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1195 Der Europameister im Rüstungsexport: Deutschland ... und seine „restriktive" Rüstungsexportpolitik VERS 209, eltweit schrumpfen die Rü- W stungsmärkte und die Umsätze der RüstungsproduzentInnen. Dies ist zum Teil auf den Zusammenbruch des Ost-West-Konflikts zurückzuführen, zum andern aber auf allgemein knapper werdende Haushaltsmittel, sowohl in den unter der Verschuldungskrise leidenden Ländern des Südens als auch in den von konjunkturellen und strukturellen Wirt- schaftskrisen gebeutelten Industriestaa- ten. Wir sind wieder wer: Der deutsche Anteil am Rüstungsmarkt In dieser Situation gelang es der Bun- desrepublik zum ersten Mal, in der Rang- liste der Rüstungsexporteure weltweit zu- nächst auf den dritten Rang hinter, dann sogar auf den zweiten Rang vor Rußland vorzustoßen, sowohl nach den Angaben des Stockholmer SIPRI-Instituts als auch denen des UN-Waffenregisters. Neben der Auslieferung verschiedener Kriegs- schiffe spielten für diese Entwicklung staatliche Exporte eine wichtige Rolle. Aufgrund des 1990 geschlossenen Ver- trages über die konventionellenStreitkräf- te in-Europa (CFE- bzw. KSE-Vertrag), der vor allem in Mitteleuropa umfangrei- che Reduzierungen vorsah, hatte die mit der NVA vereinigte Bundeswehr plötzlich sehr große Ausrüstungsmengenzuviel. In der NATO wurde deshalb die „CFE-Cas- cade“ vereinbart, mittels derer ein Groß- teil der Waffen an solche Mitgliedstaaten vermittelt wurde, die die ihnen im CFE- Vertrag zugestandene „Quote“ für die je- weilige Waffengattung nochnicht erreicht hatten oder veraltete Systeme zu einem günstigen Preis ersetzen wollten. Haupt- empfänger waren die miteinanderverfein- deten NATO-Partner Griechenland und Türkei, wobeiinteressanterweise die Süd- osttürkei, also Nordkurdistan, außerhalb des CFE-Vertragsgebietsliegt. Darüber hinaus wurde vor allem NVA- Marineausrüstung außerhalb des Bünd- nisses abgegeben; neben Indonesien zähl- ten unter anderem mehrere nordafrikani- sche Länder zu den Empfängern. An diesen meist zum Schrottpreis ab- gewickelten Exporten hat nun aber die deutsche Rüstungsindustrie nur ver- gleichsweise wenig verdient, obwohl sie teilweise lukrative Wartungs- und Moder- nisierungsaufträge erhielt. Auch die mitt- lerweile erreichte Marktführerschaft bei Kriegsschiffen und Raketenist nicht über- mäßig einträglich, da diese Märkte ver- gleichsweise klein sind der Großteil der Systemeist für die meisten InteressentIn- neneinfach zu teuer. Wichtiger sind da die traditionellen deutschen Märkte, die zudem günstiger- weise in den Statistiken kaum auftauchen. SIPRI und das UN-Waffenregister erfas- sen nur genau definierte Arten von Groß- waffen; die deutschen Schwerpunkte lie- gen abervor allem in den BereichenKlein-

Der Europameister im Rüstungsexport: Deutschland · 2020. 4. 6. · die deutsche Industrie massiv amAufbau der Rüstungsindustrien zumBeispiel Ar-gentiniens,Brasiliens, Pakistans,

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Der Europameister imRüstungsexport: Deutschland

... und seine „restriktive" Rüstungsexportpolitik

VERS 209,

eltweit schrumpfen die Rü-W stungsmärkte und die Umsätze

der RüstungsproduzentInnen.Dies ist zum Teil auf den Zusammenbruchdes Ost-West-Konflikts zurückzuführen,

zum andern aber auf allgemein knapperwerdende Haushaltsmittel, sowohl in denunter der Verschuldungskrise leidendenLändern des Südens als auch in den vonkonjunkturellen und strukturellen Wirt-schaftskrisen gebeutelten Industriestaa-ten.

