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DEENNNOVATION
W CHSTUMDie Hightech-Strategie für Deutschland
Der Freistaat SachsenInnovationsatlas Ost 2010
Inhalt
3 Sachsen
6 Industrie mit Geschichte
8 Wirtschaftsstandort mit Zukunft
10 Forschung, Lehre und Praxis
12 Die Forschungs- und Wissen-schaftslandschaft in Sachsen
18 ideenreich. zukunftssicherErfolgsgeschichten aus Sachsen.
20 Operation (der) Zukunft – Impulse aus Leipzig revolutionieren die computerassistierte Chirurgie
30 Mit Molekülen und Maschinen gegen den Krebs – Dresdner Forscher bringen die Strahlenbehandlung auf Zukunftsniveau
40 Autositze statt Damenblusen – Eine sächsische Traditionsbranche definiert sich neu
50 Verbrennen war gestern –Freiberger beschreiten neue Wege für die Nutzung der Braunkohle
60 Biopolis im sächsischen Silicon Valley – Ein Förderprojekt und seine Folgen
71 Sachsen in Zahlen
Barockes Ensemble: Hofkirche, Schloss und Frauenkirche prägen Dresdens Skyline am Ufer der Elbe.
Barockes Ensemble: Hofkirche, Schloss und Frauenkirche prägen Dresdens Skyline am Ufer der Elbe.
3DER FREISTAAT SACHSEN
Sachsen
Das Land im Herzen Europas bietet mehr als barocke Baukultur: Sachsen im Jahr 2010 bedeutet Industrie mit Tradition, Wirtschaft mit Zukunft – und Menschen mit Ideen.
Genau im Dreiländereck von Deutschland, Polen und Tschechien, liegt Sachsen. Das Land gilt als Keimzelle der Fried lichen Revolution von 1989/1990. Die Montagsdemonstrationen in Plauen, Dresden oder Leipzig haben Geschichte geschrieben. Ebenso einzigartig ist aber auch das bürgerschaftliche Engage ment. Es hat nach der Wiedervereinigung wesentlich dazu beigetragen, aus maroden Städten neue Zentren entstehen zu lassen – Inbegriff für den Aufbruch. Mit seinen 4,21 Millionen Einwohnern
SACHSEN
und einer Bevölkerungsdichte von 228 Einwohnern je Quadratkilometer ist Sachsen heute das bevölkerungsreichste und – nach Berlin – das am dichtesten besiedelte der neuen Bundesländer. Im bundesdeutschen Vergleich liegt Sachsen damit bei Bevölkerung und Bevölkerungsdichte unter den Flächenländern im Mittelfeld.
Das obere Elbtal zwischen Pirna und Meißen, die Stadt Leipzig und Südwestsachsen zwischen Chemnitz und Zwickau bilden die drei großen Verdichtungsräume. Eher dünn besiedelt sind die im Nordosten gelegene Lausitz, die Region zwischen Grimma, Torgau und Döbeln und das Erzgebirge. Fast ein Drittel der Bevölkerung des Landes lebt in den Großstädten Dresden (517.052 Einwohner), Leipzig (518.862) und Chemnitz (243.089). Während in den Kreisen und kreisfreien Städten die Bevölkerung kontinuierlich abnimmt, entschieden sich in den letzten Jahren immer mehr Menschen für ein Leben in Dresden und Leipzig.
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Rund 1,5 Millionen Besucher kommen jährlich nach Dresden, um den Goldenen Reiter oder den Zwinger zu besichti gen.
Sachsen in Zahlen
Sachsen in Zahlen
Gebietsfläche 2008 18.419km2
Einwohner 2008 4.205.316
Bevölkerungsdichte (je km2) 2008 228
Beschäftigungsquote* 2008 71,7%
Arbeitslosenquote 2009 12,9%
Bruttoinlandsprodukt 2008 (in Mrd. Euro) 94,923
Bruttoinlandsprodukt je Einwohner 2008 22.572 €
Nominales Wirtschaftswachstum 2008 1,7 %
*Anteil der Erwerbstätigen an der Wohnbevölkerung von 15 bis unter 65 Jahren
6 INNOVATIONSATLAS OST 2010
Industrie mit Geschichte
Sachsen hat eine lange und große industriellgewerbliche Tradition. Aufbauend auf einer Jahrhunderte alten Textilindustrie und einer auf dem Bergbau basierenden Schwerindustrie begann hier bereits um 1830 die industrielle Revolution. Besonders durch das in Meißen hergestellte Porzellan wurden sächsische Erzeugnisse weltbekannt. Später entwickelten sich neben der traditionellen Textilindustrie auch der Maschinenbau und die Elektrotechnik. So ging die fortschreitende Industrialisierung Deutschlands im 19. und frühen 20. Jahrhundert gerade auch von sächsischen Unternehmen aus.
Auch nach dem Zweiten Weltkrieg blieb die überragende Bedeutung des industriellen Sektors bestehen, wobei die drei sächsischen Bezirke Dresden, Leipzig und Chemnitz in der DDR rund 40 Prozent der Industrieproduktion erbrachten. Die 1990 eingeleitete Umstellung auf die Marktwirtschaft führte zum weitgehenden Zusammenbruch der wirtschaftlichen Strukturen der DDR und zum Wegbrechen vieler unrentabler Arbeitsplätze. Mittlerweile knüpft Sachsen wieder an seine lange industrielle Tradition an und entwickelt sich zu einem wettbewerbsfähigen In dustriestandort.
7SACHSEN
Manufaktur gestern und heute: In Meißen wird seit 300 Jahren Porzellan gefertigt, in der Gläsernen Manufaktur in Dresden rollen seit 2002 Luxusautos vom Band.
8 INNOVATIONSATLAS OST 2010
Bei der Ausbildung wissenschaftlicher Nachwuchskräfte spielt praktische Forschung eine tragende Rolle.
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Wirtschaftsstandort mit Zukunft
Motor der wirtschaftlichen Entwicklung Sachsens ist seit Jahrhunderten die Industrie. Heute hat Sachsen fünf große Wirtschaftsräume mit drei urbanen Zentren. Zwischen Dresden und Freiberg ist „Silicon Saxony“ entstanden, ein Netzwerk bzw. ein Branchenverband der sächsischen Mikroelektronik, Halbleiter und PhotovoltaikIndustrie. Mitglieder des Vereins sind Universitäten, Hochschulen und Forschungsinstitute ebenso wie weltweit tätige Unternehmen.
Zu den Firmen, die international für außergewöhnliche Technologien und Produktionsleistungen stehen, zählen Unternehmen wie Globalfoundries, Infineon, Solarworld, die Deutsche Solar AG oder auch Compound Materials.
Die Universitätsstadt Leipzig – im Zentrum des Wirtschaftsraums Nordwestsachsen gelegen – ist heute ein wichtiger Standort für Medien und Finanzdienstleistungen. Nach der Wende hat die
Stadt mit dem Neubau der Messe an alte Handelstraditionen anknüpfen können. Sie will damit eine Brücke nach Osteuropa schlagen. Leipzig hat es geschafft unter anderem auch eine neue Buchmesse mit einem „Lesefest“ zu etablieren, das sich wachsender Beliebtheit erfreut und inzwischen sogar die Frankfurter Buchmesse inspiriert.
Im mittelsächsischen Ballungsraum um Chemnitz und Zwickau ist traditionell der Maschinen und Fahrzeugbau konzentriert. Um diese Zentren herum entstehen immer mehr regionale Netzwerke, etwa durch die Kooperation von MikroelektronikUnternehmen in DresdenFreiberg oder von Fahrzeug und Maschinenbauunternehmen in Chemnitz/Zwickau. Zu DDRZeiten eher monostrukturelle Regionen wie Ostsachsen, das Erzgebirge und das Obere Vogtland haben bis heute deutlich größere Schwierigkeiten, ihre neue Rolle in einer sich verändernden Wirtschaft zu finden.
SACHSEN
10 INNOVATIONSATLAS OST 2010
Sachsen – traditionell innovativ
Die erste funktionstüchtige deutsche Dampflok, die erste KleinbildSpiegelreflexkamera und der erste FCKW sowie FKWfreie Kühlschrank haben eines gemeinsam: Sie entstammen – wie unzählige weitere Entwicklungen – sächsischem Erfindergeist. Rund 170 Jahre nach Konstruktion der Dampflokomotive „Saxonia“ verfügt Sachsen heute mehr denn je über eine ausgeprägte Forschungslandschaft: Zu den fünf staat lichen Universitäten, fünf Fachhochschulen und fünf Kunsthochschulen kommt eine große Anzahl außer universitärer Forschungseinrichtungen. Vom Maschinen und Fahrzeugbau bis zur Mikroelektronik, von Material und Werkstoffwissenschaften bis zur Nanotechnologie, von Neurowissenschaften und Medizintechnik über Biotechnologie bis zur Umweltforschung – Sachsen kann in vielen technologischen Bereichen mit Spitzenforschung aufwarten. Aber auch auf dem Gebiet der Geistes
wissenschaften ist der Freistaat mit sieben Forschungseinrichtungen stark vertreten, darunter die Universität Leipzig, an der schon Goethe, Lessing und Nietzsche studierten.
