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UNIVERSITÄT TRIER Fachbereich IV Wirtschafts- und Sozialwissenschaften Seminar im Hauptstudium - WS 2003/-04 Krankenhausökonomie Veranstaltungsnummer 4237 Veranstalter: Prof. Dieter Sadowski / Dr. Günther Merschbächer / Dr. Hubert Schnabel & Dr. Petra Riemer-Hommel Thema Nr. 8: Health Maintenance Organizations Eine organisationstheoretische Betrachtung ihrer Einführung in der Schweiz Vorgelegt am 19. Januar 2004 von: Markus Weber Böhmerstr. 10, 54290 Trier Email: [email protected] 7. Fachsemester BWL Matrikel-Nr. 672129

HMO Seminar MarkusWeber Endversion - Uni Trier · (1) Die HMO übernimmt die Verantwortung für eine definierte medizinische Versorgung, stationär und ambulant, die entweder selbst

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UNIVERSITÄT TRIER

Fachbereich IV Wirtschafts- und Sozialwissenschaften

Seminar im Hauptstudium - WS 2003/-04

Krankenhausökonomie

Veranstaltungsnummer 4237

Veranstalter: Prof. Dieter Sadowski / Dr. Günther Merschbächer / Dr. Hubert Schnabel

& Dr. Petra Riemer-Hommel

Thema Nr. 8:

Health Maintenance Organizations Eine organisationstheoretische Betrachtung

ihrer Einführung in der Schweiz

Vorgelegt am 19. Januar 2004 von:

Markus Weber Böhmerstr. 10, 54290 Trier

Email: [email protected] 7. Fachsemester BWL Matrikel-Nr. 672129

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II

Inhaltsverzeichnis

Seite

Abkürzungsverzeichnis ............................................................................................... IV

1. Einführende Bemerkungen ........................................................................................1

2. Health Maintenance Organizations...........................................................................2

2.1. Ursprung und Historie............................................................................................2

2.2. Aktuelle Entwicklungen.........................................................................................4

2.3. Merkmale und Konzeptionen.................................................................................4

2.3.1. Staff Model HMO ...........................................................................................6

2.3.2. Group Practice HMO ......................................................................................6

2.3.3. Individual Practice Association Model HMO.................................................7

2.3.4. Network Model HMO.....................................................................................7

2.3.5. Point of Service Plans .....................................................................................8

3. Organisationstheorie...................................................................................................9

3.1. Der Organisationsbegriff........................................................................................9

3.2. Die Koordinationsproblematik.............................................................................10

3.3. Die Motivationsproblematik ................................................................................10

3.4. Der Bürokratiebegriff...........................................................................................11

3.4.1. Das Modell von Max Weber .........................................................................11

3.4.2. Die Weiterentwicklung von Richard H. Hall................................................12

4. Health Maintenance Organizations in der Schweiz...............................................13

4.1. Das Gesundheitswesen in der Schweiz ................................................................13

4.2. Das neue Krankenversicherungsgesetz ................................................................15

4.3. Die neue Organisation der Leistungserbringung..................................................16

5. Abschließende Bemerkungen...................................................................................19

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III

Anhang ...........................................................................................................................21

Anhang 1 – Formen von Managed Care .....................................................................21

Anhang 2 – Das Gatekeeper Prinzip ...........................................................................21

Anhang 3 – Formen von Health Maintenance Organizations.....................................22

Anhang 4 – Die Organisationsteilnehmer ...................................................................22

Anhang 5 – Das Dreisäulenprinzip .............................................................................23

Literaturverzeichnis......................................................................................................24

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IV

Abkürzungsverzeichnis

BSV Bundesamt für Sozialversicherung (der Schweiz)

EDI Eidgenössisches Departement des Innern

HMO Health Maintenance Organization

IGAK Interessensgemeinschaft für alternative Krankenversicherungsmodelle

IPA Individual Practice Association

KV Krankenversicherung

KVG Krankenversicherungsgesetz

MC Managed Care

PGP Prepaid Group Practice

POS Point of Service Plan

sFr Schweizer Franken

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1. Einführende Bemerkungen

Gegenstand dieser Betrachtung ist die Untersuchung von Health Maintenance

Organizations (HMOs).

In den letzten Jahren wurde diese Versicherungsform nach ersten Modellversuchen

Anfang der 90-er Jahre in der Schweiz eingeführt. Dieser Einführungsprozess soll im

Zentrum der Seminararbeit stehen. Im Hinblick auf die Organisationstheorie gilt es,

diesen organisationalen Wandel zu betrachten und zu klären, welchen Einfluss die

Organisationsform auf das Entscheidungen der Akteure hat. Diese Frage gilt es nach

einer theoretischen Betrachtung am Beispiel der Einführung der HMO in der Schweiz

zu untersuchen. Das Beispiel der Schweiz ist hierfür sehr geeignet, da es sich einerseits

durch seine Aktualität auszeichnet und andererseits hier ein Wandel zu einem viel

kompetitiveren Modell mit der in Europa neuen Versicherungsform HMO stattfindet.

Zu Beginn geht es darum die Grundidee dieser Versicherungsform darzustellen, welche

Ihre Wurzeln in den Vereinigten Staaten von Amerika hat. Dies geschieht in Kapitel 2,

hier wird zu Beginn auf ihren Ursprung und Historie eingegangen. Nach der

Betrachtung aktueller Tendenzen wird das Konzept der HMO als Versicherungsform

vorgestellt. Im Zuge dessen wird versucht, sich an eine allgemeingültige Definition

anzunähern.

Kapitel 3 behandelt die Organisationstheorie. Es wird definiert welcher

Organisationsbegriff hier verwendet wird. Zudem wird auf das Problem der Motivation

und Koordination in Organisationen eingegangen. Im Hinblick auf den Wandel in der

Schweiz wird auch das Bürokratiemodell von Max Weber, weiterentwickelt von Hall

betrachtet, wonach eine Organisation immer zu gewissen Teilen bürokratische Züge

aufweist und sich daher immer multidimensional einordnen lässt.

Im folgenden Abschnitt der Arbeit rückt die Schweiz ins Zentrum der Untersuchungen.

Zu Beginn wird das eidgenössische Gesundheitssystem skizziert und der Prozess der

HMO-Einführung geschildert. Besonders wichtig ist hier das neue

Krankenversicherungsgesetz und erste durch das schweizerische Bundesamt für

Sozialversicherung evaluierte Erfahrungen mit HMOs. Die Praxisbetrachtung an dieser

Stelle geschieht selbstverständlich unter Rückgriff und Verknüpfung der Aussagen der

vorhergehenden Kapitel, insbesondere der organisationstheoretischen Ausführungen.

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In der Schlussbetrachtung werden die Kernelemente der Arbeit auf die Beantwortung

der Forschungsfrage hin nochmals prägnant wiedergegeben.

2. Health Maintenance Organizations

2.1. Ursprung und Historie

Health Maintenance Organizations haben ihren Ursprung in den Vereinigten Staaten

von Amerika.