Wirsind wieder wer: Derdeutsche

Anteilam Rüstungsmarkt

In dieser Situation gelang es der Bun-

desrepublik zum ersten Mal,in der Rang-liste der Rüstungsexporteure weltweit zu-nächst auf den dritten Rang hinter, dann

sogar auf den zweiten Rang vor Rußland

vorzustoßen, sowohl nach den Angaben

des Stockholmer SIPRI-Instituts als auch

denen des UN-Waffenregisters. Nebender Auslieferung verschiedener Kriegs-schiffe spielten für diese Entwicklungstaatliche Exporte eine wichtige Rolle.Aufgrund des 1990 geschlossenen Ver-

trages über die konventionellenStreitkräf-te in-Europa (CFE- bzw. KSE-Vertrag),der vor allem in Mitteleuropa umfangrei-che Reduzierungen vorsah, hatte die mitder NVA vereinigte Bundeswehr plötzlichsehr große Ausrüstungsmengenzuviel. Inder NATO wurde deshalb die „CFE-Cas-cade“ vereinbart, mittels derer ein Groß-teil der Waffen an solche Mitgliedstaatenvermittelt wurde, die die ihnen im CFE-

Vertrag zugestandene „Quote“ für die je-weilige Waffengattung nochnicht erreichthatten oder veraltete Systeme zu einemgünstigen Preis ersetzen wollten. Haupt-empfänger waren die miteinanderverfein-deten NATO-Partner Griechenland undTürkei, wobeiinteressanterweise die Süd-

osttürkei, also Nordkurdistan, außerhalb

des CFE-Vertragsgebietsliegt.

Darüber hinaus wurde vor allem NVA-

Marineausrüstung außerhalb des Bünd-nisses abgegeben; neben Indonesien zähl-ten unter anderem mehrere nordafrikani-sche Länder zu den Empfängern.An diesen — meist zum Schrottpreis ab-

gewickelten — Exporten hat nun aber diedeutsche Rüstungsindustrie nur ver-gleichsweise wenig verdient, obwohl sieteilweise lukrative Wartungs- und Moder-nisierungsaufträge erhielt. Auch die mitt-lerweile erreichte Marktführerschaft beiKriegsschiffen und Raketenist nicht über-mäßig einträglich, da diese Märkte ver-gleichsweise klein sind — der Großteil derSystemeist für die meisten InteressentIn-

neneinfach zu teuer.Wichtiger sind da die traditionellen

deutschen Märkte, die zudem günstiger-weisein den Statistiken kaum auftauchen.SIPRI und das UN-Waffenregister erfas-sen nur genau definierte Arten von Groß-waffen; die deutschen Schwerpunkte lie-gen abervor allem in den BereichenKlein-

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waffen und (militärisch und zivil nutzba-re) „dual use“-Produkte. Das reicht dann

von Militär-LKW’s mit MG-Halterungenüber high tech-Maschinenbauprodukte biszu kompletten Rüstungsfabriken. So wardie deutsche Industrie massiv am Aufbauder Rüstungsindustrien zum Beispiel Ar-gentiniens, Brasiliens, Pakistans, der Tür-

kei, des Irak, des Iran und Indonesiens be-teiligt.Außerdem betreibt die deutsche Rü-

stungsindustrie ungewöhnlich viele Ko-operationsprojekte mit Unternehmen inanderen NATO-Staaten. Dabei geht esnicht nur um Arbeitsteilung und den Aus-tausch von Technologien, sondern eher

um die gemeinsame Vermarktung. Dagibt es zum Beispiel die französische Fir-ma Euromissile, gegründet als gemeinsa-me Tochter von MBB, jetzt DASA, und

der französischen Aerospatiale, und seitkurzem eine zweite gemeinsame TochterEurocopter. Da nach deutschem Rechtdurch die Endmontage ein neues Ur-sprungsland des endmontierten Produktsbestimmt wird, kann die DASA auf diese

Weise bei Euromissile endmontierte MI-LAN-Panzerabwehrraketen als französi-sche Produkte nach französischem Rechtexportieren. Damit werden nicht nur Ex-porte in bestimmte Länder einfacher, esändert sich auch die statistische Zuord-

‘ nung dieser Exporte, was der Bundesre-gierung ganz rechtist. Ähnliches gilt auchfür die deutschen Zulieferungen zu denüber Großbritannien nach Saudi-Arabienexportierten „Tornado“-Kampfbombern.Bei solchen gemeinsamen Rüstungspro-jekten verzichtet die Bundesregierunggern einseitig und ohne Not im voraus aufihr Veto-Rechtbei Exporten.Die deutsche Stellung als Rüstungsex-

porteurist unter dem Strich also noch stär-kerals es die offiziellen Statistiken andeu-ten.

