5
* H. Werner, Institut fu ¨r Korrosionsschutz Dresden GmbH, Gostritzer Str. 61 – 63, D-01217 Dresden (Deutschland) Dr. J. Klo ¨wer, ThyssenKrupp VDM France SARL, 30 B/d Bellerive, 92566 Rueil-Malmalson CEDEX (France) Dr. H. Alves, ThyssenKrupp VDM GmbH, Kleffstr. 23, D-58742 Altena (Deutschland) Der Einfluss von Oxidationsmitteln auf die Korrosionsbesta ¨ ndigkeit von Nicrofer 3127 hMo in niedrig- und mittelkonzentrierter Schwefelsa ¨ ure The influence of oxidants on the corrosion resistance of Alloy 31 in low and medium concentrated sulfuric acid H. Werner*, J. Klo ¨ wer und H. Alves Fu ¨r Nicrofer 3127 hMo wurden aus 24 h-Versuchen mit gravi- metrischer Auswertung die Isokorrosionslinien fu ¨r eine Abtra- gungsgeschwindigkeit < 0,1 mm/a in belu ¨fteter technischer und p.a. Schwefelsa ¨ure jeweils ohne und mit 1 g/l Chlorid im Konzen- trationsbereich bis 90% ermittelt. Messungen des Freien Korrosi- onspotentials belegen, dass die ho ¨here Besta ¨ndigkeit von Nicrofer 3127 hMo in der technischen Sa ¨ure auf deren Oxidationsmittelge- halt zuru ¨ckzufu ¨hren ist. Dieser wirkt ab einer Schwefelsa ¨urekonzentration von 20% pas- sivita ¨tserhaltend bei Temperaturen, die in Abha ¨ngigkeit von der Sa ¨urekonzentration 10 – 50 K u ¨ber der Isokorrosionslinie von p.a. Schwefelsa ¨ure liegen. Bei Schwefelsa ¨urekonzentrationen bis 10% ist der Oxidationsmittelgehalt der technischen Schwefelsa ¨ure zu gering, um die Korrosionsbesta ¨ndigkeit von Nicrofer 3127 hMo gegenu ¨ber der in p.a. Sa ¨ure zu verbessern. In den chloridhaltigen Schwefelsa ¨uren verha ¨lt sich Nicrofer 3127 hMo analog. Infolge der aktivierenden Wirkung des Chlorides wird der Einsatzbereich im Vergleich zu den chloridfreien Schwe- felsa ¨uren durch niedrigere Temperaturen begrenzt. The isocorrosion lines < 0.1 mm/y were determined for Nicrofer 3127 hMo (1.4562, Alloy 31) by weight loss measurements after 24 h immersion in areated sulfuric acid of technical and p.a. grades in the concentration range up to 90% – both without and with 1 g/l chloride. The free corrosion potential indicates that the superior corrosion resistance of Nicrofer 3127 hMo in the technical acid grade can be attributed to the content of oxidants in the acid. The presence of oxidants leads to metastable passivity in tech- nical sulfuric acid with concentrations 20% at temperatures that can be 10 – 50 K higher than in p.a. acid depending on the acid con- centration. For sulfuric acid concentrations up to 10% the content of oxi- dants in the technical acid is too small to improve the corrosion resistance of Nicrofer 3127 hMo as compared with that in p.a. acid. Similar behaviour was observed for Nicrofer 3127 hMo in sul- furic acid containing chlorides. However the activating effect of the chlorides limits the region of corrosion resistance to lower tempera- tures in comparison with the chloride free-acid. 1 Einleitung und Problemstellung Nach [1] stellt der mittlere Konzentrationsbereich zwischen 20 und 90% Schwefelsa ¨ure ho ¨ chste Anforderungen an metal- lische Werkstoffe. Wa ¨hrend die u ¨ blichen nichtrostenden Sta ¨h- le nur begrenzt einsetzbar sind, besitzt Nicrofer 3127 hMo eine hervorragende Besta ¨ndigkeit auch bei ho ¨heren Tempera- turen. So wurden z. B. in einer technisch reinen Schwefelsa ¨ure im statischen Laborversuch u ¨ber 21 Tage mit Lo ¨sungswechsel nach 4 und 11 Tagen Abtragungsgeschwindigkeiten unter 0,03 mm/a in 20 – 60%iger Schwefelsa ¨ure bis 100 8C und in 80%iger bis mindestens 80 8C gemessen [2]. Isokorrosions- diagramme geben ebenfalls einen großen Besta ¨ndigkeitsbe- reich fu ¨r Nicrofer 3127 hMo in Schwefelsa ¨ure an [1, 3]. Der Einsatz dieses Werkstoffes ist nur im Passivzustand mo ¨ glich, da bei einer Aktivierung hohe Abtragungsgeschwin- digkeiten auftreten ko ¨nnen. Da dieser Passivbereich durch Beimengungen und Verunreinigungen erweitert bzw. einge- engt werden kann und typische Anwendungsgebiete fu ¨r Ni- crofer 3127 hMo u.a. Rohre und Wa ¨rmetauscher fu ¨r mit Chlo- rid verunreinigte Schwefelsa ¨ure und Aufbereitung von Ab- fallschwefelsa ¨ure sind [4], ist der Einfluss von Oxidationsmit- teln und Chloriden auf den passiven Zustand von großem In- teresse. Deshalb soll unter genau definierten Laborbedingun- gen die Besta ¨ndigkeit von Nicrofer 3127 hMo in belu ¨fteter technischer und p.a. Schwefelsa ¨ure ohne und mit Zusatz von Chlorid ermittelt werden. 2 Durchgefu ¨ hrte Arbeiten Die Untersuchungen umfassen: – 24 h-Versuche mit gravimetrischer Auswertung – 6 h-Versuche mit Messung des Freien Korrosionspotentials Materials and Corrosion 2004, 55, No. 9 Korrosionsbesta ¨ndigkeit von Nicrofer 3127 hMo 671 F 2004 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim DOI: 10.1002/maco.200303777

