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Der Atombrand

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Atlan ‐ Die Abenteuer der SOL Nr. 545 All‐Mohandot  

Der Atombrand von Horst Hoffmann  Das Ende einer Welt  

Seit  Dezember  des  Jahres  3586,  als  die  SOL  unter  dem  Kommando  der Solgeborenen auf große Fahrt ging und mit unbekanntem Ziel  in den Tiefen des Sternenmeeres verschwand,  sind mehr  als  zweihundert  Jahre vergangen, und  niemand  hat  in  der  Zwischenzeit  etwas  vom  Verbleib  des Generationenschiffs gehört. Schließlich  ist  es  jedoch  soweit – und  ein Mann kommt wieder  in Kontakt mit  dem  verschollenen  Schiff.  Dieser  Mann  ist  Atlan.  Die  Kosmokraten entlassen  ihn,  damit  er  sich  um  die  SOL  kümmert  und  sie  einer  neuen Bestimmung zuführt. Jetzt schreibt man an Bord des Schiffes den Anfang des Jahres 3792, und der Arkonide  hat  trotz  seines  relativ  kurzen Wirkens  auf  der  SOL  bereits  den Anstoß  zu  entscheidenden  positiven  Veränderungen  im  Leben  der  Solaner gegeben  –  ganz  davon  abgesehen,  daß  er  gleich  nach  seinem Erscheinen  die SOL vor der Vernichtung rettete. Gegenwärtig hält sich Atlan mit der abgekoppelten SZ‐2 in der Kleingalaxis Flatterfeld auf.  Ihm geht es darum, die unbekannte Macht daran zu hindern, weitere Welten durch die Nickelraubzüge der Ysteronen vernichten zu lassen. Zwangsläufig  ergeben  sich  dabei  Auseinandersetzungen  zwischen  den Solanern und den Dienern der unbekannten Macht. Klimax dieser Konflikte ist DER ATOMBRAND … 

 Die Hauptpersonen des Romans:  Atlan ‐ Der Arkonide auf der Suche nach Schiffbrüchigen. Breckcrown Hayes ‐ Der Solaner löste einen Atombrand aus. Sternfeuer,  Jasper  Swinn  und  Jessica  Damarge  ‐  Besatzungsmitglieder  der FEUERSCHAUKEL. Sanny und Argan U ‐ Die Gefangenen des Ysterioons kämpfen um ihre Freiheit.  

1.  Breckcrown  Hayesʹ  Finger  huschten  über  die  Kontakte  einer Schaltleiste  rechts  vor  dem  Pilotensitz.  Zahlenkolonnen  und Funktionsanzeigen  erschienen  auf  den  Monitoren.  Das  leise Summen der Aggregate veränderte sich geringfügig. Sternfeuer beobachtete eine Weile das ausdruckslose Gesicht des 

Solaners, dann die von Jasper Swinn und Jessica Damaree, die schon eher  das  zeigten,  was  sie  selbst  fühlte:  eine  gehörige  Portion Unbehagen. Schließlich legte sie den Kopf in den Nacken und starrte durch die transparente Kanzel der Space‐Jet auf die Leuchtleisten im Hangardach. »Man kann alles übertreiben«, meinte  Jessica anzüglich. »Findest 

du nicht auch, Jasper?« Sie war siebenundzwanzig, er fünf Jahre älter. Jessica Damaree, bis 

vor  kurzem  eine  Mitläuferin  der  Basiskämpfer,  bezeichnete  sich selbst als Zweite Pilotin. Tatsache war, daß sie wesentlich mehr von der Technik und Steuerung eines Beiboots verstand als  ihr Freund, der Pyrride. Sie  trug  eine  in  grellen  Farben  gehaltene  Phantasieuniform,  die 

sich eng an ihren wohlproportionierten Körper schmiegte. Die junge Solanerin  war  nicht  gerade  üppig.  Dennoch  bildete  sie  einen Kontrast  zu  der  eher  knabenhaften  Sternfeuer,  der  noch unterstrichen  wurde  durch  das  blau‐schwarze,  frei  auf  ihre Schultern fallende Haar. 

»Kann  man  sagen«,  brummte  Swinn  in  seiner  hellroten Kombination.  Die  Atomsymbole  waren  von  den  Oberarmen abgerissen  zum Zeichen, daß  er mit  seiner Kaste und der  SOLAG nicht mehr allzu viel im Sinn hatte. Swinns ganzes Wesen hingegen entsprach dem Bild, das man  sich allgemein von den Brüdern der vierten Wertigkeit machte.  Seine Wortkargheit  hatte  er mit Hayes gemeinsam. Dieser lächelte schwach. »Immer  mit  der  Ruhe.  Wenn  ich  etwas  mache,  tue  ichʹs 

gründlich.« Phrasen!  dachte  Sternfeuer.  Sie  reden,  um  sich  selbst  reden  zu 

hören. Dabei  spüren  sie  es  alle,  Breck  auch. Umsonst  hält  er  sich nicht  so  lange mit dem Check  auf. Wir  sind  Fremde  hier  und  im Begriff, uns aufs Pulverfaß zu setzen, das jeden Moment in die Luft gehen kann. Wieder schrak sie vor den eigenen Zweifeln zurück. Sie mußten es 

tun. Sie mußten  sich Klarheit darüber verschaffen, was dort unten auf dem Planeten geschah oder von dort aus gesteuert wurde. »Wir sind soweit, Atlan«, hörte sie endlich Hayesʹ Stimme, und es 

kam  ihr wie  eine  Erlösung  vor.  Ihr Körper  straffte  sich,  ihr Kopf kippte nach vorn. Auf einem der Bildschirme sah sie das Gesicht des Arkoniden. Atlan  lächelte matt.  »Ihr  seht  nicht  gerade  so  aus,  als sprühtet ihr vor Begeisterung. Wenn jemand von euch glaubt, besser in der DUSTY QUEEN aufgehoben zu sein, dann …« Hayes winkte ab. »Wir sehen uns diese Gluthölle aus der Nähe an und werfen ein 

Auge  auf  dieses  kreisförmige,  dunkle  Gebilde,  von  dem  die angemessene  energetische  Aktivität  ausgeht.  Mit  etwas  Glück wissen wir bald mehr über das Ysterioon, dieses ganze System und …«  Hayes  zuckte  die  Schultern.  »Eben  über  alles.  Wir  machen keinen  Ausflug  zur  nächsten  Galaxis. Weshalb  also  dieses  ganze Aufhebens? Wir sind alle freiwillig hier. Also was ist? Können wir?« Zur  nächsten  Galaxis,  dachte  Sternfeuer. Natürlich,  Breckcrown 

macht noch seine Scherze. Dabei kämen wir nicht einmal bis zur SZ‐

2! Die Solzelle saß auf dem Planeten Break‐2 fest. Die eigene Korvette 

stand im Trümmerring um die Sonne Nickelmaul. Operieren konnte sie  auch  im  Raum  zwischen  der  Sonne  und  dem  Ring  aus  den Bruchstücken  von  ehemals  etwa  zwanzig  Planeten,  denen  das gleiche  Schicksal  bestimmt  gewesen  war  wie  vielen  Welten  der Sternenballung Bumerang. Erst  .jenseits  dieses  Trümmerrings,  so  hatten  die  energetischen 

Vermessungen  gezeigt,  kam  die  eigentliche  Nickel‐Absorber‐Strahlung  des  Ysterioons  voll  zum  Tragen,  die  bis  etwa  fünf Lichtjahre in den Raum hinauswirkte. In diesem Bereich vermochte sich kein Raumschiff dem Ysterioon 

weiter zu nähern – es sei denn, es hätte ganz oder überwiegend aus Nickel bestanden. Deshalb kam die SZ‐2 nicht von Break‐2 fort. Erst die  DUSTY  QUEEN  hatte  diese  unsichtbare  Grenze  überwinden können,  nachdem  man  alles,  was  sich  an  Bord  nur  irgendwie entbehren ließ, aus den Schleusen geworfen und durch das von den Ysteronen  so  sehr  begehrte Element  ersetzt hatte. Nickel  aus dem Innern von Break‐2 war überall gewesen,  in den Laderäumen, den Korridoren,  den  Unterkünften  –  eben  überall  dort,  wo  Platz geschaffen worden war. Hayes und Atlan besprachen noch einige Einzelheiten. Sternfeuer 

bekam  kaum  etwas  davon mit.  Sie  hörte  nur  noch  Atlans:  »Viel Glück!« Dann öffnete sich das Schleusenschott. Hayes nickte den anderen 

noch einmal aufmunternd zu, und Sternfeuer tat in diesem Moment etwas, das ihr sonst nie in den Sinn gekommen wäre. Sie  esperte  Hayesʹ  Gedanken  und  fand  nichts  als  hartnäckige 

Konzentration  auf  die  gemeinsame  Aufgabe.  Es  war  fast  so,  als könnte dieser Mann alles andere einfach ausschalten. Himmel! durchfuhr es die Mutantin. Was ist nur los mit mir? »Es geht  los«, verkündete Breckcrown.  Jessica gab  einen  Seufzer 

von  sich.  Swinn,  ihr  stets  etwas mürrischer  Freund,  verzog  keine 

Miene. Aber er hält sich krampfhaft an den Lehnen fest! So als ob er Angst 

davor hätte, ins Nichts zu stürzen! Sternfeuer biß die Zähne aufeinander und zog die Beine an. Bring uns ʹraus, Breckcrown! Dieses verdammte Warten ist es, das 

uns verrückt macht! Künstliche  Schwerkraftfelder  hoben  die  Space‐Jet  vom 

Hangarboden ab und schoben sie sanft aus der Schleuse. Sternfeuer sah die Lichter der Korvette hinter sich zurückbleiben. Die DUSTY QUEEN  stand – auf das Ysterioon bezogen – hinter der Sonne  im Trümmerring und war  somit vor  einer direkten Ortung durch die Ysteronen  geschützt.  Noch  galt  dies  auch  für  die FEUERSCHAUKEL, wie irgend jemand die Space‐Jet getauft hatte. Durch das Kanzeldach  leuchtete hell die blaue Riesensonne vom 

O‐Typ,  ein  Stern mit  einem Durchmesser  von  rund  28 Millionen Kilometern, aber von nur einem Zweihundertfünfzigstel der Dichte Sols. Nickelmaul,  dachte  Sternfeuer.  Nikkeldiebe,  Nickelstrahlung. 

Zum Teufel mit allem Nickel! Hayes  zündete  die  Impulstriebwerke.  Rasend  schnell  nun 

schrumpfte  die  DUSTY  QUEEN  zu  einem  noch  schwach leuchtenden Punkt und verschwand dann völlig  im Trümmerring. Voraus brannte Nickelmaul. Dahinter wartete Pryttar, warteten die Ysteronen – und jene unbekannte Macht, die dieses Volk von Riesen steuerte.   

*  Während  er  sorgsam  darauf  bedacht war,  die  FEUERSCHAUKEL im Ortungsschatten der Sonne zu halten, ließ Breckcrown Hayes die Ereignisse  der  letzten Wochen  noch  einmal  vor  seinem  geistigen Auge Revue passieren. Der Flug der DUSTY QUEEN hatte einiges 

an neuen Erkenntnissen gebracht,  aber doppelt und dreifach neue Fragen aufgeworfen. Davon abgesehen, war die Lage der Menschen im Kores‐System alles andere als rosig. Nach dem Erreichen des Ysterioons, jenes riesigen würfelförmigen 

Gebildes  aus  27  Kugeln,  die  durch  dicke  Röhrenkonstruktionen miteinander  verbunden  waren,  war  es  zu  einem  ersten  kurzen Funkkontakt  zwischen  Atlan  und  Girgeltjoff  einerseits  und  den Ysteronen  andererseits  gekommen.  Die  Riesen  hatten  schnell  zu verstehen  gegeben,  daß  sie  keine  Eindringlinge  gebrauchen konnten. Vermutlich war es dem Erscheinen des Molaaten Oserfan im Erfassungsbereich der Bildoptik zu verdanken gewesen, daß die Fremden dann doch ihre Meinung änderten und die Korvette in eine der 150 Kilometer durchmessenden Kugeln schleusten. Und  dort,  dachte  Hayes,  würden  wir  vermutlich  heute  noch 

schmoren,  wenn  Atlan  nicht  die  Geduld  gerissen  wäre,  als  sich niemand mehr um das Schiff kümmerte. Ein  erster  Vorstoß  ins  Innere  des  überwiegend  aus  Nickel 

bestehenden  Ysterioons  hatte  unter  anderem  die  Erkenntnis gebracht, daß die Ysteronen mit Transmittern arbeiteten, die denen terranischer Bauart nicht unähnlich waren. Man hatte eine Gruppe Riesen  beobachten  können,  die  sich  offenbar  auf  einen  neuen Nickelraubzug  vorbereiteten.  Und  immer  wieder  war  es  zu  fast panischen  Reaktionen  der  Ysteronen  gekommen,  wenn  sie  eines Molaaten ansichtig wurden. Sternfeuer vermochte die Gedanken der Riesen nur dann zu  lesen, wenn sie bis auf Sichtweite  in  ihre Nähe gelangten. Das Ergebnis war  fast  immer das gleiche: Schamgefühl, Verwirrung beim Anblick der Eindringlinge und Angst. Ysteronen, die  zur DUSTY QUEEN vorgedrungen waren, hatten 

die  sofortige  Rückkehr  von Atlans  kleiner  Gruppe  gefordert  und endlich  in Aussicht  gestellt, daß Atlan und  einige  seiner Begleiter zur Statue in der Zentralkugel gebracht werden sollten – oder auch in der Tabuzone, wie sie sich ausdrückten. Und wieder  hatten  sie  lange Zeit  untätig warten müssen. Atlan 

brannte  die  Zeit  unter  den Nägeln.  Schließlich  ging  es  nicht  nur darum,  herauszufinden, wer  oder was  sich  hinter  den  Ysteronen verbarg, sondern es galt, die Quelle auszuschalten, die die SZ‐2 auf Break‐2  festhielt. Welche  Rolle  der  geheimnisvollen  Statue  dabei zukam, darüber konnten nur Vermutungen angestellt werden. Die  Besatzungsmitglieder  der  DUSTY  QUEEN  entwickelten 

angesichts  der  undurchdringbaren  Absperrungen  rund  um  das Schiff  eine  regelrechte Klaustrophobie, die  schließlich dazu  führte, daß Atlan  einen  gewaltsamen Ausbruchsversuch  riskieren wollte. Kurz, bevor es dazu kommen konnte, meldeten sich die Ysteronen erneut  und  forderten  den  Arkoniden  auf,  die  drei  wichtigsten Personen an Bord der Korvette zu benennen, die dann Gelegenheit bekommen sollten, mit Vertretern aus der Tabuzone zu sprechen. Atlan hatte sich selbst genannt, dazu ihn, Hayes, und Osa. Hayesʹ Miene verfinsterte  sich, als er nun daran dachte, was aus 

dem  so  fein  eingefädelten Plan  geworden war,  in der  robotischen Hülle,  die  den  Ysteronen  den  Solaner  Osa  vorgaukeln  sollte,  die Molaaten  Sanny  und  Oserfan  und  dazu  den  Extra  Argan  U  zu verstecken und quasi als Rückendeckung in die Nähe der Tabuzone einzuschleusen. Tatsächlich war es Sanny und dem Extra gelungen, sich  in  einem  geeigneten  Augenblick  abzusetzen  und  in  einem Seitengang zu verschwinden. Das Ergebnis war, daß die beiden sich nun entweder in der Gewalt 

der  Ysteronen  befanden  oder  von  einem  Versteck  ins  andere flüchten  mußten.  Jedenfalls  hatte  Atlan  und  er  die  beiden  nach einem  für  sie wenig ergiebigen Gespräch mit zwei Ysteronen, von denen einer gar kein Ysterone war, allein im Ysterioon zurücklassen müssen.  Ihnen  war  keine,  andere  Wahl  geblieben,  als  die Gelegenheit beim Schopf zu ergreifen und mit der DUSTY QUEEN in  den  freien  Weltraum  zu  fliehen,  nachdem  einer  ihrer  Führer ihnen die Gelegenheit dazu geboten hatte. Bungeltjat war sein Name gewesen, erinnerte sich Hayes. Er hatte 

gewußt,  daß  er  nicht  mehr  lange  zu  leben  hatte.  Dies  war 

ausschlaggebend  für  ihn  gewesen,  vor  seinem  Ende  noch wenigstens etwas Gutes zu tun, um sein Gewissen zu beruhigen. Wer aber war der andere gewesen, WyltʹRong? Mit Sicherheit kein 

Ysterone, sondern eine Hülle wie Osa. Welches Wesen verbarg sich in Wirklichkeit in ihr? Man war keinen Schritt weitergekommen, hatte nicht einmal einen 

Blick  auf  diese merkwürdige  Statue  werfen  können.  Die  DUSTY QUEEN hatte ein Scheinlandemanöver auf den einzigen erhaltenen Planeten,  Pryttar,  geflogen,  um  die  vor  ihren  Orterschirmen sitzenden Ysteronen irrezuführen. Dann war sie an der Sonne vorbei und  in deren Schutz weiter bis zum Trümmerring geflogen, wo sie nun  darauf wartete,  daß  die  FEUERSCHAUKEL mit  brauchbaren Informationen von Pryttar zurückkehrte. Denn soviel stand fest: Nicht nur das Ysterioon war für die Nickel‐

Absorber‐Strahlung und das damit verbundene Festsitzen der SZ‐2 auf  Break‐2  verantwortlich. Und  nicht  nur  das  Ysterioon  ließ  die ungeheuren Nickelmengen,  die  ins  Kores‐System  gelangten,  kurz vor  der  Sonne  im  Hyperraum  verschwinden.  Das  System mußte weitaus komplexer  sein. Zweifellos erfüllte auch der Trümmerring eine Funktion darin – vor allem aber Pryttar. Hayes  war  es  gewesen,  der  im  Vorbeiflug  am  Planeten  alle 

Aufzeichnungsgeräte  hatte  laufen  lassen.  Schon  die.  ersten Auswertungen  hatten  überrascht.  Auf  der  Glutwelt  gab  es  ein Zentrum hoher und einwandfrei künstlicher energetischer Aktivität. Auf den  fotographischen Aufnahmen war ein dunkles Gebilde auf der Oberfläche zu sehen gewesen, das sich mit der Stelle deckte, von der die Impulse kamen. Weitere Vermessungen hatten gezeigt, daß zwischen Pryttar und 

dem  Ysterioon  ein  ständiger  Datenfluß  oder  etwas  Ähnliches erfolgte. Das,  dachte Hayes, wissen wir  also.  Und  es wird  Zeit,  endlich 

mehr über diese ganzen Zusammenhänge zu erfahren. Über allen Rätseln schwebte wie ein Schatten  jene geheimnisvolle 

Macht im Hintergrund, die man in Ermangelung jeglicher Kenntnis Hidden X genannt hatte. Eigentlich wußte man nur, daß diese Macht einen  unglaublichen  Bedarf  an  Nickel  an  den  Tag  legte  und  die Ysteronen  irgendwie  manipuliert  hatte.  Sie  konnten  ohne  Nickel nicht leben. Eine Ausnahme stellte Girgeltjoff dar. Auf  ihm, der ebenfalls  im Ysterioon zurückgeblieben war, ruhten 

die Hoffnungen der Menschen – zumindest, was Sanny und Argan U anbetraf. Hayes fuhr sich mit einer Hand durch das kurzgeschnittene, graue 

Haar  und  konzentrierte  sich  weiter  auf  den  Flug.  Mit hochgefahrenen Schutzschirmen tauchte die Space‐Jet in die äußere Sonnenkorona ein. Filter schoben sich über die transparente Kanzel und milderten das blaue Licht auf ein erträgliches Maß herab. Jessica Damaree hielt den Funkkontakt mit der DUSTY QUEEN. 

Swinn stierte mit mürrischem Gesicht vor sich hin, als hätte er in der FEUERSCHAUKEL  gar  nichts  zu  suchen,  und  Sternfeuer  gefiel Hayes ganz und gar nicht. Er zeigte es nicht, doch die Veränderung, die mit der Telepathin 

seit  dem  Besteigen  der  Space‐Jet  vor  sich  gegangen  war, beunruhigte ihn mehr als das, was sie vielleicht bei Pryttar erwarten mochte. Hayes  lehnte  sich  zurück  und  streckte  die  Beine  von  sich.  Im 

Augenblick konnte auch er nichts tun. Der Bordcomputer regulierte den Auslastungsgrad  der  Schirme  und  brachte  das  Beiboot  sicher durch die flammende Korona. »Was  tun  wir?«  fragte  Swinn  überraschend,  »wenn  plötzlich 

Schiffe auftauchen?« Hayes runzelte die Stirn. »Das wären die ersten hier«, erwiderte er. »Wir haben noch kein 

einziges  zu  sehen  bekommen.  Aus  irgendeinem  Grund  scheint dieses System für Raumschiffe der Ysteronen tabu zu sein.« »Du stellst vielleicht Fragen!« wandte sich Jessica an den Pyrriden. »So? Vielleicht meine ich auch gar nicht Schiffe der Ysteronen.« 

»Welche dann?« Swinn winkte ab. »War nur  so  eine  Idee von mir. Aber was würden wir  tun,  falls 

welche  auftauchten?  Immerhin  dürften  diese Vierbeinerriesen  uns noch auf Pryttar vermuten.« »Etwa in der glutflüssigen Lava dort?« Jessica drehte sich halb zu 

Hayes  um  und  tippte  sich  bezeichnend  gegen  die  Stirn.  »Jasper, wenn ich dich nicht besser kennen würde …« »Was würden wir tun?« fragte der Pyrride beharrlich. Hayes zuckte die Schultern. »Anfunken, Uns  aus  dem  Staub machen.  Es  käme  ganz  auf  die 

Situation an.« »Nicht schießen?« »Schießen!«  rief  Jessica  aus.  »Hört  ihr  das?  Da  kommt  dieser 

Mensch  einmal  aus  der  SOL  heraus,  und was  passiert  in  seinem madigen Gehirn? Er denkt an die alten Zeiten, als die SOL noch von einer Gefahr in die andere trudelte, und wetzt die Klinge!« »Hört endlich auf!« schimpfte Sternfeuer. »Was wißt denn ihr von 

den sogenannten alten Zeiten!« Sie verschränkte die Arme über der Brust und blickte starr vor sich 

hin. »Glaubst du auch schon an Schiffe, die plötzlich aus dem Nichts 

auftauchen und uns angreifen?« fragte Jessica. »Sagʹs doch. Du hast Angst.« »Es wird  etwas  geschehen«,  flüsterte  die Mutantin.  »Mehr weiß 

ich auch nicht, aber ich fühle es. Irgend etwas.« »Das wollen wir hoffen«, brummte Swinn. »Besser, wir kommen 

nicht mit leeren Händen zu Atlan zurück.« Hayesʹ  Aufmerksamkeit  wurde  auf  den Weltraum  gelenkt.  Die 

FEUERSCHAUKEL  flog  aus  den  Gasschwaden  heraus  und  hielt Kurs auf den Planeten, der noch zwischen  ihr und dem Ysterioon stand. Hayes übernahm wieder  selbst die Steuerung, während die junge  Solanerin  sich  ihrer Aufgabe  erinnerte,  die DUSTY QUEEN 

über alle angestellten Beobachtungen auf dem laufenden zu halten. Sie sprach gerade mit der Magnidin Brooklyn, als die Massetaster 

der Space‐Jet schlagartig ansprachen. Fast gleichzeitig erhellten sich selbsttätig die Orterschirme. Das war, als die FEUERSCHAUKEL sich bis auf eine Entfernung 

von  etwa  einer Million Kilometer  an Pryttar  herangepirscht  hatte. Der Planet war als dunkelrot glühende Kugel durch die Kanzel zu sehen,  die  von  helleren,  bis  ins  Gelbliche  gehenden  Linien überzogen waren. Augenblicklich  war  das  Wortgeplänkel  vergessen.  Sternfeuer 

beugte sich  im Kontursessel vor und blickte von einem Schirm auf den anderen. Ihr Zeigefinger berührte  in schneller Folge eine Reihe von Tasten. »Nickel«, sagte sie. »Riesige Nickelbrocken.« Hayes drosselte die Geschwindigkeit des Schiffes etwas, ohne den 

Kurs zu verändern. Mit einem Auge  schielte er auf die Textzeilen, die auf einem Monitor erschienen. »Tatsächlich  Nickel,  aber  was  hätten  wir  hier  schon  anderes 

erwarten sollen.« »Diese  Brocken  sind  einfach materialisiert«,  kam  es  von  Swinn. 

»Und verdammt, sie halten auf uns zu!« »Entfernung?« fragte Hayes, während er sich bemühte, durch die 

Kanzel etwas von den Trümmern zu erkennen. Noch waren sie zu weit weg. »Jetzt zwei Millionen Kilometer«, meldete  Jessica, gleichzeitig als 

Information  für Brooklyn und Atlan, der neben der Magnidin  auf dem Bildschirm  aufgetaucht war.  »Aber das besagt gar nichts.  Sie rasen auf Pryttar zu und damit auf uns. Wir haben sie  im Rücken, und sie kommen mit …« Sie schüttelte in ungläubigem Staunen den Kopf. »Bei allen Planeten! Die Dinger sind halb lichtschnell!« Das letzte ging fast im Heulen der Alarmsirenen unter. Vor Hayes 

leuchtete ein rotes Feld auf. Plötzlich ging alles viel zu schnell, um noch eine Reaktion zu erlauben. 

»Wir  können  nicht  ausweichen!«  schrie  Sternfeuer.  »Es  sind Hunderte,  die  meisten  mehrere  Dutzend  Kilometer  groß! Breckcrown, sie haben uns! Die Feldschirme …!« Hayes  hatte  sie  schon  hochgefahren  und  erwartete  die  grellen 

Lichtblitze  im Fall, daß einer der Materiebrocken die Space‐Jet nur streifte – oder den einen, letzten Blitz, wenn die FEUERSCHAUKEL voll getroffen wurde. Es kam nicht dazu. Hayes sah die Trümmer  in dem Augenblick,  in dem sie aus dem 

Einsteinraum verschwanden. Etwas schnürte ihm die Kehle zu. Er merkte, daß er leicht zitterte. 

Noch war er unfähig, zu begreifen, was eigentlich geschehen war. »Hui!« machte Jessica. Sie lachte gekünstelt. »Schätze, da sind wir 

noch einmal ganz knapp davongekommen. Die Brocken waren bis auf  hunderttausend  Kilometer  heran.  Das  heißt  bei  ihrer Geschwindigkeit:  noch  zwei Drittel  Sekunden,  und  sie  hätten  uns …« Hayes  fuhr  sich mit der Hand über die Stirn und  fühlte, daß  sie 

schweißnaß war. Erst allmählich fand er seine Ruhe wieder. »Meinetwegen  waren  es  Hunderte«,  versuchte  er  abzuwiegeln. 

