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Oper Orthop Traumatol 2012 · 24:227–234DOI 10.1007/s00064-011-0080-4Online publiziert: 30. Juni 2012© Springer-Verlag 2012
J. Hardes · H. Ahrens · M. Nottrott · R. Dieckmann · G. Gosheger · M.-P. Henrichs · A. StreitbürgerKlinik und Poliklinik für Allgemeine Orthopädie und Tumororthopädie, Universitätsklinikum Münster
Der Anbindungsschlauch zur Weichteilrekonstruktion nach Megaprothesenimplantation
Vorbemerkungen
Die Megaendoprothetik stellt heutzutage die häufigste Rekonstruktionsmethode in der Tumororthopädie dar [4] und findet zunehmend auch Verwendung als „ultima ratio“ in der Revisionsendoprothetik des Hüftgelenks [5]. Erhaltenes Muskel und Sehnengewebe sollte an der Prothese fixiert werden. Während einige Prothesensysteme diese Gewebe nur mit Nahtmaterial direkt über Ösen an der Prothese punktuell fixieren, kann mit dem Anbindungsschlauch (. Abb. 1) ein breitflächiger, stabiler Kontakt zwischen Weichgewebe und Prothese hergestellt werden und zudem eine vollständige Kapselrekonstruktion erfolgen.
Operationsprinzip und -ziel
Verwendung des Anbindungs-schlauchs zur Kapselrekonstruktion und Fixierung von Muskulatur und Bändern an dem Prothesenkörper. Die Stabilität des rekonstruierten Gelenks (Schultergelenk beim pro-ximalen Humerusersatz, Hüftgelenk beim proximalen Femurersatz) kann erhöht werden. Zusätzlich trägt die refixierte Muskulatur (z. B. M. del-toideus oder Glutealmuskulatur) zur Stabilität des Gelenks bei. Außer-dem kann eine funktionelle Verbes-serung erwartet werden, z. B. Ver-ringerung des Trendelenburg-Hin-kens, Wiederherstellung der Funk-tion des M. biceps humeri durch
Fixierung des Muskelbauchs an dem Anbindungsschlauch oder Wieder-herstellung der aktiven Kniegelenk-streckung durch Refixierung des Lig. patellae.
Vorteile
F Wiederherstellung der Gelenkkapsel und damit Wiederherstellung eines stabilen Gelenks beim proximalen Femur und Humerusersatz
F LuxationsschutzF Erzielen einer aktiven Kniegelenkstre
ckung beim proximalen Tibia ersatzF Verringerung des Trendelenburg
Hinkens beim proximalen Femurersatz
F Gute Biokompatibilität des Materials [2]
Nachteile
F Große Materialoberfläche durch Gewebe und damit potentieller Anlagerungspunkt für Bakterien
F Entfernung des gesamten Schlauchs im Falle einer periprothetischen Infektion notwendig
Indikationen
F Proximaler Humerusersatz: Refixation der Rotatorenmanschette, des M. deltoideus, M. pectoralis und ggf. M. biceps humeri. Rekonstruktion der Gelenkkapsel nach intra und extraartikulärer Resektion
F Proximaler Femurersatz: Refixation der Glutealmuskulatur, des M. iliopsoas , der Quadricepsmuskulatur. Rekonstruktion der Gelenkkapsel
F Proximaler Tibiaersatz: Refixation insbesondere des medialen und/oder lateralen Gastrocnemiusschwenklappens und des Lig. patellae
F Distaler Femurersatz: Nach extraartikulärer Resektion manchmal zur Augmentation des Kniestreckapparats sinnvoll
F Totaler Humerus und Femurersatz: Rekonstruktion der Gelenkkapsel der Hüfte oder der Schulter, ggf. Refixation der langstreckig abgelösten Muskulatur zur Hohlraumminimierung. Refixation des M. biceps humeri beim totalen Humerusersatz
Abb. 1 8 Anbindungsschlauch bestehend aus Polyethylen-Terephtalat von 30 cm Länge und einem Durchmesser von 35 mm (Firma Implantcast, Buxtehude, Deutschland)
Redaktion: M. Rudert, WürzburgZeichner: J. Kühn, Heidelberg
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Operative Techniken
Kontraindikationen
F Akuter oder chronischer InfektF Bei Wachstumsprothesen darf nicht
die gesamte Prothese mit dem Anbindungsschlauch überzogen werden, da andernfalls die Verlängerung der Prothese durch den Schlauch verhindert wird.
