senkirchen Frank Baranowski, Karl Jasper für dasMinisterium für Wirtschaft, Energie, Bauen, Woh-nen und Verkehr, Prof.Dr. Werner Freitag für dasInstitut für vergleichende Städtegeschichte, sowieJan N. Viebrock für die Dehio-Vereinigung.Die wissenschaftliche Leitung des mit einem Auto-renteam qualifizierter KunsthistorikerInnen erar-beiteten Handbuches hatte Dr. Ursula Quednau,die als ehemalige Leiterin der Inventarisation un-seres Fachamtes über eine profunde Kompetenz inder Erforschung und Darstellung des Denkmal-bestandes verfügt. Ein ausführlicherer Beitrag vonihr über die Konzeption dieses Bandes wird in dernächsten Ausgabe der „Denkmalpflege in Westfa-len-Lippe“ vorgelegt werden. Die Gesamtorganisa-

tion des Projektes lag bei Dr. Angelika Lampen vomInstitut für vergleichende Städtegeschichte. Das1.340 Seiten starke Handbuch stellt eine fachlichbegründete Auswahl von knapp 5.000 westfäli-schen Bau- und Kunstdenkmälern vor und „ist auchso etwas wie die westfälische Denkmal-Bibel“(Dr. W. Kirsch). Gegenüber dem 1969 erschienenenVorgängerband wurde die Neubearbeitung erwei-tert um die Architektur und ihre Ausstattung desspäteren 19., der ersten Hälfte des 20.Jahrhundertsund des Wiederaufbaus sowie der Nachkriegs-moderne, der Bürgerhäuser und der bäuerlichenPrivatbauten, der Industrie sowie um Gärten.Seit den frühen 1980er Jahren dokumentiert dieReihe Denkmaltopographie der BundesrepublikDeutschland unser bauliches nationales Erbe aufder Basis eines Beschlusses der Kultusministerkon-ferenz der Länder. Unter dem Reihentitel Denkmä-ler in Westfalen ist nun in enger Kooperation zwi-schen der Stadt Warburg und unserem Amt, dasdie fachliche Federführung übernimmt, die wissen-schaftliche Arbeit an dem ersten Band dieser Reiheaufgenommen worden. Als Hauptautor konnte Dr.Gotthard Kießling gewonnen werden, einer derAutoren des „Dehios“ und Verfasser mehrererbayerischer Denkmaltopographien.Eine Denkmaltopographie erläutert alle Bau- undKunstdenkmäler einer Stadt oder eines Landkrei-ses, charakterisiert diese und behandelt sie in ihrenstrukturellen Beziehungen, sowie in ihren zeitli-chen und räumlichen Zusammenhängen. Es ist diegroße Stärke der Denkmaltopographie, dass sichhier Text, Bild und Karte in ihren Aussagemöglich-keiten hervorragend ergänzen. Die sachlich undwissenschaftlich fundierten Bände der Denkmalto-pographie richten sich in einer allgemein verständ-lichen Sprache sowohl an ein Fachpublikum alsauch an die breite Öffentlichkeit. Das denkmal-kundliche Konzept dieser Reihe wird Dr. MichaelHuyer, der verantwortliche Referatsleiter „Inventa-risation und Bauforschung“, ausführlicher imnächsten Heft dieser Zeitschrift vorstellen.

Dr. Markus HarzenetterLandeskonservator

1701 aus, das vermutlich einen Umbau diesesGebäudetraktes bezeichnet. Nach der Chronik desJohann Daniel Scheffer (1741–95) diente der Saalbereits im 18.Jahrhundert als Speisesaal: […] undda neben dran, ist der ordinaire und tägl. Speiß-Sall, alwo die sämtl. Herrschafften und einigeBediente speißen, Dieser Sall ist mit kostbahrenPortrets aller Graffen in Lebensgröß seit dem daßBerleburger Hauß, und Wittgensteiner Haußstehet, ab conterfeit, und auch sehenswerth ist,welchen Saal auch der hochseel. Herr, Hl.GraffCassimir haben machen laßen. Sollte sich der letzteSatz des Zitats auf den Speisesaal beziehen, hätteer unter Graf Casimir (1687–1741) eine Erneuerungerfahren. Heute gibt sich der Saal mit der wuchti-gen Kassettendecke, der umlaufenden Galerie und

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BaugeschichteDer Nordflügel des Schlosses in Bad Berleburg, desStammsitzes der Grafen und späteren Fürsten zuSayn-Wittgenstein-Berleburg, ist nach der chroni-kalischen Überlieferung der älteste Teil der großenDreiflügelanlage und in mehreren Bauabschnittenseit 1531 vermutlich komplett im 16.Jahrhundertentstanden. Sein westlicher, an den jüngeren Mit-telbau angrenzender Abschnitt mit dem Speise-oder Ahnensaal könnte auf die Bautätigkeit desseit 1570 regierenden Grafen Ludwig des Älteren(1532–1605) zurückgehen. Eine systematische Bau-forschung steht allerdings noch aus. Auf der Hof-seite bilden die Maueranker zwischen den beidenFensterreihen des drei Achsen breiten und zweiGeschosse übergreifenden Speisesaals das Datum

Dirk Strohmann

Der Speise- oder Ahnensaalim Berleburger SchlossAm 31.Mai und 1.Juni 2012 wird im Schloss in Bad Berleburg der 5.Westfälische Tag für Denk-malpflege stattfinden. Aus diesem Anlass widmet sich der folgende Beitrag einem Repräsen-tationsraum im Nordflügel des Tagungsortes, dem Speise- oder Ahnensaal im ersten Oberge-schoss über der Schlosskapelle. Als Teil des Museums beherbergt der Saal schon seit längererZeit einige Exponate und ist bei Schlossführungen der Öffentlichkeit zugänglich. Zur Vorbe-reitung der 2007 von der fürstlichen Familie in Betracht gezogenen Restaurierung und Reak-tivierung als Speisesaal bei offiziellen Anlässen gab die LWL-Denkmalpflege, Landschafts- undBaukultur in Westfalen eine restauratorische Befunduntersuchung des Saales in Auftrag.Unterstützend erfolgte die Auswertung der Akten und Pläne des Schlossarchivs im Hinblickauf die Entstehungsgeschichte von Raum und Ausstattung. Obwohl die Umnutzungs- undRestaurierungsplanung dann doch nicht zur Ausführung kam, sind die Ergebnisse der Unter-suchungen es wert, an dieser Stelle zusammengefasst zu werden.

1 Bad Berleburg, Schloss, Nordflügel von Süden. 2007.

der hölzernen Wandvertäfelung in neobarockenFormen eindeutig als Ergebnis einer späthistoristi-schen Neugestaltung zu erkennen.Aus der Bauakte des fürstlichen Archivs gehthervor, dass Richard Fürst zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg (1882–1925) 1906 mit der renommier-ten, auf hochwertige Raumausstattungen speziali-sierten Kunsthandlung Lehmann Bernheimer inMünchen wegen der Umwandlung des Ahnensaals(oder auch Rittersaals) in einen Speisesaal verhan-delte. Da der Fürst zunächst nicht bereit war, dervon Bernheimer vorgeschlagenen Zweigeschossig-keit und der damit verbundenen Herausnahme derbestehenden Geschossdecke über dem Saal näherzu treten, wurden die nicht dokumentiertenGespräche am 9.Januar 1907 für beendet erklärt.Aber bereits am 6.Februar änderte Fürst Richardseine Meinung, denn er wies die Rentkammer wiefolgt an: Ich bin dafür, daßmit den Arbeiten am Rit-tersaale möglichst bald begonnen wird. Die Deckesoll nun ein Stockwerk höher gelegt werden undeine Gallerie (wie im weißen Saale) eingebaut wer-den. Es dürfte recht gut sein H. Dauber zur Über-nahme der Aufsicht über den Bau zu bestellen.Die Rentkammer wandte sich daraufhin am nächs-ten Tag an den Marburger Architekten AugustDauber und bat ihn um Vorschläge mit Preisan-

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2 Bad Berleburg, Schloss, Grundriss des ersten Ober-

geschosses, Ausschnitt Nordflügel. 1914. Legende:

1 Geweihhalle, 2 Frühstückszimmer, 3 Nebenraum mit

Speisenaufzug, 4 Speisesaal, 5 Billardzimmer.

3 Bad Berleburg, Schloss, Innenansicht des Speisesaals

nach Nordwesten. 2007.

4 Bad Berleburg, Schloss, Innenansicht des Speisesaals

nach Südosten. 2007.

gabe für den Umbau des Saals. Dauber hielt eineEisenbetondecke für die günstigste Lösung, dadann das ganze Sprengwerk im Dachstuhl beseitigtwerden könne. Er erstellte Grundriss- und Schnitt-zeichnungen für den Umbau und holte ein ent-sprechendes Kostenangebot der Frankfurter Be-tonbaugesellschaft ein, das auch die Herstellungder umlaufenden Galerie in Eisenbeton umfasste.In seinem Begleitschreiben an die Rentkammererläuterte er das Angebot folgendermaßen: Dieebene Decke wird durch 2 Längs- u. 2 Querunter-züge in 9 Kasseten geteilt. Die Unterzüge springenin einer Höhe von 35cm u. einer Breite von 25cmunter die Decke vor. In den Beton sind Klötze ein-gelassen, an welche die Holzdecke anzuschraubenwäre. Anstelle der unteren Decke kommt ringsumein 0,50m vorspringender Umgang mit Holz- oderEisengeländer, der oben durch das Absetzen derMauer breiter wird. An den Fensterseiten soll derUmgang eine Ausbuchtung erhalten, wo in Ver-bindung mit der Fensternische eventl. Musik Platzfindet.Ende Februar wurde die Planung der Fa. Bernhei-mer zugeleitet und im darauf folgenden Brief-wechsel eine Abstimmung über die Details der Be-festigung und Ausgestaltung der Holzdecke sowieweiterer bautechnischer Fragen herbeigeführt. Soerging bereits früh die Order Bernheimers, die zu-rückliegenden Felder der Betondecke zwischenden Unterzügen zu verputzen, da sie nur eine par-tielle Holzverkleidung erhalten sollten. Der ge-naue Umfang der von Bernheimer zu leistendenArbeiten und Lieferungen geht aus einer Auflis-tung vom 22.März 1907 hervor, die mit Kosten von

37.645Mark abschließt. Mitte Juni waren die Be-tonarbeiten fertiggestellt und einen Monat späterstand die in München hergestellte Holzvertäfelungkurz vor dem Versand nach Berleburg. Ende Au-gust waren die wichtigsten Teile der Vertäfelungversetzt und Mitarbeiter des Hofmalers Schultzeaus München reisten an, um mit der Grundierungder Decke und den übrigen Fassungsarbeiten zubeginnen. Mitte November 1907 war der Speise-saal bis auf die Wandbespannung fertiggestellt.

BeschreibungSeit 1907 hat sich das Innere des Saals, abgesehenvon der Alterung und den durch Licht, Feuchtigkeitund mechanische Beanspruchung eingetretenenSchäden, kaum verändert, da der Raum in den letz-ten hundert Jahren von Restaurierungen und Mo-dernisierungen verschont geblieben ist. Ursprüng-lich nicht in den Saal gehörige Zutaten sind dieMu-seumsexponate, die fürstliche Kutsche, der Schlit-ten, die Vitrinen der Nachkriegszeit mit Uniformenund Gläsern sowie weitere Einzelobjekte. Domi-niert wird der Raum von der wuchtigen Kassetten-decke mit den groß dimensionierten Unterzügen,die auf in die Wand eingelassenen Volutenkonso-len ruhen. Die Holzverkleidungen der Betonunter-züge aus Erlenholz sind profiliert, ebenso wie diedagegen vergleichsweise flachen Hölzer der Kas-settenfüllungen, die auf den verputzten Betonun-tergrund gesetzt sind. Zwei Typen geometrischerGliederungen mit kreisrunder bzw. rechteckigerAusbildung der Mitte wechseln sich alternierendvon Kassettenfeld zu Kassettenfeld ab. Als orna-mentale Schmuckelemente sind an strategischen

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5 Bad Berleburg, Fürstliches Archiv, Kostenaufstellung der Fa. Bernheimer für den Speisesaal 1907. (Akte C 952).

Punkten in symmetrischer Anordnung kleinereund größere Blattrosetten auf den Kassettenhöl-zern angebracht. In den überwiegenden Teil dieserRosetten sind Schraubfassungen für elektrischeGlühbirnen in langgezogener Tropfenform inte-griert, die noch weitgehend original erhalten sind.Weitere Glühbirnen sitzen in den Kassetten derUnterseiten der umlaufenden Galerie, wo jedezweite mittig platzierte Rosette eine Lampenfas-sung aufnimmt.Die über einem Sockelfries in Felder eingeteilteGaleriebrüstung in Rahmen-Füllung-Konstruktionaus Eichenholz ist reich verziert. Die abwechselndbreiteren und schmaleren Füllungen haben eigeneRahmenprofile und sind mit symmetrisch aufge-setzten Blattornamenten dekoriert. Den lisenen-artig breiten Rahmen ist ein kleines Ornament-gehänge appliziert. Zusätzliche Rhythmisierungbedeutet das Vorspringen der mittleren Galerieab-schnitte, an den Stirnseiten mit abgerundetenEcken, an den Fensterseiten breiter und rechtwink-lig. Weiterhin sind die vorspringenden Galerieab-schnitte durch die veränderte Abfolge der Felde-rungen und ihren reicheren Ornamentschmuckhervorgehoben. Die breiten, zusätzlich mit einerRautenform und einem Strahlenornament beton-ten Füllungsfelder werden hier von sehr schmalenFeldern getrennt, die an den Stirnseiten mit Laub-

werkranken gefüllt sind. Passend zu dieser gestal-terischen Aufwertung sind dort mittig das Allianz-wappen des Bauherrn Richard zu Sayn-Wittgen-stein-Berleburg und seiner Ehefrau MadeleinePrinzessin zu Löwenstein-Wertheim-Freudenbergsowie gegenüberliegend die ligierten Anfangs-buchstaben ihrer beiden Vornamen auf einer Wap-penkartusche angebracht. Zwei weitere, schlichtergehalteneWappenschilde, von Lorbeer mit Blüten-besatz umkränzt, schmücken die Fensterseiten. Eshandelt sich hier laut freundlicher Mitteilung vonHerrn Ulf Lückel, Marburg, um die Wappen vonStadt und Kanton Zürich (Blau/Silber; seitenver-kehrte Darstellung) und der Grafen von Sponheim-Kreuznach (Gold/Blau). Beide Wappen haben Be-züge zur Familiengeschichte, die an dieser Stellenicht dargelegt werden können.Die von unten sichtbaren Wandflächen oberhalbder Galerie sind etwa von Brüstungshöhe anmit ei-ner roten, gemusterten Seidendamastbespannungversehen. Diese war bei der Gebrauchsabnahmedes Saals am 13.November 1907 noch nicht ange-bracht, so dass sie möglicherweise auf eine Planän-derung zurückgeht und an ihrer Stelle die gemalteBordüre und der grauweiße Anstrich vorgesehenwaren, die in der Kostenaufstellung Bernheimersin Zusammenhang mit der Decke angeführt sind.Die von der Galeriebrüstung verdeckten Wand-

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6 Bad Berleburg, Schloss, Speisesaal, Deckendetail. 2007.

7 Bad Berleburg, Schloss, Speisesaal, Nordwand,

Galeriebrüstung (Detail). Nach der Demontage einiger

Ornamente sind die ursprünglich dunkleren Beiztöne

der Holzoberfläche erkennbar. 2007. 8 Bad Berleburg, Schloss, Speisesaal, Ostwand, Tür. 2007.

flächen darunter sind lediglich geputzt und imGrundton der Textilbespannung gestrichen. Unterder Galerie haben die Wände eine relativ schlichteVertäfelung aus Eichenholz, in die Ahnenporträtseingelassen sind. Diese 14 barocken Brustbilder re-gierender Grafen zu Sayn-Wittgenstein-Berleburgwurden von der vorherigen Ausgestaltung über-nommen und sind ursächlich für die alternativeBenennung des Speisesaals als Ahnen- oder auchRittersaal. Die ovalen Porträts mit gemalten recht-eckigen Passepartouts klebte man vermutlich 1907auf eine neue Leinwand (Doublierung). Die Türge-stelle der drei Doppeltüren (zwei im Westen, eineim Osten) zum Saal zeigen aufwändigere Dekora-tionselemente in Gestalt von muschelbekröntenRankenornamenten und -gehängen. Über den Ge-simsen der Türgestelle sind Marmorplatten alsSupraporten eingelassen. Der Parkettfußbodenbesteht aus schachbrettartig verlegten Tafeln ausdunklem Eichen- und hellem Lärchenholz.Als herausragendes Gestaltungselement besitztdie westliche Stirnwand noch einen mittig ange-ordneten Kamin mit üppig profilierter Rahmungund einem weiteren, am Sims angebrachten Alli-anzwappen. Unter der Grafenkrone sind hier dieWappen von Casimir zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg und seiner zweiten EhefrauMaria EstherPolyxenia von Wurmbrandt-Stuppach vereint (Hin-weis von Ulf Lückel). Der marmorartig gefasste Ka-min gehört nicht wie die Ahnenbilder zum älterenBestand, dennoch nimmt die Auswahl der Wappenganz bewusst Bezug auf die vorhergehende baro-

cke Ausgestaltung des Saals, die dann wohl doch indie Zeit des Grafen Casimir zwischen 1717 (2. Ehe-schließung) und 1741 (Tod) zu datieren ist. Hinterder Verkleidung des Feuerraums des Kamins ver-birgt sich im Übrigen ein gusseiserner Heizkörper.Zwei weitere befinden sich hinter Verkleidungenin den Fensternischen der Nordwand. Als Kamin-aufsatz lieferte Bernheimer den mit je zwei ge-drehten Säulen versehenen Silberschrank, in demheute Kristallgläser untergebracht sind. Abwei-chend von der Auflistung Bernheimers, die Nuss-baumholz vorsah, ist der Schrank überwiegend ausEichenholz gefertigt. Die weiteren aus Münchengelieferten Möbel, insbesondere der ausziehbareEsstisch für 48 Personen und die entsprechendeAnzahl mit Rindsleder bezogener Stühle, die einbald nach 1908 entstandenes Foto zeigt, sind imSchloss an anderer Stelle noch vorhanden.

Ergebnisse der BefunduntersuchungDie von Diplom-Restauratorin Marita Schlüterdurchgeführte restauratorische Befunduntersu-chung, deren Text hier zusammenfassend wieder-gegeben wird, widmete sich vorwiegend denOberflächen der gerade beschriebenen Raumaus-stattung. So stellte sie fest, dass die wohl wegendes geringeren Gewichts aus Erlenholz konstru-ierte Kassettendecke mittels einer erst nach demkompletten Versetzen und Verschrauben der Bret-ter aufgemalten Eichenholzmaserierung dem Cha-rakter derWandvertäfelungen aus Eiche angepasstwurde. Die in traditioneller Weise mit Bier als

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9 Bad Berleburg, Schloss, Innenansicht des Speisesaals nach Nordwesten. Nach 1908.

Bindemittel (Bierlasur) hergestellte Maserierungerhielt einen ölhaltigen Schutzüberzug (Firnis), derdann durch Patinierung künstlich gealtert wurde.Dazu trug man eine weitere Schicht matter, grauerFarbe auf, die aber wieder abgewischt wurde undnur in den Vertiefungen stehen blieb. Diese künst-liche Patina findet sich auch auf den umfangrei-chen Ölvergoldungen von Profilen und Ornamen-ten, die an der Decke reiche dekorative Akzentesetzen. Zusätzlich hat man die vergoldeten Partienvor dem Auftrag der Patinierung stark durchgerie-ben, so dass der dunkelrote Ölgrund partiell sicht-bar wurde. Ganz offensichtlich sollte die Oberflä-che „antik“ wirken, was auch für die lediglich ge-putzten Hintergrundflächen in den Kassettenfel-dern in der Kostenaufstellung der Fa. Bernheimerausdrücklich so benannt wurde. Dementsprechendverzichtete man dort auf die perfekte Glättung derPutzoberfläche und trug auf den eher körnigen,leicht unregelmäßigen Grund blaue, grüne undockerfarbene Farbtöne auf, die dann wiederumstark verwischt und in der für die Hölzer beschrie-benen Art, nur diesmal mit einem Anthrazitton,patiniert wurden. Das Ergebnis erinnert an verbli-chenen blauen Samt.Die tatsächlich in Eichenholz ausgeführten Vertä-felungen der Wände und der Galerie wurden, an-

ders als die durch Maserierung angepasste Decke,mit einer wasserlöslichen Beize rotbraun gefärbtund dann mit schwarzem Wachs patiniert. AlsSchlussüberzug folgte ein leicht anpoliertes Bie-nenwachs. Bei der Galeriebrüstung verwendeteman zur Absetzung einzelner Partien neben demGrundton noch zwei andere Beiztöne, was heutezwar kaum noch zu erkennen, aber durch den Be-fund und das Foto von 1908 belegt ist. Die Vergol-dungen der Ornamente und Wappen, stellenweisedurch sparsame Farbakzente in Rot, Grün und Blauergänzt, sind in der auch an der Decke verwandtenTechnik ausgeführt und patiniert. Unterhalb derGalerie ist die Patinierung aber nur noch auf diegeschnitzten Ornamente der Wände beschränkt.Alle Fenster, Türen und einige Teile des Wand-schranks sind wie die Decke maseriert.Die restauratorische Befunduntersuchung hat sehreindringlich verdeutlicht, wie bestimmend die dif-ferenzierte Ausgestaltung der Oberflächen für denRaumeindruck des Speisesaals im Nordflügel warund trotz der mehr oder weniger starken alte-rungsbedingten Beeinträchtigung der einstigenEffekte immer noch ist. In zumindest grundsätz-licher Anpassung an den Zeitstil der barockenPrunkräume (z.B. „Weißer Saal“) im Mittelflügeldes Berleburger Schlosses entstand 1907 ein

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10 Bad Berleburg, Schloss, Speisesaal, Decke,

Seitenansicht (Detail) einer Konsole der Nordwand

mit Maserierung, durchgeriebener Ölvergoldung

und Patinierung. 2007.

11 Bad Berleburg, Schloss, Speisesaal, Westwand,

geschnitztes Ornament der Bekrönung des Wand-

schranks (Detail). Erkennbar sind die schwarze

Patinierung der Eichenholzflächen, die roten Farb-

akzente und die graue Patinierung. 2007.

typisches, dabei durchaus qualitätvolles Beispielrepräsentativer Raumkunst des Späthistorismus.

Beteiligte ArchitektenDer Entwurf dieses Raumkunstwerks wird demMünchner Architekten Friedrich von Thiersch(1852–1921) zugeschrieben, der von 1912–1914den spätbarocken Mittelbau des BerleburgerSchlosses umbaute, modernisierte und erweiterte.So äußerte sich zumindest Horst Karl Marschall, der1977 zunächst Beiträge und 1982 eine Monogra-phie zum Werk des seinerzeit viel beschäftigtenArchitekten vorlegte und seine Tätigkeit in Berle-burg eingehend würdigte. Marschall war die Liefe-rung der Raumausstattung durch die Kunsthand-lung Bernheimer bekannt, deren opulentes neoba-rockes Wohn- und Geschäftshaus am Lenbach-platz3 in München 1887–89 unter maßgeblicherBeteiligung von Thierschs erbaut worden war. Derseit 1864 von Lehmann Bernheimer (1841–1918) inMünchen betriebene Kunst- und Antiquitätenhan-del erhielt 1882 den Status des Königlich Bayeri-schen Hoflieferanten und versorgte eine interna-tionale Kundschaft aus Hochadel, Industrie undGroßbürgertum mit Teppichen, Antiquitäten undanderen erlesenen Kunstgegenständen. Schonbald lieferte Bernheimer auch komplette Innenein-richtungen in allen historischen Stilarten und im

modernen Geschmack, zu deren Herstellung dieFirma eine Anzahl von Schreinerbetrieben undHandwerksmeistern beschäftigte, darunter den inBerleburg genannten Hofmaler Schultze. Wegendes Aufstiegs zum führenden Einrichtungshaus desdeutschen Kaiserreichs mit 115 Mitarbeitern ge-nügte das palaisartige Haus am Lenbachplatz mitseinen weitläufigen Verkaufsräumen allein nichtmehr den Ansprüchen. Wiederum nach Plänen vonFriedrich von Thiersch errichtete man 1908–10 ei-nen großen Erweiterungsbau an der Rückfront zurOttostraße, in dem mit veränderter Nutzung nochheute der Gobelinsaal, ursprünglich ein Verkaufs-raum fürWandteppiche, erhalten ist. Marschall sahin diesem Gobelinsaal das unmittelbare Vorbild fürden Berleburger Speisesaal und stützte daraufseine Zuschreibung an von Thiersch ab.Zweifel sind indes angebracht, denn der Gobelin-saal wurde erst 1911 eingeweiht. Selbst wenn manannimmt, dass von Thiersch bereits zusammen mitden ersten Skizzen für den Erweiterungsbau 1907auch den Gobelinsaal in seiner endgültigen Aus-stattung konzipierte, sind die Ähnlichkeiten mitdem Berleburger Speisesaal doch sehr allgemeinund eher zeittypisch. Marschall führte die Zweige-schossigkeit, die kassettierte Decke, die Galerie (inMünchen nicht umlaufend) aus dunklem Holz mitvergoldeten Schnitzereien und die Wandbespan-

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12 München, ehem. Wohn- und Geschäftshaus Bernheimer, Gobelinsaal. Nach 1911.

nung aus dunkelrotem Seidendamast an. Zu nen-nen ist auch die Bestückung der Decke mit elektri-schen Glühbirnen. Die formale und stilistische Aus-bildung der Kassettendecke und der Holzvertäfe-lungen zeigt dagegen im Detail keine Überein-stimmungen, ist doch der Gobelinsaal der Florenti-ner Renaissance verpflichtet. Bernheimer beschäf-tigte außerdem in seiner Einrichtungsabteilungeigene Architekten bzw. Innenarchitekten undDekorateure, die allerdings die vielfältigen Raum-ausstattungen von Thierschs z.B. im 1907 fertigge-stellten Wiesbadener Kurhaus gekannt und rezi-piert haben könnten. Einer davon war der Archi-tekt und Maler Willibald Ferber, von dem einigeEntwürfe für Raumdekorationen von 1910 bis 1938im Besitz der Familie Bernheimer erhalten sind. Einweiterer Architekt der Fa. Bernheimer ist in derBerleburger Bauakte anlässlich eines Besuchs vorOrt als Architekt Langer namentlich genannt. VonThiersch dagegenwird in den Akten vor 1912 über-haupt nicht erwähnt. Alleinige Ansprechpartnerdes Fürsten und der Rentkammer in Sachen Raum-ausstattung waren die Firma Bernheimer und ihreMitarbeiter, denenmanwohl auch den Entwurf fürden Speisesaal zuschreiben muss. Über die Archi-tekten Langer und Ferber ließ sich nichts Weiteresermitteln.Bekannter ist dagegen der ebenfalls in den Aktengenannte Marburger Architekt August Dauber(1867–1957), der allerdings nur für die baulichenÄnderungen im Speisesaal mit dem Einbau derBetondecke in Anspruch genommen wurde, nach-dem die Raumkonzeption bereits feststand. Dau-ber war ein Schüler Carl Schäfers (1844–1908), indessen Büro er einige Zeit arbeitete, bevor er sich1897 als freier Architekt in Marburg niederließ.Dort trat er vor allem durch zahlreiche Neu- undUmbauten in historisierender Fachwerkbauweisein Erscheinung. Er leitete zudem Restaurierungenvon Massivbauten, so z.B. 1905 bis 1909 im Renais-sanceschloss Dillich im hessischen Borken, für daser auch die innere Ausstattung in Neorenaissance-formen entwarf.