»Aber dennoch wäre die Wahrscheinlichkeit, daß  einer  von  ihnen mit uns kollidiert wäre, verschwindend gering gewesen.« »Weil sie schlecht gezielt haben oder uns nur einen  letzten Schuß 

vor den Bug setzen wollten«, sagte Swinn. »Was?« fragte Jessica entgeistert. Er nickte ernst. »Für meine Begriffe war das ein Angriff.« »Oh, Jasper! Wer greift uns an und läßt die Brocken kurz vor dem 

Ziel in den Hyperraum verschwinden?« »Niemand«, antwortete Hayes für den Pyrriden. »Wir bleiben auf 

Kurs. Das war nichts, das uns galt. Wir haben etwas beobachtet, das uns bekannt  ist. Nickel  in großen Mengen wurde  ins Kores‐System gebracht und dort in den Hyperraum abgestrahlt. Hidden X braucht 

Nahrung. Daß wir zufällig im Kurs dieser Brocken lagen, liegt allein an uns.« »Kann  vielleicht  einmal,  jemand  einen  klaren  Bericht  geben?« 

fragte Atlan über die Funkstrecke. Jessica faßte sich und übernahm das. Sternfeuer murmelte neben Breckcrown: »Aber  wären  wir  nur  hunderttausend  Kilometer  weiter  zurück 

gewesen, hätte es uns erwischt, ob Zufall oder nicht.«   

*  »Erhöhte Energieemission von Pryttar«, meldete Sternfeuer, die der Schreck  zumindest  teilweise  aus  ihrer  Lethargie  gerissen  hatte. Jessica gab jedes ihrer Worte an Atlan und Brooklyn weiter. Obgleich der dunkle Kreis  auf der Oberfläche  noch den Blicken 

der  Raumfahrer  entzogen  war,  konnten  sie  doch  die  von  dort ausgehenden  Emissionen  anmessen.  Diese  hatten  nun  den  fast doppelten Wert erreicht. »Wir  sollten den Planeten  so weit umrunden, daß wir über dem 

Fleck stehen, Breckcrown.« Hayes nickte. »Bin schon dabei, Sternfeuer.« »Weitere Ortungen. Es kommt noch mehr Nickel an.« Eine halbe Million Kilometer über Pryttar ließ Hayes die Space‐Jet 

in  eine  weite  Kreisbahn  einschwenken,  bis  tief  unter  ihnen  die kreisrunde dunkle Fläche zu erkennen war. Das heißt: dunkel war sie nicht mehr. Swinn stieß pfeifend die Luft aus. »Dort  unten  müssen  gewaltige  Energien  toben«,  sagte  er  leise. 

Lauter  dann:  »Und  was  soll  das  sein?  Das  sieht  aus  wie  ein … Schlauch!« Hayes  nickte  und  nahm  noch  mehr  Fahrt  weg,  bis  die 

FEUERSCHAUKEL  quasi  unbeweglich  über  der  Insel  in  den  sich wälzenden und brodelnden Lavamassen stand. Was Swinn meinte, war auch mit bloßem Auge zu erkennen. Dort, wo  der  dunkle  Fleck  beobachtet worden war,  strahlte  die 

Oberfläche in bläulichweißem Licht, das sich in seinem Mittelpunkt verdichtete  und wie  von  starken Gravitationskräften  scheinbar  in den Weltraum gerissen wurde. Das genaue Gegenteil war der Fall. Gebannt  sahen  die  vier  Solaner,  wie  sich  von  der  Sonne 

Nickelmaul  ein  bläulichweißer,  hauchdünn  erscheinender energetischer Schlauch bis nach Pryttar spannte. Die in ihm auf den Planeten fließenden Energien verteilten sich dort und verschwanden scheinbar  im  Nichts.  Was  wirklich  geschah,  verrieten  schnell angestellte Messungen. »Dieses  Gebilde  dort  unten  zapft  die  Energien  der  Sonne  an«, 

erklärte  Sternfeuer.  »Daß  sie  sich  dort  zusammenballen  und  sich dann  einfach  aufzulösen  scheinen,  kann  nur  bedeuten,  daß  sie transformiert werden.« »Und das heißt?« wollte Swinn wissen. »Es  kann  bedeuten, daß dort die Vorgänge  ablaufen, die  es den 

Ysteronen  oder  unserer  Macht  im  Hintergrund  erlauben,  alles ankommende Nickel kurz vor Pryttar  in eine höhere Dimension zu befördern.« »Den Hyperraum«, sagte der Pyrride. »Möglich«,  gab  Sternfeuer  zu.  »Sicher  können wir  nicht  sein. Es 

gibt nicht nur unser Kontinuum und einen Hyperraum, auch wenn wir ihn zur Vereinfachung heranziehen.« »Irgendwo«, versetzte Swinn trotzig, »muß das Zeug bleiben.« Hayes hielt die Space‐Jet in ihrer Position und beugte sich zu den 

Orterschirmen hinüber. »Das  hört  nicht  auf,  was?  Es  kommt  immer  noch  Nickel. 

Kilometergroße, unregelmäßig geformte Brocken, wie schon gehabt. Und alle verschwinden sie in genau gleichem Abstand zu Pryttar.« 

Jessica berichtete zur DUSTY QUEEN. »Es paßt alles  irgendwie zusammen«, sagte Atlan darauf. »Dieses 

ganze  System  ist  eine  gigantische  Nickel‐Verwertungs‐  und Abstrahlstation. Die  Ysteronen werden  durch  ihre Nikkelbindung gefügig gemacht. Aber wozu braucht Hidden X das Element noch?« »Vor  allem«, meinte  Hayes,  »welches  Volk  oder  welche Macht 

verfügt über die Technologie, diese ungeheuren Energiemengen aus der Sonne zu zapfen?« »Das hatʹs schon gegeben, Breckcrown«, wurde er vom Arkoniden 

belehrt. »Die Terraner haben ganz andere Dinge fertiggebracht.« »Das mag  sein.  Aber  du  kannst  die  Ysteronen  nicht mit  ihnen 

vergleichen.« »Sie nicht«, stimmte Atlan zu. »Achtung!« rief Sternfeuer. »Der Nickelzustrom scheint aufgehört 

zu haben. Es taucht keine Materie mehr auf!« »Dann werden wir gleich sehen, ob du recht hattest.« Schweigend  blickten  die  vier  aus  der  Kanzel  oder  auf  die 

Bildschirme.  Und  wahrhaftig  löste  das  schlauchähnliche  Gebilde sich  in genau dem Moment auf,  in dem die  letzten Nikkelbrocken aus dem vierdimensionalen Raum‐Zeit‐Gefüge verschwanden. Sternfeuer lehnte sich zurück. Sieʹ nickte. »Das warʹs dann. Dort unten befindet sich eine Umwandlerstation, 

die  ihre  Energie  von  der  Sonne  zapft  und  das  Nickel  an  ein unbekanntes  Ziel  schickt.  Kein  Nickel  mehr,  kein  weiterer Energiebedarf.«  Sie deutete mit dem Kinn  auf die  entsprechenden Zahlenkolonnen  auf  einem  der  Monitoren.  »Werte  wieder  wie gehabt.« Hayes überlas die Textzeilen des Analysators, warf einen Blick auf 

Taster‐ und Orterschirme und nickte ebenfalls. »Keine Schiffe,  Jasper. Wir  sind auch weiterhin die einzigen hier 

und  gehen  jetzt  näher  an  diese  Station  heran, wie  Sternfeuer  die Zone genannt hat.« »Du weißt, wieʹs gemeint war«, murmelte die Mutantin. »Es muß 

nicht eine Station sein, wie wir sie uns vorstellen. Vielleicht nur ein Kraftfeld.« Sie rieb sich die Arme, als ob sie fröre. Hayes begriff, daß sie sich 

nach  wie  vor  in  einem  miserablen  psychischen  Zustand  befand, auch wenn sie nun versuchte, diesen Eindruck zu verwischen. »Wir gehen näher heran«, wiederholte er. »Seid vorsichtig«, warnte Brooklyn. »Du siehst auch schon Phantomschiffe?« »Es  müssen  keine  Schiffe  sein,  Breckcrown.  Wenn  Pryttar  so 

wichtig für die großen Unbekannten ist, wie wir annehmen müssen, werden sie auf eure Annäherung reagieren.« »Ein Grund mehr, es hinter uns zu bringen.« Die FEUERSCHAUKEL beschleunigte und begann, dem Planeten 

entgegenzustürzen. »Abstand  dreihunderttausend  Kilometer«,  meldete  Jessica,  als 

Sternfeuer  keine Anstalten machte,  sich  um  die  Beobachtung  der Instrumente  zu  kümmern.  »Langsamer,  Breck! Zweihundertfünfzigtausend.  Willst  du  der  Space‐Jet  eine Glutwäsche  verpassen?  Jetzt  –  zweihunderttausend!  Langsamer, Mann!« Hayes  bremste  mit  Vollschub.  Einhundertsechzigtausend 

Kilometer  über  der  glutfreien  Fläche  sank  das  Schiff  nur  noch langsam weiter. »Und wozu sollte das gut sein?« fragte Jessica ungehalten. »Werte?« lautete Hayes Antwort. Sie nahm einige Schaltungen vor und schüttelte den Kopf. »Alles normal, wenn man dies hier als normal bezeichnen kann.« »Das  klingt  fast  enttäuscht«,  kam  es  von  Swinn.  »Was  hast  du 

erwartet?« »Wir haben Bilder«, sagte Sternfeuer unerwartet. »Die Teleoptiken 

zeigen … Ringe. Ja, diese ganze Zone besteht aus Ringen von etwa hundert Metern Breite. Und dort  im Zentrum … Wir müssen noch etwas näher heran, Breck. Es könnten Kuppeln sein.« 

Während der Pilot sich noch über das wiederauflebende Interesse der Telepathin wunderte, geschahen zwei Dinge auf einmal. Von  der  vermuteten Umformer‐  und Abstrahlstation  aus wurde 

das Feuer auf die Space‐Jet eröffnet. Gleichzeitig zeigte die Ortung das  Auftauchen  von  zwei  Energie  emittierenden  Objekten  in unmittelbarer Nähe der FEUERSCHAUKEL. »Es muß  eine  robotische  Station  sein«,  erklärte  Sternfeuer.  »Ich 

spüre kein Anzeichen von Leben auf Pryttar.« Breckcrown  Hayes  reagierte  instinktiv.  So,  wie  er  in 

Sekundenbruchteilen  das  Schiff  zur  Seite  ausbrechen  ließ,  den Antrieb hochfuhr und es  in den  freien Raum zurückführte, würde ihm später niemand mehr abnehmen, daß er den Angriff nicht doch erwartet  hätte.  Swinn  aktivierte  die  Schutzschirme.  Jessica  schrie etwas  ins Mikro des  Funkgeräts. Nur  Sternfeuer  saß wie  zu  Stein erstarrt in ihrem Sessel und blickte durch die Kanzel auf die grellen Lichtbahnen,  die  in  nur  wenigen  Kilometern  Entfernung  an  der FEUERSCHAUKEL vorbei in den Raum schossen. »Wenn das kein Angriff  ist!«  schrie Swinn. »Und wenn das dort 

keine Schiffe sind!« Hayes schluckte, aber nicht nur, weil er jetzt mit bloßem Auge die 

beiden Objekte sah, die sich,  in  leuchtende Energieschirme gehüllt, in  den  Fluchtkurs  der  FEUERSCHAUKEL  schoben.  Das  war schlimm genug, denn nach wie vor feuerte die Pryttar‐Station. Hayes  flog  weitere  gewagte  Ausweichmanöver,  die  die 

Schiffszelle  zum Ächzen und Beben brachten. Er hatte nur Augen für die so unvermittelt aufgetauchten Gegner, und er kannte diese Art Raumer. Er erkannte sie auf Anhieb wieder. Ovale Zellen,  jede von  ihnen nicht größer als hundert Meter und 

in eine Aura aus schillernden Farben gehüllt. Es konnte kein Zweifel bestehen. Das waren … »Roxharen!«  preßte  Hayes  hervor.  »Atlan  hatte  mit  seinen 

Vermutungen  recht!  Das  sind  Roxharen‐Zellen,  und  Roxharen stecken hinter dem ganzen Nickelspuk!« 

»Zum  Teufel  damit,  wer  sie  sind!«  rief  Swinn.  »Sie  feuern  auf uns!« »Wir  müssen  in  den  freien  Raum,  Breckcrown!«  schrie  Jessica. 

»Weg von hier!« »Sag  das  denen.  Sie  sind wendiger  als wir.  Sie  blockieren  uns. 

Jessi,  falls Atlan  nicht  schon  ohnehin mitbekommen  hat, was  sich hier  abspielt,  informiere  ihn  schnell.  Er  muß  wissen,  daß  es Roxharen  sind.  Dann  versuche,  Kontakt  mit  den  Ratten  zu bekommen.« »Ratten?« »Tu, was ich sage! Sie sehen aus wie Ratten!« »Funkt  sie  an!«  kam  es  aus  den  Lautsprechern. Das war Atlans 

Stimme.  »Ich  habe mitgehört.  Funkt  sie  an!  Sie müssen das  Feuer einstellen!« Jessica  verlor  keine Zeit mehr, während Hayes der  Schweiß  aus 

allen Poren brach. Die Space‐Jet vollführte wilde Sprünge im Raum, doch wo sie auch auszubrechen versuchte – die beiden Zellen waren vor ihr. Von Pryttar feuerten die Abwehrgeschütze der Robotstation. »Ich  bekomme  keinen  Kontakt!«  schrie  Jessica  Damaree  in  das 

Knistern und Kreischen, als der  erste Treffer  in die Schutzschirme der Space‐Jet fuhr.   

2.  Also Roxharen! Atlan  starrte  auf  den  dunkel  gewordenen  Schirm  der 

Funkverbindung  zur  FEUERSCHAUKEL. Übergangslos hatten die in Not Geratenen die Verbindung unterbrochen. Atlan wollte aber nicht an eine Vernichtung der Space‐Jet glauben. Er versetzte die Korvette  in Alarmbereitschaft und setzte sich so, 

daß er den Bildschirm jederzeit im Auge Behielt. Brooklyn stand mit 

beiden Händen  auf  ein  Pult  gestützt,  schüttelte  stumm  den Kopf und sah Atlan forschend an. Die  übrigen  in  der Zentrale  versammelten  Besatzungsmitglieder 

tuschelten  miteinander.  Atlan  entgingen  ihre  Blicke  nicht.  Sie erwarteten Anweisungen. »Was tun wir also?« fragte Brooklyn endlich in die Stille hinein. Der Arkonide hob den Kopf etwas und musterte  ihr Gesicht. Die 

Magnidin war etwa sechzig Jahre alt, mittelgroß und nach außen hin gelassen,  immer  von  einem  gewissen  Charme  umgeben  und liebenswürdig. Es  bedurfte  schon  einiger Provokation, um  sie  aus ihrer Reserve zu locken. Hinter dieser Fassade, wußte Atlan, verbarg sich ein Wesen voller 

Vorurteile  gegen  Andersgeartete.  Dies  und  ihren  angeborenen Starrsinn,  wenn  es  um  die  Durchsetzung  ihrer  Ziele  ging,  hatte Brooklyn  trotz  einer  im Grunde positiven Entwicklung noch nicht abgelegt. Roxharen  waren  Andersgeartete  –  und  sie  hatten  der  SOL  im 

Chail‐System arg zugesetzt. Nicht, daß sich nicht auch Brooklyn um Hayes und die drei anderen sorgte, doch  ihre Frage nun galt ganz eindeutig den so unverhofft wiederaufgetauchten Fremden. »Warten«,  sagte Atlan. »Hayes meldete  sich wieder. Er hat noch 

keinen Notruf gesendet.« Brooklyn lachte spitz. »Das besagt gar nichts!« »Bei  Breckcrown  vieles,  meine  Liebe.  Wenn  er  keine  Hilfe 

anfordert, ist er davon überzeugt, selbst mit den Roxharen fertig zu werden. Und wenn ichʹs einem Mann zutraue, dann ihm.« »Einfach warten und … nichts tun?« Atlan lächelte schwach. »Du  kannst  etwas  tun.  Wo  steckt  Oserfan?  Würdest  du  ihn 

ausfindig machen und in die Zentrale rufen?« Ohne weitere Fragen zu stellen, kam sie der Bitte nach. Atlan schlug die Augen nieder. 

Roxharen. Er war nicht einmal wirklich überrascht. Er hatte an sie gedacht, 

die  über  zwei Meter  großen  Rattenähnlichen  und  ihren  geistigen Faktor. Parallelen zu den nickelabhängigen Ysteronen und Hidden X hatten sich ja förmlich aufgedrängt. Beide Völker waren nur vorgeschobene Werkzeuge  einer Macht, 

die aus dem Hintergrund wirkte. Es  fiel schwer, sich dabei vor voreiligen Schlüssen zu hüten. Den 

Spekulationen waren  Tür  und  Tor  geöffnet. Man  konnte  sich  die Frage stellen, ob der geistige Faktor der Roxharen und Hidden X nicht identisch  waren.  Man  konnte  dieses  Gedankenspiel  noch weitertreiben und auf die Ebene der Superintelligenzen tragen. Atlan war von den Kosmokraten mitten in den sich anbahnenden 

Konflikt zwischen ES und Seth‐Apophis hineingeworfen worden. Er sollte  die  SOL  nach  Varnhagher‐Ghynnst  bringen  und  dort  eine ladung  an  Bord  nehmen,  über  die  er  nur  wußte,  daß  sie  eine gewichtige Rolle in dieser Auseinandersetzung spielen mußte. Friedenszellen  schaffen  –  im  Limbus  zwischen  den 

Einflußbereichen  der  Superintelligenzen.  Konnte  eine  von  ihnen dann hier wirken? Atlan  schob  diese  Gedanken  von  sich,  wieder  einmal.  Ihnen 

nachzuhängen und dort eine Ladung an Bord nehmen, über die er nur  wußte,  daß  sie  eine  gewichtige  Rolle  in  dieser Auseinandersetzung spielen mußte. Wichtiger  war  nun,  Oserfan  einige  Fragen  zu  stellen.  Atlan 

bezweifelte Hayesʹ Aussage nicht. Es gab Roxharen hier  im Kores‐System.  Doch welche  Rolle  spielten  sie? Waren  sie  identisch mit jenen Wesen, die Sanny und Argan U im Ysterioon und dort ganz in der Nähe der Tabuzone hatten beobachten können? Sanny  und U war  es wegen  der  hohen  Entdeckungsgefahr  nur 

möglich  gewesen,  einige  wenige  Informationen  an  Oserfan weiterzugeben,  bevor  dessen  Osa‐Attrappe  und  damit  das eingebaute Mini‐Funkgerät  von  einem Energiestrahl  zerschmolzen 

worden war. Was  der Molaate  dann  berichten  konnte, war  recht spärlich gewesen. Außerdem hatte sich Atlan  ihm kaum genügend widmen  können,  da  Bungeltjat  und  WyltʹRong  seine  ganze Aufmerksamkeit in Anspruch genommen hatten. »Er  ist  unterwegs  hierher«,  sagte  Brooklyn.  Sie  setzte  sich  zu 

Atlan.  »Was  suchen  die  Kerle  hier?  Ich  meine,  was  haben  die Roxharen mit den Ysteronen  zu  tun? Wie  kommen  sie  überhaupt nach Flatterfeld?« »Was sie mit den Nickeldieben zu tun haben, wird uns hoffentlich 

Oserfan  beantworten  können.  Wie  sie  die  gewaltige  Entfernung überbrücken  können?  Frag mich  etwas  Leichteres. Wir wissen  im Grunde viel zu wenig über sie. Wir kennen nicht einmal die Position ihrer Heimatwelt Roxha.« »Dann  könnte  Roxha  in  Flatterfeld  liegen?«  bohrte  Brooklyn 

weiter.  »Oder  All‐Mohandot,  wie  die  Pluuh  ihre  Zwerggalaxis nennen?« »Könnte, Brooklyn, könnte! Welchen Sinn hat es, sich darüber jetzt 

den Kopf zu zerbrechen. Wir haben andere Probleme.« »Unter anderem das mit der Besatzung«, murmelte die Magnidin. 

»Sie  hat  sich  einigermaßen  gefangen  und  die  Klaustrophobie überwunden. Wenn nun allerdings eine neue Bedrohung auftaucht …« Oserfans Erscheinen brachte sie zum Verstummen. Der  mit  Ausnahme  des  Kopfes  am  ganzen  Körper  lindgrün 

behaarte,  zwergenhafte Humanoide  betrat wort‐  und  grußlos  die Zentrale und blieb mit gesenktem Kopf vor den beiden Menschen stehen. Atlan hatte Mitleid mit  ihm. Oserfan  litt zunehmend unter der  Ungewißheit  über  Sannys  Schicksal.  Alle  Versuche,  ihn aufzuheitern, waren gescheitert. Während der  letzten Tage hatte er sich fast nur noch in seiner Kabine aufgehalten, um dort vor sich hin zu brüten. »Es gibt Neuigkeiten«, sagte der Arkonide. Oserfans Kopf ruckte in die Höhe. 

»Von Sanny? Habt ihr …?« »Leider nein«, mußte Atlan zugeben. »Oserfan, zunächst brauche 

ich  eine  genaue Wiedergabe der Beschreibung  von dir, die  Sanny und  Argan  U  von  den  Fremden  gegeben  haben,  die  sie  die Tabuzone  betreten  und  verlassen  sahen.  Es  ist  wichtig.  Bitte versuche,  dich  ganz  genau  zu  erinnern.  Jede  Einzelheit  ist bedeutend für uns.« »Es war nicht viel«, sagte der Molaate. »Und unklar, wie du weißt. 

Sie waren … groß, ja. Größer als ihr Menschen.« »Ihre Haut«, versuchte Atlan, Oserfan auf die Sprünge zu helfen. »Sanny sagte …« Oserfan bemühte sich sichtlich. Er streckte hilflos 

beide Ärmchen von sich. »Sie konnten sie auch nicht so gut sehen. Vielleicht war es zu dunkel. Vielleicht waren sie nicht nahe genug. Sanny meinte, daß die Fremden einen Pelz hätten wie wir, aber auch in den Gesichtern, und … ja, sie waren groß, größer als ihr.« »Das wissen wir bereits«, seufzte Brooklyn. Atlan legte ihr eine Hand auf den Arm und nickte dem Molaaten 

nochmals beruhigend zu. »Glichen ihre Gesichter den unseren?« Jetzt schüttelte Oserfan heftig den Kopf. »Nein,  sie  waren  spitz,  ganz  anders.  Jetzt  erinnere  ich  mich 

wieder. Es geschah so vieles auf einmal, daß ich …« »Warte.« Atlan stand auf und suchte nach einer Folie und einem Schreiber. 

Als er beides von einem Besatzungsmitglied gereicht bekam, begann er, einen Roxharen zu zeichnen. »Kein  berauschendes  Kunstwerk  zwar,  aber  man  sollte  ihn 

erkennen.« Er zeigte Oserfan das Bild, und dieser nickte. »Ja,  kleine Augen,  ein  tief  gespaltener Mund  und  diese  runden 

und  abstehenden  Ohren.  So  hat  Sanny  sie  beschrieben.  Aber … woher weißt du …?« »Du  bist  ganz  sicher?«  vergewisserte  sich  der  Arkonide  noch 

einmal. 

»Jetzt  ja, Atlan.  So müssen  diese Wesen  ausgesehen  haben,  die Sanny und U beobachteten.« Atlan drehte sich zu Brooklyn um, die nun ebenfalls aufgestanden 

war und einen Blick auf die Zeichnung warf. »Roxharen«,  sagte  er.  »In  der  Tabuzone  im  Ysterioon  leben 

Roxharen.  Vermutlich  haben  sie  ihre  Zellen  in  einer  der  Kugeln, vielleicht eine kleine Flotte.« »Dann sind sie das, was wir als Hidden X bezeichneten?« Atlan schüttelte den Kopf. »Wohl kaum, Brooklyn. Ich bin eher der Ansicht, daß sie zwischen 

den  Ysteronen  und  Hidden  X  stehen.  Das  könnte  bedeuten,  daß Hidden X tatsächlich nichts anderes ist als ihr geistiger Faktor.« Sie setzte sich wieder und starrte vor sich hin. »Allmählich begreife ich gar nichts mehr. Ich dachte immer, dieser geistige Faktor säße auf Roxha. Und das Ysterioon ist bestimmt nicht Roxha.« Sie hob den Kopf. »Oder?« »Ich  fürchte«, sagte der Arkonide, »die Antwort auf diese Fragen 

können  uns  nur  die  Roxharen  selbst  geben.  Und  damit  haben Breckcrown,  Sternfeuer  und  die  beiden  anderen  in  der FEUERSCHAUKEL  es  in  der Hand,  uns  endlich  ein  großes  Stück weiterzubringen. Es muß ihnen einfach gelingen, Kontakt mit ihnen aufzunehmen.« Brooklyn lachte humorlos. »Dazu müssen sie erst einmal überleben.«   

3.  Für die vier Solaner  in der FEUERSCHAUKEL sah es nicht so aus, als sollten sich Atlans in sie gesetzte Hoffnungen erfüllen. »Sie  antworten  nicht«, meldete  Jessicaʹ.  »Himmel, was  tun wir, 

Breckcrown?  Wir  werden  sie  nicht  los,  und  der  nächste  Treffer zerreißt uns.« 

»Schutzschirmkapazität jetzt auf 120 Prozent«, meldete Swinn. »Dann  fahr  sie  noch  höher!«  rief  Hayes.  »Sie  vertragen 

hundertfünfzig!« »Aber  du  kannst  ihnen  nicht  andauernd  vor  den  Nasen 

herumhüpfen und dabei auch noch aufpassen, daß wir uns keinen Treffer von Pryttar einfangen!« Vor den Nasen herumhüpfen! Sternfeuer  nickte  unmerklich.  Jaspers  Vergleich  hatte  es  genau 

getroffen. Die Space‐Jet vollführte regelrechte Bocksprünge im All – zwischen  Pryttar  und  den  beiden  Roxharen‐Zellen.  Es  gab  kein Ausbrechen  aus dieser Falle. Breckcrown war  zweifellos  ein guter Pilot, einer von der Sorte, die  jedes Risiko eingingen, bis  ihnen der eigene  Antrieb  um  die  Ohren  flog.  Doch  die  Roxharen  schienen jedes Manöver im Voraus zu erahnen und waren immer genau dort, wo Hayes eben noch einen Fluchtweg gesehen hatte. Zwei  Treffer  hatten  die  Schutzschirme  aufgefangen  und 

absorbiert.  Sie  waren  überlasteter,  als  Swinn  zugeben  wollte.  In einem  hatte  er  recht:  Der  nächste  würde  das  endgültige  Aus bedeuten. Warum rühre ich mich nicht? Die  Telepathin  kannte  inzwischen  die  Antwort  und  war  doch 

unfähig, etwas gegen das zu tun, das sie gefangenhielt. Es war das Gefühl, dem Tode nahe zu sein. Es war wie  damals,  als  sie  hilflos  auf  der  Antigravscheibe  lag, 

inmitten wogender Kristallmassen in einer Nische des Giftwalls. Sie hatte niemals mit jemandem darüber gesprochen und bis jetzt nicht einmal selbst gewußt, daß sie im Grunde bereits tot gewesen war. Dieses Erleben des Todes, auch wenn sie die Schwelle noch nicht 

ganz überschritten gehabt hatte,  jenseits derer keine Rettung mehr möglich war, mußte so umfassend gewesen sein, daß sie es bis heute verdrängt hatte. Nun war es aus den Tiefen des Unterbewußtseins herausgebrochen und lähmte sie. Aber  es  ist  nur Angst!  versuchte  sie  sich  klarzumachen.  Irgend 

etwas in den letzten Tagen muß auf mich eingewirkt haben in einer Weise,  daß  das  Verdrängte  sich  den Weg  an  die  Oberfläche  des Bewußtseins bahnte, ohne daß  ich mir darüber  im klaren war, was es war. Daher die Todesahnung. Sie  ist nicht begründet! Es  ist nur ein Nachhall und kann nichts mit der Situation zu tun haben, in der wir uns jetzt befinden. Ich muß die Angst überwinden, darf die  anderen nicht  im  Stich 

lassen! »Treffer!« schrie Jessica. Hayes  hockte  mit  zusammengebissenen  Zähnen  vor  seinen 

Kontrollen und schien nichts mehr zu hören und zu sehen. Wieder mußte  er  glauben,  eine  Lücke  entdeckt  zu  haben. Die  Schiffszelle wurde erschüttert, doch die alles vernichtende Explosion blieb aus. »Die  Schirme  halten  kein  Staubkorn  mehr  aus!«  rief  Swinn. 