Der Einfluss von Oxidationsmitteln auf die Korrosionsbeständigkeit von Nicrofer 3127 hMo in niedrig- und mittelkonzentrierter Schwefelsäure

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Der Einfluss von Oxidationsmitteln auf die Korrosionsbeständigkeit von Nicrofer 3127 hMo in niedrig- und mittelkonzentrierter Schwefelsäure

* H. Werner,Institut fur Korrosionsschutz Dresden GmbH,Gostritzer Str. 61–63, D-01217 Dresden (Deutschland)

Dr. J. Klower,ThyssenKrupp VDM France SARL,30 B/d Bellerive, 92566 Rueil-Malmalson CEDEX (France)

Dr. H. Alves,ThyssenKrupp VDM GmbH,Kleffstr. 23, D-58742 Altena (Deutschland)

Der Einfluss von Oxidationsmitteln auf dieKorrosionsbestandigkeit von Nicrofer 3127 hMoin niedrig- und mittelkonzentrierterSchwefelsaure

The influence of oxidants on the corrosion resistance of Alloy 31 in low andmediumconcentrated sulfuric acid

H. Werner*, J. Klower und H. Alves

Fur Nicrofer 3127 hMo wurden aus 24 h-Versuchen mit gravi-metrischer Auswertung die Isokorrosionslinien fur eine Abtra-gungsgeschwindigkeit < 0,1 mm/a in belufteter technischer undp.a. Schwefelsaure jeweils ohne und mit 1 g/l Chlorid im Konzen-trationsbereich bis 90% ermittelt. Messungen des Freien Korrosi-onspotentials belegen, dass die hohere Bestandigkeit von Nicrofer3127 hMo in der technischen Saure auf deren Oxidationsmittelge-halt zuruckzufuhren ist.

Dieser wirkt ab einer Schwefelsaurekonzentration von 20% pas-sivitatserhaltend bei Temperaturen, die in Abhangigkeit von derSaurekonzentration 10–50 K uber der Isokorrosionslinie von p.a.Schwefelsaure liegen. Bei Schwefelsaurekonzentrationen bis10% ist der Oxidationsmittelgehalt der technischen Schwefelsaurezu gering, um die Korrosionsbestandigkeit von Nicrofer 3127 hMogegenuber der in p.a. Saure zu verbessern.

In den chloridhaltigen Schwefelsauren verhalt sich Nicrofer3127 hMo analog. Infolge der aktivierendenWirkung des Chlorideswird der Einsatzbereich im Vergleich zu den chloridfreien Schwe-felsauren durch niedrigere Temperaturen begrenzt.