Erstmalig wurde dieser Begriff um 1970 verwendet.1 Erste Vorläufer der jetzigen

Organisationsform sind im Zeitalter der Industrialisierung der USA zu finden. Hier

wurden die ersten Verträge zwischen Unternehmen und Ärzten geschlossen, wonach die

Beschäftigten dieser Unternehmen gegen eine Kopfpauschale behandelt wurden.2

Insbesondere Unternehmen der Holzindustrie sowie Eisenbahngesellschaften nutzten

dies, um ihre Arbeiter bei der Erschließung des Westens medizinisch versorgen zu

können. Mit zunehmender Industrialisierung der USA, insbesondere während der

Boomzeit Ende 19./ Anfang 20. Jahrhunderts verbreitete sich diese Art der

medizinischen Versorgung von Angestellten fortschreitend. Mit dem ging jedoch auch

Wiederstand einher. Lokale Ärzteverbände (local medical societies) standen dieser, für

damalige Zeiten revolutionären Art der Leistungserbringung feindlich gegenüber.3 Die

niedergelassenen Ärzte befürchteten den Konkurrenzdruck von alternativen

Versicherungsplänen und setzten sich zum Ziel, in der Öffentlichkeit für die Qualität

der medizinischen Versorgung und die Wahlfreiheit der Patienten einzutreten. Dieser

Wiederstand reichte bis in die achtziger Jahre des letzten Jahrhunderts.4

Jedoch war es gerade dieser Wiederstand, der das Vertragsarztwesen in den USA zu

einem nationalen Thema machte. Durch einige abgeschmetterte Klagen gegen diese

Prepaid Group Practices (PGP) wurden neben Unternehmen der Industrie auch andere

Organisationen der öffentlichen Hand, wie Stadtverwaltungen und auch vereinzelt

Versicherungsgesellschaften, gegen Ende der 30-er Jahre neugierig und begannen ihre

eigenen prepaid group practices zu gründen.5 Während der 40-er und 50-er Jahre

1 Vgl. Neipp, 1988, S.67. 2 Vgl. Heynisch, 1992, S.59. 3 Vgl. Mayer / Mayer, 1985, S. 590 f. 4 Vgl. Heynisch, 1992, S. 60f. 5 Vgl. Mayer / Mayer, 1985, S. 592.

[Detailliertere Informationen zu einzelnen Gründungen und Entwicklungen sind ebenfalls dort zu

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entdeckten einige Gewerkschaften und Genossenschaften diese Vertragsform für sich.

Trotz der steigenden Akzeptanz war die Bekanntheit in der Bevölkerung bis Beginn der

70-er Jahre recht gering. Zudem, bzw. weil es an einem flächendeckenden nationalen

Netz mangelte. „Bis zum Ende der sechziger Jahre war das Konzept der HMO an

eindeutig definierte Populationen gebunden, die entweder mit einem Arbeitgeber, oder

einer speziellen nur lokal aktiven Organisation, die in den meisten Fällen nicht

gewinnorientiert war[, wie z.B. die lokale Gewerkschaft United Auto Workers in

Detroit], verbunden war.“6

Diese Selbstbeschränkung auf lokaler Ebene und die fehlende Gewinnorientierung sind

primär dafür verantwortlich, dass bis Anfang der 70-er Jahre keine aktive Verbreitung

dieser Organisationsform stattfand.7

Steigende Kosten im Gesundheitswesen und der aufgrund des Vietnamkrieges

angespannte Bundeshaushalt forcierten die öffentliche Diskussion um mögliche

Reformen und Einsparungen im Gesundheitswesen. Dr. Paul Ellwood, damals Rektor

des American Rehabilitation Institutes, gilt als entscheidender Wegbereiter der HMO-

Idee.8 9 Er überzeugte die Nixon-Berater, „ …that a nationwide system of prepaid group

practices and foundations for health care would link a fiscal strategy of prepayment with

a system capable of being most cost efficient and thus provide an answer to the

country’s health care problems.”10 Da es in der Vergangenheit des öfteren Wiederstand

gegen die Vorläufer der HMOs gab, schuf Ellwood mit dem Term Health Maintenance

Organizations einen neuen, in jeder Hinsicht neutralen Namen, welcher seit 1971

öffentlich propagiert und recht schnell von der Bevölkerung angenommen wurde.11

1973 wurde schließlich der HMO-Act verabschiedet. Mit diesem Gesetz sollten

bestehende HMOs, als auch Neugründungen gezielt gefördert werden. Jedoch

verlangten die Förderkriterien zu viele Zusatzleistungen, im Vergleich zu

finden. Als wichtigstes und bis in die heutige Zeit ragendes Beispiel ist das 1933 gegründete Kaiser Permanente Medical Care Program, welches sich bis Mitte der 80-er Jahre zur größten HMO in den USA entwickelte. Bereits in den Anfangsjahren erweiterte man dort den Leistungskatalog auf Familienmitglieder und Gesundheitsversorgung für die Freizeit.(Vgl. Mayer/Mayer, 1985, S. 592) Sie gilt als Prototyp der heutigen Organisationsform, da in ihr schon die Grundprinzipien der klassischen HMO verwirklicht sind, auf die in Kapitel 2.3. näher eingegangen wird.]

6 Heynisch, 1992, S. 68. 7 Vgl. Heynisch, 1992, S. 68. 8 [Insbesondere die Kaiser Permanente, aber auch andere PGPs, die seiner Meinung nach einer breiten

Gruppe die optimale Versorgung zu annehmbaren Preisen boten, hatten für ihn Vorbildfunktion.] 9 Vgl. Luft, 1980, S. 502. 10 Mayer/Mayer, 1985, S. 593. 11 Vgl. Heynisch, 1992, S. 68f.

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konkurrierenden Leistungsanbietern, so dass HMOs zu teuer wurden und so nicht

unbedingt attraktiver waren. Nach einer Gesetzesnovellierung 1976 wurden diese

Hindernisse jedoch aus dem Weg geräumt, worauf sich HMOs auch rapide

verbreiteten.12

2.2. Aktuelle Entwicklungen

Betrachtet man die letzten Jahre, so fällt auf, dass HMOs besonders durch die Managed

Care (MC) – Bewegung an Reputation und Bekanntheit gewonnen haben. Managed

Care Organisationen „...sind die Ziele gemein, die Leistungen im Gesundheitswesen

möglichst wirtschaftlich zu erbringen [und somit Kosten zu senken] und gleichzeitig die

Qualität der Gesundheitsversorgung zu erhalten oder – wenn möglich – zu steigern.“13

HMOs sind als bekannteste und älteste Ausprägung der MC-Organisationen bekannt.

Die im Gegensatz zu traditionellen Krankenversicherungssystemen intensive

Zusammenarbeit zwischen Leistungserbringer und Versicherer, welche bei den HMOs

identisch sind, ist das Hauptsteuerungsinstrument des MC.14

Nach den Erfolgen der HMOs in den USA sowie dem starken Anstieg der Anbieter und

Versichertenzahlen seit den 70-er Jahren, entwickelten sich auch weitere

Formen(Angebote) von MC ( siehe Anhang 1) Aufgrund der angespannten

Kostensituation im Gesundheitswesen in Europa seit weit über zehn Jahren, wurde man

auf der Suche nach alternativen Prozessen, Strukturen und Organisationsformen auf MC

aufmerksam. So wurden oftmals MC-Elemente im Rahmen von

Gesundheitssystemreformen implementiert.15 Lediglich die Schweiz, hat sich dazu

entschlossen, die intensivste MC-Form, die HMO, einzuführen.16 Auf diesen Prozess

und den damit verbundenen Veränderungen wird in Punkt 3 näher eingegangen.