»Breckcrown, du mußt den Kerlen  jetzt  einen  Schuß  vor den Bug setzen!« »Du hast recht, Jasper«, sagte Hayes nur. Sternfeuer  mußte  ihn  für  seine  Kaltblütigkeit  bewundern.  Er 

behielt die Nerven, während  es dem Mädchen und dem Pyrriden nicht zu verdenken war, daß sie in Panik gerieten. Sie kannten doch nur die Sicherheit der SOL. Diesmal  versuchte Hayes  kein Ausweichmanöver mehr.  Er  hielt 

direkt auf eines der beiden Raumfahrzeuge zu und feuerte. Die buntschillernde Aura um die Roxharen‐Zelle glühte auf und 

schien  sich  für  Sekunden  bis  ins Grenzenlose  auszudehnen. Dann stand das Schiff wieder klar und deutlich auf den, Schirmen. »Sie  stellen  das  Feuer  ein«,  flüsterte  Jessica  ungläubig.  »Bei  den 

Geistern der SOL, sie hören auf zu schießen!« »Die Robotstation auch«, sagte Swinn. »Anfunken«, knurrte Hayes. »Wir wollen sehen, ob sie auch  ihre 

Sturheit abgelegt haben.« Jessica kam der Aufforderung nach  – und  schrak  zurück,  als  sie 

plötzlich das Gesicht eines Roxharen auf ihrem Schirm hatte. 

Hayes nickte grimmig. »Und  jetzt werden wir uns unterhalten. Rede mit  ihm,  Jessi.  Ich 

versuche, die FEUERSCHAUKEL aus der Reichweite der planetaren Abwehrgeschütze zu bringen.« »Mir  hängt  das  Herz  in  der  Hose,  und  ich  soll  mit  dem  Kerl 

verhandeln? Wie …?« »Jessi, ihre Sprache ist im Translator gespeichert. Den schaltest du 

ein und sagst, daß wir keine  feindlichen Absichten haben. Himmel nochmal, halte ihn hin, bis wie eine sichere Position erreicht haben!« Sternfeuer  gab  sich  einen  Ruck.  Sie mußte  aus  ihrem Alptraum 

erwachen, sollte er nicht fatale Wirklichkeit werden. »Laß mich das machen«, sagte sie und nickte der jungen Solanerin 

zu.   

*  Hayesʹ  Versuch,  sich  behutsam  weiter  von  Pryttar  zu  entfernen, scheiterte, noch ehe er richtig begonnen hatte. Einige Strahlschüsse  in den Kurs der Space‐Jet  zeigten  ihm, was 

die Roxharen von seiner Absicht hielten. Gleichzeitig begann jener zu reden, dessen rattenähnliches Gesicht 

auf dem Schirm abgebildet war. Dabei bediente er sich jener Gesten, über die Atlan  sich  einige Male  ausgelassen hatte. Die  erstaunlich zarten  Zwitschertöne  aus  den  Lautsprechern  der  Funkanlage verwandelten  sich  augenblicklich  in  verständliche  Worte,  als Sternfeuer den Translator zwischenschaltete. »…  Versuch  absehen«,  hörten  die  Raumfahrer.  »Wenn  ihr  uns 

etwas mitzuteilen habt, tut es jetzt. Aber es müßte schon etwas sehr Gewichtiges sein, um euer Leben zu retten. Wir hatten lange genug Geduld und sahen zu, wie ihr für Unruhe sorgtet.« Die  Stimme  verstummte.  Sternfeuer,  die  Jessicas  Platz 

eingenommen  hatte,  sah  die  kleinen,  schwarzen  Augen  des 

Roxharen auf sich gerichtet. Sie nickte, und  je mehr sie sich auf das konzentrierte, was sie zu 

sagen hatte, desto  leichter wurde  ihr. Nach wie vor hatte  sie diese schreckliche Angst, aber sie ließ sich besser ertragen. »Ich  denke«,  begann  sie,  »daß  nicht  wir  uns  zu  rechtfertigen 

haben. Euer Angriff  ist ein kriegerischer Akt. Stellt ihn ein und laßt uns ziehen. Es lag nicht in unserer Absicht, euch …« Der  Roxhare  unterbrach  sie  mit  einer  Handbewegung.  Sein 

gesträubtes  Fell  signalisierte Zorn  und  hochgradige  Erregung,  die nach hinten gedrehten Qhren Ablehnung. »Ihr seid in dieses System eingedrungen und habt die bestehende 

Ordnung  nachhaltig  gestört. Da wir  nicht  damit  rechnen  können, daß ihr es verlaßt, ohne eure Ziele zu verwirklichen, bleibt uns keine andere Wahl, als euch zu vernichten.« »Einen Augenblick!« Breckcrown Hayes beugte sich über das Kontrollpult und berührte 

einen Knopf. Die  Bildoptik  schwenkte  auf  ihn  ein,  bis  er  ganz  in ihrem Erfassungsbereich war. »Vernichten, ja? Mein lieber Freund, ihr scheint verdammt schnell 

damit  bei  der Hand  zu  sein. Und wenn  hier  jemand  die Geduld verliert, sind wir es!« »Nicht,  Breckcrown!«  flüsterte  Sternfeuer.  Auch  Jessica  und 

Swinn,  der  noch  vor  kurzem  ganz  eigene  Vorstellungen  von  der Begegnung  mit  fremden  Schiffen  gehabt  hatte,  machten  ihm Zeichen, sich zu beruhigen. Hayes winkte ab. »Hör  zu, Roxhare. Was  ihr  in diesem  Sektor  zu  suchen habt,  ist 

mir  schleierhaft. Das heißt,  ich  ahne  es, und dann  gibt  es  für uns zwei Möglichkeiten.  Entweder wir  unterhalten  uns  in  aller  Ruhe über einige Dinge, zum Beispiel Nickel, unsere beiden im Ysterioon gefangenen  Freunde  oder  ein  gewisses  Schiff, das wir  ganz  gerne wieder flott haben möchten, oder …« »Oder?« wiederholte der Roxhare, als Hayes eine Pause machte. 

Breckcrowns Gestalt straffte sich. Er schüttelte eine Faust. »Oder wir  zahlen mit  gleicher Münze  zurück,  und  falls  du  das 

nicht verstehst: Wir sind immer noch in der Lage, Pryttar und eure Station dort in den Weltraum zu blasen, wenn ihr uns nicht in Ruhe laßt und Verhandlungsbereitschaft zeigt.« »Das ist ein offene Drohung!« Aus  der  Translatorstimme  war  nicht  herauszuhören,  ob  der 

Roxhare  sich über Hayesʹ Worte amüsierte. Sein Gesicht  jedenfalls sah danach aus. »Eine  Drohung?«  Breckcrown  lachte  rauh  und  winkte  ab,  als 

Sternfeuer ihm heftige Zeichen machte, er solle schweigen. »Und als was haben wir euren Beschuß einzustufen?« Der  Roxhare  schwieg  für  Sekunden.  Dann war  schon  am  noch 

stärkeren  Sträuben  seines  Felles  und  den  gefährlich  aufblitzenden Augen abzulesen, wie seine Antwort ausfallen würde. »Was wir gehört haben, reicht uns«, kam es aus dem Lautsprecher. 

»Ihr  habt  euer Urteil  selbst  gesprochen. Und  gebt  euch  nicht  der Hoffnung hin, daß wie euer Mutterschiff nicht auch aufspüren und eliminieren werden!« Die Worte hallten noch in den Ohren der Menschen nach, als der 

Bildschirm dunkler wurde. »Ich begreife dich nicht, Breckcrown!« sagte  Jessica vorwurfsvoll. 

»Die  ganze  Zeit  über  bist  du  scheinbar  die  Ruhe  selbst,  und ausgerechnet jetzt verlierst du die Nerven!« »Da  war  nichts  mehr  zu  verderben,  Jessi«,  entgegnete  Hayes 

finster, während  er  seinen Kontursessel  herumschwenkte  und  die Finger  schon  wieder  über  die  Kontrollen  huschen  ließ.  »Diese Burschen  waren  nie  zu  Verhandlungen  bereit  –  oder  dazu,  uns ziehen  zu  lassen.  Unsere  Vernichtung  war  von  Anfang  an beschlossene Sache.« »Und du bildest dir ein, daß eine Drohung wirkt?« »Vielleicht. Wir werden  sehen. Es war  alles, was wir  in  unserer 

Lage  tun  konnten.  Kein Hilferuf  an  die  QUEEN,  solange  es  sich 

vermeiden läßt. Besser, ihr schließt jetzt die Raumanzüge.« Diese  hatten  sie  alle  vier  nach  dem  Beginn  der  Angriffe 

übergestreift  und  überprüft,  was  bei  Hayes  mit  einigen Schwierigkeiten  verbunden  gewesen  war,  da  er  sich  um  die Steuerung der FEUERSCHAUKEL zu kümmern hatte. »Festhalten!«  rief  der  Pilot  überflüssigerweise.  Sternfeuer  hatte 

ihren  Platz  wieder  eingenommen.  Die  Sicherheitsgurte  schlossen sich selbsttätig um ihren Körper und drückten sie in den Sessel. Dann jagte die Space‐Jet davon. Hayes holte alles aus dem Antrieb 

heraus,  was  dieser  nur  herzugeben  vermochte.  Für  Sekunden konnten  die  Andruckabsorber  die  Gravitationskräfte  nicht  völlig auffangen. Sternfeuer preßte die Zähne zusammen und hörte Jessica stöhnen. Pryttar schien einen Sprung  im Weltraum zu machen. Die beiden 

Roxharen‐Zellen blieben zurück, doch nur für Augenblicke. Wieder  zeigte  sich,  daß  an  ihren  Kontrollen  Piloten  saßen,  die 

Breckcrown kaum nachstanden. Als die ersten Strahlbahnen durch das Dunkel  des Weltalls  zuckten, war  die  FEUERSCHAUKEL  so weit um den Planeten herum, daß die Abwehrgeschütze der Station ihr nicht mehr gefährlich werden konnten. Doch auch das rettete die Space‐Jet nicht. »Sie  sind  schneller  als  wir!«  rief  Jasper  Swinn.  »Streifschuß! 

Belastung der Schirme …« »Ist  jetzt  gleichgültig! Der  nächste  Treffer  zerreißt  uns wirklich! 

Jasper, du weißt, wie die Arkonbomben zu bedienen sind?« »Weiß ich. Aber du willst nicht wirklich …?« Hayes wischte sich den Schweiß aus der Stirn und jagte die Space‐

Jet auf den Planeten zu. »Und ob  ich das will! Mach sie scharf,  Jasper. Verdammt, das  ist 

ein  Befehl!  Scharfmachen  und  die  Abschußvorrichtungen aktivieren!« Kopfschüttelnd  schnallte  der  Pyrride  sich  los  und  tat, wie  ihm 

geheißen. 

Kaum  war  damit  fertig,  als  der  befürchtete  Treffer  die FEUERSCHAUKEL  mit  verheerender  Wucht  traf.  Die Schutzschirme glühten grell auf. Entsetzt sahen die Raumfahrer für Augenblicke die  tödlichen Energien an  ihnen abfließen, dann  ihren Zusammenbruch. »Notsignal,  Jessi!«  rief Hayes,  als  er  sich  losschnallte.  »Extreme 

Fächerung. Jetzt kannʹs egal sein, ob uns das halbe Universum hört. Hauptsache,  wie  verraten  den  Ratten  nicht  den  Standort  der QUEEN.  Jasper,  die  Bomben  ʹraus!  Sternfeuer,  bereithalten!  Ich sprenge die Kuppel ab!« Swinn und  seine Freundin verloren keine Zeit. Sternfeuer  schloß 

den Raumhelm und legte die Hände auf die Schaltleisten der Gravo‐Aggregate. Sie zitterten. Die Mutantin spürte, wie die Panik nach ihr greifen wollte, fühlte den hämmernden Pulsschlag in den Schläfen. Ruhig bleiben! »Fertig!« riefen Swinn und Jessica zugleich. Hayesʹ Handfläche näherte sich einem hellrot leuchtenden Knopf, 

als die  beiden Arkonbomben  fauchend  aus  ihren Abschußkanälen fuhren,  um  sich,  einmal  programmiert  und  freigegeben, unaufhaltsam  ihrem Ziel, der unbelebten Welt, Pryttar,  zu nähern und dort einen durch nichts zu  löschenden Atombrand  in Gang zu setzen. Dies  alles  vollzog  sich  in  Sekundenschnelle,  und  doch  ging  für 

Sternfeuer alles viel zu  langam.  Jeden Moment konnte der nächste Schuß in die nun schutzlose Space‐Jet einschlagen. Die Todesangst übermannte sie. Sie wollte schreien, doch plötzlich 

hatte sie keine Stimme mehr. Irgend etwas explodierte  in  ihr. Sie glaubte zu  sehen, wie Hayes 

das  Kanzeldach  wegsprengte,  zu  spüren,  wie  die  Luft  aus  dem Schiff  ins Vakuum  gerissen wurde,  zu  hören, wie  eine  Stimme  in ihrem Helmlautsprecher schrie. Alles vermischte  sich zu einem einzigen, unwirklichen Eindruck. 

Sternfeuers Finger bewegten sich mechanisch, taten das, was sie sich 

*ʹuvor in Gedanken zurechtgelegt hatte. Sie berührten Kontakte auf den Schaltleisten.  Im nächsten Moment wurde  sie von den Beinen gerissen, hinein in die von Lichtblitzen  jäh zerrissene Schwärze des Alls. Ihre letzte Wahrnehmung war die schnell hinter ihr schrumpfende 

Space‐Jet und der fürchterliche Blitz einer Explosion. Es  war  viel  zu  wenig  Zeit  geblieben,  und  Breckcrown  Hayes 

wußte,  daß  es  seine  Schuld  war,  wenn  nun  der  Bluff  nicht funktionierte. Bluff! dachte er, während er weit über Pryttar und Kilometer von 

der  Explosionsstelle  der  Space‐Jet  entfernt  um  seine  Körperachse gewirbelt wurde. Der kurze Stoß aus den Gravo‐Aggregaten hatte ihn im allerletzten Moment aus der FEUERSCHAUKEL katapultiert und würde ihn durch das All treiben lassen, bis er Gegenschub gab. Genau das konnte er sich nicht erlauben, bis die Roxharen abzogen und keine direkte Gefahr einer Ortung mehr bestand. Der Glutball der Explosion war verblaßt. Nicht einmal Trümmer 

von der FEUERSCHAUKEL konnte Hayes sehen, geschweige denn einen  der  drei  anderen.  Er  konnte  nur  hoffen,  daß  sie  alle geistesgegenwärtig  genug  gewesen waren,  die  Richtungsvektoren ihrer Aggregate so einzustellen, daß es sie von Pryttar wegriß. Dann befanden  sie  sich  weit  genug  über  dem  Planeten,  um  nicht  von seiner Anziehungskraft eingefangen zu werden. Sie waren unerfahren  im Raum, zumindest  Jessica und  Jasper. Er 

hätte ihnen sagen müssen, was sie zu tun hatten. Dazu gehörte auch, daß  sie  sich  nicht  in  ihrer  Angst  über  Helmfunk meldeten  oder weiter an den Aggregaten herumspielten. Die Ungewißheit über das Schicksal der jeweils anderen mußte sie 

verrückt machen. Hayes war selbst nahe daran, nach ihnen zu rufen. Er konnte nicht einmal sicher sein, daß sie alle rechtzeitig gestartet waren. Bluff! Natürlich konnte er die Sache jetzt so drehen, daß er letztlich 

den  Aggressoren  ein  Schnippchen  geschlagen  hatte.  Sie  mußten 

glauben,  die  Besatzung  der  Space‐Jet  mit  dem  Schiff  selbst vernichtet zu haben. In Wirklichkeit hatten sie die Handlungsweise der Solaner diktiert. 

Ihnen war gar keine Wahl geblieben. Zum  Teufel mit  diesen  Gedanken!  schalt Hayes  sich  selbst.  Sie 

brachten  nichts  ein. Natürlich  lebten  die  anderen.  Sie mußten  es einfach geschafft haben und nun klug genug sein, abzuwarten und sich  nicht  durch  unbedachte  Reaktionen  an  die  Roxharen  zu verraten. Hayes  konnte  seine Drehung  um  sich  selbst  nicht  kontrollieren. 

Jedesmal,  wenn  er  in  die  Position  kam,  aus  der  er  die  beiden leuchtenden  Zellen  sehen  konnte,  fluchte  er  lautlos.  Sie  standen scheinbar  fahrtlos  im Raum. Worauf warteten  sie denn noch? Daß sich  die  FEUERSCHAUKEL  aus  ihren  Trümmern  wieder zusammensetzte? Dann  endlich beschleunigten  sie, und wo  ihr Ziel  lag, war nicht 

schwer zu erraten. Sie stürzten dem Planeten entgegen, wo sich die Lavaglut an zwei 

Stellen  in  eine  andere  Glut  zu  verwandeln  begann  –  die  des unlöschbaren  Atombrands,  der  sich  weiter  und  weiter  in  den Planeten hineinfressen würde, bis die Kruste aufriß und das Magma aus dem Innern dieser Welt den Rest besorgte. Unaufhaltsam,  dachte  Hayes.  Die  Selbstvorwürfe  waren  da.  Er 

konnte  sie nicht ganz zurückdrängen. War  seine Reaktion auf den Angriff der Roxharen angemessen gewesen? Hatte  er  nicht  jegliche  Verständigungsmöglichkeit  zunichte 

gemacht? Hatte  er  sich  nicht  einfach  provozieren  lassen  –  von  primitiven 

Rachegelüsten  geleitet?  Sicher,  der  Atombrand  würde  mit  dem Planeten  die  Station  vernichten.  Vielleicht  erlosch  damit  die Strahlung,  die  die  SZ‐2  festhielt. Aber  um welchen  Preis? Konnte denn ausgeschlossen werden, daß es auf dieser Glutwelt Leben gab? Es ist geschehen, verdammt! dachte Hayes. Nichts macht es mehr 

rückgängig! Die  beiden  Roxharen‐Zellen waren  in  ihren  schillernden  Auren 

auch  tief  über  der Oberfläche  Pryttars  noch mit  bloßem Auge  zu erkennen. Sie umkreisten nun die beiden Stellen, von denen aus sich der Atombrand in die Kruste fraß. Hayes  versuchte  sich  vorzustellen,  wie  es  nun  in  den  Schiffen 

aussah. Wußten die Roxharen, daß dort unten nichts mehr zu retten war? Riefen sie weitere Zellen herbei? Hayes  warf  einen  Blick  auf  die  Leuchtziffern  der  Zeitmessung 

wenige Zentimeter vor  seinen Augen, direkt über der Sichtscheibe des Raumhelms. Er  tat es noch einmal, als die Roxharen endlich Fahrt aufnahmen 

und  sich  schnell  von  Pryttar  entfernten.  Sie  verschwanden  hinter dem Planeten, offenbar mit Kurs auf das Ysterioon. Zwanzig Minuten waren verstrichen. Zwanzig Minuten quälender 

Ungewißheit. Hayes glaubte, es nun riskieren zu können, die anderen über den 

Helmfunk zu rufen. Mit Erleichterung registrierte er, daß Swinn und das Mädchen sich sofort meldeten. »Das wurde auch allmählich Zeit«, war Jessicas Stimme zu hören. 

»Breckcrown, wo steckst du? Ich sehe Jasper, aber keinen von euch beiden.« »Willst du meine Koordinaten?« fragte Hayes spöttisch. »Paßt auf. 

Ich  gebe  einige  Schüsse  mit  dem  Impulsstrahler  ab.  Wenn  ihrʹs aufblitzen seht …« »Das  ist  riskant«, unterbrach  ihn der Pyrride. »Wir wissen nicht, 

ob  die Roxharen  vielleicht  Sonden  ausgeschleust  haben,  bevor  sie abzogen.« »Ich  weiß,  daß  das  riskant  ist«,  knurrte  Breckcrown.  »Hast  du 

einen  besseren Vorschlag? Wenn  sie  uns  holen,  sollten wir  besser zusammen sein.« »Wer?« fragte Jessica. »Wer soll uns holen?« »Wer schon«, seufzte Swinn. »Oh, Jessi! Manchmal …« 

»Redet nur weiter«, empfahl Hayes sarkastisch. »Je mehr wir von uns  geben,  desto  geringer wird  die Gefahr  einer  Entdeckung.  Ich schieße jetzt dreimal kurz hintereinander. Das sollte reichen.« »Breckcrown?« »Was ist denn noch, Jessi?« »Sternfeuer. Warum meldet sie sich nicht?«   

4.  Die Nachricht traf Atlan hart. »Was  sagst  du?«  fragte  er  leise.  »Sie  haben  …  Arkonbomben 

gezündet?« Brooklyn wies auf einen der beiden Schirme, auf denen die Bilder 

zu  sehen waren,  die  von  zwei  ausgeschleusten Mikrosonden  aus unmittelbarer Nähe von Pryttar übermittelt wurden. Das war alles gewesen, was man von der DUSTY QUEEN aus für Hayes und seine Begleiter  hatte  tun  können,  ohne  die  Gefahr  einer  Entdeckung einzugehen. »Ich  bin  keine Waffenexpertin«,  sagte  die Magnidin.  »Aber was 

sonst sollte einen Atombrand entfachen können?« Dabei  fuhren  ihre Finger über die eingeblendeten Textzeilen und 

Ziffernfolgen der Analyse. Atlan  starrte  lange  darauf.  Er  preßte  die  Lippen  so  fest 

aufeinander,  daß  alles  Blut  aus  ihnen wich.  Seine Augen  tränten leicht – eine Zeichen seiner Erregung. »Dieser Narr!«  fluchte  er  dann.  »Er muß  den Verstand  verloren 

haben! Er sollte mit den Roxharen reden!« »Vielleicht  hat  erʹs  versucht. Wir  stecken  nicht  in  seiner  Haut, 

Atlan. Die Roxharen griffen ohne Vorwarnung an. Ihr Ziel war ganz ohne  Zweifel  die Vernichtung  der  FEUERSCHAUKEL. Das weißt du so gut wie ich.« »Das  ist  noch  lange  kein  Grund,  Arkonbomben  einzusetzen! 

Ausgerechnet Arkonbomben! Brooklyn, von Pryttar wird am Ende nichts  übrigbleiben!  Sie  sollten  die  Station  beobachten,  nicht vernichten!« Er  setzte  sich  und  starrte  mit  ausdrucksloser  Miene  auf  seine 

Hände. Brooklyn lächelte spöttisch. »Ich muß mich über dich wundern. Eben noch sprachst du in den 

höchsten Tönen von Breckcrown. Wenn  es  einem gelingen würde, die Roxharen  zur Vernunft  zu bringen, dann  ihm.«  Sie  schob  sich auf  einen Kartentisch und  ließ die Beine  baumeln.  »Offensichtlich hat  er  es  nicht  geschafft.  Der  Notruf  beweist  eindeutig,  daß  die Space‐Jet nicht mehr zu halten war. Hayes und die anderen waren klug genug,  ihn nicht gebündelt zu  senden. Für mich beweist das, daß sie sehr wohl  ihren klaren Kopf behielten. Und hätten wir die Sonden früher geschickt, dann wüßten wie nun mehr.« Atlan  beobachtete  die  beiden  Roxharen‐Zellen,  die  über  den 

Zentren des Atombrands standen. Von der FEUERSCHAUKEL und deren Besatzung war nichts mehr zu sehen. Er gestand sich ein, daß Brooklyns Folgerungen richtig waren, was 

seine Enttäuschung jedoch nur wenig mildern konnte. Breckcrown hatte die Funkverbindung zur QUEEN unterbrochen, 

nachdem er Atlan über die Roxharen informiert hatte. Auch das war nötig gewesen, wenngleich der Arkonide nun vieles dafür gegeben hätte, zu wissen, was sich bis zum Empfang des Notrufs getan hatte. Er mußte davon ausgehen, daß es den vieren gelungen war, vor 

der Vernichtung der Space‐Jet auszusteigen – und daß sie  jetzt auf Hilfe warteten. Die  Roxharen  würden  nicht  zögern,  auch  die  Korvette 

anzugreifen, sobald sie ihren Standort ausfindig machen konnten. Er  erinnerte  sich  an  die  erste  Begegnung mit  diesen Wesen  im 

Chail‐System,  mit  welcher  Höflichkeit  ihm  KʹEsbah gegenübergetreten  war. Wieso  gebärdeten  sie  sich  hier  so  völlig anders, kompromißlos? 

»Die halbe SOL  für deine Gedanken«,  sagte Brooklyn.  »Was  tun wir jetzt?« »Wir können nur abwarten, bis die beiden Zellen verschwunden 

sind. Dann  kümmern wir  uns  um  unsere  Leute. Mich  beschäftigt etwas anderes. Die Roxharen müssen Angst haben, große Angst vor jemandem oder etwas, wenn sie uns nicht einmal die Chance geben, ihnen die Gründe für unser Hiersein zu erklären.« »Du  glaubst  also  auch,  daß  Breckcrown  es  versuchte.«  Die 

Magnidin  neigte  den Kopf  etwas.  »Angst wovor? Doch  nicht  vor den Ysteronen?« »Darauf  wollte  ich  hinaus.  Es  gibt  einen  entscheidenden 

Unterschied  zu  den  Verhältnissen  auf  Chail. Dort  versteckten  sie sich nicht. Sie kamen offen  zu den Chailiden und  führten  sich  als deren Wohltäter und Freunde  auf.  Sie  flogen  in  ihrem  System  ein und aus, und jeder wußte es.« »Und hier?« »Ich bin  fast  sicher, daß die Ysteronen gar nicht wissen, daß  sie 

hier sind.« Brookyn  pfiff  durch  die  Zähne. Oserfan,  der  bisher  schweigend 

zugehört hatte, sagte: »Dann meinst du,  sie haben Angst davor, von den Nickeldieben 

entdeckt zu werden? Oder daß wir sie an die Ysteronen verraten?« »Dann  hätten  sie  sich  uns  nicht  zu  zeigen  brauchen«,  wehrte 

Brooklyn ab. Atlan schüttelte den Kopf. »Sie mußten vielleicht annehmen, daß wir die FEUERSCHAUKEL 

geschickt hätten, um die Station auf Pryttar zu vernichten. Es ergäbe einen  Sinn,  Brooklyn.  Dann  aber  muß  diese  Station  für  sie  und Hidden X  von  noch  viel  größerer  Bedeutung  sein,  als wir  bislang annahmen.  Die  Angst  vor  deren  Zerstörung  lockte  sie  aus  der Reserve.  Wie  sie  es  schafften,  ihre  Zellen  von  den  Ysteronen unbemerkt in den Raum zu bringen, mag dahingestellt sein. Aber es würde  erklären,  weshalb  sie  die  FEUERSCHAUKEL  angriffen. 