Genehmigungspflicht stattExportverbot

Die Unterscheidung zwischen Kriegs-waren (im engeren Sinne) und sonstigenMilitärgütern prägt auch die rechtlichenRegelungen des Rüstungsexports.

„Zur Kriegsführung bestimmte Waffendürfen nur mit Genehmigung der Bundes-regierung hergestellt, befördert und inVerkehr gebracht werden. Das Näherere-

gelt ein Bundesgesetz.“ So stehtes in Art.26 Absatz 2 des Grundgesetzes (GG). Daserwähnte Bundesgesetz wurde 1961 erlas-sen, das Kriegswaffenkontrollgesetz(KWKG). Es regelt, wie der Name schon

sagt, die Überwachung der Produktionund des Exports von Kriegswaffen. DerBegriff „Kriegswaffen“ wird durch die„Kriegswaffenliste“ zum KWKGdefi-niert; nur hier aufgeführte Produktartenfallen unter das KWKG.Diese Liste sollvon der Bundesregierung bei Bedarf ver-vollständigt und aktualisiert werden. Ne-ben Waffen im engeren Sinneenthält diese

Liste auch die wichtigsten Trägersysteme,wie Panzerfahrzeuge, Kriegsschiffe undFlugzeuge, soweit diese überwiegend fürdie Aufnahme von Waffen konstruiertsind.

Nicht unter diese Definition fallen nachAnsicht der Bundesregierung zum Bei-spiel Transportflugzeuge, -hubschrauberund -fahrzeuge oder der gesamte Bereichder Militärelektronik (einschließlichKommunikations- und Kommandosyste-me). So gelten etwa auch Militärunimogsmit Sonderausrüstung und MG-Halterun-gen nicht als Kriegswaffen im Sinne desKWKG.Die Ausfuhr derartiger „sonstiger Rü-

stungsgüter“ wie auch der Export von Rü-stungsproduktionsanlagen und anderer„dual use“-Güter ist nur durch das eben-falls 1961 erlassene Außenwirtschaftsge-setz (AWG) geregelt. Erklärtes Ziel die-ses Gesetzes ist die Förderung des freienAußenhandels; zum Schutz der Sicherheitund der auswärtigen Interessen der BRDläßt es allerdings unter gewissen Bedin-gungen Ausfuhrbeschränkungen zu. Diesbetrifft insbesondere „Waffen, Munition

und Kriegsgerät“ und „Gegenstände, diezur Durchführung militärischer Aktionenbestimmt sind“, aber auch „Gegenstände,

die bei der Entwicklung, Erzeugung oderdem Einsatz von Waffen, Munition und

Kriegsgerät nützlich sind“ sowie entspre-chende Fertigungsunterlagen, Patente,Lizenzen und sonstiges Know-how.

Konkretisiert werden diese doch rechtauslegbaren Bestimmungen durch dieAusfuhrliste und die Länderlisten zur Au-Benwirtschaftsverordnung (AWV). Wäh-rend die Ausfuhrliste die genehmigungs-pflichtigen Waren festlegt, werden durchdie Länderlisten diejenigen Staaten be-stimmt, für die vereinfachte oder schärfe-

re Genehmigungsbestimmungengelten.Seit 1990 besteht die Ausfuhrliste aus

den5 Abschnitten® (A) Waffen, Munition und Rüstungs-material,

® (B) Materialien, Anlagen und Ausrü-stungen für kerntechnische Zwecke (Nu-kleartechnik),@ (C) Sonstige Waren und Technologien

von strategischer Bedeutung,® (D) Materialien, Anlagen und Ausrü-stungen, geeignet für die Untersuchung,Herstellung, Verarbeitung oder Erpro-bung von phosphororganischen Verbin-dungen, Lost oder anderen hochtoxischenVerbindungen (Chemieanlagen),

© (E) Anlagen und Anlagenteile, die be-sonders geeignet zur Erzeugung biologi-scher Kampfmittel im Sinne der Kriegs-waffenliste sind.