Weitere UmbautenIm Berleburger Schloss wurde Dauber unmittelbarnach Beendigung seiner Arbeiten im Speisesaalder Umbau der Geweihhalle anvertraut, eines flur-artigen Durchgangsraumes am Westende desNordflügels, an der Nahtstelle zwischen Mittel-flügel, Nordflügel und Rotem Turm. Mitte 1908war der Raum mit seiner heute noch bestehendenAusstattung fertiggestellt. Auch das zwischenGeweihhalle und Speisesaal liegende Frühstücks-zimmer erhielt unter Daubers Regie einen neuenParkettboden und wohl auch die heutige Vertäfe-lung. Der am 3.März 1907 mit ihm geschlossene,zunächst ein Jahr gültige Vertrag, der Dauber dieOberleitung aller fürstlichen Baumaßnahmen zu-sicherte, wurde aber offenbar nicht verlängert.Denn das hinter dem Speisesaal nach Osten

folgende Billardzimmer wurde erst 1910 unter derLeitung des Berleburger Architekten HeinrichStark in seiner heutigen Gestalt erneuert. Starkführte damit seine mit Unterbrechungen von vor1905 bis ca.1945 währende Tätigkeit für die Rent-kammer als örtlicher Bauleiter fort. Somit warbereits vor Beginn der Umbauten im Mittelflügeldurch Friedrich von Thiersch 1912 die heutemuseal genutzte Raumflucht rund um den Speise-saal im ersten Obergeschoss des Nordflügels desBerleburger Schlosses durchgängig renoviert undmodernisiert.

Quellen und Literatur

Fürstliches Archiv Bad Berleburg: Akte C 952, Bauten und

Reparaturen an dem Schloss und den Nebengebäuden

1906–1914. – Akte C 953, Technische Beaufsichtigung der

Bauten am Schloss und Nebengebäuden 1907–1915. –

Fürstliche Rentkammer Bad Berleburg, Planschrank: Be-

standspläne Nordflügel, Heinrich Stark, 1905. – Bestands-

pläne Schloss gesamt, 1914. – LWL-Denkmalpflege, Land-

schafts- und Baukultur in Westfalen, Archiv der Restaurie-

rungsdokumentationen: Restauratorische Befundunter-

suchung von zwei Raumausstattungen im Nordflügel des

Schlosses von Bad Berleburg. September 2007. Dipl.-Rest.

Marita Schlüter, Everswinkel. – Ernst Bernheimer, Fami-

lien- und Geschäftschronik der Firma L. Bernheimer. Mün-

chen 1950. – Emily D. Bilski, Die Kunst- und Antiquitäten-

firma Bernheimer. Ausstellungskatalog. München 2007. –

Gabriele Nina Bode, Michael Losse, Artikel: Dauber, Au-

gust, in: Saur. Allgemeines Künstlerlexikon, Bd.24. Leipzig

2000, S.355. – Horst Conrad, Burg und Schloss Berleburg,

in: Rikarde Riedesel/Johannes Burkardt/Ulf Lückel (Hg.),

Bad Berleburg – Die Stadtgeschichte. Bad Berleburg 2009,

S.51–56. – Eckehard Deichsel, Aspekte historistischer Ar-

chitektur und Denkmalpflege um 1900 am Beispiel des

Werkes des Architekten August Dauber (1869–1957).

Wissenschaftliche Hausarbeit. Marburg 1983. – Wilhelm

Hartnack (Hg.), Die Berleburger Chroniken des Georg Cor-

nelius, Antonius Crawelius und Johann Daniel Scheffer.

Laasphe 1964. – Christofer Herrmann, Schloss Dillich bei

Borken/Hessen, in: Der frühe Schlossbau und seine mittel-

alterlichen Vorstufen. München–Berlin 1997, S.51–62. –

Herbert Koch, Schloss Berleburg. 13. Auflage. Mün-

chen/Berlin 1997. – Horst Karl Marschall, Katalogtext:

Schloss Berleburg, Umbau und Erweiterung, in: Winfried

Nerdinger, Friedrich von Thiersch. EinMünchner Architekt

des Späthistorismus 1852–1921. Ausstellungskatalog.

München 1977, S.158. – Horst Karl Marschall, Friedrich

von Thiersch. Ein Münchner Architekt des Späthistorismus

1852–1921. München 1982. Zu Berleburg Kat.-Nr.170,

S.358–359. – Erich Pfeiffer-Belli, Hundert Jahre Bernhei-

mer 1864–1964. München 1964.

Bildnachweis

Fürstliche Rentkammer Bad Berleburg: 2, 5, 9. – LWL-

Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur in Westfalen:

1, 3, 4 (Nieland); 8 (Farnsworth). – M. Schlüter (Everswin-

kel): 6, 7, 10, 11. – Repro aus: K. Marschall, Friedrich von

Thiersch. Ein Münchner Architekt des Späthistorismus

1852–1921. München 1982, Abb.82: 12.

11

Angesichts des bisherigen Kenntnisstandes,1 nachdem die ältesten erhaltenen Bauten der Regionerst aus dem 17.Jahrhundert stammen, war es be-sonders überraschend, was im Jahr 1984 bei denSanierungsarbeiten eines äußerlich völlig verklei-deten und recht unscheinbaren Hauses ausgerech-net in der Siegener Altstadt zu Tage trat, die nichtnur im Zweiten Weltkrieg, sondern schon einmaldurch den Stadtbrand im Jahr 1695 weitgehendzerstört worden war. In dem giebelständigen,zweizonigen Kleinhaus Untere Metzgerstraße 20war u.a. eine Traufwand von 1480(d)2 erhaltengeblieben, die von der Innenseite zeichnerisch do-kumentiert werden konnte (Abb.1).3 Diese Trauf-wand ist geschossig, d.h. mit haushohen Ständernabgezimmert. Der notwendigen Aussteifung die-nen lange Streben, die an die Eckständer geblattetsind. Die horizontalen Riegel reichen – anders als inallen jüngeren Gefügen – nicht als relativ kurzeHölzer jeweils nur von Ständer zu Ständer, sondernsind als wandlange Hölzer mit den Ständern undStreben ebenfalls verblattet. Das Gefüge zeigt da-mit Merkmale, wie sie den recht zahlreichen erhal-tenen Fachwerkbauten des ausgehenden 15.Jahr-hunderts in den östlich und südöstlich gelegenenhessischen und rheinland-pfälzischen Städten ei-gen sind.4 Im westlich und nordwestlich angren-zenden Sauerland fehlen dagegen – wie im Sieger-land selbst – jegliche Vergleichsbeispiele im profa-nen Fachwerkbau, denn die nächstälteren erhalte-nen Bauten datieren erst aus dem 17.Jahrhundert.Bei Bauten dieser Zeit sind die Wandgefüge wei-terhin – ungeachtet der teilweisen Zweistöckigkeitim Inneren der Häuser – überwiegend mit hausho-hen Ständern in regelmäßigen und relativ engenAbständen abgezimmert. Die Holzverbindungen

sind nun allerdings verzapft und die Verzapfungenzumeist durch einen oder zwei Holznägel gesi-chert. Kennzeichnend für die Abzimmerung derZeit sind die langen, mehrere (zwei bis drei) Riegelunterbrechenden Streben, die von den Eckstän-dern über zwei Gefache in die Wand ausgreifen, sodass ein Ständer ganz ausgespart oder auf kürzereStiehle, die in die Strebe gezapft sind, reduziert ist.Bei diesen Streben handelt es sich bis gegen dieMitte des 18.Jahrhunderts im erhaltenen Bestandüberwiegend um Fußstreben, die zwischen derSchwelle (dem „Fuß“) und dem Ständer den sta-tisch notwendigen Dreiecksverband bilden (Abb.2,3). Die Reihe der Beispiele beginnt mit dem starkveränderten Gebäude Siegen-Trupbach, Trupba-cher Str. 57 von 1611; stark repräsentiert ist – ins-besondere bedingt durch die Wiederaufbaupha-sen nach den Bränden der Flecken Freudenberg16665 und Hilchenbach 1689 – das ausgehende17.Jahrhundert; späte Beispiele stammen aus den1730er Jahren. Für Nebengebäude bleibt die Kon-struktion das ganze 18.Jahrhundert gebräuchlich.Bei einigen zumindest teilweise erhaltenen Bautenübernehmen die Aussteifung jedoch Schwelle-Rähm-Streben, die also nicht in einen Ständer ge-zapft sind, sondern von der Schwelle bis zum Rähmreichen. Zu den durch eine dendrochronologischeKampagne in und um Ferndorf (Kreuztal)6 jetztsicher datierten Beispielen dieser Strebenform ge-hört mit dem Baudatum 1612(d) einer der ältestenteilweise erhaltenen Fachwerkbauten des Sieger-landes überhaupt (Abb.4), zwei weitere stammenaus der Mitte des 17.Jahrhunderts – nämlich dieabgebrochenen bzw. stark veränderten HäuserAlter Weg 3 in Osthelden (Kreuztal) (Abb.5) undFerndorfer Straße 51 von 1661(d) in Ferndorf

12

Thomas Spohn

Die Entwicklung des Fachwerkgefügesim nördlichen SiegerlandBei den älteren Häusern des Siegerlandes handelt es sich fast ausnahmslos um Fachwerkbau-ten. Steinbau ist im Siegerland bis ins 18.Jahrhundert selbst für Sakral- und Adelsbauten nichtdurchgängig gebräuchlich, wie etwa am Schloss Junkernhees (Kreuztal) von 1698 ersichtlich,und im bürgerlich/bäuerlichen Bereich kaum vertreten. Ein Verzeichnis von 1599 nennt selbstin der Stadt Siegen nur fünf steinerne Häuser. Nach vereinzelten Gewerkenhäusern des18.Jahrhunderts, wie etwa dem (Bruch-)Steinbau von 1784 in Hilchenbach-Hillnhütten, gehö-ren die Villa des Lederfabrikanten Krämer von 1863 und das Pfarrhaus von 1866, beide in Hil-chenbach, zu den frühen Beispielen des (Back-)Steinbaus in der Region. Die Fachwerkgerüstemit ihren Ausfachungen aus Lehm-Flechtwerk und ihren weichen Dachdeckungen aus Strohoder Lehmschindeln sind – wenn nicht durch Brände, Kriegsereignisse oder sogenannte Wirt-schaftswunder zerstört – zumeist spätestens im Verlauf des 20.Jahrhunderts an ihren Außen-wänden verkleidet worden. Es ist jedoch davon auszugehen, dass sich unter den Verkleidun-gen durchaus noch alter oder gar sehr alter Baubestand verbergen kann, wie eine dendro-chronologische Kampagne in den Dachstühlen der Häuser von Kreuztal-Ferndorf erwiesenhat. Die derzeitigen Kenntnisse über die Entwicklung der Fachwerkgefüge im nördlichen Sie-gerland, d.h. in den heutigen Kommunen Freudenberg, Kreuztal, Netphen und Siegen, seienhier mitgeteilt. Es zeigt sich, dass die Bauweise keineswegs von Konstanz als vielmehr von ei-nem recht kontinuierlichen Wandel im Rhythmus von etwa zwei Generationen bestimmt war.

(Kreuztal) – und das jüngste aus dem Jahr 1675.7

Da es sich also um eine relativ frühe bzw. früh un-gebräuchlich werdende Strebenform handelt, liegtder Verdacht nahe, dass mit ihr die Relikte der Kon-struktionsweise des 16.Jahrhunderts zu fassensind.8

Die erhaltenen geschossig abgezimmerten Gerüstedes 17.Jahrhunderts sind weitgehend schmucklos.Knappe Inschriften finden sich auf den hohen Stür-zen der Eingangstüren (Abb.3); Tore zur Einfahrtauf den im Siegerland „Ern“ genannten Haupt-wirtschaftsraum des Hauses, wie sie für die Dielen-häuser nördlich des Rothaarkamms in ganz Nord-westdeutschland üblich sind, waren – trotz bis insfrühe 18.Jahrhundert noch ganz ähnlicher Grund-rissstrukturen – im Siegerland wie auch in Witt-genstein ungebräuchlich. So beschränkt sich der

13

1 Siegen, Untere Metzgerstraße 20 von 1480(d);

Innenansicht der östlichen Traufwand im Jahr 1985.

Das geschossig abgezimmerte Kleinhaus, nachträglich

am Rückgiebel (in der Zeichnung rechts) um zwei

Gefache verlängert, weist als Verstrebung in den

breiten Eckgefachen lange, an die Eckständer geblattete

Streben auf. Drei hauslange Riegel waren mit diesen

Ständern und den Streben verblattet. Aufmaß des

Bestandes durch Katharina Hoppe 1985.

2 Kreuztal-Ferndorf, Ziegeleistraße4 von 1731(d);

nördliche Giebelwand in Teilrekonstruktion des

ursprünglichen Zustandes. Geschossige Abzimmerung

mit Aussteifung durch sehr weit ausspreizende Fuß-

streben und dementsprechend breiten Eckgefachen.

Die Eckständer und zwei der Wandständer, die aber

noch keine Bundständer sind, stehen unmittelbar auf

den Fundamenten. Durch die Köpfe der Rähme werden

zwei originale innere Längswände und damit ein

dreischiffiger Grundriss erkennbar. Die Profilierungen

der Vorkragungszone des Giebeldreiecks wie des rechten

Eckständers können jüngere Zutaten darstellen. 2002.

3 Freudenberg, Untere Straße 20/22 von 1667(i);

Traufwand des Hausteils Nr.20 in Rekonstruktion des

ursprünglichen Zustandes. Die Gefache des geschossig

abgezimmerten Hausgerüsts sind durch drei jeweils

einfach vernagelte Riegel gegliedert. Nur die Eckständer

sind durch lange Fußstreben ausgesteift, die über zwei

Gefache ausgreifen. 1991.

4 Kreuztal-Ferndorf, Ziegeleistraße1 um 1612(d), östli-

cher Teil eines um 1835 geteilten Hauses; östliche Giebel-

wand in Rekonstruktion des ursprünglichen Zustandes.

Geschossige Abzimmerung mit der Aussteifung durch

Schwelle-Rähm-Streben in breiten Eckgefachen; das teil-

weise massive Erdgeschoss sowie der weite Dachüber-

stand der vorderen Traufwand sind besonderen

topographischen Verhältnissen geschuldet. 2002.

Schmuck auf die Vorkragungszone des Giebeldrei-ecks (Abb.10, 12), die Zahnschnitt- oder Perlstab-schnitzereien, und auf die Giebelspitze, die einenbescheidenen Rautenschmuck sich kreuzenderFachwerkhölzer (Abb.13) zeigen kann.Dies beginnt sich erst um 1700 mit dem Einsetzender zweistöckigen Bauweise zu ändern. Dabeitreten an die Stelle der haushohen Ständer jeweilszwei Ständer mit etwa nur der halben Länge, ent-sprechend der Höhe des unteren und des oberenStockwerks. Diese stöckige Abzimmerung bleibtnach ihrem ersten Auftreten wenig nach 1700 füreinige Jahrzehnte auf die Schauseite des Hauses –zumeist die straßenseitige Giebelwand – be-schränkt (Abb.6). Die einzige, deutliche frühereAusnahme scheint auf dem Land das Pfarrhaus inFreudenberg-Oberholzklau zu sein; allerdings sind

14

6 Netphen-Dreis-Tiefenbach, Im Bruch 6 von 1681.

Ansicht von Norden. Der nachträglich in zwei Hälften

geteilte Fachwerkbau wies von Beginn an eine

gemischte Abzimmerung auf; die Giebelseite ist als

Bundkonstruktion errichtet, die Traufwand dagegen

in geschossigem Fachwerk mit Fußstrebe in dem breiten

Eckgefach. Die Vorkragung des Giebeldreiecks vor dem

nachträglich aufgedrempelten Dachwerk erfolgt über

Stichbalken mit Taustabprofilen auf den Füllhölzern.

2011.

7 Siegen, Kornmarkt um 1920.

weder die inschriftliche Datierung in das Jahr 1608noch die allseits stöckige Abzimmerung mit einerAussteifung sowohl durch Schwelle-Rähm- als auchdurch Fußstreben als Originalbestand gesichert.9

Erst ab der Mitte des 18.Jahrhunderts wird in denFlecken, Dörfern und Weilern die Zahl der allseitigstöckig abgezimmerten Hausgerüste fast obligato-risch (Abb.9–13, 15–16).10 Davon abweichend wa-ren die nach dem Stadtbrand von 1695 in der StadtSiegen wieder aufgebauten Häuser stöckig abge-zimmert: Aufnahmen der Vorkriegszeit zeigen –durchgängig verkleidet – dichte Reihen schmaler,giebelständiger Häuser, deren bis zu fünf Stock-werke jeweils vorkragten (Abb.7); die genauereBegutachtung eines der wenigen erhaltenen Häu-ser belegte die durchgängig eigenständige Abzim-merung aller drei Stockwerke auch an den stra-ßenabgewandten Außenwänden, die wie die inne-ren Trennwände durch Schwelle-Rähm-Strebenausgesteift sind (Abb.8).Es ist jedoch die stöckige Bauweise des Siegerlan-des – ob bei stöckiger Abzimmerung nur des Gie-bels oder des gesamten Hausgerüsts – immer nureine teilweise, denn die sogenannte Bundzimme-rung ist das siegen-wittgensteinische Spezifikumder Fachwerkbauweise des 18. und 19.Jahrhun-derts. Dies gilt zumindest bei der Betrachtung auswestfälischem Blickwinkel, wo diese Konstruktionmit Ausnahme des angrenzenden Sauerlandes unddes heutigen Kreises Ennepe-Ruhr unbekannt war;in den südlich und östlich benachbarten hessischenbzw. rheinland-pfälzischen Regionen ist diese Bau-weise dagegen ganz allgemein und früher verbrei-tet,11 was zugleich die Herkunft der Konstruktio-nen und Formen in Siegen-Wittgenstein, dem seit1815 südlichsten Teil Westfalens, erklärt. Die Spezi-fik der Konstruktion besteht darin, dass einigeStänder des Wandgefüges haushoch und im Quer-schnitt besonders kräftig bleiben; es sind dies dieEckständer sowie all jene Wandständer, in dieinnere Trennwände eingezapft sind. Ob die mund-artliche Bezeichnung dieser sogenannten Bund-ständer als „Bondposte“ tatsächlich – wie verschie-dentlich vermutet – daher rührt, dass diese Hölzerursprünglich in die Erde eingelassen waren, kannhier nicht geklärt werden; immerhin ist bemer-

5 Kreuztal-Osthelden, Alter Weg 3 von 1675(i)/um 1770

(abgebrochen); nördliche Giebel- und westliche sowie

östliche Traufwand in Rekonstruktion des jeweils ur-

sprünglichen Zustandes. Der geschossig abgezimmerte

Fachwerkbau von elf Gebinden mit jeweils zwei einfach

vernagelten Riegeln pro Gefach und einer Aussteifung

durch Schwelle-Rähm-Streben in den doppelt breiten

Eckgefachen blieb bis auf die Inschrift auf dem Türsturz

weitgehend schmucklos; die Köpfe zweier Längswand-

rähme zeigen einen dreischiffigen Grundriss an. Um 1770

wurde der Kernbau rückwärtig um fünf Gebinde verlän-

gert und mit einer neuen östlichen Traufwand versehen.

Diese zeigt eine schmucklose Bundzimmerung von vier

Zonen; die Riegellosigkeit im unteren Teil des Wandge-

füges ist wohl noch nicht auf die erst 1790 in Kraft getre-

tene Verordnung, sondern auf die nur geringe Höhe der

landwirtschaftlichen Nutzräume (Ställe) zurückzuführen.

15

8 Siegen, Untere Metzgerstraße 25 aus der Zeit nach

dem Stadtbrand von 1695; Längs- und Querschnitt in Re-

konstruktion des ursprünglichen Zustandes. Das giebel-

ständige Kleinhaus weist ein massives Sockelgeschoss

und zwei stöckig abgezimmerte obere Stockwerke auf.

Während das oberste Stockwerk als Speicherboden bis

auf eine mittige Stütze (unter der Säule des mittig ste-

henden Stuhls im Dach) ungeteilt blieb, war die mittlere

Ebene durch jeweils eine mittige Längs- bzw. Quertrenn-

wand vierräumig gegliedert. In diesen Trennwänden

waren – ebenso wie an den Traufwänden – Schwelle-

Rähm-Streben zur Aussteifung angebracht. 2009/10.

9 Hilchenbach-Hillnhütten, Hillnhütter Straße 30 aus der

Zeit um 1775; östlicher Giebel in Rekonstruktion des

ursprünglichen Zustandes. Über der schlichten Giebel-

wand in dreizoniger Bundzimmerung erhebt sich das

mächtige Giebeldreieck mit Krüppelwalm, in dem – wie

üblich – diejenigen Ständer durch lange Fußstreben

ausgesteift sind, in die die Rähme der liegenden Dach-

stühle eingehälst sind und so auch am Äußeren erkenn-

bar werden. 2005.

Diese „Bundriegel“ dienen gleichzeitig als Rähmdes unteren und als Schwelle des oberen Stock-werks; innenseitig sind die Balken der Decke überdem unteren bzw. dem Fußboden des oberenStockwerks in diesen Bundriegel eingezapft undtreten so mit ihren Balkenköpfen außen nicht inErscheinung (Abb.9).13

Die Bundzimmerung führt fast zwangsläufig alleindurch die Vermehrung der benötigten Zahl anStreben zu einer Belebung der Fassaden, seit derMitte des 18.Jahrhunderts – wie auch in allen an-deren Landesteilen Westfalens – ergänzt um dieoffensichtliche Freude an demonstrativem Holz-reichtum durch malerische Strebenfiguren. Für dieVerzierungen der Fußstreben durch kurze Hölzer(Winkelhölzer am Strebenkopf, Stützbänder amStrebenfuß) sowie vereinzelt durch sogenannteAndreaskreuze in den Giebeldreiecken oder in denBrüstungsfeldern (siehe Abb.13, 16) der nunmehr

kenswert, dass nach dem Brand des – allerdingswittgensteinischen – Dorfes Bad Berleburg-Rich-stein im Jahr 1590 das Einrammen der Ecksäulenausdrücklich verboten wurde.12 Auffallend ist wei-ter, dass vielfach dort, wo überhaupt noch dieoriginale Substanz erhalten ist, die Bundständerunmittelbar dem Fundament und nicht etwaSchwellen aufstehen. Die ‚Schwelle‘ des unterenStockwerks ist vielmehr noch bei Neubauten desfrühen 19.Jahrhunderts – ähnlich dem Bundriegel– in die Füße der Bundständer eingezapft (=„Schwellriegel“; vgl. Abb.11). Durch die Einbin-dung der inneren Trennwände in die Bundständerlässt deren Position schon bei Betrachtung nur derAußenwände Rückschlüsse auf die wesentlichenGrundrissstrukturen eines Gebäudes zu. Zwischendiese Eck- und Bundständer sind lange und eben-falls besonders kräftige Riegel eingezapft, die dieKonstruktion dazwischen (zwei-)stöckig gliedern.

11 Kreuztal-Kredenbach, Zur Silberhütte 10/12 1732/um 1770/um 1800 (abgebrochen); nördliche Giebel- und

westliche Traufwand in Rekonstruktion des Zustandes um 1800. Der rechte Baukörper ist eigentlich der ältere:

Nach mündlicher Überlieferung im Jahr 1732 entstanden, erhielt er um 1800 neue Umfassungswände in äußerst

schlichtem Fachwerk, das an der Traufwand zwischen den haushohen Eckständern durchgängig zweistöckiges

Fachwerk mit den erkennbaren Köpfen der Geschossbalken zwischen dem Rähm der Erd- und der Schwelle der

Obergeschosswand zeigt. Der linke, um 1770 entstandene Hausteil weist eine Bundzimmerung von drei auf drei

Zonen mit schlichter Fußstrebenaussteifung auf; die Bundständer stehen unmittelbar auf dem hoch ragenden

Sockel, die unteren Bundzonen sind durch vierseitig umlaufende Profile gerahmt. 1986.

so etwa in Bad Laasphe, schon um 1700 üblich war.Vorkragungen des oberen Stockwerks – in vielenRegionen Westfalens eines der wesentlichen Ge-staltungsmittel der Fassaden – bleiben sehr zurück-haltend.14 Bei der Bundzimmerung sind sie kon-struktionsbedingt weitgehend auf Abarbeitungender Bund- und Eckständer im Bereich des unterenStockwerks um wenige Zentimeter beschränkt,wobei – recht selten – in den rahmenden Profilen

16

mit betonter Axialsymmetrie angeordneten Fens-ter (Abb.10) standen wiederum die benachbartenhessischen Länder Pate. Die kräftigen Bundriegelboten zusätzlichen Raum für Inschriften sowie füreinfache Profile, die sich auf den Bundständernfortsetzen und so die Bundsegmente des unterenStockwerks rahmen (Abb.11). Bisweilen sind nunauch die Eckständer in der Art von Säulen be-schnitzt (Abb.12), was im südlichen Wittgenstein,

10 Hilchenbach-Allenbach, Siegener Straße 7 (links) und 5 von 1782(i); Ansicht von Nordosten. Nach dem Dorfbrand

von 1782 wurden ausnahmslos Fachwerkbauten in Bundzimmerung mit auffallend hohen oberen Stockwerken

errichtet. Unterschiede bestehen aber hinsichtlich der Erschließung (giebel- oder traufseitig) und – nicht verwunder-

lich angesichts vieler unterschiedlicher Zimmerleute – der Details der Abzimmerung und des bescheidenen

Bauschmucks. 2011.