2.3. Merkmale und Konzeptionen

Health Maintenance Organizations, also Organisationen zur Erhaltung der Gesundheit,

sind sehr heterogen. Es existiert keine Muster-HMO, jedoch eine Unmenge von

12 Vgl. Neipp, 1988, S. 68f. 13 Oberender / Ecker, 1997, S. 13. 14 Vgl. Lankers, 1997, S. 21f. 15 [Insbesondere in Dänemark, Finnland und Großbritannien sind hier neben der Schweiz als Vorreiter zu

nennen.(Vgl. Steininger-Niederleitner/Sohn/Schöffski, 2003, S. 13 ff.)] 16 Vgl. Steininger-Niederleitner/Sohn/Schöffski, 2003, S. 63.

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Ausprägungen, daher fällt es nicht leicht, sich an eine allgemeingültige Definition

anzunähern.17

Aus diesem Grund hat man die Hauptcharakteristika herausgearbeitet, die allen HMOs

zu eigen sind. (1) Die HMO übernimmt die Verantwortung für eine definierte

medizinische Versorgung, stationär und ambulant, die entweder selbst erbracht oder

organisiert wird. Sie ist somit Versicherer und Leistungsanbieter zugleich. (2) Die

Versorgung wird für Mitglieder bereitgestellt. (3) Die Mitgliedschaft ist freiwillig. (4)

Die Versicherten zahlen einen im Vorhinein vereinbarten Beitrag, unabhängig von der

Inanspruchnahme der vereinbarten Leistungen. Optional werden auch geringfügige

Selbstbehalte vereinbart. (5) Die HMO übernimmt zumindest einen Teil des finanziellen

Risikos und daher auch mögliche Verluste, streicht aber auch eventuelle Gewinne ein.18

Die Grundidee ist, dass eine Gruppe von Ärzten19 die gesamte Gesundheitsversorgung

einer festgeschriebenen Mitgliederschaft übernimmt, gleich, ob die sie gesund oder

krank sind.20

Durch den Beitritt in eine HMO wird die Freiheit der Arztwahl stark auf deren Ärzte

und dessen Versorgungsangebot eingeschränkt. Im Krankheitsfall wird der

Behandlungsumfang i.d.R. vom HMO-Arzt festgelegt. Er fungiert als Primärarzt

(Hausarzt) und koordiniert die medizinische Versorgung seiner Patienten. Man nennt

dieses Vorgehen auch Gatekeeper–Prinzip (siehe Anhang 2).21

Im Unterschied zu herkömmlichen Krankenversicherungssystemen, in denen jede

Leistung gesondert bezahlt wird, verdienen die HMOs insbesondere dann, wenn die

Versicherten gesund bleiben22 und möglichst wenige Leistungen in Anspruch nehmen.

Der Vorteil für die Versicherten liegt bei meist deutlich niedrigeren

Mitgliedsbeiträgen.23 Somit wird die „...Suche nach kostengünstigen [Versorgungs-]

Lösungen zur Existenzfrage. Sie setzen dadurch einen Kostenmaßstab und bringen

17 Vgl. Asmuth, 1988, S. 8.

[Neben der großen Vielfalt sehen sich HMOs dem Wettbewerb ausgesetzt, und sind somit gezwungen sich den Marktverhältnissen und den Bedürfnissen der Verbraucherflexibel anzupassen (Vgl. Baumann/Stock, 1996, S. 60.)]

18 Vgl. Luft, 1980, S. 503. [In der Literatur finden sich diverse Charakteristika, jedoch sind diese, unabhängig vom Veröffentlichungsjahr und Autor, die anerkanntesten.]

19 [Betrachtet man die ursprünglichen Formen dieser Organisationsform, so ist augenscheinig, dass es im 19. Jahrhundert oft auch einzelne Ärzte waren, die für die medizinische Versorgung einer festen Gruppe von Mitgliedern verantwortlich waren.(Vgl. Mayer/Mayer, 1985, S. 590ff.)]

20 Vgl. Baumberger, 1996, S. 29. 21 Vgl. Baumann/Stock, 1996, S. 59. 22 [Daher auch der Name Health Maintenance Organizations, da dies ja ein zentrales Ziel ist und ihr

Überleben am Markt sichert und u.a. entscheidend davon .] 23 Vgl. Sommer, 1999, S. 122.

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damit die anderen Versicherer unter Wettbewerbsdruck, der sich (auch) auf den

medizinischen Bereich überträgt.“24

Health Maintenance Organizations werden in vier25 anerkannte Grundtypen

unterschieden, Staff Model HMO, Group Model HMO, Individual Practice Association

(IPA) Model HMO und in die Network Model HMO, welche in Anhang 3 26 zu sehen

sind und im folgenden kurz ausgeführt werden.

2.3.1. Staff Model HMO

Angeschlossene Ärzte sowie andere Mitarbeiter sind direkt bei der HMO beschäftigt

(staff) und beziehen einen festen Lohn. Zusätzlich kann auch ein erfolgsabhängiger

Bonus gewährt werden.27 „Die HMO besteht [...]aus einer oder mehreren

Gruppenpraxen, in denen die primärärztliche Versorgung sowie weitere Leistungen,

[welche] die HMO selbst erbringen will, selbst angeboten werden.“28 Falls spezielle,

nicht- hausärztliche Leistungen29 von der HMO nicht erbracht werden können, schließt

sie Verträge mit entsprechenden Leistungserbringern.30

Bei dieser HMO-Struktur sind die Möglichkeiten zur Steuerung und Kontrolle der

Kosten am besten ausgeprägt. Nachteilig können sich jedoch die insbesondere zu

Beginn hohen Fixkosten auf die Gewinnsituation auswirken.31

2.3.2. Group Practice HMO

Im Gegensatz zum Staff Model, sind die Ärzte hier Eigentümer der Gruppenpraxen, mit

denen die HMO Behandlungsverträge abschließt. Sie sind also nicht direkt bei der

HMO angestellt, sondern arbeiten und investieren in ihrer Praxis selbstständig. Die

24 Sommer, 1999, S. 122. 25 [In den letzten Jahren haben sich in den USA zunehmend Point of Service Plans (POS) entwickelt,

siehe Kapitel 2.3.5. In bisherigen Betrachtungen wurden diese bislang jedoch nur sehr vereinzelt behandelt. Da sich diese aber steigender Beliebtheit erfreuen, wurden sie aus Gründen der Aktualität in diese Betrachtung aufgenommen.]

26 [Da es sich sowohl beim Staff Model, als auch beim Group Model um Gruppenpraxen handelt, werden diese dort unter dem Begriff Prepaid Group Practice summiert.]

27 Vgl. Binder, 1999, S. 195. 28 Baur, 1997, S. 4. 29 [Beispiele wären stationäre Behandlungen, Operationen oder auch Spezialärzte] 30 Vgl. Baur, 1997, S. 4f. 31 Vgl. Binder, 1999, S. 195.

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Entlohnung für die Behandlung der HMO-Mitglieder erfolgt entweder über

Kopfpauschalen (capitations), oder nach Einzelleistungsverträgen.32

Die Anzahl der mitarbeitenden Gruppenpraxen ist nicht beschränkt, ebenso können

auch zur Bereitstellung von Spezialleistungen, stationären Behandlungen oder anderen

Leistungen individuelle Verträge mit weiteren Leistungserbringern vereinbart werden.

