40
1

Der Fall Kolumbus

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Der Fall Kolumbus

1

Page 2: Der Fall Kolumbus

Nr. 88Der Fall KolumbusEin Funkspruch bringt das Verderben - und die Schlacht um Terra entbrennt ...von K. H. Scheer

Perry Rhodans Entdeckung des auf dem Mond gestrandeten arkonidischen Raumschiffes gab den Anstoß zurpolitischen Vereinigung der Menschheit und legte den Grundstein für das Solare Imperium, das SternenreichTerras.Daß dieses Reich - winzig klein im Vergleich zu den vielen anderen Mächten des Universums - überhaupt nochbesteht und nicht im Inferno atomarer Vernichtung verging oder zur Kolonie Arkons degradiert wurde, ist denklugen Schachzügen der Terraner um Perry Rhodan beim großen galaktischen Spiel zuzuschreiben - und demGlück, das aber auf die Dauer nur der Tüchtige hat.Doch die geradezu phantastische Glückssträhne, die Perry Rhodan bislang bei seinem Bemühen, diegalaktische Position des Solsystems zu verschleiern, erlebt hatte, scheint sich ihrem Ende zu nähern.Das Solare Imperium der Menschheit hat in letzter Zeit bereits eine ganze Anzahl schwerer Rückschlägehinnehmen müssen, wenn auch DER FALL KOLUMBUS bisher noch nie eingetreten war ...Nun ist es soweit - und die Frage erhebt sich, ob das noch so junge Sternenreich der Menschheit stark genugist, um einem direkten Angriff zu widerstehen ...

Die Hautpersonen des Romans:Perry Rhodan - Erster Administrator des Solaren Imperiums.Atlan - Die Macht von Arkon hört jetzt auf sein Kommando.Julian Tifflor - Kommandant der CALIFORNIA.Sergeant Bidge - Ein Hyperspruch veranlaßt ihn, Alarm zu geben.John Marshall - Chef des Geheimen Mutantenkorps.Gucky - Einem überdimensionalen Wabenfeld ist auch ein Allround-Mutant wie der Mausbiber nicht gewachsen.Aluf Tehete - Er erzielt den ersten Abschuß bei der Schlacht um Terra.Carl Lister - Ein Raumfahrer, der vom Pech verfolgt wird.

1.

Sergeant Bidge kontrollierte sorgfältig seineEintragung in der Funkkladde, gültig für den II. Mai2044. Die Zahlen stimmten mit denen derWalzenskalen überein.

Es handelte sich um den Hyperspruch76-Hyll-5-44, gesendet im zur Zeit gültigenFlotten-Rafferkode, Dauer eine Zehntelsekunde,Einfallswinkel laut Richtstrahlanmessung ausRaumsektor M13 Herkules.

Mit dieser Feststellung wäre Bidges Aufgabenormalerweise erledigt gewesen, wenn dieEntzerrungsautomatik zusätzlich zu den üblichenKennzeichen nicht noch ein besonderes Symbol aufden Lochstreifen gestanzt hätte.

Das Schlußzeichen war im Klartext gegebenworden. So brauchte Sergeant Bidge nicht dielangwierige Dechiffrierung des mit einemMöglichkeitsfaktor von 4,6 MilliardenSchlüsseleinheiten versehenen Rafferspruchsabzuwarten.

Er hielt den Atem an, als die Maschine durch einkurzes Klingelzeichen die erfolgte Entzerrungmeldete. Was vor Bidge nun sichtbar geworden war,bestand aus einem mit völlig sinnlos erscheinenden

Punkten, Strichen und tausendfältig verschachteltengeometrischen Figuren versehenen Plastikstreifen, zudessen folgerichtiger Abtastung sogar einhochwertiger Computer mehr als eine halbe Stundebenötigte.

So war es für Bidge unmöglich, den wirklichenSinn der Nachricht annähernd zu erfassen, jedochkonnte er das Schlußzeichen einwandfrei lesen.

»1-Rho-Ad-T«, murmelte er vor sich hin.Für einen Augenblick überhörte er das monotone

Summen und Klacken der laufenden Automaten.Sergeant Bidge war diensthabender Unteroffizier imDechiffrierungsraum der Solaren Abwehr.

Ein Blick auf die Uhr belehrte ihn, daß er bereitsdrei kostbare Sekunden vergeudet hatte. Der nebenihm sitzende Funker fuhr zusammen, als Bidge mitWucht auf den roten Alarmknopf schlug. »Eh, was...« Der durchdringende Heulton der Sirenen ließ denMann verstummen.

Bidge wartete, bis der Offizier vom Dienst in denautomatisch aufgleitenden Panzerschotten sichtbarwurde. Der Dechiffrierungsraum der Solaren Abwehrunterlag den Geheimhaltungsvorschriften ersterKlasse.

Major Raynold Abucot, bekannt als pedantischerVorgesetzter, kam mit sorgfältig berechnetenSchritten näher; nicht zu schnell und nicht zu

2

Page 3: Der Fall Kolumbus

langsam. Sein langes Gesicht war ausdruckslos.»Wer hat den Alarm ausgelöst?« Der Sergeant erhobdie Hand. »Ich, Sir.«

Abucots Stirn runzelte sich.»Wer ist >ich<?« fragte er kühl.»First Sergeant Bidge, Sir, Unteroffizier vom

Dienst.«»Das klingt korrekter. Was gibt es?«>Die Frage ist aber auch nicht sehr korrekt<,

dachte Bidge ärgerlich. Abucot schien wieder einmalseinen besonders pedantischen Tag zu haben. Bidgestand auf, nahm Haltung an und meldete in scharfakzentuierter Sprechweise:

»Der soeben entzerrte Rafferspruch aus SektorM13 Herkules ist mit dem persönlichen Symbol desErsten Administrators unterzeichnet, Sir; im Klartext,Sir!«

Bidge hätte die beiden letzten Worte nicht miterhobener Stimme zu sagen brauchen, um MajorAbucot zu einem lächerlich wirkenden Hechtsprungzu veranlassen.

Neugierig, mit einem Gefühl plötzlicherÜberlegenheit, musterte er den Offizier, dessenAugen den sinnlosen Versuch zu unternehmenschienen, den Plastikstreifen zu durchbohren.

»Tatsächlich!« sagte Abucot fassungslos.Hilfesuchend sah er sich um. »Ist das auch kein üblerScherz, Sergeant?«

»Ich würde mich hüten, Sir.«Der hagere Diensthabende schluckte laut.

Anschließend schien der Major bemüht zu sein, seinevielgerühmte Fassung unter Beweis zu stellen. Seinschmales Gesicht wurde wieder ausdruckslos.

»Danke sehr. Der Alarm ist beendet.«Flüchtig an den breiten Schirm der Dienstmütze

tippend, stolzierte er auf die offenstehendeSicherheitsschleuse zu. Ehe er jedoch gänzlich darinverschwand, konnten die Männer derDechiffrierungszentrale noch bemerken, daß AbucotsFüße plötzlich in hektische Bewegung gerieten.

Bidge sah wieder auf die Uhr. Unsicher lächelndmeinte er:

»Der Alte ist aber ziemlich rasch muntergeworden, was? Bis zur Schleuse hat er noch denUnberührbaren spielen können. Ich wette um einMonatsgehalt, daß er jetzt mit halberSchallgeschwindigkeit durch die Gänge rennt.«

»Sagen wir mit zwanzig Kilometer pro Stunde«,warf ein anderer Funker ein. »Das dürfte eherstimmen.«

»Immerhin noch schnell genug«, brummte Bidgevor sich hin. Sein Gesicht verkniff sich. »Kann sichjemand daran erinnern, daß Perry Rhodan jemalseinen solchen Spruch aus den Antennen gestrahlthat? Direkt an uns; ohne die Zwischenschaltung einestief im Raum stehenden Tarnsenders?«

Sergeant Bidge mußte einige Augenblicke auf dieAntwort warten. Der neben ihm sitzende Mann fuhrsich mit dem Handrücken über die Stirn.

»Ich weiß nur, daß mir während meinerSpezialschulung immer wieder eingetrichtert wordenist, die galaktische Position des Planeten Erde sei sogeheim, daß es niemand wagen dürfe, Terra direktanzufunken.«

»Aha! Wegen der Anpeilungsgefahr, nicht wahr?Wie kommt es also, daß ausgerechnet der Mann, derdiese Befehle erlassen hat, sein eigenes Verbot in sogefährlicher Art aufhebt?«

Es wurde still im Entschlüsselungsraum derSolaren Abwehr. Die Soldaten sahen sich der Reihenach an. Man wußte plötzlich, daß im Raum derMilchstraße etwas geschehen war, was man nochnicht absehen konnte.

Von da an konzentrierte sich die Aufmerksamkeitder Zentralebesatzung ausschließlich auf denvollpositronischen Dechiffrierungsautomaten, dessenSpezialschaltung den vorgestanzten Streifen bereitsgeschluckt hatte.

Eine Minute später rief Major Abucot an. Erverlangte die sofortige Übermittlung des Klartextes.Bidge nickte.

»In etwa zwanzig Minuten, Sir. Die Maschineläuft.«

»Beeilen Sie sich gefälligst«, antwortete Abucotnervös. Dabei wußte er genau, daß es gar nichtschneller gehen konnte.

*

»... gestatten Sie eine Frage, mein Lieber: Sind Siebetrunken?«

Solarmarschall Allan D. Mercant, Chef der SolarenAbwehr, lächelte so mild. Bedächtig legte er einenwundervoll gearbeiteten Brieföffner aus Luurs-Metallauf die Schreibunterlage seines Arbeitstischeszurück. Durch die hohen Thermalfenster fiel einschmaler Streifen hellen Sonnenlichts, der Mercantsstrohblonden Haarkranz golden aufschimmern ließ.

Er lächelte weiter, als Major Abucot versuchte,seine bereits vorbildliche Haltung noch zuverbessern.

»Sir, ich bitte Sie! Ich bin auf dem schnellstenWege zu Ihnen geeilt, um Ihnen den Funkspruchpersönlich zu überbringen. Bitte sehr, Sir.«

Abucot ging nach vorn, legte den beschriftetenBogen auf den Tisch und trat sofort wieder zurück.

Mercants glattes, faltenloses Gesicht verriet nichtsvon der in ihm herrschenden Spannung. Gleichmütiggriff er nach der Folie und begann zu lesen.

Schließlich sah er auf. Wenn Abucot erwartethatte, näher über den Sinn der Nachricht informiertzu werden, so sah er sich grenzenlos enttäuscht.

3

Page 4: Der Fall Kolumbus

Mercant fragte knapp:»Wie ich sehe, haben Sie die Stärke des fremden

Senders an Hand der Meßergebnisse berechnenlassen. Sind Sie sicher, daß Ihren Mathematikernkein Fehler unterlaufen ist?«

»Ausgeschlossen, Sir«, beteuerte der Major. »DieStation arbeitet mit einer Sendeenergie vonwenigstens fünfzig Millionen Kilowatt aufHyperfunkbasis. Ich kenne nur einen Planeten, aufdem ein solches Riesengebilde stehen könnte.«

»Und wie heißt der?«»Arkon III, Sir!« Mercant nickte mechanisch.

Seine feingliedrigen Finger hielten den Bogen mitdem Klartext.

»Vielen Dank, Major. Sie können gehen.«Fassungslos schritt Abucot an den beidenWachrobotern vorbei, betrat dieSicherheits-Vorschleuse und verschwand.

Erst als eine rote Lampe den erfolgten Verschlußdes äußeren Tores anzeigte, wurde der Abwehrchefaktiv. Sein rechter Zeigefinger kippte einen Schaltermit der Aufschrift »Flotten-Oberkommando« nachunten.

Auf dem großen Bildschirm der drahtgebundenenGeheimschaltung erschien das stereotyp lächelndePlastikgesicht eines Roboters.

»Marschall Freyt, schnell«, sagte Mercant laut undhastig. »Dringlichkeitsstufe eins.«

»Der Marschall wird benachrichtigt, Sir. Bittegedulden Sie sich einen Augenblick.«

Mercant mußte zwei Minuten warten, bis Freytsschmales, ausdrucksvolles Gesicht auf dem Schirmerschien. Er atmete heftig. Anscheinend war er dieletzten Meter gerannt.

Der Abwehrchef gönnte ihm keineVerschnaufpause. Sie kannten sich schon zu lange,um in solchen Augenblicken kostbare Zeit fürHöflichkeitsbezeigungen zu vergeuden.

»Hyperspruch von Perry Rhodan, Freyt«, erklärteMercant übergangslos. »Sind Sie allein?«

Freyts Augenfältchen verdichteten sich. Er nickteschweigend.

»Okay, dann bereiten Sie sich auf diephänomenalste Neuigkeit der letzten fünfzig Jahrevor! Perry hat die Funksperre durchbrochen und vonArkon aus direkt die Erde angestrahlt. Die Meßdatensind einwandfrei. Eine Station mit etwa fünfzigMillionen Kilowatt gibt es nur auf demKriegsplaneten des Großen Imperiums.«

Marschall Freyt, stellvertretenderOberbefehlshaber der Solaren Raumflotte, atmetenoch heftiger.

»Er hat uns direkt angefunkt, ohne vorher einenAußenkreuzer als Relaisstation zu benutzen? Wennder Spruch angepeilt worden ist, kommen wir ja inTeufels Küche.«

»Die Möglichkeit besteht, jedoch hat er es in Kaufgenommen. Die Verhältnisse haben sich über Nachtgeändert. Freyt ...« Mercants Stimme klang plötzlichfeierlich, »Freyt, das regierende Robotgehirn vonArkon ist besiegt worden! Unser so mühevollvorbereiteter Einsatz hatte Erfolg. Atlan ist von dertatsächlich vorhandenen Kontroll- undSicherheitsschaltung des Automaten als aktivgeblichener Arkonide und direkter Nachkomme einesberühmten Imperators anerkannt worden. Darausergibt sich eine Situation, die für uns alsfolgenschwer anzusehen ist. Von heute an wird sichin unserer galaktischen Politik einiges ändern.«

»Teilt das der Chef mit?« fiel Freyt erregt ein.»Ja, ganz einwandfrei. Ich schicke Ihnen den

Klartext per Kurier in Ihr Hauptquartier. PerryRhodan befindet sich mit seinem Einsatzkommandoauf Arkon III. Atlan hat die Macht übernommen,jedoch sieht es nach außen hin so aus, als regierenach wie vor der Riesenroboter. Atlan versteckt sichdamit hinter der als gnadenlos bekannten Maschine,deren Autorität er sehr geschickt ausnutzt. Ich haltedas ebenfalls für richtig. Wenn bekannt wird, daßnunmehr ein wirklich lebender Arkonide an die Stelledes Regenten getreten ist, dürfte es im Kolonialreichdes Großen Imperiums zu schweren Unruhenkommen. Rhodan teilt mit, die Situation sei klar. DerComputer arbeitet nur noch selbständig hinsichtlichder vielen Verwaltungs- und Nachschubfragen.Wichtige Entschlüsse werden von Admiral Atlangetroffen, den wir nunmehr als Herrscher undImperator einzustufen haben.«

Marschall Freyt schwieg für einen Augenblick. Erüberlegte. Schließlich meinte er zögernd:

»Eine überraschende Situation. Sind Sie sichdarüber klar, daß Atlan die Position der Erde besserkennt als Sie und ich?«

Allan D. Mercant zeigte wieder sein berühmtesLächeln.

»Zu klar! Wenn er bösartig wird, genügt einBefehl, und die Erde wird von einer Riesenflotteangegriffen. Perry erwägt offenbar gleichartigeMöglichkeiten. Sie werden mit dem Funkspruchangewiesen, das Flottenflaggschiff DRUSUS sofortnach Arkon zu schicken. Oberstleutnant Sikermann,der mit dem gleichen Funkspruch zum Oberstbefördert wird, soll die DRUSUS führen. Ihm wirdbefohlen, den Planeten Zalit anzufliegen, die dortzurückgelassenen Wissenschaftler, Techniker undMutanten an Bord zu nehmen und anschließend aufArkon III zu landen. Das ist alles, was die Nachrichtbeinhaltet.«

»Reichlich wenig im Verhältnis zu einer derartrevolutionierenden Sachlage«, beschwerte sich derFlottenchef.

»Mir genügt es vollauf. Ich sehe schwere Zeiten

4

Page 5: Der Fall Kolumbus

kommen, Freyt. Die Zukunft der Menschheit hängtvon dem Wohlwollen eines Arkoniden namens Atlanab. Nachdem er das Robotgehirn übernommen hat,stehen ihm alle Türen offen. Grundsätzlich zweifleich nicht an seiner Freundschaft zu uns. Da ich aberkein Xenopsychologe bin, kann ich nichtvoraussagen, wie ihm die plötzliche Machtfüllebekommen wird. Bereiten Sie sich auf alles vor undhalten Sie die Flotte in Alarmbereitschaft. SchickenSie Oberst Sikermann vor dem Start zu mir. Ichmöchte ihm genaue Unterlagen über die mißglückteDruuf-Invasion mitgeben. Es wird Rhodaninteressieren, daß es diesen Intelligenzen gelungenist, im US-Staat Wyoming einenTransmitterstützpunkt auszubauen. Oder nein, wartenSie bitte! Ich komme selbst zu Ihnen. Halten SieSikermann zurück. Bis gleich.«

Mercant schaltete ab. Für einen Moment saß erunbeweglich hinter seinem großen Arbeitstisch. DasLicht der untergehenden Sonne spiegelte sich in dengläsernen Armaturen der Schaltanlagen.

Als sich der Abwehrchef erhob, fühlte erunbewußt, wie alt er war. Die auf dem PlanetenWanderer erhaltene Zelldusche mußte in Kürzewiederholt werden, wenn der Zellzerfall deskünstlich aktivierten Körpers nicht überraschendeinsetzen sollte.

Langsam ging Mercant an den salutierendenWachrobotern vorbei. Seine Rechte umklammerteden Plastikbogen mit der überwältigenden Nachricht.

Der Robotregent von Arkon war abgeschaltet undumprogrammiert worden! Mercant wußte, daß damiteine neue Ära anbrach.

*

Oberst Baldur Sikermann reichte die Unterlagenmit den streng geheimen Nachrichten seinempersönlichen Wachroboter hinüber. DieLagebesprechung im Hauptquartier der Flotte warbeendet. Es gab keine Fragen mehr.

»Ich wünsche Ihnen eine gute Reise«, sagteMarschall Freyt. »Halten Sie die Augen auf undvermeiden Sie trotz der Ereignisse alles, was zu einerEntdeckung der Erde führen könnte. Im Raum gibt esviele Intelligenzen mit guten Ortungsgeräten.Transistieren Sie im Schutz Ihrer Absorbergeräte undpassen Sie auch auf Zalit auf, daß keine unbedachtenWorte fallen. Voraussichtlich wird man Siefreundlich empfangen. Nehmen Sie unsere Leute anBord und fliegen Sie drei Lichtjahre weiter nachArkon. Wenn Sie entgegen unseren Erwartungenangegriffen werden sollten, ziehen Sie sich sofortzurück. Perry Rhodan muß in diesem Falle einenanderen Weg finden. Teilen Sie dem Chef mit, daßbei uns alles in Ordnung ist.«

»Bis auf die Druufstation in Wyoming«, warfMercant ein.

»Ja, das berichten Sie Perry Rhodan mündlich. Erwird dann entscheiden, ob Atlan darüber informiertwerden soll oder nicht.« Freyt sah auf die Uhr. »Eswird Zeit. Riskieren Sie bei den Sprüngen nichtzuviel. Wir legen Wert darauf, Sie gesund undmunter im Kugelsternhaufen M13 ankommen zusehen.« Und - Freyt lächelte plötzlich, »und lassenSie sich andere Rangabzeichen auf die Schulternheften, Oberst Sikermann.«

Das Superschlachtschiff DRUSUS, letzterGroßkampfschiffs-Neubau der Solaren Flotte, starteteam 12. Mai 2044, 5.13 Uhr.

Der Raumhafen von Terrania wurde vom grellenLicht der mit Startschub anlaufendenImpulstriebwerke überflutet. Ehe das tiefe Donnernin der unfernen Hauptstadt des Solaren Imperiumsdie Schläfer hochfahren ließ, hatte der 1500 Meterdurchmessende Kugelgigant bereits den freien Raumerreicht, wo Sikermann mit 500 km/secFahrtbeschleunigung auf Sprungkurs ging. Er hattedie Erlaubnis erhalten, noch innerhalb desSonnensystems die erste Hypertransition ausführenzu dürfen.

*

Oberst Poskanow, massiv von Gestalt und bekanntals hervorragender Raumtaktiker, erhielt die ersteOrtungsmeldung vom Chef der 4. Sicherungsgruppe,Major Untcher. Poskanow fungierte als Befehlshaberdes Raumjagdverbandes 16 im Bereich desPlanetoidengürtels zwischen Mars und Jupiter,Überwachungszone 12-14A-3746.

Sein Flaggschiff, der Schlachtkreuzer OSAGE,fing Untchers Rafferspruch auf, als das angemeldeteSuperschlachtschiff DRUSUS eben die annäherndeLichtgeschwindigkeit erreichte.

Poskanow erließ als vernünftiger Mann denBefehl, alle verfügbaren Kraftstationen seiner Schiffeauf die hypermechanischen Abwehrschirme zuschalten und vorerst auf jede Kursänderung zuverzichten.

In den Einheiten des Kreuzerverbandes 16 liefendie Triebwerke aus. Unsichtbare Energieschirmelegten sich über die glänzenden Kugelrümpfe. Sowaren die Schiffe gut geschützt, als die gigantischeDRUSUS nahe der Marsbahn zur ersten Transitionansetzte.

Obwohl man die Strukturtaster abgesichert hatte,schlugen auf fast allen Schiffen die Absorber durch.Poskanow fühlte, wie die 500 Meter durchmessendeOSAGE in allen Verbänden erbebte. Die von derGroßtransition erzeugte Strukturerschütterung imGefüge des vierdimensional stabilen Raumes glich

5

Page 6: Der Fall Kolumbus

einer Schockwelle von unvorstellbarer Wucht.Als die Erscheinungen abklangen, berichteten die

Kommandanten der kleinen Einheiten von Schädenan den Außenzellen und Inneneinrichtungen. VierGazellen, schnelle Beiboote der Leichten Kreuzer ausder Staatenklasse, meldeten sich zurWerftüberholung an.

Oberst Poskanow erklärte sich damiteinverstanden. Das Beiboot G-275 meldete denenergetischen Mantelschirm zur variablen Einengungder freiwerdenden Thermalkräfte unklar.

Poskanow entschloß sich, die Gazelle von demschnellen Kreuzer KONGO aufnehmen und zurunfernen Mondbasis bringen zu lassen. Als er dieentsprechenden Befehle zur Funkstation desFlaggschiffes durchsagen ließ, lief eine hochwertigverschlüsselte Raffernachricht vom Oberkommandoder Solaren Flotte ein. Die Dechiffrierung dauertesechsunddreißig Minuten.

Während dieser Zeit flog der Kommandant derKONGO ein schwieriges Anpassungsmanöver, umdas im freien Fall durch den Raum rasende Beibootmittels der magnetischen Traktorstrahler einfangenzu können.

Zwei Minuten vor Beginn der Bergung erhieltOberst Poskanow den Klartext. Als er denentschlüsselten Funkspruch gelesen hatte, bestandseine erste Maßnahme darin, den Kreuzer KONGOanzurufen. Der erbittert schimpfende Kommandanterhielt den Befehl, die so mühevoll eingeleiteteRettungsaktion sofort abzubrechen und mitHöchstfahrt zu seinem planmäßigen Jagdabschnittzurückzukehren.

Leutnant Nafroth, Kommandant der beschädigtenGazelle, beobachtete sprachlos den rasch kleinerwerdenden Echopunkt auf dem Reliefschirm derüberlichtschnellen Materieortung. Die KONGOverschwand so schnell, daß sie kaum noch angepeiltwerden konnte.

Zehn Sekunden später sprachen dieFunkempfänger an. Der Verbandschef meldete sichüber Telekom. Nafroth wurde angewiesen, seinkleines Schiff treiben zu lassen, jedoch hätte er eineKollision mit kosmischen Trümmerstücken zuvermeiden. Das war alles, was Oberst Poskanowpersönlich durchgab.

Die neue Mondbasis der Flotte, zur Zeit nähergelegen als der auf der anderen Seite der Sonnestehende Mars, schickte einen schnellenBergungstender aus, der die mit nur 10 Prozent dereinfachen Lichtgeschwindigkeit treibende Gazelleetwa sieben Stunden später in seine gewaltigenLadeschleusen zog.

Damit war für Leutnant Nafroth der Fall erledigt.Er ahnte nicht, daß der in so gefährlicher Näheerfolgte Hypersprung der DRUSUS der Anfang eines

Geschehens war, in dem er eine nur untergeordneteRolle spielte.

Als der Tender den Rückflug antrat, hatte OberstPoskanow bereits den Raumjagdverband 16 imSektor 12-14 A gesammelt. Die Schiffe trieben imfreien Fall und mit nur geringer Fahrt durch denintersolaren Raum. Poskanows fernmündliche undfernbildliche Lagebesprechung erfolgte über die nureinfach lichtschnellen Visifongeräte. EineAbhörgefahr war somit nicht zu befürchten, zumaldie Sendestation seines Flaggschiffes mit nur 250Watt Leistung arbeitete.

Die Kommandanten der einzelnen Schiffe hattensich in den jeweiligen Funkzentralen eingefunden.Poskanow wurde auf allen Bildschirmen gleichzeitigsichtbar.

»Meine Herren, ab sofort herrscht kriegsmäßigeGefechtsbereitschaft«, erklärte er in seiner knappenArt. »Im Kugelsternhaufen M13 sind Dingegeschehen, die eine baldige Entdeckung der Erdemöglich erscheinen lassen. Nähere Informationenbekommen Sie, wenn ich selbst mehr weiß. Vorersthabe ich den Befehl erhalten, den Verband neuauszurüsten, die Besatzungen auf Sollstärke zubringen und anschließend zurPluto-Sicherungsgruppe unter General Deringhousevorzustoßen. Demnach verlassen wir unsere bisherigeWachposition. Wir fliegen geschlossen dieGanymedbasis an, übernehmen Frischwasser,Proviant und Ersatzteile nach AusrüstungsplanKolumbus. Teilen Sie Ihren Besatzungen mit, daßPostsendungen spätestens auf Ganymed abgeliefertwerden müssen. Die bereits bewilligten Urlaubewerden aufgehoben. Eine Zensur der abgehendenPostsachen ist nicht erforderlich, jedoch haben SieIhre Männer darauf hinzuweisen, daß über unsereweiteren Maßnahmen keine Mitteilungen zu machensind. Danke, das wäre vorläufig alles. Schließen Sieauf und schalten Sie um auf Datenerfassung vomFlaggschiff. Ich werde Sie lotsen.«

Damit verschwand Poskanows breites Gesicht vonden Bildschirmen. Die Kommandanten kehrten sehrnachdenklich in die Zentralen ihrer Schiffe zurück.

Poskanow sah sich im Kreise seiner Stabsoffiziereum. Die OSAGE nahm bereits Fahrt auf. DerVerbandschef lauschte einen Augenblick auf dasDröhnen der mächtigen Triebwerke, ehe ergedankenschwer sagte:

»Ein altes russisches Sprichwort besagt, der Bärschleckt so lange Honig, bis ihm die Bienen in denHals fliegen! Mir scheint, als hätte die Menschheitsoeben den ersten schmerzhaften Stich erhalten.Wenn wir entdeckt werden, dürfte es hart auf hartgehen. Leider handelt es sich in unserem Falle nichtum Bienen, sondern um zahllose Kampfschiffe ausden Tiefen des Raumes. Uns wird etwas warm

6

Page 7: Der Fall Kolumbus

werden, meine Herren!«Poskanow nickte dem Kommandanten der OSAGE

zu. Schwerfällig, mit nach vorn geneigten Schultern,schritt er zu seinem Kommodoresessel hinüber. Vorihm leuchteten die riesigen Bildflächen derPanoramagalerie.