The isocorrosion lines< 0.1 mm/y were determined for Nicrofer3127 hMo (1.4562, Alloy 31) by weight loss measurements after24 h immersion in areated sulfuric acid of technical and p.a. gradesin the concentration range up to 90% – both without and with 1 g/lchloride.

The free corrosion potential indicates that the superior corrosionresistance of Nicrofer 3127 hMo in the technical acid grade can beattributed to the content of oxidants in the acid.

The presence of oxidants leads to metastable passivity in tech-nical sulfuric acid with concentrations � 20% at temperatures thatcan be 10–50 K higher than in p.a. acid depending on the acid con-centration.

For sulfuric acid concentrations up to 10% the content of oxi-dants in the technical acid is too small to improve the corrosionresistance of Nicrofer 3127 hMo as compared with that in p.a. acid.

Similar behaviour was observed for Nicrofer 3127 hMo in sul-furic acid containing chlorides. However the activating effect of thechlorides limits the region of corrosion resistance to lower tempera-tures in comparison with the chloride free-acid.

1 Einleitung und Problemstellung

Nach [1] stellt der mittlere Konzentrationsbereich zwischen20 und 90% Schwefelsaure hochste Anforderungen an metal-lische Werkstoffe. Wahrend die ublichen nichtrostenden Stah-le nur begrenzt einsetzbar sind, besitzt Nicrofer 3127 hMoeine hervorragende Bestandigkeit auch bei hoheren Tempera-turen. So wurden z. B. in einer technisch reinen Schwefelsaureim statischen Laborversuch uber 21 Tage mit Losungswechselnach 4 und 11 Tagen Abtragungsgeschwindigkeiten unter0,03 mm/a in 20–60%iger Schwefelsaure bis 100 8C und in

80%iger bis mindestens 80 8C gemessen [2]. Isokorrosions-diagramme geben ebenfalls einen großen Bestandigkeitsbe-reich fur Nicrofer 3127 hMo in Schwefelsaure an [1, 3].

Der Einsatz dieses Werkstoffes ist nur im Passivzustandmoglich, da bei einer Aktivierung hohe Abtragungsgeschwin-digkeiten auftreten konnen. Da dieser Passivbereich durchBeimengungen und Verunreinigungen erweitert bzw. einge-engt werden kann und typische Anwendungsgebiete fur Ni-crofer 3127 hMo u.a. Rohre und Warmetauscher fur mit Chlo-rid verunreinigte Schwefelsaure und Aufbereitung von Ab-fallschwefelsaure sind [4], ist der Einfluss von Oxidationsmit-teln und Chloriden auf den passiven Zustand von großem In-teresse. Deshalb soll unter genau definierten Laborbedingun-gen die Bestandigkeit von Nicrofer 3127 hMo in beluftetertechnischer und p.a. Schwefelsaure ohne und mit Zusatzvon Chlorid ermittelt werden.

2 Durchgefuhrte Arbeiten

Die Untersuchungen umfassen:– 24 h-Versuche mit gravimetrischer Auswertung– 6 h-Versuche mit Messung des Freien Korrosionspotentials

Materials and Corrosion 2004, 55, No. 9 Korrosionsbestandigkeit von Nicrofer 3127 hMo 671

F 2004 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim DOI: 10.1002/maco.200303777

Page 2: Der Einfluss von Oxidationsmitteln auf die Korrosionsbeständigkeit von Nicrofer 3127 hMo in niedrig- und mittelkonzentrierter Schwefelsäure

Alle Untersuchungen wurden in einem mit einer Heizhaubetemperierten Rundkolben durchgefuhrt.

Die 24 h-Versuche erfolgten in einem 5-Halskolben mit 1 lFassungsvermogen, der mit Ruckflusskuhler, Gaseinleitungs-rohr, Temperaturfuhler und Glashaken zum Anhangen von 3Parallelproben (50 mm � 20 mm � 5 mm) versehen war.Wahrend des Versuches wurde mittels einer Membranpumpestandig Luft durch die Losung geleitet. Liegt bei der anfang-lich gewahlten Temperatur Bestandigkeit (Abtragungsge-schwindigkeit � 0,1 mm/a) bzw. Unbestandigkeit (Abtra-gungsgeschwindigkeit > 0,1 mm/a) vor, wird in den folgen-den Versuchen die Temperatur in 5K-Schritten solange erhohtbzw. erniedrigt bis Unbestandigkeit bzw. Bestandigkeit vor-liegt. Aus diesen Werten wird dann die Isokorrosionslinie0,1 mm/a fur Nicrofer 3127 hMo in technischer und p.a.Schwefelsaure bis 90% ohne und mit Zusatz von 1 g/l Chloridermittelt.