In den vergangenen Jahren haben die sächsischen Hochschulen ihre Forschungskapazitäten ausbauen und profilieren können. Mit einer eigenen sächsischen Exzellenzinitiative unterstützt Sachsen fünf Forschungscluster an den sächsischen Universitäten. Rund 160 Millionen Euro fließen den Hochschulen bis 2013 aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) und dem Landesetat zu. Im Exzellenzwettbewerb des Bundes waren sächsische Hochschulen erfolgreich: die Technische Universität Dresden mit zwei Projekten – einem Exzellenzcluster und einer Graduiertenschule aus dem Bereich der Biowissenschaften – und die Universität Leipzig mit
11SACHSEN
der Graduiertenschule Leipziger Schule der Natur wissenschaften – Bauen mit Molekülen und Nanoobjekten. Somit verfügen sächsische Hochschulen nicht nur über alle Voraussetzungen für die Spitzenforschung, sondern können auch einen Innovationsbeitrag für die kleinen und mittleren Unternehmen in Sachsen leisten, die selbst noch nicht über ausreichende Forschungs und Entwicklungskapazitäten verfügen.
Neben den Hochschulen bilden außeruniversitäre Forschungsinstitute die zweite Säule der sächsischen Forschungslandschaft. Darunter befinden sich neun Einrichtungen der Wissenschaftsgemeinschaft GottfriedWilhelmLeibniz, 16 Einrichtungen der FraunhoferGesellschaft und sechs Institute der MaxPlanckGesellschaft sowie das HelmholtzZentrum für Umweltforschung. Sie kooperieren eng mit den Hochschulen, auch weil viele Professu
ren und Institute personell miteinander verknüpft sind. Insgesamt 50 außer universitäre Institute arbeiten im Freistaat, so viele wie nirgendwo sonst in den ostdeutschen Flächenländern.
Ein Markenzeichen Sachsens ist die Bildung von Verbundinitiativen und Netzwerken um öffentliche und private Forschungseinrichtungen und Unternehmen, insbesondere auf den Gebieten Material und Umweltforschung, Biotechnologie, Medizin sowie Mikroelektronik. Beispielhaft hierfür sind die Gründung des Forschungsverbundes Public Health Sachsen 1994 oder der bereits erwähnte Silicon Saxony e. V., das größte Mikroelektroniknetzwerk Europas, das seit 2007 als eines von zwei Spitzenclustern in Ostdeutschland durch das BMBF gefördert wird.
Das bevölkerungsreichste der Neuen Länder hat seine Traditionen bewahrt – ohne stehenzubleiben. 170 Jahre sind seit Konstruktion der „Saxonia“ vergangen, zwei Jahrzehnte seit der Friedlichen Revolution. Und noch immer haben die Menschen in Sachsen hervorragende Ideen.
Nicht Silicon Valley sondern Silicon Saxony. In Sachsen hat sich das europaweit größte MikroelektronikCluster entwickelt.
12 INNOVATIONSATLAS OST 2010
Die Forschungs und Wissenschaftslandschaft in Sachsen
Die öffentliche Forschung in Sachsen ist hervorragend aufgestellt. Sie umfasst fünf staatliche Universitäten, zehn staatliche Fach-hochschulen und eine große Anzahl leistungs-fähiger außeruniversitärer Forschungseinrich-tungen – unter anderem neun Institute der Leibniz-Gemeinschaft, 16 Einrichtungen der Fraunhofer-Gesellschaft und sechs Institute der Max-Planck-Gesellschaft sowie das Helm-holtz-Zentrum für Umweltforschung.
Leipzig1 Universität1 Fachhochschule2 Kunst-/Musikhochschulen3 Einrichtungen der Leibniz-Gemeinschaft2 Fraunhofer-Einrichtungen1 Einrichtung der Helmholtz-Gemeinschaft3 Max-Planck-Institute2 Forschungseinrichtungen
des Bundes6 Landesforschungs-
einrichtungen4 gemeinnützige Industrie-
forschungseinrichtungen
Zwickau1 Fachhochschule
A72
A14
Zwota1 gemeinnützige Industrie-
forschungseinrichtung
Oelsnitz1 gemeinnützige Industrie-
forschungseinrichtung
13DIE FORSCHUNGS- UND WISSENSCHAFTSLANDSCHAFT IN SACHSEN
Görlitz1 Fachhochschule1 Einrichtung der Leibniz-Gemeinschaft
Chemnitz1 Universität2 Fraunhofer-Einrichtungen1 Forschungseinrichtung
des Bundes8 gemeinnützige Industrie-
forschungseinrichtungen
Zittau1 Universität1 Fachhochschule
Freiberg1 Universität1 Fraunhofer-Einrichtung3 gemeinnützige Industrie-
forschungseinrichtungen
Mittweida1 Fachhochschule
Dresden1 Universität1 Fachhochschule3 Kunst-/Musikhochschulen5 Einrichtungen der Leibniz-Gemeinschaft11 Fraunhofer-Einrichtungen3 Max-Planck-Institute1 Forschungseinrichtung
des Bundes6 Landesforschungs-
einrichtungen4 gemeinnützige Industrie-
forschungseinrichtungen
A4A13
A17
Bautzen1 Landesforschungs-
einrichtung
Ziegra-Knobelsdorf1 Landesforschungs-
einrichtung
Heidenau1 gemeinnützige Industrie-
forschungseinrichtung
Meißen1 gemeinnützige Industrie -
forschungs einrichtung
Riesa1 gemeinnützige
Industrieforschungs-einrichtung
STAATLICHE UNIVERSITÄTEN
Internationales Hochschulinstitut Zittauwww.uni-zittau.de
TU Bergakademie Freibergwww.tu-freiberg.de
Technische Universität Chemnitzwww.tu-chemnitz.de
Technische Universität Dresdenwww.tu-dresden.de
Universität Leipzigwww.uni-leipzig.de
STAATLICHE UNIVERSITÄTEN
STAATLICHE FACHHOCHSCHULEN inkl. Kunst-/Musikhochschulen
STAATLICHE FACHHOCHSCHULEN inkl. Kunst-/Musikhochschulen
Hochschule für Bildende Künste Dresdenwww.hfbk-dresden.de
Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzigwww.hgb-leipzig.de
Hochschule für Musik Carl Maria von Weber Dresdenwww.hfmdd.de
Hochschule für Musik und Theater Felix Mendelssohn Bartholdy Leipzigwww.hmt-leipzig.de
Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresdenwww.htw-dresden.de
Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzigwww.htwk-leipzig.de
Hochschule Mittweidawww.hs-mittweida.de
Hochschule Zittau/Görlitzwww.hs-zigr.de
Palucca Schule Dresden – Hochschule für Tanzwww.palucca.eu
Westsächsische Hochschule Zwickau www.fh-zwickau.de
SONSTIGE HOCHSCHULEN
SONSTIGE HOCHSCHULEN
14 INNOVATIONSATLAS OST 2010
AKAD – Fachhochschule Leipzig www.akad.de/Hochschule-Leipzig
Europa Fachhochschule Fresenius (Zwickau) www.hs-fresenius.de/ startseite-zwickau.24.de.html
Evangelische Fachhochschule für Religionspädagogik und Gemeindediakonie Moritzburgwww.fhs-moritzburg.de
Evangelische Hochschule für Soziale Arbeit Dresden (FH)www.ehs-dresden.de
Fachhochschule für Polizei Sachsen (Rothenburg)www.polizei.sachsen.de/fhpol/
Hochschule für Kirchenmusik der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsen(Dresden)www.kirchenmusik-dresden.de
Hochschule für Telekommunikation Leipzigwww.hft-leipzig.de
Leipzig Graduate School of Management/Handelshochschule Leipzig (HHL) www.hhl.de
Vogtländische Fachhochschule Plauenhttp://plauen.diploma.de
15DIE FORSCHUNGS- UND WISSENSCHAFTSLANDSCHAFT IN SACHSEN
FRAUNHOFER-GESELLSCHAFT
EINRICHTUNGEN
FRAUNHOFER-GESELLSCHAFT EINRICHTUNGEN
Fraunhofer-Anwendungszentrum für Verarbeitungsmaschinen und Verpackungstechnik (Dresden)www.avv.fraunhofer.de
Fraunhofer-Center für Nanoelek-tronische Technologien (Dresden)www.cnt.fraunhofer.de
Fraunhofer-Institut für Angewandte Materialforschung Institutsteil Dresdenwww.ewp.ifam.fraunhofer.de
Fraunhofer-Institut für Elektro-nenstrahl- und Plasmatechnik (Dresden) www.fep.fraunhofer.de
Fraunhofer-Institut für Elektronische Nanosysteme (Chemnitz)www.enas.fraunhofer.de
Fraunhofer-Institut für Ferti-gungstechnik und Angewandte Materialforschung Institutsteil Dresdenwww.ifam-dd.fraunhofer.de
Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen Institutsteil Dresdenwww.eas.iis.fraunhofer.de
Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme (Dresden)www.ikts.fraunhofer.de