Der Raum sah aus wie immer. Tausende vonSternen funkelten in dem schwarzen Nichts. Vieledavon besaßen Planeten, und von einigen dieserSonnensatelliten würde eines Tages eine fremdeFlotte aufsteigen. Dann war es soweit!

Poskanow nahm sich vor, einen Brief an seineFrau zu schreiben. Ja, und auch einen an Sergej, derin diesen Tagen in die letzte Abschlußprüfung gehenmußte. Die Anforderungen waren hart, und Sergejwar schwach in Intergalaktischer Besiedlungskunde.Vielleicht konnte er diese Scharte aber mithervorragenden Noten in anderen Fächern auswetzen- vielleicht! Mehr als fünf Minuspunkte durfte sichkein Kadett der Raumakademie von Terraniaerlauben. Poskanow fragte sich, ob er seinen einzigenSohn wohl jemals in der Offiziersuniform der Flottewürde begrüßen dürfen.

Seufzend stemmte er sich aus dem tiefenDrehsessel. Er hatte keine Ruhe mehr zum Stillsitzen.

»Sie finden mich in meiner Kabine«, sagte er zumErsten Offizier des Schlachtkreuzers. »EingehendeNachrichten sind mir sofort zu übermitteln.«

2.

»Ich möchte umziehen, wenn du gestattest! Dieseweit unter der Oberfläche liegenden Wohnstädtemögen bei eventuellen Angriffen ja sehr praktischsein; aber für meinen Geschmack sind sie zu dumpfund düster. Die DRUSUS ist vor dreißig Minutengelandet. Worauf warten wir noch?«

Perry Rhodan, Erster Administrator des SolarenImperiums, legte den Kopf in den Nacken undbemühte sich, den übergroßen Bildschirm zuüberblicken. Es gelang ihm nicht ganz. Er stand zunahe vor der ovalen Fläche.

Die dreidimensionale Abbildung des auf demSchirm sichtbaren Mannes war erstklassig. Rhodanhatte das Gefühl, als säße Admiral Atlan direkt vorihm. Auch die Stimme des Arkoniden wurde vonversteckt angebrachten 3-D-Klangkörpereinheitenwirklichkeitsgetreu übertragen.

Für einen Moment trafen sich die Augen derbeiden Männer. Der ferne Sprecher war breit undmuskulös gebaut; wesentlich kräftiger als Rhodan,dessen hohe, hagere Gestalt kaum etwas von seinerphysischen Stärke verriet. Atlan lächelte spöttisch.Rhodans Stirn runzelte sich. Unwillig musterte er denlächelnden Arkoniden, dessen leicht rötlich gefärbtenAugäpfel klar zu erkennen waren.

»Ich hatte dich etwas gefragt!«»Ja, ich weiß«, klang es aus den Lautsprechern.

Der Tonfall ließ keinen Zweifel daran, daß Atlan sehrwohl begriffen hatte, wie entscheidend sich seinVerhältnis zu Rhodan in diesen Augenblickenzugespitzt hatte.

»Und ...?«»Du scheinst mich für ein bissiges Ungeheuer zu

halten, Barbar! Warum fragst du? Wenn du in deinFlaggschiff umzuziehen wünschst, dann tue es. Dubist nicht mein Gefangener.«

Rhodan überhörte die Zurechtweisung. Prüfendmusterte er das Fernbild des Arkoniden, der nachdem Fall des bisher allmächtig wirkendenRobotregenten zu der Schlüsselfigur in der Galaxisgeworden war. Niemand außer den wenigenEingeweihten ahnte, daß die in rascher Folge aus denriesigen Antennen des Kriegsplaneten strahlendenFunkbefehle nicht mehr von einer seelenlosenMammutmaschine, sondern von einem relativunsterblichen Arkoniden hoher Herkunft stammten.

Atlan war geschickt genug, um die Eroberung desMaschinenregenten nicht sofort preiszugeben. Er, dernach einem gewagten, lebensgefährlichen Einsatzund in höchster Not von der Sicherheitsschaltung alsgeistig aktiv anerkannt worden war, hatte vorwenigen Tagen erst die absolute Macht übernommen.

Sie stützte sich auf das gespeicherte Wissen einesRoboters, dessen zahllose Schaltungseinheiten eineGrundfläche von etwa zehntausend Quadratkilometerbedeckten. Die Geschichte des Arkonidenreiches waralt; uralt sogar. Dennoch gab es nichts, was dengigantischen Datenspeichern der Maschineunbekannt gewesen wäre.

Diese Tatsache nützte Atlan, ehemaliger Admiraldes Großen Imperiums und Neffe des vorzehntausend Jahren regierenden Imperators GonozalVII. aus, um seine Position zu stärken. Er traf seineBeschlüsse aus dem Hintergrund der Anonymität.Die vielen Kolonialvölker im Machtbereich desGroßen Imperiums waren nach wie vor der Meinung,unter der Diktatur eines als gnadenlos bekanntenRoboters zu stehen.

Rhodan erinnerte sich lebhaft an die Ereignisse derletzten Wochen: an die Landung auf Zalit, diezalitische Maskerade, die vergeblichenMutantenangriffe auf den riesigen Schutzschirm desRobotgehirns und schließlich an die beginnendeNiederlage, die nur durch das Eingreifen der vonAtlan vermuteten Sicherheitsschaltung zum Siegverwandelt worden war.

»Hast du die Sprache verloren, Freund?«Rhodan fuhr zusammen. Unsicher sah er sich in

dem kleinen, streng abgesicherten Raum um. Er lagbereits außerhalb des geheimnisvollenEnergieschirms, dessen Qualitäten man so

7

Page 8: Der Fall Kolumbus

folgenschwer unterschätzt hatte. Hinter dengeschlossenen, von stationären Wachroboternbewachten Panzertoren, warteten die Gefährten. NurRhodan war der Eintritt erlaubt worden.

Der sechseckige Saal hatte in früheren Zeiten dazugedient, Wissenschaftlern aus dem Großen Rat vonArkon eine ungestörte Befragung des von ihnengeschaffenen Regenten zu ermöglichen.

Atlans schmales, ausdrucksvolles Gesicht füllteden großen Schirm aus.

»Ehe ich die Sprache verliere, wird diese Weltuntergehen«, behauptete der Terraner kühl. »Atlan,ich habe vor zwei Tagen um die Unterzeichnung desvon meinen Fachleuten angefertigten Bündnis- undBeistandspaktes gebeten. Seit wann unterschätzt dudie Menschen?«

»Ich unterschätze sie nicht mehr, seitdem sie esunter deiner Führung verstanden haben, dastechnisch-wissenschaftliche Können meines Volkeszu erfassen und für ihre eigenen Zwecke dienstbar zumachen. Du solltest dich daran erinnern, daß ichdeine Vorfahren schon kannte, als ...«

»... sie noch in Höhlen hausten und mit Steinenaufeinander einschlugen«, vollendete Rhodan denSatz. Es war keine Bitterkeit in seiner Stimme. Atlanlächelte erneut. »Oh, habe ich es schon einmalerwähnt?«

»Tausendmal.«»Dann bitte ich um Verzeihung.«»Was ist mit dem Bündnisvertrag zwischen dem

Arkonidenreich und dem Solaren Imperium?«»Mit der hochtrabenden Bezeichnung meinst du

wohl dein winziges Sternchen, dessen neun Planetenzusammen nicht genügend Volumen aufbringenwürden, um aus ihnen einen einzigen, wirklichgroßen Himmelskörper zu bilden?«

»Stimmt genau!« bestätigte Rhodan ungerührt.Atlan lachte leise. Die Spannung wich von beiden

Männern. Vor einigen Minuten hatte ein ernsthaftesZerwürfnis in der Luft gelegen.

»Freund, du solltest meine Situation bedenken! Ichsitze derzeit in den wahrhaft riesigen Schalträumeneiner Konstruktion, deren technische Wunder ichnoch nicht recht begreife. Als der Robot erbautwurde, galt ich bereits seit einigen tausend JahrenTerrazeit als tot. Ich pflege keine Verträge zuunterzeichnen, wenn ich nicht weiß, ob ich sie aucheinhalten kann. Du mutest mir zu, zu deiner eigenen,und ausschließlich zu deiner eigenen Sicherheit einAbkommen zu billigen, dessen Wortlaut so ganztypisch für euch Menschen ist. Du forderst mitwohltönenden, sorgsam gesetzten Worten eineGarantie für die Sicherheit der Erde.«

»Ist das zuviel verlangt? Bisher galt TerrasPosition als geheim. Nur du bist darüber informiert.«

»Na und? Ist das ein Grund, mir jählings zu

mißtrauen? Oder denkst du gar, mein Sinnen undTrachten richtet sich nunmehr danach, euch kleineBarbaren zu vernichten? Perry, verliere nicht dieNerven! Wenn ich euch hätte verraten wollen, hättenmir während der letzten Jahre genügend Mittel zurVerfügung gestanden, um euch durch einen kurzenFunkspruch die arkonidische Robotflotte insSonnensystem zu schicken. Kannst du nicht mehrklar denken? Ich kann dieses Abkommen nichtunterzeichnen. Meine Position ist noch unsicher. Ichschiebe den Regenten vor, um meinen Befehlen denerforderlichen Nachdruck zu verleihen. Wenn ich alsImperator Atlan an die Öffentlichkeit träte, hätten wirinnerhalb weniger Tage mit furchtbarenRevolutionen zu rechnen. Was denkst du wohl, wiegroß das arkonidische Imperium ist? WievielFremdintelligenzen und Nachkommen ehemaligerArkonkolonisten dort leben? Wie kann ich in derenNamen ein Abkommen unterzeichnen, wenn sienichts von mir wissen? Oder mutest du mir zu, sokurz nach meinem Eintreffen auf meiner Heimatweltzum Betrüger zu werden?«

»Du könntest das Bündnis im Namen desRobotregenten unterzeichnen.«

»Gerissener Barbar!« sagte Atlan kalt. Zornfunkelte in seinen Augen. »So wart ihr immer, unddu bist nicht besser, wenn es ums Wohl deinesVolkes geht.«

»Ich halte das nicht für unanständig«, entgegneteRhodan sanft.

Atlan lachte ärgerlich auf. Sein Gesicht wurdewieder kleiner, und ein Teil des Oberkörpers erschienauf dem Bildschirm. Er trug noch die Uniform mitden arkonidischen Rangabzeichen einesFlottenadmirals. Sie war auf der Erde nach seinenWünschen angefertigt worden.

»Was soll man dazu sagen! Für dich ist es nichtunanständig, wohl aber für meine Begriffe. Es genügtbereits, wenn ich den großen Betrug weiterhinfortführe. Wollte ich meinem Gewissen folgen, sowürde ich mich heute noch als rechtmäßigerHerrscher durch den Automaten proklamieren lassen.Ich sehe davon ab, weil ich an das Wohl sehr vielerVölker denke. Ich muß äußerst behutsam vorgehen.Begnüge dich deshalb mit meinem Versprechen, daßich die Erde weder verraten noch angreifen werde. Istes so schwer, mir zu glauben, zum Teufel?«

Rhodan hüstelte.»Das hat aber sehr unarkonidisch geklungen«,

meinte er trocken.»Wenn ein Mann ein paar tausend Jahre lang

versucht, barbarischen Wilden Manieren und etwasWissen beizubringen, kann es schon geschehen, daßer einige ihrer Ausdrücke übernimmt«, entgegnete erbetont freundlich.

Rhodan schloß die Augen. Atlan konnte sehr spitz

8

Page 9: Der Fall Kolumbus

werden. Das leise Lachen des Arkoniden riß ihn ausseinen Gedanken.

»Okay, akzeptiert«, sagte er schwer. »Du willstalso nicht. Wer gibt mir die Garantie, daß dir deineneue Macht nicht zu Kopf steigt? Terra ist gefährlich,das weißt du.«

»So gefährlich, daß ihr euch verkriecht, um nurhier und da aus dem Dunkel hervorzubrechen. Das isteine seltsame Taktik.«

»Eine Maßnahme des Selbsterhaltungstriebes. Ichbiete dir das, was du nicht mehr besitzt: nämlichhervorragende Spezialisten für deine unzulänglichbesetzten Raumschiffe. Zehn Millionen ausgebildeteSoldaten der Erde könnten sofort abgestellt werden.Zusammen werden wir alle Aufstände beseitigen.Dazu zählt auch der Druufangriff nahe derÜberlappungszone. Ich gebe dir das Personal, und dustellst die erforderlichen Schiffe.«

»Einverstanden, aber ohne Vertrag. Ichunterzeichne nicht mit einem Namen, den außer dirniemand kennt. Wenn ich eines Tages ans Licht derÖffentlichkeit trete, wirst du dein Bündnisbekommen. Gibt es sonst noch etwas?«

Rhodan fühlte, daß es an der Zeit war, dieVerhandlung abzubrechen.

»Nichts mehr? Schön, dann ziehe mit deinenLeuten in die DRUSUS um. Willst du Arkonverlassen?«

»Nicht eher, bis ich meinen Vertrag habe.«»Starrkopf«, sagte Atlan. »Du lernst es auch nie.

Ach, da fällt mir noch etwas ein.«Rhodan sah wieder zu dem großen Bildschirm

hinauf. Atlans letzte Worte hatten sehr gedehntgeklungen.

»Richte dieser mauseähnlichen Kreatur namensGucky aus, sie solle künftig ihre dummen Spaßeunterlassen.«

»Wie?« staunte Rhodan. »Gucky ist doch erstzusammen mit der auf Zalit zurückgelassenenBesatzung vor dreißig Minuten gelandet. Was ist mitihm?«

»Der Schelm versuchte, kaum, daß er hierangekommen war, mittels seiner Teleportergaben denEnergieschirm des Robotgehirns zu durchdringen.Offenbar ist dieser nichtirdische Gernegroß derMeinung, seine Fähigkeiten wären denen dermenschlichen Mutanten grenzenlos überlegen.Natürlich wurde er beim Sprung von demüberdimensionalen Wabenfeld des Gehirnseingefangen und in äußerst schmerzhafter Weisezurückgeschleudert. Ich erhielt die Meldung von derWarnautomatik. Sorge bitte dafür, daß solcheScherze fernerhin unterbleiben. Ich habe dir unddeinen Leuten klar genug dargelegt, daß die vonmeinen Vorfahren erbaute Sicherheitsautomatik dasEindringen Fremder Lebewesen in die Bezirke des

Robots nicht duldet. Die Programmierung liegt fest,und ich kann daran auch nichts ändern. Haben wiruns verstanden, Barbar?«

Die letzten Worte hatten hart und kalt geklungen.Rhodan ahnte, daß er an den Grenzen von AtlansRücksichtnahme angekommen war. Er nicktewortlos, um nach einigen Augenblickenhinzuzufügen:

»Das ist auch eine Sache, die mir nicht rechtgefällt. Wenigstens hätte man uns gestatten können,dieses technische Wunderwerk einmal zubesichtigen.«

Atlans schnelle Kopfbewegung ließ dasweißblonde Haar hell aufleuchten. Es war, als stündein seinen rotgoldenen Augen eine Warnung.

»Perry, du bist intelligent genug, um meine Worterichtig einzuschätzen. Ich sage dir nochmals, daß ichan der Sicherheitsschaltung nichts verändern kann.Meine Vorfahren wußten schon, warum sie dasunersetzliche Robotgehirn so gut absicherten.Außerdem traue ich dir in dieser Beziehung nicht! Dubrächtest es fertig, die Anlagen mittels einer>zufällig< mitgenommenen Mikrobombe in die Luftzu sprengen. Ich kenne euch etwas zu gut, Terraner!Erst kommt ihr selbst, danach lange nichts und dannseid ihr vielleicht bereit, anderen Leuten eurewohlwollende Freundschaft zu schenken; aber auchnur dann, wenn euch besagte Leute nicht mehrgefährlich erscheinen. Du bleibst auf deiner Ebeneund ich auf der meinen. Nach der Abschaltung desRegenten ist er zu einem harmlosen Automatengeworden. Ehe ich ihn zerstören lasse, vernichte ichbesser dich und dein Sonnensystem. Wenn mangalaktisch denkt - was ich mir einbilde zubeherrschen! - so sind mehr als fünfzigtausendbesiedelte Welten weitaus wichtiger als deine kleineErde. Hüte dich also, die Maschine anzugreifen.Damit wären all meine Zusagen hinfällig. Siehst duklar, Perry Rhodan?«

»Völlig klar. Vielen Dank.«»Du kannst dir deinen Hohn sparen. Entschuldige

mich nun, ich habe zu tun. An der Druuf-Frontbeginnt ein neuer Großangriff.«

Atlan erhob grüßend die Hand. Der leuchtendeBildschirm verblaßte. Hinter Rhodan glitten diedicken Panzertüren auf. Helles Licht flutete in densechseckigen Saal.

Rhodan ging hoch aufgerichtet. Atlans letzteWorte hatten ihn getroffen. Es war nicht mehr zuleugnen, daß der arkonidische Admiral trotz seineslangen Aufenthaltes auf der Erde wieder zu einemgalaktischen Großraumpolitiker geworden war.

>Vernünftig und tolerant verhalten, und es wirdnie etwas passieren<, überlegte Rhodan nüchtern.

Mit diesem Vorsatz betrat er den Vorraum.Reginald Bull, Rhodans Stellvertreter, saß auf der

9

Page 10: Der Fall Kolumbus

Kante eines hochgeschwenkten Gliedersessels.Gespannt, aus schmalen, mißmutig verkniffenenAugen, sah er dem Ersten Administrator desirdischen Sonnensystems entgegen.

Rhodan blieb dicht vor ihm stehen und blickte aufdie Uhr. Er sagte nichts. Als das Schweigenunangenehm wurde, bequemte sich Bully zu einemeinzigen, undeutlich gemurmelten Satz:

»Nach deinem Gesicht zu urteilen, haben sichSeine Erhabenheit nicht überzeugen lassen, wie?«

Rhodan hob flüchtig die Schultern an. Sinnendblickte er zu den abermals geschlossenenPanzerschleusen des Befragungsraumes hinüber.

»Es war zu erwarten. Die Argumente hätten michan seiner Stelle auch nicht überzeugt. Der Vertrag ist- rein strategisch betrachtet - ohnehin sinnlos. Werwollte ihn trotz dieses Wisches daran hindern, zurgegebenen Zeit loszuschlagen? Er nannte mich einengerissenen Barbaren, hm ...!«

Bully lachte unterdrückt. »Er kennt uns zu gut,was?«

»Eben! Das ist auch meine einzige Hoffnung. Erdürfte sehr gut wissen, daß wir auf seiner Seitestehen. Das Große Imperium unter ArkonsVorherrschaft ist schwach an intelligenten undentschlußfreudigen Gehirnen. Die Degeneration derheutigen Arkonbewohner ist so tiefgehend, daß sienicht von heute auf morgen geändert werden kann.Atlan wird bestenfalls mit der noch nicht geborenenGeneration rechnen können, vorausgesetzt, er startetein Erziehungsprogramm, durch das die Jungen vonSittenverfall, Lethargie und idiotischen Philosophienverschont werden. In etwa sechzig Jahren könnte eres schaffen, das Arkonidenreich wieder auf dieeigenen Beine zu stellen. Bis dahin wird sich aber beiuns auch einiges geändert haben.«

Bull erhob sich. Er und Rhodan waren die beidenletzten Terraner in der riesigenUntergrund-Wohnstadt nahe dem Robotgehirn. Inden weiten, domartigen Hallen wimmelte es vonfremden Lebewesen. Es waren besonders die auf demKolonialplaneten Zalit angeworbenen Truppen, diehier unten auf ihre Einschiffung warteten.

Die beiden Menschen wurden von niemandbelästigt, als sie schnellen Schrittes auf den nächstenAntigravlift zugingen. Selbst die zahlreichenWachroboter ließen sie unangefochten passieren.

»Wie sich die Zeiten geändert haben!« meinteBully ironisch. »Noch vor wenigen Tagen hätten sieuns in Asche verwandelt, wenn wir nur unsereNasenspitzen hätten sehen lassen. AtlansRegierungsepoche läuft ganz gut an, denke ich.«

Ein zalitischer Raumoffizier bestaunte die fremdeUniform der Terraner. Mit den Rangabzeichen wußteer nichts anzufangen. So entschloß er sichvorsichtshalber zu einer vorbildlichen

Ehrenbezeigung.Rhodan dankte. Dabei dachte er an die wenig

erfreulichen Tage des Einsatzes zurück, als ergezwungen worden war, selbst einen rothäutigenZalitbewohner zu spielen. Es war die einzigeMöglichkeit gewesen, um unbemerkt auf demFlotten- und Rüstungsplaneten des Arkonidenreicheseindringen zu können.

Kurz vor dem Lift erkundigte sich Bullgleichmütig:

»Hast du dich jetzt abreagiert? Ich meine - istdeine Erregung abgeklungen?«

Rhodan mäßigte sein Schrittempo. Schließlichblieb er stehen. Langsam wendete er den Kopf. Bulllächelte maskenhaft. »Was ist los?«

Bully sah blinzelnd nach oben, wo weit über ihnendie künstliche Atomsonne ihre fiktive Bahn zog. DieGespräche der vielen Zaliter wurden zu einemdumpfen, auf den Ohren lastenden Brausen.

»Was ist los?« wiederholte Rhodan schärfer alsbeabsichtigt. Bull fuhr sich mit dem Handrücken überdie schweißbedeckte Stirn.

»Wieder viel zu warm in der Höhle«, sagte er nacheinem kurzen räuspern. »Okay, ich rede ja schon!Perry, wir können nicht länger auf diesen Vertragwarten. Sikermann brachte besorgniserregendeGeheimnachrichten mit. Es ist den Druuf gelungen,auf Terra einen Transmitterstützpunkt auszubauen.«

Rhodans Lippen öffneten sich. Er suchte nachWorten. Bull winkte ab.

»Keine Aufregung, der Fall ist bereits erledigt. DieDruuf wurden durch einen ehemaligen Mitarbeiterder Abwehr entdeckt und unschädlich gemacht. Es istfestgestellt worden, daß sie durch einen dummenZufall unsere eigenen Transmitterfrequenzenerfuhren. Es hing wohl mit dem Nachschub für dieMondbasis zusammen. Sie errechneten die5-D-Effekte und sickerten auf unserenHyperfrequenzen ein. Damit ist noch lange nichtgesagt, daß sie die galaktische Position der Erde auchwirklich kennen. Unsere vorläufige Auswertungstellte jedenfalls fest, daß zwischen einem direktenAnflug auf normaler Basis und einemüberstrukturellen Transmittersprung ein erheblicherUnterschied besteht.«

Rhodan hatte sich wieder gefaßt. Sein Gesicht warmaskenhaft. »Die Abwehr hat eingegriffen?«

»Dank dieses Detektivs, dessen Name ichvergessen habe. Einige Verräter waren drauf unddran, den Druuf eine Ausgangsbasis zu schaffen. Eswar eine sogenannte Schlafgesellschaft gegründetworden, die als Rückendeckung für die Invasiondiente. Allan D. Mercant befürchtetKomplikationen.«

»Das hat mir noch gefehlt«, sagte Rhodan gepreßtvor sich hin. »Hier die Schwierigkeiten mit Atlan und

10

Page 11: Der Fall Kolumbus

zu Hause ein Überfall. Hat Sikermann genaue Datenmitgebracht?«

»Alles, was Mercant erfahren konnte.«»Wie sieht die Folgerung aus? Sind die

Wahrscheinlichkeitsfaktoren positronischdurchgerechnet worden?«

»Nur teilweise. Es blieb nicht mehr genügend Zeit.Unser Funkspruch kam dazwischen, und Mercantentschloß sich, Sikermann als Kurier zu benutzen.Was ist denn?«

Bull setzte sich in Bewegung, um dem plötzlichdavonrennenden Freund zu folgen. Schnaufenderreichte er den Antigravlift, sprang in das kaumsichtbare Feld und stieß sich ab. Schwerelosschwebten sie nach oben. Den Ausgang erreichten sienahe jener Oberflächenkuppel, die sie wenige Tagezuvor bei dem verzweifelten Rückzugsgefecht ausArkons Tiefen zur Hälfte zerstört hatten.Robotkommandos waren dabei, den großen Werftliftzu reparieren.

Das grelle, weiße Licht der Arkon-Sonne empfingsie. Rhodan sprang in den wartenden Prallfeldgleiterund rief dem Robotfahrer hastig einige Anweisungenzu.

Drei Kilometer entfernt, jedoch nahe desunübersehbaren Schutzschirmes, war das Flaggschiffder Solaren Flotte gelandet. Die DRU-SUS war einGigant, doch in dieser Umgebung, zwischen mehr alsfünfzig gleichgroßen Superschlachtschiffen derarkonidischen Heimatflotte, fiel sie kaum auf.

Rhodan erreichte die untere Mannschleuse des1500 Meter durchmessenden Kugelriesen, als nurwenige Kilometer entfernt ein schnellesSchlachtkreuzergeschwader in den wolkenlosenHimmel dröhnte. Die entstehenden Druckwellenwurden von den vollautomatisch errichtetenAbwehrfeldern aufgefangen und absorbiert. AufArkon III geschah nichts ohne das planvolleEingreifen des größten Robotgehirns der Milchstraße.

Sorgenschwer blickte Rhodan den rasch kleinerwerdenden Schiffen nach. Sie waren erst vor wenigenTagen von den niemals müde werdendenBandstraßen ausgespien worden. Jetzt starteten sie zuihrem ersten Probeflug.

»Wenn wir eine solche Produktionskapazitätbesäßen, wäre mir wesentlich wohler«, meinteRhodan. »Wo steckt Sikermann?«

Die hohe, breitschultrige Gestalt desKommandanten tauchte in der Schleuse auf. Ergrüßte zurückhaltend.

Noch in der Schleuse bemerkte Rhodan:»Unsere Freunde aus der zweiten Zeitebene haben

sich eine kleine Überraschung ausgedacht, wie? Ichmöchte sofort die Unterlagen sehen. Wie war dieReise?«

»Danke, Sir, ausgezeichnet. Ich flog in voller

Gefechtsbereitschaft ins Volatsystem ein; aber eskam niemals zu Schwierigkeiten. Unsere auf Zalitwartenden Leute konnten anstandslos einsteigen. Ichbin nach einem Aufenthalt von nur zwei Stundenerneut gestartet. Vom äußeren Festungsring desArkonsystems bin ich auch nicht belästigt worden.Noch nicht einmal die üblichen Begleitschiffetauchten auf. Anschließend sind wir vom Regentenfernsteuertechnisch auf diesem Raumhafen gelandetworden.«

»Atlan hat Wort gehalten«, warf Bull nachdenklichein. »Ob wir ihm nicht zu Unrecht mißtrauen?«

»Das wird sich wahrscheinlich bald herausstellen«,orakelte Rhodan. »Sikermann, können Sie sichvorstellen, daß die Druuf die Erde nicht findenwerden? Bedenken Sie dabei, daß es diesenIntelligenzen in anscheinend einwandfreier Formgelungen ist, einen Transmitterkontakt herzustellen.Sie besitzen eine hochwertige Wissenschaft. Würdenwir es zum Beispiel schaffen, anhand vonhypermathematischen Komponenten einenvierdimensional stabilen Bezugspunkt zu errechnen;mit einem Unsicherheits-Koeffizienten von höchstensplusminus 0,5 Prozent? Könnten wir das?«

Die zum Empfang herbeigeeilten Wissenschaftlerdes Flottenflaggschiffes blieben im Hintergrund dergroßen Schleuse stehen. Schweigend sahen sie zudem hageren, grauäugigen Mann in der einfachenUniform hinüber.