Die 6 h-Versuche mit Messung des Freien Korrosionspo-tentials dienen zum Nachweis aktiver und passiver Zustandesowie zur Unterscheidung metastabiler und stabiler Passivzu-stande. Hierzu wird bei standiger Beluftung das Freie Korro-sionspotential uber 6 h gemessen bzw. nach 2 h Messung desFreien Korrosionspotentials und einer kathodischen Aktivie-rung mit � 5 mA/cm2 fur 1 min das sich danach einstellendeFreie Korrosionspotential verfolgt. Verwendet wird eine ub-liche elektrochemische Messanordnung bestehend aus Ar-beitselektrode (20 mm � 20 mm � 5 mm mit einer Fahnevon 120 mm Lange fur die Kontaktierung), Gegenelektrode(Pt-Blech) und Haber-Luggin-Kapillare mit Stromschlusselzum Anschluss der Bezugselektrode (gesattigte Kalomelelek-trode).

DerverwendeteWerkstoffNicrofer3127hMo(1.4562,Alloy31) hat folgende chemische Zusammensetzung in Masse-%.

Ni 31,45; Cr 26,50; Fe 32,3; Mo 6,50; Mn 1,50; Cu 1,19;N 0,20; P 0,013; Si 0,08; C 0,009; S 0,002

Samtliche Proben wurden im Ausgangszustand gereinigt,entfettet und 15 min bei 50 8C in HNO3/HF (12 Vol-%67%ige HNO3 þ 3 Vol-% 40%ige HF) gebeizt.

Zur gravimetrischen Ermittlung des Massenverlustes wur-den die Proben am Versuchsende gespult und geburstet, mitdest. Wasser/Aceton gespult, getrocknet und zuruckgewogen.Die Untersuchungen zur Bestandigkeit von Nicrofer 3127hMo wurden in Schwefelsaure von 2-90 Masse-% mit 2%-Stufen bis 10% und 10%-Stufen bis 90% durchgefuhrt.

Die Herstellung der Sauren erfolgte durch Mischen vondest. Wasser und 98,5%iger technischer Schwefelsaure bzw.96%iger p.a. Schwefelsaure. Bei Untersuchungen in den1 g/l Chlorid enthaltenden Schwefelsauren wurde die entspre-chende Menge NaCl vor Versuchsbeginn zugegeben. DieKonzentrationsbestimmung erfolgte fur Schwefelsaure amVersuchsanfang und fur Chlorid am Versuchsende. In den Ab-bildungen ist immer die an den drei Parallelproben ermitteltemaximale Abtragungsgeschwindigkeit angegeben.

3 Versuchsergebnisse und Erorterungen

3.1 Einfluss der Saureart

Im Konzentrationsbereich bis 10% sind die Unterschiededer Abtragungsgeschwindigkeit von Nicrofer 3127 hMo intechnischer und p.a. Schwefelsaure gering. Die fur 95 8C inAbb. 1 aufgefuhrten Abtragungsgeschwindigkeiten weisen

auf eine mogliche Bestandigkeitslucke in der technischenSchwefelsaure zwischen 6 und 10% hin auf Grund der etwashoheren Abtragungsgeschwindigkeit in 8%iger Saure.

Bei hoheren Konzentrationen ist dagegen Nicrofer 3127hMo in technischer Schwefelsaure bestandiger als in p.a.Schwefelsaure, da der Passivzustand bis zu hoheren Tempe-raturen erhalten bleibt. Dies belegen die in Abb. 2 und 3 an-gegebenen Abtragungsgeschwindigkeiten, wobei Werte, dieuber die gewahlte Skala hinausgehen, uber der jeweiligenSaule vermerkt sind.

Im Unterschied zum Konzentrationsbereich bis 10%, wodie Parallelproben annahernd gleich korrodieren, konnen ab20% bei einer Aktivierung nur eine, zwei oder alle drei Probenbetroffen sein. Bei dieser Temperatur des Uberganges vompassiven in den aktiven Zustand ergeben sich dann Unter-schiede der Abtragungsgeschwindigkeit zwischen aktiv undpassiv korrodierenden Proben um Großenordnungen.