Schnitzerei ein Stichgebälk vortäuscht. Dagegen istvon den ältesten erhaltenen Gerüsten bis zu denNeubauten des frühen 19.Jahrhunderts eine oftzweifache Vorkragung des Giebeldreiecks um je-weils ca. 15cm üblich (Abb.13). Der Schmuck be-schränkt sich neben wenigen Inschriften (zumeistin den hohen Sturzriegeln der Eingangstüren) aufeiniges Schnitzwerk auf den Füllhölzern der Vor-kragungen (Zahnschnitt-, Perlstab- und Flechtbän-der, seltener florale oder ornamentale Motive). Sobleibt insgesamt der Eindruck der SiegerländerFassaden selbst im so schmuckfreudigen ausgehen-den 18.Jahrhundert recht karg. Dies wird der imSiegerland vorherrschenden religiösen Strömungdes Pietismus zugeschrieben, der mit Ausnahmedes katholischen Teils des Amtes Netphen fastüberall die Verzierungen zurück gedrängt habe.15

Dennoch bedeutete es einen neuerlichen, grundle-genden Wandel, als unter dem Eindruck der vonden Zeitgenossen als bedrohlich empfundenenHolzknappheit der Bauinspektor Johann FriedrichSckell eine Instruktion niederlegte, die 1790 füralle Teile Nassau-Oraniens – und damit auch für dasFürstentum Siegen – in Kraft trat.16 Obrigkeitlichgefordert wurde nunmehr der grundsätzliche Ver-zicht auf Riegel. Wörtlich heißt es dazu: Sind keineRiegel noch Büge (Streben; TS) in die Wände anzu-legen, wodurch die Pfosten geschwächt werden,nur allein an die Ecken sind Büge aufzustellen, unduntenher in die Schwellen, obenher aber in die

Blattstücker und Wandrahmen einzuzäpfen undeinzustirnen.17 Diese Konstruktionsweise setztesich – zuerst noch in Eichen-, im Verlauf des 19.Jahrhunderts zunehmend in Nadelholz – sowohlbei Neubauten (Abb.14) als auch bei An- (Abb.15)18 und Umbauten oder Aufstockungen (Abb.16)weitgehend durch.19 Anfänglich wurde dabei nochdie Bundzimmerung beibehalten, jedoch spätes-tens seit den 1830er Jahren entstanden ausschließ-lich durchgängig stöckige Fachwerkbauten. Mitder großen Neubauwelle im Zuge der Industriali-sierung wurde das „riegellose Fachwerk“ prägend(Abb.17)20 und berühmt durch das Werk von Hillaund Bernd Becher. Die Bauweise des „riegellosenFachwerks“ strahlte aus bis weit hinein in den heu-tigen Kreis Olpe und in den Hochsauerlandkreis,d.h. auch in Regionen, in denen die Instruktion nie

17

12 Kreuztal-Hees, Heesstraße377 von 1764; Detail.

Fachwerkbau in Bundzimmerung von drei auf fünf

Zonen mit sparsamer Verzierung durch Inschriften am

Hauptgiebel und Schnitzereien in der Vorkragungszone

sowie an den Eckständern; die unteren Wandbereiche

zu verschiedenen Zeiten verändert/erneuert. 2011.

14 Wilnsdorf-Rinsdorf, Eiserfelder Straße 12 von 1818(i);

Ansicht von Südosten. Das relativ frühe Beispiel riegel-

losen Fachwerks zeigt an der frei liegenden Giebelseite

(im unteren Bereich massiv erneuert) noch die traditio-

nelle Bundzimmerung mit kräftiger Profilierung um die

Bundzonen des Erdgeschosses. 2011.

13 Hilchenbach-Müsen, Poststraße3/5 von 1757;

Ansicht von Nordwesten. Nach dem Dorfbrand entstand

der großvolumige Fachwerkbau mit Andreaskreuzen

und Rautenfachwerk im Giebeldreieck; die Vorkragun-

gen mit Stichgebälk und Füllhölzern beschnitzt.

Im Hintergrund Poststraße7 ebenfalls von 1757. 2011.

gegolten hatte. Dagegen bleibt das malerischeFachwerk mit Verriegelung, dessen Hölzer zwi-schen den Knotenpunkten abgefast sind (Abb.18),wie dies im Historismus in ganz Deutschland ver-breitet ist, auf recht wenige Beispiele beschränkt.

Anmerkungen

1 s. bisher neben Kienzler (1974) in erster Linie die Dis-

sertation von Annemarie Teepe-Wurmbach (1988, bes.

S.102–112); Schepers (1980, bes. S.504) und Baumeier

(1983, S.214–239) bieten jeweils acht Gebäude aus dem

Kreis Siegen-Wittgenstein.

2 Dendrochronologische Datierungen werden durch ein

der Jahreszahl nachgestelltes (d), inschriftliche Datierun-

gen durch ein nachgestelltes (i) erkennbar.

3 Bereits gewürdigt im Nachwort von G. U. Großmann in

Teepe-Wurmbach 1988, S.170. Weitere Aufmaßzeichnun-

gen des Gebäudes (Grundrisse, Schnitte) durch Fred Kas-

par befinden sich im Planarchiv der LWL-Denkmalpflege,

Landschafts- und Baukultur in Westfalen; s.a. Kaspar

1986, S.196.

4 Großmann 1986.

5 Zu Freudenberg s. vor allem Kienzler 1978, dessen

Arbeitsunterlagen sowie dort nicht zur Veröffentlichung

18

15 Kreuztal-Kredenbach, Altlohe 2–6 von 1745/19.Jahrhundert; Ansicht von Südwesten. Dem ältesten (hier rechten),

quer aufgeschlossenen Hausteil in Bundzimmerung von zwei auf drei Zonen wurden in zwei Bauabschnitten

Anbauten gleicher Breite und Höhe zugefügt, die riegelloses Fachwerk in Bundzimmerung von zwei bzw. drei Zonen

mit spärlicher Aussteifung durch Fußstreben zeigen. Das Hauptgebäude des einstigen Hofes Lohe war zur Bauzeit an

Mennoniten verpachtet, fiel 1815 an die benachbarte Hütte und wurde zeitweise von deren Rendanten bewohnt.

2011.

16 Freudenberg, Oranienstraße33 von 1767(i); Ansicht

von Nordwesten. Der zweistöckige, bis auf wenige

geschweifte Andreaskreuze unter den Fenster des

Obergeschosses schmucklose Baukörper in Bundzimme-

rung – eines der größten Häuser im Flecken – wurde im

19.Jahrhundert um ein Stockwerk in riegellosem

Fachwerk erhöht. 2010.

17 Siegen-Eisern, Schulstraße24 von 1906/07. Ein Berg-

mann ließ das schlichte Wohnhaus mit Drempelgeschoss

in dem zeittypisch kargen, riegellosen Nadelholzfach-

werk errichten. 1971.

gekommene Aufmaßzeichnungen als Kopien bzw. Licht-

pausen in drei Ordnern der sogenannten Sachsammlung

der LWL-Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur in

Westfalen verwahrt werden.

6 Durchgeführt an 29 Gebäuden in den Jahren 2001 bis

2003 durch Hubert Michel (Arnsberg-Müschede); s. dazu

auch Arnold 2002, S.11–153; Stein 2007.

7 Schepers 1980, Tafel 283.

8 Im übrigen Westfalen sind Schwelle-Rähm-Streben bis

ins ausgehende 18.Jahrhundert ungebräuchlich; einzige

Ausnahme sind Gefüge der zweiten Hälfte des 16.Jahr-

hunderts in der Stadt und im Raum Soest bis ins östlich

gegen Nordhessen gelegene Warburg (Michels 1998,

S.105–105).

9 s. dazu Kienzler 1997, S.66; Spohn 2000, S.40.

10 s. auch Beispiele aus den Jahren 1756 und 1757 bei

Schepers 1980, Tafeln 285, 287.

11 s. Schepers 1980, S.504; Teepe-Wurmbach 1988,

S.197f.; vgl. Reuter/Beck 1997, 2000, 2004.

12 Nach Behne 1982, S.54.

13 Seltener und erst gegen Ende des 18.Jahrhunderts ist

die Variante zweier schmächtigerer Riegel, von denen der

untere als Rähm des unteren und der obere als Schwelle

des oberen Stockwerks dient, und zwischen denen die

Köpfe der Geschossbalken (dem unteren, als Rähm die-

nenden Riegel aufliegend oder aufgekämmt) sichtbar

sind; vgl. Abb.11 (rechts).

14 s. in einem örtlichen Überblick z.B. Weyer 1967, S.200.

15 Vgl. Teepe-Wurmbach 1988, S.107.

16 Fritzsche 1997.

17 Nach Kienzler 1974, S.27.

18 Zu diesem Gebäude s. Hahn 2000.

19 Fritzsche 2002.

20 Becher 1977.

Literatur

Heinrich von Achenbach, Geschichte der Stadt Siegen.

Siegen 1894 (Neudruck Kreuztal 1983). – Erich Arnold

u.a., Urkataster von 1835. Die ältesten Ferndorfer Häuser

und ihre Besitzer, in: Helmut Nölling (Hg.), Ferndorfer

Dorfchronik, Band1. Kreuztal 2002, S.11–153. – Stefan

Baumeier, Westfälische Bauernhäuser. Vor Bagger und

Raupe gerettet. (2.Aufl.) Bielefeld 1983. – Bernd und Hilla

Becher, Fachwerkhäuser des Siegerländer Industriegebie-

tes. München 1977. – H.W. Behne, Balkeninschriften.

Zeugnis alter Handwerkskunst, in: Karl Pöppel (Hg.), Das

mittlere Edertal. Bad Berleburg 1982, S.51–61. – Wolf-

gang Fritzsche, Hausbau und obrigkeitliches Handeln in

den nassauischen Landesteilen von 1465 bis 1866. Weimar

1997. – Wolfgang Fritzsche, Überlegungen zum Begriff

„Durchsetzung“ in Bezug auf historische Bauordnungen,

in: Thomas Spohn (Hg.), Bauen nach Vorschrift? Obrig-

keitliche Einflussnahme auf das Bauen und Wohnen in

Nordwestdeutschland (14. bis 20.Jh.). Münster 2002,

S.183–203. – G. Ulrich Großmann, Der spätmittelalterliche

Fachwerkbau in Hessen. Königstein 1983. – Stephan

Hahn, Das „Hüttenmeisterhaus“ zu Lohe, in: Siegener

Beiträge 5, 2000, S.165–176. – Fred Kaspar, Fachwerkbau-

ten des 14. bis 16.Jahrhunderts in Westfalen. Münster

1986. – Herbert Kienzler, Siegerländer Fachwerkhäuser.

19

18 Hilchenbach-Müsen, Martinshardtstraße2 von 1894(i); Ansicht von Nordosten. Unter den zahlreichen malerischen

Elementen – Eingangsveranda und Dachhäuser, weite Dachüberstände mit Schwebegiebel, Materialvielfalt – sind

vor allem die feinen Abfasungen des hier wieder verriegelten Fachwerks zwischen den Knoten der Holzverbindungen

hervorzuheben. 2011.

20

Das nordrhein-westfälische Denkmalschutzgesetzlässt zwar unter bestimmten Umständen – wenndie gegenläufigen öffentlichen oder privaten Inte-ressen die konservatorischen Belange überwiegenund keine Abhilfe durch Ausgleichsmaßnahmenmöglich ist – auch die Preisgabe des Denkmals zu.Allerdings bedarf es in solchen Fällen – mit Blickauf den an das Land Nordrhein-Westfalen, dieGemeinden und die Gemeindeverbände gerichte-ten verfassungsrechtlichen Schutzauftrag – einerumfassenden Ermittlung der abwägungserhebli-chen Tatsachen, einer adäquaten Gewichtung undeines ernsthaften Versuchs, die widerstreitendenInteressen auf einen gemeinsamen Nenner zu brin-gen. Diesem Anspruch werden die zuständigenBehörden leider nicht immer gerecht. Anstelleeiner Güterabwägung finden sich vielfach pau-schale Verweise auf vermeintlich höherwertigeRechtsgüter oder kryptische Aussagen, wie etwa,dass eine „vernünftigerweise gebotene Trassen-führung“ eines Verkehrsweges den Abbruch desBaudenkmals erfordere. Auch wenn es in Einzelfäl-len zutreffen mag, dass Abwägungsmängel demfehlenden Abwägungswillen entspringen, so istdoch auch zu konstatieren, dass in der Praxiserhebliche Unsicherheiten über die geboteneErmittlungstiefe und den erforderlichen Argumen-tationsaufwand im denkmalrechtlichen Erlaubnis-verfahren bestehen.

Konservatorische Belange in der AbwägungNach §9 Abs.2 DSchG NRW ist die denkmalrecht-liche Erlaubnis für eine beantragte Maßnahme zuerteilen, wenn „Gründe des Denkmalschutzesnicht entgegenstehen“ oder ein überwiegendesöffentliches Interesse die Maßnahme verlangt.Auch wenn nur in §9 Abs.2a DSchG von „Gründendes Denkmalschutzes“ die Rede ist, so muss doch inbeiden Tatbestandsvarianten eine Abwägung zwi-schen den denkmalpflegerischen Belangen undden gegenläufigen privaten oder öffentlichenInteressen durchgeführt werden: Im Falle des §9Abs.2a DSchG ist die Notwendigkeit einer solchenAbwägung nach ständiger Rechtsprechung in derFormulierung „entgegenstehen“ angelegt,2 wäh-rend im Falle des §9 Abs.2b DSchG der Begriff„überwiegendes“ auf das Abwägungserfordernishindeutet. Von einer ordnungsgemäßen Güterab-wägung lässt sich allerdings in beiden Fällen nurdann sprechen, wenn die zuständige Denkmalbe-hörde zunächst eine Beurteilung der Denkmalver-träglichkeit des beantragten Vorhabens vornimmt,ehe sie dann in einem zweiten Schritt die konser-vatorischen Belange und die mit diesen konkurrie-renden Interessen in einen „gerechten Ausgleichund ein ausgewogenes Verhältnis“ bringt.Nun ist es sicherlich richtig, dass die Frage, wann ei-ner beantragten Maßnahme „Gründe des Denk-malschutzes“ entgegenstehen, nicht in abstrakter,

Dimitrij Davydov

Die DenkmalverträglichkeitsprüfungZur Berücksichtigung konservatorischer Belange im Erlaubnisverfahren nach §9 DSchG NRW

Mit dem in seiner Deutlichkeit nicht zu überbietenden Titel „Warum reißt ihr nicht gleich allesab?“ hat unlängst ein Beitrag in der Jahresschrift der schleswig-holsteinischen Denkmalpflegeauf die aktuelle gesellschaftliche Haltung zum baulichen Kulturerbe in Deutschland aufmerk-sam gemacht.1 Auch wenn für die gegenwärtige Situation in Nordrhein-Westfalen keineregelrechte Abrisswelle zu verzeichnen ist, so muss dennoch festgestellt werden, dass dieZerstörung von Baudenkmälern, vor allem von vermeintlich nicht sinnvoll nutzbaren Zeugnis-sen der Industrialisierung, auch hier keine Ausnahmeerscheinung ist.

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Bildnachweis

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– LWL-Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur in

Westfalen 2–6, 8–18 (Spohn).

auf alle denkbaren Einzelfälle anwendbarer Formbeantwortet werden kann, sondern stets nur an-hand der Besonderheiten des konkreten Einzel-falls.3 Die „Einzelfallgerechtigkeit“ als Wesenszugdes denkmalrechtlichen Erlaubnisverfahrens ist derVielfalt der betroffenen privaten und öffentlichenInteressen ebenso geschuldet wie der Einzigartig-keit, Unvermehrbarkeit und Unwiederbringlich-keit der Denkmäler und hat zur Folge, dass mansich mit Analogien stets auf ein dünnes Eis begibt.Diese Erkenntnis lässt aber den Bedarf nach fall-übergreifenden, verbindlichen Parametern zur Er-mittlung und Gewichtung der betroffenen Be-lange nicht entfallen. Ein einheitlicher Gesetzes-vollzug erfordert vielmehr, dass beispielsweise dieKriterien für die Feststellung der Zumutbarkeit derDenkmalerhaltung nicht jedes Mal aufs Neueerfunden werden müssen. Nichts anderes gilt auchfür die Ermittlung und Gewichtung der konserva-torischen Belange: Wenn die Rechtsprechung fest-stellt, nicht schon jede, noch so geringfügige Be-einträchtigung der Denkmalbelange führezwangsläufig zu der Versagung der Erlaubnis,4

liegt auf der Hand, dass es Beurteilungskriteriengeben muss, die im Einzelfall die Einschätzung er-möglichen, wann die Beeinträchtigung im Einzel-fall gering und wann sie erheblich ist. Als abwä-gungsrelevante Gesichtspunkte stehen dabeieinerseits die Schwere und Tragweite der bean-tragten Maßnahme, andererseits der Zeugniswertdes betroffenen Denkmals im Vordergrund.

Beurteilung der MaßnahmeBei der Ermittlung der konservatorischen Belangehat die zuständige Denkmalbehörde zunächst dieIntensität des mit der beantragten Maßnahmeverbundenen Eingriffs in die Substanz oder dasErscheinungsbild des Denkmals zu untersuchen.Bei der Beseitigung (Abbruch) des Denkmals han-delt es sich um den denkbar intensivsten Eingriffund – angesichts der Irreversibilität eines jedenDenkmalverlustes und der fehlenden Regenerier-barkeit des Denkmalbestandes – um die schwerst-mögliche Beeinträchtigung der Denkmalbelange.Da durch die Vernichtung des Denkmals ein denZielen des Denkmalschutzgesetzes (§1 Abs.1 Satz1DSchGNRW) diametral entgegen gesetzter Zustandhergestellt wird, muss konservatorischen Belangenim Rahmen der Güterabwägung bei Abbruchbe-gehren ein entsprechend hohes Gewicht beigemes-sen werden. Aus der Rechtsprechung des Bundes-verfassungsgerichts zum Verhältnis von Denkmal-schutz und Eigentumsfreiheit lässt sich entnehmen,dass der Verlust des Denkmals kein Standardfallsein kann, sondern eine besondere Konstellation,die nur dann eintritt, wenn die Belastungsgrenzeausnahmsweise überschritten ist und alle Aus-gleichsmechanismen versagen.5 Ein vergleichbaresRegel-Ausnahme-Verhältnis gilt auch für das Ver-hältnis des Denkmalschutzes zu andern schutzwür-digen öffentlichen und privaten Interessen.6

Die Intensität einer Veränderung der Substanzoder des Erscheinungsbildes des Denkmals mussausgehend von den für das konkrete Denkmalmaßgeblichen denkmalrechtlichen Bedeutungska-tegorien beurteilt werden. Die Erheblichkeit desEingriffs hängt also damit zusammen, ob und in-wieweit z.B. die künstlerische oder architektoni-sche Aussage oder die städtebauliche Wirkung desDenkmals durch die beabsichtigte Maßnahmebeeinträchtigt werden, die Maßnahme zu einer er-heblichen Einbuße der Authentizität des Denkmalsin seiner Eigenschaft als Forschungsgegenstandoder geschichtliches Zeugnis führt und der ge-plante Eingriff reversibel ist. Allerdings bleibt auchbei einer „kategorieadäquaten“ Beurteilung dasDenkmal als Ganzes Gegenstand der Betrachtung:Wird in der Denkmalwertbegründung etwa imWesentlichen auf die kunstvoll gestaltete Fach-werkfassade einer 200 Jahre alten Scheune abge-hoben, darf daraus nicht abgeleitet werden, dassallein dieses Gestaltungsmerkmal vor Veränderun-gen geschützt werden soll und z.B. das Scheunen-dach ohneWeiteres eine Belegung mit Solarmodu-len ertragen kann.7

Bei Maßnahmen in der engeren Umgebung desDenkmals (§9 Abs.1b DSchG NRW) muss die Er-heblichkeit der Beeinträchtigung ebenfalls spezifi-ziert und geprüft werden, ob über die bloße Ver-änderung des Erscheinungsbildes hinaus eine in-tensive Schädigung der Denkmalaussage vorliegt.8

Dabei gilt jedoch, dass jedes Denkmal, unabhängigdavon, ob sein historischer städtebaulicher oderlandschaftlicher Zusammenhang vollständig über-liefert ist oder nicht, einen bestimmten „Lebens-raum“9 bzw. einen „Wirkungsbereich“10 bean-sprucht, ohne dessen Erhaltung die historische Be-deutung des Denkmals nicht oder nicht vollständigablesbar ist. Welcher „Rahmen“ der Bedeutung ei-nes Denkmals entspricht, kann nicht immer vonvornherein festgelegt werden und fortan stetsdenselben Bereich umfassen. Zwar lässt sich derRaum, in den das Denkmal selbst ausstrahlt, alleinanhand der topographischen Situation und derDenkmalwertbegründung bestimmen. Der Bereichaber, der seinerseits das Denkmal prägt und beein-flusst, kann – je nach der Art und Dimension desbeabsichtigten Vorhabens – variieren.11

Beurteilungsmaßstab für die Frage, ob und inwie-weit das Erscheinungsbild eines Denkmals beein-trächtigt wird, ist sowohl in Fällen von §9 Abs.1aals auch bei §9 Abs.1b DSchG NRW nicht dieWahr-nehmung eines „aufgeschlossenen Durchschnitts-betrachters“,12 sondern das Urteil eines „fachkun-digen Betrachters“.13 Denn eine solche Beurteilungsetzt – über eine bloß denkmalfreundliche Gesin-nung hinaus – „ein fachspezifisches Vertrautseinmit dem Denkmal und seiner Epoche“ voraus.Selbst wenn man den Schutz des Erscheinungs-bildes auf eine Frage „der Optik und Ästhetik“ re-duziert,14 muss dennoch eingeräumt werden, dassästhetische Bewertungen nicht nach persönlichen

21

Geschmacksurteilen erfolgen,15 sondern eine nachgeisteswissenschaftlichen und kunsttheoretischenRegeln fundierte Bewertung verlangen.16 Dies hatzur Folge, dass etwa bei der Bewertung der Trag-weite einer Veränderung des Erscheinungsbildeseines historischen Gebäudes (Scheune aus dem18.Jh.) durch ein neuzeitliches Element (Photovol-taikanlage) nicht vorgebracht werden kann, dieBevölkerung habe sich inzwischen an den Anblickvon solchen Anlagen gewöhnt.17

Bei der Bewertung der Schwere und Tragweite ei-nes geplanten Eingriffs in die Substanz oder das Er-scheinungsbild des Denkmals wird bisweilen zuGunsten der beabsichtigten Maßnahme auf einebereits vorhandene Vorbelastung des Denkmalsdurch Veränderungen gegenüber dem die Denk-malaussage tragenden historischen Zustand abge-hoben. Dieser Ansatz ist allerdings zu hinterfragen.Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof weist zuRecht darauf hin, dass es die Anforderungen an dieBegründung der Denkmaleigenschaft bei weitemüberspannenwürde, würdeman ein vom Zeitpunktder Errichtung an unverändertes Gebäude fordern,denn durch Entwicklung und Fortschritt seien anbeinahe jedem Gebäude im Laufe seines BestehensAn-, Um- und Ausbauten vorgenommen worden.18

Analysiert man diese Veränderungen im Rahmender Güterabwägung, muss richtigerweise differen-ziert werden zwischen den Veränderungen gegen-über dem ursprünglichen Zustand, die ihrerseits his-torisch bedeutsame (z.B. architektonische, soziale,politische oder ideologische) Entwicklungen doku-mentieren und damit die Denkmaleigenschaft desObjekts ausmachen, den Veränderungen ohneZeugniswert, die die Denkmalaussage schmälernoder verfälschen (Bausünden) und den Veränderun-gen, die in Kenntnis der Denkmaleigenschaft auszwingenden Gründen vorgenommen worden sind(z.B. behindertengerechter Aufzug, Fluchttreppeusw.). Von Bedeutung ist ferner, ob es sich um sub-stanziell reversible oder irreversible Veränderungenhandelt. Grundsätzlich gilt, dass bei jedemDenkmaldie Grenze seiner Anpassungsfähigkeit anmoderneBedürfnisse irgendwann erreicht ist. Deshalb ist ei-nem Denkmal umso weniger an neuen Beeinträch-tigungen zuzumuten, je mehr ihm bereits in derVergangenheit an Beeinträchtigungen zugemutetworden ist.19 Etwas anderes gilt freilich dann, wenndie Veränderungen einen Umfang erreicht haben,dass von demDenkmal – wie es einmal unter Schutzgestellt worden ist – nicht mehr die Rede sein kann,also ein Fall von Identitätsverlust vorliegt.20

Nichts anderes gilt für die Beurteilung der Intensi-tät der Beeinträchtigung eines Denkmals durchbauliche Maßnahmen in dessen engerer Umge-bung (§9 Abs.1b DSchG NRW). Hier auf eine be-reits vorhandene „Vorbelastung“ des baulichenoder landschaftlichen Umfelds durch verunstal-tende oder jedenfalls optisch störende Gebäudeund Anlagen abzustellen,21 erscheint nicht immersachgerecht. Denn zunächst kann die beantragte

Maßnahme eine zusätzliche Schmälerung des Wir-kungswertes des Denkmals nach sich ziehen.22 DieAufgabe des Denkmalschutzes erschöpft sich indesnicht darin, lediglich historisch völlig unberührteBereiche zu bewahren. Relevant ist zudem, ob diebelastend wirkenden Gebäude und Anlagen ausder Zeit vor der Unterschutzstellung des Denkmalsstammen und bei einer ex-post Betrachtung als„Bausünden“ gewertet werden müssen, die sonicht erlaubnisfähig gewesen wären. Könnte maneinmal vorgefundeneMissstände zumMaßstab fürden Umgang mit dem Denkmal erheben, würdedies den Sinn einer denkmalrechtlichen Unter-schutzstellung vollkommen konterkarieren.Der Grad der Betroffenheit denkmalpflegerischerBelange kann bei einer Beeinträchtigung des Er-scheinungsbildes auch davon abhängen, ob diesedauerhafter Natur oder lediglich vorübergehendist.23 Eine vorübergehende Beeinträchtigung istaber nicht zwingend mit einer zeitlich begrenztengleichzusetzen, sondern setzt voraus, dass die inRede stehende Maßnahme in absehbarer Zeit wie-der beseitigt und der frühere Zustand wiederher-gestellt wird. Im Falle der zeitlich befristeten An-bringung eines Werbebanners an einem Baustel-lenkran hat das VGDüsseldorf die Beeinträchtigungdes Straßen- und Ortsbildes (auch unter denkmal-pflegerischen Gesichtspunkten) als nicht bloß vorü-bergehend gewertet.24 Erst recht nicht kann bei ei-ner Photovoltaikanlage, die regelmäßig auf eineNutzungsdauer von 20 bis 30 Jahren angelegt ist,von einer nur vorübergehenden Beeinträchtigunggesprochen werden,25 und zwar auch dann, wenndie Dauer der Beeinträchtigung im Vergleich zumAlter des Denkmals als überschaubar erscheint.26

Beurteilung des DenkmalsNeben der Intensität des Eingriffs stellt dieQualitätdes betroffenen Denkmals ein Kriterium dar, daszur Ermittlung und Gewichtung der konservatori-schen Belange im Rahmen der Güterabwägungherangezogen werden kann.27 Nach der Rechtspre-chung des OVGNRW sind Denkmalbelange nämlichdesto stärker beeinträchtigt und damit eine Versa-gung der Erlaubnis desto naheliegender, je bedeu-tender das Denkmal ist, während umgekehrt beiObjekten, deren Bedeutung nicht als überragendeinzustufen ist, eine großzügigere Handhabungdes §9 DSchG NRW angezeigt sein soll.28 Woranaber bemisst sich die Bedeutung eines Denkmals?Hätte sich der nordrhein-westfälische Gesetzgeber,vergleichbar der Rechtslage in Baden-Württem-berg, für eine Hierarchisierung des Denkmal-bestandes, also eine Differenzierung zwischen„einfachen“ und „besonders wertvollen“ Denkmä-lern entschieden, ließe sich die Bedeutungsfrageaus dem Gesetz heraus beantworten. Diesen Weghat der Gesetzgeber in NRW aber gerade nichtbeschritten und stattdessen alle als Denkmal er-kannten und unter Schutz gestellten Objekte mitdem gleichen Schutzniveau ausgestattet. Mit dem