Fraunhofer-Institut für Photo-nische Mikrosysteme (Dresden) www.ipms.fraunhofer.de
Fraunhofer-Institut für Verkehrs- und Infrastruktursysteme Teilinstitut des Fraunhofer-Instituts für Informations- und Daten - ver arbeitung(Dresden)www.ivi.fraunhofer.de
Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik (Dresden) www.iws.fraunhofer.de
Fraunhofer-Institut für Werkzeug-maschinen und Umformtechnik (Chemnitz)www.iwu.fraunhofer.de
Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie (Leipzig)www.izi.fraunhofer.de
Fraunhofer-Institut für Zerstörungsfreie Prüfverfahren Institutsteil Dresdenwww.izfp-d.fraunhofer.de
Fraunhofer-Technologiezentrum Halbleitermaterialien (Freiberg)www.thm.fraunhofer.de
Fraunhofer-Zentrum für Mittel- und Osteuropa (Leipzig)www.moez.fraunhofer.de
HELMHOLTZ-GEMEINSCHAFT
HELMHOLTZ-GEMEINSCHAFT
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH(Leipzig)www.ufz.de
MAX-PLANCK-GESELLSCHAFT
MAX-PLANCK-GESELLSCHAFT
Max-Planck-Institut für chemische Physik fester Stoffe (Dresden)www.cpfs.mpg.de
Max-Planck-Institut für evolu tio näre Anthropologie (Leipzig) www.eva.mpg.de
Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften (Leipzig) www.cbs.mpg.de
Max-Planck-Institut für Mathematik in den Naturwissen schaften (Leipzig)www.mis.mpg.de
Max-Planck-Institut für mole ku lare Zellbiologie und Genetik(Dresden)www.mpi-cbg.de
Max-Planck-Institut für Physik komplexer Systeme(Dresden)www.mpipks-dresden.mpg.de
16 INNOVATIONSATLAS OST 2010
EINRICHTUNGEN (FORTSETZUNG)
LEIBNIZ-GEMEINSCHAFT
EINRICHTUNGEN (FORTSETZUNG)
LEIBNIZ-GEMEINSCHAFT
Forschungszentrum Dresden-Rossendorf e.V.www.fzd.de
Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoff-forschung Dresden e.V.www.ifw-dresden.de
Leibniz-Institut für Länderkunde e.V. (Leipzig)www.ifl-leipzig.de
Leibniz-Institut für Oberflächenmodifizierung e.V. (Leipzig)www.iom-leipzig.de
Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung e.V. (Dresden)www.ioer.de
Leibniz-Institut für Polymerforschung Dresden e.V.www.ipfdd.de
Leibniz-Institut für Troposphärenforschung e.V. (Leipzig)www.tropos.de
Senckenberg Naturhistorische Sammlungen Dresdenwww.snsd.de
Senckenberg Museum für Naturkunde Görlitzwww.naturkundemuseum-goerlitz.de
BUNDES-/LANDESEINRICHTUNGEN MIT F&E-AUFGABEN
BUNDES-/LANDESEINRICHTUNGEN MIT F&E-AUFGABEN
Bundesamt für Naturschutz Außenstelle Leipzigwww.bfn.de
Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin Teilinstitute Dresden und Chemnitzwww.baua.de
Deutsches Biomasse- forschungszentrum (Leipzig)www.dbfz.de
Geisteswissenschaftliches Zentrum Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas e.V. (Leipzig) www.uni-leipzig.de/gwzo
Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung e.V. (Dresden)www.hait.tu-dresden.de
Institut für Interdisziplinäre Isotopenforschung e.V. (Leipzig)www.iif-leipzig.de
Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde e.V. (Dresden)www.isgv.de
Kurt-Schwabe-Institut für Mess- und Sensortechnik e.V. Meinsberg (Ziegra-Knobelsdorf)www.ksi-meinsberg.de
Landesamt für Archäologie (Dresden)www.archsax.sachsen.de
Nanoelectronic Materials Laboratory gGmbH (Dresden)www.namlab.de
Sächsische Akademie der Wissenschaft zu Leipzigwww.saw-leipzig.de
Simon-Dubnow-Institut für jüdische Geschichte und Kultur (Leipzig)www.dubnow.de
Sorbisches Institut e.V./ Serbski institut z.t. (Bautzen)www.serbski-institut.de
Staatliche Ethnographische Samm-lungen Sachsen (Leipzig) www.ses-sachsen.de
Staatliche Kunstsammlungen Dresdenwww.skd.museum
Tanzarchiv Leipzig e.V.www.tanzarchiv-leipzig.de
Verein für Kernverfahrenstechnik und Analytik Rossendorf e.V. (Dresden)www.vkta.de
GEMEINNÜTZIGE INDUSTRIEFORSCHUNGSEINRICHTUNGEN
GEMEINNÜTZIGE INDUSTRIEFORSCHUNGSEINRICHTUNGEN
Beckmann-Institut für Technologieentwicklung e. V. (Oelsnitz)www.beckmann-institut.de
CeWOTec gGmbH (Chemnitz)www.cewotec.de
DBI - Gastechnologisches Institut gGmbH Freibergwww.dbi-gti.de
Dresdner Grundwasser-forschungszentrum e.V.www.gwz-dresden.de
Forschungsinstitut für Leder und Kunststoffbahnen gGmbH (Freiberg)www.filkfreiberg.de
Forschungsinstitut für Nichteisen-Metalle GmbH (Freiberg)www.fne-freiberg.de
Forschungs- und Transferzentrum Leipzig e.V.www.ftz-leipzig.de
Institut Chemnitzer Maschinen- und Anlagenbau e.V.www.icm-chemnitz.de
Institut für Korrosionsschutz Dresden GmbHwww.iks-dresden.de
Institut für Holztechnologie Dresden gGmbHwww.ihd-dresden.de
Institut für innovative Technologien e.V. (Chemnitz)www.itw-chemnitz.de
Institut für Konstruktion und Verbundbauweisen e.V. (Chemnitz)www.kvb-chemnitz.de
Institut für Luft- und Kältetechnik gGmbH (Dresden)www.ilkdresden.de
Institut für Mechatronik e.V. (Chemnitz)www.tu-chemnitz.de/ifm
Institut für Musikinstrumentenbau Vogtland e.V. (Zwota)www.ifm-zwota.de
Institut für Nichtklassische Chemie e.V. (Leipzig)www.uni-leipzig.de/inc
Institut für Textil- und Verarbeitungsmaschinen gGmbH (Chemnitz)www.cetex.de
Keramik-Institut des Vereins zur Förderung von Innovationen in der Keramik e.V. (Meißen)www.keramikinstitut.de
Kompetenzzentrum Strukturleichtbau e.V. (Chemnitz)www.strukturleichtbau.org
Kunststoff-Zentrum in Leipzig gGmbHwww.kuz-leipzig.de
Papiertechnische Stiftung, Institut für Zellstoff und Papier (Heidenau)www.ptspaper.de
Sächsisches Institut für die Druckindustrie GmbH (Leipzig)www.sidleipzig.de
Sächsisches Textilforschungsinstitut e.V. (Chemnitz)www.stfi.de
Verein zur Förderung der Umform- und Produktionstechnik e.V. (Riesa)www.vfup.de
17DIE FORSCHUNGS- UND WISSENSCHAFTSLANDSCHAFT IN SACHSEN
18 KAPITELINNOVATIONSATLAS OST 2010
19
Die Zukunft Ost gestalten.
Mit Innovationen einer Region Profil geben.
Erfolgsgeschichten aus Sachsen.
ERFOLGSGESCHICHTEN AUS SACHSEN
20 INNOVATIONSATLAS OST 2010
Operation (der) Zukunft Impulse aus Leipzig revolutionieren die computerassistierte Chirurgie
Eine kleine gemeinsame Arbeitsgruppe vom Uniklinikum und dem Herzzentrum Leipzig brachte den Stein ins Rollen. Ihre Vision: ein Forschungszentrum für computerassistierte Chirurgie. In einem intensiven Trainingsprozess entwickelten die Wissenschaftler aus dem Konzept ein Strategiepapier. Mit Erfolg. Die Förde-rung des ersten Leipziger Zentrums für Innovationskompetenz wurde beschlossen. Mit zwei wissenschaftlichen Nachwuchsgruppen startete im Jahr 2005 das In no-vationszentrum für computerassistierte Chirurgie, kurz ICCAS. In nur fünf Jahren hat ICCAS neue Maßstäbe gesetzt – für die Sicherheit der Patienten und der operierenden Ärzte. Das Zentrum ist inzwischen international beachtet, die Förde-rung um weitere fünf Jahre verlängert worden. Von ICCAS gehen starke wissen-schaft liche und wirtschaftliche Impulse aus, auch für die Leipziger Region.
Eigentlich hat Professor Meixensberger keine Zeit für ein Interview. Der Klinikdirektor für Neurochirurgie am Uni klinikum Leipzig ist voll in den Klinikalltag eingebunden: Operationstermine, Patientenbetreuung und Meetings. Daneben hat er Verpflichtungen an der medizinischen Fakultät der Uni, geht seiner wissenschaftlichen Arbeit nach und ist Sprecher von ICCAS. Da bleibt nicht viel Zeit für ein ruhiges Gespräch. Es klopft an der Tür, das Telefon klingelt, im Hintergrund fallen die EMails mit sanftem Klang ins Computerpostfach. Aber dann kommt er doch noch ins Erzählen.
