Der Begriff der Arbeit in der Philosophie Hegels. Virgilio Colón León. Diss. Frankfurt, 1993

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    DANKSAGUNGEN

    Bestimmt sind es viele, die mir whrend meines Aufenhalts inDeutschland zwecks des Promotionsstudiums die Freude derFreundschaft und der Solidaritt geschenkt haben und dadurch eienenentscheidenden Beitrag zum Ziel geleistet haben. Die Er-innerungansie alle will ich mit diesem Dank lebendig halten. Besonders dankbaraber mu ich Michael Werz und Markus Lilienthal sein, die sich der"Arbeit des Begriffs" im Dienst des Geistes der deutschen Sprachebedingungslos und kompromilos unterzogen haben. Sie haben es mirerleichtert, von der Anstrengung der Darstellung zum Genu des

    Vernnftigen zu gelangen. Nicht zuletzt bleibe ich Herrn Prof. HeinzRttges wegen seiner Betreuung zu Dank verpflichtet.

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    Inhaltsverzeichnis

    EINLEITUNG: DER ARBEITSBEGRIFF ALS GEGENSTAND DER VORLIEGENDENUNTERSUCHUNG

    E.1 Abgrenzung und Ansatz der Untersuchung in bezug auf den

    Zusammenhangvon Arbeit und Subjektivitt bei Hegel 1

    E.1.1 Ansatzpunkte und Hauptthesen 1

    E.1.2 Metapher und Terminus: Janusgesicht des HegelschenArbeitsbegriffs 2

    E.1.2.1 Notwendigkeit der Trennung von bertragungund Terminus Arbeit 2

    E.1.2.2 Philosophisch-kritische Bedeutung derMetapherArbeit 7

    E.1.3 Das sich denkende Subjekt an ihm selbst: Zentrale Abgrenzung zur Untersuchung der philosophisch-kritischen Bedeutungdes TerminusArbeit 9

    E.2 Eine Systematik der Bestimmungen des HegelschenArbeitsbegriffs 12

    E.3 Verlauf der Untersuchung 13

    ERSTES KAPITEL: HEGELS KRITIK DER REFLEXIONSPHILOSOPHIEDER SUBJEKTIVITT. PHILOSOPHIEGESCHICHTLICH-POLE-

    MISCHER HORIZONT DER VORLIEGENDEN UNTERSUCHUNG.

    1.1 Die Kantische Paradoxie der Selbsterkenntnisder reinen Apperzeption 16

    1.2 Selbsterkenntnis als Grundbestimmung der Freiheit 20

    1.3 Hegels methodologische Lsung der Paradoxieder Selbsterkenntnis 24

    1.3.1 Erfahrung und Selbstbewegung des Inhalts 24

    1.3.2 Genese und Entwicklung als kritische Darstellungdes Denkens seiner selbst 31

    ZWEITES KAPITEL: HEGELS ERSTE BEGRIFFLICHEAUSDIFFERENZIERUNG DES ARBEITSBEGRIFFSIM SYSTEM DER SITTLICHKEIT 34

    DRITTES KAPITEL: DIE ARBEIT DES GEISTES. ARBEITSPROZESS

    UND KRITISCHE DARSTELLUNG DER SUBJEKTIVITT INDEN JENAER ENTWRFEN ZUR PHILOSOPHIE DES GEISTES.

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    ii3.1 Der neue r t sc e Ansatz er Jenaer Systementwr e 45

    3.2 Entwurf zur Philosophie des Geistes von 1803/04 46

    3.2.1 Die Sprache: die Entstehung der in sich reflektiertenSubjektivitt oder die "formale" Existenz des Geistes 49

    3.2.2 Die Arbeit: erste Aufhebung des sprachlichen

    Formalismus der Subjektivitt oder die "reale" Existenz des Geistes 52

    3.2.3 Arbeit und Besitz: die Konstituierung der"unorganischen Natur des Geistes" 54

    3.3 Entwurf zur Philosophie des Geistes von 1805/06 57

    3.3.1 Sprache und Formalismus des Verstandes: die "erste Arbeit des erwachten Geistes als Geist" 58

    3.3.2 Die Arbeit "als solche": Die Aufhebung des Verstandesoder die Genese des Selbstwissens 63

    3.3.3 Arbeit und Familie 72

    EXKURS: Herkunft der Arbeit als Herstellung hervorgehobenin der Hegelschen Systematik der Stnde im JenaerSystementwurf von 1805/06 74

    VIERTES KAPITEL: DIE ARBEIT DES BEGRIFFS. DIE ABSOLUTE FORM DESARBEITSPROZESSES

    Vorbemerkung: Zur Lektre des Teleologie-Kapitels in derWissenschaft der Logikals logischer Darstellung des Arbeitsprozesses 77

    4.1 Die Selbstbewegung des Inhalts hin zumarbeitenden Begriff in der Wissenschaft der Logik 78

    4.2 Die spekulative Auffassung der Teleologie 81

    4.3 Die logische Erfassung des Arbeitsprozesses:der teleologischer Proze 85

    4.3.1 Der endliche Zweck bzw. der arbeitende Verstand:die erste Prmisse des teleologischen Schlusses 85

    4.3.2 Das Mittel bzw. das Werkzeug: im Gedanken erfat 89

    4.3.3 Ausfhrung und Realisierung des Zwecks 92

    4.3.4 Weitere Formulierungen des teleologischenProzesses und seines Resultats 94

    FNFTES KAPITEL: DIE ARBEIT DES KNECHTES. DIE HEGELSCHELSUNG DER PARADOXIE DER SELBSTERKENNTNIS IMSELBSTBEWUSSTSEINSKAPITEL DERPHNOMENOLOGIE DES GEISTES

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    3vorliegende Untersuchung bewegt sich argumentativ im Rahmen dieserProblematik.

    E.1.2 Metapher und Terminus: Janusgesicht des Hegelschen Arbeitsbegriffs

    E.1.2.1 Notwendigkeit der Trennung von bertragung und Terminus der Arbeit

    Die Hegel-Forschung hat - soweit ich sie berblicken kann - die terminologi-sche Verwandtschaft zwischen Arbeit als allgemeiner Bezeichnung der Bewe-gung des Geistes bzw. des Begriffs und der Arbeit als Moment derselben kaum

    problematisiert. Dialektik und Arbeit sind oft identifiziert worden, ohne zubedenken, da damit die Arbeit letzten Endes keinen streng terminologischenWert mehr besitzt.

    Nicht nur das bei weitem grte Kapitel in der Geschichte der Interpretation

    des Hegelschen Arbeitsbegriffs, nmlich die linkshegelianische und marxistischeInterpretation, sondern auch andere ebenso anthropologisch-ontologisierende In-terpretationen der Hegelschen Philosophie fuen auf der Annahme der Ttigkeitdes Geistes als wesentlich arbeitender, - wie die Auseinandersetzung vonLiebrucks (1956) mit Heideggers Interpretation derPhnomenologie des Geistesund die heideggerianisch orientierten Schriften des jungen Marcuse und M.

    3

    Riedels (1965) zeigen.4

    Ungezhlt sind die Zitate Hegelscher Texte, die den angeblichen"Arbeitscharakter des Geistes" (M. Riedel, 1965, S. 56) zeigen knnen, und dieMarx Recht darin geben, da "das Groe" Hegels in seiner Auffassung der

    Arbeit als das Wesen des Menschen lge, da Hegel "deshalb die Arbeit desMenschen und den Geist-Begriff der Metaphysik als Arbeitsvorgang gedacht"habe, "weil er den Arbeitscharakter der Neuzeit gesehen, gedacht und in seinerPhilosophie auf den Begriff gebracht hat" (ebd. S. 73).

    Untersuchungen, die den Geist durch eins seiner Momente modellmig oderstrukturell zu bezeichnen versuchen, bleiben der Hegelschen Philosophie

    5

    grundstzlich uerlich. Der Bildungsproze des Geistes organisiert sich nichtnach dem Muster einer seiner Episoden. Diesen Aspekt mchte ich nachhaltig

    betonen, auch wenn die Hegelsche Rede von der "Arbeit des Geistes" usw. in

    Hegel habe die Arbeit "geistvoll im absolut-ontologischen Sinne" als "Wesen des Menschen", nichtals "einzelne wirtschaftliche Ttigkeit" aufgefat. (K. Lwith, S. 286) Lwith bezieht sich auf denHeideggerianisch geprgten frheren Aufsatz von H. Marcuse: "ber die philosophischen Grund-lagen des wirtschaftswissenschaftlichen Arbeitsbegriffs". Nach Marcuse sei die Arbeit das, "worinjede einzelne Ttigkeit grndet und wieder zurckschlgt: ein Tun. Und zwar ist sie das Tun desMenschen als die Weise seines Seins in der Welt." (S. 13); "die Seinsstruktur des menschlichenDaseins selbst", (ebd., Anm. 17).

    "Nicht ohne Grund konnte Heidegger im Anschlu an Marx von der Phnomenologie des Geistessagen, in ihr sei das neuzeitlich-metaphysische Wesen der Arbeit vorgedacht als der sich selbsteinrichtende Vorgang der unbedingten Herstellung, das ist Vergegenstndlichung des Wirklichendurch den als Subjektivitt erfahrenen Menschen." M. Riedel, 1965, S. 54; Zitat aus M. Heidegger,Platons Lehre von der Wahrheit, Bern, 1947 S. 88.

    Zugespitzt findet sich die Interpretation der Arbeit als Struktur des Hegelschen Begriffs des Geistesund des Begriffs - Adorno folgend - bei H. Schndelbach: "Arbeit ist bei Hegel nicht nur eineStufe des erscheinenden Wissens, die das Herrschaft-Knechtschaft Kapitel expliziert: sie ist dasStrukturprinzip und die genetische Basis seines gesamten Systems."(!) (S. 64)

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    4der Tat eine philosophische Bedeutung hat und die Auslegung des HegelschenGeistesbegriffs davon nicht absehen darf.

    Das Wahre ist das Ganze: die Darstellung des Systems als innerer VerkettungderMomente, die - als Stationen eines kreislufigen Weges - gleichzeitig Kreisein sich sind. (vgl. WL, II, 504) Als Entwicklungsstufe enthlt ein MomentWahrheit nur als auf das Ganze bezogen; jedoch ist es gleichzeitig individuell,d.h. in sich ist jedes Moment ebenfalls eine Totalitt. Dieses definitorischeProblem mu uns besonders mit einer Untersuchung eines Begriffskonfrontieren, der im Hegelschen Diskurs auf die verschiedenstenZusammenhnge Anwendung findet und bertragbar ist. Das ist der Fall -obwohl nicht nur - mit dem Arbeitsbegriff. Auch wenn man annimmt, da

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    Metapher und Terminus Arbeit bei Hegel wie auch immer notwendigaufeinander bezogen und untrennbar sind und da davon das Verstndnis der

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    Hegelschen Philosophie weitgehend profitieren knnte, ist es auch um des Be-greifens des Ganzen in seinen konkreten Momenten willen sinnvoll, sie

    analytisch zu trennen.Die metaphorische (bertragene) Verwendung des Wortfeldes Arbeit be-zeichnet im allgemeinen die Bewegung des sich entuernden, sich selbst ent-fremdenden und dadurch zu sich als selbsthergestellt zurckkehrenden Geistes.In diesem Proze konstituiert sich seine Freiheit. Demgem wren Arbeit

    Die Interpretation des Hegelschen Begriffs der Sprache z.B. mte ebenfalls dieses Problem bewl-tigen. Die Philosophie als Darstellung des Systems verstanden, weist auf die "Sprachlichkeit" desGanzen bei Hegel hin. Das mte zunchst im Zusammenhang der Kritik Hegels an jenen Philoso-phien bercksichtigt werden, die das Wahre als Offenbarung bzw. intellektuelle Anschauung auf-fassen. Die Philosophie mu die Wahrheit offenlegen, eben zur Darstellung bringen. Das Absolutemu allenzugnglich, nmlich all-gemeinsein. In erster Linie bietet die Sprache das Element des

    Allgemeinen an, sie ist das Element der Wahrheit selbst. Nun wird man ratlos, wenn zwischen"Sprachlichkeit" und "Arbeitsamkeit" des Geistes, usw. zu entscheiden wre, um eine Formeln frdas Absolute zu verfassen. Es handelt sich vielleicht um ein eigentmliches interpretatorischesProblem der Hegelschen Philosophie, welches nicht nur die Begriffe Sprache und Arbeit be-trifft, sondern auch Begriffe wie Erinnerung, Leben u.a. Wird bei Hegel eine Instanz hervorge-hoben oder als zugrundeliegend gesehen, so knnte die Suche einerDefinitiondes Geistes vertuschtund die Gefahr der Reduktion desselben auf eine seiner "Merkmale" ("der konkreten Totalitt" un-angemessen,WLII, 455; dazu auchRPH, _ 2) kaum vermeidbar sein. Sprachlichkeit und Arbeit desBegriffs haben beide einen philosophischen Status bei Hegel, der nicht gering ist. Nichtsdestowe-niger bleiben beide Formeln terminologisch den Diskurs durchaus prgende Allgemeinheiten, dienicht viel helfen, wenn es um die Erklrung des Systems in seinen Momenten geht, und wenn nachder Spezifizitt des Hegelschen Begriffs von Sprache bzw. von Arbeit gefragt wird. Die Bemhung,Terminus und bertragung - wenn auch zugespitzt und gegen Hegel selbst - zu differenzieren, ist indiesem Sinne wnschenswert. Auf jeden Fall soll m.E. auf die Analyse des Verhltnisses dieser zweiFiguren als Momente der Darstellung nicht verzichtet werden, wenn ein Blick auf das Ganze aufGrund einer derselben beabsichtigt wird.