Wenn  die  Roxharen  im  Ysterioon  leben, wissen  sie  von  unserem Besuch dort. Vielleicht  ist  ihnen  auch  bekannt, daß Girgeltjoff  für uns  arbeitet. Auf  jeden Fall  sollten Breckcrown,  Sternfeuer,  Swinn und  dieses  Mädchen  keine  Gelegenheit  bekommen,  uns  zu benachrichtigen.« »Gehen  wir  davon  aus«,  überlegte  Brooklyn  laut,  »daß  die 

Roxharen hier keinen Kontakt mit jenen haben, denen wir im Chail‐System  begegneten,  dann  konnten  sie  nicht  wissen,  daß  wie  sie allein an ihren Zellen erkennen würden.« »Das ist richtig«, nickte Atlan. »Aber  sie  wissen  auch,  daß  die  QUEEN  irgendwo  im 

Trümmerring verborgen  auf die Rückkehr der FEUERSCHAUKEL wartete. Mit anderen Worten: Sie werden alles versuchen, um auch die Korvette zu vernichten.« »Und hinter allem steckt Hidden‐X.« Atlan  stand  auf  und  trat  vor  die  Bildschirme. Die Unterhaltung 

begann sich im Kreis zu drehen. Klarheit konnte nur von Hayes und den anderen kommen. Falls sie noch lebten … »Sie  ziehen  ab«,  sagte  der Arkonide.  »Die  Zellen  entfernen  sich 

von Pryttar und nehmen Kurs auf das Ysterioon.« »Du willst mit der QUEEN …?« »Ich nehme unsere letzte Reserve, den Drei‐Mann‐Jäger.« Er  wurde  von  einer  Solanerin  unterbrochen,  die  an  den 

Funkgeräten saß. Sie rief seinen Namen und winkte ihn zu sich. Brooklyn  runzelte die Stirn und  folgte  ihm. Oserfan hatte Mühe, 

mit ihnen Schritt zu halten. »Girgeltjoff«, sagte die Funkerin überflüssigerweise. Atlan  blickte  in  das  dreidimensional  abgebildete  Gesicht  des 

Ysteronen. »Ich  weiß  jetzt,  wo  sich  eure  Freunde  aufhalten«,  erklärte 

Girgeltjoff ohne lange Begrüßungsfloskeln. Atlan  hörte  es  mit  gemischten  Gefühlen.  Einerseits  war  er 

erleichtert  darüber,  daß  Sanny  und  Argan  U  noch  lebten  und endlich von Girgeljoff gefunden worden waren. Zum  anderen  war  jetzt  genau  das  eingetreten,  was  vermieden 

werden sollte. Da anzunehmen war, daß die Roxharen im Ysterioon sämtlichen  nach  draußen  gehenden  Funkverkehr  kontrollierten, wußten sie nun, wo sie die DUSTY QUEEN zu suchen hatten. Daß sie bisher nicht erschienen waren, konnte viele Gründe haben 

– unter anderem den, daß Hidden‐X ihnen erst nach der Annäherung der  FEUERSCHAUKEL  an  Pryttar  den  Angriffsbefehl  gegeben hatte. Oserfan  teilte  diese  Bedenken  ganz  offensichtlich  nicht. Der  nur 

etwa einen halben Meter große Molaate streckte Atlan die Ärmchen entgegen, damit dieser ihn in den Erfassungsbereich der Optik hob. Der  Arkonide  konnte  nicht  anders,  als  der  Bitte  zu  entsprechen. Oserfan wäre an  ihm hinaufgeklettert, nur um dem Ysteronen von den Lippen abzulesen, was er über Sanny zu sagen hatte. Girgeltjoff wirkte  auf dem Bildschirm nicht viel  anders  als  jedes 

andere Wesen. Atlan mußte sich vor Augen halten, daß der Ysterone ein zwanzig Meter großer Riese war. Und er redete schnell, so als ob er  jeden Moment eine Entdeckung 

durch seine Artgenossen befürchten müßte. »Wo sind sie?« fragte Atlan. »Hast du sie bei dir?« »Leider nicht. Ich habe sie noch nicht gefunden, werde mich aber 

sogleich auf die Suche machen. Ich wollte nur, daß ihr wißt, daß sie wohlauf sind. Sie verbergen sich in der Nähe der Tabuzone.« »Dann kümmere dich um sie«, bat Atlan. »Und funke nur wieder, 

wenn ihr in Gefahr seid.« »Aber  ihr müßt  kommen!«  begehrte Girgeltjoff  auf.  »Sie  sind  in 

Gefahr. Ich bringe sie zu …« Atlan hob eine Hand. »Später,  Girgeltjoff.  Im  Augenblick  ist  uns  das  nicht  möglich. 

Versteckt euch und haltet aus. Wir holen euch, sobald wir.« »Wir müssen  sofort  hin!« protestierte Oserfan. Er wollte  sich  an 

den Ysteronen direkt wenden, doch  in diesem Moment wurde der Bildschirm dunkel. Oserfan  schluckte  hörbar.  Eine Weile  starrte  er  auf  den  Schirm. 

Dann,  als  Atlan  ihn  sanft  absetzte,  schüttelte  er  ihm  die  Fäuste entgegen. »Das hast du  jetzt davon!«  schimpfte  er. »Jetzt wissen wir nicht, 

wo  er  uns  erwarten  wollte! Warum  können  wie  sie  nicht  holen, wenn sie Hilfe brauchen?« »Weil«, sagte Atlan gefaßt, »es noch andere gibt, die unsere Hilfe 

dringender  brauchen.  Oder  hast  du  unsere  Schiffbrüchigen vergessen?« Oserfan senkte den Kopf. »Es tut mir leid. Ich dachte nur an … Sanny.« Brooklyn  rang  sich  ein  Lächeln  ab,  streichelte  über  Oserfans 

kahlen Kopf und sagte leise: »Das verstehen wir. Aber du mußt auch uns verstehen.« Der Molaate verließ mit hängenden Schultern die Zentrale, nicht 

ohne sich im Eingang noch einmal umzudrehen. »Aber dann holen wie sie, ja?« »Bestimmt, Oserfan«, versprach Atlan. Brooklyns Blicke drückten Zweifel aus. »Im  Moment  kommt  es  doch  darauf  an,  daß  wir  von  hier 

verschwinden  und  uns  an  anderer  Stelle  im  Trümmerring verstecken, bevor die Roxharen hier eintreffen.« Atlan nickte. »Natürlich.  Aber  wir  lassen  eine  Raumboje  hier,  die  als  Relais 

fungiert, falls Girgeltjoff sich abermals meldete.« »Du rechnest nicht damit?« Atlan atmete tief ein und betrachtete die Schirme. »Es  ist  eine Entwicklung  in Gang geraten«,  sagte  er düster,  »die 

sich  unserer  Kontrolle  entzieht.  Vorerst  geht  es  darum,  die Schiffbrüchigen zu holen und die QUEEN in Sicherheit zu bringen. Dann können wir weitersehen. Aber  ich denke nicht daran, Sanny, 

Argan U und Girgeltjoff aufzugeben, wenn du das meinst.« »Ich habe nichts anderes von dir  erwartet«,  sagte  sie. »Du willst 

selbst fliegen?« »Wir haben noch den Drei‐Mann‐Jäger. Ich will ihn startbereit im 

Hangar haben, wenn ich unten bin.« »Wie  du meinst«,  seufzte  Brooklyn.  »Und  vergiß  nicht,  daß wir 

dich in der SOL noch brauchen.« Schon  im Gehen begriffen, drehte der Arkonide sich noch einmal 

zu ihr um. Ein spöttisches Lächeln umflog seine Mundwinkel. »Und das aus dem Mund der stolzen Magnidin?«   

5.  Von alledem, was  sich »draußen«  tat, ahnten Sanny und Argan U ebensowenig  wie  von  Girgeltjoffs  Hilfeersuchen  an  die  DUSTY QUEEN. Seit  Tagen  nun  hatten  sie  sich  von  einem  Versteck  ins  nächste 

flüchten müssen, wobei sie trotz aller Angst vor Entdeckung immer darauf bedacht waren, in der Nähe der Tabuzone zu bleiben. Einen Raum  zu  finden,  in  dem  sie  sich  einerseits  einigermaßen  sicher fühlen konnten, zum anderen durch die Energiegitter die Statue und die Fremden im Auge zu behalten vermochten, erwies sich dabei als alles andere als leicht. Hier herrschte ununterbrochen reges Treiben. Hinter den Energiegittern waren die Fremden, auf der anderen Seite die Ysteronen. Dennoch hatten Sanny und der Extra keine  einzige Begegnung dieser beiden Gruppen beobachten können. »Eigentlich«,  sagte  Argan,  »müßten  sie  uns  längst  aufgegriffen 

haben. Wir  sind Dutzenden  von Ysteronen  begegnet. Die  brachen zwar  in die übliche Panik bei deinem Anblick aus, aber sie müssen doch wissen, das wir uns in der Nähe der Tabuzone aufhalten.« Sie  befanden  sich  in  einem Raum mit  rechteckiger Grundfläche. 

Kratzer und Schleifspuren auf dem Boden deuteten darauf hin, daß 

der Raum einmal stark frequentier gewesen war. Hier hatten Geräte gestanden  oder  Kisten.  Jetzt  war  er  vollkommen  leer  wie  die meisten in diesem Sektor des Ysterioons. Eine  schmale Öffnung  in der der Tabuzone zugewandten Wand, 

kaum  mehr  als  ein  Spalt,  ermöglichte  die  Sicht  auf  eines  der Energiegitter und die  fünfzig Meter hohe Statue dahinter. Sie war ganz  eindeutig  die  Nachbildung  eines  Ysteronen  und  ruhte  auf einem  quadratischen  Sockel  von  zehn  Meter  Höhe  und  vierzig Meter  Kantenlänge.  In  diesem  Sockel  wiederum  befanden  sich mehrere  Eingänge,  aus  denen  die  Unbekannten  kamen  oder  in denen  sie  verschwanden,  wenn  sie  aus  dem  Ysterioon zurückkehrten. Meistens  schleppten  sie dann  irgendwelche Geräte oder Nahrungsmittel. Der  einzige  Korridor,  über  den  das  Versteck  zu  erreichen war, 

wurde  allein  von  den  Fremden  benutzt,  die  dann  und wann  das Energiegitter passierten. Diesem wie auch den anderen Räumen  in der unmittelbaren Umgebung maßen sie dabei keine Bedeutung bei. »Wir begegneten den Ysteronen nicht hier«, sagte Sanny. »Das war 

weiter von der Tabuzone entfernt. Keiner von  ihnen wagt  sich bis hierher, das müßtest  auch du  inzwischen  begriffen haben. Darum heißt sie ja auch Tabuzone.« »Begriffen  ja«, meinte Argan. »Das heißt, die Ysteronen sind also 

nicht Herr im eigenen Haus.« Der  Puschyde,  der  aussah  wie  ein  anderthalb  Meter  großer, 

geschuppter  Bär  und  mit  seiner  gutmütigen  Art  sofort  die Sympathien der Menschen an Bord der SOL zu gewinnen verstand, seufzte. »Ich meine,  das Ysterioon  ist  nach  allem, was wir wissen,  doch 

ihre Heimat. Hier leben sie, und doch trauen sie sich nicht bis an die Energiegitter  heran,  geschweige  denn  bis  an  die  Statue,  die  einen von ihnen zeigt. Warum, Sanny? Du bist so schlau. Warum?« »Ach, Argan.« Die Molaatin  streckte  sich,  um  das  Blut  in  den  steifen Gliedern 

zirkulieren zu lassen. »Darüber haben wie uns doch schon die ganze Zeit über, die wir 

hier sind, die Köpfe zerbrochen. Vielleicht wollen die Fremden keine Ysteronen in ihrer Nähe.« »Du willst sagen, die Ysteronen sollen gar nicht wissen, daß es sie 

hier gibt.« »Ja, Argan. So wird es sein.« Der Puschyde musterte  sie aus seinen kleinen Augen. Er  saß auf 

dem Boden. »Du gefällst mir nicht, Sanny. Dir  scheint das alles  egal  zu  sein. 

Mir aber nicht. Ich will zurück in die SOL.« »Glaubst  du,  ich  etwa  nicht?  Aber mit  leerem Magen  läßt  sich 

nicht  gut  denken,  und  ich  bin  müde.  Auch  das  kommt  vom Hunger.« Dabei klopfte sie sich auf die kleinen Taschen am Lendenschurz, 

ihrer einzigen Bekleidung. »Mit anderen Worten, du hast schon wieder alles aufgegessen und 

willst wieder die Nahrungslager der Ysteronen plündern.« »Was heißt wollen? Was weißt du denn schon vom Hunger? Du 

mit deinem Ding da.« Der Extra legte beide Hände auf sein Destilliergerät. »Du  hast  doch  dein  Zuckerwasser  immer  griffbereit. Manchmal 

glaube ich, daß darin eine Quelle ist, die einfach nie versiegt.« »Du irrst dich«, wurde sie belehrt. »Es liegt daran, daß ich meinen 

Hunger zu zügeln vermag.« »Aha.« Sanny setzte sich auf eines von Argans ausgestreckten Beinen und 

schüttelte den Kopf. »Auf  jeden Fall müssen wir wieder  in dieses Nahrungslager. Das 

Zeug, das die Ysteronen zu sich nehmen, schmeckt zwar scheußlich, aber ich kannʹs essen.« »Warum  holen  sie  uns  nicht?«  fragte  der  Puschyde  hartnäckig. 

»Sie haben uns fast  jedesmal gesehen, wenn wir dir etwas zu essen 

holen mußten  –  und  auch  auf  unseren  anderen Ausflügen. Dann flohen wir in die Nähe der Tabuzone, und verschwunden waren alle Ysteronen. Aber  sie wissen, wo wir  sind, und brauchten nur diese Gegend abzuriegeln und uns …« Er  nickte  und  legte  der Molaatin  eine Hand  auf  den  haarlosen 

Kopf. »Die  Antwort  lautet:  Entweder  dürfen  sie  nichts  von  dem 

Fremden wissen,  oder  es  gibt  etwas,  das  sie  von  hier  zurückhält. Richtig?« »Zum  Teil«,  sagte  Sanny.  »Kein  Entweder‐Oder.  Die  Fremden 

wollen  nicht,  daß  sie mit  ihnen  in  Berührung  kommen,  vielleicht auch nicht, daß  sie überhaupt  von  ihrem Hiersein wissen. Darum haben sie dafür gesorgt, daß kein Ysterone sich der Tabzone nähern kann. Damit sie unentdeckt bleiben, wie sie es vielleicht schon seit Jahren oder Jahrzehnten sind.« »Oder  Jahrhunderten«,  nahm  Argan  den  Faden  auf.  »Aber  wir 

können  uns  ihnen  nähern,  Sanny.  Warum  wir  und  nicht  die Ysteronen?« »Weil wir anders sind. Wie die Buhrlos.« »Die Buhrlos?« Argan drehte den Kopf der Molaatin  so, daß  sie 

ihm  in die Augen sehen mußte. »Was haben die Buhrlos damit zu tun?« »Sie  können  ohne  Schutzanzug  in  den  Weltraum  gehen,  die 

Solaner und wir nicht. Zufrieden? Können wir jetzt gehen?« »Damit sie uns wieder entdecken? Sanny, irgendwann geht das ins 

Auge!« »Irgendwann müssen wir  sowieso  versuchen, hier  auszubrechen 

und zu Atlan und den anderen zu  finden. Vielleicht haben sie das Ysterioon längst verlassen. Dann müssen wir eine Fluchtmöglichkeit suchen. Und  rede  nicht  dauernd  so  seltsam. Was  kann  einem  ins Auge gehen?« »Woher soll ich das wissen? Aber ich kann dir sagen, was ich bald 

in den Augen haben werde, nämlich Tränen. Wir sitzen hier herum 

wie bestellt und nicht abgeholt, während …« »U!« »Du weißt, was  ich meine. Wir beobachten und beobachten, und 

nichts Neues tut sich bei der Statue. Sanny, wir hätten schon längst nach den anderen suchen müssen.« »Sage  ich doch. Hör zu, Argan. Wir besorgen uns etwas für mich 

zu essen, und wenn wir diesmal nicht gesehen werden, versuchen wir, in eine der anderen Kugeln zu gelangen.« »Überredet«, seufzte der Puschyde. Sanny  sprang  von  seinem  Bein  herunter  und  lugte  durch  den 

Spalt. »Ich  kann  keine Graupelze  sehen.  Bei  der  Statue  ist  alles  ruhig. 

Wir versuchen unser Glück, Argan. Aber …« »Graupelze sagt sie«, brummelte ihr Gefährte. »Und ich soll mich 

einer anderen Redeweise befleißigen.« »Aber du«, fuhr Sanny ungerührt fort, »wirst uns schon den Weg 

zu der Kugel weisen müssen, in der die DUSTY QUEEN steht oder stand. Ich kenne ihn nämlich nicht mehr.«   

*  Sie erreichten unangefochten den  riesigen Lagerraum,  in dem  sich an sämtlichen vier Wänden große Kisten bis zur gut dreißig Meter hohen  Decke  stapelten.  Daß  Sanny  sich  überhaupt  hier  bedienen konnte,  lag daran, daß es keine Tür gab. Der Eingang bestand aus einem ebenfalls dreißig Meter hohen Torbogen. Vorsichtig,  jede sich bietende Deckung ausnutzend, schlichen die 

beiden sich auf jene Kiste zu, in deren Nickelhülle Argan U mit dem kleinen Thermostrahler, der in seinem Destilliergerät versteckt war, ein  Loch  gebrannt  hatte  –  gerade  groß  genug,  um  Sanny mit  der Hand hindurchfassen zu lassen. Neben  dem  Strahler  hatte  Breckcrown  Hayes  dem  Puschyden 

auch einen winzigen Translator  in  seine Anlage  installiert, was  sie zu einem noch wertvolleren Besitz machte. »Mach  schnell«,  flüsterte Argan, während  er  sich  zwischen  zwei 

Kistenstapeln versteckt hielt und nur mit dem Kopf herausspähte. »Beeile dich und nimm gleich soviel mit, daß wir nicht  in ein paar Stunden schon wieder hierherkommen müssen.« »Beruhige dich doch endlich«, gab Sanny ebenso leise zurück und 

stopfte  sich  große  Brocken  der  käseähnlichen,  schwammigen Substanz  in  die  Taschen  des  Lendenschurzes.  »Ich  bin  ja  schon fertig. Komm.« »Nein. Warte.« »Was ist denn? Ich dachte, du hättest es so eilig und …« »Sei doch still! Hörst du denn nichts?« Schnell streckte der Puschyde einen Arm nach ihr aus und zog sie 

zu sich in den Spalt. Er legte ihr eine Hand auf den Mund und hob sie so, daß ihr Kopf ganz dicht an seinem war. »Schritte«,  flüsterte  er.  »Ich wußte  es  ja.  Sei  ganz  still. Vielleicht 

entdeckt er uns nicht.« Er  –  das  war  zunächst  ein  Schatten,  der  aus  dem  heller 

erleuchteten Korridor in die Halle fiel. Dann schoben sich vier zehn Meter  lange Beine  in den Eingang.  Sanny drückte den Hinterkopf tief in Argans Fell und sah auch den Körper, der zu den Gliedmaßen gehörte.  Der  Anblick  eines  Ysteronen  war  für  sie  beileibe  nichts Neues mehr. Dennoch machte er sie fast schwindeln. Auf  den  mächtigen  Beinen  saß  ein  Rumpf  mit  zwei 

verhältnismäßig kurzen, nur jeweils einen Meter langen Armen, die in  fünffingrigen,  feingliedrigen  Händen  endeten.  Der  Kopf schließlich  ähnelte  dem  der  Menschen.  Beherrschend  in  den Gesichtern  aller  bisher  beobachteten Ysteronen waren  die  großen, stets traurig blickenden Augen. Argan U drückte  sich mit der Molaatin  tiefer  in den Spalt, doch 

das war bereits sinnlos geworden. Der Ysterone kam geradewegs  auf  ihr Versteck  zu. Die Art und 

Weise,  wie  er  sich  dabei  bewegte, machte  deutlich,  daß  er  nicht zufällig hier war. »Da  hast  duʹs!«  flüsterte  der  Extra.  »Sie  haben  gewußt,  daß wir 

wiederkommen! Sie haben einen zurückgelassen, der uns auflauern sollte.« Sanny wollte etwas entgegnen, doch Argan drückte  ihr die Hand 

noch fester auf den Mund. »Jetzt kann  es ungemütlich werden, meine Kleine«,  flüsterte der 

Puschyde.  »Sobald  er  den  Kopf  hier  hereinsteckt,  laufe  ich  ihm durch die Beine. Jetzt halte doch endlich still!« Argan U kam gar nicht auf den Gedanken, sich den Riesen etwas 

genauer anzusehen. Einer von ihnen war wie der andere. Alle sahen gleich aus. Selbst  wenn  er  sich  die  Mühe  gemacht  hätte,  wäre  er  viel  zu 

aufgeregt gewesen, um den Ysteronen als den zu erkennen, der er war. Mit  angehaltenem Atem wartete  er, bis die mächtigen Beine  zur 

Ruhe kamen und sich der Schatten über den Spalt senkte. Eine Hand tauchte in Argans Gesichtsfeld auf, und das war das Zeichen für ihn. Bevor Girgeltjoff  sich  zu  erkennen  geben  konnte, war  der  Extra 

mit der Molaatin auf den Armen durch  seine Beine hindurch und rannte auf den Eingang zu. »Bleibt doch!« rief Girgeltjoff. »Lauft nicht fort! Ich will euch doch 

helfen!« Seine Worte verhallten  ohne Wirkung. Die beiden Wesen waren 

auf dem Korridor, und als der Ysterone  ihnen  folgte,  sah er  sie  in einem  Gang  verschwinden,  der  ohne weitere  Abzweigung  direkt zur Tabuzone führte. »Kommt zurück! Ich bin es, Girgeltjoff!« Doch sie hörten ihn nicht. Unentschlossen  stand der Ysterone vor dem Gang. Er mußte die 

beiden  Kleinen  in  Sicherheit  bringen  und  konnte  nicht  auf  eine weitere  Gelegenheit  warten.  Sie  würden  sich  ein  neues  Versteck 

suchen  und  nicht mehr  hier  auftauchen, wo  sie  gesehen worden waren. Aber sie durften den anderen nicht in die Hände fallen. Alles hatte 

sich  mit  einemmal  geändert.  Im  Ysterioon  herrschte  helle Aufregung,  seitdem  die Nachricht  hereingekommen war,  daß  die Menschen  einen  Angriff  auf  Pryttar  geflogen  und  dort  einen Atombrand in Gang gesetzt hatten. Girgeltjoffs  Artgenossen  würden  den  beiden  Kleinen  die 

Mitschuld  geben  und  nicht  länger  zögern,  sich  ihrer  zu bemächtigen. Auch ihm, Girgeltjoff, trauten sie nicht mehr. Sie hatten ihn dabei 

überrascht, wie  er mit Atlan  sprach. Wieviel  sie  von dem, was  er sagte, mitbekommen  hatten, wußte  er  nicht.  Im  Grunde  hatte  er seine Bewegungsfreiheit dem Umstand zu verdanken, daß gerade, als sie Fragen zu stellen begannen, die Schreckensnachricht von der Pryttar‐Station eintraf. Girgeltjoff  konnte  sich  unbemerkt  entfernen  und  nun  hierhin 

begeben, wo die beiden Eindringlinge gesehen worden waren. Er  hatte  die Chance  vertan,  sie  hier  in  seine Obhut  zu  nehmen. 

Nun  flohen  sie  zum  einzigen Ort  im  Ysterioon,  an  den  er  ihnen unmöglich folgen konnte. Aber er mußte es  tun, es wenigstens versuchen. Vielleicht wirkte 

die Strahlung, die von der Statue ausging und  jeden Ysteronen von der Tabuzone fernhielt, nicht sofort auf ihn. Es  gab  keinen  anderen  Weg.  Die  Artgenossen  würden 

unbarmherzig  auf die beiden Kleinen  Jagd machen.  Sie  fürchteten sich zwar vor Sannys Anblick – weit größer aber war ihre Angst vor der Macht in der Statue. Girgeltjoff bewegte sich schnell auf seinen vier Beinen. Durch sein 

Zögern hatten die Kleinen einen Vorsprung gewonnen, den selbst er nur schwer wettmachen konnte. Er  begann  zu  laufen.  Er  mußte  sie  vor  der  Strahlungszone 

erreichen! 

  

*  Sanny strampelte in den Armen des Puschyden, doch der dachte gar nicht  daran,  die  zierliche  Molaatin  loszulassen.  Er  hielt  ihr  den Mund zu und rannte immer weiter auf die Tabuzone zu. Dann und wann blieb er dabei stehen, um sich kurz umzublicken. 

Von  dem  Ysteronen war  nichts mehr  zusehen,  seitdem  er  in  den Gang eingebogen war. Natürlich! dachte Argan U. Weil sie nicht weiter an die Tabuzone 

heran dürfen! Ganz sicher war er sich dessen  jedoch nicht. So  lief er auch dann 

noch weiter, als sich zu beiden Seiten des Ganges Verstecke anboten. Nur  nahe  genug  an  die  Energiegitter  heran,  dachte  er  sich. Übertriebene Vorsicht kann nicht schaden. Aber so oder so – sie saßen wieder  fest, und das alles nur wegen 

Sannys Hunger. Argan U wollte Sanny absetzen, als er nun vor sich das helle Licht 

der Hallen  sah,  die  die  Tabuzone mit  der  Statue  umgaben.  Dort befanden  sich  genug  Versteckmöglichkeiten  zwischen  riesigen Aggregateblöcken,  Kontrollwänden  und  Maschinen.  Argan  hatte keine  Lust  mehr,  sich  wieder  für  vielleicht  Tage  in  einem unbenutzten  Raum  zu  verkriechen.  In  einer  dieser Hallen war  er genauso sicher und vor allem beweglicher. Vorsichtshalber drehte der Puschyde sich noch einmal um, bevor 

er die Hand von Sannys Mund nahm. Er  gab  einen  heiseren  Laut  von  sich,  als  er  den  Ysteronen 

herankommen sah. Die riesige Gestalt füllte den Gang aus. Aber er war der Tabuzone doch schon viel zu nahe! Schnell hielt der Extra Sanny wieder den Mund zu und drückte sie 

mit dem anderen Arm  fest an seine Brust. Er wollte sich  jetzt nicht fragen,  ob  seine  und  Sannys  Überlegungen  denn  doch  falsch 

gewesen sein könnten. Er mußte die Beine in die Hand nehmen, um vor dem Ysteronen irgendwo unterschlüpfen zu können. Vielleicht  war  dies  ein  besonders  mutiger  Vertreter  der 

Nickeldiebe,  der  sich  gerade  so  weit  vorwagte,  wie  er  es  noch vertragen konnte. Vor den Energiegittern aber mußte er kapitulieren – oder alles, was Argan und Sanny in den letzten Tagen beobachtet hatten, ergab keinen Sinn. Argans Atem ging so  laut, daß er kaum hörte, was der Verfolger 

ihm zurief. Sicher  forderte er  ihn auf, stehenzubleiben, und drohte ihm. Argan  sah  das  Ende  des Ganges  vor  sich,  legte  sogar  noch etwas an Tempo  zu und  erreichte die Halle, kurz bevor die Beine des Ysteronen über ihm waren. Eines  setzte  sich  vor  ihn,  ein  zweites  berührte  rechts neben  ihm 

den Boden. Argan U war vor Schreck wie gelähmt und erwartete schon, von 

dem Riesen gepackt und in dieʹ Höhe gerissen zu werden, als er sah, daß die Beine zitterten. Es  gab  keinen Zweifel. Die  Beine  des Riesen  zitterten,  und  sein 

ganzer Körper schwankte. Dazu erklangen klagende, viel zu hastig hervorgestoßene Laute. Sanny hatte sich  in Argans Griff gedreht und  trommelte  ihm mit 

den kleinen Fäusten gegen den Kopf. Für einen Moment bekam sie den Mund frei. »Du Tölpel!« schrie sie schrill. »Siehst du nicht, wer das ist? Das ist 

…!« Schnell war seine Hand wieder auf ihrem Mund. »Ein Ysterone natürlich. Und ich will nicht unter ihm stehen, wenn 

er zusammenbricht.« Der  Extra  erspähte  zwei  eng  beieinander  stehende 

Maschinenblöcke  direkt  neben  einem  der  Energiegitter  an  einem Pfeiler,  der mindestens  fünfzig Meter  hoch  bis  zur Decke  reichte. Zwischen  ihnen war  etwa  ein Meter Raum. Argan  lief  darauf  zu, setzte Sanny ab und schob sie schnell in den Spalt. 