22

Prädikat eines Denkmals von „überragender Be-deutung“ mögen nach geltendem Recht allenfallsUNESCO-Weltkulturerbestätten versehen werden,da es sich hierbei um Kulturgüter von universellemWert handelt. In diesem Sinne lässt sich jedenfallseine 2010 ergangene Entscheidung des VG Gelsen-kirchen verstehen, wonach die Einzigartigkeit desWeltkulturerbes Zollverein in Essen eine gestei-gerte Empfindlichkeit und Schutzbedürftigkeit desDenkmals gegen Störungen von außerhalb zurFolge habe.29 Es dürfte jedoch kaum der Intentiondes Gesetzgebers entsprechen, bei allen Denkmä-lern ohne Welterbe-Status von einer geringen Be-troffenheit der Denkmalbelange auszugehen.Da das Gesetz keine Bedeutungsstufen kennt, dieAnforderungen des Denkmalschutzes aber gleich-wohl aus der Qualität bzw. der Bedeutung des be-troffenen Denkmals hergeleitet werden müssen,könnte die Lösung darin liegen, die Bedeutung desDenkmals, d.h. seinen Wert als kulturhistorischesZeugnis, im Rahmen des konkreten Erlaubnisver-fahrens herzuleiten und daran die Denkmalverträg-lichkeit der beantragtenMaßnahme zumessen. DieBesonderheit des in Nordrhein-Westfalen gelten-den konstitutiven Systems des Denkmalschutzes –im Gegensatz zu dem deklaratorischen System –liegt allerdings darin, dass der Zeugniswert einesDenkmals nicht erst anlässlich eines Erlaubnisan-trags, sondern bereits bei seiner Unterschutzstel-lung verbindlich festgelegt werdenmuss. Da die dieUnterschutzstellung tragenden Gründe die Ein-schränkung der Eigentümerbefugnisse rechtferti-gen sollen,30 liegt es auf der Hand, dass über dieseGründe von Anfang an Klarheit herrschen muss. ImRahmen des Erlaubnisverfahrens kann deshalbnicht von einer (erstmaligen) Festlegung der Bedeu-tung eines Denkmals die Rede sein, sondern ehervon einer Präzisierung und Konkretisierung dieserBedeutung anlässlich der beantragten Maßnahme.Mit der Vorstellung der Rechtsprechung, dass imdenkmalrechtlichen Erlaubnisverfahren die„Gründe der Unterschutzstellung“ als Messlattefür die Denkmalverträglichkeit der erlaubnispflich-tigen Maßnahmen fungieren sollen,31 wird die For-derung verknüpft, dass diese Gründe in dem Um-fang Berücksichtigung finden sollen, in dem sie inder Unterschutzstellungsverfügung festgeschrie-ben sind. So führt das OVG NRW in seinem Be-schluss vom 28.12.200932 aus, die Bedeutung desDenkmals müsse sich „in erster Linie“ aus demUnterschutzstellungsbescheid erschließen. Die For-mulierung „in erster Linie“ deutet allerdings da-rauf hin, dass die im Unterschutzstellungsbescheidenthaltene Denkmalwertbegründung geradenicht die alleinige Erkenntnisquelle für die Beur-teilung des Zeugniswerts eines Denkmals seinkann. Dem entspricht es, dass das OVG in seinerfrüheren Rechtsprechung stets auf die Gründe derUnterschutzstellung abstellen wollte, „so wie sichdiese aus dem Inhalt der Eintragungsverfügungund dem hierauf aufbauenden Urteil eines sach-

verständigen Betrachters ergeben“.33 Denn, so derberechtigte Hinweis des OVG, eine solche Beurtei-lung setzt, wie auch die Entscheidung über die Ein-tragungsvoraussetzungen selbst, ein fachspezifi-sches Vertrautsein mit dem Schutzobjekt und dendieses kennzeichnenden Faktoren voraus. Diesefachspezifischen Kenntnisse werden in Nordrhein-Westfalen primär von den Denkmalämtern derLandschaftsverbände vermittelt,34 denen – mitBlick auf die in §22 Abs.4 DSchG NRW statuierteWeisungsunabhängigkeit – die Funktion von un-parteilichen Gutachtern zukommt.35

Vor dem Hintergrund der Funktion des Unter-schutzstellungsaktes bedeutet die Forderung, dieBedeutung des Denkmals müsse sich „in ersterLinie“ aus dem Unterschutzstellungsbescheid er-schließen, lediglich, dass die Ablehnung einer be-antragten Maßnahme durch die Denkmalbehörde„kategorienadäquat“ erfolgen soll,36 d.h. nur aufsolche gesetzlichen Kriterien der Denkmalerkennt-nis37 gestützt werden darf, die bereits in der Unter-schutzstellungsverfügung Niederschlag gefundenhaben und dass ein Austausch oder ein Nachschie-ben von Unterschutzstellungsgründen im Rahmeneiner Entscheidung nach §9 DSchG NRWunzulässigist. Mit „Gründen der Unterschutzstellung“ kön-nen aber sinnvollerweise nur Tatbestandsmerk-male des §2 Abs.1 DSchG NRW gemeint sein undnicht bauliche Details wie Dachüberstände, Tür-blätter oder Fensterbeschläge. Es ist deshalb derDenkmalbehörde nicht verwehrt, ihre Entschei-dung im Erlaubnisverfahren auf ergänzende oderkonkretisierende Ausführungen zum Zeugniswertdes Denkmals zu stützen, sofern dabei keineneuen, über die bisher festgelegten Gründe derUnterschutzstellung hinausgehenden Bedeutungs-ebenen des Denkmals postuliert werden.Ein weiterer Gesichtspunkt, der bei der Ermittlungund Gewichtung der Denkmalbelange eine Rollespielen kann, ist der Zustand des Denkmals zumZeitpunkt der Verwaltungsentscheidung. Grund-sätzlich gilt, dass auch schwer beschädigte Denk-mäler erhaltenswert sind, solange hierdurch derZeugniswert des Denkmals nicht vollständig unter-gegangen ist. Gründe des Denkmalschutzes steheneiner Erlaubnis – unabhängig von der Intensitätdes Eingriffs und der Bedeutung des Denkmals –jedoch dann nicht entgegen, wenn das Schutzob-jekt offenkundig abgängig, etwa akut einsturzge-fährdet und nicht mehr zu retten ist.38 Ist der Ver-fall des Denkmals nicht mehr aufzuhalten und eineWiederherstellung unter Beibehaltung der Denk-maleigenschaft in technischer Hinsicht unmöglich,ist das für die Erhaltung des Denkmals streitendeöffentliche Interesse ausnahmsweise gering zugewichten.39 Damit ist allerdings nicht gesagt, dassauch kein erhebliches Interesse an der Erforschungdes Denkmals besteht; um diese sicherzustellen,kann eine Erlaubnis nach §9 Abs.2a oder b DSchGNRW, die den Abbruch eines Baudenkmals zumGegenstand hat, mit entsprechenden Auflagen

23

(neben Dokumentation auch Bergung, Lagerungund ggf. Wiederverwendung von einzelnen Be-standteilen des Denkmals) versehen werden.40

FazitDass die Erhaltung des kulturellen Erbes in der letz-ten Zeit tatsächlich, wie vom Verfasser des eingangszitierten Beitrags diagnostiziert, immermehr einemSchlachtfeld gleicht, kann für die Verhältnisse inNordrhein-Westfalen nicht bestätigt werden. Wennaber im nordrhein-westfälischen Denkmalschutzge-setz die Aufgaben der Denkmalbehörden als solcheder Gefahrenabwehr eingeordnet werden (§20Abs.3 Satz2 DSchG NRW), setzt dies denknotwen-dig voraus, dass es denkmalspezifische Gefahren ge-ben muss, die es abzuwehren gilt. Dass hierzu nichtnur etwa Naturgewalten und natürliche Materialal-terungsprozesse zählen, sondern eben auch ge-wichtige öffentliche und private Interessen, derenRealisierung gravierende Eingriffe in die Denkmal-substanz – bis hin zum Abbruch – einfordert, liegteigentlich auf der Hand. In diesem Zusammenhangbedeutet Gefahrenabwehr, dass Denkmalbehördenin erster Linie die Betroffenheit der „eigenen Be-lange“ anhand von oben aufgezeigten Kriterienermitteln und gewichten und sich erst in einemzweiten Schritt mit der Berechtigung der „frem-den“ Belange kritisch auseinandersetzen. DiesesVorgehenmag einen gewissen Ermittlungs- und Ar-gumentationsaufwand zur Folge haben. Es machtaber die Güterabwägung für die beteiligten Behör-den, den Antragsteller und – nicht zuletzt – für dieÖffentlichkeit überhaupt erst nachvollziehbar.

Anmerkungen

1 Hanno Rauterberg: Warum reißt ihr nicht gleich alles

ab? Über denWert der Denkmalpflege in Zeiten der Krise,

in: DenkMal! 17/2010, S.5ff.

2 OVGNW, Urteil v. 15.08.1997 – 7 A 133/95 – EzD 5.4 Nr.3.

3 Vgl. OVG NRW, Beschluss v. 02.10.2002 – 8 A 5546/00 –

EzD 2.2.6.2 Nr.25 mit Anm. von Gerd-Ulrich Kapteina.

4 VG Münster, Urteil v. 16.11.2010 – 2 K 421/10 – juris.

5 BVerfGE 100, 226 (242, 243).

6 Vgl. VG Köln, Urteil v. 12.01.2007 – 4 K 8318/03 – NRWE.

7 VGH BW, Urteil v. 10.06.2010 – 1 S 585/10 – VBlBW 2010

S.393f.

8 OVGNRW, Beschluss v. 31.03.2010 – 10 A 1119/08 –, EzD

2.2.6.4 Nr.45 mit Anm. von Gerd-Ulrich Kapteina.

9 Vgl. Ernst-Rainer Hönes, Der Schutz der Umgebung an

Beispielen aus der Rechtsprechung zum Denkmalrecht, in:

DSI 3/2001 S.43ff.

10 Vgl. Dieter J. Martin in: Dieter J. Martin/Michael

Krautzberger, Handbuch Denkmalschutz und Denkmal-

pflege, 2010, Teil E RdNr.180f.

11 Vgl. VG Sigmaringen, Urteil v. 15.10.2009 – 6 K

3202/08 – juris; Jan Nikolaus Viebrock, Hessisches Denk-

malschutzrecht, 3.Aufl. 2007, §16 RdNr.16f.

12 So die ständige Rechtsprechung in Baden-Württem-

berg, vgl. VGH BW, Urteil v. 01.09.2011 – 1 S 1070/11 –

juris.

13 Vgl. OVG NRW, Urteil v. 03.09.1996 – 10 A 1453/92 –

EzD 2.2.6.2 Nr.22; NdsOVG, Urteil v. 03. 05. 2006 – 1 LB

16/05 – EzD 2.2.6.2 Nr.47.

14 So offenbar OVG RP, Urteil v. 22.07.2010 – 1 A

11337/09.OVG – LNR.

15 So zu Unrecht Peter Nagel/Michael Späthe, Anm. zu

VG Dresden, Urteil. v. 11.09.2010, in: REE 2011, S.38 ff.

16 Jürgen Hasse, Atmosphären und Stimmungen im

Denkmalschutz. Zur Überwindung des Visualismus im

Denkmalschutz, in: Die Denkmalpflege 2/2010 S.123f.

17 So aber VGH BW, Urteil v. 01.09.2011 – 1 S 1070/11 –

juris.

18 Beschluss v. 14.09.2010 – 2 ZB 08.1815 – juris.

19 Vgl. VG Gelsenkirchen, Urteil v. 10.12.2009 – 16 K

2957/06 – n.v.

20 OVG NRW, Urteil v. 26.08.2008 – 10 A 3250/07 – juris.

21 So VG Düsseldorf, Urteil v. 09.09.2010 – 25 K 5070/10

– NRWE.

22 Vgl. VG Köln, Urteil v. 30.06.2011 – 13 K 5244/08 –

NRWE.

23 Vgl. VGH BW, Urteil v. 16.11.2005 – 1 S 2953/04 – juris.

24 Urteil v. 09.06.2005 – 4 K 872/05 – EzD 3.3 Nr.21.

25 Vgl. VG Neustadt a. d. Weinstraße, Urteil v. 25.05.2010

– 3 K 84/10.NW – LNR.

26 Vgl. VG Gießen, Urteil v. 22.06.2010 – 1 K 185/09.GI –

juris.

27 Vgl. OVG NRW, Urteil v. 03.09.1996 – 10 A 1453/92 –

EzD 2.2.6.2 Nr.22.

28 Vgl. OVG NRW, Urteil v. 06.02.2008 – 10 A 4484/06 –,

n.v.

29 VG Gelsenkirchen, Urteil v. 20.05.2010 – 5 K 5679/08 –

juris.

30 OVG NRW, Urteil v. 27.06.2000 – 8 A 4631/97 – NRWE.

31 OVG NRW, Urteil v. 27.06.2000 – 8 A 4631/97 – NRWE;

Urteil v. 04.12.1999 – 7 A 1113/90 – n.v.

32 OVG NRW, Beschluss v. 28.12.2009 – 10 A 1099/08 –

EzD 2.2.6.2 Nr.66.

33 OVG NRW, Urteil v. 22.01.1998 – 11 A 688/97 – juris;

Urt. v. 03.09.1996 – 10 A 1453/92 – EzD 2.2.6.2 Nr.22.

34 OVG NRW, Urteil v. 05.03.1992, NVwZ-RR 1993, 129,

132; Urt. v. 14.03.1991 – 11 A 264/89 – juris.

35 OVG NRW, Beschluss v. 03.05.2011 – 10 A 703/10 – n.v.

36 Vgl. OVG Bln-BBg, Urteil v. 21.02.2008 – 2 B 12.06 – ju-

ris.

37 Vgl. Ernst-Rainer Hönes in: Dimitrij Davydov/Ernst-

Rainer Hönes/Dieter J. Martin/Birgitta Ringbeck, Denk-

malschutzgesetz Nordrhein-Westfalen. Kommentar,

2.Aufl. 2010, Erl.7. zu §2.

38 Vgl. VG Düsseldorf, Beschluss v. 24.11.2005 – 25 L

2010/05 – NRWE.

39 Vgl. OVG NRW, Beschluss v. 18.04.2011 – 2 A 2492/09

– NRWE; Urteil v. 04.05.2009 – 10 A 699/07 – NRWE.

40 Zwar könnte man meinen, die Erforschung der Denk-

mäler sei in erster Linie eine Aufgabe der Denkmalämter

(§22 Abs.3 Nr.2 DSchG NRW) und nicht des Antragstellers.

Zu bedenken ist allerdings, dass die primär auf Denkmä-

ler bezogene Erhaltungspflicht bei Eingriffen, die zur

partiellen oder vollständigen Vernichtung des Denkmals

führen, nicht etwa endet, sondern als Pflicht zur

Erhaltung des Dokumentationswerts fortwirkt (so Heinz

Strobl/Heinz Sieche, Denkmalschutzgesetz Baden-Würt-

temberg, 3.Aufl. 2009, §6 RdNr.3).

24

25

Ganz im Sinne der religiös-missionarischen Absich-ten der Nazarener, zu denen Führich zählte,brachte es dieser Kreuzweg, durch Nachstiche vonAlois Petrak seit 1849 in mehreren Auflagen undspäter auch durch Fotoreproduktionen weit ver-breitet, im 19.Jahrhundert zu einer Beliebtheit, diesich bis heute in Europa und darüber hinaus in ei-ner großen Zahl von erhaltenen Kopien, Variatio-nen und Nachschöpfungen äußert.2 Vorwiegendhandelt es sich bei diesen Kopien wie beim Origi-nal um Malerei, allerdings in kleinerem Formatund auf unterschiedlichen Bildträgern (Leinwand,Metall, etc.). Solche Beispiele sind auch in Westfa-len bekannt, bisher unbekannt war hierzulande je-doch die Existenz plastischer Kopien. Bei den Re-cherchen im Zusammenhang mit dem HornerKreuzweg wurden nun drei weitere zwischen 1857und 1867 entstandene Kreuzwege in Bad Driburg,Paderborn-Schloss Neuhaus und Warburg ermit-telt, die in Größe und Ausführung weitgehendidentische Terrakottareliefs aufweisen. Anderemögen in Westfalen noch unerkannt existieren.3

Als Hersteller dieser offenbar seriell gefertigten

Terrakotten ließ sich mit Hilfe der Archivquellenzum Warburger Kreuzweg die Firma H.J. Scherfund P.J. Imhoff in Kalk bei Köln ermitteln.

Der Kreuzweg in Erwitte-HornDer Kreuzweg besteht aus 14 gleichartigen, relativflachen, 226cm (mit Kreuz 260cm) hohen Natur-steingehäusen, vermutlich aus Wrexener Sand-stein, die entlang des Hauptweges in der Quer-achse des Friedhofs in Horn in relativ geringem Ab-stand aufgereiht sind. Laut Inschrift auf der Rück-seite des Sockels der XIV.Station wurde der Kreuz-weg 1866 aus Spenden der Pfarrangehörigen er-richtet.4 Auf der rechten Schmalseite des Sockelsder IX.Station hat sich der ausführende SteinmetzJohann Hammer aus Geseke mit seinem Namenverewigt.5 Archivquellen zur Entstehung desKreuzweges und der Herkunft der Terrakottare-liefs liegen nicht vor. Wohl aber ist archivalisch be-legt, dass der Kreuzweg erst im Zuge der Fried-hofserweiterung 1923 seine heutige Aufstellungfand.6 Zuvor soll er rund um den alten Friedhof ge-standen haben. In Zusammenhang mit der Umset-zung wurden 1923/24 die beschädigten Gehäuseund Reliefs ausgebessert, die Giebelkreuze erneu-ert und die vorher beweglichen Türen der Bildni-schen umgedreht als feste Verglasung im Falz derBildnischen vermörtelt. Die fehlenden Reliefs derX. und XII.Station wurden – nicht nur im Material,sondern auch in der Darstellung von den Origina-len abweichend – aus Kunststein (gemahlenerStein und Zement) neu hergestellt. Alle Reliefs er-hielten durch den Kirchenmaler Franz Pehle ausHorn eine polychrome Farbfassung. Das Relief derI.Station verschwand zu einem späteren Zeitpunktspurlos und wurde erst 2010 bei der jüngsten Res-taurierung durch einen Abguss des entsprechen-den Terrakottareliefs des Kreuzweges in Pader-born-Schloss Neuhaus ersetzt.Alle elf erhaltenen ursprünglichen Terrakotta-reliefs sind mit der vor dem Brand in römischenZahlen eingestempelten Stationsnummer am rech-ten unteren Bildrand versehen. Dabei hat die Sta-tionIX versehentlich den StempelVII erhalten. Zu-sätzlich hat man die Reliefs rückseitig mit arabi-schen Zahlen nummeriert, die mit einem spitzenWerkzeug in den noch feuchten Ton geritzt sind.

Dirk Strohmann

Plastische „Führich-Kreuzwege“aus Terrakotta in WestfalenIm vergangenen Jahr wurde mit der Fertigstellung der letzten Stationen die Restaurierungdes Kreuzweges von 1866 auf dem Friedhof in Erwitte-Horn nach gut zehnjährigen Bemü-hungen abgeschlossen. Die denkmalpflegerische Beschäftigung mit dem Kreuzweg führteschnell zu der Erkenntnis, dass die in den Natursteingehäusen angebrachten Terrakottareliefsgetreue Kopien jenes berühmten monumentalen Kreuzwegs sind, den der österreichischeMaler Joseph Führich (1800–1876) in den Sommermonaten der Jahre 1844–46 in Freskotech-nik auf die Wände der Wiener Kirche St.Johannes Nepomuk malte.1

1 Wien, St.Johannes Nepomuk, Kreuzweg von Joseph

Führich, 1844–46, I.Station, Fresko. 2009.

Die Größe der Reliefs variiert zwischen 87,5–89,5×57,5–59,5cm. Der Erhaltungszustand deroriginalen Reliefs ist insgesamt gut, nur einige we-nige Reliefs weisen ältere Beschädigungen und Er-gänzungen auf, so waren die StationenVI zu ei-nem unbekannten Zeitpunkt und XIII im Jahr 1994durch Umstürzen in viele Teile zerbrochen undwurden wieder verklebt.7 Eine ältere Ergänzung istauch die linke Hand Christi in StationVIII. Bei der

jüngsten Restaurierung waren nur kleinere Form-ausbrüche zu beheben. Schwerpunkt der Maßnah-men an den Reliefs war die Konservierung und Re-tusche der Ölfarbfassung von 1923 (Fa. Klaus Ler-chel, Lippstadt).

Der Kreuzweg in Paderborn-Schloss NeuhausDer Stationsweg beginnt am Hubertusweg inSchloss Neuhaus, verläuft durch das Waldgebiet„Wilhelmsberg“ und endet an der dortigen Mei-nolfuskapelle, die in einer schmucklosen, neu ver-glasten Wandnische in der Außenfassade nebendem Eingang auch das Terrakottarelief der 14.Sta-tion aufnimmt. Die 13 übrigen Kreuzwegreliefssind in 268 bis 282cm hohe Stationsgehäuse einge-setzt, die aus Backsteinen gemauert sind. In jünge-rer Zeit wurden die Gehäuse mit einem Zement-putz formvereinfachend überputzt und weiß ge-strichen.Der Kreuzweg entstand 1862 oder doch bald da-nach, da der Rat der Gemeinde Neuhaus am 10.Au-gust 1862 den Beschluss fasste, die Errichtung derStationen durch die katholische KirchengemeindeSt.Heinrich und Kunigunde zu genehmigen.8

Die 13 überkommenen Terrakottareliefs mit denMaßen 89×56cm tragen die bereits bekannteneingestempelten Stationsnummern. StationIX isteine jüngere Zutat. Der Erhaltungszustand derplastischen Form ist insgesamt weniger gut als inHorn. Diverse Ergänzungen in unterschiedlichenMaterialien sind ablesbar. So sind an den Reliefsder StationenVI und XII einige der am weitesten

26

3 Erwitte-Horn, Friedhof, Kreuzweg, 1866, Relief der

III.Station nach der Restaurierung. 2010.

2 Erwitte-Horn, Friedhof, Kreuzweg, 1866, VI.Station

nach der Restaurierung. 2009.

27

gung der Oberfläche mit Reduzierung der jünge-ren Farbschichten, notwendige Kittungen undeine Neufassung mit einer ,pflegeleichten’ matten,hellgrauen Acrylfarbe. Abweichend davon wurdenin einem früheren Stadium der Arbeiten die Reliefsder StationenI und XI bis auf Reste der Erstfassungfreigelegt und dann überfasst.11

Der Kreuzweg in der kath. PfarrkircheSt.Peter und Paul in Bad DriburgDie polychromierten Terrakottareliefs diesesKreuzweges hängen in profilierten hölzernen Rah-men im Stil der Neugotik an den Seitenschiffswän-den der Pfarrkirche St.Peter und Paul in Bad Dri-burg von 1897. Die Reliefs stammen aus der Vor-gängerkirche, für die sie 1867 angeschafft wur-den.12 Sie erhielten bei der Übertragung in dieneue Kirche die heutigen Rahmen. Diese ersetztenältere Vorgänger in Neorenaissanceformen, die aufeinem alten Foto des Kircheninneren noch zu er-kennen sind.13 Am 5.März 1899 wurde der Kreuz-weg in der neuen Kirche nochmals eingeweiht.Alle 14 Reliefs sind in ihrer plastischen Form voll-ständig ohne erkennbare Ergänzungen erhalten.Das Alter der ebenfalls völlig intakten polychro-men Farbfassung ist unbekannt. Die Maße der Re-liefs betragen durchgängig fast ohne Abweichun-gen 88,5×57,5cm. An den exponiertesten Stellensind die Reliefs bis zu 23cm tief. Unter der Farbfas-sung zeichnen sich an einigen Reliefs an gewohn-ter Stelle unten rechts die Stationsnummern in

5 Paderborn-Schloss Neuhaus, Wilhelmsberg, Kreuzweg,

1862, Relief der XI.Station während der Restaurierung.

Die Farbschichten sind bis auf Reste der ersten Fassung

entfernt. 2010.

4 Paderborn-Schloss Neuhaus, Wilhelmsberg, Kreuzweg,

1862, II.Station vor der Restaurierung. 2008.

vortretenden Köpfe erneuert, in StationXI zweiKöpfe, eine Hand und weitere Teile (rechte obereEcke). Bei StationXIII erweist sich das obere Bild-drittel samt Köpfen und Hintergrund als komplettneu, das ReliefXIV wurde aus 55 Einzelstückenwie-der zusammengesetzt.9 Fünf Köpfe und ein Teil desHintergrunds mussten dabei ergänzt werden.Zu Beginn der Restaurierung 2011 wurde eineFarbfassungsuntersuchung der Reliefs durchge-führt.10 Dabei konnten sechs monochrome Farbfas-sungsschichten ermittelt werden, nicht jedoch einePolychromie. Auf dem gebrannten Ton liegt zuun-terst eine helle grünliche Farbschicht, die mögli-cherweise einen grünen Natursandstein (z.B. ausAnröchte) imitieren sollte. Es ergaben sich keineAnzeichen (Schmutzablagerungen) dafür, dass dieReliefs zunächst längere Zeit ungefasst blieben.Die durchgeführten Maßnahmen an den Reliefsbeschränkten sich im Wesentlichen auf eine Reini-

römischen Zahlen ab, sie sind offenbar nicht miteinem Stempel eingedrückt, sondern erhaben. DieReliefs sind in die Holzrahmen eingeschoben undmit schmalen Leisten oben und unten von vornegesichert.