Sikermanns wuchtige Gestalt verdeckte dievordere Druckpforte mit den dort stationiertenWachrobotern. Es war, als wolle er das Schiff gegenfremde Eindringlinge abschirmen.

»Sir, wir würden es wahrscheinlich schaffen!«Rhodans Lächeln wirkte unpersönlich.»Dann können es die anderen auch«, sagte er leise.

»Sikermann, machen Sie die DRUSUS klar zumAlarmstart. Wo sind die Unterlagen?«

»In der Zentrale, Sir.« Zehn Minuten später hatteRhodan die Berichte studiert. Während dieerschöpften Männer des Einsatzkommandos in ihreUnterkünfte eingewiesen wurden und die erstenGespräche zwischen ihnen und denBesatzungsmitgliedern des Super-Schlachtschiffesaufflackerten, forderte Rhodan einen arkonidischenKurier an.

Dreißig Minuten nach seiner Ankunft auf derDRUSUS erschien vor der unteren Polschleuse einschwerbewaffnetes Robotkommando. Zugleichmeldete sich Atlan über die Sonderfrequenz desRegenten.

»Schwierigkeiten, Freund? Ich wurde von deinemErsuchen benachrichtigt. Was gibt es?«

Rhodan trat dichter vor den nur kleinenBildschirm. Er lachte etwas unsicher auf.

»Es tut mir leid, dich erneut stören zu müssen.

11

Page 12: Der Fall Kolumbus

Sikermann hat - du kennst Baldur Sikermann ...?«»Natürlich.«»Er überbrachte schwerwiegende Nachrichten. Die

Druuf haben Terra gefunden.«»Was ...?«»Vorerst nur auf Transmitterbasis. Meine Leute

hatten nicht genügend Zeit, die ermitteltenGrunddaten auszuwerten. Kannst du das für michbesorgen? Der Regent dürfte dazu fähig sein. Ichmöchte eine Wahrscheinlichkeitsberechnung.«

Atlan hatte die Sachlage in wenigen Augenblickenerfaßt. Fünfundvierzig Minuten nach RhodansEintreffen auf der DRUSUS fuhr dasRobotkommando ab.

Als es in der Energieschleuse des nur spaltweitaufklaffenden Abwehrschirmes verschwunden war,begann auf dem Superschlachtschiff die Periode desWartens.

Echte Gespräche kamen nicht auf. Erst jetzt fandRhodan Gelegenheit, die vom Planeten Zalitangekommenen Mitarbeiter zu begrüßen. DieMutanten erstatteten Bericht über den so plötzlichenTod des falschen Arkonidenadmirals. Gucky, dessenExperiment mit dem geheimnisvollen Wabenschirmnegativ verlaufen war, befand sich in der Bordklinik.Der Mausbiber war besinnungslos.

Captain Hubert Gorlat, der bisher mit demGedanken gespielt hatte, die Energieglocke desGehirns mit Hilfe des Fiktiv-Transmitters zudurchdringen, verzichtete darauf, Rhodan einendiesbezüglichen Vorschlag zu unterbreiten.

Brummig erteilte er der FT-Besatzung den Befehl,das bereits eingerichtete Gerät wieder abzuschalten.Gorlat war der begründeten Meinung, es wäre nunfehl am Platze, einen Verbündeten zu belästigen.Atlans Verhalten war bisher tadelsfrei gewesen.Arkon stand den Menschen offen.

Major Art Rosberg, der Transmitterspezialist derSolaren Flotte, brütete über den Unterlagen desGeheimdienstes. Mercants Originalbericht befandsich längst in Atlans Besitz.

»Ein Sack Bohnen hat die Druuf auf unsere Spurgebracht?« erkundigte sich Rosberg bestürzt. »Sinddie Leute von der Abwehr übergeschnappt?«

Der Biologe Costara, der sich angesprochen fühlte,breitete hilflos die Arme aus.

»Sie sehen mich ahnungslos. Mich interessiertemehr die biochemische Konservierung dieserDruuf-Kinder, die man an Stelle der menschlichenSchläfer in die eigenartigen Behälter gelegt habensoll. Da komme ich auch nicht mehr mit.«

Rosberg fuhr sich mit allen zehn Fingern durch dieergrauten Haare. Ärgerlich schob er den Bericht zurSeite, um sich den mitgelieferten Bildernzuzuwenden. Wenig später erkannte er, daß er damitauch nichts beginnen konnte. Die grundsätzlichen

Daten waren zu wenig aufschlußreich.»Sie sollten dem mathematischen Team

Gesellschaft leisten«, riet der Biologe.»Schätzungsweise dürfte die halbe Besatzung imRechenzentrum anwesend sein. Ich glaube aber nicht,daß unsere relativ kleinen Geräte den Fragenkomplexbewältigen können. Die Maschinen sind anderweitigzu spezialisiert, um nun plötzlich diese Effekterichtig ...«

»Wem sagen Sie das!« unterbrach ihn MajorRosberg in seiner knurrigen Art. »Wenn es nach mirginge, befänden wir uns bereits dicht vor der erstenTransition. Was denken Sie wohl, was daheim lossein wird, wenn plötzlich diese Monster auftauchen!Haben Sie die riesigen Flotten der Druuf einmalpersönlich gesehen? Waren Sie einmal dicht vor dersogenannten Entladungsfront? Zuletzt sollenvierzigtausend schwere Einheiten versucht haben,den arkonidischen Blockadegürtel zu durchbrochen.Wenn wir von einem solchen Aufgebot überraschtwerden, dürften wir mit unseren wenigenGroßkampfschiffen in Minutenschnelle aufgeriebensein.«

Rosberg stülpte sich die leichte Bordmütze überden kantigen Schädel und ging schweren Schrittesauf die Tür zu.

Dr. Miguel Costara sah ihm sinnend nach. Ihnbewegte ein bestimmter Begriff, den Rosberg kurzzuvor gebraucht hatte.

>Daheim<, dachte der Wissenschaftler, >daheim.<Er glaubte, den Geruch weiter Kiefernwälder und

den frischen, kristallklaren Hauch dicht neben einemschäumenden Wasserfall zu spüren. All das gab esdaheim - auf der grünen Erde.

*

» ... schicke in einer Viertelstunde die schriftlicheAuswertung zur DRUSUS hinüber«, klang AtlansStimme aus den Lautsprechern. »Hier ist dasResultat. Du kannst dich mittlerweile damit vertrautmachen.«

»Wie lautet es?« fragte Rhodan zurück.»Schlecht für die Erde, und damit ebenso schlecht

für alle humanoiden Völker der Milchstraße.Niemand wünscht ein Eindringen dieser völligartenfremden Insektenabkömmlinge, die in ihremeigenen Universum genügend Lebensraum besitzendürften. Der Regent erklärt mitneunundneunzigprozentiger Sicherheit, daß dieEntdeckung der Erde bevorsteht. Ich habe dieForschungsunterlagen des Robots nachgeprüft. DasMaterial stammt aus den jüngsten Abwehrschlachtenund ist deshalb zuverlässig. Der Computer ging vonjenen einwandfreien Untersuchungen aus, diearkonidische Forschungskommandos an Bord

12

Page 13: Der Fall Kolumbus

erbeuteter Druuf-Schiffe angestellt haben. Danach istdie Wissenschaft dieser Intelligenzen, besonders aberihre Mathematik, so hoch entwickelt, daß sie aus dererfolgten Transmitterverbindung zur Erde dieerforderlichen Rückschlüsse ziehen können. Es istsicher, daß sie Terra, wenn sie nur wollen, findenwerden. Mehr kann ich dazu nicht sagen.«

Rhodan sah lange auf den Bildschirm. Atlanwartete geduldig. Er wußte, was in dem Freundvorging, von dem er behauptete, er identifiziere sichmit der gesamten Menschheit.

»Was willst du tun, Perry?« fragte der Admiralleise.

Rhodan schreckte aus seinen Grübeleien auf. Einverzagtes Lächeln stahl sich auf seine Lippen.

»Heimfliegen und aufpassen. Eine andereMöglichkeit sehe ich augenblicklich nicht. Gibt derComputer auch darüber Auskunft, auf weiche Weisedie Druuf bei einem beabsichtigten Angriff in dasEinstein-Universum eindringen wollen?«

»Das ist der unbekannte Faktor, den der Robot miteinem Unsicherheitswert von einem Prozent bewertethat. Sonst wären die Berechnungen hundertprozentig.Was ich tun kann, um die Blockade stabil zu halten,wird getan werden. Das ist mein Versprechen an dieErde.«

Rhodan nickte nur. Weitere Worte warenüberflüssig.

»Vielleicht kommt der Druufplan nie zurAusführung«, beruhigte der Arkonide. »Es istfraglich, ob ein solches Vorhaben überhaupt besteht.Du solltest dich mit deinem Agenten imDruuf-Universum in Verbindung setzen. Dieser ...dieser ...«

»Ernst Ellert«, half Rhodan aus. »Richtig, ErnstEllert. Unter Umständen weiß er Näheres.«

Rhodan nickte wieder. Es geschah, als an derBodenschleuse das Robotkommando mit derschriftlich niedergelegten Auswertung anlangte. DieMeldung wurde vom Wachoffizier zur Zentraleweitergeleitet.

»Deine Boten sind da. Vielen Dank auch, Freund«,sagte Rhodan etwas müde. »Ich werde jetzt starten.Vergiß uns nicht ganz. Die Zeit mit dir war schön,obwohl du einmal der Meinung warst, michunbedingt umbringen zu müssen.«

Atlan lachte leise. »Ich hätte eine Bitte, Perry! AufVenus lebt ein Mädchen namens Marlis Genter. Siewar mir behilflich, als deine Spezialisten auf der Jagdnach mir waren. Willst du ihr einen Gruß ausrichten?Sage ihr, ich hätte sie nicht vergessen, nur hätte ichinfolge deiner närrischen Initiative nie Zeit gefunden,sie auf Venus zu besuchen. Du erinnerst dich an diedunkelhaarige Kosmobiologie-Studentin mit demausgeprägten Gerechtigkeitssinn?«

Rhodans Lächeln wurde wärmer. Ja, er erinnerte

sich.»Ich werde daran denken. Sie dürfte jetzt ihren

Doktor in der Tasche haben. Soll ich die Grüße auchausrichten, wenn sie schon verheiratet ist?«

Atlan zögerte, ehe er sagte: »Ja, auch dann. Undnun lebe wohl, Freund. Denke daran, daß hinter demRegenten von Arkon Atlan aus der Herrscherfamilieder Gonozal steht und bedenke auch, daß diemenschliche Spezies einen Tropfen arkonidischesBlut in den Adern hat. Als ich vor zehntausendJahren auf Terra landete, sind viele Ehen zwischenmeinen Männern und Eingeborenenfrauengeschlossen worden, Inkar, Kommandant desSchlachtkreuzers PAITO, ist in Südamerika niemalsvergessen worden. Sein Sohn wurde zum ersten Inkarzum ersten Gottkönig unter dem Sonnensymbolmeiner ehrwürdigen Familie. Ich wünsche dir einegute Reise, kleiner Barbar.«

Die DRUSUS startete im Geleit von zehnschnellen Kreuzern der Imperiumsflotte. Dicht vorden Grenzen des Arkonsystems schwenkten dieSchiffe ab, und der irdische Superriese setzte zurersten Transition an. Atlan meldete sich nicht mehr.

An Bord herrschte eine gedrückte Stimmung. Manwußte plötzlich, daß man einen echten Freundzurückgelassen hatte.

3.

Es war Major Untcher, dem Chef der viertenSicherungsgruppe im Raumjagdverband 16,beschieden, die Energieerscheinung zuerst zu orten.

Seine Gruppe setzte sich aus dem LeichtenKreuzer AUSTRIA und 27 linsenförmigenKleinraumschiffen vom ultraschnellen Typ Space-Jetzusammen. Die AUSTRIA galt gleichzeitig alsFührungsschiff der 4.-SGJV-16.

Untcher hatte vom Ausrüstungsoffizier genau 32Liter Frischwasser zum Zwecke eines Duschbadesbewilligt bekommen. Als er sich unter dem nurkläglichen Strahl der Brause drehte, kam dieAlarmmeldung aus der Ortungszentrale.

Ein Bildschirm leuchtete auf. Das Gesicht desdiensthabenden Funkoffiziers wurde erkennbar. Zudieser Zeit stand die Sicherungsgruppe mit allenEinheiten 102 Lichtstunden jenseits der Plutobahn iminterstellaren Raum. Die Strecke war ausTarnungsgründen mit nur einfach lichtschneller Fahrtdurchflogen worden. Seit der verschärftenGefechtsbereitschaft innerhalb des Solaren Systemsgalt der Befehl, auf jede nicht unbedingt erforderlicheTransition zu verzichten.

Major Untcher, ein hagerer Mann mit frühzeitiggealterter Gesichtshaut, drehte schimpfend denHeißwasserhahn ab. Der Zähler registrierte einenFrischwasserverbrauch von bisher 23 Litern.

13

Page 14: Der Fall Kolumbus

»Wird man hier niemals in Ruhe gelassen?« brüllteUntcher zu den Aufnahmemikrofonen hinüber.»Möglicherweise sehen Sie mich auch noch aufIhrem Bildschirm.«

»Jawohl, Sir«, bestätigte der Oberleutnantgefühllos. »Ich bitte um Entschuldigung, Sir. Wirorten im Sternbildsektor des Fuhrmanns, nahe derRiesensonne Capella, eine eigenartigeEnergieerscheinung. Auf den Bildschirmen ist nochnichts erkennbar, wohl aber sprechen dieStrukturtaster ununterbrochen an.«

Untcher vergaß die Beschimpfung, mit der er denFunkoffizier irgendwie hatte demoralisieren wollen.Er sprang mit einem Satz in den Heißlufttrockner undgriff nach der Unterwäsche.

Zehn Minuten später kam Untcher atemlos in derZentrale des Schnellen Kreuzers an. Die 27Begleit-Jets waren auf den Reliefschirmen derüberlichtschnellen Echotastung als grüne Punkte zusehen. Der Abstand zwischen den einzelnen Bootenbetrug weisungsgemäß nur fünf Millionen Kilometer.Die AUSTRIA stand dabei in der Mitte der langenÜberwachungslinie.

Im Ortungsraum dicht neben der Funkzentraleschien ein Vulkan ausgebrochen zu sein, so lautrumorte es in den beiden Strukturtastern zurSofortanmessung einer vierdimensionalenKontinuumsverschiebung. Es war jedoch klar, daß essich nicht um die Erfassung einer Hyperschockwellehandeln konnte. Die von transistierendenRaumschiffen erzeugten Energiestöße machten sichwesentlich anders bemerkbar.

Untcher lauschte etwas fassungslos auf dasunablässige Dröhnen. Die automatische Auswertunghatte bereits die Quelle dieser Geräusche festgestellt.Nahe der Riesensonne Capella, etwa 42 Lichtjahreentfernt, hatte sich etwas gebildet, womit wederUntcher noch die hochqualifizierten Ortungsfunkeretwas anzufangen wußten, bis Oberleutnant Fynkusauf die Idee kam.

»Das klingt, als wären wir dicht vor derEntladungszone nahe des Myrtha-Systems, Sir«,sagte er bedächtig. Er drehte den Kopf. Untchersfaltige Lider zuckten.

»Ach! Was Sie nicht sagen! Die Zone ist fastsechseinhalbtausend Lichtjahre entfernt.«

»Das ändert nichts daran, daß ich dieses Rumorenkenne, Sir. Ich war lange genug da draußen. ImFuhrmannsektor stimmt etwas nicht. Sehen Sie sichdie flachen Zacken an. Das ist ganz typisch für eineÜberlappungszone. Das Ding scheint sogar stabil zubleiben. Erinnern Sie sich an die Ortungsergebnissewährend der vergangenen Druufangriffe?«

Untcher war gewissenhaft genug, um die Meinungdes erfahrenen Offiziers zu würdigen. Das Donnernin den Strukturtastern hielt an. Fynkus ging zum

Materiepeiler hinüber. Der dort stationierte Sergeantschüttelte stumm den Kopf. Fynkus nickte.

»Fremdkörper sind noch nicht aufgetaucht, Sir«,stellte er sachlich fest. »Die Energieerscheinungverändert sich aber nicht.«

Untcher sah sich unschlüssig um. Er ahnteplötzlich, daß ihm der Zufall die Last derVerantwortung aufbürdete. Konnte - durfte er nochfunken? Pluto stand günstig; aber doch zu weitentfernt, um mit Normalwellen arbeiten zu können.

Sicherlich hatten die anderen Schiffe desRaumjagdverbandes 16 ganz ähnlicheOrtungsergebnisse erhalten. Warum hatte sich derChef noch nicht gemeldet? War es schon zugefährlich geworden, trotz der scharfgebündeltenRichtstrahlsendungen ein außerhalb desSonnensystems stehendes Raumschiff anzurufen?Wenn ja, so hatten die Mathematiker imVerbandsflaggschiff die gleichen Schlüsse gezogenwie Oberleutnant Fynkus.

Was wurde in diesem Fall von ihm, MajorUntcher, erwartet? Sollte er sofort umkehren, um mitVollschub die innere Wachlinie anzufliegen? Oderwar es vorteilhafter, auf der vorgeschobenen Positionzu bleiben, um hier möglichst unauffällig Ausschauzu halten?

Untcher ging in dem relativ kleinen Ortungsraumauf und ab. Die Situation wuchs ihm über den Kopf,er ahnte es!

Welchen Sinn mochte es haben, so überlegte er,mit seinen wenigen Kleinraumschiffen 102Lichtstunden von der Plutobahn entfernt im leerenRaum zu warten? Notfalls hätte er damit nicht vielausrichten können. Andererseits konnten die 27Space-Jets und der Schnelle Kreuzer AUSTRIA inder gesammelten Masse des Verbandes eineentscheidende Rolle spielen.

Der Gedanke ließ ihn im Schritt verharren.Langsam setzte er sich auf einen herabgeklapptenWandhocker und starrte auf die immer nochrumorenden Strukturtaster.

Wenn er nicht sofort umkehrte, lief er außerdemnoch Gefahr, von eventuell auftauchendenFremdraumschiffen geortet zu werden. Inmitten desfreien Raumes fehlte die tarnende Kulisse des vonmillionenfältigen Kraftlinien durchzogenenSonnensystems, dessen Masse an planetarer Materiezusätzlich einen vorzüglichen Schutz gegen eineElementpeilung bot.

Untcher entschied sich im Zeitraum von dreiMinuten.

»Funkspruch an alle Jets, aber über einfachlichtschnelle Ultrawelle«, ordnete er an. »Wachlinieauflösen, einzeln den Rückflug antreten und beiVerbandsführer nahe Pluto sammeln.Hyperfunkverbot! Höchstbeschleunigung während

14

Page 15: Der Fall Kolumbus

Fahrtaufnahme einhundert km/sec hoch zwei, Flugmit einfacher LG durchführen. Ortungsgefahr ausSektor Capella. Impulswellen-Absorber aufMaximalleistung schalten.«

Der automatische Diktatschreiber hatte die Worteaufgenommen. Oberleutnant Fynkus blickte fragendzum Gruppenchef hinüber.

»Das ist alles«, nickte Untcher. »Raus mit demSpruch. Die langsame Ultrawelle ist lange genugunterwegs, bis sie alle Jets erreicht hat. Wir gehenerst dann auf Heimatkurs, wenn das letzte Bootnachweislich aus unseren Echoschirmen auswandert.Ich will sichergehen, daß sie auch alle das Feldräumen.«

Untcher tippte an den Mützenschirm, der seinkleines, faltiges Gesicht etwas zu stark beschattete.Als er sich durch das kreisrunde Sicherheitsschottschwang, wobei er die Beine stark anzog, lachteniemand von den Männern der Besatzung.

Die Strukturtaster dröhnten nach wie vor. DieErscheinung, die sich in einer Entfernung von nur 42Lichtjahren so überraschend gebildet hatte, ließ keineübermütige Stimmung zu.

Fynkus strahlte den Befehl persönlich ab. Dienächsten Space-Jets mußten von ihm in etwa siebzigSekunden erreicht werden. Schwieriger war es schonmit den Flügelbooten.

Die Ringwulsttriebwerke der AUSTRIA brülltenfür einige Sekunden mit voller Schubleistung auf. Alssie wieder abgeschaltet wurden, war die geringeFahrt des Wachkreuzers aufgehoben.

»Wenn die Leute auf den Jets schlau sind, habenSie jetzt schon bemerkt, daß etwas in der Luft liegt«,murmelte Fynkus vor sich hin.

»>Luft< ist gut«, flüsterte ein Funker seinemKollegen zu.

*

»Gott sein Dank!« sagte Oberst Poskanow erlöst.»Untcher hat begriffen. Seine Boote nehmen Fahrtauf. Ah, er läßt sie einzeln abfliegen, gut so. Er istsogar so schlau, auf einen Hyperspruch zuverzichten. Noch besser! Er hat offenbar erfaßt, daßer da draußen leicht ausgemacht werden kann.«

Poskanow richtete sich auf. Vor einigenAugenblicken hatte es noch so ausgesehen, als wolleer sein Gesicht in den großen Reliefschirmhineinbohren. Mit einer flüchtigen Handbewegungwischte er sich die Schweißperlen von der Stirn.Dann lauschte er wieder auf die Strukturtaster desSchlachtkreuzers OSAGE.

Was Major Untcher nicht sehen konnte, wurdedurch die voluminösen Spezialgeräte desRiesenschiffes klar erkennbar.

Die typische Strukturfrequenz eines ebenso

typischen Entladungstrichters zeichnete klareUmrisse auf den Ortungsschirm. Es sah aus, als hätteein unsichtbarer Riese mitten im interstellaren Raumeine längliche Blüte mit breitem, weitgeschwungenem Kelch verloren.

Wie die Konturen aber auch sein mochten: Es warsicher, daß es sich um einen plötzlich entstandenenÜberlappungsriß handelte, durch den ein heftigerEnergieaustausch zwischen den Feldlinien desEinstein-Universums und denen der Druuf-Ebeneerfolgte.

Poskanow beobachtete atemlos, wie sich die obereAufwölbung mehr und mehr verdichtete. Er hattemehrere Monate Gelegenheit gehabt, die große,natürlich entstandene Entladungszone nahe desMyrtha-Systems anschaulich kennenzulernen. Sobrauchte ihm niemand zu sagen, daß die Befehle desFlottenkommandos bezüglich des Arkoniden Atlanüberholt waren!

Diese Erscheinung hatte weder mit dem Regentenvon Arkon noch mit dem Großen Imperium etwas zutun. Das wissenschaftliche Team der OSAGEarbeitete bereits. Die ersten Auswertungen wurdendem Verbandschef vorgelegt. Als Poskanowerkannte, daß man es vorerst ledig lieh mit demTrichter, nicht aber mit fremden Raumschiffen zu tunhatte, entschloß er sich zu einem erklärendenHyperfunkspruch an das Oberkommando der Flotte.

Noch hatte man Zeit, einige Maßnahmeneinzuleiten. Wenn sich erst die von Poskanowerwarteten Fremdraumer aus der Entladungszonehervorschoben, war es zu spät für offeneFunksprüche an die vielen Raumschiffe, die nun inden Tiefen der Milchstraße unterwegs sein mußten.

Drei Minuten nach Abgang seiner langen Meldungregistrierten die Feintaster der OSAGE eineschwache Strukturerschütterung. DieAutomatauswertung zeigte an, daß es sich bei demsoeben gesprungenen Schiff um eine terranischeKonstruktion handelte. Die nur mit Spezialgerätenanmeßbare Transition gab einwandfrei darüberAuskunft, daß der andere Raumer im Schutze einesEigenfrequenz-Absorbers den Hyperraumüberwunden hatte. Die zwangsläufig entstehendenSchockwellen wurden von denStrukturkompensatoren aufgefangen. DieEigenstrahlung dieser Geräte wurde wiederum vonden Dämpfern absorbiert. Es gab praktisch keineMöglichkeit, ein mit diesen Hilfsmitteln fliegendesRaumschiff auszumachen oder seinen Standort genauzu berechnen. Lediglich die Kreuzer der solarenRaumjagdverbände besaßen jene Feintaster, mitderen Hilfe wenigstens festgestellt werden konnte, obein Freund oder ein Feind ankam.

Zum zweiten Male innerhalb einer Woche wurdePoskanows Schlachtkreuzer von einer Schockfront

15

Page 16: Der Fall Kolumbus

überrollt und durchgeschüttelt. Als die Bildschirmewieder klar arbeiteten, glänzten die Konturen dergewaltigen DRUSUS auf den Mattscheiben.Oberstleutnant Hauer, Kommandant der OSAGE,schnalzte zufrieden mit den Fingern, als er dasFlottenflaggschiff erkannte. Die DRU-SUS kam miteiner Wahnsinnsfahrt in das System geschossen, andessen äußersten Grenzen sie rematerialisiert hatte.

Sekunden später geschah das, was Poskanow alsselbstverständlich vorausgesetzt hatte. Raumschiffevon der Art der DRUSUS besaßen einOrtungssystem, dem kaum etwas entgehen konnte.Noch ehe der Chef des Raumjagdverbandes 16Gelegenheit hatte, das Superschlachtschiff anzurufen,sprachen bereits die Empfänger der OSAGE an.

Rhodans Gesicht erschien auf dem großen Schirm.Die groben, unscharf machenden Bildzeilen wiesendarauf hin, daß die Sender der DRUSUS mit demgeringstmöglichen Energieaufwand arbeiteten.Rhodan schien also schon zu wissen, was nahe derErde vorgefallen war.

»Rhodan an Schlachtkreuzer - wer sind Sie?«»Schlachtkreuzer OSAGE, Raumjagdverband

Sechzehn, Oberst Poskanow spricht.«»Ah, Poskanow, freut mich«, nickte Rhodan. »Ich

nehme an, Sie sind von Marschall Freyt zum äußerenAbwehrsektor verlegt worden?«

»Jawohl, Sir, kurz nach dem Start der DRUSUS.Sind Sie darüber informiert, daß sich imCapellasektor ein Entladungstrichter gebildet hat?«

»Genau. Wir haben ihn vor Beginn der letztenTransition geortet. Ist das Hauptquartierbenachrichtigt worden?«

»Vor zehn Minuten, Sir. Ich habe es riskierenkönnen, da sich außer der Erscheinung bisher nochnichts gezeigt hat. Meine vorgeschobene Jet-Gruppeunter Major Untcher kommt im Normalflug zurück.Da ist alles in Ordnung, Sir.«

»Sehr gut. Sie werden ab sofort GeneralDeringhouse unterstellt. Ihr Stützpunkt ist Pluto.Wenn die dortigen Werften und Nachschubdepotsangegriffen oder gar vernichtet werden, ziehen Siesich nach Katastrophenplan >Kolumbus< zurSaturnbahn zurück, wo Sie die Mittelsektorflotteunter meinem Befehl antreffen werden. Warten Sieauf weitere Anweisungen und geben Sie einenKurzimpuls, wenn aus dem Trichter Fremdschiffeauftauchen sollten.«

Die Bildverschiebung wurde schlechter, je weitersich die fast lichtschnelle DRUSUS entfernte.