Patientenaufklärung
F Allgemeine OperationsrisikenF Spezielle Komplikationen der Mega
endoprothetikF Keine aktive und passive Mobilisa
tion des Kniegelenks beim proximalen Tibiaersatz für 4–6 Wochen (Dauer hängt unter anderem von der intraoperativ erreichten Stabilität der Refixation der Patellasehne ab). Ggf. nicht vollständige aktive Kniegelenkstreckung möglich. Beugedefizit des Kniegelenks
F GilchristVerband für 4–6 Wochen nach proximalem Humerusersatz. Mobilisation des Ellenbogens in der Regel möglich und sinnvoll, um Kontrakturen zu vermeiden (ggf. nicht sinnvoll nach Refixierung des M. biceps humeri, intraoperativer Befund entscheidend). Bei Opferung des N. axillaris ist trotz Anbindungsschlauch keine relevante aktive Funktion des Schultergelenks möglich.
F Bei Patienten mit proximalem Femurersatz keine forcierte Adduktion, um Einheilen der Glutealmuskulatur zu ermöglichen (individuelle Entscheidung, je nach intraoperativem Befund)
F Zumindest diskretes TrendelenburgHinken trotz Anbindungsschlauch möglich. Ältere Patienten zeigen hier erfahrungsgemäß ein ausgeprägteres Hinken als junge Patienten (Ausmaß der Muskelresektion ist ein weiterer Faktor).
F Entfernung des Schlauchs im Falle einer postoperativen periprothetischen Infektion notwendig
Operationsvorbereitungen
F Generelle Vorbereitungen bezüglich der Megaprothesenimplantation
F Präoperative Planung der Tumorresektion. Können originäre Kapselstrukturen erhalten bleiben? Wenn eine extraartikuläre Resektion erfolgen muss, sollten Knochenanker bereit gehalten werden.
F Serologischer Ausschluss einer („low grade“) periprothetischen Infektion insbesondere bei Verwendung einer Megaendoprothese in der Revisionsendoprothetik (Creaktives Protein, Blutbild, Punktion)
F Bei Durchführung eines proximalen Tibiaersatzes an eine Orthese zur Verhinderung der Beugung denken (alternativ Gipsschale mit Fußeinschluss bei Vorliegen einer Fußhebeschwäche)
Instrumente und Implantate
F Siebe für die zu implantierende Megaendoprothese
F KocherKlemmen, um den Schlauch bei der Fixierung an der Prothese unter Zug zu halten
F Anbindungsschlauch (Firma Implantcast, Buxtehude, Deutschland) mit einer Länge von 300 mm (Durchmesser 35 mm und 55 mm). Der Schlauch besteht aus Polyethy
lenTerephtalat und ist charakterisiert durch eine Maschengröße von etwa 250 µm und einer Reißfestigkeit von 4000 Newton (. Abb. 1).
F Ggf. Bereitstellung von Knochenankern
F Nichtresorbierbares Nahtmaterial (z. B. Ethibond®Fäden der Stärke 2 für die obere und der Stärke 6 für die untere Extremität)
Anästhesie und Lagerung
F Anästhesie unabhängig von der Verwendung des Anbindungsschlauchs
F Die Lagerung des Patienten und der Operationszugang richten sich nach der Tumorresektion. Wenn es die Tumorresektion beim proximalen Femurersatz erlaubt, kann eine Seitenlagerung das Anbringen des Schlauchs und die Reposition erleichtern (insbesondere wenn noch ausreichend Muskulatur vorhanden ist und die Sicht auf das Acetabulum behindert ist).