Neben den HMO Versicherten ist auch oft üblich, konventionelle Versicherte zu

behandeln.33 Ein Vorteil für die HMO sind die geringen Fixkosten, da die Praxis der

Ärztegruppe gehört.34

2.3.3. Individual Practice Association Model HMO35

Die HMOs schließen Verträge mit Ärztenetzwerken, sog. Individual Practice

Associations (IPAs). Die Ärzte sind jedoch weitgehend unabhängig und selbständig, sie

arbeiten weiterhin in ihren eigenen Praxen. Neben den HMO Patienten behandeln sie

auch nach wie vor Nicht-HMO-Mitglieder. Die IPAs suchen sich meist Ärzte aller

Fachrichtungen, so dass die HMO ein möglichst breites Behandlungsspektrum anbieten

kann. Jedem Arzt, der die Kriterien der HMO bzw. der IPA erfüllt, steht es frei sich

diesem Modell anzuschließen, ohne seine Selbständigkeit zu verlieren.36 Die Bezahlung

der Ärzte wird individuell geregelt, entweder per Kopfpauschale oder

Einzelleistungsvergütung. Was die Gewinnbeteiligung betrifft, teilt sich die HMO

entweder das finanzielle Risiko mit der IPA, welche mit den Ärzten individuelle

Regelungen trifft37, oder die Ärzte sind direkt an den Kosten beteiligt.38

2.3.4. Network Model HMO

Träger dieses Modells sind häufig kommerzielle Versicherungsgesellschaften. Das Ziel

einer Network HMO ist meist eine bessere überregionale Versorgung bieten zu können.

Sie entsteht durch Zusammenschluss von Staff Model HMOs, Group Practice HMOs

32 Vgl. Baur, 1997, S. 5. 33 Vgl. Baumann/Stock, 1996, S. 61. 34 Vgl. Binder, 1999, S. 200. 35 [Dieses wird auch IPA abgekürzt. In der Literatur ist vielfach auch die Rede von Independent Practice

Associations, da hiermit vermutlich die Unabhängigkeit der Ärzte besser zum Ausdruck kommt, jedoch hat sich der obengenannte Terminus durchgesetzt.]

36 Vgl. Binder, 1999, S. 200. 37 [Gängig sind hier insbes. Vereinbarungen, wonach die Ärzte nach einem Einzelleistungskatalog bezahlt

werden, „ ... wobei 10 bis 30% der Honorare zurückbehalten und am Ende des Jahres je nach Erfolg der IPA ganz oder [nur]teilweise ausbezahlt werden.“(Sommer, 1992, S. 16.)]

38 Vgl. Sommer, 1992, S. 16.

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oder IPAs. Durch ihre überregionale Stellung am Markt ist es ihr möglich den

Versicherten eine sehr breites Leistungsspektrum anbieten zu können. Ihre

Verhandlungsmacht und Größe können sie ausnutzen, um einerseits bessere

Konditionen bei den Leistungserbringern zu erhalten39, oder um andererseits „ ...eigene

Infrastruktureinrichtungen (z.B. [... Krankenhäuser], Großgeräte) kostengünstig in

Anspruch zu nehmen.“ 40

Die Risikobeteiligung bzw. Honorierung der Sub-HMOs richtet sich nach

Kopfpauschalen. Die Einbindung der Ärzte wird von den einzelnen Sub-HMOs und

Ärztegruppen individuell geregelt.41

Der finanzielle Aufwand zum Aufbau einer HMO nach diesem Modell ist

vergleichsweise gering, da man i.d.R. nicht bei null beginnt, sondern die bereits

bestehenden HMOs zu einem Zusammenschluss bewegen muss, was u.U. zum Problem

werden kann.42

2.3.5. Point of Service Plans

Point of Service Plans(POS) sind eine Form der HMO und entwickelten sich erst in den

letzten Jahren, erfreuen sich jedoch unter den Versicherten in den USA steigender

Beliebtheit. Diese sind eine Wahloption in den bestehenden HMO-Modellen. Im

Krankheitsfall steht der Versicherte vor der Wahl, sich innerhalb oder außerhalb seines

HMO-Netzes behandeln zu lassen. Entscheidet er sich für eine HMO-fremde

Behandlung, so wird ihm jedoch nur ein Teil seiner Kosten erstattet. Im Gegensatz zu

den obengenannten Formen, wird die Arztwahl hier nicht in einem so hohen Maße

eingeschränkt, im Gegenzug erwarten den Versicherten jedoch wesentlich höhere

Beiträge.43

39 Vgl. Baur, 1997, S. 6. 40 Baur, 1997, S. 6. 41 Vgl. Binder, 1999, S. 200. 42 Vgl. Baur, 1997, S. 6. 43 Vgl. Sommer, 1999, S. 127f.

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3. Organisationstheorie

3.1. Der Organisationsbegriff

„Als ökonomische Organisation [...bezeichnet man] ein Gebilde, in dem verschiedene

Personen interagieren, um individuelle und kollektive ökonomische Ziele zu

erreichen.“44 In diesem Sinne können Unternehmen oder aber auch Staaten

Organisationen sein, wie auch eine HMO. Individuelle Ziele sind z.B. hohes

Einkommen und Prestige zu erlangen, kollektive Ziele dagegen verfolgt eine

Unternehmung als Ganzes, wie z.B. die Bereitstellung von nachgefragten Produkten

oder Dienstleistungen. Menschen beteiligen sich an einer Organisation, da sie dies der

Erreichung ihrer individuellen Ziele näher bringt. Mit dieser Beteiligung geht die

Arbeitsteilung einher, wodurch sich Kosten senken lassen und ein großes Maß an

Flexibilität Einzug hält, da die Ressourcen besser ausgelastet und verteilt werden

können. Neben der Arbeitsteilung gilt der Tausch als das zweite Grundprinzip einer

jeden Organisation. Erst durch die Abstimmung der Organisationsteilnehmer sowie den

Austausch der arbeitsteilig produzierten Güter und Dienstleistungen können die Vorteile

der Arbeitsteilung ausgeschöpft werden. Dies gilt sowohl intern, als auch extern.45

Arbeitsteilung und Tausch führen zu Differenzierung. Horizontale Differenzierung

bedeutet, dass eine Aufgabe auf mehrere gleichrangige Mitarbeiter verteilt wird. Es

entstehen gegenseitige Abhängigkeiten, sog. laterale Interdependenzen und die

Notwendigkeit zur Koordination der Mitarbeiter. Vertikale Differenzierung dagegen

meint die Hierarchiebildung innerhalb einer Organisation, so werden Aufgaben von

oben nach unten verteilt und entsprechende Kontrollinstanzen gebildet.46 Auch hierbei

entstehen Abhängigkeiten. Eine Organisation besteht neben den internen Mitgliedern,

den Angestellten und den Führungskräften, auch aus externen Mitgliedern(siehe

Anhang 4). Diese können auch Einfluss auf die Organisationsgestaltung ausüben dies

sind i.d.R. Zulieferer und Wettbewerber.47 Im Falle von HMOs sind die Versicherten,

also die Leistungsempfänger, Koproduzenten der jeweiligen Gesundheitsdienstleistung.

Weiterhin sind sie vertraglich gebunden, können den Leistungserbringer wechseln,

44 Jost, 2000c, S. 10. 45 Vgl. Jost, 2000c, S. 11 ff. 46 Vgl. Hall, 1991, 52ff. 47 Vgl. Jost, 2000b, S. 20f.

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jedoch nicht ohne weiteres von einem Moment zum anderen. Daher sind sie zwischen

den internen und externen Teilnehmern einzuordnen.

3.2. Die Koordinationsproblematik

Aufgaben werden aufgrund der Spezialisierung innerhalb einer Organisation aufgeteilt.