In p.a. Schwefelsaure tritt dieses Phanomen nicht auf. Hiererfolgt die Aktivierung an allen drei Proben bei gut uberein-stimmenden Abtragungsgeschwindigkeiten. Der Ubergangvom passiven in den aktiven Zustand ist mit einem moderaten

Abb. 1. Abtragungsgeschwindigkeit von Nicrofer 3127 hMo(1.4562) in technischer und p.a. Schwefelsaure bei 95 8C im Kon-zentrationsbereich 2–10%, 24 h-Tauchversuch

Fig. 1. Corrosion rate of Alloy 31 in technical and p.a. sulfuric acidin the range of concentration 2–10% at 95 8C, 24 h-immersion test

Abb. 2. Abtragungsgeschwindigkeit von Nicrofer 3127 hMo(1.4562) in technischer Schwefelsaure im Konzentrationsbereichvon 20–90% bei verschiedenen Temperaturen, 24 h-Tauchversuch

Fig. 2. Corrosion rate of Alloy 31 in technical sulfuric acid in therange of concentration 20–90% at different temperatures, 24 h-im-mersion test

672 Werner, Klower und Alves Materials and Corrosion 2004, 55, No. 9

Page 3: Der Einfluss von Oxidationsmitteln auf die Korrosionsbeständigkeit von Nicrofer 3127 hMo in niedrig- und mittelkonzentrierter Schwefelsäure

Anstieg der Abtragungsgeschwindigkeit verbunden. Aller-dings tritt dieser Ubergang bei niedrigeren Temperaturenals in der technischen Schwefelsaure auf.

Aus den unter Zugrundelegung der Maximalwerte der Ab-tragungsgeschwindigkeiten aufgestellten Isokorrosionslinien(Abb. 4) geht hervor, dass Nicrofer 3127 hMo in der techni-schen Schwefelsaure im Konzentrationsbereich von 20–90%um 10–50 K hohere Einsatzgrenzen als in p.a. Schwefelsaurebesitzt. Dies ist auf den hoheren Oxidationsmittelgehalt dertechnischen Schwefelsaure zuruckzufuhren.

3.2 Wirkung des Oxidationsmittels

Das unterschiedliche Korrosionsverhalten von Nicrofer3127 hMo in technischer und p.a. Schwefelsaure kann anHand von Potential-Zeit-Kurven naher erlautert werden.

Nach Abb. 5 bleibt der Werkstoff in 30%iger technischerSchwefelsaure bei 90 8C entsprechend seiner Isokorrosionsli-nie passiv (Bereich 1). Eine Storung des passiven Zustandes,

hier durch kathodische Aktivierung, andere Moglichkeitensind Erhohung von Temperatur oder Konzentration der Saure,fuhrt zu einer Aktivierung. Nach Beseitigung dieser Storung,Abschaltung der Polarisation bzw. Einstellung der ursprung-lichen Temperatur oder Konzentration der Saure, reicht aberdie vorhandene Oxidationsmittelkonzentration fur eine er-neute Passivierung des Werkstoffes nicht aus, er korrodiertbei negativen Potentialen mit hoher Abtragungsgeschwindig-keit (Bereich 2). Erst durch eine weitere Zugabe von Oxida-tionsmittel, hier 10�4 mol/l Fe3þ, kann die Passivitat wiederhergestellt werden (Bereich 3). Diese wurde bei einer Absen-kung der Konzentration des Oxidationsmittels auf den ur-sprunglichen Wert (Bereich 1) dann erhalten bleiben.