Sie  kam  zurück wie  von  einer  Feder  abgeschnellt,  schlug  einen Haken  um  Argan,  als  dieser  sie  zurückhalten  wollte,  und  lief geradewegs  auf  den  Ysteronen  zu,  der  sich  an  einem Wandvorsprung  festhielt  und  offensichtlich  nur  so  sein Gleichgewicht bewahrte. »Girgeltjoff!«  rief  sie,  so  laut  sie konnte. »Geh weg! Lauf voraus, 

wir folgen dir! Hier kannst du nicht bleiben!« Argan U bekam große Augen. Sein Kiefer klappte herunter. »Das … das ist unser Freund Girgeltjoff?« ächzte er. »Was  ich  dir  die  ganze  Zeit  über  begreiflich  machen  wollte!« 

erwiderte Sanny, ohne sich dabei umzudrehen. Ihr Kopf lag weit im Nacken,  so  daß  sie  in  Girgeltjoffs  trauriges  und  nun  vor Qualen verzerrtes Gesicht blickte. »Es ist … zu spät«, sagte dieser. »Die Strahlung hat … mich …« »Achtung!«  schrie  der  Puschyde,  als  er  sah, wie  sich Girgetjoffs 

Finger von dem Vorsprung lösten. »Er kippt um!« Er rannte auf Sanny zu, die sich nicht vom Fleck rührte, packte sie 

abermals  und  zog  sich  mit  ihr  bis  zum  Pfeiler  und  den Maschinenblöcken zurück. Vor  ihnen knickten die Beine des Ysteronen  in den Gelenken ein. 

Der mächtige Körper neigte sich zur Seite, hatte keinen Halt mehr und stürzte schwer zu Boden. Girgeltjoffs Kopf  lag auf der Seite. Es mußte  ihn eine ungeheure 

Überwindung kosten, die Augen offenzuhalten. Sanny  riß  sich  los und warf sich vor ihm auf die Knie. »Girgeltjoff!  So  sage  doch  etwas! Du  hast  uns  gesucht. Warum? 

Wolltest du uns zu den Freunden bringen? Bitte, sag etwas!« »Es ist … zu spät. Angriff … Pryttar …« preßte der Riese hervor. »Ich verstehe dich nicht. Was  ist mit Pryttar? Und von welchem 

Angriff …?« Er  bedeutete  ihr  zu  schweigen,  indem  er  einen  Finger  hob. 

Girgeltoffs  Blick  ging  an  ihr  vorbei,  fand  den  fassungslosen Puschyden, dann etwas auf einem der länglichen Pulte, die vor den 

Maschinenblöcken  (oder  was  immer  diese  riesigen  summenden Kästen  mit  den  vielen  Knöpfen,  Datenfenstern  und  Lichtern darstellten) aufgestellt waren. Ein Zittern durchlief den Körper des Riesen. Sanny sprang auf und 

wich  entsetzt  zurück,  als  sie  sah, wie Girgeltjoff  sich  auf das Pult zuschleppte. »Bleib doch  liegen!«  flehte  sie  ihn an. »Vielleicht können wir dir 

helfen. Uns lähmt die Strahlung ja nicht. Girgeltjoff! Du bringst dich um!« Er  antwortete  nicht,  schob  sich  weiter,  verharrte,  um  die 

allerletzten Kräften zu mobilisieren, und erreichte endlich das Pult. Wie  in  einer  Zeitlupe  hob  sich  sein  rechter  Arm,  bis  einer  der 

Finger einen Knopf drücken konnte. Der Arm fiel schlaff auf den Boden zurück. Sanny  fühlte  Argans  Hand  auf  ihrer  Schulter.  Sie  sah  den 

Puschyden kurz an, und in ihren Augen standen Tränen. »Was tut er, Argan? Was will er nur?« Girgeltjoff hatte die Augen geschlossen. Es war nicht zu erkennen, 

ob er überhaupt noch atmete. Dann brachte er noch einmal den Arm nach  oben,  drehte  an  einem weiteren,  großen  und  runden Knopf und  beobachtete  mit  einem  Auge,  wie  in  einem  Datenfenster Leuchtsymbole erschienen und sich abwechselten. Sanny  schüttelte verzweifelt den Kopf. Konnte  sie denn wirklich 

nichts für  ihn tun? Wenn sie nur wüßte, was er vorhatte. Es mußte jedenfalls von immenser Wichtigkeit sein. Endlich schien der Ysterone erreicht zu haben, was er wollte. Ein  letztesmal  hob  sich  sein  Kopf  etwas,  bewegten  sich  seine 

breiten Lippen, hörte Sanny seine nur noch ganz schwache Stimme: »Wenn du mich  empfängst, Atlan, dann …  rette deine Freunde. 

Ich …« Girgeltjoffs Kopf  schlug hart auf den Boden. »Ich … kann ihnen … nicht mehr … helfen …« Erschüttert  stand  Sanny  vor  ihm,  sah,  wie  der  Körper  schlaff 

wurde, und begriff. 

»Aus«, flüsterte Argan U. »Besinnungslos, Sanny, diese Strahlung – sie wird ihn doch nicht umbringen?« »Ich weiß es nicht«, gab sie leise zurück. »Argan, er wollte uns vor 

etwas  retten,  wahrscheinlich  vor  den  anderen  Ysteronen.  Etwas Ungeheuerliches muß draußen geschehen sein.« Sie deutete auf das noch  erleuchtete Datensichtfenster.  »Das muß  ein  Funkgerät  sein, mit  dem  er  die  DUSTY  QUEEN  erreichen  wollte.  Und  das wiederum kann nur bedeuten, daß wir  tatsächlich allein  sind. Das Schiff ist nicht mehr im Ysterioon.« »Warum  nicht?« Argan  schüttelte den Kopf.  »Sanny,  er  kann  es 

auch innerhalb des Ysterioons angefunkt haben.« »Ich glaube nicht, daß er dieses Risiko eingegangen wäre.« Der Extra  schwieg betroffen. Hilfesuchend  sah er  sich um. Noch 

war alles still. Nur das leise Summen der Geräte war zu hören. »Sie haben uns bestimmt nicht ohne Grund zurückgelassen«, sagte 

er dann. »Aber was tun wir jetzt, Sanny?« »Wenn wir  ihm nur helfen  könnten. Oh Argan! Hättest du dich 

nur nicht so furchtbar dumm angestellt!« »Es ist nun einmal geschehen, und wir sollten an uns denken!« Er  hatte  noch  nicht  ausgesprochen,  als  in  allen  Ausgängen  der 

Halle Energiegitter zu flimmern begannen. Der Puschyde wechselte  einen  schnellen Blick mit der Molaatin. 

Dann lief er um die Maschinenblöcke herum, bis er die Statue sehen konnte. »Die Fremden! Sanny,  sie kommen mit Robotern aus der Statue! 

Und wir sind eingeschlossen. Sanny, sie wollen uns holen!«   

*  Jede  Gegenwehr  war  sinnlos.  Die  Fremden  schalteten  eine Strukturlücke und passierten die Energiegitter. Zielstrebig und mit vorgehaltenen  Waffen  näherten  sie  sich  den  wie  versteinert 

dastehenden Eindringlingen. Roboter  stellten  sich um die  beiden herum  auf. Andere  schoben 

eine Antigravplattform vor sich her, auf die sie Girgeltjoffs reglosen Körper hoben. Vier Maschinen mußten zupacken, bis der Ysterone auf  der  Plattform  lag,  wo  er  von  energetischen  Fesselfeldern gehalten wurde. »Was  macht  ihr  mit  ihm?«  fragte  Sanny  einen  der  Fremden. 

»Wohin bringt ihr ihn?« Die  Fremden  trugen  Translatoren  um  den  Hals.  Der 

Angesprochene  sagte, wobei  sich  seine  runden Ohren  nach  vorne drehten: »Zurück ins Ysterioon. Ihr beide folgt uns.« Mit der Waffe unterstrich er  seine Aufforderung. Er  richtete den 

Lauf auf Sannys, dann auf Argans Brust. Schließlich deutete er auf die Strukturlücke und die Statue dahinter. »Nehmt  ihnen  ihre Sachen ab!«  forderte er einen  seiner Begleiter 

auf. »Alles.« Sanny  ließ es geschehen, daß  ihr die Taschen vom Lendenschurz 

abgetrennt wurden. Doch als die Reihe an Argan U war, machte der Extra einen Schritt zurück und streckte abwehrend beide Hände von sich. »Nicht  das  Gerät!  Ich  brauche  es  zum  Leben.  Ohne  mein 

Destilliergerät sterbe ich!« Der Graubepelzte,  der  schon  die  Finger  nach  dem  Trageriemen 

des Apparates ausgestreckt hatte, blickte den Anführer fragend an. »Woher sollen wir wissen, daß es so ist?« fragte dieser. »Weil  ich  es  euch  sage!«  versetzte  der  Puschyde  wütend.  »Ihr 

würdet es merken, wenn  ihr plötzlich eine Leiche vor euch hättet!« Schnell steigerte er sich in seinen Zorn hinein. »Und überhaupt habe ich  keine Lust, mit  euch  zu  gehen! Verschwindet und  laßt uns  in Ruhe!« »Argan!« flüsterte Sanny eindringlich. Die  Fremden  besprachen  sich. Argan U  suchte  verzweifelt  nach 

einem Ausweg. Was, wenn diese Graupelze auf die Idee kamen, das Gerät zu untersuchen, und dabei den Strahler fanden? Hilfesuchend blickte er Sanny an. Diese zuckte die Schultern und 

bedeutete ihm mit Blicken, ruhig zu bleiben. Aber  was  sollte  es  ihnen  nützen,  in  diese  Statue  geführt  zu 

werden? So groß, sich freiwillig in die Gefangenschaft dieser Wesen zu geben, .war Argans Neugierde auch wieder nicht. »Du kannst das Gerät behalten«, sagte schließlich der Führer der 

Fremden.  »Jetzt  kommt und  geht  vor uns her. Wir  schießen  beim geringsten Anzeichen für einen Fluchtversuch.« »Wir  kommen  freiwillig mit«,  beeilte  sich  Sanny  zu  versichern. 

»Nur sagt mir eines. Wer seid ihr?« »Roxharen«, sagte der Anführer knapp. Wieder winkte er mit der 

Waffe. »Rox …!« Argan U verschluckte  sich  fast an dem Wort. Für einen Moment 

sah  es  so  aus,  als  wollte  er  die  Roboter  einfach  umrennen  und davonlaufen. Dann  ließ  er  die  Schultern  hängen  und  sagte  nichts mehr. Einer  der  Fremden,  die  nun  einen Namen  hatten,  ging  voraus. 

Sanny und der Puschyde folgten ihnen. Die anderen Graupelze und die  Roboter  passierten  als  letzte  das  Energiegitter.  Hinter  ihnen schloß es sich. Und vor der Gruppe ragte die Statue weit in die Höhe. Sanny war 

an dreißig und mehr Meter hohe Decken gewöhnt, doch  in diesem gewaltigen Dom kam sie sich winzig vor, verloren. Erst  jetzt bemerkte die Molaatin die offensichtliche Erregung der 

Fremden.  Diejenigen,  die  sie  bis  jetzt  hatte  beobachten  können, waren viel ruhiger gewesen und hatten sich so verhalten, als wären sie hier zu Hause und brauchten nichts und niemanden zu fürchten. Jetzt aber spürte sie ganz deutlich, daß diese Wesen Angst hatten. Ihre Neugier wurde  dadurch  noch  größer. Was  hatte Girgeltjoff 

ihnen sagen wollen? Was war draußen geschehen? 

Und was verbarg sich hinter den vielen Eingängen  im Sockel der Statue? Wenn sie schon gefangen war und vorerst keine Hoffnung haben  durfte,  von  den  Freunden  befreit  zu  werden,  wollte  sie zumindest soviel in Erfahrung bringen wie möglich. Etwas  Unheimliches  ging  von  der  Statue  aus,  je  näher  sie  ihr 

kamen.  Das  war  keine  Einbildung.  Die  Satue  war  in  eine  Aura gehüllt, von der etwas ungeheuer Fremdartiges ausstrahlte. Argan  U  bemerkte  dies  auch.  Sanny  sah  es  an  den  scheuen 

Blicken, die er ihr zuwarf. Durch eine der Öffnungen wurden sie  in den Sockel geführt. Der 

Anblick  langer Korridore  und  auf  den  ersten  Blick  ganz  normale Räume enttäuschte Sanny. Aber was hatte sie erwartet? Dann  plötzlich  ertönte  ein  Summton,  der  sich  schnell  zu  einem 

schrillen  Kreischen  steigerte.  Wie  gegen  eine  unsichtbare  Wand gelaufen,  blieben  die  Roxharen  stehen.  Andere  Graupelze,  die  in den Räumen ihren Tätigkeiten nachgingen, erstarrten wie sie. Sannys Herz  schlug  schneller.  Sie wußte,  daß  etwas  geschehen 

würde. Der Ton wurde  so unerträglich, daß  sie  sich  beide Hände gegen die Ohren preßte. Im  nächsten  Moment  dröhnte  eine  mächtige  Stimme  aus  dem 

Nichts  auf.  Sie war  überall,  in den Ohren, mitten  im Bewußtsein. Sanny ahnte, daß jeder in dieser Statue sie in diesem Augenblick wie sie vernahm. »Unterbrecht eure Arbeiten!« hallte es in Sannys Kopf. »Euren Zellen ist  es  nicht  gelungen,  den  durch  den  Angriff  der  Fremden  auf  Pryttar entfachten Atombrand aufzuhalten! Setzt alles daran, den Planeten und die Station  zu  retten!  Alles  andere  muß  vorerst  hinter  dieser  Aufgabe zurückstehen! Verliert keine Zeit!« Sanny hörte sich schreien, als die Stimme verhallte. Sie hatte das 

Gefühl,  ihr  Kopf müßte  zerspringen.  Kaum  nahm  sie  wahr,  wie wieder Bewegung in die Roxharen kam. Argan U und sie wurden in den  nächstbesten  Raum  gedrängt.  Eine  schwere,  metallene  Tür schnappte hinter ihnen zu. 

Nur allmählich beruhigte sich Sanny. Dann hörte sie die erregten Stimmen vieler Fremder und Laufschritte vom Korridor. Argan U saß neben der Tür und starrte blicklos vor sich hin. »Was war das, Argan?« fragte die Molaatin. »Was …? Argan!« Er hob den Kopf. Sein Blick klärte sich. Ganz leise sagte er: »Roxharen. Es sind Roxharen, Sanny.« »Ja  und?  So  nennen  sie  sich.«  Sie  wurde  stutzig.  Ihre 

Benommenheit schwand vollkommen. »Kennst du sie etwa?« »Wir sind ihnen schon einmal begegnet, aber das war in …« Er schüttelte den Kopf, als könnte er immer noch nicht fassen, was 

er erfahren hatte. Dann berichtete er in groben Zügen, was er über die Ereignisse im 

Chail‐System gehört hatte.   

6.  Die Orter zeigten keine Roxharen‐Zellen  in der Nähe des Planeten. Was hinter Pryttar geschah, wußte Atlan nicht. Er konnte  es  auch nicht riskieren, sich darüber Gewißheit zu verschaffen. Sicher würde es nicht mehr  lange dauern, bis die Roxharen über 

Pryttar erschienen und alles versuchen würden, den Atombrand zu löschen. Bis dahin mußte  er  alle  Schiffbrüchigen  an Bord  haben und mit 

ihnen verschwunden sein. Breckcrown  Hayes,  Jessica  Damaree  und  Jasper  Swinn  saßen 

hinter ihm in den halb geöffneten Raumanzügen. Das Mädchen und der  Pyrride  fanden  in  einem  Sessel  Platz.  Ihr  Kopf  lag  an  seiner Brust. Sie schluchzte hemmungslos. Swinn redete auf sie ein. »Kann  sie  im  Schiff  geblieben  sein,  Breckcrown?«  fragte  der 

Arkonide, ohne die Schirme zu vernachlässigen. »Können wir sicher sein, daß es ihr gelang, rechtzeitig mit euch auszusteigen?« Hayes  saß  schweigend  da  und  starrte  düster  auf  einige  schnell 

wechselnde Anzeigen, ohne sie wirklich bewußt wahrzunehmen. »Nein«, knurrte er endlich. »Das können wir nicht. Alles geschah 

viel zu plötzlich. Und in der Verfassung, in der Sternfeuer war …« Er  sprach  nicht  zu  Ende,  sondern  schüttelte  nur  grimmig  den 

Kopf. »Aber  verdammt,  wir  können  nicht  noch  länger  hier  in  der 

Gegend  herumfunken!  Ebenso  wenig  denke  ich  daran,  ohne Gewißheit zurückzufliegen!« »Alle  Systeme  aus,  totstellen  und  warten«,  brummte  Hayes 

sarkastisch. Atlan warf ihm einen undefinierbaren Blick zu. Falls die Mutantin die Explosion der FEUERSCHAUKEL überlebt 

hatte,  trieb  sie  irgendwo  dort  draußen  im  Raum.  Sie  gab  kein Lebenszeichen. Das wiederum konnte bedeuten, daß sie von einem Trümmerstück  getroffen  worden  oder  ganz  einfach  nur besinnungslos war. Aber wie  spürte man  im All  jemand auf, der weder  funkte noch 

sich durch Energieabgabe bemerkbar machte? »Ich  will  noch  einmal  hören,  was  eigentlich  mit  ihr  los  war, 

Breckcrown«, sagte der Arkonide, ohne Hayes dabei anzusehen. Für Sekundenbruchteile nur konnten die Schirme etwas zeigen, das über Sternfeuers  Schicksal  entschied.  »Alles,  jede  Einzelheit,  die  dir aufgefallen ist.« »Einzelheiten kannst du haben. Wenn du allerdings wissen willst, 

was sie verändert hat, muß  ich passen. Es begann, als wir noch  im Hangar waren.« »Nein«, kam es von Jessica. Sie schien sich beruhigt zu haben und 

machte  sich  von  Jasper  los.  Ihre  Hand  fuhr  über  die  feuchten Wangen, dann über die geröteten Augen. »Es fing früher an, Breck. Du weißt,  daß  sie  und  ich  als  letzte  in  die  Space‐Jet  kamen. Wir waren in ihrer Kabine und …« »Und was?« fragte Atlan. Jessica zuckte die Schultern. 

»Sie  rief mich  an  und  wollte,  daß  ich  zu  ihr  käme.  Angeblich wollte sie etwas mit mir bereden. Dann aber schien sie davon nichts mehr zu wissen. Sie wirkte da schon verstört und …« »Keine Romane, Jessi«, ermahnte Hayes die Solanerin. »Bitte,  Breckcrown.  Ich  wollte  nur  sagen,  daß  sie  sich  etwas 

injizierte. Sie glaubte  sich dabei unbeobachtet.  Ich bin ganz  sicher, daß ichʹs nicht sehen, sollte, Atlan.« »Warum hat sie dich dann zu sich bestellt, wenn sie doch nichts zu 

bereden hatte?« wollte Swinn wissen. »Oh, Jasper! Man merkt, daß ihr Männer seid! Sie wollte jemanden 

bei sich haben, einfach nicht allein sein. Weiß der Himmel, was sie beschäftigte, aber sie war bedrückt. Sie hatte Angst vor etwas und machte seltsame Andeutungen.« »Welche?« Hayes hob eine Hand, bevor Jessi antworten konnte. Atlan sah den 

hellroten Punkt auf dem Orterschirm und die Anzeige darunter  im gleichen Augenblick. »Ganz kurz nur«, murmelte der Arkonide. »Lange  genug,  um  einem  im Weltraum  Treibenden  eine  andere 

Richtung zu geben«, sagte Hayes. Er deutete auf die vom Analysator ausgeworfenen  Werte.  »Da!  Keine  Roxharen  und  kein Weltraumspuk. Das  muß  sie  sein.  Vielleicht  kann  sie  uns  weder  sehen  noch 

anfunken. Vielleicht  stürzte  sie  auf Pryttar  zu und korrigierte den Flug. Ganz gleich, was nun zutrifft, das ist Sternfeuer.« »Sie  sah  uns  doch  und  will  so  auf  sich  aufmerksam machen«, 

widersprach Jessica. Atlan  schwieg dazu.  Ihm  konnte  es  gleich  sein, wer  recht  hatte. 

Der  Jäger  nahm  Fahrt  auf,  und  eine Minute  später  sprachen  die Massetaster an. Mit  gemischten  Gefühlen  steuerte  der  Arkonide  das 

Raumfahrzeug  auf  die  in  ihrem  Schutzanzug  um  sich  selbst wirbelnde Gestalt  zu. Mit Unbehagen dachte  er daran,  in welcher 

Verfassung  er  die  Solanerin  sehen  würde.  Sternfeuer  war  sicher nicht  psychisch  labil.  Was  also  konnte  sie  dermaßen  aus  dem Gleichgewicht gebracht haben? Atlan  blickte  auf  die Uhr,  als Hayes  die  Schiffbrüchige  an  Bord 

holte,  wo  es  noch  enger  wurde.  Hayes  hielt  die  Bewußtlose mit beiden Armen fest. Der Jäger beschleunigte und nahm Kurs auf das neue Versteck der 

DUSTY  QUEEN,  dessen  Koordinaten  vom  Autopiloten  aus  dem Computer abgerufen wurden. Atlan lehnte sich im Sessel zurück und überließ die Maschine sich 

selbst. Noch immer waren keine Roxharen aufgetaucht. Atlan mußte sich 

fragen, ob dies  einfach nur Glück war, Zufall oder  etwas anderes. Wurde der Jäger doch beobachtet? Erhofften sich die Roxharen (und damit  Hidden‐X),  daß  er  sie  direkt  zur  DUSTY  QUEEN  führen würde? Diese Zweifel nagten am Arkoniden, bis er wieder in der Zentrale 

der Korvette  stand. Kurz vor dem Einschleusen hatte  er Brooklyn über Funk angewiesen, das Schiff in Alarmzustand zu versetzen. Dann  aber drang die  Stimme  aus den Lautsprechern, die weder 

einem Roxharen gehörte noch Girgeltjoff.   

*  »Aufzeichner!« flüsterte Atlan der Magnidin zu. »Laufen!« Die  Botschaft wiederholte  sich. Die  Bildschirme  der  Funkanlage 

blieben weiterhin dunkel. Nur die Stimme war zu hören – wie aus Anrufen  verschiedener  Besatzungsmitglieder  deutlich wurde,  fast überall im Schiff. Atlan,  Brooklyn,  Hayes  und  die  restliche  Zentralebesatzung 

hörten gebannt zu. Niemand sprach, niemand bewegte sich. Nur die 

schnell gewechselten Blicke sprachen Bände. »Stellt  eure Aktivitäten  ein, wenn  ihr  die  beiden Eindringlinge  lebend wiedersehen  wollt,  die  sich  in  meiner  Gewalt  befinden!  Ihr  habt  den Planeten  Pryttar  angegriffen  und  dort  einen  Atombrand  entfesselt.  In diesen Augenblicken versuchen meine Diener alles zur Rettung dieser Welt und der Station. Verhaltet euch abwartend und unternehmt nichts, das sie dabei behindern könnte. Sollte der Atombrand aufgehalten werden können, werde  ich  mich  wieder  melden.  Ich  wiederhole:  Die  beiden  von  euch zurückgelassenen Eindringlinge befinden sich in meiner Gewalt. Ich werde nicht zögern, sie zu töten, falls ihr meinen Anweisungen zuwiderhandelt!« »Da!« Brooklyn wies auf einen der Schirme, auf denen die von den 

Sonden eingefangenen Bilder aus der Nähe Pryttars zu sehen waren. Roxharische  Zellen  waren  aufgetaucht  und  näherten  sich  den Brandherden. »Sie  können  nichts mehr  aufhalten«,  sagte Hayes. Er war  bleich 

geworden.  »Nicht  das, was  zwei Arkonbomben  auslösen.  Sagt  es ruhig. Ich war ein Idiot!« Atlan winkte ab. »Darüber  reden wir  später, Breckcrown. Euch  ist doch klar, wer 

sich da gemeldet hat?« »Über die  zurückgelassene Raumboje«,  sagte Brooklyn  grimmig. 

»Die  SOL‐Geister  mögen  wissen,  wie  Hidden‐X  es  schaffte, gleichzeitig  mit  der  Aktivierung  unserer  Empfänger  auch  die Rundrufanlage hier an Bord  in Betrieb zu setzen. Und es war doch Hidden‐X oder?« »Wer sonst sollte von den Roxharen als seinen Dienern sprechen«, 

brummte  Hayes.  »Natürlich  können  wir  einen  Bluff  nicht ausschließen.« »Kein  Bluff  der  Roxharen«,  entgegnete Atlan  entschieden.  »Das 

war Hidden‐X.« Er  fuhr sich mit einer Hand durch das silberweiße Haar. »Und die Warnung war deutlich genug. Sanny und Argan U sind verloren, wenn die Roxharen keinen Erfolg haben  – und den werden sie nicht haben.« 

»Wieder melden,  falls  der  Planet  gerettet werden  kann«,  lachte Hayes  trocken.  Er  ballte  die  Fäuste.  »Hidden‐X  sagte  nicht,  was geschehen wird,  falls  sie  scheitern! Was mit  uns  geschehen wird, meine ich.« »Wir könnenʹs  auch  so denken«,  sagte Brooklyn.  »Und  ich kann 

mir  nicht  vorstellen,  daß  dieses  Etwas  damit warten will,  bis  ein Ergebnis  vorliegt. Auch wenn wir  nur  über  das  Relais  angefunkt wurden, muß unsere Position jetzt bekannt sein. Wir haben ja genug gefunkt, um  längst geortet geworden zu sein. Wenn  ihr mich fragt, will uns Hidden‐X nur  in Sicherheit wiegen, während  im Ysterioon die Zellen klargemacht werden, die uns eliminieren sollen.« Oserfan  hatte  die  Zentrale  betreten  und  breitete  verzweifelt  die 

Arme aus. »Wir müssen Sanny helfen«,  flehte der Molaate. »Ihr und Argan. 

Ihr dürft nicht noch länger warten.« Atlan schüttelte  traurig den Kopf. Er hockte sich vor Oserfan hin 

und sagte sanft: »Glaubst du, einem von uns  fiele es  leicht, dies zurückzustellen? 