Der Kreuzweg am Burgberg in WarburgAusgangspunkt des Warburger Kreuzwegs ist dieAltstädter Kirche. Westlich des Turmes beginnt dieFolge der 14 Stationen, die sich den Burgberg bis

zur Erasmuskapelle hinaufzieht. Die ca.400cm ho-hen Stationsgehäuse in neugotischen Formen be-stehen aus Naturstein. Der Kreuzweg wurde am8.August 1858 eingeweiht, nachdem 1857 die ver-mögende, in Paris lebende Schwester des Warbur-ger Bürgermeisters, Victorine Charvin, die Über-nahme aller Kosten zugesagt hatte.14 Die Entwürfeder Stationshäuser stammen nach den Quellen vondem Kasseler Architekten Georg Gottlob Ungewit-ter (1820–1864), einem frühen Protagonisten der

28

6 Bad Driburg, St.Peter und Paul, Kreuzweg, 1867, I.Station. 2011.

29

7 Warburg, Burgberg, Kreuzweg, 1857/58, VI.Station.

2010.

schah dies durch die Vermittlung des PaderbornerHistorikers Dr. Wilhelm Engelbert Giefers (1817–1880), der seit 1854 als Direktor der PaderbornerAbteilung des Vereins für Geschichte und Alter-tumskunde Westfalens vorstand. In seinem Schrei-ben vom 9.Mai 1857 macht er auf Wunsch vonPfarrer Pees Vorschläge für die Gestaltung der Sta-tionshäuschen. Die Bilder in den Häuschen emp-fiehlt er von gebranntem Thon zu wählen vonCöln, die sehr schön sind, Stück 10Rt. wenn ich siebestelle. Es steht ein Stück bei mir zur Ansicht. DieMünchener ‚Wachspuppen’ sind zu profan, er-bauen nicht. Die Maße seines Musters gibt Giefersmit 2Fuß 4Zoll Höhe und 19Zoll Breite (73,24×49,71cm, bei Annahme des rheinischen Fußes) an.Pfarrer Pees muss dem wohl zugestimmt haben,denn am 21.Mai 1857 übersendet Giefers ein mitH.J. Scherf et Imhoff unterzeichnetes Schreibenvom Vortag aus Kalk: Die 14 Stationen können in 2Monaten a 260Rt. einschließlich Verpackung gelie-fert werden, indem wir dieselben jetzt gerade inArbeit haben. Die Stationshäuschen müssen in derÖffnung 34Zoll hoch, 24Zoll breit, und 18–20ZollTiefe haben. Das Maß ist rheinisch. Umgerechnetergibt das 88,96cm Höhe, 62,79cm Breite und47,10–52,33cm Tiefe. Giefers ist bestürzt über denhohen Preis, den er auf die gegenüber seinemMuster gewachsene Größe der Reliefs zurückführt,und will in Kalk deswegen rückfragen. Die Ant-wort kommt postwendend am 22.Mai 1857: EuerWohlgeboren erwiedern wir ergebenst, daß die Ih-nen früher übersendete Station zu den 7 Stationengehört, daß wir aber später die 14 Stationen nachFürig in größerem Maasstabe angefertigt haben.Diese Stationen haben uns an baaren Auslageneinschließlich der Formen 1000Thlr. gekostet, undwir haben den Preis auf 250Rt. gestellt, die 5 Kis-ten kosten 10Rt.Der höhere Preis ist offenbar kein Hinderungs-grund, denn am 27.September 1857 berechnet dieFirma H.J. Scherf & P.J. Imhoff 295Rt. für die Stati-onsbilder sowie eine Madonna (35Rt.) und die Ver-packung. Nach dem Frachtbrief der Köln-Minde-ner-Eisenbahn war die Sendung am Tag zuvor inDeutz aufgegeben worden und erreichte über dieerst vier Jahre bestehende Bahnstrecke der König-lich Westfälischen Eisenbahn den Bahnhof War-burg, von wo sie am 3.Oktober 1857 mit einemFuhrwerk abgeholt wurde. Der Rechnungsbetragwurde am 28.Oktober nicht direkt an die Fa. Scherfund Imhoff gezahlt, sondern laut Quittung an Gie-fers übergeben.Beim Einbau der Terrakottareliefs in die Stations-häuschen stellte sich im März 1858 heraus, dass dieReliefs die mit ca.90×65cm zu groß dimensionier-ten Bildnischen nicht ganz ausfüllten. Auf einediesbezügliche Anfrage teilten Scherf und Imhoffam 20.März 1858 mit, dass die Maße für die Ein-fassung stets etwas größer angegeben würden, dadie Reliefs beim Brand nicht gleichmäßig schwän-den. Der Vorschlag der Firma sah vor, die Reliefs

Neugotik in Deutschland. Beteiligt war auch Vin-cenz Statz (1819–1898), der spätere Kölner Diöze-sanbaumeister, mit dem zusammen Ungewittervon 1856–1860 an der Publikation des „GotischenMusterbuchs“ arbeitete. Die Ausführung der Sta-tionen übernahm der Warburger Bildhauer JosephDahme zum Preis von gut 40Rt. pro Stück.Das Pfarrarchiv der Altstädter Kirche enthält zu-dem auch Quellen, die über die Anschaffung derTerrakottareliefs Auskunft geben.15 Demnach ge-

mittig vor die Rückwand zu setzen, unten mit Stei-nen und Scherben zu unterfüttern, damit sie obenpassen, und dann die Fugen zwischen Reliefs undGehäusewänden rundum mit einem Speis aus halbGips und halb Zement zu verstreichen. Nach demAbtrocknen sollten die Ergänzungenmit Leinöl ge-tränkt und mit derselben Farbe gestrichen werdenwie die Stationen. In Warburg ging man über dasempfohlene bloße Verstreichen der Fugen hinaus,da die Verfüllungen die plastische Form der Reliefswie z.B. Hintergrundsarchitekturen oder auchFaltenwürfe in mehr oder weniger ausgebildeterDetailgenauigkeit aufnehmen und weiterführen.Zumindest teilweise wurde auch ein anderes Mate-rial gewählt, wie die Holzanstückungen der Sta-tionXIV und einiger anderer Stationen belegen.Was die ursprüngliche Farbfassung der Terrakotta-reliefs angeht, ist aus dem Schriftverkehr nichts da-rüber zu entnehmen, ob sie materialsichtig odergefasst geliefert wurden. Ein Zeitungsbericht überdie Errichtung des Kreuzweges im WarburgerKreisblatt vom 7.November 1857 beschreibt dieStationsbilder als aus Thon gebrannt und steinfar-big, spärlich mit Gold decorirt.16 Ob diese wohl imWesentlichen monochrome Farbfassung bereitswerksseitig vor Lieferung aufgetragen worden waroder unmittelbar vor dem Einbau in Warburg er-folgte, ist ungewiss. Ebenso fraglich bleibt, ob der1872 belegte Anstrich der Stationshäuschen durchAugust Baumhoer mit einer gelblichen Ölfarbeund die farbige Auslegung der Inschriften aucheine Neufassung der Reliefs mit sich brachte.17

1929 restaurierte Malermeister Dionysius Hart-

mann die Stationsbilder, die Stationshäuschenwur-den neu gestrichen.18 In den frühen 1960er Jahrenerfolgte abermals eine Erneuerung der Farbfas-sung und der Schriftzeilen durch Heinrich Holt-greve. Eine weitere Restaurierung ist 1983 belegt.19

Die unten rechts mit den Stationsnummern in rö-mischen Zahlen gestempelten und mit einer jünge-ren Polychromie (1929 oder 1960er Jahre?) verse-henen 13 Terrakottareliefs sind relativ weitgehendimOriginalzustand erhalten, nur das Relief der Sta-tionXI ist komplett erneuert. In jüngerer Zeit sinddurch Vandalismus trotz der schützenden GitterSchäden entstanden, an einigen Stellen sind Glied-maßen abgestoßen, oder die Reliefs wurdenbesprüht. Die Farbfassung blättert vielerorts. DieReliefsXII und XIV weisen Risse auf. Eine Restaurie-rung der Reliefs und der Stationshäuser ist erfor-derlich.

Der Hersteller der ReliefsDie wenigen bekannten Daten zur Firma Scherf etImhoff verdanken sich der nur zum Teil publizier-ten Quellenauswertung, die Fritz Bilz im Rahmenseiner Studien zur Sozialgeschichte Kalks von 1850bis 1910 vorgenommen hat.20 Demnach wurde derBetrieb 1850 als Tonfigurenfabrik Heinrich JosefScherf gegründet, und zwar als einer der ersten In-dustriebetriebe in der mit Beginn der Industriali-sierung aufstrebenden Gemeinde Kalk (1881 Stadt,1910 Eingemeindung nach Köln). Zu den Produk-ten zählten von Anfang an weltliche und allegori-sche Bildwerke und Heiligenfiguren. 1857 ist dieFirma erstmals unter dem Namen Scherf et Imhoff

30

8 Warburg, Burgberg, Kreuzweg, 1857/58, Detail aus dem Relief der VII.Station. 2010.

31

als Bildhauerei und Figurenfabrik genannt. 1860stellte sie bei der Eröffnung des ErzbischöflichenDiözesanmuseums in Köln in Thon gebrannte Hei-ligen-(Stand-)bilder, Reliefs zu Stationen etc. aus.21

1861 beschäftigte die Firma 12 Arbeiter und warseit 1868 an der Hauptstraße55 in Kalk ansässig.Als Produkte werden jetzt Statuen und Ornamentein Terrakotta angegeben. 1872 starb der Firmen-gründer Heinrich Josef Scherf, die Firma bestandjedoch weiter, seit 1877 unter dem Namen Tonwa-renfabrik H.F. Scherf. 1880 gehörten auch Garten-statuen, Vasen, Postamente und Bau-Ornamentezur Produktpalette. 1890 wird die Firma Scherfletztmalig erwähnt, die Fabrikräume waren 1910zu Arbeiterwohnungen umgebaut.Spezialität der Firmawar nach einerWerbeanzeigeim Schematismus (Handbuch) des Bistums Trier von1869 der Kreuzweg in 14 Stationen.22 Davon zeu-gen nicht nur die westfälischen Beispiele, sondernauch erhaltene Exemplare des Führich-Kreuzwegsim Rheinland, so in Krefeld-Bockum, St.Gertrudis(um 1860), in Bornheim-Brenig (1862/63), in Köln-Kalk bei St.Marien (1867), in Wesseling-Urfeld beiSt.Thomas und in Koblenz-Arenberg, Wallfahrts-kirche (1868).23 Gerade in Zusammenhang mit demKreuzweg ist die zeitweise Firmenteilhaberschaftvon P.J. Imhoff von Bedeutung, einemMitglied derbekannten Kölner Bildhauerfamilie. Denn in demersten Werkverzeichnis Joseph Führichs von Hein-rich von Wörndle ist vermerkt, dass ein P.J. Imhoffnach Führichs Zeichnungen zumWiener KreuzwegBasreliefs ausführte, von denen F. Kramer aus Köln1855 Reproduktionsfotos im Kleinfolioformat an-fertigte.24 Diese Reliefs von P.J. Imhoff dürften alsModelle für die Herstellung des Terrakotta-Kreuz-wegs der Fa. Scherf und Imhoff gedient haben. Da-für spricht auch, dass der Kreuzweg 1857, wie ausdem Briefwechsel bezüglich des Warburger Kreuz-weges hervorgeht, noch neu im Sortiment der Fa-brik war. Die Initialen P.J. werden gemeinhin mitdem als Bildhauer durch seine Auftragswerke fürden Freiherrn vom Stein bekannten Peter JosephImhoff (1768–1844) aus der dritten Generation derKünstlerfamilie in Verbindung gebracht, der be-reits 1791 in Köln eine Kunstfabrik für alle Gattun-gen von Ton-Bildwerken unterhielt.25 Aufgrundseiner Lebensdaten kann dieser Peter Joseph abernicht der Teilhaber der Fa. Scherf gewesen sein undes ist auch fraglich, ob er als Urheber der Reliefs inFrage kommt, begann doch Führich erst 1843 mitder Arbeit an den Kartons zum Kreuzweg. Ein an-derer Peter Joseph Imhoff, bei dem es sich um ei-nen Sohn oder Enkel des älteren Namensträgershandeln könnte, ist andererseits bisher nicht be-kannt geworden. Tatsache ist jedenfalls, dass dieImhoffs bis in die jüngste Generation hinein bevor-zugt in Ton arbeiteten und eine ganze Reihe vonWerken in Terrakotta hinterlassen haben. Zu dieserjüngsten Generation gehörte auch Bernhard Im-hoff, der schon 1857 dem Warburger Pfarrer Peeserfolglos Stationsbilder aus gebranntem Ton für

dessen neu zu errichtenden Kreuzweg anbot26 und1880 Stationsbilder in Terrakotta für die Irmgardis-kapelle in Süchteln lieferte.27

Neben der Fa. Scherf entstanden nach der Mittedes 19.Jahrhunderts rechts des Rheins und in derEifel weitere Terrakottafabriken, die die katholi-schen Kirchengemeinden und andere Kunden mitihren Heiligenfiguren, Kreuzwegreliefs und sonsti-gen seriell gefertigten Erzeugnissen zur religiösenErbauung belieferten und in Konkurrenz z.B. zusüddeutschen Firmen wie der 1847 gegründetenMayer’schen Hofkunstanstalt in München traten.28

Die Nachfrage nach preiswerten Statuen und Re-liefs war groß und anhaltend und ermöglichte soauch der bekannten Fa. Walter in Trier eine meh-rere Generationen andauernde erfolgreiche Ge-schäftstätigkeit.29

Die plastische Umsetzung der VorlageDass es sich bei der Fabrikware nicht generell, wievon Kritikern gerne behauptet, um Massenwarebilligster Machart handelte, belegen anschaulichdie Kreuzwegreliefs der Fa. Scherf und Imhoff. Siesind zweifellos die kongeniale Umsetzung derfigurenreichen und dramatisch bewegten zwei-dimensionalen Vorlage Führichs in die plastischeForm. Die Ausführung ist von hoher kunsthand-werklicher Qualität. Imhoff dürfte nicht die origi-nalen Wandgemälde und auch nicht die vorberei-tenden Kartons des Malers, sondern die StichfolgePetraks als unmittelbare Vorlage benutzt haben.30

Bei insgesamt fast völliger Übereinstimmung derDarstellungen in den drei Medien lässt sich alsIndiz für diese Behauptung anführen, dass beiStationII im Hintergrund des Kartons ein zweiterReiter abgebildet ist, der nur dort auftaucht, aber

9 Stich von Alois Petrak nach Führichs Wiener Kreuz-

weg, I.Station.

nicht im Fresko, nicht im Stich und auch nicht imRelief. In StationVII fehlt in Stich und Relief über-einstimmend die zweite Figurengruppe innerhalbder Hintergrundsarchitektur, während diese inFresko und Karton vorhanden ist. Da die zweidi-mensionalen Vorlagen oben in einem Segmentbo-gen abschließen, die Kreuzwegreliefs aber einrechteckiges Format haben, musste Imhoff die Hin-tergrundsarchitekturen nach oben verlängern undeinige angeschnittene Hintergrundsfiguren kom-plettieren. Die eine oder andere Pflanze im Bild-vordergrund ist entfallen. Ansonsten ist die Über-tragung in das plastische Medium absolut werkge-treu gelungen, sieht man einmal von einer gewis-sen, nicht allzu offensichtlichen Typisierung ab.Mangels technologischer Untersuchungen kann imAugenblick zur Herstellungstechnik der Reliefs nurwenig gesagt werden. Von der Rückseite betrach-tet, stellen sich die Terrakottaplatten aus hellem,gelblichem Ton als nach oben in der Tiefe abneh-mende Hohlkörper dar, die durch die Randstegeund zwei Mittelstege stabilisiert werden. Die fastvollplastischen Hauptfiguren in der vorderen Re-liefebene sind ebenfalls hohl, man erkennt dies anrückseitig in den noch feuchten Ton eingestoche-nen Löchern, die vermutlich während des Brenn-vorgangs das Entweichen von Gasen ermöglichensollten. Man darf sich das Ganze vielleicht so vor-stellen, dass zunächst die Terrakottaplatte mit denflacheren Reliefzonen ausgeformt wurde, umdann darauf die separat ausgeformten Hauptfigu-ren einzeln zu applizieren. Ein solches Vorgehenwürde auch erklären, dass es Reliefserien mit redu-ziertem Figurenrepertoire gibt, so in Bedburg

(Friedhof Kölner Straße).31 Das Ganze wurdeschließlich vor dem Brand noch einmal modellie-rend übergangen und versäubert. Dass eine solcheÜberarbeitung, bei der auch Details der Oberflä-chengestaltung nachgearbeitet wurden, stattge-funden habenmuss, zeigt z.B. das eingeritzte Qua-dermauerwerk des Architekturhintergrunds vonStationIII, das bei allen dem Verfasser bekanntenReliefs in Quadergröße und Fugenschnitt unter-schiedlich ausgeführt ist. Ähnliche Abweichungenergeben sich bei dem Strick, an dem Christus in Sta-tionVIII geführt wird oder bei der Lanze des Scher-gen am linken Bildrand in StationX. In Horn fehltbei StationVIII und XI jeweils der Nimbus Christi,der im Stich und bei den anderen Reliefs vorhan-den ist. Auch können Kopfneigung oder -wendungoder physiognomische Details leicht variieren. Zumeinen ist es erstaunlich wie präzise die Ausformun-gen bei der angenommenen Applikation derHauptfiguren von Relieffolge zu Relieffolge über-einstimmen, zum anderen hat jedes Relief eine in-dividuelle Nachbearbeitung erfahren, die es zwarnicht zum Unikat macht, aber doch die im Wortge-brauch eher abschätzig gemeinte Einstufung alsMassenware zumindest tendenziell relativiert.

Anmerkungen

1 Bernhard Rittinger, Führichs Wiener Kreuzweg, in: Zeit-

schrift für Kunstgeschichte 42, 1979, S.166–194.

2 Klaus Albrecht Schröder (Hg.), Joseph Führich. Die Kar-

tons zum Wiener Kreuzweg. Ausstellungskatalog. Wien

2005, S.30.

3 Nach Fertigstellung des Beitrags erreichte den Verfas-

ser die freundliche Nachricht von Prälat Roman Mensing,

dass sich in Werl einige Stationen eines weiteren, zwi-

schen 1862 und 1864 gelieferten Führich-Kreuzwegs aus

der Produktion von Scherf und Imhoff erhalten haben.

Eine Publikation ist in Vorbereitung.

4 „Dieser Kreuzweg – ein Werk der Mildthätigkeit mei-

ner Pfarrkinder – wurde errichtet im Jahre 1866. Topp.

Pfarrer“

5 „J. Hammer Gesecke“.

6 Hierzu und im Folgenden: Pfarrarchiv St.Cyriakus,

Horn, unverzeichnete Kladde „Friedhof“ = Protokollbuch

der Friedhofskommission des Kirchenvorstands 1923/24.

7 Restaurierungsbericht der Fa. Ochsenfarth, Paderborn,

Mai 1995. Archiv der Restaurierungsdokumentationen,

LWL-Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur in West-

falen.

8 Laut Protokoll fasste der Gemeinderat Neuhaus in der

Sitzung vom 10. August 1862 unter Tagesordnungspunkt

3 folgenden Beschluss: Nachdem der Herr Pastor Krevet

den schriftlichen Revers ausgestellt hat, daß später die

Gemeinde Neuhaus die Unterhaltung der zu setzenden 14

Stationshäuschen auf dem Prozessionswege im Wilhelms-

berge nicht zu übernehmen brauche, so wollen wir ge-

nehmigen, daß die Häuschen gesetzt werden können, je-

doch unter der Voraussetzung, dem Holzwuchse in keiner

Weise zu schaden. Stadtarchiv Paderborn, H Schloss Neu-

haus Nr.13, Bl.144. Freundlicher Hinweis von Rolf-Dietrich

Müller.

32

10 Paderborn-Schloss Neuhaus, Wilhelmsberg,

Kreuzweg, 1862, Relief der I.Station, Rückseite. 2010

9 Freundlicher Hinweis von Thomas Günther, Stadt

Paderborn.

10 Dokumentation der Fa. Ars colendi, Paderborn, von

März 2011. Archiv der Restaurierungsdokumentationen,

LWL-Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur in West-

falen.

11 Ebd.

12 Hierzu und im Folgenden: Diether Pöppel, Die

1200jährige Geschichte der katholischen Pfarrgemeinde

St.Peter und Paul Bad Driburg. Paderborn 1990, S.73–77,

mit Abb.

13 Ebd., Abb.S.76.

14 Hierzu und im Folgenden: Ludwig Hagemann, Der

Warburger Burgberg, eine Pflanzstätte des christlichen

Lebens. Warburg 1893, S.56–59. – Franz Josef Dubbi,

„…auf der via dolorosa, auf dem Pfade, der zum Himmel

führt…“. Zur Geschichte des Stationsweges am Warbur-

ger Burgberg, in: Die Warte 98, 1998, S.28–29. – Franz Jo-

sef Dubbi, Der Warburger Burgberg. Grafensitz – Landes-

burg – Schloss – Wallfahrtsort – Friedhof. Marsberg 2006,

S.55–58. Den Hinweis auf den Warburger Kreuzweg ver-

danke ich Josef Eickhoff, Erwitte-Horn.

15 Pfarrarchiv Altstädter Pfarrkirche St.Mariä Heim-

suchung, Warburg, Streckmappe13, 2b, Erasmuskapelle,

Kreuzweganlagen.

16 Ebd.

17 Ebd.

18 Hierzu und im Folgenden Dubbi, Burgberg (wie

Anm.14), S.56–57.

19 Objektakte, LWL-Denkmalpflege, Landschafts- und

Baukultur in Westfalen.

20 Fritz Bilz, Zwischen Kapelle und Fabrik. Die Sozialge-

schichte Kalks von 1850 bis 1910. Köln 2008, S.122, 123.

Herrn Bilz danke ich für die Überlassung seiner komplet-

ten Quellenauswertung zur Fa. Scherf.

21 Organ für christliche Kunst 10, 1860, Nr.11, S.123.

22 Silvia Maria Busch, Graltempelidee und Industrialisie-

rung. St.Nikolaus zu Arenberg. Frankfurt 1984, S.201,

Anm.28.

23 Nach Internetrecherche des Verfassers und mit

freundlichen Ergänzungen von Christoph Schaab, Restau-

rierungswerkstatt II, LVR-Amt für Denkmalpflege im

Rheinland.

24 Heinrich von Wörndle, Josef Führich’s Werke. Wien

1914, S.94, Nr.507. Zitiert bei: Rittinger (wie Anm.1),

S.192, Anm.115. – Schröder (wie Anm.2), S.30.

25 Peter Bloch, Der Freiherr vom Stein und der Kölner

Bildhauer Peter Joseph Imhoff, in: Anzeiger des Germani-

schen Nationalmuseums 1967, S.89–116, hier S.99. –

Ders., Kölner Skulpturen des 19.Jahrhunderts, in: Wallraf-

Richartz-Jahrbuch XXIX, 1967, S.243–290, hier S.246. –

Die Frankfurter Magisterarbeit von Julia Engels über die

Kölner Bildhauerfamilie Imhoff von 1996 war dem Verfas-

ser nicht zugänglich.

26 Pfarrarchiv Altstädter Pfarrkirche St.Mariä Heim-

suchung, Warburg, Streckmappe13, 2b, Brief vom 6.Feb-

ruar 1857.

27 Bloch (wie Anm.25), S.251.

28 Busch (wie Anm.22), S.102, S.199, Anm.1.

29 Ebd., S.102–108. Ein Terrakottakreuzweg der Anstalt

für christliche Kunst Carl Walter befindet sich in der kath.

Pfarrkirche in Erwitte-Horn. Freundlicher Hinweis von Jo-

seph Eickhoff, Erwitte-Horn und Arthur Fontaine, Merzig.

30 Alle abgebildet und beschrieben bei Schröder (wie

Anm.2).

31 Freundlicher Hinweis von Christoph Schaab.

Bildnachweis

Wien, kath. Kirchengemeinde St.Johannes Nepomuk: 1

(Tichova). – LWL-Denkmalpflege, Landschafts- und Bau-

kultur in Westfalen: 2, 4, 5, 10 (Sigrist); 6, 7, 8 (Stroh-

mann). – Fa. Klaus Lerchl, Lippstadt: 3. – Repro aus: Reli-

gion, Macht, Kunst. Die Nazarener. Ausstellungskatalog.

Frankfurt 2005, S.244: 9.

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Seit der Mitte des 19.Jahrhunderts ist in der Kur-stadt jede wichtige Architekturepoche mit quali-tätvollen Kurbauten vertreten. Nach dem An-schluss Lippes an das Land Nordrhein-Westfalen(1947) übernahm der Landesverband Lippe das Lip-pische Staatsbad Salzuflen im Jahre 1949 und ent-wickelte es nach Maßgabe der Neuerungen imHeilkuren- und Gesundheitswesen weiter, insbe-sondere im Kurparkbereich (Erweiterung 1965),

durch den Bau der Konzert- und der Wandelhallemit Nebenbauten (1960–63) und durch die Errich-tung des Bewegungszentrums im Jahre 1969. Auf-grund eines einschneidenden Strukturwandels imKurwesen, das traditionell charakterisiert wardurch die Logis der Kurgäste in Pensionsvillen undverschiedenen Kuranwendungen in den entspre-chenden Funktionsbauten, setzte ein Wandel desKurbetriebes ein: Es entstanden in größerer Anzahl

Anne Herden-Hubertus

Das Kurgastzentrum in Bad Salzuflen… der zeitgemäßen Selbstdarstellung des größten deutschen Heilbades dienen1

Der Landesherr BernhardVII. zur Lippe verlieh „Uflon“, das im Zusammenhang mit der Salz-siederei im Jahre 1048 erstmals urkundliche Erwähnung fand, im Jahre 1488 die Stadtrechte.Durch den Salzhandel erlebte die Stadt eine wirtschaftliche Blüte, die noch heute im Stadtbildan prachtvollen Bürgerhäusern und dem Renaissance-Rathaus erkennbar ist. Von 1767 bis1770 wurden die ersten beiden Gradierwerke erbaut,2 im Jahre 1818 die erste Solebade-anstalt, in der das salzhaltige Wasser erstmals für Bäder verwendet wurde.

Kurkliniken, die den Kurpatienten nicht nur mo-derne Hotelzimmer, sondern unter demselbenDach auch Kuranwendungen boten. In Bad Salzuf-len wurde in dieser Blütezeit des Gesundheitskur-wesens um 1958/62 den stark steigenden Gäste-zahlen u.a. durch die Errichtung der großen Wan-delhalle (1960–1961) und der Konzerthalle (1962–1963) am Rande des weiter ausgebauten KurparksRechnung getragen. Der Trend zu Unterkunft undKuranwendungen unter einem Dach hielt an undes entstanden weitere moderne Klinikbauten. Da-mit wurden Umnutzungen bestehender Badehäu-ser sowie Modernisierungen der Kurmitteleinrich-tungen eingeleitet, die sich bis heute weiter ent-wickeln. Einige Kurhäuser waren nicht an dieneuen Erfordernisse anzupassen, u.a. der 1909–1913 abschnittsweise erstellte Baukomplex „Bade-hausVI“ für Solebäder an der unteren Parkstraßeauf der ehememaligen Bleiche, im Zwickel zweierGradierwerke. Die Gebäudegruppe wurde 1975abgebrochen, weil auf diesem Areal an der Naht-stelle von Kurpark, Gradierwerken und historischerAltstadt ein neues Kurgastzentrum als Multifunkti-onsbau entstehen sollte.Der Landesverband Lippe als Träger des Staatsba-des wollte mit dem Kurgastzentrum eine Service-einrichtung zur Steigerung der Attraktivität BadSalzuflens mit Fremdenverkehrsverband, Verkehrs-verein, Zimmervermittlung, Kreativ- und Vortrags-räumen sowie Räumlichkeiten zur Kur- und Ge-sundheitsberatung und Gruppenräumen, Läden,einem Café und der Kurverwaltung schaffen. Erlobte im Jahre 1976 einen bundesweiten Bauwett-bewerb mit folgendem Aufgabenprogramm aus:

Das Staatsbad Salzuflen plant die Errichtung einesKurgastzentrums im Bereich des Kurpark-Ein-gangs. Das umfangreiche Bauvolumen der Einzel-objekte, deren Errichtung in zwei Stufen vorgese-hen ist, soll zu einer städtebaulichen Dominantewerden und der zeitgemäßen Selbstdarstellungdes größten deutschen Heilbades dienen. Die Kur-gasthalle muss die gesamte Kommunikation zwi-schen Kurgast und Verwaltung außerhalb der An-wendungsbereiche über die Dauer der Kur be-werkstelligen. Sie soll in einem räumlichen, funk-tionellen Zusammenhang mit dem zu errichtendenKurhotel mit Kurmittelabteilung stehen. Der ge-samte Erdgeschossbereich muss fußläufig erschlos-sen werden, seine entsprechende Anbindung zurStadtmitte ist durch die angrenzenden Bebauungs-pläne gesichert…3 Im ersten Bauabschnitt solltendie Kurverwaltung mit insgesamt 3.728qm, dieVerwaltung mit 1.008qm, die Kurgastbetreuungund die Kurgasthalle mit 1.706qm sowie der Kur-parkeingang mit insgesamt 168qm errichtet wer-den. Frühzeitig waren außerdem das Parken wieauch die verkehrsreiche Anbindung und städte-bauliche Integration der Parkstraße zu berücksich-tigen. Für den zweiten Bauabschnitt war die Er-richtung eines Badehotels mit insgesamt 5.684qmvorgesehen. Weiter heißt es im Erläuterungstext:Die Gradierwerke sollten möglichst als Therapie-einrichtung erhalten bleiben. Der Brunnen ist alsFixpunkt zu behandeln. Er soll als Attraktion fürdie Kurgäste in die Gesamtplanung integriert wer-den. Wegen der Lage des Plangebietes inmittenüberwiegend als Fußgängerzonen ausgewiesenerBereiche sind die Möglichkeiten zur verkehrlichen

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1 Blick über die Pilzdächer zum Schaubrunnen; im Hintergrund das Gradierwerk und die Konzerthalle. 2011.