Operationstechnik
(. Abb. 2, 3, 4, 5, 6, 7, 8, 9, 10, 11, 12, 13, 14, 15, 16)
Proximaler Tibiaersatz
Femurschild silberbeschichteter proximaler Tibiaersatz
Ethibond-Fäden
Abb. 2 8 Der proximale silberbeschichtete Tibiaersatz ist im Kniegelenk konnektiert. Durch jeweils 2 Ösen medial und lateral sind nichtresorbierbare Ethibond®-Fäden der Stärke 6 gezogen
228 | Operative Orthopädie und Traumatologie 3 · 2012
Operative Techniken
Kocher-Klemme
Abb. 5 8 Der proximale fixierte Anbindungsschlauch wird mit 2 distal an-gebrachten Kocher-Klemmen angespannt. Ggf. ist das Kürzen des Schlauchs erforderlich. Er dient nur der Refixierung der Patellasehne und des Gastro-cnemiusschwenklappens
Ethibond-Naht um den Ring der Prothese
Abb. 6 8 Ein weiterer Ethibond®-Faden wird nach dem Hindurchziehen durch den Anbindungsschlauch distal an einem Ring des Prothesenkorpus fixiert
Lig. patella
Abb. 7 8 Die Patellasehne wird mit 2 Kocher-Klemmen gefaxt und dem Anbindungsschlauch aufgelegt
Abb. 8 8 Die Patellasehne ist mit nichtresorbierbarem Nahtmaterial am Anbindungsschlauch fixiert
Abb. 3 8 Der Anbindungsschlauch wird vor dem Zusammensetzen des Prothesenkorpus übergestülpt
Annähen des proximal gedoppelten Schlauchs
Abb. 4 8 Der Anbindungsschlauch wird nach dem Zusammensetzen des Prothesenkorpus nach kranial gezogen und für einen halben Zentimeter gedoppelt, um den Ethibond®-Fäden ausreichend Halt zu geben
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Proximaler Femurersatz
M. gastrocnemius
Abb. 9 8 Der laterale Gastrocnemiusschwenklappen wird am Anbindungs-schlauch und der Patellasehne fixiert
Abb. 10 8 Situs vor noch zu erfolgender Meshgraft-Plastik
Ringe am Prothesenkorpus
Abb. 11 8 Der Anbindungsschlauch (Durchmesser 35 mm) wird für das proximale Ende eingeschnitten und am Ende gedoppelt. Ggf. ist das Kürzen des Schlauchs je nach Bedarf nötig. Beim proximalen Femurersatz sollte der Schlauch nur proximal zur Refixierung verwendet werden
Reste der Hüftkapsel
Acetabulum Prothesenschaft
Abb. 12 8 Blick auf das Acetabulum und die verbliebenen, zur Fixierung des Anbindungsschlauchs geeigneten Kapselstrukturen (links) Bereits implantierter Femurschaft (rechts)
Ethibond-Naht
Abb. 13 8 Die erste Naht auf der 6-Uhr-Position. Der Schlauch wird 2-mal mit dem Faden durchzogen und der Knoten sollte außen zu liegen kommen
Abb. 14 8 Weitere Fadenfixierung auf der 9- und 3-Uhr-Position
230 | Operative Orthopädie und Traumatologie 3 · 2012
Operative Techniken
Postoperative Behandlung
Die postoperative Behandlung bezüglich Entfernung von Redondrainagen, Verbandswechseln und Antibiotikaprophylaxe richtet sich nach der verwendeten Megaendoprothese und der Indikation zu derselben. Kontrollen des Creaktiven Proteins sind aufgrund der generellen Gefahr von periprothetischen Infektionen erforderlich, um einen Frühinfekt ggf. rechtzeitig mit Spülungen zu therapieren und um den Anbindungsschlauch nicht zwingend entfernen zu müssen.