Allerdings sind Entscheidungen überAusfuhrgenehmigungen nach demKWKG oder dem AWG immer Ermes-sensentscheidungen der zuständigen Ge-nehmigungsbehörde. Dabei gibt es keineigentliches Exportverbot, sondern ledig-lich eine Genehmigungspflicht. Um dasErmessen der Genehmigungsbehördenpolitisch zu steuern, erläßt die Bundesre-

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gierung Verwaltungsvorschriften, die

sog. politischen Richtlinien.

Die aktuell gültigen Richtlinien stam-

men aus dem Jahr 1982. Für NATO-Län-

der ist darin festgeschrieben, daß der Rü-

stungsexport in diese Staaten grundsätz-

lich nicht zu beschränkensei, soweit nicht

„aus besonderen politischen Gründen in

Einzelfällen eine Beschränkung geboten

ist“. Zu den NATO-Ländern gehört zum

Beispiel die Türkei, die neben Griechen-

land zu den wichtigsten Waffenimporteu-

ren der Welt gehört. Außerdem sind zum

Beispiel seit 1985 auch die ASEAN-Staa-

ten — wie Indonesien oder Malaysia— denNATO-Staaten gleichgestellt.

Wichtige Adressenfür Infos und Aktionen

Kampagne „Produzieren für das Leben —

Rüstungsexporte stoppen“: Bahnhofstr.

18, 65510 Idstein; Tel.: 06126 / 556 83;

Fax: 06126/546 60

BUKO-Kampagne „Stoppt die Rüstungs-

exporte“: Buchtstr. 14/15, 28195 Bremen;

Tel.: 0421/326 045, Fax: 0421/337 8177

Rüstungsinformationsbüro Baden-Würt-

temberg (RiB): Postfach 5261, 79019

Freiburg; Tel. + Fax: 07665/51868 publik Deutschland für eine ausnahms-

weise Genehmigung sprechen. Vitale In-

teressen sind außen- und sicherheitspoliti-

sche Interessen (...)“. Die sogenannten

„kriegswaffennahen“ Rüstungsgüter, die

nicht in der Kriegswaffenliste, jedoch in

der Ausfuhrliste Abschnitt A stehen, dür-

fen exportiert werden, soweit dadurchdie

„Belange der Sicherheit, des friedlichen

Zusammenlebens der Völker oder der

auswärtigen Beziehungen nicht gefähr-

det“ werden. Für alle übrigen Rüstungs-

güter sollen Genehmigungen erteilt wer-

den, „soweit die Vorschriften des Außen-

wirtschaftsrechts nicht entgegenstehen“.

Angefügt wird noch, daß die „Lieferung

von Kriegswaffen und kriegswaffennahen

Rüstungsgütern nicht zu einer Erhöhung

bestehender Spannungen beitragen“ dür-

fe.Wie diese Richtlinien in der Praxis um-

gesetzt werden, ist bekannt. Unter diesen

Richtlinien wurden beispielsweise Pan-

zertransporter während des Iran-Irak-

Krieges an beide Seiten geliefert, wurde

insbesondere der Irak mit Rüstungsgütern

und Anlagen zur Rüstungsproduktion

hochgerüstet. Die Friedensbewegung,

insbesondere die Kampagnen gegen Rü-

stungsexporte, fordern deshalb schon

mehrals 10 Jahre — als erste Schritte auf

dem Weg zu einem totalen Verbotaller rü-

stungsrelevanten Exporte — eine grundle-

gende Reform der bestehenden Gesetzge-

bung, die unter anderem die Einschrän-

kung des Ermessensspielraums, eine ech-

te parlamentarische Kontrolle und die Of-

Bi

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wäre allerdings noch nicht viel erreicht,solange im Außenwirtschaftsrecht weiter-hin das Primat der Exportförderung um je-den Preisgilt.