Jürgen Meixensberger ist 2001 von der JuliusMaximilianUniversität Würzburg nach Leipzig gekommen. Dort war er als Professor für Neurochirurgie tätig. In Leipzig wurde Meixensberger Chef der Neurochirurgischen Klinik am Uniklinikum. Schon als er kam, gab es
am Klinikum eine interdisziplinäre chirurgische Arbeitsgruppe, die neue Ideen für die computerassistierte Chirurgie entwickelte. Ideen, die großes Potenzial hatten. Das erkannte auch Professor Meixensberger. Ende 2002 reichten sie ein Konzept für die Entwicklung eines Zentrums für Innovationskompetenz (ZIK) ein. Damit gehörten sie zu zwölf Forschergruppen aus den neuen Bundesländern, die sich um diese Förderung bewarben. Genau ein Jahr hatten sie Zeit, um sich zu positionieren, erst dann sollte entschieden werden, wer gefördert wird und wer nicht. „Es war ein schwieriges Jahr, aber auch ein sehr hilfreiches“, meint Jürgen Meixensberger rückblickend. Zum ersten Mal setzten sich die Wissenschaftler mit strategischen Überlegungen auseinander, bekamen dafür sogar eine Unternehmensberatung an die Seite gestellt. Um ein überzeugendes Strate giepapier zu erstellen, mussten die
21ERFOLGSGESCHICHTEN AUS SACHSEN
PD Dr. Gero Strauß, Geschäftsführender Direktor des International Reference and Development Centre for Surgical Technology – IRDC
22 INNOVATIONSATLAS OST 2010
Mediziner genau wissen: „Wo ist die Verknüpfungsstelle zwischen klinischer Idee und Umsetzung? Wo brauche ich technisches und informations technologisches Knowhow? Und wie kann ich damit sowohl im wissenschaftlichen Wettbewerb nach vorne kommen, als auch ein verwertbares Produkt für die Anwendung am Patienten erarbeiten?“, erinnert sich Meixensberger. Konkrete Antworten auf diese Fragen flossen in
das Konzept ein, die „Marke“ ICCAS wurde geboren. Und sie überzeugte die Jury. 2004 wurde eine Förderung für fünf Jahre bewilligt. Damit gehörten die Leipziger zu den sechs ausgewählten Initiativen – ein Riesenerfolg, auch für die Universität. Sie unterstützte ICCAS wo sie konnte, stellte Räumlichkeiten zur Verfügung und zwei Nachwuchsforschungsgruppen nahmen ihre Arbeit auf.
23
Der erste vollintegrierte SpezialOP für HNO im IRDC in Leipzig.
Kommunikation als Motor
Von Anfang an ist das Innovationszentrum für computerassistierte Chirurgie interdisziplinär ausgerichtet. Dieses Prinzip galt schon vor der Gründung von ICCAS in der kleinen Arbeitsgruppe, zu deren Initiatoren auch Dr. med. Gero Strauß gehörte. Heute ist er Vorstandsmitglied von ICCAS. Der 39Jährige HNOChirurg kennt die Vorteile und Schwierigkeiten der Zusammenarbeit von Ingenieuren, Medizinern und Informatikern: „Wir haben das große Glück, dass wir geniale Ingenieure im Projekt haben, die uns auch mal bremsen, wenn wir zu euphorisch Sachen fordern. Und andererseits brauchen sie auch die VollblutChirurgen, denn es macht keinen Sinn sich von Leuten beraten zu lassen, die gerne große Maschinen im OP haben.“
Als Vertreter des chirurgischen Faches hat auch Professor Andreas Dietz viel Erfahrung mit fachübergreifender Zusammenarbeit und weiß den Wert von ICCAS zu schätzen. Er wurde im Jahre 2004 aus Heidelberg an die Leipziger HNOUniversitätsklinik berufen. Von Anfang an unterstützte Dietz das Innovationszentrum mit voller Kraft. Inzwischen gehört er ebenfalls zum Vorstand von ICCAS. Andreas Dietz und Gero Strauß halten es für unstrittig, dass die Entwicklung der computerassistierten Chirurgie eines der größten
medizinischen Zukunftsfelder darstellt, insbesondere in einem so hoch technisierten Fach wie der HNOHeilkunde.
Dafür ist es enorm wichtig, sich zwischen den Disziplinen auszutauschen. Doch wie funktioniert die Kommunikation zwischen Fachleuten, die völlig verschiedene Sprachen sprechen? „Im ersten Strategiekonzept war die Schaffung einer gemeinsamen Terminologie ein wesentliches Ziel“, erklärt Jürgen Meixensberger. „Aber es kommt auch auf die persönlichen Gespräche an, das Vermitteln von Erfahrungen und das Kennenlernen. Informatiker oder Techniker gehen ganz anders an ein Problem heran als Mediziner, und daraus kann man sehr viel lernen.“ Für diesen Prozess hat ICCAS perfekte Rahmenbedingungen geschaffen. Dazu gehören gemeinsame Workshops und interne Meetings sowie ein regelmäßiger Austausch zwischen Ärzten, Informatikern und Ingenieuren direkt im Operationssaal. So hat sich eine sehr fruchtbare und vertrauensvolle Zusammenarbeit entwickelt. Eine Zusammenarbeit, die die verschiedenen Disziplinen der Neuro und HNOChirurigie umfasst. Prof. Dr. Friedrich Mohr, Direktor des renommierten Leipziger Herzzentrums und ebenfalls ICCASVorstandsmitglied, bringt zudem wertvolle Impulse aus der Herzchirurgie ein.
ERFOLGSGESCHICHTEN AUS SACHSEN
24 INNOVATIONSATLAS OST 2010
Gemeinsam beschäftigt sich das ICCASTeam mit der Analyse chirurgischer Arbeitsabläufe und der Gestaltung chirurgischer Assistenzsysteme. Außerdem untersuchen die Wissenschaftler die Effekte der Automatisierung bei der chirurgischen Arbeit.
Alles im Fluss
Die Arbeitsabläufe bei einer Operation, neudeutsch auch „Workflow“ genannt, haben eine Schlüsselfunktion in der Forschungsarbeit von ICCAS. Denn viele chirurgische Assistenzsysteme vernachlässigen die Bedürfnisse des Operateurs. Die Leipziger Wissenschaftler
wollen hingegen Technologien entwickeln, die sich am Arbeitsablauf im Operationssaal orientieren. „Vor fünf Jahren hat noch niemand über chirurgischen Workflow geredet“, erinnert sich Meixensberger. „Jetzt ist es eine Grundkompetenz, die Einzug gehalten hat in die computerassistierte Chirurgie. Auch die Idee, nicht nur Insellösungen zu schaffen, sondern modulartige Systeme zu bauen in einem integrierten Operationssaal, ist immer wieder bei Forschungsanwendungen zu sehen. Die Idee dafür ist in Leipzig geboren.“ Um diese Idee weiterzuentwickeln, baute ICCAS ein weiteres Forschungsgebiet und eine neue Arbeitsgruppe
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Chirurgisches Assistenzsystem: Navigated Control FESS zur Unterstützung der Nasenchirurgie.
auf: die medizinische Visualisierung. Dafür ermöglichte die Leipziger Universität ein Novum. „Wir haben eine der ersten WProfessuren für computerassistierte Chirurgie ausgeschrieben“, erzählt Meixensberger stolz. Ziel der neuen Forschungsarbeit ist es, dem Chirurgen während der Operation jederzeit die anatomischen und physiologischen Bilddaten des Patienten zur Verfügung zu stellen. Für die Professur und die Leitung der Arbeitsgruppe konnte ICCAS einen jungen Wissenschaftler aus Tübingen gewinnen. Auch das zeichnet das Innovationszentrum aus: Sehr gut ausgebildete Forscher aus Deutschland und der ganzen Welt kommen nach Leipzig, denn hier finden sie ideale Arbeitsbedingungen. „Es gibt weltweit kaum Stellen auf dem Sektor, die so solide ausgestattet sind mit Sachausgaben und Infrastruktur wie bei ICCAS“, davon ist Jürgen Meixensberger überzeugt. Das hat nicht nur Wirkung nach außen, sondern auch nach innen. Gero Strauß, der von Anfang an zum ICCASVorstand gehörte, blieb in seiner Heimatstadt Leipzig. Obwohl er in den USA, Großbritannien oder Japan an großen Zentren für computerassistierte Chirurgie hätte arbeiten können. „Es war ja die Zeit des Berufslebens, in der man selber sucht oder auch angefragt wird“, erinnert er sich, „Und es war jedes Mal so, dass die Bedingungen bei ICCAS viel besser waren.“
Chancen für Leipzig
Dass er hier geblieben ist, hat Gero Strauß nie bereut. Inzwischen leitet der HNOChirurg das International Reference and Development Center for Surgical Technology, das IRDC in Leipzig. Über sein Schulungszentrum IRDCAcademy, das von Andreas Dietz geleitet wird, ist das Zentrum eng mit der Universität verknüpft. Die MedizintechnikFirma KARL STORZ, eine der größten in Deutschland und ein wichtiger Kooperationspartner von ICCAS, hat das Zen trum technisch ausgestattet und maßgeblich unterstützt. Hier werden chirurgische Navigations, Assistenz und Trainingssysteme getestet und entwickelt, Operateure trainiert. Im Rahmen der IRDCAcademy wurde ein umfangreiches Trainingsprogramm entwickelt, das Chirurgen unterschiedlicher Disziplinen aus aller Welt anzieht. So fanden hier in diesem Jahr bereits sechs Operationskurse statt. In einem HightechOP können die Ärzte jeden ihrer Handgriffe auf riesigen Bildschirmen in gestochen scharfer HDQualität beobachten. Ein Navigationssystem hilft bei minimalinvasiven Operationen, alles ist computergesteuert und über Touchscreens bedienbar. Solch ein Operationssaal ist weltweit einzigartig. „Das IRDC betritt in vielerlei Hinsicht Neuland und wir hoffen, die von uns entwickelten Technologien und OPTechniken auf diese
ERFOLGSGESCHICHTEN AUS SACHSEN
26 INNOVATIONSATLAS OST 2010
Weise möglichst vielen Kollegen nahe zu bringen“, meint Gero Strauß. „Das Zentrum ist ein Gewinn für den jungen Mediziner“, betonen Jürgen Meixensberger und Andreas Dietz stolz, „aber auch für ICCAS, die Universität und den Wirtschaftsstandort Leipzig.“ Denn unter dem Dach des IRDC sind Projekte verschiedener Firmen vereint. Neben KARL STORZ arbeiten hier auch Unternehmen wie die Schweizer MEDPLAN Engineering und die Berliner Gesellschaft für Technologieentwicklung mbH „how to organize“, die ebenfalls Wirtschaftspartner von ICCAS sind. Für Leipzig und die gesamte Region ist die Gründung des IRDC eine große Chance. Schon im letzten Jahrhundert wurden hier medizinische Instrumente gebaut. Nun könnte sich die Stadt wieder als Medizintechnologiestandort etablieren.