    Siehe Adornos Zitat in Anmerkung 13. Dazu auch Schndelbach: "Die Hegelsche Arbeit des Be-griffs in der Philosophie ist keine Metapher..." (S. 63) Vergleiche den neuen Versuch von A. Arndt,Metapher und Terminus Arbeit miteinander zu vermitteln. Arndt beschftigt sich mit der Fragenach dem Verhltnis von einem "spekulativen Begriff der Arbeit des Geistes" und der "wirklichenArbeit". Versucht wird, die "Arbeit des Geistes" als den - von Hlderlin herkommend - eigenenArbeitsbegriff Hegels zu beweisen, insofern die "wirkliche Arbeit" "untergeordnet und defizitr" (S.112) dadurch bleibe, da sie "der Endlichkeit verhaftet ist" (S. 113) und ihren Begriff erhalte als"die des Geistes" (ebd.); "...es ist die Arbeit des Geistes, die sich in Momenten der wirklichenArbeit wiedererkennt und ihr metaphorische Bedeutung verleiht." (ebd.) Meine Frage ist hingegen,ob die Hegelsche Auffassung der wirklichen Arbeit als solcher, d.h. nicht auf den Geist bezogenoder "von der Arbeit des Geistes her gelesen" (ebd. S. 100, Anm. 2), spekulativer Natur ist. DieselbeFrage betrifft die Hegelsche Auffassung der Subjektivitt in ihrem Ausdruck als einzelnem Willen,

    Selbstbewutsein und subjektivem Begriff. Daher ist wnschenswert die Arbeit in erster Linie alsMoment des Geistes zu untersuchen. Nur so knnte bei Hegel eine kritische Darstellung desSubjektivittsprinzips (der Identitt des Subjekts) im Zusammenhang mit der Arbeit nach demMastab des Hegelschen Ansatzes selbst, nmlich der Immanenz der Kritik, nachgeprft werden.

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    5und Dialektik zu identifizieren, wie es oft gemacht worden ist (vgl. Anm. 19unten). Nur mu begriffen werden, in welchem Sinne diese Identifikationberhaupt mglich ist.

    Wenn die Arbeit bei Hegel blo als instrumentale Handlung - oder auf dasModell derPoiesisreduziert - verstanden wird, unterstellt man dem HegelschenGeistbegriff durch die Anwendung "Arbeit des Geistes" eine methodologischeBestimmung und eine Auffassung der Freiheit, die Hegel immer wieder kritisiertund die er am Beispiel des Reinhold'schen Begriffs der Philosophie und der Ge-schichte der Philosophie ablehnt. (Diff, 7-8) Nach diesem Modell wre der Geistals Handwerker im Proze seiner Perfektibilittins Unendliche begriffen. Der

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    unendliche Proze der Perfektibilitt entspricht aber dem Kantischen Begriff derbestimmenden, nmlich - nach Hegel - ueren Zweckmigkeit, die Hegel nurals erste Prmisse des teleologischen Prozesses begreift.

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    Der Wissenschaft solle "freilich diejenige Perfektibilitt" nicht zukommen,"deren mechanische Knste fhig sind" (Diff, 8), da "das Absolute, wie seine

    Erscheinung, die Vernunft, ewig und dasselbe ist" (ebd.).Das Modell der Poiesis scheint der Philosophie nicht angemessen zu sein;ihre Struktur verweist vielmehr auf die Analogie einer Ttigkeit, die den Zweckin sich selbst hat.

    10

    "Weil in der Philosophie die Vernunft, die sich selbst erkennt, es nur mit sich zu tun hat, soliegt auch in ihr selbst ihr ganzes Werk wie ihre Ttigkeit, und in Rcksicht aufs innere Wesender Philosophie gibt es weder Vorgnger noch Nachgnger." (ebd.)

    Das hat andererseits nicht zu bedeuten, da die Vernunft "aus dem Bauzeugeines besonderen Zeitalters sich eine Gestalt" (ebd., 10) nicht organisiere. An je-dem Zeitalter hat die Philosophie die Einheit der Vernunft als begreifenden

    Erkennens und der Vernunft als des substantiellen Wesens der sittlichen undnatrlichen Wirklichkeit als System einzusehen und darzustellen. (vgl. RPH,16-17) Diese "vernnftige Einsicht" (ebd.) macht das Bedrfnis und diekritische Aufgabe der Philosophie aus, deren einziges Ziel die Selbsterkenntnisdes Absoluten, nicht die Umgestaltung der Wirklichkeit nach subjektivenZwecken ist, sonst wrde - wie Habermas an Marx kritisiert - der "Vorgang der

    Gerade als Kritiker der Verstandeskultur und ihrer philosophischen Systeme vertritt Hegel einesolche Auffassung des Geistes nicht. Dieser Zivilisation gilt die schrankenlose unendliche Ent-wicklung der Arbeit (der Produktivkrfte) bekanntlich als Prinzip. Somit ist die Befriedigung derBedrfnisse auch eine schlechte Unendlichkeit, gerade weil die Produktion um der Produktionwillen die unendliche Vervielfltigung derselben mitbewirkt. "Indem die Technik den Menschenvon der Natur befreit, bindet sie ihn auch wieder an sie, da sie neue Bedrfnisse erzeugt - Metabe-drfnisse nmlich, also Bedrfnisse nach einer bestimmten, technisch vermittelten Weise der Be-drfnisbefriedigung. Es entspricht dem Infinitismus der modernen Wissenschaft, da auch die mo-derne Technik, die anders als die vorneuzeitliche Techniken zu ihrer eigenen Potenzierungentwickelt, ihrer Natur nach grenzenlos ist - ist ein Bedrfnis befriedigt, wird ein neues geschaffenusw. ad infinitum; denn es lt sich immer ein Mehr, ein Grer, ein Schneller vorstellen; jedesimmanente Ma fehlt." (V. Hsle, S. 60)

    Hegels Ablehnung der Perfektibilitt als Struktur des Geistes und dessen Freiheitsprozesses wirdnoch deutlicher durch seine Kritik an Fichte. (Vgl. dazu viertes Kapitel unten.)

    In Hinblick auf die berlegungen ber die tatschlich philosophische Bedeutung einer neuen Wer-tung derPoiesisbei Hegel gilt das eben Gesagte nur fr einen Begriff von Poiesis als im wesentli-chen von derPraxisgetrennt gedacht.

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    6Reflexion auf die Ebene instrumentalen Handelns" reduziert. Dagegen mtedie "Arbeit von der Praxis, nicht aber die Praxis von der Arbeit her begriffenwerden." (H. Ottmann, 1977-78, S. 33) Zu fragen ist, ob nur vom Standpunktder Reduktion des Geistes auf sein Arbeitsmoment (als instrumentale

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    Handlung aber verstanden), die gleichzeitig eine Ontologisierung der Arbeit mitsich fhrt, der Hegelsche Geistbegriff immer wieder als uerliche Reflexionkritisiert werden kann.

    Die Interpretation der Hegelschen Philosophie als anthropologischerOntologie, als "Wesensphilosophie" oder als "Willensmetaphysik" beruht auf

    13

    der problematischen Identifizierung des Geistes mit einem seiner Momente,nmlich dem der Arbeit, als instrumentaler bzw. uerlich bestimmenderHandlung verstanden. Nur auf eine seiner Instanzen reduziert kann der Geist als"hchstes Seiendes" bzw. "Seiendes unter Seienden" (Heidegger) ausgelegtwerden: der abstrakt absolute Wille, der alles unter sich subsumiert. Wird derHegelsche Geistbegriff als Willensmetaphysik verstanden, liegt es auf der Hand,

    dessen Ttigkeit als Arbeit terminologisch zu bestimmen (vgl. Anm. 2 u. 3). Aufdiesem interpretativen Standpunkt stehen der junge Marx, Heidegger undAdorno; statt von "Willensmetaphysik" spricht Adorno von "Arbeitsmetaphysik"(S. 29). Arbeitend ist der Geist ein Ding unter Dingen, Seiendes unter Seienden,welches sich zum "hchsten Seienden" gewaltsam berhebt. Sein Verhalten zurWelt richtet sich dann nach seinen Vorstellungen(subjektiven Zwecken), die alssolche den Inhalt uerlichbestimmen. So behauptet sich der Geist als absolutdurch seine Arbeit, durch seine Gewalt gegen das Andere, das immer - egalwelchen Inhalts - als Natur, als Objekt angenommen wird. Der Geist wird

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    somit im Sinne der neuzeitlichen Metaphysik der Subjektivitt, im Sinne eines

    unbedingten, sich denkenden Einzelnen frei.

    Die Hegelsche Philosophie wre

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    somitBewutseinsphilosophie.Eine solche Wesensphilosophie jedoch ist die Hegelsche Philosophie gerade

    auf Grund des ihr inhrierenden Arbeitsbegriffs nicht. Wenn berhaupt vom

    J. Habermas, 1973, S. 60. Solche Reduktion wird bereits von A. Ruge vorgenommen. Vgl. dazu K.Lwith, S. 292-293.

    In der Arbeit liegt nur ein "Moment der Befreiung" (RPH, _ 194). (vgl. H. Ottmann, 1977-78)

    Vgl. B. Liebrucks' Kritik an Heideggers Interpretation der Phnomenologie des Geistes, 1956, S.271.

    "Stets war der Primat des Logos ein Stck Arbeitsmoral. Die Verhaltensweise des Denkens alssolche, gleichgltig was sie zum Inhalt hat, ist habituell gewordene und verinnerlichte Auseinander-setzung mit der Natur; Eingriff, kein bloes Empfangen. Daher geht mit der Rede vom Denkenberall die von einem Material zusammen, von dem der Gedanke sich geschieden wei, um es zu-zurichten wie die Arbeit ihren Rohstoff. Allem Denken ist denn auch jenes Moment von gewaltsa-mer Anstrengung - Reflex auf die Lebensnot - gesellt, welches Arbeit charakterisiert; Mhe undAnstrengung des Begriffs sind unmetaphorisch." (T. Adorno, S. 26.)

    B. Liebrucks dagegen: "Das Absolute ist nicht Seiendes. Eher schon wre es Sein. Aber nicht Seinim Heideggerschen Sinne, nicht Seiendes als Seiendes im Sinne des Aristoteles, auch nicht das Seinim ersten Teil der LogikHegels, sondern: Sein als Sein, Sein als Wesen, Sein als die Einheit vonSein und Wesen, als Begriff. Wenn wir dagegen den Hegelschen Geist ein Seiendes unter anderem

    Seienden nennen, so haben wirihn von der Philosophie der Neuzeit her als eine resverstanden unddarin das ganze Hegelsche Werk beiseite gelassen." (B. Liebrucks, 1955, S. 272.)

    Hegel spricht von "Bestimmung" des Menschen. (WL I, 110-111)

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    7"Wesen des Menschen" (Marx, 1844, S. 574) bei Hegel die Rede ist, geht esum das Denken und die notwendig damit zusammengehrende Freiheit.

    "In allem anderen als im Denken kommt der Geist nicht zu dieser Freiheit. So im Anschauen,den Gefhlen: ich finde mich bestimmt, bin nicht frei, sondern binso, wenn ich auch ein Be-wutsein ber diese meine Empfindung habe. Im Willen hat man bestimmte Zwecke,bestimmtes Interesse; ich bin zwar frei, indem dies das Meinige ist; diese Zwecke enthalten

    aber immer ein Anderes, oder ein solches, welches fr mich ein Anderes ist, wie Triebe,Neigungen usw. Nur im Denken ist alle Fremdheit durchsichtig, verschwunden; der Geist isthier auf absolute Weise frei. Damit ist das Interesse der Idee, der Philosophie zugleichausgesprochen." (HW, Bd. 18, 42)

    Das Denken ist vor allem in seiner Entwicklung, nmlich in seiner in sich dif-ferenzierten Einheit aufzufassen und darzustellen. Genauso mu der Geist sich

    gestalten bzw. erfahren, sich dadurch begreifen. Nur wenn die Erfahrung alsVorstellenund/oder als uerliche Reflexion bzw. nurals Vergegenstndlichungdes Bewutseins angesehen wird, kann die Phnomenologie im Zeichen der

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    Subjektivittsmetaphysik der Neuzeit immer noch als Metaphysik der Technikgelesen und der Geist als Begriff fr das "Wesen des Menschen" ausgelegt wer-den.