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2 Das Innere und das Äußere prägende Elemente: Pilz-

stützen als stilisierte Bäume. 2011.

3 Pilzstütze und Mosaikband in der Halle. 2011.

4 Gebäuderiegel an der Bleichstraße, Verwaltung. 2011.

Anbindung stark eingeengt. Die planerischeLösung aller aus diesen Anbindungen heraus ent-stehender Probleme (z.B. unterirdische Zu- undAbfahrt bereits im Bereich der Salinenstraße) istBestandteil der Wettbewerbsaufgabe. Der Bereichder Parkstraße ist städtebaulich in die Fußgänger-zone zu integrieren. Es ist davon auszugehen, dassdie Realisierung der 2.Baustufe möglicherweise biszu 10 Jahre später erfolgt.Eingereicht wurden 89 Arbeiten. Dem Preisgericht,das vom 23.–25.Juni 1976 unter dem Vorsitz vonProf. M. von Gerkan (Hamburg) zusammentrat,gehörten als Fachpreisrichter an: Prof. M. Einsele(Gladbeck), Dipl. Ing. C. Matzdorff (Bad Salzuflen),Dipl. Ing. U. Fassauer (Lemgo) und Dipl. Ing. H.Sauer (Detmold).Am 25.Juni 1976 wurde den Plänen von Prof.Günter Behnisch und seinen Partnern, Dipl. Ing.Karlheinz Weber und Dipl. Ing. Fritz Auer, der erstePreis zuerkannt.4 Die verschiedenen Aufgaben(externe und interne Organisation, Städtebau,Gestaltung und Wirtschaftlichkeit) wurden sehrkonsequent gelöst. Wegen der zweiten Bäderkriseum 1980 verzögerte sich die Umsetzung der Pla-nung, bis das Land Nordrhein-Westfalen durch seinKurorte-Förderungsprogramm einen erheblichenKostenzuschuss bereit stellte.Am 25.Februar 1981 legte der Minister für Arbeit,Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen, Friedhelm Farthmann, den Grundsteinzur Errichtung des Kurgastzentrums.Am 29.Juni 1983 wurde in einer Feierstunde in derKonzerthalle mit Beiträgen von InnenministerHerbert Schnoor, Bürgermeister Heinz-Wilhelm

Quentmeier, Kurdirektor Dieter Eibach, Landesver-bandsvorsteher Helmut Holländer und dem Archi-tekten Karl-Heinz Weber die Einweihung des Kur-gastzentrums vollzogen und das Gebäude miteinem Tag der offenen Tür dem breiten Publikumvorgestellt.Am südlichen Rand des Kurparks entstand zwi-schen 1981 und 1983 in unmittelbarer Nähe zu denbestehenden Kureinrichtungen ein Multifunkti-onsgebäude als gestalterische Einheit mit einerweiträumigen, sorgsam strukturierten Freiflächeund einem gartenarchitektonisch konzipiertenGrünbereich.Das gestaffelte, mehrgeschossige Bauwerk erhebtsich über einem annähernd L-förmigen Grundriss,in dessen Zwickel sich die Quelle der ThermeIIIbefindet. Wegen der Nähe zur Salze, die das16.000qm große Areal in Ost-West-Richtungdurchfließt, erfolgte eine Pfahlgründung des voll-ständig unterkellerten Stahlbeton-Bauwerkes. DieHöhenentwicklung verläuft über den drei- bzw.zum Gradierwerk und der Parkstraße hin zweige-schossigen, annähernd quaderförmigen Baukör-per des Verwaltungstraktes an der Bleichstraßeüber den zweigeschossigen Mehrzwecktrakt ander Salze und die Dachflächen der Kurgasthalle bishin zu der Ebene der vorgelagerten pilzförmigenStützen im Gebäudezwickel. Dem L-förmigen Bau-körper ist eine hohe, lichte Halle vorgelagert.Auch im Inneren besteht das Tragwerk aus fein-gliedrig wirkenden Pilzformen5 mit verglastenZwickeln zwischen den kreisrunden „Pilzhüten“.Die begrünten Flachdächer der „Pilze“ werdenaufgelockert durch kleine Glaspyramiden zur

Belichtung. Zusätzlich belichten schräg gestellteOberlichter die Halle; in der Außenansicht vermit-teln sie gleichzeitig zwischen den verschiedenenHöhen von Erdgeschoss und Galerie des Oberge-schosses. Die konzentrischen Kreise mit dem zen-tralen Schausprudelbehälter, die um den im Au-ßenbereich befindlichen Thermalsolesprudel ge-legt sind und diesen eng- und weiträumig um-spannen, bestimmen auch die Binnengliederungder Halle. Kreis- und Ringformen dominieren alsArchitekturelemente, z.B. als Windfang, in Pflanz-beeten, in gliedernden, buntfarbigen Bodenstrei-fen aus Kleinmosaik oder in der Anordnung vonSitzgruppen. Die Halle stellt das Servicezentrumfür Kurgäste dar, mit Beratungstheken und Infor-mationsständen, einem Café sowie kurnahen Lä-den. Im Untergeschoss des Traktes an der Salze,das aufgrund des leicht modulierten Geländes hierebenerdig ist und durch große Glasflächen belich-tet wird, befinden sich Kreativ- und Gruppen-räume sowie ein Vortragsraum. Weitere größere,multifunktionale Räume stehen im Obergeschoss

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des Verwaltungstraktes an der Bleichstraße zurVerfügung. Hier ist das Erdgeschoss den von derBleichstraße erschlossenen Geschäften vorbehal-ten. Bei der bis in Details wie beispielsweise Türen,Verkleidungen, Mobiliar von Büros, Sitzungszim-mern und Teeküchen sehr fein konzipierten Aus-stattung der Verwaltungsbereich-Obergeschossefand hauptsächlich heimisches Buchenholz Ver-wendung.Die Kurgasthalle als zentraler Serviceort für Kur-gäste ist gestalterisch unmittelbar dem Vorplatzzugeordnet. Der Verflechtung von Innenraum undAußenraum ist wegen des sichtbaren Konstrukti-onsprinzips der „Pilzstützen“ und der Gliederungdurch die Kreisformen sowie durch den Einsatz vongläsernen Fassaden und den so entstandenenSichtverbindungen fließend. Im Mittelpunkt derbaulichen Anlage steht wie auf einem Podest dasSchaugefäß des Thermalsprudels mit seinem So-ckel aus Sandsteinplatten, dem Ring aus blauenMosaiksteinen und der kreisrunden Anlage mitsegmentbogigen Pflanzbeeten. Die Pflasterung

5 Verwaltungstrakt innen. 2011.

7 Fassadenausschnitt von Norden. Im Hintergrund Pensionsvillen. 2011.

6 Schaubrunnen Therme III. 2011.

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8 Lage des Kurgastzentrums zwischen Kurpark und Pensionsvillen (rechts).

aus Natursteinplatten und Ziegelsteinen nimmtebenso Bezug auf die Quelle wie die Standorte derBäume und die Anordnung weiterer Betonpilze alsWandelgang zum Kurpark und als überdachterSitzplatz im Freien. So verbindet das Bauwerk desKurgastzentrums städtische Freiräume wie diePark- und die Bleichstraße mit dem Kurpark undder Salze. Zur Errichtung des östlich des Kurgast-zentrums vorgesehenen Kurhotels, das ebenfallsBestandteil des Bauwettbewerbs war, kam es bisheute nicht.Insgesamt ist die in der Wettbewerbsausschrei-bung formulierte Aufgabe sehr kreativ und inno-vativ gelöst worden. Dies zeigt auch der Widerhall,den das Kurgastzentrum in der bundesweitenFachliteratur gefunden hat.6 Als Mehrzweckbauder ausgehenden 1970er bzw. beginnenden1980er Jahre ist es aufgrund seiner Formensprache,der Konstruktion und der verwendeten Materia-lien ein sehr qualitätvoller Vertreter derartigerGroßbauten. Das Architektenteam Auer und We-ber nutzte konsequent die technischen Möglich-keiten der Zeit und setzte schlanke Stahlbetonstüt-zen7 ein. In Verbindung mit Glasflächen wurde so –trotz des Raumvolumens von insgesamt ca. 20.000Kubikmetern – eine Wirkung von Leichtigkeit derArchitektur erzeugt. Das in vielfältiger Weise ein-gesetzte und kombinierte Pilzelement macht dieArchitektur des Kurgastzentrums unverwechsel-bar. Die Verwendung des Werkstoffes Beton er-brachte den Architekten die lobende Erwähnungim Wettbewerb um den „Architekturpreis Beton1985“8 sowie eine Auszeichnung in demselbenJahr durch den Bund Deutscher Architekten Nord-rhein-Westfalen. Das Kurgastzentrum Bad Salzuf-len als funktionaler und gleichzeitig eleganterGroßbau hält auch dem Vergleich mit dem bun-

desweiten Multifunktionsbau der Zeit stand, etwamit dem Kongresszentrum „Eurogress“ in Aachen(Architekt: Erwin Schiffer, 1970er Jahre) oder mitdem Neuen Gewandhaus in Leipzig (Architekt: Ru-dolf Skoda u.a., 1976–81). Die wohlüberlegte, hierin Bezug gesetzte Gestaltung der umgebendenAußenanlagen steigert die Leichtigkeit und Trans-parenz der architektonischen Konzeption. Die Be-rücksichtigung moderner ökologischer Gesichts-punkte wird augenfällig u.a. durch den bevorzug-ten Einsatz regionaler Baustoffe (z.B. Buchenholz)sowie durch die Begrünung der Flachdächer. Be-sonders gelungen ist die städtebauliche Konzep-tion des luftig anmutenden Stahlskelettbaus, des-sen „Pilzdecke“ sich außerhalb des Kernbaus alsraumgliedernde, aufgelockerte Struktur fortsetzt.Mit ihren organischen Formen, insbesondere dengrazilen Betonpilzen, geht die Architektur flie-ßend in die Umgebung über (oder wächst aus die-ser heraus). Durch die Anordnung der Pilzstützen,die gleichsam vom Kurpark durch das Gradierwerkhinführt zum Kurgastzentrum, und die Anbindungder Parkstraße an das Bauwerk durch die Pflaste-rung des Brunnenplatzes wird die ehemalige Naht-stelle zwischen Kurbereich und Altstadt zumstädtebaulichen, nahezu heiter bewegt erschei-nenden Bindeglied.9 Nicht zuletzt die Freiraumge-staltung vermittelt zwischen dem Kurpark mit denGradierwerken und den jüngeren, ebenfalls denk-malwerten Großbauten Wandelhalle und Konzert-halle und der Zeilenbebauung aus ehemaligenPensionsvillen an der Bleichstraße.Die Entwicklung der Bäderarchitektur und damitauch des Kurwesens wird durch eine große Gruppevon Einzeldenkmälern Bad Salzuflens beispielhaftdokumentiert und durch das Kurgastzentrum inseiner charakteristischen Architekturausprägung

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und städtebaulichen Integration sowie den zeit-typischen Nutzungsanforderungen bis in die jün-gere Vergangenheit fortgeschrieben.Das Ministerium für Wirtschaft, Energie, Bauen,Wohnen und Verkehr Nordrhein-Westfalens hatals Oberste Denkmalbehörde die Denkmaleigen-schaft des Kurgastzentrums in Bad Salzuflen bestä-tigt. Damit befindet sich eines der jüngsten Bau-denkmäler Nordrhein-Westfalens im Kreis Lippe.

Anmerkungen

1 Aus der Ausschreibung des Bauwettbewerbs 1976,

zitiert nach: Wettbewerbe aktuell 9/76; NRW 581.

2 2004 wurde das GradierwerkI, 2011 das GradierwerkII

abgebrochen; zur Einordnung s. auch: Fred Kaspar/Peter

Barthold, Salinen – Großbauten und bautechnische Leis-

tungen des 18. und 19.Jahrhunderts, in: Westfalen 81.

Münster 2007, S.174ff.

3 Zit. nach Wettbewerbe, wie Anm.1.

4 Fritz Auer (geb.1933 in Tübingen): 1954–1958 sowie

1960–1962 Studium an der Technischen Hochschule Stutt-

gart, parallel Mitarbeit in den Büros Behnisch und Lam-

bart (1955–1956) und Jäger und Müller (1960–1962).

1959/60 Stipendium der Cranbrook Academy of Arts

(Bloomfield Hills, Michigan, USA) für Studien- und

Arbeitsaufenthalt in Birmingham, Michigan, sowie eine

Studienreise nach Asien (1960). Von 1960–1965 Mitarbeit

im Büro Behnisch & Partner in Stuttgart und München,

seit 1966 selbst Partner. Gemeinsam mit Günter Behnisch,

Carlo Weber, Erhard Tränkner und Winfried Büxel Ent-

wurf des Münchner Olympiaparks. Seit 1980 eigenes Büro

mit Carlo Weber als „Architektengemeinschaft Auer+We-

ber“. 1973–1974 Lehraufträge an der Akademie der

Bildenden Künste München. Von 1985–1992 Professur für

Baukonstruktion und Entwerfen an der Fachhochschule

München. Von 1993–1995 Professur für Entwerfen an der

Staatlichen Akademie der Bildenden Künste in Stuttgart.

Mitglied der Akademie der Künste Berlin.

Carlo Weber (geb. 1934 als Karlheinz Weber in Saarbrü-

cken): 1954–1958 sowie 1960–1961 Studium an der Tech-

nischen Hochschule Stuttgart. 1957–1966 Mitarbeit bei

Günter Behnisch und Bruno Lambart in Stuttgart und

Düsseldorf und anschließend bei Prof. Louis Arretche in

Paris. 1959–1960 DAAD-Stipendium an der École Natio-

nale Supérieure des Beaux Arts in Paris. 1966–1979 Part-

nerschaft in der Architektengemeinschaft Behnisch &

Partner, mit Günter Behnisch, Fritz Auer, Eberhard Trän-

kner undWinfried Büxel Planung des Münchner Olympia-

stadions. 1980 Gründung der Architektengruppe

Auer+Weber. 1980–1992 Lehraufträge an der Universität

Stuttgart. 1992–2002 Professur für Gebäudelehre und

Entwerfen an der Technischen Universität Dresden.

Mitglied der Sächsischen Akademie der Künste und seit

2000 Sekretär der Klasse Baukunst der Akademie.

5 „Die Pilzdächer sind eine Um-Interpretation der dorti-

gen Bäume, begrünt und um die Quelle geordnet“, so der

Architekt Carlo Weber in einem Interview mit der Lippi-

schen Zeitung.

6 Literaturauswahl: wettbewerbe aktuell 9/76. Bauwett-

bewerb Kurgastzentrum Bad Salzuflen, S.581–594. – db

(deutsche bauzeitung) 3/1982; Thema: Offenheit und Viel-

falt, S.58. – Bauwelt 74/1983; Thema: für Gäste und Kur-

gäste; S.1120–1125. – Detail (Zeitschrift für Architektur

und Baudetail) 5/1984; Thema: Glas-Konstruktionen: Dä-

cher. Außenwände. Innenausbau; S.1243. – AIT (Architek-

tur Innenarchitektur Technischer Ausbau) 5/1984; S.8–13.

– DAB (Deutsches Architektenblatt) Baden-Württemberg,

Jg.18, 1986, Nr.3. – Franz Pesch, Neues Bauen in histori-

scher Umgebung, hg. von der Arbeitsgemeinschaft Histo-

rischer Stadtkerne in Nordrhein-Westfalen. Köln 1995,

S.56–59. – S. Polònyi/A. Brandt/F. Kind-Barkauskas/B.

Kauhsen, Beton Atlas, Entwerfen mit Stahlbeton im Hoch-

bau. Basel 2002, S.226f. – Andrea Kiock (Hg.), Auer+We-

ber+Architekten. Arbeiten 1980–2003. Basel 2003.

7 Im Inneren jeder mit 25cm Durchmesser sehr schlanken

Stütze liegt außer der Armierung und Weißbeton ein iso-

liertes Regenrohr (Tragwerksplaner Schlaich-Berger-

mann). – Freundliche Auskunft des Architekten Carlo We-

ber vom 2.Mai 2011.

8 Mit folgender Einschätzung der Jury: „Durch die Kom-

position des Grundmotivs entsteht ein Gesamtschwung,

eine Verflechtung von Außen und Innen, die bis ins Detail

stimmt. Diese lockere, heitere Grundstimmung des Bau-

systems setzt sich aus dem Innenraum nach außen fort.

Die leichte Bewegung des Geländes wird geschickt einbe-

zogen. Der lichte Bau und die Landschaft greifen ineinan-

der über.“

9 Stadtgestaltende Details wie z.B. einheitliche Straßen-

lampen im Kur- und städtischen Bereich steigern die Ver-

flechtung.

Bildnachweis

LWL-Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur in West-

falen: 1–7 (Herden-Hubertus). – 8 Lageplan (Hillebrandt).

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Georg Dehio, Handbuch der DeutschenKunstdenkmäler. Nordrhein-Westfalen: 2.Westfalen. Neubearbeitung. Unter wiss.Leitung von Ursula Quednau. Bearb. vonChristoph Bellot u.a. Historische Stadtein-leitungen von Rita Hänisch u.a. Berlin/Mün-chen 2011, 1340 Seiten, zahlr. Pläne, col.Karten, ISBN 978-3-422-03114-2, 58 Euro

Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL)und das Institut für vergleichende Städte-geschichte (IStG) an der Universität Münster habengemeinsam die Neuausgabe des Dehio-Handbu-ches der Deutschen Kunstdenkmäler für Westfalenerarbeitet. LWL-Direktor Dr. Wolfgang Kirsch be-tonte bei der Präsentation des neuen Dehio-Ban-des am 17.Januar 2012 im Gelsenkirchener Musik-theater im Revier (MiR), dass die nun vorgelegteÜberarbeitung der Ausgabe von 1969 von heraus-ragender Bedeutung sei: „Das 1.340 Seiten starkeHandbuch stellt eine wissenschaftliche Auswahlvon knapp 5.000 Denkmälern aus dem gesamtenwestfälischen Bestand vor und ist so das gültigeVerzeichnis aller wichtigen ortsfesten Kunstdenk-mäler in Westfalen-Lippe. Damit hat es nicht nurdas Format der Bibel, es ist auch so etwas wie diewestfälische Denkmal-Bibel.“ Dieter Gebhard, Vor-sitzender der Landschaftsversammlung Westfalen-Lippe und Kuratoriumsvorsitzender der LWL-Kul-turstiftung, unterstrich, dass die mit Mitteln desBauministeriums NRW, der LWL-Kulturstiftung, derDeutschen Stiftung Denkmalschutz und der Kul-turstiftung der Westfälischen Provinzial Versiche-rung realisierte Neubearbeitung nicht nur deutsch-landweite, sondern auch europaweite Bedeutung

habe: „Die Publikation erschließt Fachleuten undinteressierten Laien gleichermaßen die viel zu oftunterschätzten und teilweise zu wenig bekanntenDenkmäler Westfalens.“Der neue Band „Westfalen“ erscheint im Deut-schen Kunstverlag im Rahmen der Buchreihe„Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler“, dieim Jahr 1900 von dem Kunsthistoriker Georg Dehiobegründet wurde. Karl Jasper, Leitender Ministeri-alrat im NRW-Bauministerium, freute sich, dass mitdem neuen Band „Westfalen“ und dem Band„Rheinland“ aus dem Jahr 2005 nun für ganz Nord-rhein-Westfalen eine gültige Übersicht vorliegt,deren Herausgabe das Ministerium unterstützthat: „Kunstdenkmäler erhalten als kulturelles Erbeein lebendiges Bild vergangener Zeiten und leistenso einen wesentlichen Beitrag zur Lebensqualitätin NRW“. Herausgegeben wird die Überarbeitungvon der Wissenschaftlichen Vereinigung zur Fort-führung des kunsttopographischen Werkes vonGeorg Dehio e.V., dem IStG und der Vereinigungder Landesdenkmalpfleger in der BundesrepublikDeutschland (VdL), vertreten durch die LWL-Denk-malpflege, Landschafts- und Baukultur in Westfa-len. Dr. Markus Harzenetter, Leiter der LWL-Denk-malpflege und 2. Vorsitzender der VdL, unterstrichdie Bedeutung der kontinuierlichen Erfassung undBewertung für die Denkmalpflege: „Nur was er-kannt und damit auch bekannt ist, kann wirkungs-voll geschützt und erhalten werden.“In die wissenschaftliche Leitung des Projektes unddie Auswahl der Kunstdenkmäler brachte Dr. UrsulaQuednau ihre langjährige Erfahrung als ehemaligeLeiterin des Referates Inventarisation und Baufor-schung der LWL-Denkmalpflege ein: „Der Dehiostellt einen repräsentativen Querschnitt des breitenSpektrums unseres kulturellen Erbes an Kunst- undBaudenkmälern vor. Erweitert wurde die Neubear-beitung um die Architektur und ihre Ausstattungdes späteren 19., der ersten Hälfte des 20.Jahrhun-derts und desWiederaufbaus sowie der Nachkriegs-moderne, der Bürgerhäuser und der bäuerlichenPrivatbauten, der Industrie sowie um Gärten. Somitist der Dehio ein verlässlicher und klärender Führerdurch den weitaus größeren Gesamtbestand derDenkmallandschaft von Westfalen und mit diesemAnspruch eine einzigartige Publikation.“ Die Kunst-historiker des Dehio-Autorenteams verfassten un-ter der Gesamtorganisation von Dr. Angelika Lam-pen vom IStG zu jedemDenkmal eine komprimierteBeschreibung. „Eingerahmt werden die Darstellun-gen der Kunstdenkmäler durch die historischen Ein-leitungen wie auch die farbigen Detail- und Über-sichtskarten des IStG, die auf die jeweilige Denk-malauswahl des spezifischen Ortes abgestimmtsind“, erläuterte Prof.Dr. Freitag, Leiter des IStG,das Konzept dieses Klassikers der Kunstgeschichte.

Neuerscheinungen des Amtes

Denkmalpflege in Westfalen-Lippe.Aufsätze und Berichte der Jahre 2005 bis2009 (= Zeitschrift Westfalen, 88. Band2010). Münster 2012. 600 Seiten 379 z.T. col.Abb. ISSN 0043-4337, 89 Euro.

Traditionell erscheint der so genannte Denkmal-pflegebericht in einem Turnus von fünf Jahren inder Zeitschrift Westfalen. Wie in der Vergangen-heit beschränkt er sich auch dieses Mal nicht aufkurzes Berichten denkmalpflegerischer Aktionenan einzelnen Denkmälern während des Berichts-zeitraumes 2005 bis 2009. Vielmehr finden sich aus-führliche Beiträge zu insgesamt etwa 100 ausge-wählten Objekten aus der westfälischen Denkmal-landschaft, die in den zurückliegenden fünf Jahrenin mancher Hinsicht beispielhaft die Arbeit unseresAmtes im Bereich der Denkmalpflege illustrierenkönnen. Sie sind übersichtlich alphabetisch nachOrten gegliedert und werden ergänzt durch zweiBeiträge mit überregionalen Bezügen, wobei sichder eine auf den historischen Verlauf des Stich-kanals des Dortmund-Ems-Kanals bezieht, und derandere allgemeiner auf Parkpflegewerke vonParks und Gärten in Westfalen eingeht. Ein Doku-mentationsteil der Tätigkeiten unseres Amtes gibtdem Leser einen instruktiven Einblick in das Innen-leben des (noch bis April 2011 so genannten) LWL-Amtes für Denkmalpflege und veröffentlicht dieAktivitäten seiner einzelnen Mitglieder im Be-richtszeitraum.Wissenschaftlich fundierte Aufsätze finden sichwie immer mit dem Schwerpunkt auf Bereiche derInventarisation, Bauforschung und der praktischenDenkmalpflege mit den Themen: Bauten des ehe-maligen freiweltlichen Damenstiftes Herdecke –Bauforschung im hochmittelalterlichen Domstiftzu Paderborn – Der Ostturm von Schloss Rheda.Wehrturm, Wohnturm und geschichtliches Zeichen– Bis unters Dach. Neue Fragen an Burg Vischering– Denkmalschutz und Baudenkmäler in Offelten –

Die statische Sanierung der mittelalterlichen Kir-che St.Nikolai, Lemgo –Was geschah in den 1950erJahren mit der Fromme-Orgel in Kloster Brunnen?Offene Fragen bei einer aktuellen Orgelrestaurie-rung. Das stattliche Buch mit seinen 600 Seiten istgroßzügig, z.T. farbig bebildert und mit seinemübersichtlichen Layout sehr ansprechend gestaltet.Eine breite Leserschaft sollte ihm damit sicher sein.

Fremde Impulse. Baudenkmale imRuhrgebiet – 4. Westfälischer Tag fürDenkmalpflege auf Schloss Cappenberg(= 10. Arbeitsheft der LWL-Denkmalpflege,Landschafts- und Baukultur in Westfalen).Bönen 2011. 80S., zahlr. col. Abb.ISBN 978-3-86206-138-9, 10 Euro.

Mit dem neuen Arbeitsheft liegt die Dokumenta-tion der Vorträge und Exkursionen des 4. Westfäli-schen Tags für Denkmalpflege, zu dem das LWL-Amt für Denkmalpflege in Westfalen das interes-sierte öffentliche Publikum zum 10./11.Juni 2010auf Schloss Cappenberg bei Selm eingeladen hatte,vor. Die Veranstaltung war zugleich Bestandteildes Projekts „Fremde Impulse – Baudenkmale imRuhrgebiet“ – ein Beitrag der beiden Landschafts-verbände LWL und LVR zum KulturhauptstadtjahrRUHR.2010. Die Tagung wurde von rund 200 Teil-nehmerinnen und Teilnehmern intensiv für Ge-spräche, Diskussionen und Weiterbildung genutzt.Der Beitrag „Eine kleine Geschichte vorweg“ (KayBandermann) beleuchtet Journalismus und Denk-malpflege. Eine Zusammenarbeit ist für beiden Sei-ten unverzichtbar, um die Themen der Denkmal-pflege auch der interessierten Öffentlichkeit gutzu vermitteln.Die vier Beiträge „Fremde Impulse. Das Denkmal-projekt zur Kulturhauptstadt“ (Barbara Seifen),„Reflexe: Das Ruhrgebiet und die Welt“ (Hans H.

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Viele Gebäude der Nachkriegszeit gelten als häss-lich und minderwertig. Inzwischen in die Jahregekommen undmitunter vernachlässigt, ist die Ge-staltungsintention oft kaum noch wahrnehmbar.Hinzu kommen konstruktive Mängel, neue ener-getische Standards, aber auch demographischeEntwicklungen, die das Image der Nachkriegsarchi-tektur bis hin zum Abriss negativ beeinflussen.Über die Qualität dieser Architektur wird derzeitintensiv geforscht und publiziert. Im Folgendenseien einige Veröffentlichungen dazu vorgestellt:

Hillmann, Roman: Die Erste Nachkriegs-moderne: Ästhetik und Wahrnehmung der west-deutschen Architektur 1945–1963. Petersberg2011. (Forschungen zur Nachkriegsmoderne).Zugl.: Berlin, Techn. Univ., Diss., 2007. ISBN 978-3-86568-589-6

In seiner architekturhistorischen Dissertation legtRoman Hillmann den Schwerpunkt auf die Archi-tektur der 1950er Jahre. Die Diskursanalyse zurNachkriegsarchitektur behandelt die Positionenvon Traditionalismus und Moderne. Fallbeispieledes Verwaltungsbaus zeigen die Phasen der Nach-kriegsmoderne auf. Beide Teile führt Hillmann zuthematischen Blöcken zusammen, die thesenhaftgeneralisiert die Charakteristik der Architektur der1950er Jahre dokumentieren.