Leipziger Köpfe in der ganzen Welt
Dazu tragen auch kleinere Firmen wie die Phacon GmbH bei. Phacon ist eine Ausgründung von ICCAS. Die Geschäftsführer des StartupUnternehmens, Dr. Ronny Grunert und Hendrik Möckel, waren zuvor an dem Leipziger Zentrum für Innovationskompetenz tätig. Phacon liefert medizintechnische Modelle von menschlichen Schädeln für die Simulation und das Training komplizierter Operationen. In diese Schädel sind elektronische Sensoren eingearbeitet, die ein akustisches Signal abgeben, sobald
der Chirurg einen Fehler macht, beispielsweise Blutgefäße verletzt. In den Modellen sind entsprechende Krankheitsbilder genau nachgebildet, so dass die Ärzte schwierige Eingriffe am Kopf vorher üben können. Die PhaconSchädel werden für das Training von jungen Ärzten des Leipziger Uniklinikums genutzt, aber auch von mehr als 100 Kliniken weltweit, vor allem in den USA und in arabischen Ländern. Für ihre erfolgreiche Arbeit ist die Phacon GmbH jetzt für den Deutschen Gründerpreis in der Kategorie Startup nominiert worden.
Auch das SechsMannUnternehmen SWAN GmbH ist eine Ausgründung aus dem Innovationszentrum für computerassistierte Chirurgie. SWAN steht für Scientific Workflow Analysis, also der Analyse wissenschaftlicher Arbeitsprozesse. Die beiden Geschäftsführer und Gründer Dr.Ing. Oliver Burgert und Dr. Thomas Neumuth nutzen dafür ihr Wissen, das sie bei ICCAS gesammelt haben. Es ist ein sehr exklusives Wissen, denn international gibt es nur einen kleinen Expertenkreis, der sich in medizinischen Prozessanalysen und chirurgischen Workflows auskennt. Burgert und Neumuth haben eine weltweit neuartige Methode zur Prozess datenerfassung und Prozessdatenoptimierung für den medizinischen Bereich entwickelt.
Intraoperative Detektion der zentralen Hirnfurche mittels elektrophysiologischem Mapping.
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Die jungen ICCASWissenschaftler zeigen neben ihrem großen Forscherdrang also auch viel Unternehmergeist. Das hat durchaus Wirkung gezeigt. „An der Uni Leipzig ist für solche Ausgründungen mehr Bewusstsein entstanden“, weiß Professor Meixensberger. „Daran hat ICCAS großen Anteil. Und das wird der Gesundheitsregion LeipzigSachsenMitteldeutschland zugute kommen.“
Eine große Stütze für solche Ausgründungen und auch bei Patentanmeldungen von ICCAS ist, neben der Forschungskontaktstelle der Leipziger Uni, die Gesellschaft für Wissens und Technologietransfer der Technischen Universität
ERFOLGSGESCHICHTEN AUS SACHSEN
Dresden. Die Zusammenarbeit zwischen den Universitäten in Dresden und Leipzig funktioniere dabei reibungslos, erwähnt Professor Meixensberger.
Gemeinsam für mehr Sicherheit
Und auch über Sachsens Landesgrenzen hinaus gibt es sehr gute Kooperationen, wie beispielsweise mit der Technischen Universität München und dem dortigen Professor für Mikro und Medizingerätetechnik Tim Lüth. In einem sächsischbayerischen Gemeinschaftsprojekt haben die ICCASWissenschaftler mit den Münchnern eine navigierte Fräse entwickelt und erprobt. Sie wird bei Hals
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NasenOhrenEingriffen verwendet und bietet Patienten und Chi rurgen mehr Sicherheit. Das Instrument verfügt über eine Navigationskontrolle. Zum ersten Mal weltweit wurde am Leipziger Uniklinikum mit diesem Gerät eine FelsenbeinOperation für eine klinische Studie durchgeführt. Das Felsenbein ist der härteste Knochen des Schädels. Es umgibt das Innenohr und besitzt eine sehr komplexe Anatomie. Auf kleinstem Raum sind hier sensible Strukturen zu finden, etwa der Gesichts und Gleichgewichtsnerv. Sobald die Fräse in die Nähe solcher Regionen gelangt, sorgt das Navigationssystem in Verbindung mit der Kontrollsoftware dafür, dass das Instrument abgeschaltet wird. Das schützt nicht nur den Patienten, sondern bietet auch dem Chirurgen mentale Entlastung. Ein Fakt, der bei allen Entwicklungen, die das Innovationszentrum für computerassistierte Chirurgie auf den Weg bringt, eine große Rolle spielt. „Sicherheit, sowohl für den Patienten, als auch für den Operateur steht im Vordergrund. So wie der Patient gläsern wird, so ist auch der Chirurg gläsern“, stellt Meixensberger fest. Er erzählt, dass viele junge Mediziner nicht mehr operieren wollen. Von 100 MedizinAbsolventen gehen nur noch sechs in ein operatives Fach. Der Stress ist zu groß. Denn trotz Automation hat der Chirurg letztlich immer die Verantwortung und muss im Notfall einschreiten.
Die operierenden Ärzte brauchen also mehr Sicherheit. Um dies zu erreichen, arbeitet ICCAS eng mit Wissenschaftlern an der Leipziger Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur (HTWK) zusammen. Es ist das erste gemeinsame Vorhaben zwischen der Universität und der HTWK. Der frühere ICCASForschungs gruppenleiter Dr. Werner Korb leitet dort das Projekt „Innovative Chirurgische Trainingstechnologien“. Ziel ist es, Operateure durch chirurgische Simulations und Übungsszenarien zu trainieren. Dabei sollen die Chirurgen vor allem das Verhalten in Notfall und Stresssituationen trainieren können. In einem modernen TrainingsOP werden unter Anleitung von erfahrenen Chirurgen und Psychologen entsprechende Übungen durchgeführt. Vergleichbar ist das mit Flugsimulatoren für Piloten.
Immer wieder werden Luftfahrt und computerassistierte Chirurgie miteinander verglichen. Technisch hat ein Flugzeug dem modernen Operationssaal allerdings noch einiges voraus. „Wenn man sich mal das FlugzeugCockpit anschaut, was die Piloten alles kontrollieren können, welche Informationen die bekommen und welche Informationen der Chirurg bekommt. Das ist nur ein Bruchteil davon, der Rest läuft im Gehirn ab“, erläutert Meixensberger.
29ERFOLGSGESCHICHTEN AUS SACHSEN
Operieren wie ein Flugkapitän
ICCAS trägt dazu bei, dass Chirurgen künftig noch mehr Informationen und eine stärkere technologische Unterstützung bekommen werden. Das jüngste Beispiel dafür ist die Surgical Planning Unit, die chirurgische Planungseinheit. Diesen weltweit einzigartigen HightechRaum für Operationsplanungen haben die ICCASForscher gemeinsam mit SoftwareSpezialisten des Wirtschaftspartners MedPlan entwickelt. Besonders für komplizierte Operationen bietet die Planungseinheit ganz neue Möglichkeiten. So können beispielsweise Patienten mit Krebstumoren in schwer erreichbaren Körperregionen besser behandelt werden. Sämtliche Daten des Patienten, sowohl aus dem Labor als auch von bildgebenden Verfahren, werden mit Hilfe einer speziellen Software in einem digitalen Patientenmodell zusammengeführt. Dieses Modell wird als dreidimensionales Bild auf großen HDBildschirmen im Planungsraum sichtbar. Die Ärzte können einen Tumor so in seiner gesamten Ausdehnung erfassen und beurteilen. Selbst Knochen, Nervenbahnen und Blutgefäße werden in dem animierten 3DBild sichtbar. Auf diese Weise lässt sich der chirurgische Eingriff genau vorbereiten und sogar virtuell simulieren. Und auch während des Eingriffs erleichtert das Patientenmodell dem Chirurgen die Arbeit beträchtlich. Er
muss nicht mehr alle Einzeldaten des Patienten im Kopf zusammenführen, sondern kann sich voll auf das Operationsgeschehen konzentrieren. Selbst Kliniken in den USA sind an der Leipziger Technologie bereits interessiert.