Proximaler Humerusersatz
In der Regel GilchristVerband für 4–6 Wochen. Ellenbogen und Handgelenk dürfen beübt werden. Daran anschließend ist eine freie Mobilisation erlaubt.
Proximaler Femurersatz
Bei Patienten mit einem proximalen Femurersatz kann in der Regel bei Verwendung eines Duokopfs in Verbindung mit dem Anbindungsschlauch die sofortige Vollmobilisation erfolgen (vorbehaltlich einer möglichen Teilbelastung aufgrund einer zementfreien Schaftimplantation). Einzig die forcierte Adduktion des Beins sollte vermieden werden, damit die refixierte Glutealmuskulatur nicht aus
reißt. Lediglich bei sehr straffer Refixation der Glutealmuskulatur (notwendig nach ausgedehnter Muskelresektion im Rahmen der Tumorresektion) kann Bettruhe in leichter Abduktion erwogen werden. Auch bei Verwendung von tripolaren Pfannen – zumeist in der Revisionsendoprothetik – ist in der Regel keine Limitierung der Beweglichkeit erforderlich. Einschränkend muss jedoch erwähnt werden, dass trotz der Verwendung von tripolaren Pfannen bei ausgeprägter muskulärer Insuffizienz (nach multiplen Revisonseingriffen) Luxationen auftreten können und daher postoperativ individuell über mögliche Limitierungen der Hüftgelenksbeweglichkeit entschieden werden muss.
Proximaler Tibiaersatz
Patienten mit einem proximalen Tibiaersatz werden in unserer Klinik für 4–6 Wochen mit einer MecronSchiene ruhiggestellt, um ein ungestörtes Einheilen der Patellasehne zu ermöglichen. Bei häufig simultan vorliegender Schwäche der Fußhebermuskeln (neurogen bedingt durch eine notwendige Resektion der N. peronaeus profundus und/oder muskulär bedingt nach ausgedehnter Resektion der Fußhebermuskulatur) passen wir nach Entfernung des Vakuumverbands über dem zumeist erfolgten Meshgraft und den Wunddrainagen einen ausgepolsterten ScotchcastVerband des Ober und
Unterschenkels mit Fußeinschluss an, um zum einen das Kniegelenk zu immobilisieren und zum anderen einen Spitzfuß zu vermeiden. Die Dauer der Ruhigstellung variiert in Abhängigkeit von der Weichteilspannung, mit der die Patellasehne am Anbindungsschlauch fixiert wurde. Bei ventral gelegenen Tumoren muss die Sehne weiter proximal abgesetzt werden und ist somit konsekutiv leicht verkürzt. Hier kann die Ruhigstellung in Einzelfällen 6 Wochen betragen. Sonst favorisieren wir eine 4wöchige Immobilisation, da eine längere Immobilisation auch zu Schwierigkeiten in der Kniegelenksflexion führen kann. Nach der Ruhigstellung müssen die Flexion und insbesondere die aktive Kniegelenkstreckung physiotherapeutisch beübt werden. Limitierungen sind nicht erforderlich, allerdings sollte die Flexion der Prothese nicht wesentlich über 90° durchgeführt werden. Falls durch eine leicht verkürzte Patellasehne eine Patella baja resultiert, kann die Flexion des Kniegelenks zunächst erschwert sein. Dann muss eine schonende manuelle Mobilisation der Patella erfolgen.