Um jedoch die Erfüllung der Gesamtaufgabe zu gewährleisten, muss der reibungslose

Austausch der Leistungen sichergestellt sein. Des weiteren muss die Spezialisierung in

Einzelaktivitäten nach Kostengesichtspunkten möglichst produktiv sein. Hierzu bedarf

es der Koordination der Akteure.48 Dies geschieht meist durch vorher festgelegte

Richtlinien, wie in verschiedenen Kommunikations-, Entscheidungs-, aber auch

Innovationsprozessen agiert werden soll. Man kann also Koordination durch eine

geeignete Organisationsstruktur sicherstellen. Oft sind es auch externe Faktoren, wie

rechtliche Rahmenbedingungen oder soziale Normen, die entscheidenden Einfluss auf

die Prozesse und Strukturen einer Organisation ausüben. Wegen dieses Einflusses

bezeichnet man sie auch als übergeordnete Regeln.49

3.3. Die Motivationsproblematik

Die Motivationsproblematik resultiert aus den individuellen und kollektiven Zielen, die

nicht unbedingt immer konform sind. Um wirklich sicher zu gehen, dass die Akteure

ihre Aufgaben bereitwillig und sorgfältig erledigen, muss die Lösung an den

individuellen Zielen ansetzten.50 Die Akteure müssen sich bei Erfüllung der kollektiven

Ziele besser stellen, dafür benötigt man eine geeignete Anreizstruktur, Beispiele dafür

sind eine gemeinsame Wertebasis, Sanktionsmechanismen, Kontrollinstanzen, oder aber

auch finanzielle oder karrieristische Anreize.51 Man darf beide Probleme jedoch nicht

getrennt betrachten, da es auch durchaus Wechselwirkungen geben kann. Der

Motivation ist die Koordination übergeordnet. Erst aus einer Struktur von Prozessen

lassen sich Motivationsprobleme erkennen.

48 Vgl. Jost, 2000b, S. 23f. 49 Vgl. Jost, 2000c, S. 457ff. 50 Vgl. Jost, 2000c, S. 456f. 51 Vgl. Jost, 2000a, S. 178 ff.

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3.4. Der Bürokratiebegriff

3.4.1. Das Modell von Max Weber

Der Bürokratiebegriff wurde entscheidend von Max Weber geprägt. Seine Theorie hat

entscheidende Auswirkungen auf die Entwicklung der Organisationsforschung der

vergangenen Jahrzehnte. Ausgehend von seiner Unterscheidung der

Herrschaftsformen52 stellt Bürokratie eine besondere Form der legalen und rationalsten

Herrschaftsausübung dar. Die Merkmale der Bürokratie nach Webers Vorstellungen

sind:

1)Arbeitsteilung auf Basis funktionaler Spezialisierung mit genereller und

personenunabhängiger Zuständigkeitsregelung; 2)Amts- und Autoritätshierarchie;

3)Beförderung und Laufbahn aufgrund Fachkompetenz sowie einem gestuften Gehalt;

4) Vorgabe eines Regelsystems; 5) Prinzip der aktenmäßigen Kommunikation.53

Weber zeigt Parallelen zwischen der staatlichen Bürokratie und der modernen

Kapitalwirtschaft, also Unternehmensstrukturen. Diese Organisations- und

Herrschaftsform ist beiden zu eigen, sie bedingen sich gegenseitig. Die Vertreter des

Kapitalismus verlangen stets präzisere und schnellere Verwaltungsprozesse, während

sie selbst i.d.R. „...unerreichte Muster straffer bürokratischer Organisationen [sind]“ 54,

so Weber.

Die Bürokratie ist nach Weber die effizienteste Form der Verwaltung. Einerseits wegen

ihrer Maschinenartigkeit55,andererseits aufgrund der Arbeitsteilung sowie der

Disziplinierung der Akteure.56 Tendenzen, bestehende bürokratische Verwaltungen z.B.

in Richtung Kostenbewusstsein zu reformieren, spiegeln die derzeitige Auffassung

wieder, dass Bürokratie nicht das Allheilmittel ist, sondern vielmehr zunehmend auch

Probleme aufwirft. Insbesondere das selbstverantwortliche Handeln in Organisationen

ist im Zuge von Rationalisierungen, welche u.a. zu starreren bürokratischen Strukturen

führen, in Gefahr. Entwicklungen der letzten Jahrzehnte zeigen, jedoch, dass

52 [Diese unterteilt er in traditionelle, charismatische und legale Herrschaft. Weitere Informationen dazu

in: Weber, 1972, S. 124]. 53 Vgl. Von der Oelsnitz, 2000, S. 36f. 54 Weber, 1972, S. 562 (zitiert nach Kieser, 1999, S. 50). 55 [ „Sie verhält sich ...wie eine Maschine zu den nichtmechanischen Arten der Gütererzeugung.

Präzision, Schnelligkeit, Eindeutigkeit, Aktenkundigkeit, Kontinuierlichkeit, Diskretion, Einheitlichkeit, straffe Unterordnung, Ersparnisse an Reibungen ... sind bei streng bürokratischen Verwaltungen...auf ein Optimum gesteigert“ (Weber, 1972, S. 561f. (zitiert nach Kieser, 1999, S. 50)].

56 Vgl. Kieser, 1999, S. 48ff.

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Individualität und eigenständiges Handeln in Organisationen vermehrt gefördert

werden.57 Die Koordinationsproblematik dürfte im Idealtypus der Bürokratie wegen der

großen Regelhaftigkeit zu vernachlässigen sein.

3.4.2. Die Weiterentwicklung von Richard H. Hall

Die Bürokratietheorie, insbesondere im Hinblick auf Unternehmen wurde von Richard

H. Hall weiterentwickelt. Weber kam es insbesondere auf die Beschreibung dieser

Herrschaftsform an und übertrug dies auf kapitalistische Organisationen, also

Unternehmen. Differenziertere vergleichende Analysen haben gezeigt, dass

bürokratische Strukturen in verschiedenen Organisationen nicht gleich ausgeprägt sind.

Bürokratie wurde mit sichtlichem Bezug zu Weber in 6 Dimensionen zerlegt:

„ …1) a well defined hierarchy of authority[=Autoritätshierarchie], 2) a division of

labor based upon functional specialization[=Arbeitsteilung], 3) a system of rules

covering the rights and duties of positional incumbents[=Regelsystem], 4) a system of

procedures of dealing with work situations[=Verfahrensweisen], 5) impersonality of

interpersonal relationships[=Unpersönlichkeit], and 6) selection for employment and

promotion based upon technical competence[=Fachliche Qualifikationen]…”58

Nach Hall’s empirischen Untersuchungen wird Bürokratie nicht als Dichotomie

begriffen, sondern als dynamische Struktur, welche in verschiedenen Intensitäten

vorherrschen kann. Die oben beschriebenen Merkmale wurden von Hall an einer

Gruppe von Organisationen untersucht. Man fand heraus, dass Organisationen mehr

oder auch weniger bürokratisiert sein können, zudem wurde die Unabhängigkeit seiner

Variablen untereinander bestätigt.59

Nun stellt sich insbesondere im Hinblick auf die Einführung der HMOs in der Schweiz

die Frage, welche Organisationsform der Leistungserbringung bürokratischere Züge

aufweist, die traditionelle oder die alternativen? Eine empirische Untersuchung ist im

Rahmen der Seminararbeit leider nicht möglich, jedoch existieren Erfahrungs- und

Forschungsberichte, die in Gliederungspunkt 4 zu Rate gezogen werden, um die

Hypothese zu testen, dass HMOs weniger bürokratische Züge in der Organisationsform

selbst, als auch in der Leistungserbringung aufweisen, als das herkömmliche

Versicherungssystem. 57 Vgl. Kieser, 1999, S. 57ff. 58 Hall, 1962, S. 296 (zitiert nach Da Silva Robalo, 1992, S. 103). 59 Vgl. Hall, 1962, S. 296 (zitiert nach Da Silva Robalo, 1992, S. 103).