„Ich wünsche mir, dass wir so etwas wie die Surgical Planning Unit in fünf bis zehn Jahren hier im OP stehen haben und täglich am Patienten anwenden, und dass die chirurgischen Assistenzsysteme, die wir bei ICCAS am Modell und in der Studie entwickeln, in die Klinik kommen. Damit unsere Operationen für den Patienten und für den Chirurgen sicherer und besser werden“, resümiert Jürgen Meixensberger. Kaum hat er es ausgesprochen, klopft es wieder an der Tür. Professor Meixensberger muss los, es gibt noch viel zu tun.
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Prof. Dr. Michael Baumann, Direktor der Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus der Technischen Universität Dresden
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Mit Molekülen und Maschinen gegen den KrebsDresdner Forscher bringen die Strahlenbehandlung auf Zukunftsniveau
Sie kennen keine Grenzen im Kampf gegen den Krebs. Am Zentrum für Innova-tionskompetenz OncoRay in Dresden arbeiten Mediziner, Biologen und Physiker zusammen. Ihre Vernetzung geht über Fach- und Institutsgrenzen hinaus. Die Technische Universität Dresden, das Universitätsklinikum Carl Gustav Carus und das Forschungszentrum Dresden-Rossendorf sind enge Partner. Inzwischen reichen ihre Kooperationen bis nach Dänemark, Großbritannien und Kanada. „Krebsforschung ist eine Menschheitsaufgabe“, meint Michael Baumann, Professor für Strahlentherapie und Radioonkologie und Sprecher von OncoRay. „Statt zu konkurrieren, suchen wir gemeinsam nach Lösungen.“ In nur sechs Jahren haben die Dresdner Wissenschaftler neue vielversprechende Methoden für die Strahlen-behandlung von Krebspatienten gefunden. Damit helfen sie Betroffenen – und erhalten internationale Anerkennung.
Von Anfang an haben sich die Dresdner Forscher an der Weltspitze orientiert. Als sie 2003 eine Strategie für „OncoRay“ entwickeln sollten, organisierten sie internationale Workshops. Sie luden hochrangige Krebsforscher aus der ganzen Welt nach Sachsen ein, um sich auszutauschen; nicht nur über die Wissenschaft, sondern auch über ihr Konzept für OncoRay. Auf diese Weise konnten sie Ideen konkretisieren und überarbeiten. Die Veranstaltungen waren bereits an den Forschungsthemen des künftigen Innovationszentrums orientiert: Strahlentherapie, Hochtechnologie und Molekularbiologie. Zukunftsgerichtete Wissenschaft braucht aber auch guten Nachwuchs. Das haben die Dresdner früh erkannt. Deshalb war einer der internationalen StrategieWorkshops allein dem Thema Lehre gewidmet. Damit bewiesen die Wissenschaftler Weitblick, und ihr Plan führte zum Erfolg. 2004 wurde die Förderung
von OncoRay bewilligt und 2009 um weitere fünf Jahre verlängert.
Entscheidend für die positive Entwicklung von OncoRay ist auch der Standort. Dresden bietet für die Krebsforschung beste Bedingungen. Schon vor dem Start von OncoRay, im Jahre 2003, wurde das Universitäts KrebsCentrum (UCC) gegründet. Neben der Behandlung von Patienten wird hier auch Forschung betrieben. Über 50 Gruppen des Uniklinikums, der Medizinischen Fakultät, der Technischen Universität und aus den Partnerinstituten, dem Forschungszentrum DresdenRossendorf und dem MaxPlanckInstitut für molekulare Zellbiologie und Genetik, kooperieren im UCC. Das sind ideale Voraussetzungen für die Arbeit eines Zentrums für Innovationskompetenz. Bei OncoRay führen die Wissenschaftler die Bündelung ihrer Kompetenzen nun weiter fort.
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Forschung und Lehre als Einheit
„Schon während der Strategiephase hatten die geladenen internationalen Experten dazu geraten, große Anstrengungen für qualifizierten Nachwuchs zu unternehmen“, erinnert sich Professor Baumann. „Deshalb ist es unser Ziel, TopLeute nach Dresden zu holen und sie hier auszubilden.“ Aber es gibt noch einen Grund für die Ausbildungsorientierung bei OncoRay: In Deutschland und Europa herrscht großer Mangel an Medizinphysikern, Strahlenbiologen und qualifizierten Onkologen. Ohne neue Ausbildungsmöglichkeiten könnten die Patienten künftig nicht mehr adäquat behandelt werden. Eine der Ursachen für den Nachwuchsmangel
ist das schlechte Image von Berufen wie dem des Medizinphysikers. Sie gelten als „Hilfsarbeiter“ für klinische Ärzte. Mit attraktiven Forschungsprojekten will OncoRay das Ansehen des Berufes steigern und helfen, den Fachkräftemangel zu beheben. So hat Professor Wolfgang Enghardt, Medizinphysiker im OncoRayTeam federführend den Masterstudiengang „Medical Radiation Sciences“ ins Leben gerufen. Die Ausbildung umfasst Physik, Medizin und Strahlenbiologie. „Medizinphysiker müssen wissen, was der Therapeut oder der Diagnostiker bei der Anwendung von ionisierender Strahlung tut“, erklärt Enghardt. „Insofern bildet dieser Masterstudiengang eine gewisse Klammer für die verschiedenen Disziplinen.“
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HochpräzisionsStrahlentherapie am Linearbeschleuniger mit modernster Innenraum Computertomografie.
Der Mediziner Professor Nils Cordes, Leiter der Forschungsgruppe „Molekulare und Zelluläre Radiobiologie“, ist gemeinsam mit seiner Kollegin, Professor Leoni KunzSchughart, mit der Etablierung eines weiteren Ausbildungsangebots bei OncoRay beschäftigt. Ab dem Wintersemester 2011 soll der Masterstudiengang Strahlenbiologie angeboten werden. „Es gibt in Deutschland keine Einrichtung, die gezielt in Richtung Strahlenbiologie für die Medizin ausbildet“, meint Michael Baumann. „Das wollen wir hier etablieren, weil das eine hervorragende Ergänzung zur Ausbildung der Medizinphysiker ist.“ Zusammen mit den Doktoranden der OncoRay Postgraduate School, die 2005 gegründet wurde, können dann 70–80
junge Leute hier studieren. Damit wäre OncoRay der größte Ausbildungsstandort auf diesem Gebiet in Europa. „Auf diese Weise können Netzwerke geschaffen werden mit Leuten, die in Dresden ausgebildet wurden und dann international tätig werden“, freut sich Professor Baumann. Schon jetzt lernen und arbeiten hier 15 Studenten aus der ganzen Welt. Bereits während ihrer Ausbildung profitieren die jungen Wissenschaftler von den internationalen Kooperationen bei OncoRay. So gibt es zwischen der Universität Oxford und Dresden einen regelmäßigen Austausch von Dozenten und Studenten.
Technologie plus Biologie – eine wirksame Waffe gegen gefährliche Tumoren
Viele junge Wissenschaftler zieht es nach Dresden, weil bei OncoRay spannende, zukunftsorientierte Forschung betrieben wird. Der Kern dieser Forschung liegt in der Verbindung von Medizin, Hightech und Molekularbiologie. Künftig sollen die Patienten mit laser erzeugten Präzisionsstrahlen behandelt werden, kombiniert mit moleku laren Medikamenten. Diese Medikamente sind so etwas wie biologische Schützenhilfe für die Strahlentherapie. Bei Krebspatienten verursachen bestimmte Moleküle im Körper eine Resistenz gegen Strahlenbehandlung und Chemotherapie. Diese
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Moleküle will die OncoRayForschungsgruppe „Molekulare und Zelluläre Radiobiologie“ identifizieren und ausschalten. Das Ausschalten funktioniert theoretisch ganz einfach: „Wenn das Moleküle sind, die auf der Oberfläche sitzen, dann kann man Antikörper geben. Diese blockieren die Moleküle und verhindern, dass die Tumorzellen überlebensfördernde Signale erhalten“, erklärt Arbeitsgruppenleiter Professor Cordes. Die Wissenschaftler haben diese Methode schon in Zellkulturmodellen und bei Tieren angewendet. Ihre Versuche waren so erfolgreich, dass Cordes davon ausgeht, für ein bestimmtes Molekül in naher Zukunft eine Therapie auf die Beine stellen zu können: „Es geht um ein Oberflächenmolekül, das den Tumorzellen ermöglicht, sich an das umgebende Gewebe anzuheften. Wenn man dieses Molekül hemmt, schaffen die Tumorzellen das nicht mehr und werden dadurch deutlich strahlenempfindlicher.“ Offenbar könnte das ein guter Ansatz für die Behandlung veschiedener Tumoren sein. Die Gruppe hat das Ausschalten des Moleküls in Tumorzellen der Kopf und HalsRegion sowie der Bauchspeicheldrüse getestet. Überall funktionierte es.
Langfristig wollen die Wissenschaftler Medikamente entwickeln, die das Tumorge webe empfindlicher und normales Gewebe unempfindlicher gegen
Strahlen machen. Wenn diese Medikamente künftig während einer Strahlentherapie verabreicht würden, könnten mehr Patienten geheilt werden.