Distaler Femurersatz
Bei Verwendung des Anbindungsschlauchs zur Rekonstruktion des Kniestreckapparats (insbesondere der Quadricepssehne) nach extraartikulärer Kniegelenkresektion muss auch hier eine Ruhig
Abb. 15 8 Hindurchziehen der Prothese durch den Anbindungsschlauch. Prinzipiell ist es auch möglich, den Schlauch uneingeschnitten komplett zirkumferent an der Kapsel zu fixieren. Nachteilig ist dann jedoch die er-schwerte Reposition des Duokopfs oder des konventionellen Hüftkopfs in das Acetabulum ohne direkte Sicht. Der Schlauch kann nach Bedarf gekürzt werden. Sinnvoll ist vor allem die Refixierung der Glutealmuskulatur und des M. iliopsoas (falls vorhanden)
M. glutaeus medius M. glutaeus maximus
Abb. 16 8 Fixierung des Schlauchs an einem der prominenten Ringe des Prothesenkorpus. Der Schlauch ist mittlerweile nach Reposition der Prothese auch ventral an der Gelenkkapsel fixiert und wieder zusammen-genäht. Der M. gluteus medius wurde am Schlauch refixiert
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stellung des Kniegelenks analog zum proximalen Tibiaersatz erfolgen.
Fehler, Gefahren, Komplikationen
F Periprothetische Infektion (Ausnahme Frühinfekt, z. B. bei superinfiziertem Hämatom): Entfernung des Schlauchs. In der Praxis können auch „low grade“Infektionen einige Jahre postoperativ auftreten. Hier sind dann zumeist die umgebende Muskulatur und das Sehnengewebe hervorragend in den Schlauch eingewachsen und können die Entfernung erschweren. Oftmals kann mit einem Rasparatorium der Schlauch vom Weichgewebe getrennt werden.
F Postoperatives Ausreißen des Anbindungsschlauchs an den Resten der Gelenkkapsel oder Versagen der Fixierung an den prominenten Ringen des Prothesenkorpus. In der klinischen Anwendung äußerst selten beim proximalen Humerusersatz an einer Kaudaliserung der Prothese zu erkennen. Bei einer deutlichen Kaudalisierung und konsekutiven Verlängerung des Arms Refixation anstreben.
Ergebnisse
Der Anbindungsschlauch wurde in unserer Klinik 1993 eingeführt. Gosheger et al. [2] konnten im Rahmen einer retrospektiven Studie (1993–1998) bei 6 Patienten mit einem Knochen oder Weichteilsarkom oder einer Skelettmetastase im Rahmen von Revisionsoperationen zeigen, dass es histologisch zu einem Einwachsen des umgebenden Bindegewebes in den Anbindungsschlauch kommt und Fremdkörperreaktionen ausbleiben (. Tab. 1). Eine erhöhte Rate von periprothetischen
Infektionen bei Verwendung des Anbindungsschlauchs konnten Gosheger et al. [2] im Vergleich mit Rekonstruktionen ohne Anbindungsschlauch ausschließen. Trotz dieser Ergebnisse sollte der Anbindungsschlauch als Fremdoberfläche nur in dem zur Rekonstruktion und Refixation notwendigen Ausmaß eingesetzt werden. Dieses bedeutet, dass ein proximaler Tibiaersatz z. B. nur insoweit mit dem Anbindungsschlauch überzogen werden muss, wie es für die Refixation des Ga strocnemiusschwenklappens und der Patellasehne notwendig ist. Der Schlauch muss nicht zwingend den kompletten Prothesenkorpus nach distal überziehen. Gleiches gilt für den proximalen Femurersatz, bei dem der Schlauch insbesondere zur Kapselrekonstruktion und Refixation der Glutealmuskulatur dienen sollte und nicht den gesamten Prothesenkorpus erfassen muss.
Seit 1998 wurde an unserer Klinik der Anbindungsschlauch bei mehreren 100 Operationen verwendet und im Rahmen einer weiteren retrospektiven Studie mit Sarkompatienten ausgewertet [4]. . Tab. 1 gibt Auskunft über die Anzahl der mit einem Anbindungsschlauch versorgten Patienten. Bei Revisionsoperationen (aufgrund mechanischer Komplikationen) ließ sich makroskopisch immer ein Einwachsen des umgebenden Bindegewebes erkennen. Bei Vorliegen von akuten periprothetischen Frühinfekten jedoch bleibt dieses Einwachsen naturgemäß aus.