Oberst Poskanow war bestürzt. KatastrophenplanKolumbus? Das bedeutete die Entdeckung der Erde.Hastig rief er in die Mikrofone:

»Sir, haben wir einen arkonidischen Angriff zuerwarten?«

»Unsinn. Atlan ist auf unserer Seite. Was Sie da

drüben sehen, ist von den Druuf errichtet worden.Bereiten Sie sich darauf vor, von zahllosenKampfschiffen aller Art im Sinne des Wortesüberschwemmt zu werden. Unsere einzige Chanceliegt darin, der Aufmerksamkeit dieser Wesen zuentgehen. Die Trichtererscheinung nahe Capellabeweist, daß auch die Druufmathematiker irrenkönnen. Sie haben sich um runde zweiundvierzigLichtjahre verrechnet. Ab sofort darf nicht mehroffen gefunkt werden. Wenn Sie Sprüche aussendenmüssen, dann nur mit geringster Sendeleistung undmit schärfster Bündelung.«

Ehe Rhodans Gesicht völlig unkenntlich wurde,bemerkte Poskanow noch, daß der ErsteAdministrator des Solaren Imperiums bitterauflachte. Sekunden später wurde die Verbindungunterbrochen.

Obwohl Poskanow seine Peilfunker zur erhöhtenWachsamkeit aufforderte, gelang es ihnen nicht, diesicherlich in rascher Folge abgehenden Sprüche desSuperschlachtschiffes aufzufangen. Das bewieseindeutig, daß die Technik der genau eingepeiltenScharfstrahlbündelung eine Entdeckung nichterlaubte.

Nur wenn ein fremdes Raumschiff durch einenunglücklichen Zufall in die Sendezone geriet, konnteeine Peilung möglich werden. Poskanow entschloßsich zu denkbar größten Vorsichtsmaßnahmen. DieGalaxis war weiträumig, und eine Entfernung von 42Lichtjahren war immerhin bedeutend genug, um eineEntdeckung bei etwas Glück verhindern zu können.

Poskanow begann zu frösteln, als er an die riesigenFlotten der nichtmenschlichen Druuf dachte. Naheder Blockadefront im Myrtha-System hatte er oftgenug erlebt, mit welcher Wucht die Fremdenangriffen.

»Nur das nicht« sagte er vor sich hin, »nur dasnicht! Hauer, informieren Sie die Kommandanten dereinzelnen Schiffe über Rhodans Durchsage. PassenSie aber auf, daß Ihnen kein einziger Impuls aus demRichtstrahl entweicht.«

Der Kommandant sah zu den Schränken mit dendarin aufgehängten Raumanzügen hinüber.Poskanow verstand.

»Noch nicht«, entschied er. »Noch haben wiretwas Zeit; sozusagen eine Gnadenfrist. Ich werde...«

Eine Meldung aus der Funkzentrale unterbrach denVerbandschef. Die Lautsprecher dröhnten.

»Zahlreiche Raffersprüche aus Richtung Terra«,gab der Wachhabende bekannt. »Bisher mehr alsvierzig Durchsagen. Die Peilungen weisen aus, daßsie für alle möglichen Sektoren bestimmt sind. Dieaußerhalb des Systems stehenden Raumschiffeerhalten Start- und Funkverbot, Sir. DerHandelsverkehr wird ab sofort eingestellt. Die

16

Page 17: Der Fall Kolumbus

Wachkreuzer der Außenflotte bekommenSonderbefehle. So geht das am laufenden Band, Sir.Donnerwetter - das Hauptquartier arbeitet aberschnell und gründlich!«

Poskanow nickte nur. Sein Gesicht war ernst. DerBildschirm verblaßte. Als der Informationsspruch fürdie Kommandanten der Verbandseinheitenabgegangen und die Empfangsbestätigungeneingelaufen waren, fühlte sich der Geschwaderchefetwas wohler. Er wußte, daß er allesMenschenmögliche getan hatte.

Diese Tatsache hob Poskanows gedrückteStimmung. Der Oberst setzte sich in seinenKommodoresessel und wendete sich an denKommandanten der OSAGE. Oberstleutnant Hauerhatte alle Hände voll zu tun, um die einlaufendenGefechtsklarmeldungen der vielen Stationen, getreunach Dienstvorschrift zu beantworten.

Der Oberst wartete einen Augenblick, bis sichHauer aufatmend in seinen Sitz zurücklehnte. Weithinter ihm brummten die schweren Strukturtaster desSchlachtkreuzers. Der Ton war regelmäßiggeworden: ein Zeichen dafür, daß sich der erkannteEntladungstrichter mehr und mehr stabilisierte.Wahrscheinlich erfolgte jetzt schon ein stetigerEnergieaustausch zwischen den beiden Universen.

»Ich bin froh, daß Rhodan wieder zu Hause ist«,sagte Poskanow leise. »Das wird die Stimmung inder Flotte heben und erforderliche Maßnahmenbeschleunigt anlaufen lassen. Hauer, ich befürchte,daß wir soeben den Vorabend eines kosmischenKrieges erleben. Was wir bisher unternommen haben,war nichts gegen das, was uns wahrscheinlich nochbevorsteht. Dagegen waren alle Unternehmen undAgenteneinsätze Scharmützel ohne besondereBedeutung.«

Der Kommandant putzte sich geräuschvoll dieNase. Gewissenhaft verstaute er das altmodischeLeinentuch in der äußeren Brusttasche derUniformkombi. Poskanow sah belustigt zu. Hauerwar ein tüchtiger Offizier, nur erschien er manchmaletwas umständlich. Das änderte sich jedoch, sobalder gezwungen wurde, zum Wohle seines SchiffesEntscheidungen zu treffen. Dann konnte er sehrschnell und überraschend hart reagieren.

»Sir«, meinte er schließlich. »Gerne werde ichnicht die Feuerbefehle erteilen, aber wenn es seinmuß, werde ich keine Sekunde zögern.«

Poskanow fühlte, daß mit diesen wenigen Wortenalles gesagt war, was jedermann an Bord derterranischen Schiffe dachte. In den Tiefen desinterstellaren Raumes zeichnete sich ein grauenvollesUnheil ab. Fremde, nichtmenschliche Wesen warendabei, nach dem Lebensraum anderer Völker zugreifen.

Poskanow wurde innerlich ausgeglichen und ruhig,

als er daran dachte, daß er bei einem notwendigenGefecht in reiner Notwehr handeln würde. Es war eingutes Gefühl, dies so ganz genau zu wissen.

»Niemand will den Krieg, niemand sehnt ihnherbei - weshalb kommt er trotzdem?« fragte erklanglos. »Es macht mir durchaus keine Freude, aufandere Intelligenzen zu schießen. Und - bei Gott! -wir haben allerhand Vernichtungsgeräte aufzubieten.Ob das jene wissen, die wir so kurz und einfach>Druuf< nennen?«

»Sie wissen es, Sir«, antwortete Hauer ruhig. Seinebreiten Hände umklammerten die Sessellehnen, alsmüsse er sich und das Möbelstück vor einem Sturz ingrundlose Tiefen bewahren.

»Sie wissen es, Sir!« wiederholte er. Seine Augenwaren auf die leuchtenden Bildschirme derRundumgalerie gerichtet. Die unzähligen Sterne derMilchstraße leuchteten wie immer. Nie schien derRaum leerer und friedlicher gewesen zu sein.

*

Die entscheidende Lagebesprechung zwischen denOffizieren der Flotte und denen der Solaren Abwehrerfolgte Mitte Mai 2044 im Tiefbunker-Hauptquartierdes Oberkommandos.

Die riesigen unterirdischen Anlagen warenausschließlich dazu erbaut worden, um im FalleKolumbus ausreichende Sicherheitsmaßnahmentreffen zu können.

Die in jahrzehntelanger Arbeit erschaffenenBefehlszentren mit all ihren großen und kostspieligenAutomatgeräten bildeten das Nervenzentrum desSolaren Imperiums, von dem Admiral Atlan ironischbehauptet hatte, es wäre - gemessen an arkonidischenMaßstäben! - nicht mehr als ein Hinterwäldlernest.

Perry Rhodan und die führenden Männer der Erdewaren da allerdings ganz anderer Meinung.

Längst vorbereitete Planungen, von den bestenWissenschaftlern und Strategen der Erde schon vorJahren ausgetüftelt, immer wieder ergänzt und aufden neuesten Stand von Wissenschaft und Technikgebracht, wurden in dem erstaunlich kurzen Zeitraumvon nur zwei Stunden aktuell.

Hätte man nicht vorgesorgt, wäre der FallKolumbus nicht immer wieder durchdacht und bishinab zu den kleinsten und nichtigst erscheinendenDetails ausgefeilt worden, hätte das noch so jungeSolare Imperium bereits vor dem Chaos gestanden.

Die Notstandsgesetze traten sofort nach RhodansAnkunft in Kraft. Positronische Spezialcomputergaben die seit Jahren programmierten Impulse an dievollautomatischen Alarmanlagen der irdischenRiesenindustrie weiter.

Die friedensmäßige Fabrikation lief im Zeitraumvon nur dreißig Minuten aus. Neue Daten für

17

Page 18: Der Fall Kolumbus

Bandstraßen, Techniker und verantwortlicheDirektoren wurden gegeben. Die für diesen Fallvorbereiteten Werke des Planeten Erde schaltetenschlagartig um. Eingelagerte Rohstoffe, bestimmt fürdie Notstandsfabrikation, wurden aus den Silos in dieWerkhallen gebracht.

Niemand in Amerika, Europa, Asien, Australienund den besiedelten Polgebieten benötigte in dieserbedeutungsvollen Stunde eine Planzeichnung oderbesondere Anweisungen. Es stand fest, was jederherzustellen hatte.

Die ungeheure Arbeit der letzten Jahrzehntebegann, sich zu lohnen. Das Planungsministerium inTerrania wurde nur vereinzelt durch Rückrufebelästigt.

Die Einberufung der Flottenreservisten erfolgte imgleichen Zeitraum. Startklare Großtransporter derirdischen Luftlinien brachten die Mannschaften zuden bekannten Raumhäfen.

Niemals zuvor hatte es auf der Erde eine sotadellos funktionierende Organisation gegeben. Dieneue Mondbasis lief mit Hochtouren an. Besondersdie kleinen, schnellen Raumschiffe der Jäger-,Zerstörer-, Gazellen- und Space-Jet-Klassenpassierten die Kontrollräume hinter den Bandstraßenin rascher Folge. Terra war stark; unheimlich stark ankleinen und kleinsten Einheiten. In dieser Hinsichtstand die Erde dem Arkonidenreich nicht mehr vielnach, nur hatte man es noch nicht geschafft, großeKampfschiffe ebenfalls in einer derart schnellenProduktionsfolge auszustoßen.

Der Bau eines 500-Meter-Schlachtkreuzers dauerteimmer noch Jahre. Die Fertigstellung einesSuperschlachtschiffes aus der Imperiumsklassewurde trotz allen Rationalisierungsmaßnahmen nachwie vor mit wenigstens 12 Jahren veranschlagt.

Mit den arkonidischen Mammuthilfsmitteln hätteman es in etwa 5 Monaten bewerkstelligen können.

Rhodan, der über die terranische Produktion genauinformiert war, wußte deshalb, wo die Grenzen seinerMacht lagen. Die zahllosen Kleinschiffe konntendem Gegner harte Schläge versetzen; aber wirklichschmerzhaft und entscheidend konnten sie niemalssein.

Es fehlten die schweren und überschwerenWaffen, die aber nur von großen Einheiten getragenwerden konnten. Es mangelte außerdem an modernenGroßraum-Trägerschiffen, mit denen die nur einfachlichtschnellen Zerstörer und Jäger schnell genug zuden Brennpunkten der Front gebracht und dortausgeschleust werden konnten.

Die neuen 100-Meter-Kreuzer der Staatenklassebesaßen keinen hohen Offensivwert. Die Erde warniemals daran interessiert gewesen, andere Völkeranzugreifen und zu unterjochen. Daher waren Schiffeerbaut worden, deren Bewaffnung in der jetzigen

Situation unzureichend war. Staatenkreuzer warenDefensivschiffe; bestimmt für höchsteBeschleunigung und rasch ablaufendeAufklärungsaufgaben.

Das waren die Dinge, die während derEinsatzbesprechung in klarer, nüchternerKonsequenz zur Sprache kamen. Niemandüberschätzte die eigene Stärke, niemand hielt dieMenschheit für allmächtig.

Unter diesen Voraussetzungen kam es zu einersehr gewissenhaften und verantwortungsbewußtenVerteidigungsplanung. Die vorhandenenFlotteneinheiten wurden aufgeteilt, Kommandantenbestimmt und Funksprüche an alle Schiffe außerhalbdes Sonnensystems ausgeschickt.

Es war klar, daß das Auftauchen einesDruuf-Entladungstrichters Terra jählings in eineZwangslage gedrängt hatte. Rhodan maßte sich nichtan, die Sachlage durch Handstreiche oderMutanteneinsätze ändern zu wollen. UnüberlegteSchritte hätten nur zu einer Katastrophe geführt.

Die Bevölkerung der besiedelten Planeten wurdeüber Terra-Television informiert. Die Panzertore derAtombunker öffneten sich und die unterirdischenVersorgungsbänder begannen zu laufen.

Eingelagerte Lebensmittel und Bedarfsgüter allerArt wurden in die Bunker gebracht. Der Verkehr inden irdischen Großstädten stockte mehr und mehr.Fünf Stunden nach Rhodans Landung auf demRaumhafen von Terrania glich die Erde einer vonMenschen entblößten Festung. Von nun an spieltesich das Leben unter der Oberfläche ab. Nur jeneMänner, auf die man nicht verzichten konnte, bliebenim Licht der Sonne.

Tausende von Jägern, Zerstörern und kleinenDiskusraumschiffen dröhnten in den Himmel. Dieschweren Verbände der Solaren Flotte nahmen die inmühevoller Arbeit errechneten Gefechtspositionenein.

All das geschah, noch ehe aus dem leuchtendenSchlund des Entladungstrichters das erste Raumschiffder Druuf aufgetaucht war.

*

Die elektrischen Uhren im Oberkommando derFlotte zeigten die elfte Abendstunde an. DieBesprechung war noch immer nicht beendet. Dieersten wissenschaftlichen Auswertungen über dieNatur der Entladungszone lagen vor.

Die Resultate gaben in erschreckend nüchternerForm darüber Auskunft, was die Menschheit zuerwarten hatte. Crest, der alte, müde gewordeneArkonide, hatte sich bei Rhodan anmelden lassen.

Zusätzlich zu den Fragen der Verteidigung war einProblem aufgetaucht, das der Wissenschaftler Crest

18

Page 19: Der Fall Kolumbus

mit kurzen Worten umriß:»Mit den zur Verfügung stehenden Mitteln kann

nicht festgestellt werden, ob die Existenz eines stabilbleibenden Entladungstrichters zufällig oder gewolltist. Die Erfahrung beweist, daß derartigeEnergiegebilde eine nur kurze Lebensdauer haben,wenn sie durch natürliche Überlappungseffekteaufgebaut werden. Da die von uns geortete Zonebereits seit acht Stunden und in stetig wachsenderRegelmäßigkeit die beiden Zeitebenen verbindet,kann angenommen werden, daß es den Druufgelungen ist, auf künstlicher Basis einen Übergang zuschaffen. Ich erinnere dabei an die von unsverwendeten Spiegelfelder, die ebenfalls den Zutrittzum anderen Raumzeitgefüge erlauben. Es ist nichteinzusehen, warum den Druuf eine ähnlicheEntdeckung nicht gelungen sein sollte. Im Interesseder Verteidigung wäre es angebracht, dasVorhandensein einer für uns gefährlichen Erfindungals gegeben anzusehen.«

Das war alles, was die führenden Mathematikerder Erde zu berichten hatten. Crest war mit ihnengleicher Meinung.

Von da an entschloß sich der Führungsstab desSolaren Imperiums, alle Vorbereitungen für dasAuftauchen von weiteren Entladungszonen zutreffen. Es war Reginald Bull, der diebesorgniserregenden Tatsachen in Worte faßte:

»Mit einem Trichter können wir fertig werden, mitmehreren nicht! Wenn es zu einemMehrfrontenangriff kommt, werden wir gezwungensein, unsere ohnehin schwachen Kräfte aufzuspalten.Das bedeutet den Untergang der Erde. Da es unsinnigwäre, auf einen gütigen Zufall zu hoffen, fordere ichdie sofortige Absendung des vorbereitetenKatastrophenfunkspruches an Atlan.«

Marschall Freyt hielt den Atem an. Allan D.Mercant verzog keine Miene. Rhodan verschränktedie Arme auf dem Rücken und begann mit einemnervenzermürbenden Marsch entlang der riesigenWandbildschirme.

Nach einigen Minuten blieb er wieder vor demKartentisch stehen. Er räusperte sich verhalten.

»Funkspruch an Atlan? Sehr schön; aber das wäredie allerletzte Möglichkeit. Wenn Atlan helfen soll,muß er Schiffe schicken. Das bedeutet, daß er diegalaktische Position der Erde bekanntgeben muß,oder die besagten Schiffe kommen hier niemals an.Von dieser Stunde an wäre allen intelligenten Wesender Milchstraße bekannt, wo man Terra finden kann.Unser langes Versteckspiel wäre zu Ende.«

»Eines Tages werden wir ohnehin mit offenenKarten spielen müssen«, warf Mercant ein.

»Stimmt, eines Tages! Es ist aber meine Absicht,so lange wie möglich unentdeckt zu bleiben. Wir sindnoch zu schwach, um im großen Spiel der

galaktischen Völker offen mithalten zu können.Mercant ...«

Rhodan unterbrach sich überlegend, »Mercant, wirsollten versuchen, die Pläne der Druuf mit Hilfe deruns zur Verfügung stehenden Mittel zudurchkreuzen. Schicken Sie John Marshall zu mir.«

Der Abwehrchef runzelte die Stirn. Er gab denMutanten in diesem Falle keine Chancen.

Als er sich erhob, geschah das, worauf man imHauptquartier seit Stunden gewartet hatte. EinBildschirm leuchtete auf. Major Abucot wurdeerkennbar.

»Funkzentrale der Abwehr«, identifizierte er sich.»Sir, wir haben soeben einen Kurzimpuls dervorgeschobenen Geschwader entschlüsselt. Aus demgeorteten Entladungstrichter tauchen die erstenRaumschiffe auf. Oberst Poskanow hat bis jetzt etwafünfhundert Fremdkörper ausgemacht. Es werdenimmer mehr. Nach den Daten der Umrißortung zuurteilen, ist keiner der fremden Raumer kürzer alszweihundert Meter. Damit dürfte es sich um großeEinheiten handeln.«

Marschall Freyt fuhr sich mit dem Zeigefingerzwischen Hals und Kragen. Reginald Bull zeigte eingefroren wirkendes Lächeln.

»Danke«, unterbrach Rhodans Stimme die lastendeStille. »Rufen Sie mich an, sobald weitereNachrichten einlaufen. Aber nicht wegen eines jedenSchiffes. Fassen Sie die erkennbar werdendenRaumer in sagen wir hundert Stück zusammen.«

Abucot schaltete ab. Er hatte verstanden.»Du hast es ja gut vor«, meinte Bull ironisch.

»Von hundert Stück an aufwärts, wie? Mit wievielDruufraumern rechnest du überhaupt?«

»Nach den Erfahrungen an der Blockadefrontwerden sie mit wenigstens fünftausend Schiffen denersten Angriff fliegen. Sollte der abgeschlagenwerden, kommen sie mit zehntausend zurück.«

Marschall Freyt suchte sich einen Sitzplatz.Rhodan begann wieder mit seiner Wanderung entlangder Wandschirme. Dabei meinte er kaum hörbar:

»Alles kommt darauf an, ob sie uns finden ödernicht. Vorerst scheinen sie das Capellasystem für dasunsere zu halten. Lassen wir sie in dem Glauben.Mercant, rufen Sie endlich John Marshall an undbereiten Sie einen Mutanten-Sondereinsatz vor. Ichhabe eine bestimmte Idee.« Der Abwehrchef ging.Ehe er den Lift erreichte, rief ihm Rhodan nach:

»Hat sich unser Stützpunkt auf Hades noch nichtgemeldet?« Mercant schüttelte den Kopf. »Nein. Derschnelle Kreuzer NIPPON steht aber vor derarkonidischen Blockadefront. DieTransmitterverbindung zu Hades funktionierteinwandfrei. Ich warte stündlich auf nähereInformationen.«

»Sie dürfen nicht über Funk gegeben werden.

19

Page 20: Der Fall Kolumbus

Haben Sie das dem Kommandanten klargemacht?«»Selbstverständlich, Sir. Major Matsuro wird

notfalls dicht vor der Erde aus dem Hyperraumkommen. Wir haben alle Vorbereitungen getroffen,die Hyperschockwelle aufzufangen. Sollten wir aberbis dahin schon entdeckt sein, werde ich Matsuroanrufen. Dann spielt es ja keine Rolle mehr, ob einSpruch angepeilt wird oder nicht.«

Rhodan sah dem Abwehrchef sorgenschwer nach.Es kam nun alles darauf an, keine Fehler zu begehen.

4.

Die STAR OF TERRA, ein älterer, für den Fracht-und Passagierdienst umgebauter Kreuzer derNormklasse, war am 16. Mai, 14.32 UhrStandardzeit, planmäßig vom interkosmischenRaumhafen des Wega-Hauptplaneten gestartet.

Die STAR OF TERRA flog seit einigen Jahren imLiniendienst zwischen den planetarischen Systemender Riesensonne Wega und Sol, da derPassagierverkehr infolge der regenHandelsbeziehungen zwischen Menschen undFerronen ständig zugenommen hatte.

Kommandant war Kapitän Carl Lister, einehemaliger Galaktonaut der Flotte. Lister galt alstüchtig, entschlußfreudig und angenehm in seinenUmgangsformen. Da er außerdem über eine stattlicheKörperfülle verfügte und in behäbiger Jovialität mitPassagieren und Mannschaften zu sprechen pflegte,war er der ideale Befehlshaber über ein Raumschiffder Handelsflotte.

Listers militärische Laufbahn hatte unter einemUnstern gestanden. Es war ihm nie gelungen, dasWohlwollen seiner Vorgesetzten zu erlangen. Unterseinen Kameraden hatte er einfach als chronischerPechvogel gegolten, dem in entscheidendenAugenblicken alles mißlang, was er normalerweiseim Halbschlaf grandios beherrschte. So hatte esLister vorgezogen, aus der Raumflotteauszuscheiden. Seitdem fungierte er als Kommandantder STAR OF TERRA.

Seit sechs Jahren hatte sich weder ein Mißgeschicknoch ein ernsthafter Unfall ereignet. Lister hattedemnach allen Grund anzunehmen, seine altePechsträhne wäre von ihm gewichen. Es war seinSchicksal, daß die bereits vergessene Unglücksserieausgerechnet in jenem Augenblick erneut begann, alses darauf ankam, genau nach den Vorschriften zuhandeln.

Lister hatte im Speisesaal der 1. Klasse mit denPassagieren gegessen, einige seiner altväterlichen,galanten Bemerkungen gemacht und einem jungenMann gestattet, die Triebwerksräume zu besichtigen.

Eine Viertelstunde später waren dieSprungberechnungen beendet gewesen, und die

STAR OF TERR hatte zur Transition angesetzt.Lister überwand die 27 Lichtjahre bis zur unfernenErde grundsätzlich mit nur einem Hypersprung. Erhielt es für sinnlos, die Fahrgäste zweimal einergleichartigen Belastung auszusetzen.

Insoweit wäre alles in bester Ordnung gewesen,wenn Carl Lister nicht genau zu dem Zeitpunkt in dieübergeordnete Dimension eingetaucht wäre, als dieGroßfunkstation von Terrania die für ihn bestimmteWarnmeldung in den kosmischen Raum schickte.

So kam es, daß Kapitän Lister die entscheidendenBefehle nicht hörte. Als sein Schiff 7 Lichtstundenvor der Plutobahn rematerialisierte, hatte Terrania dieWarnsendungen bereits eingestellt. So flog die STAROF TERRA mit achtzig Prozent einfacher LG auf dieGrenzen des Solaren Systems zu.

Pluto stand jenseits der Sonne. Getreu nachSicherheitsvorschriften drosselte Lister die Fahrtnoch weiter. Mit nur siebzig Prozent derLichtgeschwindigkeit schwenkte der Fahrgast- undFrachtraumer auf Zielkurs ein.

Kurz darauf wurde das Unglück des alten Kapitänsvollständig. Ausgerechnet als die erstenDruuf-Raumschiffe aus dem Entladungstrichterhervorkamen, entschloß sich Lister, seine baldigeAnkunft über Hyperfunk mitzuteilen. Er setzte einenlangen, wenig gebündelten Text ab, in dem ernebenbei berichtete, der ferronische Herrscher lägeauf dem Sterbebett. Lister hielt diese Neuigkeit fürwichtig genug, um sie lang und breit auszuwalzen.

Er sendete im Klartext mit gestochen scharfenImpulsen auf der vorgeschriebenenHyper-Handelsfrequenz.

Auch das wäre noch vertretbar gewesen, wenn dieSTAR OF TERRA nicht entgegengesetzt zu demEntladungstrichter aus dem Hyperraum gekommenwäre. So geschah es, daß der breite Richtstrahl dieErde zwar gut erreichte, von dort aus aber in geraderLinie das Capellasystem schnitt.

Nachdem er bereits zwanzig Sekunden langgefunkt hatte, krachte es in demHyperfunkempfänger des Fahrgastschiffes. Dasverzerrte Gesicht eines Majors wurde auf demBildschirm sichtbar.

»Sind Sie wahnsinnig geworden!« dröhnte es inhöchster Lautstärke aus den Lautsprechern. »Sofortaufhören mit Ihrer Funkerei. Abschalten, Sie Narr!Der Fall >Kolumbus< ist eingetreten. Ich lasse Sievor ein Kriegsgericht stellen. Lassen Sie keinen Tonmehr hören. Sie strahlen ja zur Capella hinüber!«

Damit wurde die Verbindung schon wiederunterbrochen.

Kapitän Lister war blaß geworden. SeinerGewohnheit entsprechend, hatte er imNachrichtenraum gestanden, um das Absetzen seinerMeldung persönlich zu überwachen.

20

Page 21: Der Fall Kolumbus

Lister umklammerte die Hand des Funkers. DerMann sah ihn entsetzt an. Natürlich wußte man, wasder Fall Kolumbus zu bedeuten hatte.

»Um Gottes willen«, ächzte der Diensthabende.»Sir, Terrania muß vorher einen Warnruf losgelassenhaben.«

»Da waren wir im Hyperraum«, sagte Listertonlos. Er hatte verstanden, was er angerichtet hatte.Er wußte nun auch, daß die Gefahr aus demCapellasystem kam.

Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, drehte er sichum. Langsam, mit schlafwandlerischer Sicherheit,stapfte er auf den Ausgang zu. Dahinter lag dieKommandozentrale.

Die Neuigkeiten hatten sich schonherumgesprochen. Betroffen sahen die Männer ihremKapitän nach, der blaß und starren Blickes dengroßen Raum durchquerte.

Lister glaubte, jede Empfindung verloren zuhaben. In ihm bohrte und nagte nur der Gedanke anseinen unfreiwilligen Verrat und an das gnadenloseSchicksal, das ihn immer wieder zum Versagerwerden ließ.