Illegale Exporte—diefalsche Diskussion

Aufgrundder öffentlichen Skandale umdie Giftgasfabrik Rabta in Libyen undkurz darauf um die massive Rüstungshilfefür den irakischen Diktator Saddam Hus-sein wurden Anfang der 90er Jahre Ände-rungen der Rüstungsexport-Kontrollge-setzgebung unumgänglich. Auf die Forde-rungen aus der Friedensbewegung wurde

\ dabei allerdings kaum eingegangen, son-dern die öffentliche Diskussion bewußtauf die Frage der illegalen Exporte hinge-steuert, auch um so den Eindruck zu er-wecken, als handele es sich bei diesen

Skandalen ausschließlich um ungeneh-migte Exporte. Zumindest im Fall Iraktraf dies aber auf die meisten Lieferungen

nicht zu. Im Ergebnis wurdendie Strafbe-stimmungenfür illegale Rüstungsexporteverschärft. Da wie gesagt die meisten Rü-stungsexporte ohnehin völlig legal erfol-gen, dürfte dies aber kaum jemandenschrecken. Und wenn zum Beispiel Daim-ler-Benz tatsächlich einmal wegen einesfalsch deklarierten und ungenehmigtenExports von Militärunimogs in den Sudan

| angezeigt wird, wird das Verfahren mitder Begründung eingestellt, daß der Ex-

| port aller Wahrscheinlichkeit nach ohne-hin genehmigt worden wäre, wäre einesolche Genehmigung nur beantragt wor-

„ den. Insofern ist auch das ganze damaligeMedienspektakel um Abhörbefugnissedes Zollkriminalinstituts (ZKI) in ersterLinie ein Ablenkungsmanöver, in zweiter

| Linie ein Probelauf für die jetzige Diskus-

<= sion um den „großen Lauschangriff“ unddie Einschaltung des BND in die Bekämp-

fung desorganisierten Verbrechens gewe-

sen.Fast ebenso große Diskussionen, aller-

» dings stärker auf die Wirtschaftsteile der

Zeitungen beschränkt, löste die Einfüh-

rung der sogenannten H-Liste und der

„catch-all“-Klausel aus. Die H-Liste um-

faßte eine Reihe von Ländern, für die

* strengere Exportkontrollen gelten sollten,

anfänglich 39 Staaten. Insbesondere gilt

= fürdiese Länder die Regel, daß der Expor- Vielleicht auch bald ein Exportschlager: Schellenspielzeug

der Bundeswehr

fenlegung aller Rüstungsexporte ein-

schließt. Auch mit einer solchen Reform

Für die anderen Staaten gilt, daß nach

dem KWKG genehmigungspflichtigeKriegswaffen nicht exportiert werden sol-len, „essei denn, daß auf Grund besonde-rer politischer Erwägungen Ausnahmen

allgemeiner Art festgelegt werden oder imEinzelfall vitale Interessen der Bundesre-

teur auch für solche Waren eine Geneh-

migung einholen muß, die nicht in der

Ausfuhrliste enthalten sind, wenn er da-

von Kenntnis erhält, daß sie für Rüstungs-

zwecke eingesetzt werden sollen („catch-

all“-Klausel). Unter anderem diese Rege-

lung löste große Proteste aus den Verbän-

den der Maschinenbau- und der Luft- und

Raumfahrtindustrie aus, da dadurch an-

geblich die Wettbewerbschancen deut-

scher Unternehmen massiv verschlechtert

würden.Die H-Länderliste schrumpfte nach ver-

schiedenen Streichungen auf zur Zeit

wohl nur noch 6 Staaten; die jüngsten Ini-

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tiativen zur „Harmonisierung“ der Ex-portkontrollregelungen in der EU richte-

ten sich vor allem auch gegen diese Be-stimmungen. Unbeachtet blieb dabei al-lerdings, daß ähnliche „catch-all“-Rege-lungen beispielsweise in Großbritannienschön länger und in weitreichendererForm existieren, oder daß in Frankreich

alle nicht vom Staat initiierten Rüstungs-exporte prinzipiell verboten sind und nurausnahmsweise genehmigt werden. Ob-wohl die nun nach langen und zähen Ver-handlungen zustandegekommene EU-Verordnung (vgl. hierzu den Beitrag vonLangner in diesem Heft) ausdrücklich

schärfere nationale Bestimmungenzuläßt,will die Bundesregierung nun schleunigst„harmonisieren“, die eigenen Bestim-

mungenaufdieses niedrigere Niveau her-unterfahren.