In 30%iger p.a. Schwefelsaure bei 70 8C befindet sich Ni-crofer 3127 hMo in Ubereinstimmung mit seiner Isokorrosi-onslinie im passiven Zustand (Abb. 6). Erfolgt hier eine Sto-rung des passiven Zustandes, so stellt sich im Unterschied zurtechnischen Schwefelsaure nach Beseitigung der Storung derpassive Zustand wieder ein. Es handelt sich somit in der30%igen p.a. Schwefelsaure bei 70 8C um ein passivitatser-zeugendes bzw. stabil passives System im Unterschied zur30%igen technischen Schwefelsaure bei 90 8C, wo ein passi-vitatserhaltendes bzw. metastabil passives System vorliegt.Nach der Aktivierung aus dem passivitatserhaltenden Zustand

Abb. 3. Abtragungsgeschwindigkeit von Nicrofer 3127 hMo(1.4562) in p.a. Schwefelsaure im Konzentrationsbereich von20–90% bei verschiedenen Temperaturen, 24 h-Tauchversuch

Fig. 3. Corrosion rate of Alloy 31 in p.a. sulfuric acid in the rangeof concentration 20–90% at different temperatures, 24 h-immer-sion test

Abb. 4. Isokorrosionsdiagramm fur Nicrofer 3127 hMo (1.4562)in technischer und p.a. Schwefelsaure, 24 h-Tauchversuch. Der Be-reich unter der Isokorrosionslinie entspricht einer Abtragungsge-schwindigkeit < 0,1 mm/a

Fig. 4. Isocorrosion diagram of Alloy 31 in technical and p.a. sul-furic acid, 24 h-immersion test. The region below the line corre-sponds to a corrosion rate < 0.1 mm/y

Abb. 5. Freies Korrosionspotential von Nicrofer 3127 hMo(1.4562) in 30%iger technischer Schwefelsaure bei 90 8CFig. 5. Free corrosion potential of Alloy 31 in 30% technical sul-furic acid at 90 8C

Abb. 6. Freies Korrosionspotential von Nicrofer 3127 hMo(1.4562) in 30%iger p.a. Schwefelsaure bei 70 8CFig. 6. Free corrosion potential of Alloy 31 in 30% p.a. sulfuricacid at 70 8C

Materials and Corrosion 2004, 55, No. 9 Korrosionsbestandigkeit von Nicrofer 3127 hMo 673

Page 4: Der Einfluss von Oxidationsmitteln auf die Korrosionsbeständigkeit von Nicrofer 3127 hMo in niedrig- und mittelkonzentrierter Schwefelsäure

mussen also fur eine erneute Passivierung Betriebsbedingun-gen fur ein passivitatserzeugendes System geschaffen werden.

Die im Konzentrationsbereich von 20–90% in technischerSchwefelsaure um 10–50 K hohere Einsatzgrenze fur Nicro-fer 3127 hMo im Vergleich zur p.a. Schwefelsaure ist auf diepassivitatserhaltende Wirkung des hoheren Oxidationsmittel-gehaltes zuruckzufuhren. In p.a. Schwefelsaure lasst sichdiese Bestandigkeit durch die Zugabe von Oxidationsmittelerreichen (Abb. 7).

Wahrend bei einer Konzentration von 10�5 mol/l Fe3þ inder 30%igen p.a. Schwefelsaure bei 95 8C der Werkstoffnoch aktiviert wird, bleibt bei Zusatz von 10�4 mol/l Fe3þ

der passive Zustand erhalten. Damit liegt die kritischeFe3þ-Konzentration fur den Erhalt des passiven Zustandesin 30%iger p.a. Schwefelsaure bei 95 8C zwischen 10�5

und 10�4 mol/l Fe3þ entsprechend 0,56 und 5,6 mg/l Fe3þ

in guter Ubereinstimmung mit den Ergebnissen in 30%igertechnischer Schwefelsaure, deren analytisch bestimmterFe3þ-Gehalt ca. 0,7 mg/l betrug.

Im Konzentrationsbereich bis 10% besteht infolge des ge-ringeren Fe3þ-Gehaltes, der auf die Verdunnung zuruckzufuh-ren ist, kein wesentlicher Unterschied im Korrosionsverhaltenvon Nicrofer 3127 hMo in technischer und p.a. Schwefelsau-re. Die bei einer Aktivierung in technischer Schwefelsaure imBereich 20–90% auftretenden sehr hohen Abtragungsge-schwindigkeiten sind moglicherweise die Ursache dafur,dass im Gegensatz zur p.a. Schwefelsaure von drei Parallel-proben haufig nur eine oder zwei aktiviert werden. Infolge ei-ner unterschiedlichen Dauer bis zur Aktivierung konnen nichtaktivierte Proben durch diese starke Erhohung der Oxidations-mittelkonzentration, die durch die Korrosion im Aktivzustandeiner oder zweier Proben erfolgt, metastabil passiv bleiben.