Ein weiteres Ziel der Forscher ist die biologische Individualisierung der Therapie, denn mit der Diagnose Krebs sind mehrere hundert Krankheiten verbunden. Diese unterschiedlichen Krebsarten variieren von Patient zu Patient. Kann das Wachstum von Tumoren in einem bestimmten Stadium bei dem einen Patienten gestoppt werden, funktioniert das bei dem anderen nicht. Diese Unterschiede werden zunehmend durch die Untersuchung der Gene und mit modernen bildgebenden Verfahren bekannt. Zukünftig ist es wichtig, jede Therapie auf den Patienten individuell abzustimmen.
Dabei hilft die so genannte PETCT Methode. PET bedeutet PositronenEmissionsTomographie, mit CT ist die Computertomographie gemeint. Dem Patienten wird eine schwach radioaktive Substanz gespritzt, zum Beispiel Zucker. Damit werden biochemische Prozesse im Körper sichtbar gemacht. Da die Tumoren einen stärkeren Stoffwechsel haben und mehr Zucker verbrauchen, leuchten sie heller. Sie sind auf diese Weise also sehr gut erkennbar, lassen sich allerdings durch die geringe Auflösung nicht genau lokalisieren. Dies wird durch die Computer
Erforschung von Substanzen, die
Krebszellen empfindlicher für Bestrah
lung machen.
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tomographie ausgeglichen. Sie bildet die Anatomie besonders deutlich ab. Werden die Bilder beider Verfahren am Computer zusammengefügt, zeigen die PETCTAufnahmen, wo und in welcher Größe Tumoren im Körper wachsen und welche Stoffwechselaktivität sie haben. Mit Hilfe der PETCTUntersuchung können neuerdings auch andere Stoffwechselwege im Körper erkannt werden, zum Beispiel wird damit der Sauerstoffgehalt eines Tumors sichtbar gemacht. Eine Information, die für die erfolgreiche Bekämpfung der Geschwulst sehr wichtig ist. Ganz im Gegensatz zu normalen Körperzellen kommen Krebszellen mit sehr wenig Sauerstoff aus. Diese Tatsache verhindert jedoch, dass eine Strahlen oder Chemotherapie erfolgreich ist. Wenn die Mediziner schon vor der Behand
lung wissen, ob und wo wenig Sauerstoff vorhanden ist, können sie die Therapie entsprechend anpassen und haben größere Chancen, den Tumor zu vernichten.
Die Schwierigkeit bei der Bestrahlung besteht darin, dass die Strahlendosis im Tumor platziert und das umliegende gesunde Gewebe nicht zerstört wird. Da Röntgenstrahlen den ganzen Körper durchdringen können, wird der Tumor in einer Art Kreuzfeuertechnik von mehreren Seiten unter Beschuss genommen. Das Dosismaximum soll nur das bösartige Gewächs treffen. Schwierig wird es allerdings, wenn es sich zum Beispiel um ein Lungenkarzinom handelt. Denn durch die Atmung bewegt sich auch der Tumor ständig. Bisher wurde das Bestrahlungsfeld so groß
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gehalten, dass sich das Krebsgeschwür immer darin befindet. Dabei wird jedoch viel gesundes Gewebe ringsherum geschädigt. Bei OncoRay sind Methoden entwickelt worden, um das zu vermeiden. „Wir beobachten die Atembewegung des Patienten und sind dann in der Lage, das Bestrahlungsgerät so zu steuern, dass es nur dann eingeschaltet wird, wenn der Tumor in einer bestimmten Position ist. Das erfordert aber, dass vor der Bestrahlung, bei der Diagnose des Tumors, mithilfe der CT und PET die Bewegungszustände des Tumors erfasst werden“, erläutert Professor Wolfgang Enghardt, der Medizinphysiker des OncoRayTeams.
Laser revolutionieren die Strahlentherapie
Mittlerweile werden Krebspatienten nicht nur mit konventionellen Röntgenstrahlen therapiert, sondern bei einigen Erkrankungen auch mit Protonen und Ionenstrahlen, die aus elektrisch geladenen Teilchen bestehen. Der Vorteil dieser Strahlen ist, dass ihre maximale Dosis tiefer im Gewebe abgegeben wird. Bei Röntgenstrahlen nimmt die Strahlendosis nach nur drei Zentimetern durch die Streuung bereits ab. Hochenergetische Ionen strahlen hingegen können so gesteuert werden, dass sie ihre volle Wirkung erst in 30 Zentimetern Tiefe entfalten. Und es gibt noch einen Vorteil: „Die Strahlen blei
ben in Abhängigkeit von ihrer Energie in einer ganz bestimmten Tiefe im Gewebe einfach stecken“, erläutert Wolfgang Enghardt. „Das ist so, als ob Sie mit einem Luftgewehr ein Projektil in einen Sandsack schießen. Bei der Bestrahlung ist das natürlich günstig, um das gesunde Gewebe zu schonen.“
Obwohl die meisten Krebspatienten auch künftig mit Röntgenstrahlung therapiert werden, sind Protonen und Ionenstrahlen für kompliziert zu behandelnde Tumoren eine wichtige Alternative, allerdings auch eine sehr kostenintensive. Die Geräte zur Erzeugung dieser Strahlen sind ausgesprochen teuer, deshalb suchen die Dresdner Wissenschaftler nach Alternativen. Dafür kooperieren sie seit 2007 mit Jenaer Physikern in dem gemeinsamen Projekt „onCOOPtics“, einer Verknüpfung des Zentrums für Innovationskompetenz ultraoptics in Jena und OncoRay in Dresden. Das Verbundprojekt arbeitet intensiv an der Erzeugung therapeutischer Protonen und Ionenstrahlen. „Seit wenigen Jahren gibt es eine neue Technologie, mit der diese Strahlen auch durch Laser erzeugt werden können. Da sind wir eines der führenden Projekte weltweit“, berichtet Professor Baumann nicht ohne Stolz. Die Jenaer Forscher befassen sich mit den laserphysikalischen Grundlagen der Technologie. Damit die Protonen und Ionenstrahlen weit genug ins Ge
In Dresden entsteht das neue nationale Zentrum für Strah
lenforschung in der Onkologie. Die Bau
arbeiten beginnen voraussichtlich im
Frühjahr 2011.
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webe eindringen können, ist eine Energie von mehr als 200 Megaelektronenvolt notwendig. Der Hochleistungslaser in Jena beschleunigt die Protonen und Ionen auf 10 bis 12 Megaelektronenvolt. Hier besteht also noch großer Forschungsbedarf. Doch die Aussichten für eine künftige Anwendung der Lasertechnologie sind vielversprechend. Schließlich steht in Jena der beste Hochleistungslaser Europas mit dem größten Potential für die Strahlentherapie.
Während in Jena die Technik weiterentwickelt wird, kümmern sich die Dresdner Forscher um die physikalische und biologische Charakterisierung sowie die medizinische Anwendung der durch Laser erzeugten Strahlen. Diese haben ganz andere Eigenschaften als konventionell beschleunigte Protonenstrah
len. „Da kommen sehr viele Protonen in extrem kurzer Zeit angesaust, in Femtosekunden, das sind 1015 Sekunden“, erklärt Medizinphysiker Enghardt. „Und wir sind uns nicht sicher, ob solche Strahlen eine andere biologische Wirkung aufweisen als die konventionell beschleunigten Strahlen.“ Deshalb entwickelten die Forscher ein weltweit einzigartiges System, mit dem die laserbeschleunigten Strahlen richtig dosiert werden können. In Zellexperimenten konnten sie dieses System bereits erfolgreich testen und haben keine Änderung der biologischen Wirksamkeit feststellen können. OncoRaySprecher Michael Baumann ist optimistisch: „Wir wollen einen Durchbruch erreichen und diese Technologie in den nächsten zehn bis 15 Jahren auch für die Klinik zur Verfügung stellen.“
ERFOLGSGESCHICHTEN AUS SACHSEN
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Ein außergewöhnliches Haus für visionäre Technologien
Um das zu schaffen, will OncoRay völlig neue klinische Strahlentherapiegeräte auf Laserbasis entwickeln. Durch die enge Kooperation mit dem Forschungszentrum DresdenRossendorf und der FriedrichSchillerUniversität Jena ist das kein utopisches Ziel. So werden am Rossendorfer Institut für Strahlungsphysik Detektoren entwickelt, die man sowohl für bildgebende Verfahren einsetzen kann, als auch für laserbeschleunigte Strahlen. „Die Vorstellung ist, dass das Nachfolgemodell des großen Lasers, den unsere Jenaer Kollegen zurzeit haben, in Rossendorf entwickelt wird“, erklärt Enghardt. Diese neue Lasertechnik soll kleiner, leistungsstärker und kostengünstiger sein. Damit wäre sie für medizinische Zwecke besser geeignet.
Um solche Geräte bauen und für den klinischen Betrieb testen zu können, plant OncoRay ein neues Gebäude direkt am Medizinischen Campus des Dresdner Uniklinikums. Das Konzept dafür haben die Wissenschaftler 2008 bei der sächsischen Landesexzellenzinitiative eingereicht – mit Erfolg. Der Freistaat hat für den Bau des Gebäudes und damit verbundenen Forschungsprojekten mehr als 26 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. In diesem Herbst startet das ehrgeizige Vorhaben.