In merkwürdigem Gegensatz zur Praxisim eigenen Land scheint da das Engage-ment der Bundesregierung für die — über-raschend schnell zustande gekommene —Einrichtung desinternationalen UN-Waf-fenregisters zu stehen. Dieses UN-Waf-fenregister umfaßt allerdings nur die Im-und Exporte genau definierter Großwaf-fensysteme und kann damit immernurei-nen schmalen Ausschnitt des internationa-len Waffenhandels zeigen (s.0.).Da verwundert es nicht mehr, daß die

Saubermänner und -frauen der Bundesre-gierung immer noch eine echte Offenle-gung der Exporte verweigern. Nur aufAnfrage der Bundestagsfraktionen wer-den auch die Werte der erteilten Genehmi-gungen nach dem AWGbekannt gegeben— allerdings in einer Form, die keineRückschlüsse auf einzelne Geschäfte er-möglichensoll, zumal die Genehmigungs-werte auch selten den tatsächlichen Ex-porten entsprechen. So erfahren wir nur, .daß Exporte in bestimmte Länder geneh-migt wurden, für Informationen darüber

aber, was genau geliefert wurde, sind wirauf eigene Recherchen oder Zeitungs-meldungen angewiesen.Gerade im letzten Jahr wurde immer

deutlicher, daß der politische Wille fehlt,

durchaus mögliche wirksame Exportkon-trollen durchzusetzen. Im Gegenteil, be-

reits bestehende Regelungensollen aufge-weicht oder ganz aufgehoben werden. Diebestehenden Gesetze aber sind völlig in-

haltslos, solange es diesen politischenWillen, Rüstungsexporte zu verhindernoder zumindest zu minimieren,nicht gibt,

solange bei jedem neuen Rüstungsprojektvon vornherein massive Rüstungsexporte

eingeplant werden, solange Rüstungs-

technologie weiterhin als zukunftsorien-tierte „high tech“ mythologisiert wird, so-lange PolitikerInnen bei Rüstungskon-zernen mitverdienen.

Die Rüstungsindustrie—ein volkswirtschaftlicher Zwerg

Auch wennalles zusammengenommen

wird, machen die genehmigungspflichti-

gen Exporte — also der Rüstungsexport

zuzüglich des „dual use“-Bereichs, wobei

hier von den Statistiken auch einige über-wiegend zivil verwendete high tech-Pro-dukte erfaßt werden — aber nur einen ge-ringen Bruchteil des deutschen Gesamtex-ports aus, der zwischen 2% ‚und 5,5%

schwankt; die Kriegswaffenexporte imengeren Sinne liegen regelmäßig deutlichunter 1%. In ähnlichen Größenordnungen— unter 1% — bewegtsich auch.der Anteilder Rüistungsindusieiälussesarnt am Brut-toinlandsprodukt:Zur Anzahl der von der: Rüstungsindu-

strie abhängigen‚ArbeitspBE gibt es nur

Schätzungen, dieje"nach Definition mit-unter erheblich voneinander abweichen.Dies hängt auch damit. zusammen, daß esin Deutschland nur,wenig reine Rüstungs-unternehmengibt;in der Regel handelt essich bei der Rüstungsindustrie um einzel-ne Produktbereiche in großen Mischkon-zernen wie Daimler-Benz, Siemens und

Thyssen.Eine 1991 veröffentlichte Studie des

MünchnerIfo-Instituts-ging für 1988 voninsgesamt 230.000 rüstungsabhängigenArbeitsplätzen aus — davon.allerdings nur132.000 „direkt Beschäftigte“ in der ei-gentlichen Rüstungsindustrie. 105.000Arbeitsplätze waren nach dieser Studie„indirekt“, also in der Zulieferindustrie

von Rüstungsaufträgen abhängig; die rest-lichen 43.000 Arbeitsplätze errechnensich über einen „Konsummultiplikator“:Sie werden durch die Konsumausgabender in der Rüstungsindustrie „direkt“ oder„indirekt“ Beschäftigten gesichert. Mitt-lerweile müssen diese Zahlen wohl kräftignach unten korrigiert werden, da es in der