Er hätte schreien mögen, aber er brachte keinenTon über die Lippen. Sein schwerer Körper wirktewie der eines verletzten Tieres, das mit letzter Kraftauf die rettende Höhle zustrebt.

Es sollte ihm nichts erspart bleiben; keineSeelenqual und keine geistige Peinigung.

Draußen, vor der Zentrale, standen einigePassagiere. Der II. Offizier der STAR OF TERRA,beauftragt mit der üblichen Führung durch das Schiff,erklärte gerade mit möglichst unverständlichenBegriffen die Vorzüge einer Querschottunterteilung.

Lister fühlte sich am Arm ergriffen. Mrs. Nattan,Gattin des auf Ferrol weilenden Minendirektors derGeneral Cosmic Company, verlieh ihrer Begeisterunglautstarken Ausdruck.

»Oh, lieber Kapitän, das ist ja himmlisch! Ichwußte gar nicht, daß es so etwas gibt. Also diesesRaumschiff ist ja ein Wunderwerk! Und wie das allesfunktioniert, erstaunlich.«

Carl Lister lächelte gequält. »Natürlich, Madam,natürlich funktioniert es.«

Das schrille Lachen der älteren Dame ließ ihnzusammenfahren. Bebend hörte er sich denRedeschwall an, bis er gefragt wurde:

»Sie sehen aber blaß aus, mein Lieber. Fühlen Siesich nicht wohl?«

»Es ... es ist nur der Flug, ha, ha! So ein jungerBursche wie ich wird manchmal raumkrank, ha, ha!«

Kapitän Lister schwankte, als er die Tür seinerKabine hinter sich schloß. Schweratmend fiel er aufdie Couch nieder, um von dort aus blicklos gegen dieDecke zu starren.

»Sie Narr - Fall >Kolumbus< - Kriegsgericht -

Capella - Funkerei ...!« hämmerte es in seinemSchädel. Er preßte die Fäuste gegen die Augen undverwünschte den Tag, als er zum ersten Male diebreiten Stufen der Raumakademie betreten hatte.

*

Nur wenige Menschen hätten die Funktion desfremden Gerätes begreifen können. An Stelle der beiirdischen Positronensystemen üblichenAuswertungskurven und elektromagnetischgesteuerten Bandaufzeichner spie diese Maschineverworren wirkende geometrische Symbole aus.

In ihrem inneren Aufbau unterschied sie sich kaumvon jenen Aggregaten, die von humanoidenLebewesen konstruiert wurden. Die Gesetze derMathematik galten auch für fremde,nichtmenschliche Intelligenzen. Sie besaßen unterBerücksichtigung dieser grundsätzlichenGegebenheiten lediglich die Möglichkeit, die vielenStromkreise ihrer Auffassung entsprechend zuschalten und die Endstufensammler so einzurichten,daß die errechneten Daten in anderer Form erkennbarwurden.

Das waren aber nur Äußerlichkeiten. Wichtig wardie Tatsache der einwandfreien Betriebssicherheit,die in diesem Falle gegeben war.

Das rote, düstere Licht des Raumes spiegelte sichin den großen Augen des fremdartigen Lebewesens.Es stand reglos vor der summenden Maschine, bis dieletzten Zeichen erkennbar wurden.

Ein ultrahoher Pfeifton im Frequenzbereich vonetwa zweihunderttausend Hertz wurde von denkörpereigenen Organantennen des Druufaufgenommen. Mit einer langsam wirkendenBewegung schaltete er den Rechner ab.

Stampfend schritt der drei Meter hohe Gigant aufdie offene, unverkleidete Tür zu.

Riesige Ovalbildschirme und eine Fülle vonabstrakt gestalteten Geräten wurden erkennbar.Dunkle Kugelköpfe mit lippenlosenDreiecksmündern und fluoreszierenden Augenwendeten sich dem Eintretenden zu.

Es war eine groteske Szene. Ein Mensch hätte keinWort gehört, und doch wurde gesprochen. UltrahoheImpulse ersetzten die hörbare Sprache; natürlicheKörperantennen nahmen die Schwingungen auf, umsie dem Gehirn zur Verarbeitung zuzuleiten.

So absolut unverständlich waren sie gar nicht,diese Insektennachkömmlinge aus einer Zeitebene,die nichts mit dem bekannten Universum zu tunhatte.

Das »stumme« Zwiegespräch zwischen denOffizieren und dem Chefmathematiker des langen,stabförmigen Großkampfschiffes erfolgte zirka,sechzehn Minuten nach dem Eingang der

21

Page 22: Der Fall Kolumbus

fremdartigen Hyperfunksendung. Länger hatten dieDruuf nicht gebraucht, um die Peilung vorzunehmen.

Weitere Rechenmaschinen liefen an. Auf einemkugelförmigen Betrachter erschienen die Sterne jenesRaumsektors, der den Entladungstrichter umgab.

Die überraschend feingliedrige Hand eines Druufdeutete auf den Punkt, wo sich die vier Peillinienschnitten. An dieser Stelle war ein kleiner, gelberStern erkennbar.

Das tiefe Donnern des Triebwerks wurde lauter.Das Schiff nahm Fahrt auf. Zugleich wurden dieersten Informationen abgesetzt. Ein soeben aus demEntladungsspalt hervorbrechender Verband vonfünfhundert Einheiten schwenkte ab. Auf denBildschirmen des Führungsschiffs glänzte der Kopfeines Druuf.

Er gab sinngemäß bekannt: »Peilergebnis. SehenSie nach und erstatten Sie Bericht. Ich folge, falls dieUntersuchung positiv ausfallen sollte.«

Fünfhundert Großkampfschiffe verschwanden.Damit geschah etwas, was menschlicheWissenschaftler als ein Hineinmogeln in die fünfteDimension bezeichneten.

Die Druufsche Hyperflugtechnik basierteentgegengesetzt zur arkonidischen Grundmethode aufeinem linearen Bewegungsablauf unter Einflußfünfdimensionaler Gesetze. Es war ein glattesFliegen, kein ruckartiges Springen. In dieser Hinsichtwaren die Druuf allen Lebewesen überlegen, derenHypertriebwerke nach arkonidischen Erfahrungenkonstruiert worden waren.

Das Geschwader verschwand mit einer kurzen undnur sehr flachen Strukturschockwelle und nahm imübergeordneten Raum Fahrt auf.

Es erfolgte weder eine echte Entmaterialisierungwie bei irdischen Schiffen, noch kam es zuschmerzhaften Auflösungsvorgängen und demtotalen Verlust des Bewußtseins.

Sie flogen mit vieltausendfacherLichtgeschwindigkeit auf jenen Punkt zu, von demaus man eine Hyperfunksendung erhalten hatte. DiePeilung war genau, das stand fest! Worüber man sichnicht sicher war, das war die Frage, ob dierhythmischen Zeichen nun von den gesuchtenTerranern stammten, oder von einem zufälligvorbeifliegenden Handelsraumschiff einerunbekannten Zivilisation. In diesem Falle wäre dieGüte der eigenen Peiltechnik zwar glänzendbewiesen gewesen; aber einen praktischen Erfolghätte sie nicht gebracht.

Also sah man erst einmal nach, was nahe diesemunbedeutenden Sternchen vorging. Nach derDruufschen Auffassung, die getreu ihrer Mentalitätmit großen und größten Maßstäben rechnete, erschienes fast ausgeschlossen, daß eine bedeutende Kulturwie die der Terraner unter dem Licht einer so

schwachen Sonne herangewachsen sein könnte.Das Flaggschiff der Druuf-Flotte flog die mächtige

Capella an, aber auf deren Planeten konnte keinintelligentes Leben gefunden werden.

So wurde der Befehl zum Sammeln gegeben.Zweitausend Einheiten, die genau nach Planstündlich um fünfhundert Schiffe verstärkt wurden,fanden sich an den äußeren Grenzen desCapellasystems ein. Der kommandierende Druufbefaßte sich währenddessen mit dem Gedanken, dieumliegenden Sterne in einem Halbmesser vonwenigstens fünfzig Lichtjahren sorgfältig absuchenzu lassen. Um einen höheren Wert konnten sich diefähigen Mathematiker nicht verrechnet haben.

Schließlich entschied sich der Oberbefehlshaber,das Untersuchungsergebnis abzuwarten. Man hatteZeit, sehr viel Zeit! Außerdem konnte man währendder Warteperiode genaue Sternkarten anfertigen unddabei versuchen, die große Blockadefront von diesemfremden Bezugssystem aus zu entdecken.

Sie hatten genau gerechnet und geplant, die Wesenaus der zweiten Zeitebene. Nur hatten sie nicht mitdem Widerstandswillen der Terraner gerechnet.

Der Druufbefehlshaber ahnte auch nicht, daß seineSchiffe längst geortet worden waren. Wenn er es abergewußt hätte, wäre es ihm relativ gleichgültiggewesen. Entscheidend war letzten Endes doch dasAufgebot an kampfkräftigen Raumschiffen. Einefrühzeitige Entdeckung konnte bestenfalls die eigeneSituation erschweren. Erschweren bedeutete abernicht unhaltbar machen.

Man wappnete sich mit Geduld. Aus dem künstlicherrichteten Entladungstrichter quoll ein Geschwadernach dem anderen hervor. Man ging keine Risikenein. Schließlich stieß man in ein fremdes Universumvor, dessen Eigenzeit doppelt so schnell ablief wiedie der zweiten Ebene. Demnach war sich derKommandierende darüber klar, daß er mit seinenSchiffen immer um die Hälfte langsamer sein würdeals der zu erwartende Gegner. Wenn man eine Gefahrjedoch kennt, kann man sich darauf einrichten. DieDruuf beabsichtigten, die Tatsache ihrer schlechtenManövrierfähigkeit durch ein Großaufgebot vonschweren Schiffen und stärksten Waffenwettzumachen.

Diese Taktik hatte sich an der Blockadefrontbestens bewährt. Zum Gelingen des Gesamtplaneskam es nur darauf an, die wohlbekannte arkonidischeFlotte durch sehr starke Kräfte zu binden, Terra zubesiegen und eine zweite Front im Rücken derArkoniden zu bilden. Gelang dies, würde sich dieStrategie der Druuf über Nacht ändern.

Der Oberkommandierende sah nicht ein, warum esnicht gelingen sollte.

5.

22

Page 23: Der Fall Kolumbus

Leutnant Aluf Tehete, Kapitän der 586.Jägerstaffel im Raumjagdverband RJV-64, gehörte zuden ersten terranischen Offizieren, die mit ihrenlichtschnellen Einmannjägern in rasender Fahrt diedichte Aufklärungsphalanx der Druuf-Schiffeangriffen.

Tehetes Jäger war - genau betrachtet - nicht mehrals ein 15 Meter langes und 1,5 Meterdurchmessendes Geschoß, dessen Innenraum zu 90Prozent von dem Hochleistungs-Kompakttriebwerkeingenommen wurde.

Dazu gehörte noch eine starr eingebaute, schwereImpulskanone. Wenn ein solches Monstrum vonGeschütz feuerte, war den Jägerpiloten zumute, alsmüßten sich die schwachen Außenzellen ihrerMaschinen in Staub auflösen.

Die Abwehrschirme waren kläglich; aber nochbescheidener war der Platz, den die Konstrukteuredieser gefährlichen Raumhornissen den Pilotengelassen hatten.

Tehete kauerte in einer schmalen Rundsichtkanzelkurz hinter der scharfen Bugspitze, die gleichzeitigmit der Kanonenmündung identisch war. Eigentlichwar es eine Zumutung, junge Menschen untersolchen Raumverhältnissen ins Gefecht zu schicken.

Trotzdem waren sie damit zufrieden; meistenssogar zufriedener als jene Männer, die in einemdicken Schiff ihren Dienst versahen. Jägerpilotenwaren immer dabei. Sie sahen und hörten, was imRaum geschah, und sie brauchten niemals auf eineFeuererlaubnis zu warten. Sie hatten selbst zuentscheiden, selbst anzugreifen und selbst zuversuchen, ihr Leben zu retten.

Tehete führte seine Staffel in die Angriffsfronthinein, kaum, daß die in den Normalraumzurückkehrenden Druuf-Schiffe von den schnellenKreuzern des RJV-64 geortet worden waren.

Vor sich hatte er den Impuls-Steuerknüppel, dereine artistische Beherrschung der energetischenDüsenquerschnittsverstellungen erlaubte. Die Folgedavon war eine sagenhafte Manövrierfähigkeit, diedie völlig überraschten Druufbesatzungen Minutenspäter zu spüren bekamen.

Das erste Gefecht in der Schlacht um Terrawickelte sich ausschließlich zwischen den irdischenJägerverbänden und den DruufschenErkundungseinheiten ab. Kein einziges schweresSchiff der Solaren Flotte griff ein. Es ging alles vielzu schnell, um die Verlegung der großen Einheitennoch zu ermöglichen.

Die flinken Hornissen der verschiedenenKreuzergeschwader errangen ihren erstenÜberraschungserfolg. Ausgerüstet mit Geschützen,die eigentlich an Bord eines500-Meter-Schlachtkreuzers gehörten, verursachtensie einen Atomorkan, der den Druufverband im

Zeitraum von 17 Minuten zu 85 Prozent vernichtete.Leutnant Tehete dachte an die weiten Steppen

seiner ostafrikanischen Heimat, als er die Hand aufden Feuerknopf am oberen Ende des Impulsknüppelslegte.

Auf dem 30 Zentimeter durchmessenden Schirmder vollautomatischen Zielortung leuchteten diescharfgezeichneten Umrisse eines langen,stabförmigen Raumschiffes. Die grüne Lampe derMaterieortung flackerte hektisch. Damit wurdeeindeutig beweisen, daß es sich bei dem erkanntenObjekt nicht um ein terranisches Raumfahrzeughandelte. Die verwendeten Legierungen warenfremdartig, und die Triebwerksimpulse unterschiedensich ebenfalls von denen terranischer Raumer.

Aluf Tehete stellte fest, daß der von ihmangeflogene Druuf tatsächlich nur halb lichtschnellwar. Demnach stimmten also die Angaben über einedifferierende Eigenzeit von eins zu zwei.

Die größere Schnelligkeit bedeutete einenunschätzbaren Vorteil. Noch entscheidender warenaber die winzigen Abmessungen seiner Maschine, dieinmitten des grenzenlosen Raumes kaum erkanntwerden konnte.

So blieb er auf Zielkurs, bis die Automatik eineEntfernung von nur noch dreihunderttausendKilometern anzeigte.

Es war eine beliebte Jäger-Schußentfernung. DieDistanz war für die eigene Sicherheit noch großgenug, aber die Treffsicherheitsquote lag bei 95Prozent. Der Vorhaltewinkel war klein, und derlichtschnelle Strahlschuß war in einer Sekundedrüben.

Als die Ortungsumrisse des fremden Schiffes nachfeinfühligen Ausschlägen mit dem Steuerknüppel inden grünen Zielkreis einwanderten, drückte Teheteauf den Feuerknopf. Seine Maschine war fastlichtschnell. Vor dem Bug ballte sich kosmischeMikromaterie, die normalerweise überhaupt nichtfühlbar wurde. Die Komprimierungen waren jedemJägerpiloten verhaßt, da sie die sonnenhellenImpulsstrahlen der Kanonen sichtbar werden ließen.War dieses lichtleitende Medium nicht vorhanden,konnten die energetischen Entladungen nicht gesehenwerden.

Tehete fühlte das wilde Rucken seiner Maschine.Vor der Kanzel leuchtete es in hellster Weißglut auf.Es bildete sich ein zerstiebender Feuerball, aus demein etwa zehn Meter langer und schenkelstarkerEnergiestrahl hervorwuchs.

Jenseits dieser Distanz verschwand er plötzlich inder tiefen Schwärze des Raumes. Trotzdem war ernoch da, nur konnte er infolge der dort fehlendenMaterieverdichtung nicht mehr beobachtet werden.

Schmerzhaft geblendet riß der Staffelkapitänseinen Jäger aus dem Anflugkurs. Er war beinahe so

23

Page 24: Der Fall Kolumbus

schnell wie der Waffenstrahl, also kam es darauf an,nicht mit voller Fahrt in das Zielobjekt hineinzurasen.

Als Tehete knapp zehntausend Kilometer über dasDruuf-Schiff hinwegschoß, bildete sich unter ihm einblauweiß strahlender Glutball. Die Energieortungzeigte den Ausbruch starker Atomkräfte an. Dawußte der junge Terraner, daß er den ersten Abschußdieses Krieges verbuchen konnte.

Sein Brüllen ließ die Funker im Flaggschiff desRJV-64 zusammenfahren. Bei Tehetes Geschrei bliebes aber nicht; denn plötzlich schien auf allenHyperfrequenzen die Hölle los zu sein.

Die Piloten waren noch zu jung und noch zukampfunerfahren, um ihre ersten Erfolge mit einemeinfachen Aufatmen hinnehmen zu können. Nochbenötigten sie Anerkennung, das Wort einesFreundes oder das wohlwollende Nicken einesVorgesetzten.

Sie schrien sich die Kehlen heiser und flogen ihreAngriffe mit solchem Elan, daß der starkeDruufverband fast vollständig vernichtet wurde.

Dabei geschah es, daß ein unverhofft aus demHyperraum auftauchender Kreuzer der terranischenStaatenklasse von dem starken Energiestrahl einesJägers so ernsthaft getroffen wurde, daß dreiTriebwerke ausfielen und im MaschinenleitstandFeuer ausbrach.

Kommandant dieses Kreuzers war Major Matsuro,der soeben mit wichtigen Nachrichten von derBlockadeflotte zurückkam.

Matsuro hatte es auf Grund der Wichtigkeit seinerMeldung gewagt, die große Entfernung zwischendem Myrtha-System und Terra mit nur einerTransition zu bewältigen. Bei so weiträumigenSprüngen blieben winzige Fehler aber nur selten aus.

Im Verhältnis zur zurückgelegten Strecke konntedas um etwa acht Milliarden Kilometer zu früherfolgte Eintauchmanöver sogar noch alsausgezeichnete kosmonautische Leistung gelten.

Welcher Jägerpilot den verhängnisvollen Schußabgegeben hatte, war später nicht mehr feststellbar.Die NIPPON schleppte sich mit qualmendenTriebwerken aus der Linie. Noch wagte es Matsuronicht, einen Funkspruch abzusetzen. Da kam ihm derEntschluß des Ersten Administrators zur Hilfe.

Auf allen Raumschiffen der Solaren Flotte,angefangen vom gewaltigen Superschlachtschiff bishinab zum kleinsten Jäger, leuchteten dieBildschirme auf. Rhodan funkte auf derSammelfrequenz. Er wurde überall gesehen undgehört.

»Perry Rhodan spricht. Achtung, an alle: Diebefohlene Funkstille wird ab sofort aufgehoben.Jeder kann sprechen. Halten Sie Ihrevorgeschriebenen Verbandsfrequenzen genau ein,damit Sie sich nicht gegenseitig überlagern. Wir sind

endgültig entdeckt worden. Funksprüche der von denJägern angegriffenen Druuf-Einheiten konntenaufgefangen werden. Spezialisten versuchen dieDechiffrierung. Machen Sie sich mit dem Gedankenvertraut, von nun an mit offenem Visier kämpfen zumüssen. Unser langes Versteckspiel ist beendet.«

Anschließend folgten ausgedehntePositionsanweisungen. Die vielenKreuzergeschwader verlegten mit kurzenHypersprüngen zur äußeren Abwehrfront. Nahe derSaturnbahn wurde der zweite Gürtel mit dem Grosder schweren Schiffe verstärkt. Hier hatte Rhodanpersönlich den Befehl übernommen. Die ersteVerteidigungszone stand unter dem Kommando vonGeneral Deringhouse.

Major Matsuro wartete, bis die wichtigenDurchsagen beendet waren. Erst dann rief er mitDringlichkeitsstufe eins die DRUSUS an. DieVerbindung gelang sofort.

Matsuros Gesicht erschien auf dem riesigenTelekomschirm des Superschlachtschiffes, dessenZentrale seit wenigen Stunden als fliegendesHauptquartier diente.

»Kreuzer NIPPON, Kommandant Major Matsuro«,meldete sich der Offizier. »Ich komme soeben vonder Blockadefront zurück, Sir; aber irgendeinverrückt gewordener Jägerpilot hat mich mit einemDruuf verwechselt. Mein Kreuzer ist nur nochbeschränkt raumtüchtig. Das Feuer imMaschinenleitstand konnte durch Sauerstoffentzugeingedämmt werden, jedoch ist die Zentrale nichtmehr brauchbar. Haben Sie für mich bestimmteAnweisungen, Sir?«

Rhodan verstand sofort. Die NIPPON brachteanscheinend Nachrichten vom Stützpunkt Hades.

»Sprechverbot«, entschied er kurz. »Schleusen Sieeine Gazelle aus und kommen Sie damit an Bord derDRUSUS. Wir holen Sie ferngesteuert herein. IhrErster Offizier übernimmt die NIPPON. Er soll inlangsamer Fahrt den Plutostützpunkt anfliegen, woder Kreuzer in eine Wartekreisbahn zu gehen hat. Istdas noch möglich?«

Matsuro sah sich nach seinem Chefingenieur um.Der Techniker nickte.

»Jawohl, Sir, das werden die Triebwerke nochschaffen. Ob wir allerdings landen können, kann jetztnoch nicht gesagt werden.«

»Gut, die Plutobasis wird von hier aus informiert.Ich erwarte Sie. Fertigen Sie einen Zustandsberichtan. Ich möchte wissen, wie sich der Jägertrefferausgewirkt hat. Wo ist die NIPPON getroffenworden?«

»Mittschiffs, dicht über dem Ringwulst. DerImpulsstrahl durchschlug beide Abwehrschirme,brannte die Panzerung heraus und gab seine restlicheThermo-Energie in der Hauptschaltzentrale ab.«

24

Page 25: Der Fall Kolumbus

Matsuro wunderte sich nicht über das befriedigteNicken seines höchsten Vorgesetzten. Natürlichwollte Rhodan wissen, wie die Jägerwaffen wirkten.Wahrscheinlich war ihm diese Erkenntnis sogar einenLeichten Kreuzer der Staatenklasse wert.

»Okay, das reicht mir. Verlieren Sie nun keine Zeitund schleusen Sie sich aus. Sie haben doch wichtigeNachrichten, oder ...?« -»Und ob, Sir! Sonst wäre ichnicht zurückgekommen.«

*

Major Nako Matsuro fühlte sich im Kreise derhohen Offiziere befangen. Sogar SolarmarschallAllan D. Mercant befand sich in der Zentrale desSuperschlachtschiffes. Es schien etwas geplant zusein, worüber nur wenige Männer informiert waren.

Matsuros Bericht war bereits ausgewertet. Es warihm gelungen, mit den Agenten im Stützpunkt HadesVerbindung aufzunehmen. Nochmals befragt,erklärte der Kommandant des BeobachtungskreuzersNIPPON in knapper Form:

»Jawohl, Sir, die Mitteilungen kamenunverstümmelt an. Captain Rous gibt bekannt, es seiden Druuf gelungen, einen künstlichenEntladungstrichter zu schaffen. Unser kosmischerAgent Ernst Ellert scheint sich in Schwierigkeiten zubefinden. Er teilte Rous mit, er verlöre allmählich dieMacht über den Geist des Druuf-WissenschaftlersOnot. Onot wird vom regierenden Rat der Druufbeschuldigt, an der Vernichtung der großenRechenzentrale nicht ganz unbeteiligt gewesen zusein.«

»Womit die Leute recht haben«, warf Rhodantrocken ein. »Weiter, Matsuro!«

»Das ist eigentlich alles, Sir. Ernst Ellert verstecktsich nach wie vor in diesem Onot. DieFunkverbindung mit dem dreizehnten Planeten desRiesensystems scheint Ellert nicht leicht zu fallen.Captain Rous befürchtet Komplikationen.«

»Und wie war das mit dieserMammut-Raumstation nahe dem DoppelsternSiamed?« erkundigte sich Mercant nochmals.

Matsuro fühlte, daß der so unscheinbar wirkendeMann damit den Kern der Sache berührte.

»Diese Mitteilung kam an, als ich bereits zurTransition ansetzte. Ellert teilte über Rous mit, dieDruuf hätten ein Riesengebilde erbaut. DieRaumstation sei nur zum Zwecke der Errichtungeines künstlichen Ausfalltrichters konstruiert worden.Rous konnte durch Messungen ebenfalls feststellen,daß die Verbindungszone dicht über dieserRaumstation beginnt.«

Mehr konnte Matsuro mit dem besten Willen nichtmitteilen. Er wurde entlassen. Die geschulteBesatzung seines schwerbeschädigten Kreuzers

wurde von einem Flottentender abgeholt und zurMondbasis gebracht. Als Matsuro dort ankam, wurdeihm sofort das Kommando über ein werftneues Schiffübertragen.

Schon sieben Stunden nach der Unterredung mitPerry Rhodan startete Major Matsuro zum erstenProbeflug.

*

Diese sieben Stunden wurden imVerteidigungsplan des Solaren Oberkommandos zueiner entscheidenden Zeitspanne. Einmal legte derLeichte Kreuzer CALIFORNIA unter demKommando des bereits legendär gewordenen OberstJulian Tifflor über dem Ringwulst der DRUSUS an;und zum anderen gab der Druufkommandeurbestimmte Befehle.

Als Matsuro zum Probeflug startete, Oberst Tiffloran Bord des Flaggschiffes kam, der MutantenchefJohn Marshall seine Spezialisten um sichversammelte und fünftausend Einmann-Jäger imSchutze der vorstoßenden Kreuzerverbände den neuzugewiesenen Abwehrsektoren entgegenflogen,glitten die ersten Kampfschiffe der Druuf aus demtarnenden Hyperraum.

Diesmal kam es nicht mehr zu einemVorpostengefecht mit allen Überraschungsmomentenauf terranischer Seite.

Der Schwere Kreuzer CATTANO, Flügelschiffdes RJV-106, explodierte unter dem Salvenfeuer vonvier großen Druuf-Einheiten. Die CATTANO wardas erste Schiff der Solaren Flotte, das bei derSchlacht um Terra verlorenging.

Zur Überraschung der Jägerpiloten setzten dieAngreifer eine Waffe ein, die einem echtenGroßkampfschiff niemals gefährlich geworden wäre.Es handelte sich um Thermonadler, derenursprünglich turmstarke Impulsstrahlen in einemhochenergetischen Kraftfeld-Siebspalter inzehntausende, nur millimeterstarke Waffenstrahlenaufgeteilt wurden. Somit entstand ein atomarerSchrotschuß von enormer Streufähigkeit undhöchster Trefferwahrscheinlichkeit.

Schon einem Beiboot aus der Kaulquappenklassekonnten die dünnen, wenig energiereichenNadelstrahlen nicht mehr gefährlich werden. Wohlaber wurden sie für die winzigen Jäger undDrei-Mann-Zerstörer zum Verhängnis.

Die angreifenden Kleinstraumschiffe der Erdewurden in sechzig Prozent aller Fälle rechtzeitiggeortet und sofort mit den dafür vorgesehenenSpezialgeschützen unter Feuer genommen.

Leutnant Aluf Tehete flog mit seinen Maschinen ineine solche Schrotfront hinein. Weder ihm noch denelf anderen Piloten der 586. Jägerstaffel war es

25

Page 26: Der Fall Kolumbus

vergönnt, weitere Abschüsse melden zu dürfen. Diezwölf Boote vergingen im Feuer der vorstoßendenDruuf-Flotte.