Hacker, Michael und Ulrich Krings (Hg.):Bauten und Anlagen der 1960er und 1970er Jahre– ein ungeliebtes Erbe? Zweitägiges Symposiumdes hdak am 23. und 24. Oktober 2009 in Köln.

Hanke), „Männer aus Vreden pendeln ins Ruhrge-biet“ (Annette Menke) und „Milch in die Städte,Molkereien aufs Land. Landwirtschaft und FremdeImpulse. Das Beispiel Milchwirtschaft in Westfalenim 19. und 20.Jahrhundert“ (Gisbert Strotdrees)beziehen sich auf das Denkmalprojekt zur Kultur-hauptstadt. Weitere fünf Beiträge behandelnDenkmalobjekte im Ruhrgebiet und ihre verschie-denen Facetten: „Das ‚Goldene Wunder’ in derPetrikirche in Dortmund“ (Dirk Strohmann), „ZurKonservierung und Restaurierung von Betonglas-fenstern“ (Oliver Karnau), „Die Geschwister-Scholl-Gesamtschule in Lünen“ (Ulrich Reinke), „DasThorn-Prikker-Haus in Hagen“ (Danae Votteler)und „Kirchensanierungen im Ruhrgebiet“ (Hart-mut Ochsmann). Die Exkursionsberichte „Schlossund ehem. Stiftskirche Cappenberg“ (Dirk Stroh-mann/Peter Barthold/David Gropp), „Lünen-Bram-

bauer, Einwanderung von Polen“ (Ulrich Reinke),„Lünen, Bauten und Städtebau der 1950/60 Jahre“(Sybille Haseley) und „Selm, Synagoge und Jüdi-scher Friedhof Bork“ (Saskia Schöfer/Barbara Sei-fen) runden den Blick auf die Denkmalpflege vorOrt ab.Zum ersten Mal war auch eine Preisverleihung Teildes Programms dieser Tagung. Die „Stiftung Klei-nes Bürgerhaus“ vergibt seit 2010 alle zwei Jahreden Preis „scheinbar unscheinbar“. Die Ansprachedazu wurde vom Stiftungsgründer Fred Kaspar ge-halten und findet sich ebenfalls in diesem Arbeits-heft. Preisträger war im Jahr 2010 der „Förderver-ein Haus Kirchstr.14“ aus Steinfurt, zwei Projektewurden besonders ausgezeichnet: das „SchiefeHaus“ in Tecklenburg und die „Mendener StiftungDenkmal und Kultur“ mit dem Haus An der Stadt-mauer 5.

Wolfgang Pehnt zum 80. Geburtstag am 3.Sep-tember 2011. Beiträge des Symposiums desHauses der Architektur Köln vom 23./24.Oktober2009. Essen 2011. (Edition hdak, Haus derArchitektur Köln, 4). ISBN 978-3-8375-0679-2

Im Fokus des Symposiums mit Kunsthistorikern,Denkmalpflegern und Architekten steht das Bun-desland Nordrhein-Westfalen. Durch die starkenKriegszerstörungen des Zweiten Weltkrieges sinddie Nachkriegsbauten hier zur prägenden Bauformgeworden. Rückblickend sind die 1960er und1970er Jahre auch eine Zeit der Großformen in derArchitektur. Angesichts der Quantität existierenfür viele dieser Bauten noch keine Bewertungs-oder Qualitätskriterien, die dem Umgang mit ih-nen zugrunde gelegt werden können. Die Beiträgeversuchen sich der Komplexität zu nähern, indemsie unterschiedliche Baukategorien wie Woh-nungs- und Bürobauten, Kultur- und Sakralbauten,aber auch Aspekte der zeitgenössischen Stadtpla-nung thematisieren.

Kirche leer – was dann? Neue Nutzungskon-zepte für alte Kirchen. Tagungsdokumentation2. bis 4.April 2009, Mühlhausen/Thüringen.Hg. Deutsche Stiftung Denkmalschutz. Petersberg2011. (Berichte zu Forschung und Praxis derDenkmalpflege in Deutschland; 17). ISBN 978-3-86568-684-8

Die Dokumentation beschäftigt sich auchmit Nach-kriegskirchen, denen im öffentlichen Bewusstseinbislang nur eine eher geringe Schutzwürdigkeit

Neuerwerbungen der Bibliothekin Auswahl

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Thomas Dann, Möbelschätze aus Lippe.Vier Generationen Tischler Beneke inDetmold (1816–1964) (= Sonderveröffent-lichungen des Naturwissenschaftlichen undHistorischen Vereins für das Land Lippe,Bd.79). Bielefeld 2011, 184Seiten,ISBN 978-3-89534-779-5, 24 Euro.

Der durch zahlreiche Publikationen sowohl zum hö-fischen als auch zum bürgerlichen Möbel ausgewie-sene Autor Thomas Dann hat sich in letzter Zeit vorallem mit der Detmolder Möbelproduktion be-schäftigt. Im Zusammenhang mit Forschungen überdie Ausstattungsgeschichte des Detmolder Schlos-ses im 19.Jahrhundert stieß er auf zahlreiche Rech-nungen der Möbelfirma Beneke aus Detmold. EinBetrieb, der – wie sich herausstellte – durch Möbel-entwürfe, Fotografien von angefertigten Möbeln,Familienchroniken und nicht zuletzt zahlreichenoch existierende Möbel in öffentlichem und priva-

tem Besitz gut dokumentiert ist. Die Monographieüber die Tischlerei Beneke in Detmold ist in mehrfa-cher Hinsicht ein interessantes und aufschlussrei-ches Buch. Anhand einer über 140 Jahre existieren-den Möbeltischlerei in Detmold erfährt der Leserviel Allgemeines über diesen wichtigenWirtschafts-zweig in Lippe im 19.Jahrhundert, sowie Speziellesüber die Produktion in einem durchweg noch hand-werklich ausgerichteten Betrieb. In einem einfüh-renden Kapitel über das lippische Tischlerhandwerkim 19.Jahrhundert wird die schwierige Situationder in Zünften/Ämtern organisierten Tischler darge-legt, die wirtschaftlich immermehr durch ungebun-dene Konkurrenz von außen in Bedrängnis kamen.Ein eigenes Kapitel setzt sich mit der handwerkli-chen Fertigung auseinander und stellt sie der in-dustriellen Produktion gegenüber. Weiterhin wer-den die äußeren Umstände des politisch-gesell-schaftlichen Umfeldes beleuchtet und die Kund-schaft analysiert. Dabei wird auch deutlich, dass –abgesehen vom allgemeinen Epochenstil – derhandwerkliche Anspruch des Herstellers sowie dieWünsche des Auftraggebers Aussehen, Form undStil des Produkts wesentlich bestimmten. So brach-ten höfische und bürgerliche Aufträge recht unter-schiedliche Möbel hervor.Der Hauptteil des Buches aber befasst sich in fünfKapiteln mit der Tischlerei Beneke selbst. Ein Kapi-tel ist Christian Ludwig, genannt Louis Beneke(1819–1892), dem erstgeborenen Sohn des Firmen-gründers, gewidmet. Dieser arbeitete zwar alsTischler und die wenigen noch existierenden Mö-bel sind von hoher Qualität, er leitete jedoch niedie Firma, sondern versuchte sein Glück in Berlinund London. Die Darstellung seines Lebens undSchaffens ist sehr aufschlussreich, weil hier dochdie weit über die Grenzen Detmolds bestehendenVerbindungen und die überregionalen Wechsel-wirkungen in der Möbelproduktion angedeutetwerden. Es zeigt auch die stilprägende Bedeutung

Buchvorstellung

und Denkmalqualität zugesprochen wird. Aufge-zeigt werden Beispiele für erfolgreiche Umnutzun-gen und Perspektiven für gefährdete Kirchen.

Bauer, Katrin: Gotteshäuser zu verkaufen:Gemeindefusionen, Kirchenschließungen undKirchenumnutzungen. Münster: Waxmann, 2011.(Beiträge zur Volkskultur in Nordwestdeutsch-land; 117). ISBN 978-3-8309-2472-2

Im Auftrag der Volkskundlichen Kommission fürWestfalen werden im Rahmen einer Mikrostudiedie Folgen neuer Nutzungskonzepte für Kirchen-bauten untersucht. Am Beispiel konkreter Nut-

zungsänderungen sind insbesondere die Auswir-kungen auf die unterschiedlichen gesellschaftli-chen Gruppen (Gemeinde, Kirchenangestellte) dar-gestellt.

Umfassende Informationen über unsere Neuerwerbun-

gen erhalten Sie durch unsere aktuelle Neuerwerbungs-

liste, die wir monatlich per Email verschicken.

Sie können die Liste unter folgender Adresse abonnieren:

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Öffnungszeiten der Bibliothek:

Montag–Freitag 8.30–12.30Uhr und

Montag–Donnerstag 14.00–15.30Uhr.

Anmeldung erbeten.

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von zeitgenössischen Journalen und Katalogen.Die übrigen vier Kapitel gelten den jeweiligen Per-sonen, die die Tischlerei leiteten. Alle Tischler derFamilie Beneke produzierten auf der Höhe der Zeitund ihre Möbel gehören zu den qualitiätvollenStücken, die in der jeweiligen Epoche entstandensind. Der Firmengründer Christian Friedrich Be-neke (1785–1851) entwarf Möbel, die in Stil, Pro-portion, Holzauswahl, Gestaltung und Oberflä-chenbearbeitung dem Biedermeier zuzuordnensind. Obwohl es sich hier um eine Stilrichtung han-delt, die im Bürgertum sehr beliebt war, sind es vorallem Stücke aus fürstlichem Besitz, die im Buchvorgestellt werden. Carl Wilhelm Christian Beneke(1827–1883), der Nachfolger Christian Friedrichs,vergrößerte die Werkstatt. Dieser Vorgang wird –wie auch spätere bauliche Veränderungen – sehrschön durch verschiedene Pläne aus der Bauaktedargestellt. Dies ermöglicht nicht nur einen Ein-blick in die Vergrößerung des Betriebes, sondernzeigt auch, wie Produktion und Verkauf der Möbelorganisiert wurden. Carl Beneke produziertegleichfalls überwiegend für das Lippische Fürsten-haus. Neben spätbiedermeierlichen Wohnmöbelnschuf er mehr und mehr historistische Möbelstü-cke, die zunächst noch Proportionen des Bieder-meiers beibehielten, aber letztlich von Dekoratio-nen unterschiedlichster Stilrichtungen „überwu-chert“ wurden und in pompösen, mit Schnitzwerküberladenen Möbelstücken gipfelten.Sein Sohn Heinrich Ludwig Beneke (1855–1915)soll nach einer heimischen Ausbildung auch in Bay-ern gelernt haben und bei Ausstattungen der„Ludwigschlösser“ beteiligt gewesen sein. Das Stil-repertoire und die Vielfalt der Möbel, die aus sei-ner Werkstatt hervorgingen, zeigen zumindest,

dass ihm keine Stilrichtung fremd war. Sowohl dieprunkvollen historistischen Varianten, als auch sehrsachliche, dem geometrischen Jugendstil naheste-hende Möbel gingen aus seiner Werkstatt hervor.Schließlich übernahm 1914/15 Heinrich Beneke(1890–1964) die Werkstatt. Wie seine Vorgängermachte er eine Lehre im väterlichen Betrieb, gingaber für weiterführende Ausbildungen (Schnitze-rei/Zeichnen) an etablierte Kunstschulen. In fastfünfzig Jahren entstand letztlich ein recht einheit-liches Werk, das vom handwerklichen Qualitätsan-spruch des Werkbundes geprägt war und im Stil alskonservative Sachlichkeit bezeichnet werdenkönnte. Die Möbel, die sich durch klare Linien undgroße plane Flächen auszeichnen, werden vor al-lem durch lebhafte, furnierte Oberflächen be-stimmt. Heinrich Beneke findet seine Stilrichtungin den 1930er Jahren und trotz einiger Moderni-sierungsversuche bleibt er diesem Stil bis zuletzttreu. Ähnlich wie in der konservativen Architektur-sprache der 1950er Jahre gibt es auch bei den Mö-beln eine konservative Stilausrichtung, die die For-mensprache der 1930er Jahre tradiert. Hier, wie inanderen gesellschaftlichen Bereichen der Nach-kriegszeit auch, gab es keine „Stunde Null“, son-dern neben den Brüchen vor allem Kontinuität.Eine besondere Qualität des Buches liegt in seinerreichen Bebilderung, die mit dem gut lesbaren Textabgestimmt ist und somit das Gesagte im Bildleicht nachvollziehbar macht.Es handelt sich um eine ausführliche und gelun-gene Darstellung des Werkes der Familie Beneke,wie sie früher schon in ähnlicher Form beispiels-weise für die Kunstschreinerfamilie Budde aus Wa-rendorf entstanden ist.

David Gropp

Treffen der westfälischen DNK-Preisträgerin Dortmund 2011Im vergangenen Jahr haben sich die westfälischenPreisträger des „Deutschen Nationalkomitees fürDenkmalschutz“ am 18.Juni 2011 in Dortmundzum vierten Mal getroffen. Nach Begrüßungendurch Dr. Oliver Karnau von der LWL-Denkmal-pflege, Landschafts- und Baukultur in Westfalenund Dr. Henriette Brink-Kloke von der UnterenDenkmalbehörde der Stadt Dortmund stand das25-jährige Bestehen des „Arbeitskreises Dortmundim Förderverein Bergbauhistorischer Stätten Ruhr-revier e.V.“ im Mittelpunkt. Dessen VorsitzenderHeinz-Ludwig Bücking berichtete über die Grün-dung des Arbeitskreises im Jahr 1986 und die kon-tinuierliche Wiederherstellung der untertägigenStrecken im 1582 erstmalig urkundlich erwähntenSteinkohlenbergwerk. Der Arbeitskreis finanziert

Mitteilungen

Die westfälischen Preisträger bei ihrem Treffen in

Dortmund. 2011.

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Finanzierung des WandmalereiprojektsgesichertWie im vorigen Heft „Denkmalpflege in Westfa-len-Lippe“ (2/2011, S.84–85, 87–88) berichtet, be-reitet die LWL-Denkmalpflege, Landschafts- undBaukultur in Westfalen-Lippe ein Wandmalerei-projekt vor. Ziel ist die Erfassung, Erforschung, öf-fentlichkeitswirksame Darstellung und Publikationder 14 wichtigsten figürlichen Wandmalereien derRomanik in Westfalen. Am 18.November 2011 fielin der Sitzung des Kuratoriums der LWL-Kulturstif-tung in Münster die Entscheidung, dieses For-schungs- und Ausstellungsprojekt für die Laufzeitvon 2012 bis 2016 mit einem Gesamtbetrag von235.000EUR zu fördern. Damit ist die Finanzierungdes wissenschaftlichen Vorhabens nun gesichert.Nach erfolgter Ausschreibung der vorgesehenenkunst- und restaurierungswissenschaftlichen Leis-tungen sowie der Vermessungsarbeiten kann vo-raussichtlich Mitte 2012 der Startschuss erfolgen.Gemäß der bisherigen Planung werden zuerst diefigürlichen romanischen Wandmalereien in derkath. St.Blasius-Kirche in Balve bearbeitet werden.

Bildnachweis

LWL-Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur in West-

falen (H. Dülberg)

die Sanierungsarbeiten mit Spenden aus öffentli-chen Führungen, Veranstaltungen und Kinderge-burtstagen: „Zufriedene Gäste, die nass und ver-schmutzt aus dem Bergwerk kommen, sind derLohn für die Mühen der Ehrenamtlichen“, resü-mierte Herr Bücking den Erfolg nach 50.000 unbe-zahlten Arbeitsstunden, die 2007 mit der „Silber-nen Halbkugel“ belohnt worden sind: „Wir habenfür unsere Arbeit ganz bewusst ein kleines Objektausgewählt, dessen Wiederherstellung ein hohesMaß an ehrenamtlichem Einsatz erfordert. Ge-lernte Bergleute und Laien arbeiten hier Hand inHand nach historischen Methoden“.Auch die DNK-Preisträger Dr. Franz-Josef Bohle(Förderverein Bredelar), Eberhard Brand (Kortum-Gesellschaft Bochum), Laurenz Sandmann (Alt-stadtfreunde Warendorf), Jürgen Uphues (Vereinzur Erhaltung der Isenburg) sowie Ingeborg Alle-kotte-Wehling und Franz-Josef Wehling (Förder-verein Schloss Horst) berichteten über ihre Arbeitim vergangenen Jahr und die aktuellen Projekte.Besonders zu nennen sind der Förderverein KlosterBredelar, der im Juni 2011 in Amsterdam mit demeuropäischen Denkmalpreis „Europa Nostra“ fürseinen besonders engagierten Einsatz ausgezeich-net worden ist, und die Altstadtfreunde Waren-dorf, die im Januar 2011 vom Land NRW den kul-turellen Ehrenamtspreis „Der Dank“ in der Kate-gorie „Erfinden“ für ihre Initiative „DezentralesStadtmuseum Warendorf“ erhalten haben.Ein Impulsreferat von Werner Gessner-Krone vomWestfälischen Heimatbund leitete eine Podiums-

diskussion mit Dr. Franz-Josef Bohle und Dr. OliverKarnau über die Altersstruktur und den Generati-onswechsel in den Vereinen ein. Es wurde deutlich,dass die Übergabe der erfolgreichen Arbeit an dienächste Generation eine wichtige Aufgabe ist.„Die Vereine müssen sich in der Öffentlichkeit füreinen innere und äußeren Wandel öffnen undmehr für alle Generationen präsent sein“, unter-strich Laurenz Sandmann (Altstadtfreunde Waren-dorf). Und Eberhard Brand fasste die Mitglieder-werbung der Kortum-Gesellschaft Bochum e. V. sozusammen: „Gerade nach kompetenten Jungpen-sionären werfen wir sofort die Angel aus“.Die Praxiserfahrung und die Teamarbeit der west-fälischen DNK-Preisträger wurden auch auf demabschließenden bergbauhistorischen Rundgangmit einer Führung durch das historische Bergwerkdeutlich. Mit Plänen für weitere Arbeitstreffen undeinem gemeinsamen Essen vor dem Mundloch desStollens, unter Bergleuten „buttern“ genannt, istunser Treffen in Hohensyburg dann ausgeklungen.In diesem Jahr hat Sissi Fürstin zu Bentheim-Teck-lenburg, die bereits 1979 mit der Silbernen Halb-kugel des DNK ausgezeichnete und damit „dienst-älteste“ Preisträgerin in Westfalen-Lippe, die altenund neuen Preisträger nach Rheda-Wiedenbrückeingeladen.

Oliver Karnau / Bettina Schürkamp

Bildnachweis

LWL-Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur in West-

falen (Engelmann).

Balve, kath. Pfarrkirche St.Blasius, Chorapsis mit

romanischer Wandmalerei, um 1250. 2011.

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5. Westfälischer Tag für Denkmalpflege 2012„natur macht technik“ – Die Wechselbezie-hungen von Menschen, Kulturlandschaftund TechnikDie LWL-Denkmalpflege, Landschafts- und Baukul-tur in Westfalen richtet in Bad Berleburg am Don-nerstag, den 31.Mai und am Freitag, den 1.Juni2012 den „5. Westfälischen Tag für Denkmal-pflege“ aus, der seit 2004 in zweijährigem Abstandstattfindet. In diesem Jahr steht die Wechselwir-kung zwischen Menschen, Natur und Technik imVordergrund.Wir folgen der freundlichen Einladung der Fürstli-chen Familie zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg inihre Residenz Schloss Berleburg (s.a. S.44ff. in die-ser Ausgabe). Die Stadt Bad Berleburg ist die zweit-größte Flächenkommune in Nordrhein-Westfalenmit 90 Prozent Wald und landwirtschaftlich ge-nutzten Flächen. Die Flüsse Eder, Elsoff und Ode-born durchqueren das aus 23 Ortschaften beste-hende Stadtgebiet.Das südliche Westfalen mit der Region Wittgen-stein bietet sich für das Thema besonders an, weilder reiche und schöne Waldbestand des Berglan-des wenig an Technik und Industrie denken lässt.Jedoch verweisen allein schon 39 historische Bau-ten auf die ausgeprägte Technikgeschichte derStadt. Zum einen war Holz der Rohstoff, der dortim Hausbau zu besonderen Konstruktionen undGestaltungen geführt hat. Das Gewerbe des Drech-selns und Schnitzens war weit verbreitet und ent-wickelte ausgeklügelte Maschinen. Zum anderenbot das Holz große Energiereserven für das be-nachbarte Siegerland und seine Eisenindustrie. Dieim Siegerland und in Wittgenstein bis heute anzu-treffende genossenschaftliche Haubergswirtschaftgehört zu den ältesten nachhaltigen Waldwirt-schaften Europas. Sie ist eine Folge des mittelalter-lichen Raubbaus für den technischen Fortschritt inBergbau und Hüttenwesen.Vor 400 Jahren begann im Ortsteil Raumland derregionale Schieferabbau, der erheblichen undüberregionalen Einfluss auf das Aussehen der Häu-ser und unsere Vorstellung von historischer Archi-tektur ausgeübt hat. Die Erschließung der Holz-und Schiefervorkommen gab in der zweiten Hälftedes 19.Jahrhunderts Anlass für Chaussee- und Ei-senbahnbau.Weniger offensichtlich ist, dass in der ersten Hälftedes 18.Jahrhunderts die Wittgensteiner Grafschaftaufgrund des Herrscherhauses mit seiner religiösenToleranz weit über ihre Grenzen hinaus bekanntwar. Mit Glaubensflüchtlingen aus Süddeutsch-land, der Schweiz und Frankreich kam auch neuesWissen ins Berleburger Land. Am Schloss Berle-burg, manchen Landsitzen sowie an vielen Villenlässt sich bis heute erkennen, dass dies alles zu

Wohlstand und Einfluss führte. Im Schloss er-strahlte bereits 1908 elektrisches Licht. Die Origi-nalbeleuchtung vor Ort bezeugt bis heute das regeInteresse der Region am technischen Fortschritt.Viele Zeugnisse für dieWechselwirkung von „naturmacht technik“ werden durch privates, oft auchehrenamtliches Engagement in dieser traditions-bewussten Region gepflegt. Das Schloss ist ein he-rausragendes Beispiel für diese Haltung.Im Rahmen der Veranstaltung möchten wir auchan das 120jährige Bestehen der amtlichen Denk-malpflege in Westfalen-Lippe erinnern, die sichseit April 2011 als „LWL-Denkmalpflege, Land-schafts- und Baukultur in Westfalen“ neu formierthat.Der „Westfälische Tag für Denkmalpflege“ be-ginnt am Donnerstagnachmittag mit Führungendurch das Schloss und seine Umgebung. Nach einerBegrüßung wird Prof.Dr. Wolfgang Sonne von derTU Dortmund mit seiner Sicht auf aktuelle Aufga-ben und Perspektiven die Tagung eröffnen. DieVerleihung des Preises „Scheinbar Unscheinbar“durch die Stiftung „Kleines Bürgerhaus“ ist der Hö-hepunkt des ersten Tages.Der Freitagvormittag ist Vorträgen und Gesprä-chen zum oben umrissenen Thema gewidmet.Nachmittags bieten wir mit unseren Partnern inBad Berleburg Führungen und Exkursionen in dienähere und nicht so nahe Umgebung an. Das Ta-gungsthema wird dabei durch die Erkundung deshistorischen Stadtkerns Bad Berleburgs und etli-cher seiner idyllischen Dörfer erlebbar. Dazu gehö-ren auch forsthistorische und technikgeschichtli-che Orte.Eingeladen sind gleichermaßen Denkmaleigentü-mer, Denkmalpfleger, Architekten, Handwerkeroder auch ehrenamtlich Engagierte, Mitarbeitervon öffentlichen Verwaltungen und kirchlichen In-stitutionen sowie alle anderen Interessierten. DieTeilnehmerzahl muss aber aus Raumgründen leiderauf 100 Personen begrenzt werden. Es gilt die Rei-henfolge der Anmeldungen.Die Tagung wird als Fortbildungsveranstaltung beider Architektenkammer NW angemeldet. Es sindHotelzimmer in Bad Berleburg reserviert, die Kon-taktdaten für eine verbindliche Buchung gebenwir rechtzeitig bekannt. Für Imbisse und Exkursio-nen wird ein Beitrag von 20 Euro erhoben.