Eine drastische Erhohung der Eisenkonzentration durchKorrosion im aktiven Zustand auf 50–70 mg/l nach 24 h in50%iger unbelufteter Schwefelsaure bei 80 8C konnte nachge-wiesen werden [5].

3.3 Einfluss von Chlorid

Analoges Verhalten wird in den 1 g/l Chlorid enthaltendenSchwefelsauren beobachtet. Wahrend im Konzentrationsbe-reich bis 10% auf Grund des niedrigen Oxidationsmittelgehal-tes wieder nur geringe Unterschiede hinsichtlich der Abtra-

gungsgeschwindigkeit von Nicrofer 3127 hMo in technischerund p.a. Schwefelsaure bestehen (Abb. 8) und bei Uberschrei-tung der Bestandigkeitsgrenze alle Parallelproben aktiviertwerden, ist bei Konzentrationen ab 20% in der technischenSchwefelsaure eine Aktivierung sowohl einer, zweier oder al-ler drei Proben moglich, bei dann wiederum hohen Abtra-gungsgeschwindigkeiten (Abb. 9).

In der chloridhaltigen p.a. Schwefelsaure werden ebenfallsin Ubereinstimmung mit der chloridfreien p.a. Schwefelsaurebei Uberschreitung der Bestandigkeitsgrenze alle Parallelpro-ben aktiviert, bei allerdings niedrigeren Temperaturen im Ver-gleich zur chloridhaltigen technischen Schwefelsaure(Abb. 10).

Die hohere Bestandigkeit von Nicrofer 3127 hMo in derchloridhaltigen technischen Schwefelsaure gegenuber chlo-ridhaltiger p.a. Schwefelsaure ist wieder auf den Oxidations-mittelgehalt der technischen Schwefelsaure zuruckzufuhren.Ab einer Saurekonzentration von 20% ist er in der Lage,

Abb. 7. Freies Korrosionspotential von Nicrofer 3127 hMo in30%iger p.a. Schwefelsaure mit unterschiedlichen Gehalten anFe3þ bei 95 8CFig. 7. Free corrosion potential of Alloy 31 in 30% p.a. sulfuricacid with different contents of Fe3þ at 95 8C

Abb. 8. Abtragungsgeschwindigkeit von Nicrofer 3127 hMo(1.4562) in technischer und p.a. Schwefelsaure mit 1 g/l Chloridim Konzentrationsbereich 2–10% bei verschiedenen Temperatu-ren, 24 h-Tauchversuch

Fig. 8. Corrosion rate of Alloy 31 in technical and p.a. sulfuric acidwith 1 g/l chloride in the range of concentration 2–10% at differenttemperatures, 24 h-immersion test

Abb. 9. Abtragungsgeschwindigkeit von Nicrofer 3127 hMo(1.4562) in technischer Schwefelsaure mit 1 g/l Chlorid im Kon-zentrationsbereich 20–90% bei verschiedenen Temperaturen, 24h-Tauchversuch

Fig. 9. Corrosion rate of Alloy 31 in technical sulfuric acid with1 g/l chloride in the range of concentration 20–90% at differenttemperatures, 24 h-immersion test

674 Werner, Klower und Alves Materials and Corrosion 2004, 55, No. 9

Page 5: Der Einfluss von Oxidationsmitteln auf die Korrosionsbeständigkeit von Nicrofer 3127 hMo in niedrig- und mittelkonzentrierter Schwefelsäure

den Passivzustand bis zu hoheren Temperaturen zu erhalten(Abb. 11).

Die Isokorrosionslinien (Abb. 11) enden bei 60 8C, da inhoher konzentrierter Saure am Versuchsende kaum nochChlorid nachgewiesen werden konnte (Abb. 12).

Die Bestandigkeit von Nicrofer 3127 hMo in chloridhalti-ger Schwefelsaure ist infolge der aktivierenden Wirkung derChloridionen geringer als in der chloridfreien Schwefelsaure(Vergleich Abb. 11 mit Abb. 4).

4 Schlussfolgerungen

In der technischen und in der p.a. Schwefelsaure bis 10% istdas Korrosionsverhalten von Nicrofer 3127 hMo annaherndgleich. Die Bestandigkeitsgrenze liegt in beiden Sauren bei95 8C, Ausnahme 8%ige technische Saure bei 90 8C.