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Legt man die Annahme zugrunde, dass den Akteuren in einem weniger bürokratischen

Modell mehr (Entscheidungs-)Freiheiten gelassen werden, ist im Zusammenhang mit

den HMOs zu erforschen, ob diese größere Freiheit der Leistungserbringer mögliche

Auswirkungen auf die Qualität der Leistung hat.

Eine weitere Hypothese ist eine verbesserte Motivation und Koordination der Akteure

in einem HMO-System, was zu effizienteren Behandlung der Versicherten führen

könnte.

4. Health Maintenance Organizations in der Schweiz

4.1. Das Gesundheitswesen in der Schweiz

Bis zur Einführung des neuen Krankenversicherungsgesetztes 1996, existierte nur das

Kranken- und Unfallversicherungsgesetz von 1911. Dieses Gesetz regelte lediglich

einige wenige Punkte, wie z.B. das Gewinnorientierungsverbot der Kassen. Der Bund

kontrollierte und subventionierte das System demnach nur. Krankenversicherung war

freiwillig. Finanzielle Vorgaben, wie Höchstprämien waren nicht geregelt.60 Trotz

dieser wenigen Vorgaben entwickelten sich Krankenkassen vergleichbar mit

europäischen Nachbarn. Ebenso die Versorgung der Bevölkerung wurde sichergestellt.

Über die Jahre entwickelten sich kartellähnliche Absprachen der Kassen, die somit

jeglichen Prämienwettbewerb aus dem Wege gingen. Dennoch war man wegen

steigender Kosten gezwungen die Prämien zu erhöhen, was die Bevölkerung jedoch

gegen die Versicherer aufbrachte. Zudem begann sich das ‚Kartell’ langsam aufzulösen,

da sich einige Kassen nicht mehr an die Prämienabsprachen hielten und versuchten

ihren Risikomix mit jungen Mitgliedern zu verbessern. Ein Kassensterben setzte ein,

insbesondere kleine Krankenkassen mit bis zu 5000 Mitgliedern wurden Opfer. Die

Gesamtzahl der Kassen reduzierte sich von ca. 800 im Jahr 1970 auf ca. 260 in 1990.61

Alles in allem war das System sich selbst überlassen und konnte die Kostenprobleme

nicht ohne externe Eingriffe lösen.

Aktuell, nach dem neuen KVG ist Aufgabenverteilung im eidgenössischen

Gesundheitswesen zwischen dem Bund und den Kantonen aufgeteilt. Das Bundesamt

für Sozialversicherung (BSV) hat Gesetzgebungskompetenz was die Sozialversicherung

60 Vgl. Steininger-Niederleitner/Sohn/Schöffski, 2003, S.54. 61 Vgl. Sommer, 1999, 154 ff.

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betrifft. Das Bundesamt für Gesundheitswesen ist für die öffentliche Gesundheit (Public

Health) verantwortlich, dies beinhaltet die Förderung des Gesundheitswesens,

Lebensmittelkontrollen, Medizinalprüfungen, sowie Vorsorge gegen

Infektionskrankheiten.62

Die Krankenversicherungsträger, sei es traditionell oder privat, werden vom

Eidgenössischen Departement des Innern genehmigt und kontrolliert63. Sie gelten als

finanziell unabhängig. Gewinnausschüttung ist der traditionellen KV versagt,

Überschüsse müssen der Allgemeinheit zu Gute kommen.64 Kostensteigerungen sind

direkt an die Versicherten weiterzugeben und Defizite werden bei keiner KV-Form von

dritter Seite übernommen.65

Die Kantone besitzen zentralen Einfluss auf das Gesundheitswesen. Sie müssen die

Bundesgesetze ausführen, d.h. sie fungieren u.a. als kantonale Kontroll- und

Genehmigungsinstanz. Sie sind dazu verpflichtet, im Falle des wirtschaftlichen

Bankrotts eines Leistungserbringers, die Gesundheitsversorgung der Versicherten

sicherzustellen.66

Ziel der Schweiz ist es, allen Bürgern ein Mindestmaß an Gesundheitsschutz zu

garantieren, daher ist eine Krankenpflegeversicherung obligatorisch. Seit dem 1996 in

Kraft getretenen neuen Krankenversicherungsgesetzes (KVG) wird dies auch als

Grundversorgung bezeichnet. Es existiert freie Versicherungswahl und die Möglichkeit

diese jederzeit zu wechseln. Beiträge werden in Form von risikounabhängigen

Kopfpauschalen erhoben und sind lediglich für verschiedene Altersgruppen,

Versicherungsformen oder Regionen differenzierbar67. Neben der Prämie haben die

Versicherten bei Krankheit zusätzlich einkommensunabhängig ein Teil der Kosten zu

übernehmen.68 Diese Regelungen auf Seite der Finanzierung zeigen verglichen mit

62 Vgl. Steininger-Niederleitner/Sohn/Schöffski, 2003, S. 45. 63 [Hier achtet der Bund besonders auf die Einhaltung finanzieller Sicherungsmaßnahmen, wie die

Bildung von Rücklagen.] 64 Vgl. Eidgenössisches Departement des Innern, 2002, S. 7. 65 Vgl. Steininger-Niederleitner/Sohn/Schöffski, 2003, S.53. 66 Vgl. Steininger-Niederleitner/Sohn/Schöffski, 2003, S. 45 ff. 67 [Kein Haushalt zahlt mehr als 10% seines Einkommens, Etwa ¼ der Haushalte werden daher zu

gleichen Teilen vom Bund und dem jeweiligen Kanton unterstützt. (Vgl. Baur /Heimer /Wieseler, 2000, S. 98)]

68 Vgl. Eidgenössisches Departement des Innern, 2002, S. 3ff. [ Die Selbstbeteiligung setzt sich einerseits aus einer Franchise für die ersten 230 sFr jährlich und darüber hinaus einem bis 600 sFr begrenzten Selbstbehalt von 10% zusammen. Lediglich bei alternativen Versicherungen, wie den HMOs können diese reduziert werden.]

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europäischen Nachbarn eine „...recht schwache Ausprägung der sozialen

Komponente...“69.