Durch die Wiederherstellung der Gelenkkapsel mit dem Anbindungsschlauch konnten wir im eigenen Patientenkollektiv bei Patienten mit einem proximalen Femurersatz die Luxationsrate gering halten. Gosheger et al. [2] ermittelten eine Luxationsrate von 6% (n = 33), wobei beide betroffenen Patienten eine festimplantierte, monopolare Pfanne aufwiesen.
Eine Luxation bei Verwendung eines Anbindungsschlauchs in Kombination mit einer bipolaren Pfanne wurde an unserer Klinik bisher nicht dokumentiert [4]. Heutzutage favorisieren wir bei Patienten mit gleichzeitiger Arthrose des Acetabulums oder Schädigungen bedingt durch Voroperationen tripolare Pfannensysteme. Diese häufig in der Revisionschirurgie angewandten Pfannensysteme wiesen in Kombination mit einem Anbindungsschlauch bisher keine Luxationen auf. Ohne die Verwendung des Anbindungsschlauchs (z. B. bei präexistentem Infekt) kann jedoch in Einzelfällen eine Luxation auftreten [5].
Durch die Verwendung des Anbindungsschlauchs beim proximalen Humerusersatz (n = 39) konnten Luxationen vermieden werden. Allerdings kann es je nach Ausdehnung der Muskelresektion insbesondere des M. deltoideus zu einer ventralen Subluxation kommen. Nach extraartikulären Resektionen des proximalen Humerus oder simultan durchgeführten Scapulektomien (häufig einhergehend mit einem ausgedehnten Muskelverlust) kann es zu einer Kaudalisierung der Prothese kommen. Die zuvor genannten Subluxationen sind in der Regel asymptomatisch und können durch Revisionoperationen nicht verbessert werden [4].
Beim proximalen Tibiaersatz kann durch die Verwendung des Anbindungsschlauchs in den meisten Fällen eine aktive Kniegelenkstreckung bei gleichzeitiger Beugung bis 90° erzielt werden (. Abb. 17). Gosheger et al. [2] ermittelten ein mittleres Streckdefizit von 7,5° nach Wiederherstellung des Extensorenapparats. Dieses kann in einigen Fällen deutlicher ausfallen, in einigen Fällen jedoch ist die aktive Extension nicht eingeschränkt. Der durchschnittliche EnnekingScore [1] betrug 25/30 erreichbaren Punkten (83%), so dass Patienten mit einem proximalen Tibiaersatz in unserer Studie das beste funktionelle Ergebnis im Vergleich zu den anderen Prothesenlokalisationen aufwiesen [4].
Für Patienten mit einem proximalen Femurersatz kann durch die Refixation der Glutealmuskulatur eine gute aktive Abduktionsfähigkeit wiederhergestellt werden. Allerdings muss erwähnt werden, dass trotzdem in Abhängigkeit vom
Tab. 1 Nähere Angaben zu den zitierten Studien
Studie Patienten-zahl (n)
Durchschnitts-alter (Jahre)
Ø Follow-up (Monate)
Vorwiegender Prothesentyp
Gosheger G et al. 2001 [2]
69 42 31 PFE 33, PHE 16, PTE 7, TFE 5, DFE 3
Gosheger G et al. 2006 [4]
250 30 45 PTE 42, PHE 39, PFE 37, TFE 12, THE 7, DFE 4
PFE proximaler Femurersatz, PHE proximaler Humerusersatz, PTE proximaler Tibiaersatz, TFE totaler Femurersatz, THE totaler Humerusersatz, DFE distaler Femurersatz.