In technischer Schwefelsaure ist Nicrofer 3127 hMo in denKonzentrationsbereichen 20–30% bis 95 8C, 40–50% bis90 8C und 60–90% bis 80–85 8C bestandig. Diese um 10–50 K hohere Bestandigkeit gegenuber der p.a. Schwefelsaureist auf den Oxidationsmittelgehalt der technischen Schwefel-saure zuruckzufuhren, der ausreicht, bei diesen Temperaturenden passiven Zustand des Werkstoffes zu erhalten. Analogesgilt fur die chloridhaltigen Schwefelsauren. Bis 10% unter-scheidet sich das Korrosionsverhalten von Nicrofer 3127hMo kaum, wahrend bei den hoheren Konzentrationen derOxidationsmittelgehalt der technischen Schwefelsaure eineErhohung der Bestandigkeit bei allerdings gegenuber derchloridfreien Saure niedrigeren Temperaturen bewirkt. DieseVerminderung der Bestandigkeit im Vergleich zu den chlorid-freien Schwefelsauren ist auf die aktivierende Wirkung desChlorides zuruckzufuhren.

Das Korrosionsverhalten von Nicrofer 3127 hMo in tech-nischer Schwefelsaure wird also insbesondere durch Oxidati-onsmittel und Chloride beeinflusst. Unterschiedliche Gehaltedieser Stoffe bedingen dann auch eine Verschiebung der Be-standigkeitsgrenzen, wobei sicher auch Versuchsdauer undVersuchsbedingungen eine Rolle spielen. Deshalb mussen Be-standigkeitsangaben fur passivierbare Werkstoffe in verschie-denen technischen Schwefelsauren gleicher Konzentrationnicht zwangslaufig ubereinstimmen, wie aus dem Vergleichder in der Einleitung aus [2] angefuhrten und den im Rahmendieser Arbeit erhaltenen Werten ersichtlich ist.

5 Literatur

[1] R. Kirchheiner, Metal Times 1997, 15, 26.[2] VDM Case History 6, 03/2001, ThyssenKrupp VDM GmbH,

Werdohl, Nicrofer 3127 hMo – alloy 31 ein neuer hochlegierterSonderedelstahl fur die chemische Verfahrenstechnik.

[3] R. Kirchheiner; V. Wahl, in: Nickelwerkstoffe und hochlegierteSonderedelstahle, U. Heubner u.a.: Kontakt & Studium, Band153, Expert Verlag 2002, 224.

[4] Nicrofer 3127 hMo- alloy 31, Werkstoffblatt-Nr. 4131, Ausga-be Februar 2000, ThyssenKrupp VDM GmbH, Werdohl.

[5] H. Werner, in: Nickellegierung und hochstlegierte nichtrosten-de Stahle in der Prozesstechnik, Korrosionsschutzseminar In-stitut fur Korrosionsschutz Dresden, 29. bis 30. Oktober 2002in Dresden.

(Eingegangen: 6. November 2003) W 3777

Abb. 10. Abtragungsgeschwindigkeit von Nicrofer 3127 hMo(1.4562) in p.a. Schwefelsaure mit 1 g/l Chlorid im Konzentrations-bereich 20–90% bei verschiedenen Temperaturen, 24 h-Tauchver-such

Fig. 10. Corrosion rate of Alloy 31 in p.a. sulfuric acid with 1 g/lchloride in the range of concentration 20–90% at different tem-peratures, 24 h-immersion test

Abb. 11. Isokorrosionsdiagramm fur Nicrofer 3127 hMo (1.4562)in technischer und p.a. Schwefelsaure jeweils mit Chlorid, 24 h-Tauchversuch

Fig. 11. Isocorrosion diagramm of Alloy 31 in technical and p.a.sulfuric acid both with chloride, 24 h-immersion test

Abb. 12. Die Abhangigkeit der Chloridkonzentration am Ver-suchsende von der Konzentration der technischen Schwefelsaure,24 h-Tauchversuch, Konzentration am Versuchsanfang: 1 g/l

Fig. 12. Chloride concentration at the end of the test as a functionof the technical sulfuric acid concentration, 24 h-immersion test,chloride concentration at the beginning of the test: 1 g/l

Materials and Corrosion 2004, 55, No. 9 Korrosionsbestandigkeit von Nicrofer 3127 hMo 675