    Ist die Arbeit als Wesen des Menschen oder als die allgemeine Struktur desGeistes zu verstehen, so mu sie auch als "abstrakt geistig" bezeichnet werden.

    1

    Als solche ist sie Bestimmung eines abstrakt Allgemeinen, welches sichuerlich und subsumierend verhlt. Diese Charakterisierung mag sich aus den

    bekannten Redewendungen Hegels: "Arbeit des Geistes", "Arbeit des Begriffs","Arbeit der Weltgeschichte", usw. herauslesen lassen. Diese - obwohl von

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    philosophischer Bedeutung - metaphorischen Anwendungen mgen den Anlageboten haben, eine Gesamtinterpretation der Hegelschen Philosophie auf der

    Grundlage des Arbeitsbegriffs nahegelegt zu haben. Daher rhrt die Auffassung,da sogar die Hegelsche Logik insgesamt als Darstellung des brgerlichenArbeitsbegriffs zu behandeln sei. Daher rhren auch die Versuche, die Hegel-

    Liebrucks ber Heideggers Interpretation, op. cit., S. 270ff.

    "Die Arbeit, welche Hegel allein kennt und anerkennt, ist die abstrakt geistige." (Marx, 1844, S.575) Ich glaube nicht, da diese Behauptung sich darum entschuldigen lt, da Marx die JenaerManuskripte nicht gekannt hat. Die Phnomenologie und die Rechtsphilosophie reichen, um zusehen, inwieweit Hegel sich mit der sogenannten wirklichen Arbeit beschftigt hat. Was der Feuer-bacheaner Marx damit meint, ist etwas anders, nmlich da Hegel die Arbeit laut Feuerbach"spekulativ" im Rahmen der "spekulativen Konstruktion" schlechthin, des Geistes betrachtet. WasMarx mit "spekulativer Konstruktion" meint (MEW, Bd. 2, S. 59-63), scheint nichts anders zu seinals der Verstandesbegriff oder dieDefinition, offensichtlich von Hegel selbst ansatzweise kritisiert.(Vgl. dazu Anm. 5 oben und Anm. 9 in Kapitel 3 der vorliegenden Untersuchung.)

    Wenn man den unmetaphorischen Charakter der "Arbeit des Begriffs" an der "Arbeit der Weltge-schichte" erweisen will, kommt nur eine unhaltbare Tautologie zum Ausdruck: "Die HegelscheArbeit des Begriffs in der Philosophie ist keine Metapher: sie ist die Abbreviatur der weltge-schichtlichen Arbeit des absoluten Geistes selbst." (H. Schndelbach, S. 63-64)

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    9der Kritik der reinen Vernunft keinen Platz, auch wenn bei Kant von derBearbeitung (vgl. KdrV, B 355) oder Erzeugung des Gegenstandes durch dieFormen a priori die Rede ist.

    Nach Kant mu sich die Philosophie auch mit einer Art von empirischen Be-stimmungen beschftigen, die gar nicht zum Geschft einer rein spekulativenVernunft gehren drfen, sondern zu dem eines empirisch praktischen Verm-gens. Indem die Erkenntnis a priori "vllig rein" sein soll, "mssen"... "keineBegriffe hineinkommen", "die irgend etwas Empirisches in sichenthalten" (KdrV, A 14). Da "alles Praktische, so fern es Trieb-federn enthlt,

    21

    [...] sich auf Gefhle" bezieht, "welche zu empirischen Erkenntnisquellengehren" (KdrV, A 15), ist die Transzendental-Philosophie "eine Weltweisheitder reinen blo spekulativen Vernunft" (ebd.). So wie die Gefhle imallgemeinen, findet die Arbeit eine Stelle innerhalb der transzendentalenberlegung auch nur im negativen Sinne, als ausgeschlossene. Wenn von derBeziehung zwischen Gegenstand und Vorstellung die Rede ist, handele es sich

    "gar nicht" um eine Verbindung, die "vermittelst des Willens" durch dasHervorbringen des Gegenstandes "dem Dasein nach" entsteht (KdrV, A 92).Wenn nun bercksichtigt wird, da fr Hegel die "Arbeitselbst als solche"...

    "nicht nur Ttigkeit, (Sure), sondern in sich reflektierte" Ttigkeit,"Hervorbringen" (JSy-III, 189) ist, stellt die Rede von "Arbeit des Geistes" usw.in diesem Zusammenhang kein zuflliges rhetorisches Konstrukt dar. In ihr spie-gelt sich die Auffassung wider, da der Geist bzw. der Begriff seine Negativittzum Inhalt gewinnen, da er als das Negative (Reflexion) das Positive in sicherblicken mu. (Vgl.Ph, 44) Bloe Negation und bloe Ttigkeit hngen zu

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    -sammen, genauso bestimmte Negationund Arbeit, aber diese - das ist zu betonen

    - wird in der Totalitt ihrer Momente bzw. nach der Hegelschen spekulativenAuffassung des teleologischen Prozesses erfat. Dies ist festzuhalten. Insoweit

    23

    ist die Hegelsche Auffassung des Arbeitsprozesses von der Tathandlung desFichteschen Ich grundstzlich zu unterscheiden, genauso wie von der Arbeit in

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    "Lust und Unlust, Begierden und Neigungen" (A 15), "Bewegungsgrnde" (B 29), welche Untersu-chungsgegenstnde einer empirisch praktischen Wissenschaft (der Anthropologie, vgl. KdrV, A549-550) sind.

    Die Arbeit als Bezeichnung fr die Ttigkeit des Geistes bzw. des Begriffs "reflektiert das Ver-hltnis zwischen unmittelbarem, unbestimmtem, abstraktem Anfang bzw. reinem Prinzip und ver-mittelnder, bestimmender, konkreter Verwirklichung. Die Zusammenstellung Arbeit der Weltge-schichte [z.B., V.C.] ist deshalb nicht metaphorisch, sondern streng terminologisch zu lesen alsVermittlung des nur inneren, nur an sich seienden Wesens mit der ueren Erscheinung." (H. Rtt-ges, 1976, S. 40)

    Auf Grund dessen knnen Arbeit und Dialektik zusammengedacht werden. Jedoch bleibt die Arbeitin ihrem Proze gedacht immerhin ein Beispiel von Dialektik, nmlich wie jedesVernnftige einSchlubzw. Spekulatives.

    Fichtes Tathandlung und der allgemeine Arbeitsproze (Hegel und Marx) lassen sich nicht ohneweiteres identifizieren, wie H. Schndelbach (S. 67) und J. Habermas (1973, S. 52-56) dies getanhaben. (Vgl. zu dieser Auffassung auch T. Adorno, S. 25.) Dies wird sich mit der Analyse des erstenMoments des teleologischen Prozesses zeigen. (Vgl. dazu viertes Kapitel unten.) Damit erweist sicheine ausfhrliche Untersuchung der Kantischen, aber besonders der Fichteschen Texte in bezug auf

    die Arbeitsproblematik als erforderlich. Wie die Passage der Kritik der reinen Vernunft(A 92) unddie geschichtsphilosophischen Schriften Kants zeigen (siehe Anhang der vorliegendenUntersuchung), hat der Arbeitsbegriff eine bedeutungsvolle Rolle auch im subjektiven Idealismusgespielt.

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    10ihrem ersten Moment als instrumentaler Handlung, die eigentlich im Rahmendes Verstandesverbleibt.

    25

    Indem Hegel ber den antiken Begriff vonPraxisund seine moderne berset-zung inHandlunghinaus die Ttigkeit des Geistes als Arbeit(Poiesis) bezeich-net, stellt er sie unter die Signatur der modernen Epoche. Der Geist, - "der er

    26

    -habenste Begriff, ... der der neuen Zeit und ihrer Religion angehrt" (Ph,18-19) - isterst in seinem Werk, als Mitte.

    Das Produkt mu als wesentliche27

    Bestimmung der Ttigkeit des Geistes betrachtet werden. Die Praxisals solche,deren Zweck in sich und fr sich gilt, wenn sie von der Poiesisunterschiedenund getrennt gedacht wird, reflektiert den Freiheitsproze des Geistes nicht,dessen Produkt als Welt nach Hegel eine feste uerlichkeit haben mu.

    28

    E.1.3 Das sich denkende Subjekt an ihm selbst: Zentrale Abgrenzung zurUntersuchung der philosophisch-kritischen Bedeutung des TerminusArbeit

    Eine Untersuchung ber den Hegelschen Arbeitsbegriff auf die vorsittlicheSphre der Subjektivitt zu begrenzen ergibt sich aus der Systematik der Hegel-schen Darstellung selbst. In der Philosophie des Geistes von 1803/04 und1805/06 betrachtet Hegel zuerst die Sprache und die Arbeit ihrem Begriff nach,d. h. in ihrer Idealitt. Allerdings ist nicht zu vergessen, was Hegel selber

    In diesem Sinne gilt das Verdickt Liebrucks: "Handlung als Arbeit, Herstellen als Tat wird niemalsdie Dimension dialektischen Denkens erreichen." (Sprache und Bewutsein, Bd. 1, S. 502.), alleinin bezug auf den Fichteschen Begriff der Tathandlung. Bei Hegel ist die Arbeit in der Totalitt ihrerMomente, nmlich in ihrem Proze aufgefat das, was den Unterschied macht. So scheint Liebrucksnahezulegen: "Der Arbeit als solcher ist die Idee unerreichbar. Erreichbar ist sie nur durch die logi-

    sche Analyse der Arbeit, die selbst nicht mehr teleologisch ist." (ebd., Bd. 6, Teil 3, S. 433)

    Vgl. M. Riedel 1973a, 3. Das bedeutet nicht, da die Hegelsche Philosophie in diesem Punkt dasZeitalter unmittelbar widerspiegelt. Zur Beziehung von Geschichte und Philosophie bei Hegel seieine berlegung von R. Bubner zur Geltung gebracht: "Die ausdrcklich reflektierende Entgegen-setzung zur Zeit bringt deren verborgene Struktur zum Vorschein und vermittelt die wahre Flle derInhalte anstatt einer kontingenten Auswahl. Sie nimmt die Sachmomente der Zeit auf und verndertihre historische Erscheinungsform: Sie spiegelt nicht nur die Zeit, sondern fat sie in Gedan-ken." (R. Bubner, S. 337) Gegen die These der Widerspiegelung, und zu einer kritischen Verbin-dung zwischen Geschichte und Philosophie als einer Konstante in der intellektuellen Entwicklungvon Hegels System der Philosophie, siehe auch K. R. Meist, 1983.

    Wenn Hegel 1803/04 den absoluten Geist als ttige Substanz denkt, fat er dessen Ttigkeit mo-dellmig als Arbeit auf. Zu einer Konzeptualisierung der Arbeit im allgemeinen als Struktur derTtigkeit des Geistes vergleiche die folgenden Passage in JSy-I: "Der Geist des Volkes mu sichewig zum WERKE werden, oder er ist nur als ein ewiges Werden zum Geiste. Zum Werke ist er sichgeworden, indem Ttigkeit in ihm gesetzt ist, die hiemit gegen ihn; und diese Ttigkeit gegen ihn istunmittelbar das Aufheben ihrer selbst. Dies Anderswerden seiner selbst ist, da er sich als Passivesauf sich als ein Ttigesbezieht, als ttiges Volk, ein sich Bewutseiendes berhaupt, in das Produkt,das Sichselbstgleiche bergeht; und indem dies gemeinschaftliche Werk aller, das Werk ihrer, alsBewutseiender berhaupt ist, so werden sie sich als ein ueres darin; aber dies uere ist ihreTat, es ist nur, zu was sie es gemacht haben, es sind sie selbst als Ttige, Aufgehobene; und in dieseruerlichkeit ihrer selbst, in ihrem Sein als Aufgehobene, als Mitte schauen sie sich als Ein Volkan, und dies ihr Werk ist somit ihr eigner Geist selbst. Sie erzeugen ihn, aber sie verehren ihn als einFrsichselbstseiendes; und er ist fr sich selbst, denn ihre Ttigkeit, wodurch sie ihn erzeugen, istdas Aufheben ihrer selbst, dies Aufheben ihrer selbst, worauf sie gehen, ist der frsichseiendeallgemeine Geist".JSy-I, 224. Vgl. auch dazuHW, Bd. 4, 27-28, _77 ff.

    E. Angehrn vertritt polemisch die These der Vermittlung von Poiesis und Praxis als Struktur des

    Geistes bei Hegel. So verstanden vermeidet man das Pseudoproblem des Vorranges einer dieser T-tigkeiten, - ein Dualismus, der eigentlich der Kantischen und Aristotelischen Ethik zugehrig ist. (E.Angehrn, S. 166ff.) Meine Frage ist - wie gesagt - die nach der Arbeit "in engerem Sinne", nicht als"Grundmodell der Ttigkeit des Geistes" (ebd., S. 272), das es nicht geben kann.