Aber  das  müssen  wir  noch  tun.  Wie  sollten  wir  sie  aus  dem Ysterioon herausholen, Oserfan? Wie  aus den Klauen von Hidden‐X?« »Ihr  müßt  es  wenigstens  versuchen!«  Der  Molaate  griff  nach 

Atlans Armen und  rüttelte daran.  »Oder  schickt wenigstens mich! Tut, was diese Macht von euch verlangt!« »Eben  das  können  wir  nicht.  Wäre  dies  anders,  so  gäbe  es 

vielleicht  einen  Weg,  doch  noch  friedlichen  Kontakt  zu  den Roxharen  und Hidden‐X  aufzunehmen  –  indem wir  ihnen  bei  der Rettung ihrer Station zu Hilfe kämen oder dies Hidden‐X zumindest vorzulügen.« »Dann sagt das dieser Macht! Sagt ihr, daß es euch leid tut und wir 

nichts tun können! Wir können sie doch auch anfunken …« Atlan  stand  auf  und  blickte  einige  Sekunden  zur  Funkanlage 

hinüber. 

»Nein,  Oserfan. Wir müssen  warten  und  zusehen,  daß  wir  am Leben  bleiben.  Tot  können wir  für  Sanny  und Argan  ganz  gewiß nichts  mehr  tun.  Wir  müssen  erneut  unseren  Standort  im Trümmerring wechseln, denn ich glaube, daß Brooklyn recht hat.« »Außerdem  hat  Argan  U  den  Thermostrahler  in  seinem 

Destilliergerät«,  kam  Hayes  Atlan  zu  Hilfe.  »Wie  ich  unseren kleinen Freund kenne, gibt er das Ding für nichts auf der Welt aus der Hand. Sie sind also nicht ganz wehrlos und werden sich schon selbst zu helfen wissen.« Brooklyn runzelte die Stirn, sagte aber nicht. Oserfan wandte  sich  ab. Atlans Mitleid  für  den Kleinen wuchs, 

aber Hidden‐X diktierte die Situation. »Brooklyn,  Breckcrown. Wir  verschwinden  von  hier,  aber  nicht, 

ohne den Roxharen eine Überraschung zu hinterlassen. Hört zu …«   

*  Zur gleichen Zeit befanden sich  Jessica Damaree und  Jasper Swinn in der kleinen Medo‐Station der Korvette. Sternfeuer  lag auf  einer weißen,  gepolsterten  Scheibe  mit  einem  Durchmesser  von  zwei Metern, die durch Antigrav‐Projektoren  in verschiedene Stellungen gehoben  und  gedreht wurde.  Fesselfelder  hielten  die Mutantin  in ihrer Position. Kleine  robotische  Sonden  schwebten  über  ihr  und  nahmen 

Messungen vor, deren Ergebnisse auf einer Reihe von Monitoren zu beobachten waren. Kontakte  saßen an den Schläfen, den Gelenken und  der  Brust  der  Solanerin.  Ein  Medo‐Roboter  stakste  vor  der Scheibe  auf  und  ab  oder  bediente  die Geräte,  die  unter  anderem Sternfeuers Gehirnströme aufzeichneten. »Ich  verstehe  das  nicht«,  sagte  Swinn.  Nervös  rutschte  er  in 

seinem  Sessel  hin  und  her,  streckte  die  Arme  mit  nach  oben gedrehten Handflächen von sich und schüttelte den Kopf. »Sie war 

bewußtlos, als wir sie auffischten, und  ist es  immer noch. Aber sie hat sich diesen Gegenschub gegeben!« »Ihre  Hand  kann  auch  zufällig  den  entsprechenden  Kontakt 

berührt haben«, meinte Jessica. »Glaubst du daran?« »Nein.  Sie war wach. Bestimmt war  sie das, wenn  auch nur  für 

Sekunden. Und sie hat keine Verletzungen, keinen Kratzer. Aber du gleich, wenn du die Hand nicht bald herunternimmst.« Der Pyrride hatte die Angewohnheit, sich mit den Fingern durch 

sein Haar zu fahren, wenn er nicht weiter wußte. »Wenn dieser Blechklumpen endlich etwas sagen würde!« knurrte 

er. »Jasper Benedikt Mosley Swinn! Weißt du, daß du mir manchmal 

verdammt auf die Nerven gehen kannst? Dann frage  ich mich, wie ich  überhaupt  dazu  kam,  mich  mit  einem  groben  Pyrridenklotz einzulassen.«  Sie  blickte  ihn  an.  »Ich  hätte mir  die Kerle wirklich aussuchen  können. Wie  ich  ausgerechnet  auf  dich  kam, wird mir ewig ein Rätsel bleiben. Aber wenn du Wert auf eine Fortführung unserer  Beziehung  legst,  dann  halte  jetzt  für  eine  Minute  den Mund.« »Hayes«, knurrte Swinn. »Was ist?« »Du  hast  dich  in  Hayes  verknallt.  Glaubst  du,  ich  hätte  keine 

Augen im Kopf?« Sie seufzte und schickte einen verzweifelten Blick zur Decke. »Abgesehen von seinem Fehler, die Arkonbomben zu werfen,  ist 

er  in Ordnung. Er  jedenfalls denkt vorher nach,  ehe er den Mund aufmacht.  Jasper,  irgend etwas geschieht mit Sternfeuer. Sie wollte mit mir darüber reden, da bin ich ganz sicher. Was weiß ich, warum sieʹs dann doch nicht konnte. Auf jeden Fall braucht sie Hilfe – einen Menschen, dem sie sich anvertrauen kann.« »Und der«, knurrte Swinn, »bist du, ja?« Sie  stand  auf.  Vor  einem  der  Monitoren,  der  Sternfeuers 

Herzfunktionen zeigte, blieb sie stehen und legte die Hände auf den Rücken. »Du kennst  sie doch kaum«,  sagte der Pyrride weiter. »Bei allen 

lausigen  Planeten  dort  draußen!  Jessi, mit  dir  stimmt  auch  etwas nicht. Du führst dich auf wie ein Weib mit Haaren auf den Zähnen. Sag mir eines: Was habe ich dir eigentlich getan?« Der Medo‐Robot  kam  um  die  Scheibe  herum,  die  nun  in  einem 

Winkel  von  etwa  dreißig  Grad  geneigt  war,  und  bugsierte  das Mädchen mit sanfter Gewalt von den Schirmen fort. Jessica holte tief Luft. Als  sie  sich  zu  Swinn umdrehte und  zu  ihm kam,  stand  ein unsicheres Lächeln auf ihrem Gesicht. Sie küßte ihn. »Ich weiß selbst nicht, was ich habe. Entschuldige, Jasper. Mir geht 

einfach alles auf die Nerven. Dort liegt Sternfeuer, und keiner weiß, wieʹs in ihr aussieht. Jede Wette, daß die Roboter nichts finden. Aber das ändert nichts.« »Du hast sie gern, ja?« Sie nickte. »Sehr  gern,  Jasper.  Zugegeben,  ich  kenne  sie  wirklich  kaum. 

Genau  genommen  begegneten  wir  uns  erstmals  hier  auf  der QUEEN.  Aber  entweder  man  findet  einen  anderen  auf  Anhieb sympathisch oder gar nicht.« Swinn grinste schwach. »Stimmt nicht  immer, Schatz. Dich konnte  ich anfangs überhaupt 

nicht leiden.« Wieder lächelte sie matt. »Tu mir jetzt bitte einen Gefallen und sei ruhig, ja?« »Ich  weiß  noch  etwas  Besseres.«  Swinn  stand  auf  und  gab  ihr 

einen  Klaps.  »Ich  lasse  dich mit  ihr  und  dem  Blechdoktor  allein. Aber sag mir Bescheid, wenn sich etwas tut.« »Danke«, flüsterte Jessica. Schon  in  der  Tür,  drehte  Jasper  sich  noch  einmal  um,  nickte  in 

Richtung der Bewußtlosen und sagte: 

»Ich mag sie nämlich auch.«   

*  Die DUSTY QUEEN befand sich kaum  fünfzehn Minuten  in  ihrem neuen  Versteck,  gut  eine  Million  Kilometer  von  ihrem  letzten Standort  im Trümmerring entfernt, als das Geschah, was Brooklyn und Atlan befürchtet hatten. Atlan  saß  zusammen mit  Breckcrown Hayes,  der  Funkerin  und 

zwei anderen diensttuenden Besatzungsmitgliedern am Kartentisch, wo sie einen starken Kaffee zu sich nahmen. Brooklyn schaltete das hereinkommende Bild auf den Panoramaschirm. »Da sind sie«, sagte sie. »Zwei Zellen, und sie halten genau auf die 

Stelle zu, an der Hidden‐X uns vermutet.« Schweigend verfolgten die Raumfahrer, was dann geschah. Die Roxharen eröffneten das Feuer. Sie zerstrahlten  systematisch 

alle  Materie  in  jenem  Sektor  des  880  Kilometer  dicken Trümmerrings,  in  dem  sich  die  Korvette  noch  vor  einer  halben Stunde verborgen hatte. Die Reste der ehemaligen zwanzig Planeten standen dort so dicht beieinander, daß es den Roxharen unmöglich war,  aus  ihrer Entfernung  zu  erkennen, ob die Korvette  sich nach wie vor an ihrem Standort befand oder nicht. »Sie  lassen  nichts  übrig«,  murmelte  Hayes.  »Verdammt  gute 

Arbeit  der  Burschen.«  Er  stieß  Atlan  mit  dem  Ellbogen  an. »Verstehst du mich vielleicht jetzt?« Der Arkonide gab keine Antwort. Wie  hätte  er  an  Breckcrowns  Stelle  gehandelt? Gedroht wie  er? 

Sicherlich. Aber diese Drohung auch wahrgemacht? »Gleich wird das Ding  hochgehen«,  sagte Brooklyn,  »und  ihnen 

die Genugtuung geben, uns vernichtet zu haben. Eine gute Idee von dir,  Atlan,  den  Sprengsatz  zusammen  mit  der  Mikrosonde zurückzulassen. Das muß  ihnen  jeden Zweifel nehmen. Sie werden 

überzeugt davon sein, die QUEEN und ihre Besatzung vernichtet zu haben.« »Keine Genugtuung, Brooklyn«, wehrte Atlan ab. »Ich kann und 

will  nicht  daran  glauben,  daß  die Roxharen  aus  freiem Willen  so handeln.« Sie warf ihm einen spöttischen Blick zu. »Dein Glaube an das Gute in jedem vernunftbegabten Wesen mag 

dich vielleicht ehren, Atlan. Ich glaube an das, was ich sehe.« Und das war die grelle Lichtflut einer Explosion, bevor der Schirm 

schlagartig dunkel wurde. Atlan erhob sich. »Das wärʹs gewesen«, sagte er hart. »Die Mikrosonde ist ebenfalls 

zerstört.  Wir  bleiben  auf  Tauchstation.  Nur  die  Systeme  der Lebenserhaltung und der passiven Beobachtung dürfen laufen. Wie sieht es auf Pryttar aus?« Ein  junger  Solaner  nahm  eine  Schaltung  vor.  Die  passive 

Energiemessung lieferte eindeutige Ergebnisse. »Atombrand schreitet unaufhaltsam fort.« »Wer oder was Hidden‐X auch immer sein mag, ob es nun mit dem geistigen  Faktor  der  Roxharen  identisch  ist  oder  nicht«,  sagte Brooklyn. »Wir sehen, daß auch seine Macht Grenzen hat.« Und  was  wird  die  Vernichtung  der  Anstrahl‐  und 

Umformerstation auf Pryttar zur Folge haben? fragte sich Atlan. Er wollte  sich  nicht  der  vielleicht  irrigen  Hoffnung  hingeben,  daß durch  sie  die  SZ‐2  wieder  freikommen  würde.  Aber  es  lag  im Bereich des Möglichen. »Beobachtet weiter und haltet mich auf dem laufenden«, sagte er. 

»Ich  bin  in  der  Medo‐Sation.  Es  wird  Zeit,  daß  ich  mich  um Stemfeuer kümmere.« »Ich komme mit!« erklärte Hayes. Nachdem sie die Zentrale verlassen hatten, hielt er den Arkoniden 

am Arm fest und blickte ihm fest in die Augen. »Atlan,  ich will  jetzt eine klare Antwort haben. War es falsch, die 

Arkonbomben  zu  zünden? Wenn  diese  Station  ausgeschaltet  ist, kann es sein, daß  in der Folge Dinge eintreten, die mein Verhalten nachträglich als richtig erscheinen  lassen. Das meine  ich  jetzt nicht. Hätte ich es bei der Drohung belassen sollen und …?« »Würdest du es wieder tun, wenn du in der gleichen Lage wärst?« Hayes  versuchte,  im Gesicht  seines Gegenübers  zu  lesen. Dann 

schüttelte er den Kopf. »Wahrscheinlich nicht. Nein, Atlan, ganz sicher nicht.  Ich wußte, 

was  diese  Bomben  anrichten,  aber  eben  nur  in  der  Theorie.  Jetzt, nachdem  ich  sehen  mußte,  wie  verheerend  …«  Er  ließ  den Arkoniden  los  und  nickte  grimmig.  »Nein. Es  hätte  andere Mittel gegeben, die Station unschädlich zu machen, ohne daß gleich eine ganze Welt zerrissen würde. Mag sein, daß  ich  im Affekt handelte, aus der Wut über die Kompromißlosigkeit der Roxharen heraus. Es war falsch, und ich weiß es jetzt. Ich denke, ich habe meine Lektion gelernt.« Atlan legte ihm lächelnd eine Hand auf die Schulter. »Und das ist eine ganze Menge wert. Ich könnte dein Handeln gar 

nicht verurteilen, Breckcrown, denn auch  ich mußte einiges  lernen. Was  geschehen  ist,  läßt  sich  nicht  rückgängig  machen,  und  so wollen wir hoffen, daß wenigstens die Folgen positiv sein werden. Und jetzt komm.« Als das Schott der Medo‐Station sich vor  ihnen öffnete, sahen sie 

Sternfeuer auf der Scheibe, den Medo‐Roboter und die kreisenden Sonden – und  Jessica Damaree, die  ihnen Zeichen machte, daß  sie ruhig sein sollten. Sie kam auf sie zu und flüsterte: »Sternfeuer hat gerade die Augen aufgeschlagen, aber sie ist noch 

wie  in  Trance.  Weiß  der  Himmel,  mit  welchen  Drogen  dieser Roboter  sie  vollgepumpt  hat.  Atlan,  diese  Sonden  sollen verschwinden, der Roboter auch. Sie können  ihr nicht helfen. Nur ein Mensch kann das.« Als sie den  forschenden Blick des Arkoniden auf sich  ruhen sah, 

fügte sie schulterzuckend hinzu: »Jaja, ich weiß, ich bilde mir das nur ein – oder? Aber ein Mensch 

spürt so etwas!« »Eine Frau«,  flüsterte Breckcrown anzüglich. »Eine Frau spürt so 

etwas.« Atlan  ging  an  den  beiden  vorbei  und  beugte  sich  über  die 

Mutantin. Was er in ihren blicklosen Augen sah, ließ ihn erschrecken. Eine  halbe  Stunde  mußten  sie  warten,  bis  die  Telepathin  vom 

Medo‐Roboter  »freigegeben«  wurde.  Die  Fesselfelder  erloschen. Sternfeuer  erhob  sich  und  ließ  sich  von  Jessica  von  der  Scheibe helfen. Die  Endauswertung  der  vorgenommenen  Untersuchungen 

vermochte  nicht  viel  Aufschluß  über  den  Grund  für  Sternfeuers lange  Bewußtlosigkeit  zu  geben.  Nur  soviel  schien  festzustehen: Dieser Grund  lag nicht  in einer Einwirkung von außen, wie bisher vermutet. Die Gehirnwellenmessungen  zeigten  eine  deutlich  über den Normalwerten  liegende  Aktivität  des  Angstzentrums.  Einher damit  ging  eine  ebenfalls  weit  über  normal  liegende Adrenalinproduktion. Atlan hielt die Folien noch in den Händen, als Sternfeuer vor ihm 

stand. Das eigentlich Seltsame war, daß sich beide Werte schlagartig wieder gesenkt hatten – und ein Zeitvergleich zeigte, daß dies nur Minuten  vor  dem Moment  geschehen war,  in  dem  Sternfeuer  die Augen aufschlug. Der Medo‐Robot  entfernte  sich. Seine Arbeit war getan. Mit den 

Empfehlungen  für eine Therapie, die unter den Auswertungen auf die  Folie  gedruckt  waren,  wußte  der  Arkonide  nicht  viel anzufangen. Im Grunde liefen sie auf den Ratschlag hinaus: Wartet ab und beobachtet die Patientin. »Und?«  fragte  Hayes  mit  einer  etwas  gekünstelt  wirkenden 

Unbekümmertheit. »Wie gehtʹs unserem Problemkind?« Sternfeuer  lachte  schwach und  rieb  sich über die Hautstellen, an 

denen die Kontakte gesessen hatten. Jessica reichte ihr einen Mantel, den sie sich umhängte. »Danke  der Nachfrage,  Breck. Wenn  ihr mich  fragt  –  ich weiß 

nicht, was mit mir  los war. Guckt mich  nicht  so  an.  Ich weiß  es wirklich nicht.« Wie um diese Aussage zu untermauern, blickte  sie  sich um und 

seufzte. »Ich  habe  auch  keine  Ahnung,  was  dieser  Roboter  mit  mir 

angestellt hat. Jedenfalls ist meine Kehle wie ausgetrocknet. Wie ist es – kann man hier etwas zu trinken bekommen?« Jessica kniff die Augen zusammen. »Jetzt mach  einen  Punkt,  Sternfeuer!«  sagte  sie  etwas  unsicher. 

»Etwas stimmt mit dir nicht, und das weißt du, das wissen wir. Gut, vielleicht  kennen wir  beide  uns wirklich  noch  nicht  lange  genug, und  ich  sollte mich  da  heraushalten. Aber Atlan  kannst  du  doch vertrauen. Wenn du Angst hast, wir könnten über dich lachen, dann …« »Lachen?« Sternfeuer blickte sie offenbar völlig verständnislos an. 

»Weshalb  lachen?  Also  jetzt  hört  einmal  zu.  Ich  weiß,  ich  bin umgekippt. Und natürlich war ich verstört. Ich streite das gar nicht ab, Jessi. Ist euch so etwas noch nie passiert? Gegen Depressionen ist auch heute noch kein Kraut gewachsen. Natürlich,  ich könnte mir mit Medikamenten helfen, aber das bedeutete nur, die Probleme vor sich hinschieben.« Sie lachte wieder und breitete die Arme aus. »Ich bin  in Ordnung. Es  ist vorbei.  Ich bin euch dankbar dafür, daß  ihr euch um mich Sorgen machtet, aber es ist wirklich nichts mehr. Und darum  schlage  ich  vor, wir  genehmigen  uns  jetzt  alle  zusammen eine Stärkung. Ihr seht auch aus, als könntet ihr eine gebrauchen.« »Da hast du allerdings recht«, sagte Hayes. Jessica sah es Atlan an, daß er Breckcrowns Worte  für das nahm, 

was sie waren: ein vorsichtiges Eingehen auf die Mutantin. Hayes  nahm  Sternfeuer  bei  der Hand. Gemeinsam  verließen  sie 

den Raum. Jessica hielt Atlan fest. 

»Von wegen keine Medikamente nehmen«, flüsterte sie ihm zu, als die  beiden  anderen  schon  auf  dem  Korridor  waren.  »Ich  habe gesehen, wie sie sich etwas injizierte. Sie macht sich und uns etwas vor.« Für Augenblicke wirkte der Arkonide unentschlossen. Dann  legte er der  jungen Solanerin freundschaftlich den Arm um 

die Schulter und nickte nachdenklich. »Sie ist kein Kind. Sie wird zu uns kommen, wenn sie unsere Hilfe 

braucht.« Ganz  überzeugt davon war  er  nicht,  und  er wünschte  sich, daß 

Federspiel  jetzt  an  Bord  der  DUSTY  QUEEN  wäre,  Sternfeuers Zwillingsbruder. »Wir  müssen  in  die  Zentrale  zurück.  Das  heißt  –  du  kannst 

natürlich zu den beiden gehen und …« »Lieber nicht«, winkte  Jessica ab. »Erstens bilde  ich mir vielleicht 

wirklich nur ein, daß sie sich ausgerechnet mir anvertrauen wollte, und zweitens gibtʹs da einen Kerl, der schon Stielaugen kriegt, wenn ich  Breck  nur  ansehe.  Ich  muß  etwas  zu  seiner  moralischen Aufrichtung tun, wenn du verstehst, was ich meine.« Atlan lächelte. »Dann ist dieser Kerl wirklich zu beneiden.« Jessica warf ihm einen schwer zu deutenden Blick zu. »Wie alt bist du noch einmal, Atlan? Zwölftausend Jahre?« »Ungefähr. Weshalb?« »Ach, nur  so. Sicher hast du  in diesen  zwölftausend  Jahren  eine 

Menge Frauen gehabt, oder?« Sie lachte über sich selbst. »Vergiß es. Jasper  könnte  auch  auf  dich  eifersüchtig werden,  und  außerdem fühlst du dich ja höheren Mächten verpflichtet. Trotzdem schade.« Er  blickte  ihr  nach,  als  sie  den  Korridor  hinunterging,  und 

schüttelte lächelnd den Kopf. Hatte sie nicht recht? Was ihn in der Zentrale erwartete, ließ ihn  jene gewisse Wehmut, 

die Jessicas Worte in ihm ausgelöst hatte, schnell wieder vergessen. 

»Ich weiß nicht, was  sie da  tun«, sagte Brooklyn. »Aber eines  ist sicher. Erreichen werden sie gar nichts.« Das  galt  den  Roxharen,  deren  Zellen  über  der  glühenden  und 

strahlenden Oberfläche  von Pryttar  kreisten. Es waren  noch mehr geworden,  und  soweit  sich  dies  auf  den  von  den  Mikrosonden übertragenen Bildern erkennen ließ, warfen sie etwas ab, das in der roten Glut wie feiner Kristallstaub glitzerte. »Auch  möglich«,  fuhr  die  Magnidin  fort,  »daß  Hidden‐X  vom 

Ysterioon aus versucht, die Station zu retten. Wir können gar nichts tun, oder?« Atlan brauchte nicht zu antworten. Die Frage war rhetorisch. »Also warten«, seufzte Brooklyn. Atlan bemerkte wieder Oserfans flehende Blicke. Der Molaate bot 

ein Bild des Jammers. Die  passive  Energiemessung  sagte  genug  aus.  Der  Atombrand 

hatte  sich  mittlerweile  über  eine  Fläche  von  gut  drei  Millionen Quadratkilometern  ausgebreitet.  Noch  war  die  Station  nicht erreicht, doch das würde sich im Verlauf der nächsten drei Stunden ändern. Und  diese  Stunden  vergingen  in  weiterem  quälendem Warten. 

Sternfeuer  erschien  in  der  Zentrale  und  beobachtete  lange  Zeit schweigend die Schirme. Atlan musterte sie nicht ohne Besorgnis. Um so überraschender war die heftige Reaktion der Mutantin, als 

der Atombrand die Pryttar‐Station noch nicht ganz erreicht hatte. »Die  Strahlung  läßt  nach!«  rief  sie  aus.  »Diese  undefinierbaren 

Strahlungen, die vom Ysterioon ausgehen, lassen plötzlich nach!« »Bist du ganz sicher?« fragte Atlan. »Vollkommen.« »Und das bedeutet?« fragte Brooklyn. Atlan mußte  ihr  die Antwort  schuldig  bleiben. Gemeint  konnte 

nur  jene geheimnisvolle Mental‐Strahlung sein, die Bjo Breiskoll als erster  gespürt  hatte,  als man  sich mit  der  SZ‐2  der  Zwerggalaxis näherte. Diese Nickel‐Mental‐Strahlung  reichte  also weit  über  die 

Grenzen von Flatterfeld hinaus. Doch die Pryttar‐Station existierte noch. Was also konnte dann die 

Ursache für das Nachlassen der Strahlung sein? Unwillkürlich  mußte  der  Arkonide  an  Sanny  und  Argan  U 

denken. »Läßt weiter nach«, erklärte die Telepathin. »Der Atombrand wird  die  Station  in wenigen Minuten  erreicht 

haben!«  meldete  Brooklyn.  »Der  Planet  selbst  hat  nur  noch Stunden!« Atlan  spürte  instinktiv,  daß  in  diesen  Augenblicken  eine 

Entwicklung einsetzte, die über das, was mit Pryttar geschah, weit hinausging. Aber was würde an  ihrem Ende stehen? Hatte man es hier mit Gewalten  zu  tun,  die  in  der  Lage waren,  diesen  ganzen Raumsektor ins Chaos zu stürzen? Sein  Unbehagen  wuchs.  Was  brachten  die  nächsten  Stunden? 

Wenn  sich  nur  Girgeltjoff melden  und  darüber  berichten würde, was jetzt im Ysterioon geschah! Er  kann  es  nicht,  dachte  der Arkonide.  Selbst  diese Möglichkeit 

bleibt uns nicht mehr. Gebannt verfolgte die Zentralbesatzung die Entwicklung auf dem 

Glutplaneten, und es gab niemanden mehr, der in die bedrückende Stille hineinsprach. Wann meldete sich Hidden‐X?   

7.  Sanny wußte  nicht  zu  sagen, wieviel Zeit  vergangen war,  als  die Stimmen und  Schritte  auf dem Korridor  verklangen. Es  hatte den Anschein gehabt, als befände sich das ganze Ysterioon im Aufbruch – zumindest aber dieser innere Bereich. »Still«,  flüsterte Argan U,  als  könnte  jedes  zu  laut  gesprochene 

Wort  jene  Wesenheit  auf  den  Plan  rufen,  die  zu  den  Roxharen 

gesprochen  hatte  und  nur  mit  Hidden‐X  identisch  sein  konnte. »Kannst du noch etwas hören, Sanny?« Die Molaatin  hatte  den  Kopf  an  die  Tür  gelegt  und  bedeutete 

Argan,  ruhig zu sein. Eine Weile  lauschte  sie, dann drehte sie sich zum Puschyden um. »Nichts. Es  sieht  so  aus,  als wären wir  allein  in diesem Teil des 

Sockels. Argan … was machst du?« »Wir haben  jetzt  lange genug gewartet. Du hast gesehen, was du 

sehen wolltest, und wenn sich die Roxharen erst wieder einmal an uns erinnern, haben wir nichts Gutes zu erwarten. Wir wissen jetzt, daß es sie gibt, und müssen schon allein deshalb mundtot gemacht werden,  um  den  Ysteronen  nichts  verraten  zu  können.  Wir versuchen zu fliehen, oder hast du eine bessere Idee?« Der Extra hatte sein Destilliergerät geöffnet und entnahm ihm den 

Thermostrahler. Er richtete ihn auf die Schaltplatte neben der Tür. »Was ist nun? Gehst du zur Seite oder nicht?« Sanny  beeilte  sich,  aus  der  Schußlinie  zu  kommen.  Schweigend 

sah  sie  zu, wie  Argan  die  Platte  zerstrahlte.  Sie  gab  sich  keinen übertriebenen  Hoffnungen  hin,  daß  er  die  Tür  auf  diese  Weise öffnen  könnte. Es war  ein  eher  blindes Zerstörungswerk,  und die Wut, die sich in Argan aufgestaut hatte, fand ein Ventil. Dabei verstand sie  ihn nur zu gut. Und er hatte  ja recht. Was sie 

bisher ap Wissen zusammengetragen hatten, reichte aus, um Atlan und den anderen vielleicht die entscheidenden Hinweise zu geben. Doch dazu mußten sie sie erst einmal erreichen. Ganz  nebenbei,  dachte  sie,  geht  es  darum,  daß wir  lebend  hier 

herauskommen.  Im  Bereich  jenseits  der  Energiesperren  sind  wir wenigstens relativ sicher, und dort sollte sich auch die Möglichkeit finden, die DUSTY QUEEN anzufunken. Die Roxharen durften es nicht wagen, sie bis in den Lebensbereich 

der Ysteronen zu verfolgen. Die Tür fuhr auf. 