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Operative Techniken
Zusammenfassung · Abstract
Oper Orthop Traumatol 2012 · 24:227–234 DOI 10.1007/s00064-011-0080-4© Springer-Verlag 2012
J. Hardes · H. Ahrens · M. Nottrott · R. Dieckmann · G. Gosheger · M.-P. Henrichs · A. Streitbürger
Der Anbindungsschlauch zur Weichteilrekonstruktion nach Megaprothesenimplantation
ZusammenfassungOperationsziel. Wiederherstellung von Funk-tion und aktivem Bewegungsumfang sowie Gelenkstabilisierung nach Gelenkresektion.Indikationen. Wiederherstellung einer Ge-lenkkapsel nach Defektrekonstruktion mit einem proximalen Humerus-, Femur- oder Tibiaersatz.Kontraindikationen. Akute oder chronische Infektion. Zustand nach ausgeheilter Infektion.Operationstechnik. Der Anbindungs-schlauch (Implantcast, Buxtehude, Deutsch-land) wird an Resten der Gelenkkapsel (pro-ximaler Humerus- und Femurersatz oder direkt an der Prothese beim proximalen Tibia-ersatz) mit nichtresorbierbaren Ethibond®-Fäden (Johnson-Johnson Medical, Norder-stedt, Deutschland) fixiert. Bei komplett rese-zierter Gelenkkapsel werden Knochenanker verwendet. Der zuvor am Schaft fixierte Pro-thesenkorpus wird durch den Schlauch ge-
zogen, (Duo-)Kopf oder Humeruskappe wer-den aufgesetzt. Beim proximalen Humerus- und Femurersatz kann eine proximale Schlit-zung des Schlauchs sinnvoll sein, um die Pro-these unter Sicht reponieren zu können. Nach der Reposition Vervollständigung der Fixation des Schlauchs ventral und Vernähen der vor-her durchgeführten Schlitzung des Schlauchs. Die Fixierung des Schlauchs an der Prothese erfolgt zum einen durch um den Schlauch gelegten Ethibond®-Fäden, zum anderen be-steht beim proximalen Humerus- und Tibiaer-satz die Möglichkeit, Nahtmaterial durch Ösen an der Prothese zu fixieren. Refixation von Sehnen und Muskeln.Weiterbehandlung. Die Weiterbehandlung richtet sich im Wesentlichen nach der Lokalisa-tion der verwendeten Megaendoprothese.Ergebnisse. Fibroblasten wandern in die Ma-schen des Schlauchs ein und es erfolgt so-
mit eine Fixierung des Weichgewebes. Bei Ver-wendung des Schlauchs in Kombination mit einem Duokopf sind bisher keine Luxationen eingetreten, bei festimplantierten Pfannen kann das Risiko der Luxation durch tripolare Pfannensysteme reduziert werden. Bei Patien-ten mit einem proximalen Tibiaersatz kann in den meisten Fällen eine aktive Kniegelenkstre-ckung wiederhergestellt werden, ein gewisses aktives Streckdefizit ist jedoch, je nach Aus-dehnung der Tumorresektion, möglich.
SchlüsselwörterProthesen und Implantate · Megaprothesen · Anbindungsschlauch · Oberarm · Oberschen-kel · Gelenkkapsel
Attachment tube for soft tissue reconstruction after implantation of a mega-endoprosthesis
AbstractObjective. To restore function and an active range of motion, and stabilize the joint after joint resection.Indications. Restoration of a joint capsule following reconstruction of a defect using a proximal humerus and femur prosthesis. Reattachment of tendons and muscles.Contraindications. Acute or chronic infec-tion. Status after cured infection.Surgical technique. The attachment tube (Implantcast, Buxtehude, Germany) is at-tached to the joint capsule (proximal humer-us and femur replacement) or directly to the prosthesis (for proximal tibial replacements) using nonresorbable Ethibond® sutures (John-son & Johnson Medical, Norderstedt, Germa-ny). Bone anchors are used, if the joint cap-sule has been completely resected. The body
of the prosthesis, which has previously been attached to the shaft, is then pulled distally through the tube, and a (bipolar) head or hu-merus cap is placed on top of it. In the proxi-mal humerus and femur replacement, proxi-mal slitting of the tube may be helpful to re-position the prosthesis under vision. Follow-ing repositioning, fixation of the tube is com-pleted ventrally and the slits previously made in the tube are sutured. Fixation of the tube to the prosthesis is carried out either with Ethibond ® sutures placed around the tube, or—for a proximal humerus and tibia replace-ment—it is possible to attach suture material to the prosthesis through eyelets.Postoperative management. Further treat-ment basically depends on the location of the mega-endoprosthesis used.