4.2. Das neue Krankenversicherungsgesetz

Die drastische Kostenentwicklung im eidgenössischen Gesundheitswesen ließ Anfang

der 80-er Jahre verschiedene Ökonomen nach Lösungen suchen. Auch die Einführung

neuer Versicherungsformen wurde diskutiert. Die 1984 von fünf Ökonomen und

Sozialwissenschaftlern gegründete ‚Arbeitsgruppe HMO’ schaffte es, aufgrund

intensiver Werbemaßnahmen und Öffentlichkeitsarbeit, der Bevölkerung die

Möglichkeiten von HMOs zur Kostensenkung zu vermitteln. Nach anfänglichen

Wiederständen gaben sich einige Kassen kooperativ und gründeten die

Interessensgemeinschaft für alternative Krankenversicherungsmodelle (IGAK).70 1989

genehmigte der Bundesrat eine 6 Jahre dauernde probeweise Einführung einiger

weniger HMOs inklusive begleitender Evaluation. Dies war die Geburt der ersten HMO

in Europa.71 Zeitgleich wurde die Revision des von 1911 stammenden Gesetzes von

einer Expertenkommission vorbereitet. Das bisher auf freiwillige Solidarität basierende

System drohte zusammenzubrechen, daher wurde die Neufassung 1994, ohne

Evaluationsergebnisse, nach einer Volksabstimmung angenommen.72 Das neue KVG

hat drei Ziele, zum einen die Solidarität innerhalb des Systems zu stärken, die

Kostenentwicklung zu stoppen und Kosten womöglich zu senken, als auch eine

qualitative Versorgung zu gewährleisten.73 Alternativ wird auch von dem

Dreisäulenprinzip gesprochen, mehr Wettbewerb, Soziale Medizin und

Kosteneindämmungen ( s.h. Anhang 5).74 Nicht nur die Einführung neuer

Versicherungsformen, sondern auch die Konkurrenz zwischen den Versicherern war

nach Ansicht der Expertenkommission zentrales Element, um ein optimales Kosten-

Nutzen-Verhältnis zu erreichen.75

69 Baur /Heimer /Wieseler, 2000, S. 97. 70 Vgl. Sommer, 1997, S. 36. 71 Vgl. Steininger-Niederleitner/Sohn/Schöffski, 2003, S. 54. 72 Vgl. Sommer, 1997, S. 39. 73 Vgl. Bundesamt für Sozialversicherung, 2001, S. IX. 74 Vgl. Steininger-Niederleitner/Sohn/Schöffski, 2003, S. 55f. 75 Vgl. Sommer, 1997, S. 39.

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4.3. Die neue Organisation der Leistungserbringung

Eine der wichtigsten Änderungen im KVG ist in Artikel 41 und 62 KVG verankert.

Nach Art. 62 sind Versicherungen mit eingeschränkter Wahl der Leistungserbringer

zugelassen, also HMOs. Nach Art. 41 sind die HMOs von der Kostenübernahme befreit,

falls der Versicherte einen nicht kooperierenden Arzt besucht.76

Durch das neue Krankenversicherungsgesetz änderte sich an der Art der

Leistungserbringung in den traditionellen Krankenkassen Nichts. Alle

Leistungserbringer sind nun nach Artikel 56 KVG zur Qualitätssicherung verpflichtet.

Nach einer Zusatzverordnung haben sie ein detailliertes Qualitätsprogramm mit

Maßnahmen- und Zeitplänen zu entwerfen und mit den Versicherern abzustimmen.

Eckdaten sowie Konsequenzen bei Nichterfüllung sind im Rahmen von

Qualitätsverträgen zwischen Leistungserbringern77 und Versicherern zu vereinbaren.

1998 sollten diese Verträge und Pläne vorliegen, jedoch mangelt es am Druck von

Oben, da meist nur Absichtserklärungen vorliegen, aber nur wenige Verträge vorliegen.

Ausnahme bilden hier jedoch die HMOs. Sie beobachten ihre Qualität laufend und sind

allein aus der Organisation der Leistungserbringung darauf angewiesen einen

Maßnahmenkatalog für die angeschlossenen Ärzte bereitzustellen.78

Die Einführung der HMOs in der Schweiz führte dazu, dass diese nicht aus dem Nichts

entstanden, sondern durchweg von bestehenden traditionellen Krankenversicherern

gegründet wurden. Der Differenzierung in Kapitel 2.3 folgend, herrscht in der Schweiz

also die Staff-Model HMO vor. Die HMO ist Träger einer Gruppenpraxis und

beschäftigt Ärzte als Angestellte.79 Bei einer Bestandsaufnahme Ende 1999 existierten

28 HMOs mit ca. 100.000 Mitgliedern. Das spricht nicht unbedingt80

Da sie von Krankenkassen getragen werden, liegt der Schluss nahe, dass sie ähnliche

Verwaltungsstrukturen besitzen, dies würde bedeuten, dass sie sehr ähnliche

bürokratische Züge aufweisen. Jedoch unterscheiden sich die beiden

Organisationsformen. Bei den HMOs sind Leistungsanbieter und –erbringer identisch.

Der Unterschied zur konventionellen Krankenkasse liegt darin, dass, der medizinische

und administrative Bereich unter einem Dach liegt. Es existiert i.d.R. in jeder 76 Vgl. o.V., 2003, Art 41 & 62. 77 [Nicht zu verwechseln mit HMOs oder alternativen Versicherungsformen, hier sind z.B.

Ärztevereinigungen gefragt, die dies für ihre Mitgliederärzte übernehmen]. 78 Vgl. Baur /Heimer /Wieseler, 2000, S.105. 79 Vgl. Baur / Ming/ Stock/ et al, 1997, S. 20ff. 80 Vgl. Bundesamt für Sozialversicherung, 2001, S.61.

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Gruppenpraxis ein medizinischer Leiter, der die interne Qualitätssicherung überwacht,

Überweisungen und Behandlungen kontrolliert, konzeptionelle Entwicklung der HMO

vorantreibt. Die HMO Verwaltung übt neben dem klassischen Kassenmanagement zum

einen die operative Führung der HMO aus(Controlling, Marketing, Konzeption) und

zum anderen übernimmt sie die Praxisverwaltung. Dies ergab die Evaluation der

probeweisen HMO-Einführung.81 Die absolute administrative Belastung (Zahl der von

der HMO zu erledingenden Aufgaben) scheint größer zu sein. Woraus ein höherer

Koordinationsaufwand abzuleiten ist.

Eine traditionelle Kasse dagegen besitzt einen hohen Koordinationsaufwand nach

außen, also mit den Leistungserbringern. Hier haben wir es mit einer mehrgliedrigen

Struktur zu tun. Zum einen hat die Kasse(K) eine interne administrative Belastung,

ebenso die unabhängigen Leistungserbringer(LE) jeder für seine Praxis, und darüber

hinaus müssen sie sich noch im schlimmsten Falle alle untereinander abstimmen (K-

LE1, LE1-LE2, K-LE2...).

HMOs besitzen dagegen zwei Vorteile. Das Verhalten der Patienten/ Versicherten wird

durch den Gatekeeper gesteuert, somit können Behandlungen gesteuert werden, zum

anderen verfügt man i.d.R. über eine interne Prozessstruktur, welche die Koordination

untereinander wesentlich vereinfacht. Unter dem Strich dürfte dies für das

konventionelle System mehr Koordinationssaufwand bedeuten.

Wie sind Halls Bürokratiedimensionen gemäß Kapitel 3.4.2 ausgeprägt? Die

Autoritätshierarchie ist bei einer Staff Model HMO insbesondere auf Seite der

Leistungserbringer recht ausgeprägt, da man nicht unabhängig auf eigene Rechnung

arbeitet und somit auch ein Abhängigkeitsverhältnis existiert. Im konventionellen

System ist dies mutmaßlich weniger stark ausgeprägt, da die Leistungserbringer

unabhängig sind.

Die Arbeitsteilung scheint in der Schweiz im Bereich der HMO-Leistungserbringer

weniger ausgeprägt zu sein. Der Gatekeeper lenkt zwar die Therapie, jedoch haben die

evaluierten HMOs vorwiegend Allgemeinmediziner beschäftigt.82 Dies dürfte sich

mittlerweile verändert haben, da sie sicherlich im Zuge des Wachstums auch ihr

Angebot vergrößern konnten, jedoch gibt es darüber keine gesicherten Erkenntnisse.