Zwischenzeit mehrere Entlassungswellen

gab.Solche Entlassungswellen sind in der

Rüstungsindustrie eigentlich alltäglich;sie folgen in der Regel den „Beschaf-

fungswellen“ des Hauptkunden Bundes-

wehr. Läuft ein Beschaffungsprogrammwie etwa für den „Leopard II“ aus undsind alle’ größeren Auslandsaufträge abge-

arbeitet, so werden in den entsprechenden

Produktionsstätten die Kapazitäten abge-

baut. Das schließt in aller Regel Entlas-sungen mit ein, wenn in der Zwischenzeit

nicht bereits die Produktionsanlagen fürdas nächste Modell aufgebaut werdenkönnen. Rüstungsarbeitsplätze waren da-mit immer schon extrem unsichere Ar-beitsplätze. Nach dem Zusammenbruchdes Ost-West-Konflikts und dem damitverbundenen Nachfragerückgang nahmen

diese Entlassungsschübeaber ein dramati-sches Ausmaßan.Der gesamtwirtschaftliche Beitrag der

Rüstungsindustrie ist damitrein statistischgesehen nahezu vernachlässigbar. Struk-

turpolitisch fällt die Bewertung wegen der

Kehlschutz

Rüsthaken zum Halten der Stechlanze

Brustplatte

Bauchreifen

Maschenschurz

Besonderheiten des Rüstungsmarktes abersogar eindeutig negativ aus.

Rüstungsaufträge verhindernModernisierung

Die Rüstungsindustrie wird — in allenIndustriestaaten — wie keine zweite vomStaat gestützt und verhätschelt. Vor allemzwei Argumente werden zur Begründungvorgebracht: Erstens sei eine eigene, na-tionale Rüstungsproduktion zur Wahrungdes außenpolitischen Gewichts und derSouveränität eines Staates unerläßlich,zum zweiten handele es sich bei der Rü-stungstechnologie um förderungswürdige

„High Tech“, die positive Auswirkungenauch auf die zivile Wettbewerbsfähigkeithabe. Daher beginnt die staatliche Unter-stützung auch schon beim Bereich For-schung und Technologie, bei der Entwick-

lung neuer Waffensysteme undderfürih-re Produktion notwendigen Fertigungs-

technik (vgl. dazu den Beitrag von Bernerin diesem Heft).Die starke Ausrichtung der staatlichen

Forschungsförderung an rüstungsrelevan-ten Fragestellungen und Projekten läßtsich unter anderem daran deutlich ma-

chen, daß 1990 der Anteil militärischer

F&E an den Ausgaben der Bundesregie-

rung für Forschung rund 22,3% betrug.Betrachten wir nur die in die Wirtschaft

geflossenen Forschungsmittel, so betrugder Anteil 1990 sogar 48%. Auch Produk-tion und Export werden häufig staatlich

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Rundbrief der Friedensbewegung

FriedensForumNr. 1/95SchwerpunktAtomwaffen

Nr. 2/95SchwerpunktMediation

Nr. 3/95SchwerpunktMenschenrechte

Nr. 4/95 Schwerpunktivilerngehorsam

Name:

Straße:

OrtIch weiß daß ich die Bestellung innerhalb einerWoche bei der Red. Friedensforım widerrufen kannund bestätige dies durch meine Unterschrift. ZurFristwahrung genügt die rechtzeitige Absendung des

Unterschrift: 01

gefördert. Dies führt nun aber auch zu ei-

ner entsprechenden Orientierung der In-dustrie; es wird versucht, möglichst viel

Staatsgelder „mitzunehmen“. Die Folgesind strukturpolitische Fehlentwicklun-gen bis hin zur Vernachlässigung von Zu-kunftstechnologien.