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    11hervorhebt: "Die Sprache ist nur als Sprache eines Volks" (JSy-I, 226); "DieArbeit ist nicht ein Instinkt, sondern eine Vernnftigkeit, die sich im Volke zueinem Allgemeinen macht..." (ebd. 227), "...dies Allgemeine ist fr die Arbeitdas wahre Wesen..." (ebd.).

    Diese Unterscheidung von Begriff und Realitt des Geistes wird in derPhnomenologie als Unterscheidung von Gestalten des Bewutseins undGestalten des Geistes, die eine Welt sind, aufgefat. (Ph, 289-290) DieMomente des Geistes abstrakt dargestellt, beziehen sich auf den Geist in seinemEinzelsein, im Individuum. Der bergang in die Sittlichkeit und den Geist alssolchen, als Volk und Weltgeschichte aufgefat, deutet nur auf die

    Notwendigkeit hin, Individuen und Geschichte zu vermitteln. Im Manuskript29

    der Philosophie des Geistes von 1803 wird deutlich, da das Bewutsein erst einabstraktes Moment des Geistes ist. Das Bewutsein ist der Geist, individuelldargestellt. Der Geist ist das Bewutsein in seiner Wahrheit, im Rahmen derSittlichkeit, der Geschichte und des absoluten Geistes. Die neuzeitlichen

    Philosophien stellten den Geist (den Begriff der Neuzeit nach Hegel) alsIdentitt der Reflexion, als Selbstbewutsein dar. Hegel will diese Auffassungimmanent kritisieren: Der Geist als Bewutsein mu sich zum Geist als Geistentwickeln und als solche darstellen.

    Meine Untersuchung geht demzufolge der kritischen Bedeutung der Hegel-schen Behandlung des Moments des sich denkenden Einzelnen als solchen nach,und zwar kritisch im Sinne einer - nach Hegel - vollstndigeren Darstellung des-selben.

    Als "Naturwesen, das heit, alsseiende Einzelheit" (Ph, 235), als ein analyti-sches Moment des Geistes, soll das sich denkende Subjekt immanent auf seine

    Wahrheit hinweisen, und "durch sich selbst mit sich selbst" (WL II, 399) zuGrunde gehen; nmlich durch seine Selbstaufhebung seinen Grund er-innern.Sowie der Geist "ebenso wesentlich Bewutsein ist" (HW, Bd. 18, 89), so ist dasIch an ihmselbst Geist. Die Mannigfaltigkeit von Bestimmungen der Vernunft"ist in dieser Innerlichkeit konzentriert und eingehllt, - ein dumpfes Weben desGeistes in sich...". (ebd. 88-89)Aus sich selbstmu sie auf die Selbsterkenntnisals Geist kommen knnen. Auf diese Weise erweist sich das Ich als "konkretes

    30

    Ich", dessen Bewegung "vom unmittelbaren Bewutsein zum reinen Wissen an

    Daher wre die "Verwandlung" der Wissenschaft der Erfahrung des Bewutseins in ein System desGeistes darstellungsmethodisch immanent und kein systematischer Bruch in derPhnomenologie, -wie O. Pggeler meint ("Die Komposition...", S. 358). Zumindest sollte es so nicht betrachtetwerden, ohne diesen kritisch-methodischen Hintergrund zu bercksichtigen. Die Phnomenologiedes Geistesist gleichzeitig eine Wissenschaft der Erfahrung des Bewutseins. (vgl. hierzu H. Rtt-ges, 1976, S. 137ff.) Dieser Zusammenhang von Bewutsein und Geist - in den Jenaer Entwrfenvorweggenommen - macht den kritischen Ansatz Hegels aus.

    Analogisch ein philosophisches System zu widerlegen heit nach Hegel, "zuerst" seinen Standpunkt"als wesentlich und notwendig" anzuerkennen; "zweitens"..."aber" diesen Standpunkt "aus sichselbstauf den hheren" zu heben. (WLII, 218)

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    12ihm selbst, durch seine eigene Notwendigkeit" (WLII, 61) aufgezeigt und dar-gestellt werden mu.

    31

    An ihmselbst ist das Ich spekulativer Natur; es mu es aberfr sichwerdenund dadurch - durch seine Selbstentwicklung als solches - sich aufheben undzu

    sich kommen, d.h. sich in seiner Wahrheit als spekulativ darstellen. Der Arbeits-proze bedeutet fr das sich denkende Einzelne die Selbstaufhebung, und zwarso, da es durch diesen seinenProze in sich die Bestimmung ans Licht bringt,die den Geist als seine innere Wahrheit aufzeigt. Damit ist die zweite Haupttheseder vorliegenden Untersuchung bezeichnet.

    32Der Darstellung des Sittlichen bei Hegel geht die desjenigen Prozesses

    voraus, der auf einer ersten abstrakten Ebene das Theoretische und dasPraktische synthetisiert. Darauf beruht zunchst die kritische Darstellung desreflexionsphilosophischen Standpunktes. Kant hatte rein Theoretisches und reinPraktisches sowie rein Praktisches und empirisch Praktisches grundstzlich

    voneinander getrennt, wenn auch diese Trennung im Zeichen des Primats derpraktischen Vernunft stand (vgl. KdrV, A 800-801; KdpV, A 218-219) unddadurch die "Einheit des Systems" (KdrV, A 801) nicht "verletzt" wurde. Fichteversuchte, die philosophische Wissenschaft im Horizont dieses Primatsexpliziter zu begrnden. Erst bei Hegel macht die Darstellung des Prozesses derSynthesis des Theoretischen und des Praktischen die Wissenschaft berhauptaus. Primat bei Hegel hat der Proze selbst, welcher das Ganze als Kreis vonKreisen stufenweise aufbaut. Theorie und Praxis sind jeweilig ein Kreis vonKreisen und schlieen sich zu einem Kreis zusammen. Bei derwissenschaftlichen Darstellung ist auch nicht - im Unterschied zu Kant - die

    Synthese des empirisch Praktischen und des rein Praktischen ausgeschlossen.Auf der abstrakten Ebene des Einzelnen vollzieht sich das Zusammenschlieenvon Theoretischem und Praktischem durch den Arbeitsproze, mit dem dasempirisch Praktische in die wissenschaftliche Darstellung eingefhrt wird.Daraus ergibt sich wiederum das Theoretische auf einer weiteren Ebene. Alleinvom Standpunkt dieser zweiten Entwicklung des Theoretischen innerhalb der

    Das bezeichnet das "Unkantisches" (T. Adorno, S. 13) bei Hegel: "da wir, indem den Block, dieGrenze begrifflich fassen, die der Subjektivitt gesetzt ist; indem wir diese als bloe Subjektivittdurchschauen, bereits ber die Grenze hinaus seien." (ebd.) Damit dann auch, da Hegel zwar nachAdorno zweideutig (ebd. S. 48) "die schrfste Kritik an Subjektivitt" (ebd. S. 47) vollzieht, - eineKritik, die "ber den Idealismus hinausdrngt" (ebd., S. 52). Demzufolge sollte die "Prferenz" (E.Angehrn, S. 161, Anm. 3) des objektiven Geistes gegenber dem subjektiven in bezug auf die He-gelsche Kritik an der Kantischen Moralphilosophie und am subjektiven Idealismus berhaupt rela-tiviert werden, sonst wre die Kritik nach Hegel uerlich oder, modern ausgedrckt, autoritr.

    Auf Grund dieser Auffassung erweist sich m. E. auch die Unmglichkeit, Hegel nur als Bewut-seinsphilosophen zu lesen. So soll diese Untersuchung zugleich einen Beitrag gegen den Idealis-musvorwurf an Hegel leisten. Zur Kritik Hegels an der Reflexionsphilosophie und zur Unmglich-keit, Hegel als Reflexionsphilosophen zu betrachten, siehe B. Liebrucks, 1956 und H. Rttges,1976. Die Zusammengehrigkeit von Arbeitsbegriff und Kritik des subjektiven Idealismus bei He-gel ist oft angesprochen worden: "Durch die Arbeit kommt es zu einem Durchdringen des Ideellenund Realen, des Subjektiven und Objektiven, des ueren und Inneren, des Allgemeinen und Be-sonderen." (I. Dubsky, S. 427. Vgl. auch dazu G. Luckcs, Bd. 2, S. 499-501, 546; M. Riedel,1973a, S. 133) Die materialistisch gefrbte Hegelsche Auffassung der Arbeit galt immerhin als "einTeil der Geschichte des abstrakt-absoluten Denkens". (Dubsky, S. 440, zitiert Marx-Engels: Die

    heilige Familie und andere philosophische Frhschriften, Berlin, 1953, S. 78. Vgl. auch dazu:Luckcs, Bd. 1, S. 8.) Genauso relativiert findet sich die kritische Bedeutung des Hegelschen Ar-beitsbegriffs bei M. Riedel, wenn der "Begriff der Arbeit" zuletzt seine philosophische Rechtfer-tigung in der Rede von "Arbeit des Begriffs" erhlt (1973a, S. 134).

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    13Darstellung aus bekommt der Arbeitsbegriff bei Hegel die dritte (C) kritischeBedeutung, der sich meine Untersuchung zuwendet: nmlich die Mglichkeitder Selbsterkenntnis des "Denkens berhaupt" zu zeigen, - Selbsterkenntnis ineinem eng Kantischen Sinne genommen, d.h. auf Grund einer Erfahrung bzw.Empfindung seiner selbst. Wie erfllt der Zusammenhang von Arbeitsprozeund sich denkendem Subjekt bei Hegel die Forderung Kants in bezug auf dieMglichkeit der Selbsterkenntnisdes "Denkens berhaupt"? Insoweit die Kritikan Kant immanent sein soll, mu sie die Mglichkeit einer empirischvermittelten Selbstanschauung des reinen Denkens beweisen. DieUnmglichkeit der Selbsterkenntnis hat Kant vom Standpunkt des Erkennensselbst aus als ein Paradoxon bezeichnet. Von Selbsterkenntnis ist fr Kant nurvom Standpunkt des praktischen Gebrauchs der reinen Vernunft aus die Redemglich; insoweit aber ist sie nur zu denkenbzw. zu postulieren, nmlich keine

    Erkenntnis, da dieser Gebrauch uns so bestimmt, "als ob unsere Bestimmungunendlich ber die Erfahrung, mithin ber dieses Leben hinaus reiche" (KdrV, B

    421). Die philosophisch kritische Funktion des Arbeitsbegriffs bei Hegel, diehier untersucht wird, zeigt dagegen, inwieweit fr das Selbstbewutsein selbstseine Einheit eineErfahrung(sein "Dasein im Leben",KdrV, B 420) ist.

    Daran anknpfend lt sich eine weitere Frage stellen: ob die Hegelsche Kon-zeptualisierung der Arbeit eine aktuell kritische Bedeutung hat. Falls dies so ist,dann mu diese Bedeutung in der Zusammengehrigkeit von Darstellung undKritik jeweils der einzelnen Subjektivitt und des Arbeitsbegriffs liegen.

    E.2 Eine Systematik der Bestimmungen des Hegelschen Arbeitsbegriffs

    Eine vorlufige Systematisierung der Begriffsbestimmungen scheint von Nut-zen zu sein, um gerade hinsichtlich der Variationen in den verschiedenen Hegel-schen Darstellungen das Verfahren und den Darstellungsplan der Untersuchunganzudeuten. Dabei mu zunchst bercksichtigt werden, da es sich um eineKonstruktion handelt, die aus den verschiedenen hier zu analysierenden Darstel-lungen Hegels hergestellt wird, welche nicht unbedingt eine Entwicklung imSinne einer immer differenzierteren Konzeptualisierung anbieten. Es knntesogar die erste dieser Betrachtungen (im System der Sittlichkeit) als die reichsteerscheinen, - obwohl das nur im quantitativen Sinne, was die Menge der Bestim-mungen anbetrifft, die dort ausgesprochen oder angedeutet sind, gilt. So wird

    z.B. in den Jenaer Systementwrfen und in der Logik des Begriffs die Arbeit inerster Linie als Herstellung von Werkzeugen (Handwerk) hervorgehoben, wobeieine den Ackerbau umfassende Arbeit ausgeblendet wird, whrend im IV.Kapitel derPhnomenologiedie Herstellung von Werkzeugen fr die Erfahrungdes Knechtes nicht konstitutiv ist. Es wird sich zeigen, wie dieser von anderenUntersuchungen gar nicht bercksichtigte Unterschied fr die Interpretation desResultates der Arbeit des Knechtes wichtig ist. Andererseits wird im Jenaer Ent-wurf von 1805/06 und besonders in der Logik- als teleologischer Proze darge-stellt - der Arbeitsproze als Herstellung am ausfhrlichsten behandelt, wobeidas in der Phnomenologie so entscheidende Moment der Hemmung der

    Begierde nicht deutlich vorkommt; ob diese unterschiedliche Akzentuierungtatschlich so aufrecht zu erhalten ist, ist allerdings eine Sache der

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    14Interpretation. Im Gegenteil sind alle diese Momente im System der Sittlichkeitangegeben. Als Ttigkeit des Knechts kommt die Arbeit nur in der

    Phnomenologiezur Darstellung.33

    Gerade auf Grund dieser Variationen schlage ich vor, im Hinblick auf die imersten Kapitel noch anzufhrende und als Hauptfrage der Untersuchung bezeich-nete Problematik jeden Text fr sich zu lesen, auch wenn die Analyse dem Ver-gleich nicht ausweichen kann, - gerade wenn man die Unterschiede przisierenwill. Die philosophische Funktion des Hegelschen Arbeitsbegriffs wird sich je-doch hinsichtlich der im ersten Kapitel aufgeworfenen Fragen als konsistent er-weisen.