Der Schlachtkreuzer OSAGE wurde von OberstPoskanow eine Sekunde vor der drohendenVernichtung aus der Front gezogen. Die ihmzugedachten Vibratorschüsse glitten unter deranruckenden OSAGE hinweg und verloren sich inden Tiefen des Alls.

Zwei Stunden nach dem ersten Großangriff wurdedie Lage klar. Etwa fünftausend Druuf-Einheitenwaren zum ersten Stoß angesetzt worden, aber ausdem Entladungstrichter quollen in rascher Folge neueFlottenverbände hervor.

Nach drei Stunden wußte Perry Rhodan, daß er mitseinen beschränkten Machtmitteln Terra nicht vordem Untergang bewahren konnte. ErsteDruuf-Schiffe griffen bereits die Plutobasis an, derenfürchterliches Bodenfeuer vorerst noch genügte, dieFremden abzuschießen oder zu verjagen. Langekonnte der Planet aber nicht mehr gehalten werden.

Zu diesen klar erkannten Tatsachen kam noch dieFrage hinzu, ob es den Fremden gelingen würde,einen zweiten Trichter aufzubauen. War das der Fall,konnte die terranische Abwehr nicht mehrwiderstehen.

Oberst Poskanow meldete den Verlust von elfKreuzern seines Raumjagdverbandes. Die von dengrößeren Schiffen ausgeschleusten Jäger undDreimannzerstörer konnten während desRückzugsgefechtes nicht mehr aufgenommenwerden.

So erhielten die Piloten die Anweisung, auf eigeneFaust die dichter werdende Linie der Druuf-Schiffezu durchbrochen, um zu versuchen, die wartendeInnenringflotte unter Rhodans Führung zu erreichen.

Nach der Aufgabe der äußersten Abwehrzonewurde das zu verteidigende Gebiet kleiner. Je näherman zur zentral gelegenen Sonne abschwenkte, umso geringer wurde der Radius der Kampfebene.

Rhodan sah darin eine bessereAbwehrmöglichkeit. Seine wenigenGroßkampfschiffe konnten folgerichtigerkonzentriert und auch schneller an die Brennpunktegeschickt werden.

Fünf Stunden nach Beginn der Druuf-Invasiongriffen zum ersten Male die terranischen Superriesenein. Es waren die 1500-Meter-GigantenHANNIBAL, GENERAL POUN-DER,BARBAROSSA, WELLINGTON undALEXANDER, die nach einer Kurztransitioninmitten des dichtesten Gewühls erschienen, umsofort das Feuer zu eröffnen.

Nur die DRUSUS und die ältere TITAN bliebenals Rückendeckung zurück. Nie zuvor hatten dieDruuf ein solches Unheil erlebt. Sie kannten die

Überriesen der Imperiumsklasse aus früherenErfahrungen, jedoch hatte es sich dabei umrobotgesteuerte Raumer des Arkonidenreichsgehandelt.

Hinter den Geschützen der terranischen Schiffestanden hochqualifizierte Männer, die außerdem sehrgenau wußten, wofür sie ihr Leben einsetzten.

Allein die neue WELLINGTON erzielte imZeitraum von acht Minuten siebenundzwanzigAbschüsse, ohne dabei selbst ernsthaft gefährdet zuwerden. Ihre gewaltigen Schutzschirme fingen allesauf, was die Druuf zu bieten hatten.

So geschah es, daß die nachfolgendenSchlachtkreuzereinheiten leichtes Spiel mit denangeschlagenen Invasoren hatten. Es gabvorübergehend Luft.

Der vorderste Angriffskeil der Druuf wurdezerschlagen, doch schon eine Stunde später wurde dieLücke wieder aufgefüllt.

Zu dieser Zeit rief General Deringhouse dasFlaggschiff an. Sein schmales, von Erschöpfungzeugendes Gesicht erschien auf dem großenTelekomschirm des Flottenflaggschiffes. Rhodanstellte sich vor die Aufnahme.

»Sir, nach meiner Schätzung wird Pluto in dreißigMinuten fallen. Ich kann es nicht länger riskieren, diegroßen Raumer in der Front zu lassen. Die Druufgehen dazu über, jedes erkannte Schiff vom Kreuzeran aufwärts mit wenigstens fünfzig starken Einheitenanzugreifen. Unsere Manövrierüberlegenheit hat unsbisher vor dem Schlimmsten bewahrt. Sir, waswollen Sie tun?«

Rhodan gab endgültig den Rückzugsbefehl. Plutowurde evakuiert und die Verteidigungsanlage denRobotern überlassen. Die Außenringgeschwaderzogen sich bis zur Saturnbahn zurück, wo sie sichsammelten und neue Formationen bildeten.

Rhodan wartete, bis die Verlustmeldungenermittelt worden waren. Als die Zahlen bekanntwurden, sah er sich im Kreise der Stabsoffizier um.

»Meine Herren, der kritische Punkt ist erreicht.Wenn wir noch länger warten, brauchen wir Atlannicht mehr um Hilfe zu bitten. Haben Sie berechtigteEinwände gegen einen Notruf vorzubringen?«

»Ich hätte es schon vor vierundzwanzig Stundengetan«, sagte Reginald Bull ruhig. »Unsere Verlustesind fürchterlich. Die Tatsache, daß wir mehr alszweitausend Druuf abgeschossen haben, hilft uns aufdie Dauer nicht weiter. Niemand hat Einwändevorzubringen!«

Rhodan ging wortlos zur Funkzentrale hinüber. Eswar der wichtigste Augenblick in der Geschichte derArt Mensch. Perry Rhodan, Erster Administrator desSolaren Imperiums, hatte sich entschlossen, diebisher mit allen Mitteln geheimgehaltene Position derErde preiszugeben.

26

Page 27: Der Fall Kolumbus

Die längst vorbereitete Telekomverbindung kamnach vier Minuten zustande. Atlans Gesicht wurdeklar erkennbar. Die große Entfernung von 32000Lichtjahren spielte bei den Hyperfunkfrequenzenkeine Rolle.

»Ist es soweit?« fragte der Arkonide ernst. »Ichbeobachte den Angriff seit Stunden. FünfRobotkreuzer stehen nahe der Capella. Willst dumeine Hilfe? Wenn ja, so bedenke, daß ich meinVersprechen nicht länger halten kann.«

»Ich bitte um die Unterstützung des GroßenImperiums«, entgegnete Rhodan mit schwankenderStimme. »Atlan, wir werden von etwa achttausendDruuf-Schiffen angegriffen. Ich kann die Frontvielleicht noch vierundzwanzig Stunden mit eigenenMitteln halten. Dann werden sie über Mars, Terraund Venus herfallen.«

»Die Schaltungen sind vorbereitet. Mir scheint, alssetzten die Druuf alles daran, die arkonidischenKräfte an der großen Entladungszone zu binden. Ichschicke dir alles, was ich hier entbehren kann. Inetwa zehn bis zwölf Stunden kommt die Flotte an.Gelten die vereinbarten Erkennungssignale noch?«

»Ausnahmslos. Ich werde die terranischenKommandanten verständigen. Die Impulsgebererhalten sofort die abgesprochenenProgrammierungen.«

Nachdem der Arkonide abgeschaltet hatte, saßRhodan noch lange vor dem großen Bildschirm. Erglaubte, die Blicke der Stabsoffiziere in seinemNacken zu spüren.

»Wenn du uns jetzt fragst, ob wir dich für einenVerräter halten, werde ich ernsthaft böse!« sagtejemand.

Rhodan drehte sich um. Reginald Bull standbreitbeinig hinter ihm. Die Blicke der Männer trafensich, bis Rhodan leise entgegnete:

»Nein ... nein, ich werde nicht danach fragen.Großer Gott, wie einfach war das alles! Mit einemeinzigen Funkspruch mache ich alles zunichte, waswir in siebzig Jahren aufgebaut haben. Von nun anwird Terra offen sein; offen für Freund und Feind. Eswird eine neue Epoche beginnen.«

»Ich bin froh darüber, Sir«, erklärte MarschallFreyt. »Lange hätten wir uns ohnehin nicht mehrverstecken können!«

6.

Allan D. Mercant, Chef der Solaren Abwehr, hattedie Besprechung um 13.30 Standardzeit in der großenMannschaftsmesse des Leichten KreuzersCALIFORNIA eröffnet.

Anwesend waren alle Besatzungsmitglieder desSchiffes und die Spezialisten des GeheimenMutantenkorps. Perry Rhodan war noch nicht

erschienen. Er hatte nun andere Aufgaben zubewältigen. Die Vorbereitungen zum Einsatz derMutanten war eine Angelegenheit der dafürprädestinierten Abwehr. Im solaren Raum tobte dieSchlacht um Terra. Die Menschheit war gezwungenworden, zu den Waffen zu greifen. Es war still indem großen Raum.

Mercant faßte zusammen: »Die Geschehnissebeweisen, daß Sie, meine Damen und Herren, trotzIhrer übersinnlichen Fähigkeiten nicht die Machtbesitzen, die Angreifer zu gefährden. Dies ist eineoffene Schlacht, die mit Ihrer bisherigenAgententätigkeit nicht das geringste zu tun hat.Einzig die drei Teleporter unter Ihnen hätten eineallerdings sehr beschränkte Möglichkeit, gegnerischeSchiffe durch den Transport atomarer Sprengkörperzu vernichten. Bis Sie von Fall zu Fall in die Näheeines Druuf-Schiffes gebracht worden wären, könntean anderer Stelle größtes Unheil entstanden sein.Gucky versuchte bereits, in diesem Sinneeinzugreifen. Es gelang in zwei Fällen. Bei seinemdritten Teleportersprung verfehlte er das beweglicheZiel und wäre beinahe getötet worden.«

»Der Druuf nahm Fahrt auf, als ich mich schonkonzentriert hatte«, klang aus dem Hintergrund desRaumes eine dünne Stimme auf. Die kleine Gestaltdes Mausbibers wurde sichtbar.

»Ich sprang daneben, ganz einfach daneben. Dasist mir noch nie passiert.«

»Es wird immer wieder geschehen. Bei einemsolchen Aufgebot von Raumfahrzeugen aller Art sindMutanteneinsätze in dieser Form sinnlos geworden.Bleiben Sie deshalb auf der für Sie bestimmtenEbene und überlassen Sie die eigentliche Schlachtden dazu gebauten Raumschiffen.«

Mercant unterbrach sich und grüßte zu dem soebeneingetretenen Administrator hinüber. Perry Rhodandankte kurz. Über seinem Kopf schwebte Harno, dasseltsame Kugelwesen.

»Sind Sie fertig? Marshall, trauen Sie sich dieSache zu?«

Marshalls hochgewachsene Gestalt löste sich ausder Mauer dicht an dicht stehender Körper.

»Alles klar, Sir. Wir probieren es. Ich sehe ein, daßTelepathen und andere Leute von meiner Art ineinem offenen Gefecht kaum etwas ausrichtenkönnen.«

»Das hat ein kluger Mann schon vor Jahrenbehauptet«, sagte Rhodan gepreßt. »Sein Name istAtlan! Zu Ihrer Information: Ich habe ihn um Hilfegebeten. Er wird uns alle entbehrlichen Raumschiffeschicken. Trotzdem möchte ich nichts unversuchtlassen. Die DRUSUS schert in fünfzehn Minuten ausder Front aus. Oberst Tifflor folgt mit derCALIFORNIA. Ich werde für Sie an dem errechnetenPunkt ein Linsenfeld aufbauen, durch das Sie in

27

Page 28: Der Fall Kolumbus

altbekannter Weise in das Druuf-Universumvordringen können. Nutzen Sie die hohenBeschleunigungswerte des Kreuzers aus. Nehmen SieKontakt mit Stützpunkt Hades auf. Gucky kannversuchen, Ernst Ellert zu erreichen. Er scheint inSchwierigkeiten zu sein. Stoßen Sie insSiamedsystem vor und sehen Sie nach, ob die vonRous gemeldete Raumstation existiert. Ist diesesGebilde tatsächlich identisch mit einem fliegendenKraftwerk zum künstlichen Aufbau desEntladungstrichters, dann tun Sie, was Sie für richtighalten. Tifflor und Sie, Marshall, arbeiten Hand inHand. Tifflor fliegt die CALIFOR-NIA, undMarshall setzt die Mutanten der Lage entsprechendein. Auf alle Fälle müssen Sie versuchen, dieRaumstation zu vernichten. AusreichendeMöglichkeiten sollten Sie finden; denn solcheUnternehmen sind für Ihre Fähigkeiten wiegeschaffen. Von mir können Sie keine Hilfeerwarten. Ich habe hier alle Hände voll zu tun. SeienSie sich deshalb darüber klar, daß Sie ganz allein seinwerden. Ich kann Ihnen auch keineTransmitterunterstützung gewähren. Allevorhandenen Schiffsgeräte werden dringend zurBergung der Verwundeten benötigt. Die Besatzungenlahmgeschossener Schiffe steigen mit Hilfe derTransmitter in unbeschädigte Einheiten um.

Sie sehen also, wie schwierig unsere Lage ist. DenAusdruck >verzweifelt< möchte ich noch nichtgebrauchen; aber es kann sein, daß er in nächsterZukunft akut wird.«

Rhodan unterbrach sich. Sinnend ging er vor derFront der Männer auf und ab.

»Wir alle sind Menschen; wir alle haben einegemeinsame Heimat, die wir schlicht Erde nennen.Gucky und Harno gehören zu uns. Wir sehen andereIntelligenzen nicht als Monstren an, wenn sieaufrichtig sind. Niemand kann etwas für seine äußereKörperform!«

»Danke«, piepste Gucky aus dem Hintergrund.Sein großer Nagezahn erschien.

»Du bist nicht gefragt worden, Kleiner«, meinteRhodan mit einem winzigen Lächeln.

Es lockerte die Spannung in den lauschendenMännern. Ihnen war als hätte Rhodan soeben einenBann gebrochen.

»Sie sollten wissen, daß Sie in einen schwerenEinsatz gehen. Wenn er wunschgemäß verläuft,werden Sie die Nachschubbasis der Druuf von derkämpfenden Flotte abschneiden. Damit hätten wirhalb gewonnen. Natürlich bliebe nach wie vor dasProblem, mit den bereits in unserem Universumanwesenden Feindschiffen fertig zu werden. Das abersoll Ihre Sorge nicht sein. Sehen Sie zu, daß Sie diesegeheimnisvolle Raumstation vernichten können. Esist Krieg! Wenn Sie mit atomaren Waffen angreifen

müssen, dann denken Sie daran, daß die Menschheitum ihr Leben kämpft. Das wäre alles, was ich zusagen habe. Haben Sie noch Fragen?«

Rhodan sah auf die Uhr. Marshall erkundigte sichnoch nach dem Aufgabenbereich des FernsehwesensHarno.

»Harno bleibt hier«, entschied Rhodan. »Ichbrauche seine Gabe dringend, um denFiktivtransmitter der DRUSUS folgerichtig einsetzenzu können. Ich greife damit die Führungsschiffe derDruuf an.«

Anschließend ging der Chef des SolarenImperiums in das Flaggschiff zurück, an dessenFlanken die nur 100 Meter durchmessendeCALIFORNIA wie ein kaum bemerkbarer Auswuchsklebte.

Fünf Minuten später löste sich der Kreuzer aus denmagnetischen Fesseln. Die DRUSUS scherte aus derFlotte aus, nahm Fahrt auf und ging in die Transition.Sie war das einzige Schiff der Solaren Flotte, dasnoch eine Spezialstation zur Errichtung einesLinsenfeldes an Bord hatte.

Hinter ihr verschwand die CALIFORNIA imHyperraum. Beide Schiffe rematerialisierten nacheinem langen Sprung nahe der Blockadefront. Siewar etwa 6300 Lichtjahre von der Erde entfernt.

Knapp zwei Lichtstunden entfernt kämpfte dievereinte Arkonidenflotte mit den durch denEntladungsspalt eindringenden Druuf.

Es war klar, daß die Fremden alles versuchten, diearkonidischen Einheiten zu binden. Ferner wurde esersichtlich, daß ganze Geschwader aus der Frontgezogen wurden. Damit gewann Rhodan dieGewißheit, daß Atlan bereits die entsprechendenBefehle erlassen hatte.

Noch ahnte niemand, daß er hinter demRobotgehirn stand. Seine Anweisungen erfolgten aufder bekannten Frequenz des Computers, weshalb sieanstandslos befolgt wurden.

Die CALIFORNIA stand nur hundert Kilometerhinter der mit Höchstwerten stoppenden DRUSUS.Tifflor flog das Bremsmanöver mit. Als dasFlaggschiff zum Stillstand gekommen war, ging ervorsichtig längsseits. Rhodan erschien auf denInterkomschirmen. »Gut gemacht. Wir sind genaurichtig. Wenn Sie von dieser Stelle aus insDruuf-Universum eindringen, müssen Sie nahe demSiamedsystem herauskommen. Bedenken Sie beiIhren ferneren Aktionen, daß fünfdimensionaleBezugspunkte mit denen der vierten Ebene nichtidentisch sind. Wundern Sie sich deshalb nicht, wennSie die gemeldete Raumstation unfern des PlanetenDruufon entdecken, obwohl der von ihr erzeugteEntladungstrichter runde sechstausenddreihundertLichtjahre entfernt und dicht vor der Erde entstandenist. Es handelt sich um übergeordnete

28

Page 29: Der Fall Kolumbus

Schaltvorgänge, für die räumliche Trennungenunwesentlich sind. Hier die letzten Informationen:

Sollten Sie Erfolg haben, werden wir es durch dasplötzliche Verschwinden des Trichters feststellenkönnen. In diesem Falle komme ich mit derDRUSUS in diesen Raumsektor, baue ein Spiegelfeldauf und hole Sie ab. Wenn Ihr Angriff mißlingt, oderwenn die angenommene Existenz dieser fliegendenKraftstation auf einem Irrtum beruht, landen Sie mitIhrem Kreuzer auf dem Stützpunktplaneten Hadesund warten dort weitere Nachrichten ab. Ich werdeversuchen, Sie in diesem Falle durch einTransmitterschiff der Flotte herausholen zu lassen.Alles klar? Okay, dann fangen wir an.«

*

Oberst Julian Tifflor fühlte ein schmerzhaftesZiehen in der Nierengegend, als sich dicht vorseinem Schnellen Kreuzer die Leuchterscheinungabzeichnete.

Er stand hoch aufgerichtet vor den Bildschirmenund wartete auf die Vervollständigung destechnischen Wunders, das die Wissenschaftler derDRUSUS erzeugten.

Im Augenblick erinnerte er sich an seinen erstenEinsatz, den er in Rhodans Auftrag geflogen hatte.Seinerzeit war es darum gegangen, die galaktischenHändler zu täuschen.

Julian Tifflor lächelte still vor sich hin. Damalswar er ein junger Mann gewesen, den man zumEntsetzen seiner Mitschüler mitten aus denakademischen Abschlußprüfungen herausgerissenhatte. Ein terranischer Chirurg hatte ihm einMikrogerät in den Körper gepflanzt. Es handelte sichum einen organischen Peilsender, den er jetzt noch inseinem Nierenbecken sitzen hatte.

Nun war es wieder einmal soweit. Dicht vor derCALIFORNIA bildete sich ein Übergangsfeld, vondem die differierenden Energieeinflüsse beiderRaumzonen koordiniert wurden. Ein nur dreihundertMeter durchmessender Leuchtkreis erschien mittenim finsteren Raum. Was dahinter lag, konnte mitwenigen Worten nicht erklärt werden.

Tifflors schmales, erstaunlich jung geblichenesGesicht spannte sich. Die Erinnerungen erloschen. Erwußte nur noch, daß es jetzt um die Erde ging.

John Marshall, einer der ersten Mitarbeiter imMutantenkorps, stand hinter ihm. Tifflor sah inAugen, deren Ausdruck keine Rückschlüsse aufMarshalls Gefühle zuließ. Fast gegen seinen Willenmeinte der Kommandant:

»John, wir sollten uns gegenseitig alles Gutewünschen. Ich dachte eben an vergangene Zeitenzurück.«

»Ich auch, Tiff«, entgegnete Marshall leise.

»Wissen Sie, daß wir eigentlich längst tot zu seinhätten? Wir haben auf Wanderer eine Zellduscheerhalten, und unser natürlicher Alterungsprozeßwurde vorübergehend aufgehoben. Tiff unterUmständen wird das unser letzter Einsatz sein.«

»Starterlaubnis«, dröhnte Rhodans Stimme auseinem Lautsprecher. »Los schon, worauf warten Sienoch! Was denken Sie wohl, welche Energien wiraufbieten müssen.« Julian Tifflor gab dieentsprechenden Befehle. Mit leise summendenTriebwerken glitt der modernste Kreuzer der Erdeauf den Leuchtkreis zu. Winzige Korrekturenbrachten ihn genau in die Mitte des Feldes. DreißigMeter davor schaltete Tifflor persönlich auf höhereBeschleunigung.

Das Irrlichtern wurde deutlicher, dann verschwandes. Ein kurzer, ziehender Schmerz überfiel dieMänner, doch das ging rasch vorbei.

Die Funkverbindung mit der DRUSUS erlosch jäh.Rhodans letzte Worte konnten nicht mehr gehörtwerden.

»Manöver beendet, Sir«, klang die Stimme des II.Offiziers auf. »Wir sind durch.«

Tifflor wendete sich den Schirmen zu. Was sie mitHilfe der optischen Außenbordkameras zeigten, waridentisch mit dem düsteren Druuf-Universum, in demalle Farbtöne von einem tiefen Rot überlagert zuwerden schienen. Es war das gewohnte Bild. Tifflorhatte es schon oft gesehen.

Die Ortungsgeräte der CALIFORNIA begannen zuspielen. In einer Entfernung von knapp zweiLichtjahren wurde starker Flugverkehr festgestellt.Desgleichen wurde in kürzester Frist ermittelt, daßder von der Materieortung erfaßte Doppelsternidentisch war mit dem Siamedsystem.

Die dunkelrote Riesensonne besaß einen grünleuchtenden Begleiter. Da es nicht ungewöhnlichwar, Doppelsterne mit einer planetarischen Familiezu finden, hatte man sich bei der ersten Entdeckungder beiden Sonnen keine besonderen Gedankengemacht.

Das hatte sich jedoch geändert, als man festgestellthatte, wie extrem die Umlaufbahnen der 62 Planetenwaren. Einige umkreisten nur das rote Hauptgestirn,andere umliefen beide Sonnen und eine dritte Gruppeschlängelte sich auf widersinnig erscheinendenBahnen zwischen den starken Gravitationsfeldern derSterne hindurch.

Für Julian Tifflor war Siamed schon immer einAlptraum gewesen. Hier schien nichts normal undberechenbar zu sein. Dazu kam noch dieschwankende Eigenzeit des gesamten Universums,über dessen wahre Ausdehnung man so gut wienichts wußte. Die terranische Kosmonautik hatte sichdarauf beschränkt, das Heimatsystem der Druufnäher zu erkunden. Was auf den Planeten all der

29

Page 30: Der Fall Kolumbus

vielen anderen Sterne vorging, entzog sich TifflorsKenntnis. Ihm genügte es auch schon vollauf, daß erwenigstens über den Eingang zu dieser Hölleinformiert war.

Die CALIFORNIA stand ohne Fahrt im Raum.»Das Spiegelfeld ist weg«, gab der Peiler Tanaka

Seiko durch.Tifflor fuhr sich mit der Hand über die Haare. Sein

jungenhaftes, bartloses Gesicht wirkte für einenAugenblick etwas ratlos. Er räusperte sich undblickte sich um.

»Nun ja, es war damit zu rechnen. Die DRUSUSwird an der Front gebraucht. John, was schlagen Sievor? Nähere Anweisungen hat man uns ja leider nichtgeben können.«

Marshall trat näher an die leuchtenden Bildschirmeheran. Die große Rundumgalerie, sonst von demklaren Leuchten vertrauter Sterne erfüllt, vermitteltenun einen bedrückenden Eindruck.

Die Strukturtaster des Kreuzers rumortenununterbrochen. In einer Entfernung von nur zweiLichtjahren waren große Flottenaufgebote dabei,entweder den natürlich entstandenen Entladungsspaltzu durchdringen oder in den schmalen Trichterhalsdes künstlichen Überlappungsfelds einzutauchen.

Die vielen Schiffe entwickelten dabei ein solchesEnergievolumen, daß die sicherlich vorhandenenEigenfrequenzen des gesuchten Ausfalltrichtersüberlagert wurden. Marshall fragte wiederholt in derOrtungszentrale an, aber man konnte ihm keinenäheren Hinweise geben.

Fest stand nur, daß Rhodans Berechnung exaktwar. Man stand nahe vor dem Heimatsystem derDruuf, in dem sich diese rätselhafte Raumstationbefinden sollte.

Vorerst aber konnte sie nicht ausgemacht werden.Die Distanz war zu groß, die gewaltige Masse dervielen Planeten störte, und die mit Vollast laufendenTriebwerke zahlloser Kampfschiffe sorgten überdiesdafür, daß die noch durchkommenden Restspurennachhaltig verwischt wurden.

John Marshall ertappte sich bei einer geharnischtenVerwünschung, die die Mutantin Betty Toufryzusammenfahren ließ.

»John!« mahnte sie vorwurfsvoll. Der MausbiberGucky lachte schrill. Er schien das einzige völligunbekümmerte Lebewesen an Bord zu sein.

Gähnend trippelte der Kleine in die Mitte derZentrale, stemmte die zierlichen Hände in die Seitenund stützte sich mit dem breiten, löffelartigenBiberschweif gemütlich ab.

»Ja, wenn ich nicht wäre!« erklärte er großartig.»Großmaul«, sagte der doppelköpfige Mutant Iwan

Goratschin mit seinem rechten Schädel. Iwan, derAltere, lachte vergnügt.

Guckys schmales Mausgesicht verzog sich

verächtlich. Die großen Ohren drehten sich dem 2,50Meter hohen Riesen mit dem klobigen,grünschuppigen Körper zu.

»Ihr seid nicht gefragt worden. Dagegen habe ichfestzustellen, daß ...«

»Was?« unterbrach Marshall. »..., daß uns garkeine andere Wahl bleibt, als in das Systemhineinzuspringen«, beendete Gucky ungerührt denSatz. »Was wollt ihr sonst tun? Von hier aus kriegenwir keine Verbindung. Auf Hades gibt es keinenTelepathen, und zu einem Hyperspruch rate ich nicht.Ernst Ellert ist ein guter Mann; aber er scheint zusehr mit diesem Druufwissenschaftler beschäftigt zusein. Ich hatte schon letztens bemerkt, wie sehr sichOnot gegen Ellerts geistige Beeinflussung wehrt.Also bleibt gar keine andere Wahl, als ...«

»Was?« fiel Marshall erneut ein. »Ich möchte nichtdauernd unterbrochen werden«, piepste derMausbiber wütend. »Unverschämtheit. Kann ich jetztendlich reden?«

Marshall winkte lethargisch ab. Tifflor setzte sichergeben in den nächsten Sessel.

»Na also«, beruhigte sich Gucky. »Ich schlage vor,bis auf wenigstens zehn Lichtstunden heranzugehen.Von da aus werde ich Ellert wahrscheinlich anrufenkönnen. Notfalls müssen John, Betty, Ishy Matsu undich einen telepathischen Sendeblock bilden, damitwir Ellert auch wirklich erreichen. Er dürfte wissen,wo die Station zu suchen ist. Vielleicht können wirganz und gar darauf verzichten, den gefährlichenFunkkontakt mit Captain Rous auf dem dreizehntenPlaneten aufzunehmen. Wenn das fliegendeKraftwerk explodiert, wird er schon merken, daß wiretwas unternommen haben. Nun, was haltet ihrdavon?«

Marshall reinigte gedankenverloren seineFingernägel.