Dadie Produktion moderner Waffensy-steme nun aber immerteurer und aufwen-diger wird,ist das alles für einen einzelnen

Staat oft gar nicht mehr zu bezahlen. Des-halb wird versucht, im Bündnis Partner zufinden, die an einem ähnlichen System In-teresse haben. Da diese aber auch eineei-gene Rüstungsindustrie haben, die gefüt-

tert werden will, muß das System entspre-chend der Beschaffungsanteile der einzel-nen Staaten zwischen den nationalen Rü-stungsindustrien aufgeteilt werden — einVerfahren, das nicht unbedingt zur Effek-tivitätund Kostensenkungbeiträgt.

Bei Projekten wie dem „Eurofighter

2000“ ist aber die gemeinsame Beschaf-fungsmengederbeteiligten Staaten Groß-britannien, Italien, Spanien und Deutsch-

land immernoch so klein, daß, legte man

dieGesamtkosten darauf um, ein vor den

Parlamenten kaum zu rechtfertigenderStückpreis herauskäme. Deshalb müssenweitere Kunden gefunden, muß exportiertwerden. Dabeitrifft sich günstig, daß zumBeispiel die aufstrebenden ASEAN-Staa-ten Südostasiens schon länger den NATO-Staaten gleichgestellt sind. Für den Fall,daß es Schwierigkeiten bei der Zahlunggibt, wird das Geschäft über quasistaatli-che Exportkreditversicherungen (in derBRD: „Hermes“) abgesichert — Zah-lungsausfälle übernimmt der Staatshaus-halt.Das Hauptgeschäft beginnt gerade bei

den größeren Systemenabererst nach demVerkauf. Es gibt eine Faustregel, nach derwährend der Nutzungszeit eines Kampf-flugzeugs noch einmal mindestens 100%des Anschaffungspreises für Ersatzteileund Wartung aufzuwendenist. Da die Ent-wicklung im Rüstungsbereich nicht ste-henbleibt, sind im Laufe der Zeit Moder-

nisierungen „notwendig“, die dann natür-lich auch wieder extra kosten.

Beisolchen Aussichtenstellt sich für einUnternehmen natürlich die Frage: Undwie kommt mananeinen solchen Auftrag?Nun, lautet die Antwort, für Newcomer

sind die Aussichten mittlerweile leidersehr schlecht. Formal werdendie Projektenatürlich meist ausgeschrieben — soweitnicht Geheimhaltungsgründe dagegensprechen. Zu diesem Zeitpunkt ist jedochmeistbereits alles ausgemauschelt.Unternehmen wie die DASAsind in der

Lage, ihnen genehmeIdeen für neue Rü-stungsprojekte beim Staat zu lancieren. Ir-gendein Bedrohungsszenario wird sich imVerteidigungsministerium schon finden,für die dieses Projekt genau die richtigeAntwort ist. Den Entwicklungsauftrag zukriegen,ist dann schon deshalb nicht mehr

schwierig, da die passenden Vorstudienjabereits in der Schublade liegen. Und werdie Entwicklung gemachthat, bekommtin

der Regel auch den Produktionsauftrag.Größere und daher multinationale Pro-

jekte werden nach nationalem Proporzzwischen den Industrien der beteiligtenStaaten aufgeteilt, die zu diesem Zweck

konkurrenzlose Konsortien bilden.Ein Umbau von Rüstungsbetrieben zu

Einheiten, die an zivilen und der Konkur-

renz ausgesetzten Märkten überlebensfä-hig sind, wäre zwar teuer, aber in jedem

Fall billiger als eine Fortführung derbis-herigen Alimentierung. Es gibt viele Be-reiche, etwa im Umweltschutz oderbeial-

ternativen Energien, wo zwar Bedarf be-steht, aber ohne staatliche Anschubfinan-

zierung kein Markt entstehen kann.Volkswirtschaftlich gesehen wären dieszukunftsorientierte Investitionen, im Ge-

gensatz zur als Staatskonsum einzustufen-den Rüstung.Durch die Entscheidung, ein Projekt

wie den „Eurofighter 2000“ zu produzie-ren, werden nicht Arbeitsplätze geschaf-fen, sondern vernichtet, wird keine Si-

cherheit geschaffen, sondern zerstört — obnunmilitärisch odersozial.Michael Ecker ist Vorstandsmitgliedder Kampagne „Produzieren für das

Leben — Rüstungsexporte stoppen“und von Beruf Diplomkaufmann in Id-stein.Literatur:

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