Das heißt eine Überweisung zu externen Fachärzten ist nach wie vor nötig und spricht

nicht gerade für die Arbeitsteilung innerhalb der HMO Mediziner. Wogegen dies im 81 Vgl. Baur / Ming/ Stock/ et al, 1997, S. 22f. 82 Vgl. Baur / Ming/ Stock/ et al, 1997, S. 29.

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traditionellen System an der Tagesordnung liegt. Aussagen über ein Regelsystem lassen

sich ohne Untersuchung nicht ableiten.

Verfahrensweisen scheinen in der HMO explizit manifestiert zu sein. Gerade im

Rahmen der oben angesprochenen Qualitätssicherungsmaßnahmen, bei denen die

HMOs führend sind. Auf Verwaltungsseite sind Unterschiede zur Kasse nicht zu

erwarten, außer, dass sie basierend auf dem Mehr an Aufgaben eventuell über mehr

Arbeitsanweisungen verfügen.

Das Maß der Unpersönlichkeit ist schwer festzumachen. Man kann annehmen, dass sie

im Verwaltungsbereich höher sein mag, als im Leistungsbringer-Bereich, jedoch fehlen

hierzu jegliche Indikatoren.

Was die fachliche Qualifikation der Mitarbeiter anbelangt, so deutet alles darauf hin,

dass sie unter den Ärzten in den Gruppenpraxen nicht herausstechend schlechter sei.

Die Ärzte der evaluierten HMOs verfügen durchweg über eine Berufserfahrung von

durchschnittlich 8 Jahren.83

Was die Motivationsproblematik anbetrifft, fehlt es in der Schweiz im Gegensatz zu den

USA, wo die HMO Angebotspalette wesentlich breiter ist, insbesondere an der

finanziellen Beteiligung der Leistungserbringer an der HMO. Eine Antwort dafür ist

jedoch auch recht schnell gefunden. Gerade in der Einführungsphase hegten die HMOs

Befürchtungen, dass ein solches Anreizsystem den Imagebildungsprozess erheblich

stören könnte. Mittlerweile wird die Einführung von Gewinnbeteiligungen und

Bonussystemen jedoch erwogen.84 Dies stellt auch eines der einfachsten

Motivationsinstrumente dar. Daneben sind die gegenseitige Kontrolle (Peer Review)

und die Teamkonsultationen in den HMOs bereits erfolgreich verwirklicht.85

Die eidgenössischen Erfahrungen haben ergeben, dass bislang bei den HMOs keinerlei

qualitative Einbussen zu beobachten waren. Eine Erhebung unter den Patienten fand

heraus, dass sich der subjektive Gesundheitszustand nach zwei Jahren HMO-

Behandlung, nicht verschlechtert habe.86

Die erhofften Kostenvorteile der HMOs konnten auch bestätigt werden. Einsparungen,

lagen nach Risikobereinigung bei ca. 30%. Laut den Umfragen deutet nichts auf eine

Billig-Medizin hin, was HMOs oftmals entgegengesetzt wird.87

83 Vgl. Baur / Ming/ Stock/ et al, 1997, S. 29. 84 Vgl. Baur / Ming/ Stock/ et al, 1997, S. 30. 85 Vgl. Baur / Ming/ Stock/ et al, 1997, S. 37. 86 Vgl. Baur / Eyett/ Prognos, 1997, S. 61f. 87 Vgl. Baur / Stock, 2002, S. 148 ff.

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5. Abschließende Bemerkungen

Was also nun den Bürokratievergleich betrifft, so sind die Ergebnisse ohne Evaluation

auf gar keinen Fall eindeutig. Die Hypothesen ließen sich nur mit Hilfe der

durchgeführten Evaluationen abtesten.

Aus organisationstheoretischer Sicht wird durch die Einheit von Leistungserbringer und

-anbieter ein geringer Koordinationsaufwand resultieren. Ebenso die

Motivationsproblematik ist in dem alternativen Versicherungsmodell weniger intensiv

ausgeprägt. Die Untersuchung der Bürokratiethese ergab, dass die Organisation der

HMO Verwaltung der Kassenverwaltung recht ähnlich ist, darüber hinaus, aber noch

weitere Aufgaben, wie die Praxisadministration übernimmt. Der Leistungsbereich

dagegen ist durch eine engere Verknüpfung der Gruppenärzte gekennzeichnet. Hier

deutet sich gerade in der Dimension der Verfahrensweisen eine Zunahme des

Bürokratieelements an. So kommt man zu dem Ergebnis, dass die beiden Systeme in der

Schweiz entgegen den Erwartungen grundsätzlich recht ähnlich sind, was die

Bürokratieausprägung betrifft, die HMOs aber eine ausgeprägtere Bürokratie aufweisen.

Für eine detailliertere Betrachtung fehlt es aber an evaluierten Daten und Gewichtungen

der Ergebnisse. Auswirkungen auf die Qualität wurden keine festgestellt. Die Annahme,

dass den Akteuren in einem weniger bürokratischen Modell mehr Freiheiten eingeräumt

werden, wurde nicht wiederlegt. Jedoch konnte dies nicht mit der Qualität in

Verbindung gebracht werden.

Die Ergebnisse beziehen sich lediglich auf Staff Model HMOs, sie sind daher auch

nicht auf DIE HMO zu verallgemeinern.

Die Einführung der HMO in der Schweiz im Zuge des neuen KVG sollte die

Kostenentwicklung stoppen. Die Erfahrungen der eidgenössischen HMOs zeigen, dass

sie ein erfolgreiches Instrument zur Kostensenkung sind. Leider haben sich diese

Effekte aber bislang noch nicht im Gesamtssystem niedergeschlagen. Dies mag zum

einen daran liegen, dass die HMOs sich hier noch in Kinderschuhen stecken. Die

bestehenden HMOs sind noch sehr klein, der Wiederstand hat sich nach den ersten

Erfolgen gelegt.

Die Schweiz befindet sich noch immer in einer Umbruchphase. Der angestoßene

Reformprozess vollzieht sich nicht von heute auf morgen. Man verfügt nun über

wettbewerbliche Elemente, jedoch ist der Prozess von der Versichertenverwaltung zu

einem Markt noch lange nicht beendet. Die Akteure müssen sich erst in diesem System

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probieren, bis sie die dort schlummernden Potentiale nutzen und den drohenden

Gefahren nachhaltig entgegnen können.

Mit entscheidend für die Akzeptanz (nicht nur in der Schweiz) ist, dass die

Befürchtungen aus den Erfahrungen der USA, HMOs seinen eine Art Billig-Medizin

auf Kosten der Qualität, am Beispiel der Schweiz bislang wiederlegt werden konnten.

Diese alternative Versicherungsform gilt es auch in Zukunft für Nachbarstaaten auf

jeden Fall im Auge zu behalten.

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Anhang

Anhang 1 – Formen von Managed Care

(Quelle: Lankers, 1997, S. 37, nach (Wagner, Eric: Types of Managed Care Organizations. In: Kongstvedt, peter (Hrsg.): The Managed Care Handbook, Gaithersburg, 1996, S.35))

Anhang 2 – Das Gatekeeper Prinzip

(Quelle: Steininger-Niederleitner/Sohn/Schöffski, 2003, S.35)

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Anhang 3 – Formen von Health Maintenance Organizations

(Quelle: Sommer, 1999, S. 127)

Anhang 4 – Die Organisationsteilnehmer

(Quelle: Jost, 2000b, S.22)

Anhang X - Gesamtausgaben im Gesundheitswesen 1998

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Anhang 5 – Das Dreisäulenprinzip

(Quelle: Steininger-Niederleitner/Sohn/Schöffski, 2003, S. 56)

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