Results. Macroscopically and microscopically, fibroblasts migrate into the tube’s mesh, so that attachment of the soft tissue takes place. As of yet, no cases of luxation have occurred when the tube is used in combination with a bipolar head, and with fixed-implant cups the risk of luxation can be reduced using tripolar cup systems. In patients with a proximal tibial replacement, active straightening of the knee joint can be restored in most cases, although some limitation on active extension is still pos-sible depending on the extent of the tumor resection.
KeywordsProstheses and implants · Megaprostheses · Attachment tube · Humerus · Femur · Joint capsule
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Ausmaß der Tumorresektion und dem Lebensalter des Patienten (jüngere Patienten mit besseren Ergebnissen) in den meisten Fällen ein TrendelenburgHinken festzustellen ist und gerade die älteren Patienten für längere Wegstrecken einen Gehstock auf der Gegenseite verwenden [4, 5]. Dieses spiegelt sich auch in einem geringeren EnnekingScore [1] mit durchschnittlich nur 21 Punkten (70%) wider.
Bei Patienten mit einem proximalen Humerusersatz nach Tumorresektion mit notwendiger Resektion des N. axillaris kann durch die Refixation von verbliebenen Anteilen der Rotatorenmanschette und des M. deltoideus keine relevante aktive Abduktion wiederhergestellt werden. Auch durch einen Trapezius und LatissimusdorsiTransfer gelang dies im eigenen Patientengut nicht [3]. Dementsprechend ist der EnnekingScore [1] für den proximalen Humerusersatz mit durchschnittlich 21 Punkten (70%) auch deutlich schlechter als bei Patienten mit einem proximalen Tibiaersatz [4]. Bei einem – in seltenen Fällen onkologisch möglichen – Erhalt des N. axillaris kann die durch die Tumorresektion geschwächte Rotatorenmanschette durch die Verwendung einer inversen Tumorprothese ersetzt werden.
Hier kann die Refixation des M. deltoideus an den Anbindungsschlauch zu einer aktiven Abduktion von über 90° führen. Die Rotation kann jedoch in beiden Patientengruppen partiell wiederhergestellt werden, indem der M. infraspinatus und M. subscapularis am Schlauch (falls möglich) refixiert werden [2].
Korrespondenzadresse
Prof. Dr. J. HardesKlinik und Poliklinik für Allgemeine Orthopädie und Tumororthopädie, Universitätsklinikum MünsterAlbert-Schweitzer-Str. 33, 49149 Mü[email protected]
Interessenkonflikt. Der korrespondierende Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Literatur
1. Enneking WF, Dunham W, Gebhardt MC (1993) A system for the functional evaluation of reconstruc-tive procedures after surgical treatment of tumors of the musculoskeletal system. Clin Orthop Rel Res 286:241–246
2. Gosheger G, Hillmann A, Lindner N (2001) Soft tis-sue reconstruction of megaprostheses using a tre-vira tube. Clin Orthop Rel Res 393:264–271
3. Gosheger G, Hardes J, Ahrens H (2005) Endopro-sthetic replacement of the humerus combined with trapezius and latissimus dorsi transfer: a re-port of three patients. Arch Orthop Trauma Surg 125:62–65
4. Gosheger G, Gebert C, Ahrens H (2006) Endopro-sthetic reconstruction in 250 patients with sarco-ma. Clin Orthop Rel Res 450:164–171
5. Hardes J, Budny T, Hauschild G (2009) Der Proxima-le Femurersatz in der Revisionsalloarthroplastik. Z Orthop Unfall 147:694–699
Abb. 17 9 Aktive Streckung des Knie-gelenks nach proxima-lem Tibia ersatz ein Jahr postoperativ
234 | Operative Orthopädie und Traumatologie 3 · 2012
Operative Techniken