Hans H. Hanke, Sybille Haseley,Bettina Schürkamp

Anmeldung und Rückfrage bitte an:

[email protected], Fax 0251/5914650 (Betreff: Westfä-

lischer Tag für Denkmalpflege 2012), LWL-Denkmal-

pflege, Landschafts- und Baukultur in Westfalen, Fürsten-

bergstraße15, 48147 Münster, www.lwl-dlbw.de

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1 Wassermühle am Klosterbach in Werther

(Kreis Gütersloh). 2011.

am Klosterbach in Werther (Kreis Gütersloh) aus-gezeichnet. Horst Becker, ParlamentarischerStaatssekretär im Ministerium für Wirtschaft, Ener-gie, Bauen, Wohnen und Verkehr des Landes Nord-rhein-Westfalen überreichte am Sonntag, den9.Oktober im Heimhof-Theater in Burbach-Wür-gendorf (Kreis Siegen-Wittgenstein) den Preis anFamilie Letmate. Undotierte Anerkennungen er-hielten die Katholische Pfarrgemeinde St.Marienin Paderborn-Neuenbeken, Kathrin und HendrikHöner für das Haus Ottens in Wiedenbrück (KreisGütersloh) und der Förderverein des Heimhof-Theaters in Burbach, in dem die Preisverleihungmit mehr als 80 Teilnehmern aus Politik und Denk-malpflege stattfand.Der Westfälisch-Lippische Preis für Denkmalpflegeist mit 7.000 Euro dotiert und wurde zum erstenMal im Jahr 1994 verliehen. Die Auszeichnung ist inerster Linie für Denkmaleigentümer bestimmt, dieihre Denkmäler in beispielhafter Weise erhalten,nutzen und pflegen. Über die Anerkennung desspeziellen Falls hinaus soll damit auch deutlich ge-macht werden, dass die Erhaltung und Pflege des

Wassermühle am Klosterbach in Werthererhielt den Westfälisch-Lippischen Preisfür Denkmalpflege 2011Mit demWestfälisch-Lippischen Preis für Denkmal-pflege wurden in diesem Jahr Sabine und Chris-toph Letmate für die Sanierung der Wassermühle

Preis

„DENKMALPFLEGE –WESTFÄLISCH–PRAKTISCH“ – Historische Dachdeckungenund ihre Erhaltung. Fortbildung am25.Oktober 2012 im LWL-FreilichtmuseumDetmoldZwei der Kultureinrichtungen des Landschaftsver-bandes Westfalen-Lippe, das LWL-FreilichtmuseumDetmold und die LWL-Denkmalpflege, Land-schafts- und Baukultur in Westfalen bieten einepraxisorientierte Fortbildungsreihe an, um dieKompetenz und das gebündelte Wissen für denUmgang mit historischer Bausubstanz weiterzuge-ben. Zielgruppen sind Beschäftigte der Denkmal-behörden in Westfalen-Lippe, Handwerker/innen,Restauratoren/innen, Architekten/innen, Inge-nieure/innen sowie alle Personen, die mit derDenkmalpflege beruflich oder privat verbundensind.Neben der Form ist seine Dacheindeckung ein we-sentlicher und prägender Bestandteil eines Hauses.Über der formgebenden, in der Regel nicht sicht-baren Dachkonstruktion liegt die sogenannteDachhaut. Diese war je nach natürlichem Vorkom-men bestimmter Deckungsmaterialien und derenhandwerklicher Verarbeitungsmöglichkeiten re-gional unterschiedlich ausgeführt und orientiertesich an den klimatischen und funktionalen Anfor-derungen. Auf historischen Profanbauten in West-falen-Lippe kamen in vorindustrieller Zeit nebenden heute kaum noch erhaltenen MaterialienStroh und Holz hauptsächlich Ziegel, Schiefer und

Sandstein vor, bevor die Entwicklung industriellerFertigungstechniken und der Ausbau der Trans-portwege zur Verbreitung von Betonpfannen, Me-tallblechen, Bitumen, Faserzementplatten etc.führte. Das Dach hat nicht nur eine schützende,sondern auch eine dekorative Funktion. Daherkommt es bei Reparaturen und Sanierungen be-sonders auf die vielfältigen Ausführungsdetails derhistorischen Deckung an, damit die Überlieferunghistorischer Dachdeckung und Handwerksfertig-keit nicht verloren geht.Neben der Präsentation des Materials mit seinerspeziellen Verarbeitung bzw. Verlegetechnik wer-den Schäden und ihre Ursachen vorgestellt. EinenSchwerpunkt bilden Reparatur und Sanierung,auch unter bauphysikalischen Gesichtspunktenund unter Berücksichtigung gesetzlicher Vorschrif-ten und Normen. Weiterhin soll die Problematikenergetischer Ertüchtigung historischer Dachde-ckungen erörtert werden sowie die Notwendigkeitder regelmäßigen Wartung.Anhand ausgewählter Objekte des Freilichtmuse-ums wird die Thematik vertiefend diskutiert. Ein in-tensiver fachlicher Erfahrungsaustausch zwischenPraktikern und Denkmalpflegern ist erwünscht.Die eintägige Veranstaltung findet – wie die dreivoran gegangenen – im LWL-Freilichtmuseum Det-mold statt. Das detaillierte Programm wird recht-zeitig veröffentlicht (www.lwl-dlbw.de oder unterwww.lwl-freilichtmuseum-detmold.de).

Anne Herden-Hubertus

reichen kulturellen Erbes vor allem den vielen,meist privaten Eigentümern zu verdanken ist undhohe Anerkennung verdient. In diesem Jahr wurdeder Preis zum zweiten Mal federführend vom Mi-nisterium für Wirtschaft, Energie, Bauen, Wohnenund Verkehr des Landes Nordrhein-Westfalen aus-gelobt und vom Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) organisiert. Für die öffentlich ausge-schriebene Auszeichnung hatten sich 89 Denkmal-eigentümer aus allen Landesteilen bei der LWL-Denkmalpflege, Landschafts- und Baukultur inWestfalen (LWL-DLBW) beworben. Die hohe An-zahl von Bewerbungen um den Preis zeigte dasgroße persönliche Engagement vieler Bürger unddas breite Spektrum von vorgeschlagenen Denk-mälern, welches von historischen Bildstöcken undHofkreuzen am Wegesrand über Fachwerkhäuser,Mühlenanlagen und Aussichtstürme bis zu Schloss-anlagen mit weiträumigen Parkanlagen reichte.Eine fachkundige Jury mit Dr. Birgitta Ringbeckund Dr. Wolfgang Otten vom NRW-Bauministe-rium und den Landeskonservatoren Dr. MarkusHarzenetter beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) und Professor Dr. Udo Mainzer beimLandschaftsverband Rheinland (LVR) wählte ausden eingegangenen Bewerbungen einen Preisträ-ger und drei undotierte Anerkennungen aus. Beider Auswahl wurden sie vom Sprecher des Komi-tees Albert Simons von Bockum-Dolffs wie auchVertretern der Landeskirchen, von Hochschulen,Kultur-Journalisten und weiteren Jurymitgliedernunterstützt. Als Teil des mehrstufigen Auswahlver-fahrens wurden im Sommer 2011 acht Denkmälervon der Jury bereist, die in der Jurysitzung in dieengereWahl gekommenwaren. Besichtigt wurdenunter anderem der Umbau des von 1822 bis 1824erbauten lippischen Dorfschulhauses in Lügde-Hummersen und die historischen GartenhäuserTwiete 6 und 8 aus der ersten Hälfte des 19.Jahr-hunderts im sogenannten Klassizismus-Viertel vonArnsberg. Auch der von 1913 bis 1914 in Pletten-berg errichtete Haltepunkt der EisenbahnstreckeEiringhausen–Herscheid als technisches Denkmalund die Umnutzung des ehemaligen Postamtes inWohnungen für Demenzkranke in Burbach wur-den von der Jury in Augenschein genommen.Drei Denkmäler aus der engeren Wahl würdigtedie Jury mit undotierten Anerkennungen. Einedieser Auszeichnungen erhielten Kathrin undHendrik Höner für die Revitalisierung des HausesOttens aus dem Jahre 1635 zu einem zeitgemäßenGeschäftshaus im historischen Stadtkern vonWiedenbrück. Das weit über die Stadtgrenzen hi-naus bekannte Baudenkmal liegt stadtbildprägendmit dem geschossweise vorkragenden Giebel ander ehemaligen Hauptdurchgangsstraße „LangeStraße“. Das in Fachwerkkonstruktion errichteteBürgerhaus erreicht durch einen Speicherstocküber dem Obergeschoss eine Höhe von 17,50m.Für die Referentin Dr. Barbara Pankoke (LWL-DLBW) ist von besonderer Bedeutung, dass Kathrin

und Hendrik Höner als neue Eigentümer ein Jahrim Vorfeld der Maßnahmen eine umfangreicheBauforschung und restauratorische Voruntersu-chungen ermöglichten. Im Verlauf der Baumaß-nahmen sind diese Studien kontinuierlich fortge-schrieben und in dem Bericht von dem BauforscherLaurenz Sandmann und dem Restaurator RalfKampmann-Wilsker festgehalten worden. Auf derBasis dieses umfangreichen Kenntnisstandes wur-den unter der Leitung des Architekten Frank Hurl-brink die Einbauten aus den 1950er und 1960erJahren entfernt und charakteristische Elementewie Kamine, Wand- und Deckenfassungen freige-legt. Im Innern konnten wesentliche Strukturenund Befunde erhalten und mit modernen Hinzufü-gungen von hoher gestalterischer Qualität ergänztwerden. Seit der Wiedereinweihung des Bürger-hauses im Februar 2011 beherbergt es nun im Erd-geschoss ein Textilgeschäft und ein italienischesRestaurant. Im Speicherstock wurde ein Versiche-rungsbüro eingerichtet. Hervorzuheben ist auch,dass die Eigentümerfamilie Höner das große Ob-jekt weitgehend aus eigenen Mitteln finanzierteund sich bereits bei der Instandsetzung des bedeu-tenden Baudenkmals „Haus Aussel“ im OrtsteilBatenhorst in den 1980er Jahren wie auch bei derSanierung des Wiedenbrücker Schulmuseums inbesonderer Weise engagiert hat.Der Katholischen Pfarrgemeinde St.Marien in Pa-derborn-Neuenbeken sprach die Jury ebenfallseine Anerkennung für die sensible Restaurierungund Ergänzung der mittelalterlichen Wandmale-reien ihrer Kirche zu. Die katholische Pfarrei St.Ma-rien wurde 1210 erstmalig urkundlich genannt.Der breit gelagerte kreuzförmige Gewölbebau mitWestturm entstand Anfang des 13.Jahrhunderts.Im Zuge der Gesamtrestaurierung der Kirche wur-den unter anderem die beiden weit über Westfa-len hinaus bekannten romanischen Wandmale-reien aus der Zeit um 1230 hochwertig restauriertund eine ergänzende Ausmalung im Chorbereichvorgenommen. Begonnen wurde mit den erstenUntersuchungen 2002 und den Bau- wie auch Res-taurierungsarbeiten im Jahr 2008. Abgeschlossenwurde die Gesamtrestaurierung unter der Leitungdes Architekten Martin Brockmeyer im Jahr 2011.Das Engagement der Kirchengemeinde für den Er-halt ihrer Kirche, der Ausstattung und der vorhan-denen Ausmalung war von Anfang an unter derfachlichen Begleitung von Diplom-Restaurator LeoLamprecht und der Referentin Dr. Bettina Heine-Hippler (beide LWL-DLBW) und Emanuela Freiinvon Branca vom Generalvikariat überdurchschnitt-lich groß. Die Wandmalereien sind auch Teil desgeplanten Projektes „Figürliche Wandmalerei inwestfälischen Sakralräumen der Romanik“.Auch das Heimhof-Theater aus den 1950er Jahren,zugleich Veranstaltungsort der Verleihung, erhielteine Anerkennung für das ehrenamtliche Engage-ment des Fördervereins bei der denkmalgerechtenErhaltung und authentischenNutzung des Theaters.

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Die Instandsetzung und Wiederbelebung desHeimhof-Theaters in Burbach-Würgendorf ist eineMaßnahme, die mit besonderem bürgerschaftli-chen Engagement hervorragend durchgeführtwurde. Die 2009 begonnenen Arbeiten wurden2010 unter der Leitung der Architektin BirgitHirsch abgeschlossen und von der Referentin Sy-bille Haseley (LWL-DLBW) fachlich begleitet. DasZiel, die originale Ausstattung, Oberflächen undTechnik ohne Erneuerungen im Bestand behutsamaufzuarbeiten, wurde beispielgebend erreicht.Notwendige Erneuerungen bei Bühnen- und Elek-trotechnik, sowie der Brandschutz und die Erwei-terungen der Toilettenräume wurden geschickt in-tegriert. Im ehemaligen Wandelgang ist mit dun-kelroten halbhohen Wandpaneelen, einer goldenschimmernden, brokatähnlichen Wandtapete undschachbrettartig gefärbten PVC-Bodenfliesen nochder erste Ausbauzustand von 1951 erhalten. Insbe-sondere der Theatersaal erhält durch die metallischschimmernden Tapeten mit abstrakten Motivenseine feierliche Stimmung. Nachdem das Theaterjahrelang leer stand, finden seit der Fertigstellungwieder regelmäßig Veranstaltungen statt. Der Ver-ein erhielt Denkmal-Fördermittel des LWL, Mitteldes Landkreises und der NRW-Stiftung sowie För-dermittel aus dem Förderprogramm „LändlicheEntwicklung“.Im Heimhoftheater übereichte der Parlamentari-sche Staatssekretär Horst Becker den PreisträgernFamilie Letmate den Westfälisch-Lippischen Preisfür Denkmalpflege. Becker hob die Verdienste desEhepaars um den Erhalt der Wassermühle am Klos-terbach in Werther hervor und lobte deren behut-same Umnutzung zu einem Wohnhaus. „Mit die-sem Preis unterstützen wir das vorbildliche Enga-gement von privaten Denkmaleigentümern, diemit ansteckender Begeisterung, viel Eigenleistungund einem über Jahre erworbenen Sachverstand

eine abbruchgefährdete Wassermühle in einKleinod verwandelten“, so Becker weiter. Nachlangem Leerstand und einem Brand ging die Was-sermühle am Klosterbach inWerther 2009 in das Ei-gentum der Familie Letmate über. Auch wenn bis-her keine Überlieferungen zum Baualter und Er-bauer bekannt sind, weist im Innern auf demMahl-stuhl eine Inschrift auf das Jahr 1803 hin. Darüberhinaus fand sich ein Mühlstein mit dem Datum1577. Damit zählen der Mahlstuhl in seiner Bauartund der Mühlstein zu den ältesten erhaltenen inWestfalen.Der zuständige Referent Christian Hoebel (LWL-DLBW) betonte, dass in Verbindung mit der be-nachbarten stattlichen Hofstelle Meyer zum Got-tesberg und dem Stauteich diese Wassermühle einwichtiger Teil der Kulturlandschaft auf der Grenzezwischen der Stadt Bielefeld und dem Kreis Güters-loh ist. Als Gebäudetyp sei das Zweiständerhausmit Längsdeele und Mühlentechnik wie auchWohn- und Stallteil in Westfalen selten geworden.In den vierziger Jahren des letzten Jahrhundertswurde der Betrieb der Wassermühle eingestelltund bis in die siebziger Jahre lebten hier Heimkeh-rer nach dem ZweitenWeltkrieg. Danach stand dasGebäude rund vierzig Jahre leer. Nach einem Brandwurde der Eingang mit Sand zugeschüttet und ver-deckt hinter Bäumen überdauerte die abbruchge-fährdete Mühle mehrere Jahrzehnte. Nach einerBesichtigung mit dem Architekten Kai Brüchner-Hüttemann und einem Zimmermann entschiedsich die Familie Lemate im Jahr 2009 dazu, das bau-fällige Denkmal mit dem 2.500 Quadratmeter gro-ßen Grundstück zu erwerben. Mit einem erhebli-chen finanziellen und persönlichen Aufwandsetzte sie die abbruchgefährdete Wassermühledenkmalgerecht instand und bewohnt sie seit Sep-tember 2011. „Dabei nahmen sie sowohl bei derUmnutzung der Räume wie auch bei den einge-setzten Materialien und den Handwerkstechnikenvorbildlich Rücksicht auf die Denkmalsubstanz“,unterstrich der Landeskonservator Dr. MarkusHarzenetter in seiner Laudatio. Historische Mate-rialien wurden durch zeitgemäße Fertigungstech-niken ergänzt, um so einen Großteil der histori-schen Bausubstanz zu erhalten und dennoch eineenergiebewusste Sanierung mit einer Wandhei-zung unter Lehmputz zu realisieren. Die aufwän-dige Erhaltung und Nutzbarmachung des Denk-mals wurde mit dem Westfälisch-Lippischen Preisfür Denkmalpflege gewürdigt.

Bettina Schürkamp

Bildnachweis

Björn Pielsticker: 1. – LWL-Denkmalpflege, Landschafts-

und Baukultur in Westfalen: 2 (Nieland).

2 Heimhof-Theater in Burbach-Würgendorf

(Kreis Wittgenstein). 2011.

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John Richard Farnsworth im RuhestandMit Ablauf des Monats Oktober 2011 hat Diplom-Restaurator John Farnsworth BSc. chem. seinedienstliche Tätigkeit als Amtsrestaurator im Fach-gebiet Gemälde, Skulpturen und veredelte Holz-oberflächen beendet. Nach über 26jährigem Wir-ken im westfälischen Denkmalamt wurde er in denAltersruhestand verabschiedet.Geboren im englischen Nottingham absolvierte erdort nach der Schulzeit zunächst eine Lehre alsElektriker. Nach dem Erwerb des Abiturs begann er1968 ein Chemiestudium an der University of EastAnglia in Norwich, das er 1971 mit dem Bachelor-examen abschloss. Den Grundstein für seinen spä-teren Beruf als Restaurator legte John Farnsworthdurch einen knapp zweijährigen Diplomkurs „Con-servation of paintings and polychrome surfaces“am Gateshead Technical College (heute Universityof Newcastle). 1973 kam er dann nach Deutsch-land, um Restaurierung zu studieren, was damalsim Westen nur an der Staatlichen Akademie derBildenden Künste in Stuttgart möglich war. Im neueingerichteten Diplomstudiengang „Konservie-rung und Restaurierung von Gemälden und poly-chromen Skulpturen“ erwarb er unter der Leitungvon Professor Straub als einer der ersten Absolven-ten 1977 den Abschluss als Diplom-Restaurator.Das Thema der Diplomarbeit lautete: „Metall alsBildträger in der europäischen Malerei“.Für reiche praktische Erfahrungen als Restauratorsorgte dann die Berufstätigkeit als Werkstattleiterder Restaurierungsfirma Ingenhoff in Tübingen.Von 1977 bis 1984 war John Farnsworth dort u.a.mit der Restaurierung der Innenräume der Kloster-

kirchen von Ochsenhausen und Zwiefalten undvon Schloss Benrath befasst.Am 1.Januar 1985 trat John Farnsworth als Leiterder Gemälde- und Skulpturenwerkstatt in derNachfolge von Klaus Endemann seinen Dienstbeim Westfälischen Amt für Denkmalpflege inMünster an. Die durch äußere Einflüsse bedingtenstrukturellen Veränderungen der Amtswerkstattund das damit verbundene Zurückfahren desWerkstattbetriebs führten im Laufe der Zeit zu ei-nem starken Anwachsen der Außendiensttätigkeit.Gefragt war nun weniger das eigenhändige Res-taurieren in der Werkstatt, sondern die Betreuungvon Restaurierungsvorhaben in ganz Westfalen.Den vielfältigen restauratorischen Aufgaben derUntersuchung, Konzepterstellung, Maßnahmen-begleitung und Dokumentation von Gemälden,Skulpturen und veredelten Holzoberflächen im Zu-sammenwirken mit den freien Restauratoren wid-mete sich John Farnsworth mit breitem, naturwis-senschaftlich fundiertem Fachverstand, analyti-schem Blick und großem Engagement. Highlightswaren hier sicher Objekte wie die ehemalige Jesui-tenkirche in Büren oder die Telgter Pietà, derenRestaurierung Farnsworth intensiv begleitete. Seinbesonderes Interesse galt darüber hinaus Spezial-gebieten wie der Holzschädlingsbekämpfung undder Holzkorrosion, für die ihn seine Ausbildung alsChemiker geradezu prädestinierte. Aber auch fürTapeten oder Metallverkleidungen an Fassadenund in Innenräumen erwies sich der nun ausge-schiedene Kollege als kenntnisreicher Fachmann.Besonders hervorzuheben ist außerdem seinemaß-gebliche Mitwirkung bei der Konzeption und derWeiterentwicklung von KLARA, der Denkmäler-Datenbank des Amtes, sicher auch Ausdruck seinerBegeisterung für alle Fragen des Computerwesens.Schließlich war John Farnsworth für das Amt in ei-nigen bundesweiten Gremien und Arbeitsgruppenvertreten, so in der Arbeitsgruppe Restaurierungund Werkstoffkunde der Vereinigung der Landes-denkmalpfleger, in der Kommission für Reinhal-tung der Luft im VDI und DIN Normenausschussund im NRW-Landesbeirat für Immissionsschutz.Seinen Interessensgebieten und der Kultur im All-gemeinen wird sich John Farnsworth auch in sei-nem Ruhestand weiter widmen. An seinem Wohn-ort Altenberge will er sich in Heimatverein undKulturwerkstatt einbringen und auch verstärkt sei-nem Hobby, der Fotografie, frönen. Nicht zuletztsteht das gemeinsame Reisen mit seiner Frau aufdem Programm, bei dem die beiden sicher nochviele Denkmäler im In- und Ausland besuchen wer-den.

Personalia

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Neue Referentin in der RestaurierungZum 1.November hat Diplom-Restauratorin AnkeDreyer ihre Arbeit im Referat Restaurierung undDokumentation begonnen. Sie übernimmt restau-ratorische Fachaufgaben im Bereich Gemälde,Skulpturen, Retabel und hölzerne Ausstattung/Holzoberflächen.

Bereits während des für das Hochschulstudium er-forderlichen mehrjährigen Vorpraktikums warAnke Dreyer im Bereich der Denkmalpflege tätig,schwerpunktmäßig beim Landesamt für Denkmal-pflege Schleswig-Holstein in Kiel. Während des an-schließenden Studiums an der Hochschule für Bil-dende Künste Dresden in der Fachklasse für „Kon-servierung und Restaurierung polychromer Bild-werke, Bildtafeln und Retabeln“ lagen die Schwer-punkte vermehrt auf der praktischen Arbeit amObjekt. Nach dem Studium folgte eine freiberufli-che Tätigkeit für Kirchen, Museen und Privatkun-den in Mecklenburg und Bayern. Zwischenzeitlichdurchlief Anke Dreyer ein 14-monatiges wissen-schaftliches Volontariat am Bayerischen Landesamtfür Denkmalpflege inMünchen. Hier hatte sie – umeine der außergewöhnlichen Arbeiten zu nennen –die Möglichkeit, ein Antependium aus gefärbtemStroh zu untersuchen, zu konservieren und eineTeilrekonstruktion anzufertigen.Als Restauratorin in der Denkmalpflege sieht FrauDreyer ihre Aufgabe darin, die Ausstattungen, bei-spielsweise die von Kirchen, als einzelne Objekte soweit wie möglich genauestens zu analysieren undhistorische Befunde zu erfassen, so dass diese unddamit verbundene Informationen nicht verlorengehen. Ihr Anliegen ist es auch, Eigentümer für

Dipl.-Ing. Sybille Haseley wechseltans Berliner DenkmalamtZum 1.1.2012 ist Sybille Haseley in den FachbereichPraktische Denkmalpflege des Landesdenkmal-amtes Berlin gewechselt.Nach Jahren am Brandenburgischen Amt für Denk-malpflege und der Tätigkeit als freie Architektinund Bauforscherin kam Frau Haseley im Oktober2008 in den Fachbereich Praktische Denkmalpflegeder LWL-Denkmalpflege, Landschafts- und Baukul-tur in Westfalen nach Münster (vgl. Heft 1/09). Hierbetreute sie zunächst die Kreise Siegen-Wittgen-

stein, Olpe und Teile des Kreises Herford. Seit 2011übernahm sie den kompletten Kreis Herford sowieden Kreis Warendorf. Besonders hervorzuheben istihre Betreuung der Restaurierung des Heimhof-Theaters in Burbach aus den 1950er Jahren. DasObjekt erhielt eine Anerkennung im Rahmen derVerleihung des Westfälischen Preises für Denkmal-pflege 2011. Exemplarisch für die zahlreichen Fach-werksanierungen, die sie im Kreis Siegen-Wittgen-stein betreut hat, sei die Glück-Auf-Straße35 in Hil-chenbach-Müsen genannt. Für die Villa Schönfeldin Herford am Deichtorwall2, die das städtischeMuseum beherbergt, arbeitete sie an der Konzep-tentwicklung für die Renovierung und Restaurie-rung der Innenräumemit. Schließlich begleitete siein Spenge die Sanierung des Herrenhauses Wer-burg.Seit Januar 2011 vertrat Frau Haseley das Amt inder AG Bautechnik der Vereinigung der Landes-denkmalpfleger der Bundesrepublik Deutschland,die zur Zeit einen Leitfaden zur energetischen Er-tüchtigung von Baudenkmälern erarbeitet. Sie warauch wesentlich an der Konzeption des 5. Westfä-lischen Tages für Denkmalpflege beteiligt, der2012 auf Schloss Berleburg stattfinden wird (s. Vor-ankündigung S.45).Wir haben ihre zupackende, ruhige und kompe-tente Art schätzen gelernt und lassen die sympa-thische Kollegin nur ungern schon wieder gehen.Natürlich wünschen wir ihr aber für ihre Tätigkeitin Berlin alles erdenklich Gute.

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In MemoriamWir trauern um unsere Kollegin Katja Lammen, dieam 11.Oktober 2011 nach schwerer Krankheit ge-storben ist. Katja Lammen wurde am 26.Oktober1959 in Münster geboren. Hier ging sie 1966 bis1975 zur Johannis-Grundschule und zur Karl-Wagenfeld-Realschule. Am 1.August 1975 begannsie im Landschaftsverband Westfalen-Lippe eineAusbildung zur Bürogehilfin. Nach deren Ab-schluss wurde sie in die LWL-Straßenbauverwal-tung übernommen, wo sie bis 1985 tätig war. Siewidmete sich dann zwei Jahre ganz ihrer Familie.Im Mai 1987 nahm sie ihren Dienst im Landschafts-verband Westfalen-Lippe wieder auf, jetzt aber imdamaligen Westfälischen Amt für Denkmalpflege.Unterbrochen von einer weiteren Zeit des Mutter-

schutzes und der Elternzeit 1987 bis 1993 bliebKatja Lammen bis zuletzt in der LWL-Denkmal-pflege beschäftigt. 2006 konnte sie ihr 25jährigesDienstjubiläum feiern.Katja Lammen widmete sich mit Sorgfalt, Effizienzund Elan der systematischen Ordnung der Kultur-gutverzeichnisse und mit steigender Intensität seit1997 der Datenbank KLARA. Es ist zu erheblichenTeilen ihr zu verdanken, dass dem Denkmalamtheute ein nahezu vollständiger Überblick überseine Bestände an Fotos, Stellungnahmen und vie-len anderen Informationen direkt am Bildschirmzur Verfügung steht. Mit bewundernswerter Ge-duld erfasste sie selbst größte Bestände. Mit Rou-tine und Findigkeit kontrollierte sie dabei dieSchlüssigkeit der Daten und korrigierte sie, wo nö-tig. Ihre Vorschläge zur Verbesserung der Daten-bank waren immer hilfreich und weiterführend.Dass sie mit ihrer Arbeit einen bleibend großen An-teil an einer umfassenden Arbeitserleichterung un-seres Amtes hat, darf hier betont werden.Katja Lammen war eine hilfsbereite, fachkundigeKollegin, die von allen geschätzt wurde. Hinter ih-rer freundlich zurückhaltenden Art war die Liebezu ihrer Familie klar erkennbar. Sie war eine großeFreundin der Gartenkunst und unternahm einmalim Jahr eine geführte Gartenreise und setzte wohlmanches Gesehene im eigenen Garten um. Dane-ben begleitete sie ihren Mann Stephan auf vielenAuslandsreisen bis hin nach China. Sie war in ihrerKirchengemeinde fest verwurzelt und engagiertesich über viele Jahre auch im PalliativzentrumMünster. Ihr viel zu früher Tod hat uns erschüttert.Unser Mitgefühl gilt ihrem Mann und ihren dreiKindern. Wir werden Katja Lammen in bester Erin-nerung behalten.

notwendige Voruntersuchungen und fortdauern-des genaues Hinsehen zu sensibilisieren. Ein weite-rer Schwerpunkt ist für sie die präventive Konser-vierung im Hinblick auf Lichtschutz und Raum-klima. Frau Dreyer ist es wichtig, sowohl den Denk-

maleigentümern, den in der Denkmalpflege täti-gen Institutionen, den freiberuflichen Restaurato-ren als auch den Kollegen im eigenen Amt als An-sprechpartnerin zur Verfügung zu stehen.

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Adresse: Kiekenbrink4Datierung: 17./18.JahrhundertNutzung: Wohnnutzung, ehemals Ladenlokal imErdgeschoßWohnfläche: ca.220qmKosten: Verhandlungssache

Kontakt: Gertraud Schulte, Tel. 0571/7989261

Verkäufliches Baudenkmal

Zweigeschossiger Fachwerkbau um 1700 errichtet,um 1800 eine Fachwerk-Utlucht angefügt. DasHaus liegt mitten im historischen Ortskern vonHausberge.Ort: Porta Westfalica-HausbergeKreis: Minden-LübbeckeObjekt: Fachwerkgebäude, stark sanierungsbe-dürftig