    Die verschiedenen Darstellungen des Arbeitsbegriffs bei Hegelauseinanderzuhalten, rechtfertigt sich auch methodologisch in bezug auf dieverschiedenen Inhalte der jeweiligen Darstellungen. Der einzelne Geist (dieIntelligenz in den Jenaer Entwrfen), das Selbstbewutsein (Phnomenologie),der subjektive Begriff (Logik) arbeiten jeweils auf ihre Art als uerung des

    Willens, Erfahrung des knechtischen Bewutseins und Selbstbestimmung desInhalts als Begriff.

    Die Bestimmungen des Hegelschen Arbeitsbegriffs in seinen verschiedenenAuffassungen, die durch die Analyse der Hegelschen Texte im einzelnen zu be-trachten sein werden, lassen sich folgendermaen zusammenfassen.

    1) Die Arbeit als Auseinandersetzung des einzelnenIndividuums mit der i) in-neren und ii) ueren Natur ergibt sich vor allem aus a) der Hemmung derunmittelbaren Befriedigung der Begierde, und ist b) zweckmige Befriedigungder Bedrfnisse durch c) die materiell formierende Ttigkeit. Als solche setzt sie

    die Reflexion voraus oder ist die reflektierte Handlung des Verstandes inAuseinandersetzung mit der Natur, wodurch die Reflexion selbst einerVerwandlung im Rahmen ihres Selbsterkenntnisprozesses ausgesetzt ist.

    2) Insofern ist sie die Durchfhrung von einzelnen Zweckenbzw. die ue-rung des einzelnen Willens als Triebes und dadurch Begrndung der Identittdes Subjekts als eines einzelnen Begriffs.

    3) Damit ist die Arbeit realphilosophisch zunchst Besitzergreifung(Ackerbau und Viehzucht, Tun des Bauernstandes).

    4) Die Arbeit aber geht ber den einzelnen Zweck hinaus; als Werkzeugeschaffende Ttigkeit (Handwerk, Tun des Brgerstandes) wird sie vernnftige

    Vermittlung. Als solche stellt sich die "aufgehobene Arbeit" dar. Dadurchbereitet sich realphilosophisch der bergang in die Sittlichkeit und/oder diebrgerliche Gesellschaft vor. Der Wille "macht sich zum Inhalt" und erst durchdas bearbeitete Ding als Werkzeug (Mittel) und weil das Mittel nicht nur Mittel(Logik) ist, trennt er sich von der Ttigkeit und "kehrt zu sich" theoretisch(zusehend) zurck. Bei Hegel bedeutet der Arbeitsproze vor allem eine zweite

    Deduktion des Theoretischen aus dem Praktischen, nmlich die Aufhebung der34

    Nur hier wird die Vokabel "Arbeit" in ihrer etymologischen Bedeutung als Ttigkeit des Knechtes(germanisch: "arba") angewendet. Zur Etymologie der Vokabel Arbeit siehe: M. D. Chenu und H.

    J Krger; W. Conze; J. Hoffmeister; F. Kluge; M. Riedel, (1973a); I. Fetscher.

    Die These einer zweiten Deduktion des Denkens bei Hegel wird im ersten Kapitel (1.4) expliziert.Zum Begriff Deduktion im Hegelschen Sinne siehe dort Anm. 15.

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    15Arbeit als Bestimmung des Subjekts, wodurch zunchst die hchste Stufe derFreiheit entwickelt wird, welche das einzelne Subjekt erreichen kann. Damithebt sich der Einzelne zugleich auf.

    E.3 Verlauf der Untersuchung

    Im System der Sittlichkeit (Gegenstand des zweiten Kapitels der Untersu-chung) wird der Arbeitsproze in vier Phasen beschrieben:1) Bereits bei der unmittelbaren Befriedigung der Bedrfnisse (Essen,

    Trinken, usw.) spricht Hegel von Arbeit . Das einfache Sammeln dessen, wasdie Erde unmittelbar bietet, ist bereits eine Art von Arbeit, ein "Bemhen". (SdS,19)

    2) Die Arbeit als Hemmung der Begierde und als Formgebung ist das"Eingehen des subsumierenden Subjekts in die Realitt des Objekts", (ebd., 21)so da eine Selbstanschauung des Subjekts mglich wird. Es handelt sich um die"Arbeit als solche", deren Momente folgendermaen ausdifferenziert werden:

    a) als Besitzergreifung durch den Ackerbau (Arbeit "gegen die Pflanze"; ebd.,22) und die Viehzucht (Arbeit "gegen das Tier", ebd.), wobei das Resultat derMensch als ein sich bildender (ebd., 24) ist. Es handelt sich hier um die ersteForm des ber die Objektivitt "herrschend[en]" Begriffs (ebd., 20), worauf dieArbeit des Bauernstandes sich beziehen kann;

    b) und als Werkzeuge herstellende Arbeit. Das Werkzeug reprsentiert die"reale Vernnftigkeit der Arbeit" (ebd., 28), die "reale Mitte" (ebd., 27), dieForm als "tote Materie" (ebd.). Es handelt sich um die Arbeit des "Standes derRechtschaffenheit".

    3) "...das Werkzeug geht in dieMaschineber, indem die Unruhe des Subjek-

    tiven, des Begriffs, selbst auer dem Subjekt gesetzt wird." (ebd., 33) Die Ma-schine und die darstellungsmig daraus folgenden Marktverhltnisse bereitendie Welt derPersonen, der abstrakten Rechtssubjekte vor.

    Von dieser Betrachtung im System der Sittlichkeitausgehend, beschftigt sichmeine Untersuchung mit den Punkten 1, 2, 2a und 2b, so wie sie von Hegel inden folgenden Texten dargestellt werden:

    Die Jenaer Systementwrfe (Kap. 3) betrachten Nr. 1 als blo unmittelbareBefriedigung der Begierde, die Besitzergreifung (Nr. 2a) erst, nachdem Nr. 2bzur Darstellung gebracht worden ist. Die Arbeit ist hier durch die uerung dessubjektiven Willens "Befriedigung des Triebes" bzw. Aufhebung der Arbeit imWerkzeug, welches als bergang des Praktischen in das Theoretische (die List,das Zusehen) zur Darstellung kommt.

    Die Wissenschaft der Logik (Kap. 4), den Arbeitsproze als teleologischenProze fassend, betrachtet die Arbeit am ausfhrlichsten als Herstellung vonWerkzeugen. Durch den teleologischen Proze hindurch schliet sich die Sub-

    jektivitt mit der Objektivitt zusammen, woraus das Absolute als Idee sich re-konstruiert. Die logische Darstellung des teleologischen Prozesses zeigt amdeutlichsten, inwiefern die Hegelsche Konzeptualisierung des Arbeitsprozessesauch eine kritische Darstellung der Arbeit als instrumentales Handeln ist. Daszeigt sich darin, da das Mittel nicht nurMittel ist.

    Das Selbstbewutseinskapitel der Phnomenologie (Kap. 5) bietet zwar nureine Anwendung des Punkts 2a, mit der Variante, die Arbeit sei Ausgang des

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    16Kampfes um eine im Voraus zum Scheitern bestimmte Anerkennung und derWendepunkt der Dialektik oder der Erfahrung von Herrschaft und Knechtschaft.Die Arbeit des Knechtes bringt das phnomenologische Bewutsein in dieErfahrung hinein, sich als dialektisch bzw. erfahrendaufzufassen. Hier geht esnicht um eine "dritte Periode" einer Entwicklung des Arbeitsbegriffs bei Hegel,weniger noch um eine "nhere Bestimmung des Arbeitsprozesses" . Das we

    35

    -sentliche Moment des Werkzeuges fehlt im IV. Kapitel der Phnomenologie.Daraus mssen Konsequenzen gezogen werden. Diese Betrachtung der Arbeit

    bei Hegel scheint vielmehr christlich-theologischer Herkunft zu sein. Es handeltsich vor allem um das Formieren der Natur zwecks der Bildung desIndividuums, nmlich im Dienst der Beherrschung seiner inneren Natur(Gehorsam und Hemmung der Begierde). Dadurch wird das Bewutsein alsdenkendes Wesen "berhaupt" selbstbewut. Das Besondere dabei ist, da dasBewutsein als Knecht, selbst in der "Gestalt der Dingheit", als Gegenstanduerlich bestimmt, selbst vermitteltund bestimmt. Das Bewutsein selbst als

    Knecht wird Gegenstand und verhlt sich - als Gegenstand betrachtet - alsSubjekt. Dadurch kommt das Bewutsein im Anderen und durch das Andere "zusich selbst", d. h. es wird selbstbewute, freie Subjektivitt. Die Natur wirdformiert, aber um "weg-gearbeitet" zu werden. Die Verselbstndigung desProdukts der Arbeit kommt hier nicht in Frage. Der Akzent liegt auf dersubjektiven Seite und Wirkung der Arbeit.

    Begrifflich durchgefhrt hat Hegel den Arbeitsproze nur im System der Sitt-lichkeit, in den Jenaer Systementwrfenund in der Wissenschaft der Logikdar-gestellt. Im System der Sittlichkeitund derJenaer Philosophie des Geisteswirder sowohl "in seinem Begriff" (dem subjektiven Geist) als auch "in seiner

    Realitt" (dem objektiven Geist, Systematik der Stnde) erfat. Hinsichtlich desArbeitsbegriffs selbst ist das vierte Kapitel der Phnomenologie entgegen derseit Marx verallgemeinerten Meinung kein zentraler Text. Dort ist die Arbeitselbst eigentlich nicht thematisiert. Thema ist vielmehr der Knecht alsBewutseinsgestalt. Die Arbeit ist nur eine ihrer Bestimmungen, - wenngleichdieser Bestimmung in bezug auf die Hegelsche Auseinandersetzung mit derreflexionsphilosophischen Darstellung der Subjektivitt eine zentrale Bedeutungzukommt. Demzufolge es ist das Anliegen der vorliegenden Untersuchung, dasArbeitsmoment der Erfahrung des Knechtes hervorzuheben.

    Im Anschlu an diese Einleitung wird behandelt, worin diese Auseinanderset-

    zung grundstzlich besteht und welche Bedeutung dem Arbeitsbegriff darin zu-kommen kann (Kap. 1).

    Laut der Auffassung E. Angehrns, S. 176, Anm..

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    ERSTES KAPITEL: HEGELS KRITIK DER REFLEXIONSPHILOSOPHIE DERSUBJEKTIVITT. PHILOSOPHIE-GESCHICHTLICHPOLEMISCHER HORIZONTDER VORLIEGENDEN UNTERSUCHUNG.

    1:1 Die Kantische Paradoxie der Selbsterkenntnis der reinen Apperzeption

    Die unumgngliche Aufgabe der Philosophie ist nach Hegel dasErkennen desAbsoluten, -Erkennenallerdings in einem mit dem Kantischen eng verwandtenSinne: das Absolute mu durch und in seiner Erscheinung begriffen werden,nmlich sich in seiner Erscheinung als menschlicher Vernunft erkennen. Wenn

    jedoch der Bezugspunkt der Mensch ist, - der Mensch, "nmlich als eine fixeunberwindliche Endlichkeit der Vernunft; nicht als Abglanz der ewigenSchnheit, als geistiger Fokus des Universums, sondern als eine absolute Sinn-lichkeit, welche aber das Vermgen des Glaubens hat..." (GuW, 12) -, bleibt dasErkennen des Absoluten versagt.

    Kant hat die Selbsterkenntnis der Vernunft als "das beschwerlichste aller [...]