»Hahemm ...!« räusperte sich die Telepathin IshyMatsu verweisend. John steckte die Hände in dieHosentaschen. Sein Blick suchte den Kommandantender CALIFORNIA.

»Tiff, was halten Sie davon? Hat der Kleine einegute Idee, oder liebäugeln Sie mit anderenAbsichten?«

»Ich sehe keinen besseren Weg. Es gäbe nochandere Möglichkeiten, aber die sind umständlicherund ebenso gefährlich. Wir sollten es riskieren. Ichmuß den Anfang des Entladungstrichters finden, ganzgleichgültig, ob er nun auf einem Planeten, oder aufeiner Raumstation erzeugt wird. Dabei hoffe ich nur,daß sich unsere Agenten nicht geirrt haben.

Wenn der Übergangskelch doch natürlichentstanden sein sollte, können wir getrost umkehren.«

Marshalls Gesicht verschloß sich. Tiff wurdeunruhig, als er die dunklen Augen sah. Sie schienenin einem inneren Feuer zu brennen.

30

Page 31: Der Fall Kolumbus

»Auch dann nicht!« betonte der Chef desMutantenkorps. »Aus Atlans Erzählung über denUntergang von Atlantis ist bekannt, daß es ihmdamals gelang, ähnliche Energiegebilde durch dasFeuer von umgebauten Impulstriebwerken zumEinsturz zu bringen. Wir werden uns gegebenenfallsdanach richten und das tun, was arkonidischeRaumfahrer schon vor zehntausend Jahrenwirkungsvoll demonstriert haben. Okay, fliegen wirlos?«

Julian Tifflor erhob sich. Er hatte vollkommenverstanden. John Marshall war felsenfestentschlossen, der unheimlichen Erscheinung so oderso ein Ende zu machen.

Die Mutanten zogen sich in die Messe zurück. Mitder Schiffsführung hatten sie nichts zu tun.

Eine halbe Stunde später waren dieSprungberechnungen beendet. Tifflor hatte siedreimal wiederholen und die sich abzeichnendenUnsicherheitswerte miteinander auf einengrößtmöglichen Genauigkeitsfaktor abstimmenlassen.

Nach menschlichem Ermessen mußte dieCALIFORNIA »auf dem Punkt« aus dem Hyperraumkommen, der für die Druuf-Ebene ebensolcheGültigkeit hatte wie für das Einstein-Universum.Schon diese Tatsache hatte bei dem erstenEindringen in die zweite Zeitzone bewiesen, daß siein sich stabil war.

»Transition etwa sechs Minuten nachFahrtaufnahme«, gab Tifflor über dieRundsprechanlage durch. »Raumanzüge anlegen, dieEinsatzmutanten arkonidische Kampfmonturen. Eskann sein, daß die Teleporter schneller springenmüssen, als wir glauben. Ich möchte eine sichabzeichnende Chance auf keinen Fall durchNachlässigkeiten versäumen. Marshall, nehmen Sievom Waffenoffizier die vorbereiteten Mikrobombenin Empfang und verteilen Sie sie an Ihre Leute. Esmuß notfalls wie am Schnürchen gehen.«

Der Leichte Kreuzer erwachte zum Leben. Mit aufVollschub laufenden Triebwerken nahm er Fahrt auf.Die hundertfünfzig Männer der Besatzung kanntendas Stadium der beginnenden Nervenbelastung. Mangab sich alle Mühe, die erforderlichen Meldungenkurz und exakt abzufassen.

Die Andruckabsorber nahmen die wahnwitzigenBeharrungskräfte der hohen Beschleunigung auf.Niemand an Bord spürte, daß die CALIFORNIA mitetwa 1000 km/sec hoch zwei durch das fremdeUniversum schoß.

Für Julian Tifflor waren die Flugeigenschaften desSpezialschiffes hochwillkommen. Wenn man denDruuf waffentechnisch auch unterlegen war, so besaßman doch einen Raumer, den kein anderes Schiff imgesamten Druufbereich an Beschleunigungs- und

Höchstfahrtwerten überbieten konnte. Zudemerreichten die Druuf-Einheiten infolge derverschiedenartigen Eigenzeiten ohnehin nur die halbeLichtgeschwindigkeit.

Anders sah es aus, sobald sie in die lineareTransition gingen. Da waren sie wiederum denterranischen Konstruktionen überlegen.

Nach knapp sechs Minuten begann die Kugelzelledes Leichten Kreuzers heftig zu vibrieren. DieTriebwerke liefen längst mit zusätzlicherStützmasseneinspritzung, damit dieFahrtbeschleunigung auf den erforderlichen Wertengehalten werden konnte.

Zehn Sekunden vor der Transition schaltete Tifflornochmals die Bildschirme der Interkomanlage ein.

»Wir springen. Ist bei Ihnen alles klar, John?«»Okay, wir sind fertig. Viel Glück.«Dann kam der im Knochenmark saugende

Schmerz der gewaltsamen Entmaterialisierung. Manwar daran gewöhnt, und doch bedeutete jederHypersprung eine Tortur für den gesamtenOrganismus.

Die CALIFORNIA verschwand aus derDruufschen Normalebene. Eine Schockwelle wurdeinfolge der eingeschalteten Strukturabsorber nichtverursacht. So bestand die Aussicht, überraschendvor dem Siamedsystem auftauchen zu können.

7.

Die Librationsschwankung des 13. Planeten botAnlaß zur Sorge. Es stand fest, daß man sich aufeiner unmöglich erscheinenden Umlaufbahn mehrund mehr der roten Riesensonne näherte.

Nach astronomischen Begriffsbestimmungen warsie nicht sehr heiß; aber für die Besatzungsmitgliederdes terranischen Stützpunktes Hades glich sie einemAtomofen, dessen lohendeWasserstoff-Flammenzungen alle Augenblicke denPlaneten vergasen konnten.

Hades war ein sogenannter Umlaufdreher, der stetsden gleichen Oberflächenteil dem Gestirn zuwendete.Auf der Tagesseite herrschten mittlere Temperaturenvon plus 168 Grad Celsius. Die ewige Nachthälftehatte ihre letzten Wärmespuren längst in den freienRaum abgestrahlt. Die dortigen Temperaturen lagennahe absolut Null.

Der Stützpunkt war inmitten der Zwielichtzoneerbaut worden. Sie war knapp achtzig Kilometerbreit, unterlag aber so hohenAusdehnungsschwankungen, daß ihre Umrisse wenigbeständig waren.

Captain Marcel Rous schaute auf die Spezialuhram Handgelenk seines schweren Raumanzuges. DasKlimagebläse im hinteren Teil des übergroßenDruckhelmes übertönte die geringen, von außen

31

Page 32: Der Fall Kolumbus

kommenden Geräusche.Hades hatte sich wieder um den Bruchteil eines

Grades gedreht. Anscheinend unterlag der nurmarsgroße Planet den Gravitationseinflüssen desnahen Riesensterns so stark, daß ein beachtlicher Teildes bisherigen Zwielichtgürtels in den Bereich derSonnenstrahlung geriet.

Blinzelnd, tief beunruhigt, sah Rous zu denunfernen Hoffnungsbergen hinüber. In ihre Flankenwar beim ersten Vorstoß eine getarnte Höhlenstationeingebrannt worden, die man im Laufe der Monateerweitert und ausgebaut hatte.

Es war heller geworden. Tiefrote Lichtspeerewuchsen über dem scharfkantigen Grat in dendunklen Himmel empor. Es konnte nicht mehr langedauern, bis das schattige Gelände einemSchmelztiegel glich.

Rous zog sich schwerfällig in die Deckung einessteil aufragenden Felsens zurück. Es wurde höchsteZeit, die ungemütliche Außenwelt zu verlassen, umin den gut temperierten Räumen des StützpunktesUnterschlupf zu suchen.

Weiter hinten, knapp einen Kilometer entfernt,verflüchtigten sich bereits die ersten festgefrorenenGase. Es wurde eindeutig wärmer. In wenigenStunden würde man einen Gassturm von beachtlicherStärke erleben.

Captain Rous entschloß sich, seinenBeobachtungsposten zu verlassen. Ehe er es jedochtat, beugte er nochmals den Oberkörper nach hinten,um somit sein Gesichtsfeld zu erweitern.

Hastig atmend, sah er in den sternflimmerndenRaum hinaus, der hier praktisch über derplanetarischen Oberfläche begann. Die geringenGasspuren konnten nicht als Atmosphäre bewertetwerden.

Rous sah das, was die Männer derCALIFORNIA-Besatzung nicht hatten entdeckenkönnen. Mitten im leeren Raum stand das dunkelrotleuchtende Fanal der Druufschen Technik. Es begannals dünnes, schlauchartiges Gebilde nahe demsechzehnten Planeten, um sich von dort aus in derunermeßlichen Weite zu verlieren.

Wenn sich Rous noch weiter zurücklehnte, konnteer die beginnende Trichterbildung bereits deutlichsehen.

Ächzend, mit den Händen nach einer Stützesuchend, richtete sich der Captain auf. Der schwereRaumanzug war hinderlich, und jede Bewegungwurde trotz der geringen Schwerkraft von nur 0,35Gravos mühevoll.

Rous dachte daran, daß es ihm seit Tagen schonnicht mehr gelungen war, einen Nachrichtenkontaktmit dem terranischen Verbindungskreuzerherzustellen. Eigentlich hätte zu jeder Stunde einTransmitterschiff vor der unfernen Entladungszone

stehen müssen.Rous fühlte sich auf seiner vorgeschobenen

Position etwas verloren. Die letzten Informationenüber die Geschehnisse in der fernen Heimat hatte ervon Major Matsuro, dem Kommandanten derNIPPON erhalten.

Matsuro hatte von einem Druufüberfallgesprochen, und anschließend war er mit seinemKreuzer verschwunden.

Rous konnte sich vorstellen, was nun im SolarenSystem geschah. Er verwünschte sich und dasSchicksal, das ihn an diesen Höllenplaneten fesselte.Mißmutig sah er nochmals zu dem nahen Höhenzughinüber. Der Gaswind wurde stärker, und dieeinfallende Sonnenstrahlung gewann an Intensität.Wenn es nach Rous gegangen wäre, hätte er schon inden nächsten Stunden diesen verlorenen Postenaufgegeben.

Mit dem Gedanken beschäftigt, überraschte ihndas Klacken im Helmlautsprecher des Funkgerätes.Leutnant Kagus meldete sich. »Hallo, Marcel, lebstdu noch?«

»Danke für die freundliche Nachfrage«, knurrteRous übellaunig. »Wenn ich könnte, würde ichdiesen Steinklumpen verspeisen. Die Librationnimmt zu. In drei bis vier Stunden haben wir vor demHöhleneingang runde zweihundert Grad Celsius.«

»Oh, wie gemütlich. Deshalb solltest du um soschneller zu mir eilen. Ich glaube, wir haben soebendie Transition eines terranischen Schiffesangemessen. Jedenfalls entstand keine normaleSchockwelle, und das Flattern eines Druufraumerswar es auch nicht. Es könnte gut möglich sein, daßjemand im Schutz der Eigenfrequenz-Absorber inden Hyperraum gegangen ist.«

»Und das sagst du jetzt erst!« schrie Rous.»Wieso jetzt erst? Ich habe gerade angefangen zu

sprechen.«Der Captain setzte sich in Bewegung. Nach zehn

Minuten erreichte er das schmale Mannschott, dasvon außen so vorzüglich getarnt war, daß man es nurdurch einen Zufall entdecken konnte.

Ungeduldig beobachtete er das gemächlicheAufschwingen der dicken Panzerpforte, hinter der dieenge Luftschleuse begann. Als das Zischen deseinströmenden Gasgemisches hörbar wurde, hieb ermit der flachen Hand auf den Auslösekontakt dermagnetischen Helmhalterung. Seine unter Überdruckstehende Atemluft entwich schallartig.

Ohne auf den salutierenden Posten zu achten,rannte Rous den Gang hinunter. Die Ortungs- undFunkzentrale des Stützpunktes wurde von denMännern der Besatzung umlagert.

Links davon begannen die großen Hohlräume mitden darin aufgestellten Materietransmittern. Mitdiesen Geräten war es bisher immer möglich

32

Page 33: Der Fall Kolumbus

gewesen, die direkte Verbindung mit den schnellenSchiffen der Solaren Flotte herzustellen, ohne dabeigezwungen zu sein, einen gefährlichen Durchbruchzu versuchen.

Materietransmitter arbeiteten auf übergeordneterBasis. Wenn zwei der Geräte genau aufeinanderabgestimmt waren, konnte es trotz bestehenderUmwelteinflüsse kaum zu einer falschen Verbindungkommen. Einmal war es geschehen; aber dieseFehlerquelle war mittlerweile beseitigt worden.

Jemand zog die Schiebetür auf. Rous stolperte inden Raum und ließ sich erschöpft auf einenhochlehnigen Drehstuhl fallen.

Leutnant Kagus saß angespannt vor denFeinpeilern. Ohne sich umzudrehen, sagte er:

»Sie sind schon wieder in den Normalraumeingetaucht. Ich wette um meinen Kopf, daß es sichum ein terranisches Schiff handelt. Die flacheMeßkurve ist ganz typisch. Jemand ist mit einemE-Absorber gesprungen. Hier, sieh dir das an.«

Rous zerrte sich den hinderlichen Raumpanzervom Körper. Achtlos ließ er ihn zu Boden fallen.

Das Meßdiagramm war in der Tat typisch. EineStrukturerschütterung hatte nicht aufgenommenwerden können. Lediglich die Reststrahlung einesKompensators war durchgekommen und von denhochempfindlichen Spezialgeräten aufgefangenworden.

»Wer kann das sein?« murmelte Rous vor sich hin.»Hast du eine Ahnung? Vor allem: Wie ist das Schiffin den Druufraum gekommen? Wenn es dieEntladungsfront durchbrochen hätte, wären wir schondurch das Feuerwerk aufmerksam geworden. SeitTagen lassen die Druuf niemand mehr durch. Siehaben mehrere Flotten direkt vor der Zone stehen.«

Noch intensiver beobachtete er die Skalen desEF-Peilers. Weitere Ausschläge wurden aber nichtmehr verzeichnet.

Kagus nahm die Kopfhörer ab. »Wenn ich michnicht irre, hat man sich zu Hause an die altenLinsenfeldgeneratoren erinnert. Damit kann manauch in die zweite Ebene kommen. Wir sollten unsauf eine baldige Feldüberlappung vorbereiten.«

Rous Augen verkniffen sich. Prüfend sah er denFreund an.

»Feldüberlappung? Soll das heißen, daß du dasZusammenbrechen des Ausfalltrichters erwartest?«

»Genau das. Wenn der Chef einige Leute durch einLinsenfeld in den Druufraum gebracht hat, dannwerden es keine normalen Menschen sein. Ich denkean einen Mutanteneinsatz. Schließlich haben wir demKommandanten der NIPPON mitgeteilt, welchseltsames Gebilde ganz in unserer Nähe entstandenist. Ich kann mir zwar nicht vorstellen, wie ein hieraufgebauter Entladungstrichter als Hilfsmittel füreinen Überfall auf die Erde dienen soll; aber er ist

immerhin vorhanden. Außerdem kann nichtangenommen werden, daß Major Matsuro seinWissen für sich behalten hat. Somit erscheint es mirlogisch, daß Perry Rhodan etwas unternimmt.«

Er tippte mit dem Fingernagel auf denAuswertungsstreifen des Peilers. Marcel Rous nicktesinnend.

»Abwarten, was geschieht. Wenn unsere Leutehier sind, dann werden sie sich hüten, unsanzufunken. Die Peilgefahr ist jetzt zu groß.Immerhin sollten wir uns auf Unannehmlichkeitenvorbereiten. Unter Umständen werden siegezwungen, auf Hades zu landen. Sergeant Eicksen,Sie übernehmen ab sofort mit Ihrer Gruppe dieWache im Transmitterraum. Wenn die Maschinendas Grünzeichen geben, möchte ich augenblicklichbenachrichtigt werden.«

Damit war das Grundsätzliche besprochen. Diekleine Besatzung der Agentenzentrale Hades wußte,was draußen im Raum gespielt wurde.

Was sie nicht ahnte, das war der Umfang derDruuf-Invasion. Für ihre Begriffe mußte der Trichternahe der natürlich entstandenen Entladungszone dasEinstein-Universum durchbrochen. Er kam aber naheder Erde heraus; und das war ein kleiner Unterschied.

Rous und Kagus verließen die Ortungsstation. Vorder Tür erkundigte sich der Captain:

»Du glaubst wirklich an deine Theorie? EinMutanteneinsatz?«

Kagus schmales Gesicht verzog sich zu einerGrimasse.

»Du solltest die Leute eigentlich besser kennen alsich. Meinst du etwa, die hätten unsere Meldung nichtsofort ausgewertet? Auf alle Fälle ist vor wenigenMinuten ein terranisches Schiff in die Transitiongegangen. Diese muß im Druufraum erfolgt sein,oder wir hätten sie nicht feststellen können. Wennunsere Leute den Trichter finden, können wir uns aufallerlei gefaßt machen.«

»Wenn sie nicht vorher abgeschossen werden«,entgegnete Rous ernst. »Das Siamedsystem wimmeltvon Kampfschiffen aller Art.«

Der Aufenthalt in einer Entfernung von zehnLichtstunden außerhalb des Siamedsystems war nurkurz gewesen. Oberst Julian Tifflor hatte sofort dienächste Transition vorbereitet, nachdem es sichherausgestellt hatte, daß man von den Druuf nichtgeortet worden war.

Dabei war der CALIFORNIA der rege Flugbetriebzur Hilfe gekommen, der im Raum der 62 Planetenherrschte. Für bodengebundene Stationen mußte esunmöglich sein, den relativ kleinen Kreuzer aus derMasse der eigenen Fahrzeuge herauszusieben.

Der Trichter war noch nicht erkennbar gewesen.Anläßlich der fieberhaften Suche war einWissenschaftler des Teams endlich auf den richtigen

33

Page 34: Der Fall Kolumbus

Gedanken gekommen! Eine Energieortung warinfolge der vielen Überlagerungseffekte vorerstausgeschlossen, das war klar! Eine optischeErkennung hätte aber hinsichtlich der gewaltigenGröße eines solchen Trichters längst fällig seinmüssen. Als man sich noch fragte, ob man überhauptan der richtigen Stelle angekommen sei, meinte derbetreffende Physiker nach einer fürchterlichenVerwünschung:

»Wie lange existiert der Trichter? Seit einigenTagen, was? Und wie schnell ist der Lichtstrahl imDruufraum? Knapp einhundertfünfzigtausendKilometer pro Sekunde. Demnach brauchen wir unsnicht zu wundern, daß wir die Erscheinung nichtsehen können. Das Licht ist noch nicht da, meineHerren! Fliegen Sie weiter und es wird sich zeigen,woran wir zu spät gedacht haben!«

Das war der eigentliche Grund, der Tifflor zurzweiten Transition veranlaßt hatte.

Jetzt, nach dem zweiten Eintauchmanöver, waralles klar. Die großen Bildschirme derPanoramagalerie konnten die Leuchterscheinungnicht in ihrer vollen Größe erfassen. Tifflor schätztedie Höhe auf wenigstens zehn Milliarden Kilometer.Der Trichtermund mochte dort, wo er plötzlich imZuge des Übergangs unsichtbar wurde, etwa zwanzigMillionen Kilometer durchmessen.

Das waren gewaltige Maße, jedoch waren sie fürastronomische Begriffe sehr klein und unbedeutend.Auf alle Fälle reichte die Weite der Zone aus, umganzen Flotten ein ungehindertes und fast gefahrlosesEindringen in den Einstein-Raum zu ermöglichen.

Die Ortungsgeräte der CALIFORNIA sprachenununterbrochen an. Man war nahe dem fünfzehntenPlaneten aus der übergeordneten Ebene gekommen.Planet Nr. 16, die Heimatwelt der Druuf, war nochknapp 250 Millionen Kilometer entfernt. Auf denVergrößerungsschirmen der überlichtschnellenMassenortung schimmerte Nr. 16, genannt Druufon,schon als faustgroßer Ball.

Ganz in seiner Nähe begann das schlauchartigeEnde des künstlich erzeugten Ausfalltrichters, derdem Solsystem zum Verhängnis geworden war.

Tifflor hoffte wenigstens, daß die Erscheinung aufkünstlicher Basis beruhte. Von der gemeldetenRaumstation war noch nichts zu entdecken. Tifflordachte daran, den Stützpunkt Hades anzurufen undum nähere Informationen zu bitten.

Schließlich unterließ er es aber. Ein Funkspruchkonnte verräterischer sein als das Auftauchen desKreuzers.

Das Donnern der überstarken Kompakttriebwerkeerschütterte die Zelle in allen Verbänden. Noch warman dabei, die lichtschnelle Eintauchfahrtaufzuheben, um während des Stillstandes zuversuchen, genauere Ortungsergebnisse zu erhalten.

Außerdem war es eine alte Tatsache, daß einbewegungsloser Körper wesentlich schwierigerauszumachen war als ein rasch fliegendes Schiff.Tifflor setzte alles auf eine Karte. Er ahnte, daß ihmein zweiter Anflug nicht mehr gelingen würde.

Drei Minuten später kam die CALIFORNIA zurRuhe. Fahrtlos im Raum schwebend, begannen dieOrtungsspezialisten erneut, nach der Raumstation zusuchen. Die eingehenden Echos stammten aberimmer wieder von startenden oder landendenDruuf-Schiffen. Der sechzehnte Planet schien einFlottenstützpunkt ersten Ranges zu sein. Je näherman der Störquelle kam, um so ungenauer wurdendie eigenen Meßergebnisse.

»Versuchen Sie es weiter«, befahl Tifflor.»Solange wir unentdeckt bleiben, spielt derZeitverlust keine Rolle! Oder wenigstens für unskeine Rolle. Daran, wie es zu Hause aussieht, möchteich lieber nicht denken.«

Der Kommandant wollte anschließend JohnMarshall anrufen. Er unterließ es, als ihm IwanGoratschin mitteilte, Marshall wäre beschäftigt. Sobegnügte sich der Oberst damit, die seltsame Szenemit Hilfe der Bildverbindung zu beobachten.

In dem gefechtsklaren, waffenstarrenden Kreuzer,einem Sinnbild der Realität und des technischenFortschritts der menschlichen Zivilisation, hatte sicheine eigentümliche Versammlung gebildet.

Die telepathisch veranlagten Mitglieder desMutantenkorps standen dicht beisammen und hieltengegenseitig ihre Hände umklammert.

Es waren Gucky, John Marshall, Betty Toufry undIshy Matsu. Ihre Gesichter wirkten leer und die weitgeöffneten Augen ausdruckslos.

Außer ihnen war niemand anwesend. EinWillensblock, erzeugt von mehreren fähigenTelepathen, durfte auf keinen Fall durch Geräuschegestört werden.

Nur die Fernkameras der optischen Aufnahmeliefen; aber die verursachten keinen Lärm.

Marshall fungierte als Sprecher der Willensgruppe.Die drei anderen Mutanten stellten ihm durchKontaktüberleitung lediglich ihre Kräfte zuVerfügung, die Marshall sowohl für seine eigeneSendung als auch für die notwendige Verstärkung derin seinem Hirn einlaufenden Impulse verwendenkonnte.

Der Kontakt kam nach zehn Minuten intensivsterGedankenausstrahlung zustande.

Die Entfernung war an sich geringfügig geworden.Indem Ellert, dessen Persönlichkeit durch einseltsames Geschick von der desDruuf-Wissenschaftlers Onot Besitz ergriffen hatte,so spät auf die dringenden Anrufe antwortete, wurdees klar, daß er sich tatsächlich in Schwierigkeitenbefand.

34

Page 35: Der Fall Kolumbus

Immer wieder schickte Marshall den vereinbartenImpuls aus, was schließlich zum Erfolg führte.

In Johns Unterbewußtsein wurde eine leise Stimmevernehmbar.

»Wer ruft? John ...?«»Du bist in Not, wir fühlen es. Wir haben einen

Block gebildet. Können wir dich unterstützen?«»Nein, macht schnell. Ich konnte nur mit Mühe den

rebellisch werdenden Geist des Onot niederringen.Ihr kommt wegen des Trichters?«

Marshall bestätigte. Er und die anderen Mutantenmußten alle Kräfte aufbieten, um die schwachen, vonErschöpfung zeugenden Telepathieimpulse zuverstärken.

»Wir suchen die gemeldete Raumstation, Ellert.«»Sie umläuft Druufon in einer Entfernung von drei

Millionen Kilometern. Vernichtet sie. Die führendenWissenschaftler der Druuf sind alle an Bord. Alles,was Geist und Rang besitzt, hat sich dorteingefunden, um den Trichter zu bilden. Die dazuerforderlichen Maschinen sind aus dem von Onotentwickelten Zeiterstarrer hervorgegangen. DieStation existiert in nur einmaliger Ausführung. Wirdsie mitsamt den führenden Köpfen zerstört, bestehtkeine Wahrscheinlichkeit zum Bau einer zweitenPlattform. Onot befindet sich in einer Art vonSchutzhaft. Er und damit ich sind auf dem Planeten.Greift an, oder es ist zu spät.«

Damit brach die Verbindung abrupt ab. So sehrMarshall noch rief - Ellert meldete sich nicht mehr.

Tifflor befand sich in höchster Erregung. Als dieunbegreifliche Starre von den Mutanten wich, rief derOberst hastig in die Mikrofone:

»Was ist? Was hat er gesagt? Nun reden Sie dochschon. Wir können jeden Augenblick entdecktwerden.«

»Die Station steht in einer Umlaufbahn überDruufon. Entfernung drei Millionen Kilometer.Deshalb kann sie auch nicht geortet werden. DerRiesenplanet überlagert alles. Ellert verstummteplötzlich. Ich befürchte, daß es ihm nicht gut geht.Wir sollten versuchen, um Hilfe zu ...«

»Nein!«Marshall zuckte beim Klang von Tifflors Stimme

zusammen. Als er aufblickte und prüfend denBildschirm betrachtete, hatte sich das offene,jungenhafte Gesicht des Kommandanten verändert.Das war der echte Tifflor, jener Mann, dem niemandeine solche Härte zugetraut hätte.

»Ellerts Rettung wird die Aufgabe einer anderenExpedition sein. Wir sind dazu weder ausgerüstet,noch haben wir die nötige Zeit. John, ich werdespringen. Fertigmachen zum Einsatz. Ich habe dasGefühl, als hätten wir keine Minute mehr zuverlieren. Kommen Sie mit den drei Teleportern indie Zentrale.«

Julian Tifflor schaltete ab. Das harte Nein schienauf seiner Zunge zu brennen. Schuldbewußt sah ersich um; aber niemand machte eine Bemerkung.

Während die Kurztransition berechnet wurde,erschienen Marshall, der Mausbiber Gucky, TakoKakuta und der dunkelhäutige Ras Tschubai. AußerMarshall waren sie alle Teleporter.

Sie trugen arkonidische Kampfanzüge, derenIndividual-Schutzschirme normale Raumpanzerüberflüssig machten. An den breiten Schultergurtenhing je ein ballgroßer, schwarzglänzender Körper.Sie trugen die millionenfache Vernichtung in sich.

Drei Minuten vor der beabsichtigten Transitionwurde die CALIFOR-NIA trotz der aufgebautenSchutzschirme geortet. Aus der Funkzentrale rief derWachhabende an.