»Na bitte«, rief Argan U grimmig und warf Sanny einen Blick zu, als wollte er sagen: »Es geht doch, wenn man nur will!« »Wir müssen  vorsichtig  sein«, dämpfte  sie den  augenblicklichen 

Überschwang des Puschyden. »Noch können Roxharen in der Nähe sein, auch wenn wir nichts von ihnen hören.« Argan war schon auf dem Gang. »Ich sehe keine«, flüsterte er wieder. »Komm!« Sanny folgte der Aufforderung nur zögernd. Sie hatte das Gefühl, 

von  Tausenden  von  Augen  beobachtet  zu  werden.  Konnten  sie wirklich  darauf  hoffen,  daß  der Macht  in  der  Staute  ihre  flucht verborgen blieb? Argan ließ ihr nicht viel Zeit zum Nachdenken. Er entwickelte sich 

zum  unermüdlichen Antreiber. Die  beiden  Gefangenen  liefen  die Korridore  entlang.  Einige  glaubte  Sanny wiederzuerkennen,  doch als  die  Roxharen  sie  abführten,  hatte  sie  kaum Gelegenheit  dazu gehabt, sich den Weg genau einzuprägen. So kam es, daß sie sich bald hoffnungslos verirrt hatten. »Wohin  jetzt?«  fragte  die Molaatin,  als  sie  einen  Verteilerpunkt 

erreicht  hatten,  von  dem  gleich  sechs  Gänge  sternförmig abzweigten. Für den Puschyden  schien  sich das Problem  nicht  zu  stellen. Er 

deutete mit der Waffe in einen der Korridore. »Wenn wir uns  immer nur  in einer Richtung bewegen«,  flüsterte 

er,  »kommen wir  irgendwann  heraus. Wo  das  ist,  soll  uns  gleich sein. Hauptsache, wir werden nicht aufgehalten.« Er lief weiter. Sanny hatte Mühe, mit ihm Schritt zu halten. Nach  etwa  zehn  Metern  nur  standen  sie  in  einem  schmalen, 

langgezogenen  Raum,  dessen  Wände  bis  hinauf  zur  drei  Meter hohen Decke nur aus Schaltanlagen zu bestehen schienen. »Ausgezeichnet«,  flüsterte der Extra.  »Jetzt  tun wir  etwas  gegen 

die Energiegitter.« Er zog Sanny mit sich bis zum Ausgang und richtete den Strahler 

auf einen der Schaltblöcke. 

»Argan«, rief die Molaatin bestürzt. »Was soll das?« »Die Energie  für die  Sperren  kommt  von  hier.  Je mehr Anlagen 

wir zerstören, desto eher brechen sie zusammen.« »Aber …!« Argan hörte sie nicht an. Der Strahl seiner Waffe  fraß sich  in die 

Verkleidungen der Geräte, ließ kleine Bildschirme platzen und löste Explosionen aus. Sanny drückte sich gegen die Korridorwand und schloß  die  Augen  vor  der  blendenden  Helligkeit.  Stichflammen fuhren aus den einzelnen Blöcken, und erst, als nach einer weiteren Explosion  ein  Funkenregen  auf  ihn  herabging,  zog  sich  auch  der Puschyde zurück. »Hier funktioniert nichts mehr«, flüsterte er, als das Krachen und 

Knistern der Entladung sich legte. »Komm weiter!« »Du brauchst gar nicht andauernd zu  flüstern«, warf Sanny  ihm 

vor.  »Wenn  die  Roxharen  bis  jetzt  nicht  wußten,  daß  wir ausgebrochen sind, wissen sieʹs spätestens jetzt!« »Dann müssen wir uns noch mehr beeilen!« »Deine  Logik  ist  geradezu  überwältigend«,  seufzte  Sanny.  »Du 

wirst sehen, was du von deinem Amoklauf hast!« Sie  sprach  ins  Leere. Argan war  schon wieder  ein  Stück weiter. 

Sanny mußte rennen, um zu ihm aufzuschließen. Insgeheim  erwartete  sie, wieder  die mächtige  Stimme  zu  hören, 

die  ihnen  befahl,  in  ihr Gefängnis  zurückzukehren. Als Argan U stehenblieb, als wäre er gegen ein unsichtbares Hindernis geprallt, erkannte sie, daß Hidden‐X sich anderer Mittel zu bedienen wußte, um sie unschädlich zu machen. Argan hatte den Verteiler erreicht. Aus einem der abzweigenden 

Gänge drangen Roboter. »Ich  denke«,  sagte  der  Puschyde,  »daß  dies  deine  Skrupel 

beseitigt, Sanny. Jetzt haben wir einmal angefangen und müssen es zu Ende bringen.« Noch während er sprach, schoß er auf die Maschinen. Eine nach 

der  anderen  verging  in  seinem  Feuer.  Sanny  schloß  wieder  die 

Augen,  erwartete  die  tödlichen  Strahlbahnen  aus  den Waffen  der Roboter. Doch als  ihr etwas gegen die Schulter schlug, war es nur Argans 

Hand. Fassungslos  sah  die  Molaatin  die  Roboter  in  ihren  Trümmern 

liegen. Das kann doch nicht alles sein, was Hidden‐X gegen uns aufbietet! 

durchfuhr es sie. »Weiter!« drängte Argan. »Komm!« Und wieder liefen sie ziellos in einen der freien Korridore hinein. 

Auftauchende Roboter wurden von Argan zerstrahlt, bevor sie ihre Waffenarme ʹ auf die Flüchtenden richten konnten. Dann aber geschah das, worauf Sanny ängstlich gewartet hatte. Ein  Energiegitter  bildete  sich  wie  aus  dem  Nichts  heraus  und 

versperrte  ihnen  den Weg.  Sanny  fuhr  herum  und  sah,  daß  auch hinter ihnen eine Barriere entstanden war. »Und  nun?«  fragte  sie.  Der  Sarkasmus  war  ihr  inzwischen 

vergangen. Sie erkannte, daß sie Argans Führerrolle akzeptiert hatte und  sich nun  von  ihm  einen Einfall  erhoffte, der  ihren  aus dieser Lage heraushalf. Es war, als böte ihnen der Gegner selbst diesen Ausweg. »Dort  vorne!« Argan  deutete mit  dem  Strahler  in  den Korridor. 

»Noch  vor  der  Sperre  zweigt  ein  Gang  ab. Wir  haben  gar  keine andere Wahl, oder?« Das nicht, mußte Sanny zugeben, wenngleich  ihr unverständlich 

war, daß Hidden‐X diesen Fluchtweg übersehen haben sollte. »Warte, Argan«, sagte sie. »Ich weiß nicht recht. Vielleicht sollten 

wir …« »Hier stehenbleiben und auf weitere Roboter warten, die diesmal 

schneller sind als wir?« »Argan, du  hast die  schreckliche Unart,  andere  nie  ausreden  zu 

lassen!« schimpfte Sanny. Der  Puschyde  blickte  sie  an  und  verzog  sein Gesicht  zu  einem 

ziemlich dürftigen Lächeln, das wohl entschuldigend wirken sollte. »Ist  ja  schon  gut,  Sanny.  Aber  wir  haben  eben  keine  Zeit.«  Er 

gestikulierte  mit  der  Waffe.  »Uns  bleibt  nur  dieser  Weg.  Was wolltest du sagen?« »Vergiß  es«, murrte  die Molaatin.  »Es  war  nicht  wichtig.  Aber 

fuchtele mir nicht mit dem Ding vor der Nase herum!« »Manchmal begreife ich dich nicht«, murmelte Argan. Dann gab er 

sich  einen  Ruck.  »Komm  endlich,  bevor  die  Barriere  in  unsere Richtung zu wandern beginnt.« Resignierend folgte sie ihm. Wieder  betraten  sie  einen Korridor,  der  sich  scheinbar  in  nichts 

von  den  anderen  bisher  passierten  unterschied.  Er  war  etwa zwanzig Meter lang, bis er sich gabelte. Ein Weg war  versperrt. Dort  schimmerte  eine  Energiewand.  So 

blieb wieder nur eine Richtung, in die sie sich wenden konnten. Diesmal sagte Sanny nichts, aber als sie dann zum drittenmal vor 

der gleichen Situation standen, hielt sie den Puschyden am Fell fest. »Begreifst  du  denn  nicht,  daß wir  in  eine  Falle  gelockt werden 

sollen, Argan? Überall  um  uns  herum  sind  Energiegitter,  nur  ein Weg bleibt frei. Warum?« »Eine Falle?« Argan U suchte  in den abzweigenden Gängen nach 

Robotern,  die  sich  hinter  den  Energiesperren  verbergen mochten, und schüttelte den Kopf. »Sanny, das leuchtet mir nur zum Teil ein. Wenn dieses Hidden‐X uns hier  festhalten wollte,  brauchte  es  sich keine  solchen  Umstände  zu  machen.  Diese  Energiegitter  können überallhin projiziert werden,  also  auch dort  in diesen  freien Gang vor uns. Wir säßen fest.« Sanny  dachte  nach.  Es  bereitete  ihr  immer  mehr  Mühe,  ihre 

Gedanken  zu  sammeln,  denn  warum  geschah  nichts  weiter? Bestimmt  gab  es  noch  mehr  Roboter  hier  –  falls  tatsächlich  alle Roxharen  zur  Rettung  des  Planeten  aufgebrochen waren. Warum meldete sich die Geisterstimme nicht mehr? Warum  zischte  nicht  einfach  ein  Energiestrahl  aus  einer  der 

Wände und  tötete sie und Argan? Weshalb hatten die Roboter mit dem Schießen gezögert? Sicher  war  doch,  daß  Hidden‐X  weitere  Zerstörungen  fürchten 

mußte.  War  diese  Macht  über  das,  was  auf  Pryttar  vorging,  so schockiert, daß sie in ihrem Denken und Handeln gelähmt war? Sanny  konnte  nicht  daran  glauben. Aber  dann  gab  es  nur  eine 

Möglichkeit. Zugegeben, Sanny war nicht sehr überzeugt von dem Ergebnis ihrer Überlegungen, doch von allen vorstellbaren Motiven des Gegners war dies jenes, das ihr am wahrscheinlichsten erschien. Der größte Unsicherheitsfaktor war der, daß  sie  sich nicht  in die 

Denkweise  einer  völlig  unbekannten  und  zweifellos  überlegenen Macht hineinversetzen konnte. »Sanny!« Sie nickte. »Argan, wahrscheinlich sollen wir an einen Ort getrieben werden, 

an dem wir keinen Schaden anrichten können. Natürlich könnte uns Hidden‐X hier einschließen. Aber du hättest noch den Strahler und könntest in die Wände feuern. Ich denke mir, daß sich hinter ihnen wichtige Installationen befinden.« »Sehr weit  hergeholt,  Sanny! Wirklich!«  tat  der  Puschyde  seine 

Meinung dazu kund. »Wir sollen in eine bestimmte Richtung geführt werden, das steht 

fest«, beharrte die Molaatin. »Und eine Richtung, die für den Gegner gut ist, ist das bestimmt nicht für uns.« »So. Und was willst du dagegen tun?« »Das.« Bevor  Argan  U  sie  daran  hindern  konnte,  ging  Sanny  auf  die 

Energiesperre  zu,  die  sich  nur  einen Meter  hinter  ihnen  gebildet hatte. Argan schrie schrill auf und wollte sie zurückreißen. Es war nicht mehr nötig. »Das Gitter … weicht  zurück!«  stieß  er  fassungslos  hervor.  Sein 

Mund stand weit offen. »Sanny, du hast das gewußt?« »Nur vermutet«, lächelte sie. »Aus welchem Grund auch immer – 

wir sollen am Leben bleiben. Wahrscheinlich braucht man uns noch als Geiseln. Allerdings hört der Gegner auch alles mit, was wir hier bereden. Also los, Argan. Wir sollten von etwas weggelockt werden, vermutlich  von  einem  wichtigen  Schaltzentrum.  Ich  glaube,  wir finden es, wenn wir genau in die entgegengesetzte Richtung laufen. Aber  dann  müssen  wir  uns  sehr  beeilen,  bevor  die Gegenmaßnahmen  eingeleitet  sind.  Die  Sperren  bedeuten  keine Hindernisse mehr. Wenn wir  leben  sollen, dürfen wir  nicht darin verbrennen.« Argans Blicke drückten fast grenzenlose Bewunderung aus. Sanny 

war  es, die diesmal  zu  rennen  begann und den Puschyden damit aus seinem Staunen riß. Vierzig  Meter  Kantenlänge!  dachte  sie,  während  eine 

Energiebarriere  nach  der  anderen  vor  ihnen  zusammenfiel.  Das heißt  zwanzig  Meter  von  jedem  Eingang  bis  zum  Zentrum  des Sockels.  Wir  können  es  schaffen,  denn  bisher  sind  wir wahrscheinlich  nur  um  dieses  Zentrum  herumgeirrt  oder herumgeführt worden! Argan  mußte  so  schnell  auf  alles  schießen,  was  sie  an 

Schaltanlagen zu sehen bekamen, daß dem Gegner nicht einmal die Zeit blieb, seine Waffen einzusetzen. Sanny  dachte  dabei  an  solche,  die  nur  lähmten  oder  betäubten. 

Jetzt,  da  aus  einer  vagen  Vermutung  Gewißheit  geworden  war, bekam auch das zögernde Verhalten der Roboter einen Sinn. Hidden‐X mußte davon überzeugt gewesen  sein, daß allein deren Anblick die Ausbrecher aufgeben lassen würde. Und  jetzt dröhnte auch wieder die Stimme auf. Sanny  lief weiter, 

auf die letzte Barriere zu, hinter der sie schwach Maschinenblöcke in einem unnatürlichen, weißen Kunstlicht sehen konnte. Sie kämpfte gegen den  Impuls an,  sich hinzuwerfen und die Hände gegen die Ohren  zu  pressen.  Es  würde  nicht  helfen.  Die  Stimme  entstand mitten in ihrem Schädel: »Gebt auf! Begebt  euch  in  einen der offenstehenden Räume und wartet 

auf  meine  Diener!  Andererseits  sehe  ich  mich  gezwungen,  neue Präferenzen zu setzen und euch zu töten!« »Nicht hinhören, Argan!« hörte Sanny sich rufen. Es war vollkommen unnötig. Der Puschyde schrie auf, packte die 

Molaatin, klemmte sie sich unter den linken Arm und rannte mit ihr durch  die  letzte  Sperre,  die  im  gleichen  Moment  in  sich zusammenfiel. Die Stimme, die ununterbrochen die gleichen Worte wiederholte, 

schien  ihn noch  einmal  jäh  in  jene  stumme Wut zu versetzen, vor der Sanny schon einmal erschrocken war. Vor ihnen lag eine Zentrale. Es muß sich um eine solche handeln, 

vielleicht um das Herz dieser gesamten Anlage, wenn nicht gar des Ysterioons  selbst.  In  mehreren  Reihen  standen  Maschinenblöcke aneinander. Der Raum war mindestens zehn mal zehn Meter groß, was Sanny angesichts der  im Sockel bereits zurückgelegten Strecke einigermaßen in Verwunderung versetzte. Waren sie doch noch  im Kreis gelaufen? Es schien nur diese eine 

Erklärung  zu  geben. Doch  sich  darüber  den Kopf  zu  zerbrechen, dazu blieb der Molaatin keine Zeit mehr. Argan setzte sie im Eingang ab und begann zu feuern. Der Strahl  seiner Waffe wanderte über die Wände, die  lückenlos 

mit  technischen  Geräten  bedeckt  waren.  Riesige  Blöcke  mit Datenfenstern und Schaltplatten in der Verkleidung wechselten mit langgezogenen, flachen Pulten ab, auf denen in allen Farben Lichter leuchteten. Erst jetzt nahm Sanny das Summen wahr, das den Raum erfüllte,  und  in  das  sich  die Geisterstimme  und  das  Fauchen  der Strahlschüsse mischte – dann das Krachen der ersten Detonationen. Hier hielt sich außer ihnen kein lebendes Wesen auf. Kein Roxhare 

stürmte  durch  eine  der  anderen  Eingänge  in  diese Zentrale. Kein Roboter erschien oben auf der Galerie, die  sich  in einer Höhe von etwa  drei  Metern  rings  um  diese  Ansammlung  komplizierter Technik  zog.  Insgesamt mochte der Raum  fünf,  sechs Meter  hoch sein. 

Aber  Hidden‐X  muß  doch  über  Möglichkeiten  verfügen,  diese Anlagen zu schützen! dachte Sanny. Sie  zog  sich  ein  Stück weiter  in  den Gang  zurück  und  sah  sich 

ängstlich um. Nichts. Dabei  spürte die Molaatin nun überdeutlich, daß  sie  und  Argan  in  Gefahr  schwebten  –  nicht  nur  durch  die Explosionen,  die  nun  in  einer,  wahren  Kettenreaktion  von  den teilweise schon zerstrahlen und brennenden Teilen der Anlage auf andere übergriffen. Die  Stichflammen  blendeten  Sanny.  Das  Krachen  und  Knistern 

machte sie fast taub. Und immer noch stand Argan wie ein dunkler Schemen  vor  ihr  und  schoß,  ohne  den  Finger  vom  Abzug  zu nehmen.  Der  gleißende  Energiestrahl  fraß  sich  durch  dichter werdenden Qualm und eine Luft, die nur aus Helligkeit zu bestehen schien. Es wurde unerträglich heiß. Rauch drang  in  Sannys Lungen, bis 

sie das Gefühl hatte, nicht mehr atmen zu können. Argan U begann zu taumeln. Aber  es  war  genug!  Sie  mußten  fort  von  hier,  weg  von  den 

zuckenden  Überschlagblitzen  und  explodierenden  Pulten,  deren Trümmer wie Geschosse  in die Wände  fuhren und die Zerstörung auch dorthin trugen. Sanny schrie Argan an, doch dieser hörte sie nicht. Er ist wie besessen! durchfuhr es die Molaatin. Sie brachte es nicht 

fertig, auf ihn zuzugehen und ihn zurückzureißen. Bei  meinen  Ahnen!  dachte  sie  entsetzt.  Die  ganze  Statue  wird 

explodieren! Wir kommen hier um! Was haben wir angerichtet! Ein  Schwall  kochender  Luft  fuhr  in  den Gang.  Sanny warf  sich 

schreiend zu Boden, bis sie keinen Laut mehr hervorbrachte. Dafür mischte sich ein anderer in das akustische Chaos – ein Heulton, eine Sirene! »Argan! Komm endlich und …!« Er drehte sich zu  ihr um. Sanny spürte  ihren Körper kaum noch, 

als sie sich aufrichtete und ihm die Hände entgegenstreckte. 

Eine Bewegung hinter dem Puschyden zog  ihre Aufmerksamkeit auf  sich.  Sanny  sah,  als  die  Rauchwolken  für  einen  Moment aufrissen, wie  sich  an der Decke  ein Projektor drehte  und  auf  sie richtete. »Schnell fort von hier!« rief sie. »An die Wand, Argan! Dort …!« Die Warnung kam zu spät. Mitten  in der Bewegung erstarrte der 

Extra, stand für ein, zwei Sekunden schwankend auf seinen Beinen, um dann wie  leblos  zu Boden  zu  sinken. Die Waffe  entfiel  seiner kraftlos gewordenen Hand. Das  sah  die  Molaatin  nur  noch  verschwommen.  Tausende 

winziger, heller Punkte tanzten in der Dunkelheit, die plötzlich vor ihren Augen war. Dieses Dunkel wich erst wieder, als Sanny spürte, wie ihr Körper angehoben wurde. Jemand trug sie fort. Sie konnte den Rücken eines Roboters sehen, 

der  im  Schein  der  Feuer  rostrot  glühte.  Sie  spürte  die  kalten Greifwerkzeuge  der  Maschinen  nicht.  Sie  hatte  überhaupt  kein Gefühl für ihren Körper mehr. Argan! schrie es lautlos in ihr. Wo ist Argan! Scheinbar  endlos  zogen  sich  die Wände  der  Gänge  dahin,  die 

Sanny  nur  sehen  konnte, wenn  ihr Kopf  gerade  zur  Seite  fiel.  Sie war  nicht  steif,  aber  bewegungsunfähig.  Der  Strahl  aus  dem Projektor  hatte  sie  gelähmt,  doch  nicht  betäubt.  Sie  konnte  sehen und hören, was um sie herum vorging, doch nicht mehr aktiv in das Geschehen eingreifen. Sanny verlor  jeden Zeitsinn.  Irgendwann  lag sie auf dem Rücken 

in einem kleineren, kühlen Raum, dessen Halbdunkel  ihr wie eine Erlösung vorkam. Ihr Kopf lag so, daß sie Argan U sehen konnte. Sie hörte, wie eine 

Tür sich schloß. Der Puschyde mußte sie ebenfalls sehen, denn sein Gesicht war ihr zugedreht. Als  ob  sie  es  mit  Absicht  getan  hätten!  dachte  die  Molaatin 

verzweifelt. Sie konnten einander sehen, aber kein Zeichen geben – nicht einmal mit einer Wimper zucken. 

Ein  jeder von  ihnen war  in seiner eigenen Hilflosigkeit gefangen. Es gab so vieles, das Sanny dem Gefährten zu sagen gehabt hätte, so viele Fragen ohne Antwort. War er verletzt? War sie es? Warum  konnte  sie  nichts  fühlen? Die  Roboter  hatten  sie  in  ein 

anderes Gefängnis gebracht, aber was geschah jetzt draußen auf den Gängen? Standen die Energiegitter um den Bereich der Statue noch? War Argans Zerstörungswerk überhaupt von irgendeinem Nutzen 

gewesen – wenn nicht  für  sie, dann wenigstens  für Atlan und die Männer und Frauen in der DUSTY QUEEN? Unsere Freunde draußen! dachte Sanny  flehentlich. Allmächtiger 

Geist  des  unendlichen Alls  –  laß  unseren  Tod wenigstens  für  sie einen Sinn haben. Laß uns nicht umsonst sterben müssen! Sie  durfte  nicht  mehr  darauf  hoffen,  am  Leben  gelassen  zu 

werden. Und  der  Tod war  vielleicht  ein  gnädigeres  Schicksal  als eine lebenslange Gefangenschaft. So  sehr  sie  sich  auch  bemühte,  einen  Hoffnungsschimmer  zu 

sehen,  fest stand, daß sie Dinge beobachtet hatten, von denen kein Ysterone jemals erfahren durfte. Damit war das Urteil über sie gesprochen. Sanny wünschte sich nur noch eines. Sie hatte die Roxharen und 

das Innere des Sockels gesehen. Sie wollte auch den Rest sehen – die Statue und das, was sich  in 

ihr verbarg.   

8.  »Nichts mehr«, flüsterte Sternfeuer. Sie stand mit ausdruckslosem Gesicht vor dem Panoramaschirm, 

der die vom Atombrand zerfressene Glutwelt zeigte, ohne das Bild wirklich wahrzunehmen.  Ihre  Lippen  bewegten  sich,  als  gehörten sie gar nicht zu ihr. »Die Strahlung ist jetzt völlig erloschen.« 

Atlan wechselte einen Blick mit Brooklyn und Hayes, der ebenfalls wieder die Zentrale betreten hatte. »Die  Mental‐Strahlung«,  sagte  er  gedehnt,  um  erst  gar  keine 

falschen  Hoffnungen  aufkommen  zu  lassen.  »Das  muß  nicht bedeuten,  daß  nun  auch  die Nickel‐Absorber‐Strahlung  erloschen ist, die die SZ‐2 festhält.« »Der Atombrand  kann  nicht die Ursache  sein«, überlegte Hayes 

laut. »Er hat die Station noch nicht erreicht.« »Doch!« rief die Magnidin. »Jetzt!« Von der roten bis hin ins Gelbliche reichenden Glut der Oberfläche 

schossen gewaltige Feuerspeere von Pryttar aus  in den Raum. Die Roxharen‐Zellen,  die  sich  noch  über  der  betreffenden  Stelle bewegten, nahmen schnell Fahrt auf, um sich in sicherer Entfernung zu sammeln. Die Explosionen schienen kein Ende zu nehmen. Atlan schauderte, 

als  er  sich  vorzustellen  versuchte,  welche  Gewalten  dort  nun freigesetzt worden waren. »Das beschleunigt die Sache nur noch«, hörte er Brooklyn sagen. 

»Pryttar wird in kürzerer Zeit bersten, als wir uns ausrechneten.« »Und sie wissen das auch«, sagte Hayes. Die  Roxharen  drehten  ab  und  verschwanden  nach  wenigen 

Sekunden von den Schirmen der passiven Energiemessung. Oserfan stieß einen Schrei aus und lief aus der Zentrale. »Lauf ihm nach«, bat der Arkonide Hayes. »Du meinst, er könnte auf dumme Gedanken kommen?« Atlan ballte die Fäuste. »Ich meine,  daß  er  uns  dafür  verantwortlich macht,  daß  Sanny 

jetzt in der Gewalt von Hidden‐X ist.« »Aber unter den gegebenen Umständen …« »Ich weiß!« schnitt Atlan ihm barsch das Wort ab. »Immer sind es 

die Umstände!« Hayes zuckte die Schultern und ging. Brooklyn warf Atlan einen 

tadelnden Blick zu. 

»Du brauchst deine Wut nicht an ihm auszulassen, Arkonide!« . »Meine Wut!« Er  lachte rauh und wies auf den Panoramaschirm. 

»Habe  ich  etwa  keinen Grund, wütend  zu  sein? Die  SOL  stößt  in diesen Raumsektor  vor. Wir  finden  Sonnensysteme  ohne Planeten vor,  als wir  uns  die  dringend  benötigten  Rohstoffe  holen wollen. Natürlich gibt es noch einige Welten, die nichts an Nickel hergeben, jedenfalls  keine  lohnenden Mengen. Alle  anderen  aber  treiben  als Trümmerringe um ihre Sonnen. Wir finden diese armen Wesen, die Molaaten, deren Volk  von heute  auf morgen  spurlos  verschwand, nur  weil  eine  Macht,  die  unbekannte  Absichten  verfolgt,  Nickel braucht.« Er breitete die Arme aus. »Wir erfahren, daß es Ysteronen gibt,  und  daß  diese  für  die  Planetenzerstörungen  verantwortlich sind.  Wir  stoßen  nach  Flatterfeld  vor  und  erhalten  die  ersten Hinweise  darauf,  daß  die  Ysteronen  nicht  aus  eigenem  Willen handeln. Brooklyn, wann wird es einmal  soweit  sein, daß wir uns mit Wesen wie  ihnen,  selbst mit  den  Roxharen  verständigen  und einigen  können,  ohne  daß  eine  Welt  geopfert  werden  muß,  ein scheinbar wertloser Planet! Aber wer hat das Recht, diese Maßstäbe zu setzen? Pryttar ist ebenso Teil der gewaltigen Schöpfung wie die Erde, wie Arkon!« Die Magnidin schwieg beeindruckt, obgleich ihr Begriffe wie Erde 

und Arkon kaum viel sagen mochten. »Zwei  Freunde  befinden  sich  in  Lebensgefahr,  sind  vielleicht 

schon  tot, weil die Umstände es so wollten, Brooklyn!  Ich will gar nicht  davon  reden,  welches  Leid  den  Ysteronen  von  Hidden‐X angetan  wurde  und  wird.  Verdammt,  die  Arkonbomben  hätten nicht auf Pryttar zünden sollen, sondern dort, wo diese Macht sich versteckt!« »So habe  ich dich noch nie  reden gehört, Atlan«,  sagte Brooklyn 

leise. »Dort!« schrie  in diesem Augenblick ein Solaner. »Der Planet! Er 

bricht auseinander!« Und sie sahen es alle. 