    Geschfte" derselben, (KdrV, A XI) bezeichnet. Allerdings ist hier von Er-kenntnis im streng Kantischen, terminologischen Sinne nicht die Rede. LetztenEndes gehrt die Frage nach der Selbsterkenntnis zu jenen "belstigenden" Fra-gen, die die menschliche Vernunft "nicht abweisen kann, denn sie sind ihr durchdie Natur der Vernunft selbst aufgegeben, die sie aber auch nicht beantwortenkann, denn sie bersteigen alles Vermgen der menschlichen Vernunft." (KdrV,A VII)

    Dieser erste Satz in der Vorrede zur ersten Auflage der Kritik der reinen Ver-nunftentwirft den aporetischen Horizont, innerhalb dessen die gesamte Kanti-sche Philosophie sich bewegt, und an dem ihre Nachfolger sich ruhelos abarbei-

    ten sollten. Die kritische Unternehmung einer neu begrndeten Selbsterkenntnisder Vernunft gilt u.a. als die Beweisfhrung der Unmglichkeit der Erkenntnisderselben im strengen Sinne. Ein Aspekt dieser Aporie und das Moment der He-gelschen Auflsung derselben, in das der Arbeitsbegriff hineinspielt, ist Gegen-stand der vorliegenden Untersuchung.

    Die Klrung des "Miverstandes der Vernunft mit ihr selbst" (KdrV, A XII) zuliefern, und die Selbsterkenntnis derselben aufs Neue zu unternehmen, erfordertnach KantPrinzipien. Sie sind die Gesetze dieses "Gerichtshofs" (KdrV, A XI),dessen Anrufung die Kritik der reinen Vernunft selbst ist. Sie sind Prinzipienoder Bedingungen der Mglichkeit, (nicht Umstnde oder Bedingungen der

    Wirklichkeit) des "Vernunftsvermgens berhaupt" (ebd.); - aber Prinzipien "inAnsehung aller Erkenntnisse, zu denen sie [die Vernunft, V.C.] unabhngig vonaller Erfahrung, streben mag...". (ebd.) Die "Hauptfrage" bleibt immer: "wasund wie viel kann Verstand und Vernunft, frei von aller Erfahrung, erkennen,und nicht, wie ist das Vermgen zu denkenselbst mglich?" (KdrV, A XVII)

    Die Notwendigkeit des Fundaments der Erkenntnis ist durch eine"Deduktion" zu rechtfertigen (KdrV, B 117), die nach den Bedingungen derMglichkeit a priori, nach dem Ursprung im strukturellen Sinne, nach dem"Gebrauch und Umfang" (Prolegomena, A 10-11) fragt. Die transzendentaleDeduktion der Kategorien ist in der Tat gleichzeitig der Beweis der Notwendig-

    keit, ihr Fundament - die reine Apperzeption - vorauszusetzen. Diese zirkulre

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    17Rechtfertigung des transzendentalen Prinzips schliet dessen Erkenntnis aus.Darin besteht "das Paradoxe" der transzendentalen Deduktion.

    Kant hat "das Paradoxe" (KdrV, B 152ff.) bzw. den unbequemen"Zirkel" (KdrV, A 346) der Selbsterkenntnis bekanntlich dadurch erklrt, daeine empirische Selbstanschauung der reinen Apperzeption unmglich sei. Sichselbst zu erfahren ist dem reinen Selbstbewutsein nicht mglich, da dietranszendentale Einheit desselben eine der Bedingungen der Mglichkeit allerErfahrung und als solche immer a priori vorausgesetzt bleibt. Die Bedingung derMglichkeit aller Erfahrung kann nicht, dem Satz des Widerspruchs zufolge,selbst Gegenstand der Erfahrung sein. Genauso unmglich ist die Subsumtionder reinen Apperzeption unter Kategorien. (vgl. u. a. KdrV, A 401-402; B421-422) Also nicht als reines, sondern nur als empirisches Bewutsein,zeitlich,nmlich im Rahmen der Kategorie der Relation (Ursache-Wirkung; Substanz-Akzidens; Handeln-Leiden) vermag die Apperzeption sich zu erkennen. Darauf1

    bezieht sich auch die Kantische Kritik an dem Versuch, eine empirische Ablei-

    tung des Denkens zu unternehmen (KdrV, B 126-128)

    , welche die Freiheit des2

    Denkens selbst vernichten wrde.Die Transzendental-Philosophie ist die Ausarbeitung der Bedingungen, unter

    denen allgemein gltige Erkenntnis mglich ist, vorausgesetzt, da alle Er-kenntnis mit der Anschauung anfngt, und da diese darber hinaus als Vorstel-lungskraft des Subjekts auf sich selbst beschrnkt ist, d.h. da das erkennendeSubjekt zum Anzuschauenden an sich keinen Zugang hat. Damit hngt dieMglichkeit der Freiheit berhaupt zusammen. Die Kantische Auffassung derFreiheit, die durch die ganze Kritik der reinen Vernunft eine Begrndung sucht,liegt gleichzeitig der Kantisch kritischen berlegung zugrunde, als Fundament

    der Erkenntnis und Ausgangspunkt fr die Aufklrung des Denkens selbst:"Denn, sind Erscheinungen Dinge an sich, so ist Freiheit nicht zu retten." (KdrV,A 536)

    Die Anschauung ist unausweichlich auf die Erscheinung beschrnkt. In derAnschauung haben wir nureine sinnliche Vorstellung, d.h. den Gegenstand alsAffektion, nicht an sich. Folglich ist der erkannte Gegenstand vor allem eineKonstruktion des Subjekts. Von Gegenstand ist nur die im Subjekt gegebene undvom Subjekt zur Erscheinung und Erkanntem zu erhebende Anschauungzugnglich, welche die Grenze der Erkenntnis und somit eine Dimension auf3 -

    Vgl.KdrV, Anm. B XL-XLI undKW, XII, 425-431 (Anthropologie in pragmatischer Hinsicht, BA 26-29).1 Im Kontext der Auseinandersetzung mit der rationalen Psychologie fat Kant die Argumentation fr die Un2 -

    mglichkeit der Selbsterkenntnis des reinen Selbstbewutseins folgendermaen zusammen: "Die Einheit desBewutseins, welche den Kategorien zum Grunde liegt, wird hier fr Anschauung des Subjekts als Objektsgenommen, und darauf die Kategorie der Substanz angewandt. Sie ist aber nur die Einheit im Denken, wo-durch allein kein Objekt gegeben wird, worauf also die Kategorie der Substanz, als die jederzeit gegebeneAn-

    schauungvoraussetzt, nicht angewandt, mithin dieses Subjekt gar nicht erkannt werden kann. Das Subjekt derKategorien kann also dadurch, da es diese denkt, nicht von sich selbst als einem Objekte der Kategorien ei-nen Begriff bekommen; denn, um diese zu denken, mu es sein reines Selbstbewutsein, welches doch hat er-klrt werden sollen, zum Grunde legen. Eben so kann das Subjekt, in welchem die Vorstellung der Zeit da-durch ursprnglich ihren Grund hat, ihr eigen Dasein in der Zeit nicht bestimmen, und wenn das letztere nichtsein kann, so kann auch das erstere als Bestimmung seiner selbst (als denkenden Wesens berhaupt) durchKategorien nicht stattfinden." (KdrV, B 421-422)

    "Nun ist alle uns mgliche Anschauung sinnlich (sthetik), also kann das Denken eines Gegenstandes ber3 -haupt durch einen Verstandesbegriff bei uns zur Erkenntnis werden, so fern dieser auf Gegenstnde der Sinne

    bezogen wird." (KdrV, B 146)

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    18zeigt, die wir nur denken, nicht aber erkennenknnen: das Ansich. "An sich" istim Prinzip alles, was auerhalb der Bedingungen a priori der Erfahrung liegt.Dazu gehrt nicht nur ein notwendig zu vermutender Rest dessen, was erscheint,sondern auch alles, was sich dem Grundgesetz der Erfahrung, nmlich der

    Kausalitt, entzieht: das Gttliche, das reine Selbstbewutsein, die Freiheit, dasRecht, die Endziele der Geschichte, das Apriori berhaupt, das Denken selbst.Hiermit ist auf einen zentralen Punkt aufmerksam zu machen: nur weil die Er-fahrung und der Erkenntnisvollzug als ein uerliches kausales Verhltnis auf-gefat werden, ist es nicht mglich, diese Gattung von "Gegenstnden" zu erfah-ren und zu erkennen. Im Zeichen einer anderen Auffassung der Freiheit ist die so

    begrenzte Erfahrung nach Hegel zu berschreiten, damit die Erkenntnis desAnsich mglich wird.

    Das Erkennen ist nach Kant die Handlung der Synthesis, die das Denken inseiner Bestimmung als Kategorie und die empirische Anschauung vermittelt.Aber die Vermittlung vollzieht sich als ein "Hinzutun" zum Gegebenen. Die Er4 -

    kenntnis ist die Synthesis selbst als Resultat, jedoch nicht als die immanenteEntwicklung der Anschauung und/oder des Denkens. Das Erkennen ist dieProduktion, die das Produzierende, das Denken jenseitig voraussetzt. Insoweitunterscheidet sich das Denken vom Erkennen, als das ersteres vorausgesetztwird und die Anwendung seiner selbst als Kategorie im Subsumtionsakt nur dieBesttigung seiner uerlichkeit bzw. Innerlichkeit ist, da diese Anwendungzugleich eine unberschreitbare Grenze setzt. 5

    In der Sprache der Kantischen Urteilstheorie bedeutet die Unerkennbarkeitdes reinen Selbstbewutseins die Unmglichkeit, ein synthetisches Urteil a

    priori ber sich selbst auszusprechen. (vgl.KdrV, 381-382) Das "Ich denke" gilt

    als ein analytischer Satz. (KdrV, B 135) Wenn ich "Ich" sage, stelle ich michgleichzeitig denkend dar. Die reine Apperzeption als spontanes freiesWesen isteine solche analytische Einheit von Form und Inhalt, Subjekt der Handlung undHandlung. Erkenntnis im strengen Sinne gibt es hier nicht, da keine empirische,sondern nur eine intellektuelle Anschauungdes Objekts mglich ist:

    "Das Bewutsein meiner selbst in der Vorstellung Ich ist gar keine Anschauung, sondern eine blointellektuelleVorstellung der Selbstttigkeit eines denkenden Subjekts." (KdrV, B 278; vgl. auch Anm.B 423)

    Einer intellektuellen Vorstellung ist die Untrennbarkeit der Anschauung unddes Angeschauten eigentmlich; Objekt und Subjekt fallen dabei unmittelbar zu-

    sammen. Durch die Anschauung ohne Vor-stellung ergibt sich keine Erkenntnis,ist kein synthetisches Urteil mglich. Eine Anschauung, die zur Erkenntnis

    Kant spricht auch von "Hinzukommen"; KdrV, A 124 u. B 133; Prolegomena, A 34, 54, 78. Dies wird von4

    Hegel in Glauben und Wissen hervorgehoben (Vgl. S. 33). Die damit ausgesprochene uerlichkeit derBewegung weist auf ein Kausalverhltnis zwischen der Instanzen hin. Fr Kant ist die synthetische Ttigkeitder Kategorien die "Handlung, verschiedene Vorstellungen zu einander hinzuzutun und ihre Mannigfaltigkeitin einer Erkenntnis zu begreifen" (KdrV, B 103). Das Geschft der transzendentalen Logik ist es, dieseSynthesis zum Begriff zu bringen; was mglich ist, wenn zuerst die Mannigfaltigkeit "nicht empirisch,sondern a priori gegeben ist (wie das im Raum und der Zeit)" (ebd.). Aber zweitens: die Erkenntnis einesvorkommenden Gegenstandes schaffen die Begriffe, "welche dieser reinen Synthesis Einheit geben, undlediglich in der Vorstellung dieser notwendigen synthetischen Einheit bestehen" (KdrV, B 104). Diese Art vonVorstellung sind die Kategorien; sie sind die "reinen Verstandesbegriffe", die "a priori auf Objekte

    gehen" (ebd. B 105). Die Handlung besteht darin, im Urteil eine Einheit zu stiften, die schongegebenist. "Das Prinzip der kritischen Philosophie bleibt als ein Unbestimmtes dem Erkenntnisvollzug selbst5

    uerlich." (J. Werner, 96-97)

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    19kommt, fordert die Vorstellung als Resultat der Rezeptivitt, nicht der Sponta-neitt des Subjekts heraus und mu daher notwendigerweise empirische An-schauung sein, nmlich eine Vorstellung, die das Subjekt nicht als selbstttigeszeigt; sie ist das Resultat einer Affizierung ber dasselbe. (vgl.KdrV, B 68-69)

    Unsere empirische Anschauung produziert die Gegenstnde nicht, sie ist vorallem Rezeptivitt und ihre Gegenstnde notwendig Vor-stellungen. Das Man-nigfaltige ist "ohne Spontaneitt im Gemte gegeben" (KdrV, B 68), nmlichdurch bloe Affektion. Nur wenn unsere Anschauung "selbstttig", d.h. intel-lektuell (ebd.) wre, knnten wir auf das Ding an sich zugreifen. Ein Zuganggbe es zu ihm, nur wenn durch dessen Anwesenheit eine unmittelbare Bezie-hung mit dem Subjekt bestnde. Die Folge wre aber die totale Abhngigkeitdes Gemts vom Ding und die Unmglichkeit der Erkenntnis a priori (objektivgltig) genauso wie die der Freiheit. Das kritische Verfahren Kants gegen dieMetaphysik orientiert sich an dem Prinzip der kopernikanischen Wende: "dieGegenstnde mssen sich nach unserem Erkenntnis richten..." (KdrV, B XVI),

    nicht umgekehrt.Das erkennende Subjekt ist somit nach der Hegelschen Terminologie uerli-che Reflexion. Handeln und Leiden, Spontaneitt des Denkens und Rezeptivittder Anschauung sind nach Kant grundstzlich zu trennen. Bei Hegel erweist dieTtigkeit des Subjekts gerade das Gegenteil: ein leidend ttiges und ttig leiden-des Subjekt, und erst als solches frei.