»Leutnant Instedt, Sir. Wir registrierenauftreffende Hyperpeilimpulse, Lautstärke sieben.Jetzt sind es drei verschiedene Reflexe, nun fünf. Siehaben uns, Sir.«

»Schockwellenecho, flache Amplituden«, gab dieOrtungszentrale bekannt.

»Einige Schiffe gehen in den Hyperraum. Kontaktgeht verloren.

Wellenecho deutete auf Lineartriebwerk hin,Ende.«

Tifflor war die Ruhe selbst. Er verzichtete darauf,die Sprungdaten nochmals nachkontrollieren zulassen. Während die letzten Daten aus den Rechnernkamen, brüllten die Triebwerke der CALIFORNIAauf. Der Kreuzer nahm Fahrt auf.

Die hohe Beschleunigung schleuderte ihngeschoßartig vom bisherigen Wartepunkt hinweg.Als die Ortung fünf eintauchende Druuf-Schiffemeldete, war die CALIFORNIA schon einigeMillionen Kilometer entfernt.

Die Sprungwerte lagen noch nicht genau fest. DieProgrammierung der Strukturfeld-Automatikerforderte Zeit.

Auf den Bildschirmen der optischenAußenbordbeobachtung begannen die bisher klarenSternaufnahmen zu verschwimmen. Man näherte sichder einfachen Lichtgeschwindigkeit. Als das Tosenim Triebwerkssektor darauf hinwies, daß dieStützmasseneinspritzung automatisch eingesetzthatte, wußte Tifflor, daß er im Normalflugbereichnicht mehr eingeholt werden konnte. DieDruufraumer erzielten weder die hoheBeschleunigung noch die von terranischen Schiffenerreichte Endgeschwindigkeit.

Tifflor rechnete sich aus, daß er noch knapp fünfMinuten Zeit hatte. Wie unbeteiligt wendete er sichan die drei Teleporter des Korps.

»Hier ist meine Planung, die Sie sich genaumerken sollten. Für die CALIFORNIA ist esunmöglich, die Raumstation mit Geschützfeuer

35

Page 36: Der Fall Kolumbus

anzugreifen. Man würde uns vorher abschießen. Ichrematerialisiere in einer Entfernung von dreiMillionen Kilometern vor dem Hauptplaneten desSystems. Danach habe ich eine Minute Zeit, um denStützpunkt ausfindig zu machen und ihn mitVollschub anzufliegen.

Sobald er auf den Bildschirmen erscheint und Siesich somit orientieren können, springen Sie mitsamtden Bomben. Sofort nach Ihrem Verschwinden geheich in eine planlose Kurztransition. Somitverschwinde ich aus dem Geschehen. Ich brauchenach dem Wiedereintauchmanöver fünf MinutenZeit, um die Restfahrt aufzuheben. Anschließendnochmals fünf Minuten, um die Rückkehr-Transitionzu berechnen. Ich werde darauf verzichten, vor demerneuten Eindringen in den Hyperraum aufSprungfahrt zu gehen. Dagegen werde ich einegefährliche Standtransition wagen und genau vor derRaumstation herauskommen.

Ist das geschehen, erhalten Sie von mir einenKurzimpuls über Hyperwelle. Sie konzentrieren sichund springen zurück an Bord. Alles in allem habenSie sich zehn bis zwölf Minuten im Innern derRaumstation aufzuhalten. Eher kann ich bei allerBeeilung nicht zurück sein. Wenn Sie aber meinenKurzimpuls empfangen, haben Sie nur dreißigSekunden Zeit, das Schiff zu erreichen. Ist das klar?Haben Sie noch Fragen?«

Gucky meldete sich. »Warum wartest du nicht diepaar Augenblicke, bis wir die Bomben abgelegthaben? Das ist in einer knappen Minute erledigt.«

»Ich muß mich schon eine Minute lang sehenlassen, um die Station überhaupt zu finden. Weiteresechzig Sekunden wären die Zeitspanne, die dieFeuerleitoffiziere der Druuf brauchen, um dieCALIFORNIA in einen explodierenden Glutball zuverwandeln. Es bleibt bei meinem Plan. Sie springen,ich verschwinde im Hyperraum, stoppe meineEintauchfahrt, komme zurück und sende Ihnen denKurzimpuls. Achten Sie auf die dreißig Sekunden,die Ihnen von da an noch verbleiben. Ich wartekeinen Augenblick länger mit der Fahrtaufnahme.Schaffen Sie das?« Tako Kakuta lächelte. »Dasnenne ich eine klar durchdachte Sofortplanung, Sir.Wir schaffen es.«

»Klar!« meinte Gucky etwas kläglich. »Wirwerden die zwölf Minuten überstehen.«

Gleich darauf wurden neue Druuf-Schiffe geortet.Man verfolgte die im Normalraum verbleibendeCALIFORNIA mit Hilfe der wesentlich schnellerenLineartriebwerke.

»Jetzt wird die ganze Wachflotte benachrichtigt«,sagte Tifflor ruhig. »Achtung, Transition. Ich wollte,wir hätten das Feuerwerk über Druuf schon hinteruns.«

Als die Verfolger plötzlich materialisierten und

damit erkennbar wurden, verschwand die schoneinfach lichtschnelle CALIFORNIA in derübergeordneten Dimension. Die ihr nachgeschicktenStrahlschüsse verpufften wirkungslos.

Zur gleichen Zeit registrierte die Ortungsstationvon Hades eine erneute Peilung.

Captain Rous gab Vollalarm, und das gleichegeschah bei den Wachschiffen nahe der Raumstation.Es dauerte nur wenige Augenblicke, bis der ebenverschwundene Kreuzer seine Kurztransition über250 Millionen Kilometer hinweg beendete.

Als er wieder sichtbar wurde, erschien er auch aufden Bildschirmen der Druuf-Schiffe.

8.

Seltsamerweise waren die ausgeschicktenWaffenstrahlen zu sehen! Etwas, was imEinstein-Raum infolge der fehlenden Materieunmöglich war, wurde hier zur phänomenalenWirklichkeit.

Die Impulsbündel erreichten treu nach denvorherrschenden Eigenzeit-Gesetzen nur die halbeLichtgeschwindigkeit. So fiel es Oberst Tifflor relativleicht, den ankommenden Todesbahnenauszuweichen und unbeirrt seinen Kurs zu halten.

Lange konnte es aber trotzdem nicht mehrgutgehen. Tifflor wußte nur zu genau, daß zu vieleHunde des Hasen Tod bedeuten.

Er flog die CALIFORNIA in Manuellsteuerung.So kam es zu völlig unberechenbarenAusweichmanövern, mit denen es immer wiedergelang, den zahlreichen Energieschüssen zuentgehen.

Der düsterrote, nur hier und da schwärzlichschimmernde Raum zwischen den Planeten wurdevon einem filigranhaften Gewirr schwersterThermoentladungen gezeichnet.

Anscheinend gab es so nahe der beiden Sonnenkosmische Mikromaterie, die von den gewaltigenGravitationsfeldern eingefangen und festgehaltenwurden. Als Tifflor das Feuer eröffnen ließ, bildetensich vor den Geschützmündungen des terranischenSchiffes flammende, kaskadenartig versprühendeGlutbälle.

Zwei Abschüsse wurden im Zeitraum von fünfSekunden erzielt. Die auflohenden Atomsonnenwurden von jenen beiden Druuf-Schiffen gespeist,die genau im Anflugkurs der CALIFORNIAgestanden hatten.

Es war leicht gewesen, die Raumstation zu finden,viel leichter als gedacht. Man hatte sich nur an demdünnen Schlauchende des Trichters zu orientierenbrauchen.

Überdeutlich sichtbar stand das leuchtendeGebilde im Raum. Dort, wo es seinen Anfang nahm,

36

Page 37: Der Fall Kolumbus

mußte das fliegende Kraftwerk stehen. Eine andereMöglichkeit gab es nicht.

Tifflor raste weiter. Die Triebwerke derCALIFORNIA heulten unter Höchstbelastung. Vorzwei Sekunden waren die vorderen Prallfeldschirmeautomatisch eingefallen. Infolge der überraschenddichten Mikro-Materieballung im Zentrum desSystems waren unliebsame Reibungseffektebemerkbar geworden.

Die der Flugrichtung zugewendete Halbkugel desKreuzers leuchtete bereits in gefahrdrohender Glut,als die Projektoren endlich ansprangen.

Sie ionisierten die winzigen Partikel und stießensie dann auf magnetischer Basis aus der Flugbahn.

Von der einen Minute, die sich Tifflor alsZeitspanne für den Anflug gesetzt hatte, warenbereits vierzig Sekunden verstrichen. Auf denFrontbildschirmen leuchtete hell und klar einscheibenförmiges Gebilde, das wenigstens achtKilometer durchmaß und etwa eineinhalb Kilometerstark war.

Kurz vor Ablauf der festgelegten Minute sah es soaus, als hätten sich die automatischenFeuerleitstationen der Wachflotte eingeschossen. Eswurden sehr genaue Vorhaltewinkel errechnet, unddann traf der erste Schuß gegen die Schutzschirme.

Es geschah eine Sekunde vor der geplantenAktion.

Als die eine Minute vorüber war, wußte Tifflor,daß es höchste Zeit geworden war. Ein zweiterTreffer streifte die Schutzschirme, und der Kreuzerdröhnte wie eine angeschlagene Glocke. DieRaumstation war noch knapp fünfzigtausendKilometer entfernt.

»Springen Sie«, schrie der Kommandant. Er hattees um den Bruchteil einer Sekunde zu spätausgerufen. Die drei Teleporter wußten, daß sie dieRestentfernung trotz der schweren Bombenbewältigen konnten.

Dort, wo sie eben noch gestanden hatten, bildetensich rasch vergehende Leuchterscheinungen.

Im gleichen Augenblick hieb Tifflor auf denTransitionsauslöser. Die CALIFORNIA verschwandim Hyperraum, als vierzehn mächtigeThermostrahlen die Stelle kreuzten, wo sich dasSchiff bei einem Weiterflug in diesem Moment hättebefinden müssen.

Innerhalb der längst alarmierten Raumstationriefen sich einige DruufwissenschaftlerGlückwünsche zu. Man war davon überzeugt, denVerzweiflungsangriff eines Selbstmordkommandosabgeschlagen zu haben, zumal man deutlich gesehenhatte, wie ernsthaft der Fremde versucht hatte, dieStation unter Feuer zu nehmen. Er hatte keineneinzigen Treffer erzielt, der Trichter stand nach wievor.

Genau diese Meinung hatte Tifflor erzeugenwollen. Jetzt kam es nur noch darauf an, ob dieMutanten unbemerkt operieren konnten. Nachmenschlichem Ermessen mußte es gelingen.Niemand konnte damit rechnen, daß dreiübernatürlich begabte Lebewesen ein fastlichtschnelles Raumschiff verlassen hatten, ohne einBeiboot oder ein sonstiges Kleingefährt zu benutzen.

Als Tifflor schon wieder rematerialisierte, seineKosmonauten damit begannen, den rückläufigenSprung zu berechnen und die Triebwerke unterverschwenderischer Mediumeinspritzung mitNot-Bremsbeschleunigung liefen, kamen dreiMutanten im fast gleichen Augenblick im Ziel an.

*

Ras Tschubai hatte das Pech, ausgerechnet ineinem Hochspannungsraum mit freistehendenTransformatoren zu landen.

Geblendet von unaufhörlich überschlagendenEntladungsblitzen und den konstant leuchtendenStromleitern, taumelte er aufstöhnend zurück.

Noch wurde sein Körper von heftigenRematerialisierungsschmerzen gepeinigt. Es war erstim letzten Augenblick bemerkt worden, daß diegesamte Oberfläche dieser Raumstation von einerweiten, glockenförmigen Energiesperre umhülltwurde.

Anscheinend besaß sie einen artfremdenEnergiecharakter. Tschubai hatte deutlich gefühlt,wie er beim Durchdringungsprozeß aufgehaltenworden war.

Er kauerte sich in einer geschützten Ecke niederund achtete sorgfältig darauf, den offen liegendenStromleitern nicht zu nahe zu kommen.

Jenseits der festen Metallwand dröhntenMaschinen. Dem Lärm nach zu urteilen, mußte essich um riesenhafte Hochleistungsmeiler mitangeschlossenen Umformerbänken handeln. In dieserHinsicht arbeiteten die Druuf nicht anders als dieMenschen auch, nur verwendeten sie zurStabilisierung ihrer nuklearen Energieentwicklungeinen anderen Katalyseprozeß.

Ras wagte sich nicht zu rühren. Vorsichtig nestelteer die schwere Bombe von den Schultergurten, sahauf die Uhr und stellte den Zünder unterBerücksichtigung der bereits vergangenen Sekundengenau auf eine Laufzeit von fünfzehn Minuten ein.

Der Einsatz war deshalb von drei Teleporterngleichzeitig ausgeführt worden, um einenhöchstmöglichen Sicherheitsfaktor erreichen zukönnen. Selbst wenn zwei Bomben rechtzeitigentdeckt und unschädlich gemacht wurden, reichteeine noch immer aus, um das Schwebekraftwerk trotzdessen Größe zu vernichten.

37

Page 38: Der Fall Kolumbus

Von da an wartete Tschubai auf das ausgemachteFunksignal. Sein Armbandempfänger lief. Diebewußten dreißig Sekunden mußten ausgenutztwerden, oder die Rückkehr war nicht mehr möglich.

Gucky und Tako Kakuta hatten das Glück, inriesigen Hallen zu landen, wo es genügend Winkelals Verstecke gab. Nachdem sie einmal in der Stationgelandet waren, wurde die Aufgabe spielerischeinfach. Naturgemäß wurden die großen Meiler undsonstigen Stationen ferngesteuert. Nur Guckybemerkte einen Druuf, der offenbar einenKontrollgang durchführte.

Nach genau 12,3 Minuten sprachen plötzlich dieMikrokoms an. Gleichzeitig vernahmen die Mutantendie grollenden Abschüsse von Energiekanonen, mitdenen die Raumstation zum Zwecke derSelbstverteidigung anscheinend bestückt war.

Sie sprangen gleichzeitig. Als sie wieder stofflichwurden, befanden sie sich an Bord des terranischenKreuzers, dessen Kommandant soeben versuchte, mitwilden Manövern dem Kreuzfeuer zu entgehen.

Die Druuf-Schiffe arbeiteten im Salventakt. Alsdie CALIFORNIA zwei Treffer erhielt und dieSchutzschirme infolge aufflammender Projektorenausfielen, entschloß Tifflor sich zu einemHypersprung, obwohl die vorgeschriebeneTransitionsgeschwindigkeit noch nicht erreicht war.

Der Entmaterialisierungsschmerz war grauenhaft:ein Zeichen dafür, daß man den Übergang nicht soglatt gefunden hatte wie bei einem normalen Sprung.

Die CALIFORNIA verschwand in der fünftenDimension. Als sie zurückkehrte, war der riesigeAusfalltrichter erloschen. Man stand an den Grenzendes Siamedsystems; doch dort, wo die Peilung vorhernoch den Trichter ausgewiesen hatte, zeigte dieÜberlichtortung nun einen äußerst heftigenEnergieausbruch an.

Trotzdem war der Trichter noch in seinerursprünglichen Form zu sehen. Der optischeEindruck täuschte, da der im Druufraum um dieHälfte langsamere Lichtstrahl noch ein irreführendesBild vermittelte.

Gleichermaßen konnte die gigantische Glutkugelnicht mit den Sinnen erfaßt werden. Ihr Licht warnoch nicht bis zum 62. Planeten vorgedrungen. Nurdie Spontanortung, arbeitend auf überlichtschnellerBasis, zeigte an, daß die entstandene Kunstsonnenicht identisch war mit dem Ausfalltrichter.

Ras Tschubai und Tako Kakuta kämpften miteinem Gefühl der Übelkeit. Gucky warbesinnungslos. Der überhastete Sprung hatte imZusammenhang mit dem eigenartigen Schutzfeld dervernichteten Station eine totale Erschöpfung derKräfte bewirkt.

Tifflor zeigte ein strahlendes Gesicht. Der Auftragwar erfüllt. Jetzt kam es nur noch darauf an, heil aus

der zweiten Zeitebene zu entkommen.Die CALIFORNIA nahm erneut Fahrt auf, um

anschließend in die Transition zu gehen. Genau ander Stelle, wo Rhodan mit der DRUSUS erscheinenund das Linsenfeld aufbauen wollte, hielt Tifflor denKreuzer an.

Alle Maschinen wurden abgestellt. Jedes Gerät,dessen Eigenstrahlung zum Verräter hätte werdenkönnen, lief aus. Der schnelle Kreuzer der Erdewurde zu einem toten Schiff.

Es arbeitete nur noch ein sorgsam abgeschirmterNotstromreaktor, der die Energie für die Feinpeilerlieferte. Mit ihnen konnte festgestellt werden, ob manselbst von Echoimpulsen getroffen und demnachgeortet wurde.

*

Drei Stunden nach Erscheinen der fünftenAngriffswelle detonierten auf den Jupitermonden dieersten Fernlenkwaffen.

Im Mittelsektor tobte die Schlacht mitunverminderter Härte. Die Verluste der SolarenFlotte waren fürchterlich, doch die Druuf verloren diefünffache Anzahl von Raumschiffen aller Typen.

Die Superschlachtschiffe bildeten das Rückgrat derFront.

Neun Stunden nach der Rückkehr desFlaggschiffes geschahen gleichzeitig zwei Dinge. EinOrtungsfunker meldete mit sich überschlagenderStimme, der Entladungstrichter nahe desCapellasystems wäre plötzlich in sichzusammengebrochen.

Der Jubel an Bord der irdischen Schiffe wurde vonPerry Rhodan nicht gehört; wohl aber bemerkte er,daß seine schon verzweifelt gestimmten Streitkräftemit neuem Elan angriffen.

Das Druufgeschwader über Mars wurde inwenigen Augenblicken vernichtet: aber noch bliebenzu viele Schiffe übrig, um einen terranischen Sieggarantieren zu können.

Rhodan ordnete über Hyperfunk den Rückzug aufdie dritte und letzte Abwehrlinie der Solaren Flottean. Versprengte Einheiten aller Größenklassen warendort gesammelt worden.

Da kam es zum zweiten, entscheidenden Ereignisdieses Krieges.

Zwei Sekunden nach der Vernichtung desSchlachtkreuzers OSAGE unter der Führung vonOberst Poskanow drohten die Strukturtaster derterranischen Raumer zu zerbersten.

Ehe man die Sachlage richtig erfaßte, glittenzahllose Raumschiffe aus dem Hyperraum. Atlanhatte schneller handeln können als gedacht. Nur neunStunden nach dem Hilferuf kamen zehntausendschwere und schwerste Einheiten der arkonidischen

38

Page 39: Der Fall Kolumbus

Robotflotte an.Sie stand unter dem Befehl des Arkonidenadmirals

Senekho, der nach Austausch der ausgemachtenKodefunksprüche unverzüglich mit seinen Einheitenin die Schlacht um Terra eingriff.

Fünf Minuten später kamen nochmals viertausendRaumschiffe an, deren äußere Form auswies, daß essich um Springereinheiten handelte. Die KosmischenHändler flogen damit zum ersten Male ungehindert indas Solare System ein; in jenes System, das sie solange und vergeblich gesucht hatten.

»Ich komme auf Befehl des Regenten,Administrator«, dröhnte die Stimme eines alten,bärtigen Patriarchen aus den Lautsprechern. »Cokazeist mein Name, und ich fungiere als Oberhauptmeiner Sippe. Wo brennt es bei dir?«

Rhodan stand wie gelähmt vor den Bildschirmen.Das Gesicht des finsteren Alten rief in ihm, Rhodan,all den Widerstand wach, den er den Springernjahrzehntelang entgegengesetzt hatte.

Reserviert gab er Auskunft. Gleichzeitig zog erseine leichten Einheiten aus der Front ab. Nur dieSuperschlachtschiffe, Schlachtschiffe und die nochunbeschädigten Schlachtkreuzer blieben In der Linie.

Die erschöpften Piloten der Jäger undDreimannzerstörer flogen mit Höchstfahrt zu deneinzelnen Basen zurück.

Von da an hatten die Stabsoffiziere an Bord derDRUSUS nichts mehr zu tun, als die systematischeVernichtung der restlichen achttausend Druuf-Schiffezu beobachten.

Nach fünfzehn Minuten hatte der nichtmenschlicheOberbefehlshaber die Sachlage erkannt Als ein Schiffnach dem anderen explodierte und der so dringendbenötigte Nachschub infolge des verschwundenenAusfalltrichters plötzlich ausblieb, gab er denSammelbefehl. Mit nur knapp dreitausend Schiffen,den kläglichen Überresten einer ehemalsgigantischen Invasionsflotte, entfloh er in denHyperraum.

Von einer Minute zur anderen war das SolareSystem vom Feind befreit, doch nun waren anderehier, die man ebensowenig wünschte.

Rhodan ließ sich mit Admiral Senekho verbinden.Der alte Mann gehörte zu den wenigen aktivgebliebenen Arkoniden, denen man noch einKommando anvertrauen konnte.

Als das müde, faltige Gesicht auf dem großenBildschirm der DRUSUS sichtbar wurde, mußteRhodan ein Lächeln unterdrücken.

Senekho war der gleiche Offizier, der auf demgroßen Mond des Zyklopenplaneten Naat diezalitischen Ersatzraumfahrer überprüft und auf dieSchiffe des Imperiums eingewiesen hatte.

Es war erst wenige Wochen her; und doch schienes Rhodan, als seien mittlerweile Jahre vergangen.

»Es war ein weiter Weg, Terraner«, begannSenekho. »Mir scheint, du verträgst dich mit demRegenten sehr gut. Deine Feinde sind geflohen. Eswar nicht anders zu erwarten. Ich bin angewiesenworden, deine Befehle zu befolgen. Was ist noch zutun?«

Das war kurz und klar gefragt. Senekho schien imGegensatz zu seinen degenerierten Artgenossen nocherhebliche Qualitäten zu besitzen.

»Nichts, vielen Dank. Wenn Sie Frischwasser,Proviant oder sonstige Dinge benötigen, steht esIhnen frei, auf den Stützpunkten des SolarenImperiums zu landen.«

»Imperium? Sehr gut ausgedrückt, Terraner.Meinst du dein kümmerliches Sternchen mit denneun Zwergplaneten?«

Reginald Bull ballte zornglühend die Fäuste.Wütend starrte er auf die Bildschirme. Rhodan ließsich ob dieser typisch arkonidischen Anmaßung nichtaus der Ruhe bringen. Gelassen entgegnete er:

»Allerdings, Imperium, Admiral. Sie sollten genugvon uns gehört haben, um zu wissen, daß die Größeeines Sonnensystems nicht entscheidend ist für dieQualitäten seiner Bewohner. Darauf wollte ich abernicht zu sprechen kommen.«

»Sondern?« Senekho beugte sich interessiert vor.Sein Gesicht wurde größer und klarer erkennbar.

»Als ich mit dem Regenten von Arkon den Vertragschloß, wurde mir der Schutz des Imperiumszugesichert. Wieso kommt es also, daß plötzlichviertausend Springerschiffe in meinem Systemerscheinen?«

Senekho lächelte. »Von dem Vertrag ist mir zwarnichts bekannt, aber es wird seine Richtigkeit haben.Andernfalls wäre ich nicht von der Blockadefrontabgezogen worden. Der Regent schickte dieSpringerschiffe deshalb aus, weil er befürchtete,meine zehntausend Einheiten allein würden nichtgenügen. Es war uns nicht bekannt, daß die Druufbereits so schwere Verluste erlitten hatten. Hast dubesondere Wünsche, Terraner?«

Rhodans Stirn runzelte sich. Er wußte, daß derSpringerpatriarch Cokaze das Gespräch mithörte.

»Ich möchte Sie bitten, Cokaze darüberaufzuklären, daß Terra nicht wünscht, in dieSpringerherrschaft eingegliedert zu werden. Wir sindein selbständiges System, und wir bleiben es.«

»Ich habe verstanden«, nickte der Admiral.»Völlig verstanden.«

Damit unterbrach er die Verbindung. Währendsich die arkonidische Flotte nahe der Marsbahnsammelte, um dort auf Warteposition zu gehen,flogen die viertausend Springereinheiten die unferneErde an.

Rhodan rief den Sippenchef an und teilte ihm eisigmit:

39

Page 40: Der Fall Kolumbus

»In drei Minuten wirst du deinen Kurs ändern,Cokaze! Andernfalls werden wir dir die Zähnezeigen. Ich habe nicht um deine Hilfe gebeten, alsofordere keinen Lohn.«»Wir sind Händler, und wir tun nichts umsonst.«»Ich habe euch nicht gerufen. Wenn ihr euch vor demRegenten duckt und seine Befehle befolgt, so ist dasnicht, meine Schuld. Ich bin noch stark genug, umeuch eine blutige Lehre zu erteilen. Meine Verbändegehen auf Kurs. Drehe sofort ab.«Was Cokaze darüber dachte, konnte Rhodan vorerstnicht feststellen. Die Schiffe gingen jedenfalls in dieBremsbeschleunigung und gliederten sich wenigspäter der Robotflotte an.Nur etwa sechzig im Kampf beschädigte Einheitenerhielten von Rhodan Landeerlaubnis. So geschah es,daß die Galaktischen Händler zum ersten Male aufirdischem Boden landeten, wo sie von einerschweigenden, feindselig blickendenMenschenmenge in Empfang genommen wurden.Rhodan stieg auf das SuperschlachtschiffWELLINGTON um, um die unwillkommenen Helferweiterhin zu beobachten. Die Kommandanten derterranischen Flotte erhielten Geheimbefehle.Rhodan sagte abschließend in einer Besprechung:»Es ist klar, daß weder Admiral Senekho noch dieSpringer über die Wachablösung auf Arkon III

informiert sind. Sprechen Sie um Himmels willenkein unbedachtes Wort, oder Atlans Stellung istgefährdet. Für uns geht es jetzt vorerst darum, dieSpringer zum Abzug zu zwingen. Die Robotflottewird in wenigen Tagen zurückfliegen, dafürgarantiert Atlan. Nur diese Händler können unsgefährlich werden. Eröffnen Sie das Feuer, sobald eseiner ohne meine Erlaubnis wagen sollte, Terra,Venus oder Mars anzufliegen. Meine Herren, dies istdie Stunde des Erwachens! Das Versteckspiel istvorbei. Ab heute weiß jeder, wo wir zu finden sind.Also gilt es, eine andere galaktische Politik zumachen. Ich bin der Auffassung, daß uns dasgelingen wird. Halten Sie die Augen auf, vielenDank.«Während die DRUSUS durch den Hyperraum eilte,um den im Druuf-Universum wartenden KreuzerCA-LIFORNIA abzuholen, zog sich Rhodan in seineKabine zurück.»Abwarten«, murmelte er vor sich hin, »erst einmalabwarten. Bisher hat die Erde nicht geschlafen, undsie wird auch morgen oder übermorgen nichtschlafen. Ihr werdet uns noch kennenlernen, ihr dadraußen!«

E N D E

Die Schlacht um Terra ist geschlagen, wobei Julian Tifflors verzweifelter Vorstoß in das Druuf-Universum sichals Rettungsaktion in letzter Minute erwiesen hat.Die galaktische Position des Solsystems ist aber trotz der gewonnenen Schlacht allgemein bekannt - und damitergibt sich für Perry Rhodan, den Administrator des Solaren Imperiums, die gefährlichste Situation seinerbisherigen Laufbahn!Guckys große Stunde bricht an, als Perry Rhodans bitterste Stunde schlägt!

GUCKYS GROSSE STUNDE

40