Pryttar  verging  im  atomaren  Feuer.  Der  Atombrand  hatte  das innere  Magma  erreicht,  das  die  Kruste  in  einer  verheerenden Kettenreaktion von Explosionen weit in den Weltraum sprengte. Für Minuten standen die in der Zentrale Anwesenden reglos und 

verfolgten das  Sterben  einer Welt. Trümmerstücke  von der Größe kleiner  Kontinente  schossen  wie  flammende  Meteore  durch  die Schwärze des Alls. Flüssige Glut  spritzte wie die Eruptionen einer Sonne  aus  dem  deformierten  Ball  und  erstarrte  erkaltend  zu weiteren Brocken, die Nickelmaul bis  in alle Ewigkeit als Teile des Trümmerrings umkreisen würden. Dann  verdunkelte  sich  der  Bildschirm  schlagartig. Nur  auf  den 

Monitoren der Energiemessung setzte sich das Drama fort. »Aus«,  sagte Brooklyn heiser. »Unsere Mikrosonden werden uns 

nichts mehr übertragen.« Sternfeuer drehte sich zu Atlan um und nickte. »Keine Strahlung mehr«, versicherte sie. Unausgesprochen stand wieder die bange Frage  im Raum: Wann meldet sich Hidden‐X? Atlan  zwang  sich  dazu,  die  aufwallenden  Emotionen 

zurückzudrängen.  Er wußte,  daß  alle  von  ihm  eine  Entscheidung erwarteten. Jetzt eingehende Anrufe aus vielen Teilen des Schiffes bewiesen, 

daß  die  Unruhe  unter  der  Besatzung  sich  wieder  gefährlich ausbreitete. »Du  darfst  die  Initiative  nicht  Hidden‐X  überlassen«,  sagte 

Sternfeuer, als hätte sie in seinen Gedanken gelesen. Atlan wußte, daß dem nicht so war. Doch sie hatte recht. Du  hast  deine  Entscheidung  längst  getroffen,  meldete  sich  der 

Extrasinn. Die Wahrscheinlichkeit  dafür,  daß mit  der Mental‐Strahlung auch die Nickel‐Absorber‐Strahlung erloschen ist, ist groß. Und du kannst nichts für Sanny und Argan U tun! Nicht mit der DUSTY QUEEN! Atlan rief Breckcrown Hayes über die Rundsprechanlage. »Er  soll  die  QUEEN  vorsichtig  bis  zur  Außenseite  des 

Trümmerrings  bringen,  Brooklyn. Wir  stehen  noch  im  Schutz  der Sonne.  Außerdem  dürfte  die  Explosion  Pryttars  unsere  eigene Energieentfaltung  auch  für  eventuell  im Raum  stehende Roxharen ausreichend  überdecken.  Sobald  wir  die  neue  Position  erreicht haben, versuchen wir, die SZ‐2 anzufunken.« »Und du?« »Ich werde zur rechten Zeit wieder zurück sein. Jetzt brauche  ich 

dringend Luftveränderung.«   

*  Atlan entnahm einem Automaten ein Getränk und  sah  sich  in der kleinen Messe der Korvette um. Nur wenige dienstfreie Männer und Frauen befanden  sich hier und  starrten meist  schweigend vor  sich hin. Wo sich unterhalten wurde, kreisten die Gespräche nur um ein Thema: Pryttar und Hidden‐X. Gerade davon wollte der Arkonide wenigstens für Minuten nichts 

mehr  hören.  Die  DUSTY  QUEEN  wußte  er  bei  Hayes  in  guten Händen. Er erblickte Jessica Damaree und Jasper Swinn an einem Tisch und 

setzte sich zu ihnen. Das Mädchen lächelte verhalten. »Langeweile, Atlan?« »Was  man  von  euch  nicht  behaupten  kann,  oder?  Wieder 

versöhnt?« »Ich sag dir, man hatʹs nicht leicht mit ihr«, seufzte Swinn. »Sieht 

man  ihr  an,  daß  sie  sich  zur  barmherzigen  Samariterin  berufen fühlt?« »Ach, sei still!« sagte Jessica schnell. »Wo hast du denn den Ausdruck her?«  fragte Atlan verwundert. 

»Den Samariter meine ich.« Der ehemalige Pyrride winkte großzügig ab. »Man hört vieles, wenn man die Ohren offenhält.« Swinn grinste. 

Dann stellte er völlig überraschend die Frage: »Werden wir  jemals die Erde anfliegen, Atlan?« »Hui!« machte das Mädchen. »Ich wußte nicht, daß du heimlicher 

Terra‐Idealist bist, Jasper!« »Das  hat doch damit  nichts  zu  tun.  Ich meine  nur, wir  von der 

SOL  leben  in  einem  …  einem  Gefängnis.  Ja,  lacht  nur,  aber manchmal  kommtʹs mir  eben  so  vor.  Als  du  auftauchtest,  Atlan, änderte  sich  so  vieles  in  kurzer  Zeit. Da  frage  ich mich, wie  die Menschen auf Terra sein müssen, wenn du schon …« »Ich wurde  nicht  auf  Terra  geboren«, winkte  der  Arkonide  ab. 

»Und ich will auch nicht darüber reden.« »Weil  es  dich  bedrückt,  nicht wahr?« meinte  Jessica.  »Atlan,  du 

kannst dich nicht gut verstellen. Kosmokraten oder nicht. Aber du sehnst dich nach der Erde zurück. Willst du dir nicht einfach einmal Luft verschaffen? Ich höre gern zu.« Swinn schüttelte in gespielter Verzweiflung den Kopf. »Da  hörst  duʹs  selbst.  Das  meinte  ich  mit  der  Samariterin.  Sie 

bildet  sich  ein,  Sternfeuer  helfen  zu müssen,  und  jetzt  nimmt  sie auch noch dich aufs Korn!« »Ach, was weißt du denn!«  fuhr  Jessi  ihn an. »Ich will dir sagen, 

was du brauchtest, nämlich …« Atlan  streckte die Beine von  sich und  trank. Der Streit zwischen 

den  beiden Verliebten, der  nun wieder  ausbrach,  befreite  ihn  von Jessicas sicher gut gemeinter Fürsorge. Aber ihre Worte hatten alte Wunden wieder aufgerissen. Manchmal wünschte der Arkonide sich, ein Mauseloch zu finden, 

in das  er  sich verkriechen konnte  – vor  seinen  eigenen quälenden Gedanken. Er war überzeugt von seinem Auftrag und würde alles  in seinen 

Kräften Stehende tun, um ihn auszuführen. Doch  irgendwo  gab  es  die Milchstraße,  das  Solsystem  und  die 

alten Freunde, falls sie noch lebten. Perry Rhodan, Bully, die Mutanten – fast war es unvorstellbar, daß 

sie  eines  Tages  einfach  nicht mehr  da  sein  sollten. Würde  er  sie jemals wiedersehen, und wenn ja, unter welchen Umständen? Es gab kein Mauseloch  für  ihn, und so war er  froh, als er seinen 

Namen nach einer Weile ausgerufen hörte. »Entschuldigt mich«,  bat  er  Jessica und  Jasper.  »Die Pflicht  ruft. 

Und streitet euch nicht zu lange. Euer Leben ist zu kurz dazu.« Die beiden blickten ihm betroffen nach. »Verstehst du, was er meint, Jessi?« fragte Swinn. »Genau das braucht er,  Jasper«, erwiderte sie völlig ernst. »Einen 

Menschen, der ihn versteht.« Er schüttelte nur den Kopf und holte sich ein neues Getränk – das 

mittlerweile  vierte,  und  die  Flüssigkeit  roch  verdächtig  nach starkem Alkohol. Er knallte den Becher auf den Tisch. »So!«  rief  er  so  laut,  daß  alle Anwesenden  die Köpfe  nach  ihm 

umdrehten. »Und wer versteht mich?«   

*  Als Atlan die Zentrale betrat, blickte ihm von einem der Bildschirme ein  vertrautes  Gesicht  entgegen,  und  augenblicklich  waren  alle tiefgründigen Gedanken vergessen. »Brooklyn, Breck«, stieß er überrascht hervor. »Ihr habt schon …?« »Die  SZ‐2  angefunkt  und  erreicht,  wie  du  siehst«,  sagte  die 

Magnidin  leichthin.  »Wir  hatten  keine  Probleme.  Und  du  wirst staunen, wenn du hörst, was Palo zu berichten hat.« Sie drehte sich dem Bildschirm zu und nickte auffordernd. »Sagʹs ihm auch, Palo!« Palo Bow lächelte. »Wir  sind gestartet, Atlan.  Ja, die  SZ‐2  ist wieder  im Raum. Die 

Nickel‐Absorber‐Strahlung existiert nicht mehr.« Der  Arkonide  brauchte  einige  Sekunden,  bis  er  die  Nachricht 

verdaut hatte, obwohl er sich etwas Derartiges erhofft hatte. 

»Aber?« Es war mehr  als  ein Gefühl, das  ihn  ahnen  ließ, daß doch nicht 

alles  so  reibungslos  verlaufen  war,  wie  Bow  den  Eindruck  zu erwecken versuchte. Brooklyn wich seinem Blick aus. »Wir  säßen vermutlich noch  auf Break‐2  fest«, gab der Magnide 

zu,  »wenn  nicht  etwas  Unerwartetes  geschehen  wäre.  Ich  meine damit nicht das Erlöschen der Strahlung. Das konnten wir gar nicht feststellen.« »Sondern?« Atlan setzte sich. »Wir  orteten  vor wenigen Minuten  eine  Korvette  und  glaubten 

zunächst, daß ihr zurückkehrtet.« Bow nickte ernst. »Es handelt sich eindeutig um eine Korvette von der SOL, Atlan, die mit hoher Fahrt in Richtung Ysterioon  fliegt. Wir  funkten  sie  an,  aber  alle Anrufe blieben  unbeantwortet.  Als  die  Korvette  also  unbeirrt  weiterflog, versuchten wir einfach einen Start – und kamen frei. Wir folgen dem Schiff.« »Ihr habt es auf den Schirmen?« Bow schüttelte bedauernd den Kopf. »Das  nicht  mehr.  Es  ist  vor  zwei  Minuten  aus  der  Ortung 

verschwunden, aber an seinem Ziel kann kein Zweifel bestehen.« »Eine Korvette von der SOL«,  sagte, Hayes. »Aber die SOL steht 

noch vor Bumerang. Deccon hätte niemals seine Zustimmung dazu gegeben, die Warteposition zu verlassen – und schon gar nicht mit Kurs auf Flatterfeld.« »Das  kann  ich  mir  allerdings  auch  nicht  denken«,  stimmte 

Brooklyn ihm zu. »Wer mag sich an Bord befinden. Roboter?« »Du meinst, ein unbemanntes Schiff«, murmelte Atlan. »Es könnte 

sein und würde erklären, daß es sich nicht meldete.« »Was tun wir?« Die  Dinge  schienen  eine  unerwartete  Wende  zu  nehmen, 

wenngleich Atlan sich davor hütete, voreilige Schlüsse zu ziehen. »Palo«, wandte  er  sich  an den Magniden,  »wenn  ihr  recht  habt, 

wird die Korvette bald hier auftauchen. Inzwischen kommt  ihr mit der  SZ‐2  hierher  und  nehmt  uns  auf.  Wir  geben  euch  die Koordinaten durch. Brooklyn, wenn du das übernehmen würdest?« Sie  entsprach  seiner  Bitte. Atlan  registrierte, wie  sich  unter  den 

Anwesenden  Erleichterung  breit machte. Wenn  auch  nur  ein  Teil der SOL, so war die Kugelzelle  für sie doch ein Stück Heimat und bedeutete Geborgenheit. Atlan berichtete Bow in groben Zügen von dem, was sich seit dem 

Aufbruch der DUSTY QUEEN, beziehungsweise dem Abreißen der Funkverbindung im Kores‐System getan hatte. »Alles weitere  später, Palo«,  sagte er  schließlich. »Laßt uns nicht 

zu lange warten.« Die Funkerin unterbrach auf sein Zeichen hin die Verbindung. Atlan  lehnte  sich  im Sessel zurück und  sah Sternfeuers Blick auf 

sich gerichtet. »Eine Korvette  von  der  SOL«,  sagte  sie  nachdenklich.  »Was  hat 

das zu bedeuten?« Sie wirkt völlig normal, dachte der Arkonide. Sie ist normal. »Wir werden es bald wissen«, gab Hayes sich zuversichtlich.   

*  Nach  exakt  47 Minuten wurde die Korvette geortet,  als  sie bereits hinter  dem  Trümmerring  aus  dem  Linearraum  kam.  Mit unglaublicher  Geschwindigkeit  raste  sie  auf  das  Ysterioon  zu. Vorsorglich  ausgeschleuste Mikrosonden  befanden  sich wieder  in der  Nähe  des  Ysterioons  und  übertrugen  einwandfreie  Bilder. Gleichzeitig  fungierten  sie als Funkrelais. Doch alle Anrufe  seitens der DUSTY QUEEN blieben unbeantwortet. Atlan war das Risiko eingegangen,  sich nun an die Roxharen zu 

verraten. Mit  der  wiedergewonnenen  Bewegungsfreiheit  und  der erwarteten Ankunft der SZ‐2 war die Gefahr, die durch die Zellen 

drohte, weitgehend gebannt. Und schon bald zeigte sich, daß die Roxharen anscheinend nur an 

dem neu aufgetauchten Schiff  interessiert waren. Zwei  ihrer Zellen tauchten neben der Korvette auf, die nun kurz vor dem Ysterioon abgebremst wurde. Die Roxharen näherten sich ihr weiter, ohne sie anzugreifen. Was genau geschah, ließ sich nicht feststellen. Jedenfalls wurde die 

Korvette nun in Richtung Ysterioon in Schlepp genommen. Die Sonden übertrugen die weitere Annäherung. Atlan erwartete 

schon, daß  sich  in  einer der  siebenundzwanzig Kugeln  ein  Schott öffnen würde. Dann aber wurde deutlich, daß man das Schiff außen am Ysterioon verankerte. »Ich begreife das alles nicht«, sagte Sternfeuer. »Keine Gegenwehr, 

keine Antwort auf unsere Anrufe! Man  sollte annehmen, daß, wer immer  die  Korvette  befehligt,  es  darauf  abgesehen  hat,  den Roxharen einen Besuch abzustatten.« Sie  nickte  bekräftigend,  als  sie  die  zweifelnden  Blicke  einiger 

Solaner bemerkte. »Ja,  ich  sagte:  den  Roxharen!  Sie  müssen  die  Zellen  doch 

wiedererkennen!« Jemand,  dachte  Atlan,  der  sich  vom  unerwarteten  Auftauchen 

dieser alten Bekannten nicht zu einer Panikreaktion hinreißen  läßt. Und unerwartet mußte der Anblick der Zellen sein. Ein Überläufer? Ein  Kommando,  das  Deccon  ausgeschickt  hatte,  um  nach  den 

Vermißten zu forschen? Auch  dies  erschien wenig wahrscheinlich. Das  ganze  Verhalten 

der Korvette sprach dagegen. »Ortung!«  hörte  der  Arkonide.  »Und  Funkkontakt!  Das  ist  die 

Solzelle! Hurra!« Allein  dieser  Ausruf  verdeutlichte,  was  die  SZ‐2  und  deren 

Erscheinen für die Männer und Frauen an Bord der DUSTY QUEEN bedeutete.  Irgendwo  brach  spontaner  Jubel  aus,  in  den  Brooklyn 

einfiel. Die Magnidin begab  sich zur Rundrufanlage und verkündete  im 

gesamten  Schiff,  daß  die  Einschleusung  der  QUEEN  unmittelbar bevorstehe. Breckcrown Hayes  saß mit unbewegtem Gesicht  im Pilotensessel 

und brachte die Korvette dem Mutterschiff entgegen. »Ich schlage vor, wir sehen uns in der Kommandozentrale, Atlan«, 

sagte Palo Bow vom Bildschirm. »Sobald wir bei euch sind«, bestätigte dieser. Eine Solanerin gab Hayes von Bord der SZ‐2 aus bekannt, welcher 

Hangar  für die Aufnahme der Korvette vorgesehen war. Was nun folgte, war Routine. Der  Panoramaschirm  zeigte  die  2500  Meter  durchmessende 

Kugelzelle, wie sie scheinbar immer größer wurde, bis nur noch ein Ausschnitt  ihrer  Oberfläche  zu  sehen  war.  Atlan  blickte zwischendurch  immer  wieder  auf  den  Schirm,  der  die  zweite Korvette beim Ysterioon zeigte. Dort tat sich nichts – zumindest nichts, das erkennbar wurde. Was hatte die Vernichtung Pryttars bei den Ysteronen ausgelöst? 

Und bedeutete das Schweigen von Hidden‐X, daß diese Macht selbst davon betroffen war? »Wenn Sanny und Argan U nicht dort steckten«, sagte Brooklyn, 

als  sie  Atlans  Blicke  sah,  »könnten  wir  mit  der  SZ‐2  Fahrt aufnehmen und dies alles hier weit hinter uns  lassen. Wir könnten bald wieder bei der SOL sein.« Sie  sprach  nicht  von  der  geheimnisvollen  Korvette  und  wußte 

genau,  daß  Atlan  ihr  niemals  zustimmen  würde.  Doch  viele mochten  so denken wie  sie und das  eigentliche Ziel  ihrer Mission aus den Augen verloren haben – diesen Raumsektor zu befrieden. Dafür  zu  sorgen,  daß  keine  Planetenvölker  mehr  untergehen mußten, nur weil eine fremde Wesenheit die Ysteronen dazu zwang, alles vorhandene Nickel aus ihren Welten herauszuholen. Warum  tat  sie  das? Welche  Ziele  verfolgte  Hidden‐X  (oder  der 

geistige Faktor) in Wirklichkeit? Waren auch sie nur Diener einer noch stärkeren Macht? Wieder  merkte  Atlan,  daß  seine  Gedanken  sich  in  den  immer 

gleichen Kreisen  zu drehen begannen. Er  stand  auf und verfolgte, wie  die  DUSTY  QUEEN  langsam  in  einen  offenen  Hangar hineinglitt und von Antigravpolstern sanft aufgefangen wurde.   

*  In  der  Kommandozentrale  der  SOL‐Zelle  Zwei  begrüßten  sich Brooklyn und Palo Bow ohne  jeglichen Überschwang. Atlan nickte dem Magniden nur zu und  ließ sich als erstes die Aufzeichnungen vorspielen,  die  beim Vorbeiflug  der Korvette  an  Break‐2  gemacht worden waren. Er hatte nicht  erwartet, neue Erkenntnisse  zu  erhalten. Dennoch 

war er enttäuscht, als er auch nicht den kleinsten Hinweis auf die Besatzung des Schiffes erhielt. Bjo Breiskoll erschien und bestätigte Sternfeuers frühere Aussagen 

über  das  Nachlassen  und  völlige  Versiegen  der  Nickel‐Mental‐Strahlung. Ein Zeitvergleich zeigte, daß dieser Prozeß tatsächlich vor der Zerstörung der Pryttar‐Station begonnen hatte. »Damit«,  sagte Atlan, »müssen wir annehmen, daß  im Ysterioon 

etwas geschah, was mit zu dieser Entwicklung beitrug.« Er sprach es nicht aus, doch Sternfeuer wußte, daß er Sanny und 

Argan U meinte. Dies konnte kein Trost sein, denn Hidden‐X hatte ja damit gedroht, sie zu  töten,  falls die Solaner  ihre Aktivitäten nicht einstellten  oder  –  verklausuliert  –  Pryttar  nicht  gerettet  werden konnte. »Wir  müssen  also  davon  ausgehen,  daß  Girgeltjoff  als 

Verbündeter im Ysterioon ausfällt«, stellte Bow fest, nachdem Atlan und Brooklyn noch  einmal  in  allen Einzelheiten über die  jüngsten Ereignisse berichtet hatten. 

»Nicht Unbedingt«, meinte Hayes dagegen.  »Vielleicht wartet  er nur auf eine Möglichkeit, uns wieder anzufunken.« »Und was tun wir?« Irgendjemand  stellte  die  Frage,  vielleicht  zum  dutzendsten Mal. 

Sternfeuer kam sich in der Zentrale überflüssig vor. Als sie sah, wie Breiskoll auf einen Ausgang zustrebte, folgte sie ihm. Über einen Bildschirm konnten sie in der Kabine des Katzers alles 

mitverfolgen, was sich in der Zentrale tat. Sternfeuer rechnete nicht wirklich  damit,  daß  in  den  nächsten  Stunden  eine  Entscheidung fallen würde, denn nach wie vor war die geheimnisvolle Korvette am Ysterioon verankert. Niemand schien an Bord gegangen zu sein. Niemand schien sie verlassen zu haben. »Bjo«,  sagte  sie,  als  sie  sich  gegenübersaßen.  »Von  irgend 

jemandem erfährst duʹs  ja doch. Als Breck und  ich zusammen mit zwei anderen an Pryttar heranflogen, da …« Sein Lächeln zeigte ihr, daß er bereits Bescheid wußte. »Von wem?« wollte sie wissen. »Eine  dieser  .anderenʹ.  Ich  glaube,  du  hast  eine  Bewunderin 

gefunden, Sternfeuer.« »Ich finde das gar nicht lustig.« Sie stand auf. »Schön, Bjo. Ich habe 

mir meine Gedanken  gemacht.  Ich meine,  von  heute  auf morgen gerät man nicht  aus dem Gleichgewicht. Du bist kein Psychologe, aber Telepath wie ich. Wir … kennen uns vielleicht in den Belangen unserer menschlichen Psyche  etwas besser  aus  als  andere. Bjo,  als sich  die  Tellerstiele  im  Giftwall  in  diese  Kristallmassen verwandelten,  da  geriet  ich  in  eine  Situation,  in  der  ich mit  dem Leben abgeschlossen hatte. Ich meine, vielleicht war ich wirklich an der Schwelle zum Tod.« Er nickte bedächtig. »Du willst auf die sogenannten Sterbeerlebnisse hinaus? Der Geist 

trennt sich vom Körper, ein goldener Torbogen, grenzenlose Freiheit und …« »Angst, Bjo! Verdammte, nackte Angst! Die habe  ich  jetzt gehabt 

und  damals!  Nur  war  sie  damals  begründet  und  diesmal  nicht. Hältst  du  es  für  möglich,  daß  so  etwas  nachwirkt?  Daß  etwas verdrängt wurde  und  ganz  sporadisch wieder  an  die  Oberfläche gespült  wird,  vielleicht  durch  eine  ganz  lächerliche  äußere Einwirkung?« Er sah sie mit offensichtlicher Sorge an. »Möglich  schon,  Sternfeuer.  Aber  ich  kann  dich  nicht  in  etwas 

bestärken, das du dir vielleicht nun allzu  leichtfertig als Erklärung heranziehst. Sprich mit einem unserer Bord …« »Nein!« »Sternfeuer, ich meine doch nur … Du weißt, daß ich dir nur einen 

Ratschlag gebe.« Sie  zwang  sich  zu  einem  Lächeln  und  stützte  sich  auf  die 

Sessellehne. »Schon gut, Bjo. Danke. Aber  ich bin  schon wieder  in Ordnung. 

Bestimmt war  ich  nur  überreizt,  und  einiges  gelangte  urplötzlich zum Durchbruch, das sich  im Lauf der Zeit so angesammelt hatte. Bestimmt  ist  es  so.  Nun  tu  mir  den  Gefallen  und  sprich  nicht darüber,  ja? Es muß nicht noch mehr Gerede geben, und diese Jessi nehme ich mir auch noch vor.« »Laß das Mädchen«, bat Breiskoll lächelnd. »Sie meintʹs nur gut.« Sternfeuer seufzte. »Das  ist das Leid mit den Leuten, die es  immer nur gut meinen. 

Ich denke, ich werde mich jetzt für ein paar Stunden aufs Ohr legen. Ich dürfte kaum viel verpassen.« Sie irrte sich gründlich. Noch  bevor  sie  sich  von  Bjo  verabschieden  konnte, wurde  ihre 

Aufmerksamkeit auf den Bildschirm gelenkt. Irgend  etwas  tat  sich  in der Zentrale. Brooklyn, Bow und Hayes 

redeten  aufgeregt  durcheinander,  was  zumindest  beim  sonst wortkargen  Breckcrown  einiges  bedeuten  wollte.  Atlan  war  zu sehen. Sein Gesicht drückte ungläubiges Staunen aus. »Komm!« sagte Bjo, sprang auf und nahm ihre Hand. 

In der Kommandozentrale  angekommen, wurden  sie  von Hayes beiseite genommen. Er nickte in Atlans Richtung und sagte leise: »Laßt ihn jetzt. Er hat genug um den Kopf.« »Was ist denn geschehen, Breck?« fragte Breiskoll. Er deutete auf das Bild der fremden Korvette auf den Schirmen. »Jetzt weiß  keiner  von  uns mehr, woran  er  ist. Wir  empfingen 

einen Funkspruch, der nur von diesem Schiff stammen kann. Alles deutet  darauf  hin,  daß  er  unter  Behinderungen  abgesetzt wurde, auch,  daß  wir  nur  ganz  kurz  ein  Bildsignal  erhielten,  das  dann gleich wieder abgeschaltet wurde.« »Ihr hattet ein Bild?« fragte Sternfeuer. »Aus der Korvette?« »Sagte ich doch. Und ihr werdet kaum erraten, wer da so kurz zu 

sehen war, und zwar in ziemlich mitgenommenem Zustand.« »Wer?« »Chart Deccon«, antwortete Hayes. »Unser High Sideryt.« Beide Telepathen starrten ihn an. »Das ist ein Witz!« »Leider nicht, Bjo. Es war ganz zweifellos Deccon, der sich aus der 

Korvette meldete, bevor irgend jemand ihm den Saft abdrehte.« »Und was sagte er?« fragte Sternfeuer. Hayes setzte sich. »Er sagte nichts, er schrie. Er brüllte irgendwelche Roboter an, daß 

sie ihn endlich an die Funkanlage lassen sollten …«   

ENDE   Im Atlan‐Band der nächsten Woche  blenden wir wieder um  zum Geschehen auf der Rest‐SOL. Dort  bekommt Chart Deccon,  der High Sideryt, mehr  und mehr  die  Folgen seiner mit  den Alphas  eingegangenen Verbindungen  zu  spüren.  Lähmendes Entsetzen  macht  sich  an  Bord  des  Schiffes  breit,  denn  es  kommt  zur OFFENSIVE DER EBENBILDER … 

OFFENSIVE DER EBENBILDER – so lautet auch der Titel des Atlan‐Bandes 546, der von Arndt Ellmer geschrieben wurde.