    Weil Kant die empirische Anschauung - gerade auch in ihrer uerlichenSynthesis - grundstzlich vom Denken getrennt hat, konnte er Selbstanschauungund Selbsterkenntnis im Denken selbst nicht vereinigen, sondern nur im An-schauen; anders gesagt, Selbsterkenntnis ist nur dem empirischen Bewutsein

    mglich.6

    Das transzendentale Subjekt ist nach Kant als eine Art von Ding an sich zudenken, um es unabhngig vom Naturmechanismus darstellen zu knnen. Nur7

    so gibt es die Mglichkeit, einen praktischen Gebrauch der reinen Vernunft(Vgl. KdrV, B XXIV-XXIX), nmlich sich als freidenken , - die Mglichkeit,

    spontanhandeln (vgl.KdrV, A 448) zu knnen.Wenn das Denken als solches erscheinen wrde, mte es eine uerliche Ur-

    sache haben. Das Denken zu erkennen hiee das Denken zu negieren, oder ge-nauer gesagt, das Denken als Freiheit aufzuheben. Nur im Leben (KdrV, B 415)kann die rationale Psychologie die Erkenntnisdes reinen Selbstbewutseins in

    Anspruch nehmen, nmlich in seiner Erscheinungund somit dem Kausalitts-verhltnisse unterworfen. Aber damit htte man nur eine empirische Psychologieoder eine Anthropologie. Fr Kant, insoweit das Selbstbewutsein a priori, un-

    bestimmt und frei zu denken sei, kann es nicht Gegenstand dieser Wissenschaf-ten sein. Fr unannehmbarer noch hlt Kant den Widerspruch, das Selbstbe-wutsein als "zugleich" frei und der Naturnotwendigkeit unterworfen (KdrV, BXXVII) anzusehen. Das ist gerade das Vorhaben, das Hegel unternimmt, und das

    Da bei Kant selbst eine mgliche Revision dieser Trennung zu spren ist, dahingehend argumentiert J. Werner6

    (S. 99).

    "Durch dieses Ich, oder Er, oder Es (das Ding), welches denket, wird nun nichts weiter, als ein transzendentales7Subjekt der Gedanken vorgestellt = x, welches nur durch die Gedanken, die seine Prdikate sind, erkanntwird, und wovon wir, abgesondert, niemals den mindesten Begriff haben knnen;" (KdrV, A 346)

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    20durch die Analyse des Hegelschen Arbeitsbegriffs nher zu betrachten ist. NachKant sind empirisches und reines Selbstbewutsein grundstzlich getrennt. DieDialektik von Herrschaft und Knechtschaft in derPhnomenologiehingegen istdie Vermittlung des empirischen und des reinen Selbstbewutseins; derteleologische Proze ist andererseits diejenige Vermittlung der ueren undinneren Zweckmigkeit, welche die Freiheit des Begriffs auf Grund der Objek-tivierung der Subjektivitt und der Subjektivierung der Objektivitt zugleichgrndet.

    1.2 Selbsterkenntnis als Grundbestimmung der Freiheit

    Wenn das Kantische Programm der Selbsterkenntnis der Vernunft konse-quenter in Anspruch genommen und eine Auflsung seiner Paradoxie gefundenwerden soll, mu eine neue Auffassung der Freiheit des Denkens zugrunde ge-legt werden. Die Selbsterkenntnis ist nach Hegel die Vollendung der Freiheit,die das Denken an sich selbst ist. Erkennt sich das Denken nicht, so bleibt es

    immer uerlich, an sich, unbestimmt oder, was nach Hegels Erachten dasselbeist, blo innerlich, und insofern gerade nicht frei. Die konkreteFreiheit verlangtvor allem, da die Voraussetzung der Kantischen Paradoxie der Selbsterkenntnisin Frage gestellt werden: nmlich die grundstzliche Trennung zwischen Dingan sich und Erscheinung, zwischen Anschauen, Erkennen und Denken (Verstandund Vernunft, empirischem und reinem Selbstbewutsein), und darber hinausdiejenige zwischen Theoretischem und Praktischem. Dies sind die Grundlagendes kritischen Programms. Die Aufhebung derselben als Darstellung des Sy-stems der philosophischen Wissenschaft ist die meta-kritische UnternehmungHegels.

    Allerdings zielt Hegel keineswegs auf eine empirische Genese des Denkensim Locke'schen-Hume'schen Sinne (gegen diese ist die Kantische Deduktionargumentativ gerichtet), sondern auf die Darstellung desselben in seinerWahrheit als "diese sich wiederherstellende Gleichheit oder die Reflexion imAnderssein in sich selbst - nicht eine ursprnglicheals solche oder unmittelbareals solche..." (Ph,14). Hegel stimmt mit der Kritik am Empirismus berein, dereine uerliche Ursache fr das Denken aufsuchte, um dann das Denken demReich der Kausalitt und der Notwendigkeit preiszugeben. Das Denken ist causa

    sui, frei, und macht die Grundlage der Freiheit berhaupt aus. Die

    Unmglichkeit, das Denken empirisch abzuleiten, trifft besonders auf dieHegelsche Philosophie zu. Hegel geht mit diesem Prinzip gleichwohlkonsequenter um als Kant, indem er das philosophische System als Selbstdar-stellung des Denkens auffat. Die Philosophie ist unumgnglich Idealismus (vgl.WL I, 145-146). Anders als bei Kant aber ist das Denken nach Hegel jederInstanz und Bewegung des Bewutseins inhrent. Der fundamentalste Trieb der

    phnomenologischen und logischen Bewegung ist das Denken selbst. Aber dasbedeutet nicht, da das Denken im Anderennicht ist, und da es sich dabei alsResultat aber nicht erkennensoll.

    Bekanntlich gehrt die Dualismusfrage in Hegels Philosophieren dem umfa-

    enderen Rahmen der Freiheitsfrage an. Kritik und Aufhebung des Dualismussind fr Hegel unentbehrliche Schritte in der Konzeptualisierung sowie in der

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    21von Individuen und Vlkern gemachten Erfahrung der Freiheit. Das refle8 -xionsphilosophische Verhltnis von Erkennen und Erkanntem bleibt nach Hegellogisch-gnoseologisch, metaphysisch und praktisch ein Herrschaftsverhltnis,das durch die uerlichkeit der in Beziehung tretenden Gegenstze bezeichnetist. Der Glaube, das Kausalsverhltnis, die Subsumtion des Mannigfaltigen unterden Kategorien, das Sollen als moralisches (Kant) oder wissenschaft-theore-tisches (Fichte) Prinzip, der unendliche Progre, der daraus folgt, der Vortrag,der die volunt gneralebegrnden soll, sind "unvollstndige", "niedrige" Ver-einigungsweisen, insofern sie immer noch uerliche und Herrschaftverhltnissezum Ausdruck bringen. Eine Beziehung des Beherrschens zwischen Unendli-chem und Endlichem entsteht, "denn im absoluten Gegensatz derselben ist derBegriff [der Verstandesbegriff, V.C.] das Bestimmende" (GuW, 7), und berdiesem Bestimmenden steht das Unbegreifbare, ein jenseits bleibendes Drittes(sei es Gott oder die transzendentale Apperzeption), an welches nur zu glaubenist. Die Herausforderung ist immer die, eine solche Einheit zu begrnden, wel-

    che gleichzeitig die Freiheit behauptet. Es entsteht keine Freiheit stiftende Ein-heit, wenn sie nicht eine immanenteVereinigungsbewegung ist.Als Dualismus ist die Reflexionsphilosophie zugleich ein Formalismus:

    "Dieser Charakter der Kantischen Philosophie, da das Wissen ein formales ist, und die Ver-nunft als eine reine Negativitt ein absolutes Jenseits, das als Jenseits und Negativitt bedingtist durch ein Diesseits und Positivitt, [da] Unendlichkeit und Endlichkeit beide mit ihrerEntgegensetzung gleich absolut sind, ist der al lgemeine Charakter derReflexionsphilosophien...".(GuW, 43)

    Der formalistische Begriff der Subjektivitt, nmlich die "vllige Leerheit derSubjektivitt" (GuW, 43), fllt mit einer als bloem Ding verabsolutierten(verdinglichten) Objektivitt zusammen, die nur dadurch erkanntwerden kann,da sie innerhalb eines Kausalverhltnisses beherrscht und/oder subsumiertwird. Oder, wenn sie fr unerkannt erklrt wird, tritt die Objektivitt als Gegen-

    pol einer Sehnsucht (Sollen) auf, die sich nur die Offenbarung (Glauben) zu er-hoffen htte. 1) Leeres Ich, bzw. Ich als bloe leere Ttigkeit, 2) verdinglichteWelt, 3) unvollstndigeweil abstrakte(d.h. auf Kausal-, Herrschafts- und Sub-sumtionsverhltnisse begrndete) Vereinigungsweisen und 4) Glaube gehrenzusammen und definieren im Ganzen die Reflexionsphilosophie der Subjektivi-tt nach Hegel.

    Kant hat die kopernikanische Revolution gefeiert, weil sie ein Modell bot,

    demzufolge die Gegenstnde sich nach dem Subjekt richten mssen, wodurchdie Freiheit des Denkens sich behaupten sollte. Wenn das Objekt aber vomSubjekt die Bestimmung erhlt und diese nicht sich selbst gibt, wrde es inner-halb eines Herrschaftverhltnisses dargestellt. Hegel fordert die vermittelte Im-manenz als Charakteristikum einer vollstndigen oder vielmehr vernnftigenVereinigung zugleich als Bedingung der Selbstbestimmung oder Autonomie.Anders als das moralische Gesetz, der Gottesbefehl, die Handlung, die Strafe,die Natur, die abstrakte Ichheit und Allgemeinheit gelten Liebe, Leben, Schick-

    Vgl. dazu J. Ritter, "Hegel und die franzsische Revolution" und H. Rttges (1963): "...nur wenn der absolute8Geist oder die Idee der Freiheit die hchste Macht in der Wirklichkeit ist, kann der Mensch in ihr bei sichselbst d.h. frei sein, soda die Hegelsche Philosophie, deren Aufgabe nach Hegels eigenem Zeugnis nichtsals die Demonstration der Vernnftigkeit der Wirklichkeit ist, als die Philosophie der Freiheit bezeichnetwerden mu." (S. 198).

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    22sal, Geist und Idee als immanente Bewegungen der Selbstbestimmung. Voll9 -stndigere Einheitsprinzipien haben zunchst die uerlichkeit genauso wie ei-ne reine Innerlichkeit aufzuheben, um dadurch die Freiheit als Erfahrung, nm-lich als Erkenntnis der Totalitt zu verwirklichen. Die frhe Hegelsche Auffas-sung der Liebe z. B. ist keine Morallehre und versucht vor allem Freiheitsbe-grndung und Erfahrung der Ganzheit zu sein. (HW, Bd. I, 363) Insofern tritt siekritisch gegen den Kantianismus auf. (ebd. 299, 323, 359-360)

    Von "Selbstproduktion der Vernunft" ist die Rede in derDifferenzschrift(Diff,34), wenn die "falsche Identitt" des Kausalverhltnisses (ebd. 36) zu vermeidenist. So ist die "Entwicklung der Vernunft selbst" (ebd. 35) die Methode der"echte[n] Spekulation" (ebd.), einer spekulativen Reflexion, die das Postuliereneiner "bloen Reflexion" aufhebt und das Absolute in seiner Erscheinung (ebd.36) erfat und als System der Wissenschaft (ebd. 34) darstellt.

    In diesem Sinne gilt es, die Reinholdische Betrachtungsweise der Geschichteder Philosophie zu kritisieren. Als ein "echtes Kunstwerk" soll die Philosophie

    "in sich vollendet" dargestellt werden (ebd. 10), und nicht wie jene Handwerks-kunst, die sich immer "verbessern" (ebd. 7) lt. Die Philosophie ist fr Hegelkein instrumentales Wissen, das vielmehr eine Sammlung von Kenntnissen oder"Trieb zur Vollstndigkeit der Kenntnisse" (ebd. 6) ist. "Kenntnisse betreffenfremde Objekte.", (ebd.) - insofern bildet das Wissen des Verstandes in sichkeine Totalitt bzw. kein System, in dem er sich erkennen knnte. Dabei ist dieVernunft selbst erkenntnistheoretisch instrumentalisiert.

    Durch die Ttigkeit einer zum Instrument oder zum Organon gemachten Ver-nunft ergibt sich nun ein Kausalzusammenhang. "UnvollstndigeSynthese" (ebd. 37) ist er, da die Verbindung zwischen Ursache und Wirkung

    keine "Selbstproduktion" ist, nmlich keine immanente Bewegung, sondern einNebeneinanderfallen (ebd. 85). Die Selbstndigkeit der Termini wird immer vor-ausgesetzt und die Vereinigung tritt von auen "hinzu". Dagegen verlangt eineabsolute Wissenschaft nach dem jungen Hegel, da "das Produkt keinen Bestandhat als nur im Produzieren, nicht gesetzt ist als ein Selbstndiges, vor undunabhngig von dem Produzieren bestehendes...". (ebd. 37) Die Philosophiemu "ihre eigene Begrndung in sich selbst" ergreifen (ebd. 9), so wie die Spe-kulation "die Ttigkeit der einen und allgemeinen Vernunft auf sich selbstist" (ebd. ebd.) und "durch die besondern Formen [hin]durch sich selbst" (ebd.10) sehen mu. Kommt die Philosophie dieser Aufforderung zur Immanenz

    nicht nach, so ist die Vereinigung "gewaltsam, das eine bekommt das andereunter sich, das eine herrscht, das andere wird botmig" (ebd. 36, Vgl. dazuauch 60). Untertan und subsumiert zu werden spiegeln sich wider.Kausalittsbeziehung und Herrschaftsverhltnis hlt Hegel fr Synonyme. DasObjekt bleibt dabei immer ein Akzidens, jenseitig, mit dem Subjekt nichtnotwendig verbunden, oder eine Konstruktion. Daher erweist sich dasspekulative Prinzip, nmlich die Identitt des Subjekts und des Objekts,vielmehr als ein "subjektives Subjektobjekt" (ebd. 3). Gleichzeitig reproduziertund setzt die Kausalitt in der Tat die Entgegensetzung voraus, diejenige, dietuschend auch als "Synthese des Beherrschens" (ebd. 60) auftreten kann. Es

    Vgl. dazuHW, Bd. I, 242, 246. Zu Hegels frheren Versuchen, die "Reflexion" zu berwinden, vgl. K. Yoichi.9

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    23handelt sich um die Illusion der durch Grundstze begrndenden Subjektivitt, -eine Kritik, die sowohl die Kantische als auch die Fichtesche Philosophie trifft.

    Als Grundbestimmung der Philosophie der Subjektivitt charakterisiert Hegeldie Verabsolutierung des Empirischen, wenn er den Formalismus und die Un-fhigkeit der Fichteschen Philosophie, das Wahre als Totalitt (Ganzes) zu er-kennen, in Betracht zieht. "Das vllig Leere" des Ich ist nur das Abstrahierenvom Empirischen. Der Fortgang, Deduktion und Bewegung des Wissens istnichts als die "Wiederaufnahme dessen, wovon abstrahiert worden ist" (GuW,104) - "... so ist die Deduktion nichts als eine Verwandlung der Zeichen, des

    MinusinPlus...", und "an und fr sich kein wahrhaftes Erkennen" (ebd.).Sollen und Glauben sind die hchsten Bestimmungen der auf dieser Weise

    sich setzenden Subjektivitt, fr die das "Angeschaute als Ding" (ebd., 3) gilt,fr die auch das Endliche absolut ist. Hauptmangel des Verstandes ist es, da er"allenthalben in der Wahrheit des Seins" nur Endlichkeit (ebd., 4) erblickenkann. Somit ist das Erkennen des Absoluten nach Hegel versagt. Die Bedrohung

    eines Verstandes, "welcher das Angeschaute als Ding, den Hain als Hlzererkennen wrde" (ebd.), bleibt bestehen. Die Verdinglichung bzw. die Instru-mentalisierung der Welt (des Objektiven) gilt eigentlich als Voraussetzung ihrerVerabsolutierung und Unerkennbarkeit. Jenseitig ist die Gegenstndlichkeitletztlich "Ding an sich" (ebd. 22), so wie die Natur bei Fichte eine Sinnenweltund dadurch kein System (ebd. 107) ausmacht. Die Erkenntnis der Totalitt ("einwahrhaft Ganzes") ist ausgeschlossen; nur die schlechte Unendlichkeit desEndlichen (der sinnlichen Natur) bleibt brig, welches als "ein zu Vernichten-des" (ebd. 120) entgegentritt, wovon das Ich ganz abhngig wird. Eine von Ver-nunft entbehrte Natur ist "reines Objekt", Ding fr ein Subjekt, das sich vor ihr

    nur erschrecken kann (ebd. 120-121) und nichts anderes als sie zu beherrschensucht. Die Flucht vor dem Endlichen (Natur) (vgl. dazu auch GuW, 4) findet10

    durch dessen Vernichtung statt. Eine solche Bewegung drckt die Reinheit einesIch aus, das, indem es das Andere instrumentalisiert, Sehnsucht statt Erkenntnisdes Absoluten reflektiert.

    Der Verstand tendiert trotz allem zu einer Vermittlung (zur Erkenntnis), umber sich selbst hinauszugehen. Zum Scheitern ist aber seine Unternehmung imvoraus bestimmt, insoweit sie "innerhalb der Grenze eines absoluten Gegensat-zes" stattfindet. Das Erkennen, dessen hchste Anstrengung "die Anstrengungseines Nichts und des Sollens" ist (GuW, 110), kann dem Formalismus nicht

    entgehen. Als Sollen ist die Vermittlung keine "wahrhafte Mitte" (ebd. 41), kein"wahrhaftes Erstes" (ebd. 6): immer noch bleiben die Seiten entgegengesetzt. Eswird die Notwendigkeit anerkannt, den Gegensatz aufzuheben, aber das soll,mu jedoch nicht geschehen; manglaubtdaran, aber man weinicht davon. DieVernunft (die Mitte) bzw. die Aufhebung des Gegensatzes wird in einem Glau-

    ben gesetzt, dessen Inhalt die Vernunftlosigkeit eines ungedachten Jenseits ist.

    Die Arbeit als instrumentales Handeln stellt solche Art von Verhltnisse zwischen Menschen und Natur dar.10

    Arbeit und Verstand sind in diesem Sinne nicht grundstzlich zu trennen.

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    241.3 Hegels methodologische Lsung der Paradoxie der Selbsterkenntnis

    Nicht bersehen werden darf, da prinzipiellsowohl die Kantische als auchdie Fichtesche Philosophie nach Hegel "echter Idealismus" (Diff, 1) sind. Dasheit, bei ihnen findet sich das "Prinzip der Spekulation": "die Identitt desSubjekts und Objekts aufs bestimmteste ausgesprochen". (ebd. 2, siehe auch S.

    3) Es ist jedoch mglich,"da eine echte Spekulation sich in ihrem System nicht vollkommen ausspricht, oder da diePhilosophie des Systems und das System selbst nicht zusammenfallen; da ein System aufsbestimmteste die Tendenz, alle Entgegensetzungen zu vernichten, ausdrckt, und fr sichnicht zur vollstndigen Identitt durchdringt." (ebd. 35; dazu auch S. 3)

    Prinzip des Systems und System, Geist und Buchstabe desselben, knntenmglicherweise nicht bereinstimmen. Dies ist ein entscheidendes Kriterium frdie Beurteilung der philosophischen Systeme durch den jungen Hegel.

    Die Mngel eines Systems sind durch die kritische Rekonstruktion desselben,d.h. durch dessen Darstellung, nachzuweisen. Die Unvollstndigkeiten sind im-

    manent aufzudecken und aufzuheben. Was den Idealismus anbetrifft, geht esHegel um eine vollstndigere Darstellung desselben; und das heit vornehmlicheine neue Darstellung des "reinen Denkens seiner selbst" (ebd. 3), der Identittdes Subjekts und des Objekts in der Form Ich=Ich, genau so, wie das spekula-tive Prinzip in Fichtes System zum Ausdruck kommt.

    Kritik heit nun: die Bewegung des Sich-Selbst-Aufhebens. Daher ist die"Sache selbst" die Methode. Sowohl der Skeptizismus - so wie er in der"Einleitung" derPhnomenologie des Geistesim Zusammenhang der Kritik derKantischen Philosophie betrachtet wird - als auch diejenigen neuzeitlichen Phi-losophien, die das Ich als Ausgangspunkt der Philosophie angesehen hatten,

    grndeten sich auf eine mangelhafte Betrachtung ihres Prinzips (des Ich). Wirddie Notwendigkeit der Selbstdarstellung des Ich als Selbstentwicklung berse-hen, so wird es unmittelbarals ein "subjektives Postulat" (WLI, 61) dem Man-nigfaltigen gegenber als Anfang der Philosophie dargestellt. Damit das Ich sichals "das Konkreteste", d.h. als "das Bewutsein seiner als unendlich man-nigfaltigen Welt" und sodann als wahrhafter Anfang der Philosophie erweisenkann, "mte die Fortbewegung des konkreten Ichs vom unmittelbaren Be-wutsein zum reinen Wissen an ihm selbst, durch seine eigene Notwendigkeit,aufgezeigt und dargestellt worden sein". (ebd.) Darin liegt nach Hegel dasHauptproblem der Philosophie der Subjektivitt und darin besteht die AufgabederPhnomenologie des Geistesund der Wesens- und Begriffslogik als kritischeBetrachtung dieser Philosophien. Dem subjektiven Idealismus liegt eineabstrakte Darstellung des Ich zugrunde, welches das "reine Wissen" in Anspruchgenommen hat, das aber immer noch subjektiv bleibt, weil es "nicht das reineWissen [ist, V.C.], das den Gegensatz des Bewutseins in Wahrheit berwundenhat, sondern in der Erscheinung befangen ist". (WLI, 62)

    1.3.1 Erfahrung und Selbstbewegung des Inhalts

    Das in der Erscheinung befangene Bewutsein, nmlich das in sich reflek-

    tierte natrliche Bewutsein verkennt die Einheit der Selbstenfaltung undSelbstdarstellung, die es selbst ist. Diese Unwissenheit aber hngt mit der Un-

  • 8/13/2019 Der Begriff der Arbeit in der Philosophie Hegels. Virgilio Coln Len. Diss. Frankfurt, 1993

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    25vollstndigkeit seiner Erfahrung zusammen. Der Kantische Skeptizismus unddie uerliche Reflexion drcken (nach der "Einleitung" der Phnomenologie)nur den Mangel dieses Bewutseins aus, welches sich noch nicht als Einheit imResultat erkannthat, sich aber erkennen kann und mu.

    Da die Wissenschaft als erscheinendes Wissen auftritt, heit nicht, da sieals bloer Schein zu behandeln ist. Die Auseinandersetzung der Philosophienuntereinander rechtfertigt Hegels Erachtens auch keine transzendentale Verfah-rensweise. Daher fragt Hegel nicht nach der Mglichkeit des Wissens, sondernnach seiner wahrhaften Darstellung. Erscheinen bedeutet fr Hegel nur, nochnicht "in ihrer [der Wissenschaft, V.C.] Wahrheit ausgefhrt und ausgebreitet" zusein. (Ph, 60) Allein die Erfahrung des wissenden Subjekts ist noch nichtvollstndig. Daher realisiert sich die Kritik Hegels in der Darstellung insgesamtals Vervollstndigung dieser Erfahrung. 11

    In der Tat verweigert die transzendentale Reflexion die eigene Erfahrung, in-dem sie eine, wenn auch nicht unerkannte Aporie immer wieder erzeugt. Das

    Ansich, das Wesen, das, wovon zu wissen ist, wird sowohl als Mastab wie auchals Zweck des Erkennens angenommen; was abzuleiten oder zu setzen ist, wirdgleichzeitig vorausgesetzt. Nach Hegel handelt es sich nicht darum, irgendeinenMastab "drauen" zu suchen, um das Wissen begrnden zu knnen. Drauenzu suchen bedeutet, das Wahre selbst vorauszusetzen. Dadurch wird nur der Wegzum Dogmatismus oder bloem Skeptizismus eingeschlagen. Letztlich kommtdas Bewutsein nur durch sich selbst zum Wissen; ein Prinzip, das Kantanerkannt hat, dem er aber paradoxerweise nicht treu geblieben ist. In diesemSinne ist Erkennen zugleich Erfahren, was "fr uns" so ist. Und der Weg derErfahrung hin zum Absoluten ist auch der Weg eines stndig sich kritisierenden,

    "skeptisch" seinen Mastab wechselnden Bewutseins. Schritt fr Schritt findetdieses Wechselspiel statt, wobei sich das selbstkritisierende Bewutseinverndert und gleichzeitig der zu erkennende Gegenstand verndert wird, - undumgekehrt:

    "Diese dialektischeBewegung, welche das Bewutsein an ihm selbst, sowohl an seinem Wis-sen, als an seine