Dass eine Hochtechnologieplattform für patientenorientierte Forschung auf einem medizinischen Campus entsteht, ist einmalig auf der Welt. „Die Konzentration der Expertise auf dem Gelände des Universitätsklinikums kommt vor allem den Patienten zugute, deren Versorgung dann an einer zentralen Stelle möglich ist“, unterstreicht der wissenschaftliche Direktor des Forschungszentrums DresdenRossendorf, Prof. Roland Sauerbrey. Schon die Gestaltung des Gebäudes ist innovativ. Hier sind klinische Strukturen integriert, die anwendungsorientierte Forschung in enger Zusammenarbeit mit der Industrie ermöglichen. Damit eröffnen sich auch neue Möglichkeiten des Austausches mit dem engsten wissenschaft
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Flüssigszintillator mit optischer Linse und Kamera.
lichen Partner von OncoRay, dem Deutschen Krebsforschungszentrum und der Universität in Heidelberg. Erst letztes Jahr ist dort das Heidelberger IonenstrahlTherapiezentrum eröffnet worden. Während OncoRay auf die klinischen Erfahrungen der Heidelberger mit der Protonen und Ionentherapie zugreifen kann, werden die Heidelberger Forscher die Technologie der neuen Generation in Dresden mit nutzen.
Für die Entwicklung des Wissenschaftsstandorts Dresden wird das neue Forschungsgebäude von großer Bedeutung sein. OncoRay ist eine tragende Säule des Universitäts KrebsCentrums (UCC), in dem interdisziplinäre Aktivitäten der Krebsforschung wie die Im
munologie und die Entwicklung neuer Medikamente gebündelt sind. Damit ist Dresden auf dem besten Weg, sich auf diesem Gebiet international einen Namen zu machen. Die Entwicklung neuer Technologien für die Krebsbehandlung bringt aber nicht nur wissenschaftliches Ansehen, sondern ist eine große Chance für die Menschen in der Region. „Dresden baut mit dem Zentrum seine hervorragende Position in der patientennahen Forschung aus“, meint Prof. Michael Albrecht, Medizinischer Vorstand des Dresdner Universitätsklinikums. „Davon profitieren die Menschen aus Ostsachsen als Erste. Ihnen werden die hier entwickelten innovativen Strahlentherapieverfahren zugänglich gemacht.“ Die Erforschung neuer Bestrahlungstechnologien soll aber auch über die Region hinaus Wirkung zeigen. OncoRay hat sich nicht allein in der strategischen Phase an internationaler Spitzenforschung orientiert. Bis heute bestehen enge Verbindungen in alle Welt, nach Dänemark, Großbritannien, Polen, die USA und Kanada. „Am Ende wird es darum gehen, eine Technologie zu entwickeln, die irgendwann weltweit in den Kranken häusern zur Verfügung steht“, erklärt Michael Baumann das Ziel von OncoRay. Zusammen mit seinem Team will er dieser Vision in den nächsten fünf Jahren ein ganzes Stück näher kommen.
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Prof. Dr. Franz Rudolph, Textilbeauftragter des Freistaates Sachsen
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Autositze statt DamenblusenEine sächsische Traditionsbranche definiert sich neu
320.000 Menschen arbeiteten einst in der DDR-Textilindustrie, davon allein 220.000 in Sachsen. Viele Familien waren über Generationen in sächsischen Textil-betrieben beschäftigt. Bis 1989 wurde für den eigenen Bedarf produziert und in großem Umfang exportiert, vor allem nach Westdeutschland. Exportprodukte waren nicht nur Kleidung, Gardinen oder Spitze, sondern auch Textilmaschinen. 80 Prozent aller Strumpfwirkmaschinen kamen einst aus Chemnitz. Doch mit dem Fall der Mauer kollabierte auch die Branche. Kombinate wurden geschlossen, schlagartig standen allein in Sachsen mehr als 100.000 Menschen auf der Straße. Im Jahr 2010 gilt die Textilindustrie wieder als Zukunftsbranche. Was ist passiert?
Franz Rudolph hat nie am Potenzial gezweifelt. „Die Chancen resultierten daraus, dass Sachsen eine klassische Textilregion war und viele Gewerke sehr gut vernetzt waren“, meint der Professor und Textilbeauftragte des sächsischen Wirtschafts ministeriums. Als ehemaliger Geschäftsführer des sächsischen InnoRegioProjekts „Innovation Netzwerk Textil“ (INNtex) war er maßgeblich daran beteiligt, dass die Branche in Sachsen neue Impulse bekam und eigene Stärken entwickelte. Unterstützt fühlte er sich dabei auch von der Politik. „Der damalige sächsische Ministerpräsident Biedenkopf hat gesagt: Die Textilindustrie gehört zu den Zukunftsindustrien Sachsens“, erinnert sich Rudolph. „Das war nur ein Satz, aber eine ganz wichtige Aussage, eine ganz klare Botschaft ohne Wenn und Aber.“
1999 hatte Rudolph bei der täglichen Zeitungslektüre zufällig von der Ausschreibung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung für die
InnoRegioFörderung gelesen. Er war sofort begeistert. Ihm war klar, dass Sachsens Textilbranche dafür die besten Voraussetzungen mitbrachte: erfahrene Leute und erstklassiges Knowhow. Auf der einen Seite existierten wissenschaftliche Einrichtungen wie das Sächsische Textilforschungsinstitut in Chemnitz sowie Institute für Textiltechnik und Textilchemie an der Technischen Universität Dresden. Außerdem gab es in Sachsen zu dieser Zeit über 200 Textilbetriebe. Deren Vernetzung herzustellen, war allerdings keine leichte Aufgabe, denn Ende der 90er Jahre gab es nur wenig Interesse an Kooperationen. „Die ostdeutschen Geschäftsführer dachten, wir wollen die Kombinate wieder aufbauen“, erinnert sich Rudolph. „Und die westdeutschen oder ausländischen Investoren hatten noch keine Bindung zu der Region.“ Doch gerade deshalb sah Franz Rudolph InnoRegio als Chance. Ein wichtiges Ziel des Programms war der Aufbau so genannter Innovationsnetzwerke. Durch neue Formen der
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Zusammenarbeit sollte das Potenzial einer Region ausgeschöpft und ein wettbewerbsfähiges Profil geschaffen werden. Genau das wollte Rudolph. Auf nur zwei Seiten schrieb er ein Ideenpapier, mit dem er sich auf Reisen begab. Er klapperte Textilbetriebe ab, sprach mit Verantwortlichen in Forschungsinstituten. Nach anfänglichen Schwierigkeiten fand er 63 kleine und mittelständische Unternehmen in Sachsen, die er für seine Vision begeistern konnte. Unterstützt wurde er dabei vom Verband der NordOstdeutschen Textil und Bekleidungsindustrie. Noch heute holt Franz Rudolph voller Freude das Papier mit den Unterschriften aller 63 Firmenchefs aus der Tasche: „Die haben alle gesagt: Ja, da machen wir mit. Die Bereitschaft der Unterneh
men und das Zusammengehörigkeitsgefühl waren da.“ Das war ein erster wichtiger Schritt. Auch die Wissenschaftler waren mit im Boot. Der Bewerbung für die InnoRegioFörderung stand also nichts mehr im Weg. Die Sachsen gehörten damit zu 444 Anwärtern aus den neuen Bundesländern, die sich für die Förderung bewarben.
Start für einen Innovationsmotor
Nur 23 regionale Initiativen wurden am Ende ausgewählt, eine davon war INNtex. Die Freude darüber war groß. Doch sich entspannt zurückzulehnen kam nicht in Frage. Für die Wissenschaftler und Unternehmer ging die Arbeit nun erst richtig los. Ihre Ziele waren hoch gesteckt. Innerhalb von nur sechs Jahren
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Mehrkopfstickautomat
wollte sich die sächsische Textil branche zu einem international wettbewerbsfähigen Verbund entwickeln. Eine ganze Re gion sollte nach vorne kommen. Außer Chemnitz standen da bei sechs weitere Standorte im Mittelpunkt: Mittweida, Crimmitschau, Reichenbach, Eibenstock, Annaberg und Freiberg. Der Aktionsradius war weit gefasst und entsprechend zahlreich auch die beteiligten Akteure: Rund 150 Unternehmen, Forschungsinstitute, Universitäten und Hochschulen, Handelsunternehmen, Dienstleistungs und Weiterbildungsfirmen, Arbeits förde rungsgesell schaf ten, Verbände, Banken, Behörden und Wirtschaftsfördereinrichtungen gehörten zu dem InnoRegio. Die Interessen von Unternehmen, Forschungs instituten und Universitäten unter einen Hut zu bekommen, war dabei eine der größten Herausforderungen. Als vermittelnde und strategische Instanz wurde dafür im Jahr 2000 INNtex e. V. gegründet. Gemeinsam mit seinem Kollegen Rainer Merkel übernahm Prof. Franz Rudolph die Geschäftsführung.
Im ersten halben Jahr entwickelte das InnoRegioTeam zunächst eine Strategie. Alle Beteiligten überlegten sich, wo ihre Stärken liegen und definierten Schwerpunkte. Dazu gehörten technische und intelligente Textilien sowie die Optimierung der textilen Verarbeitungskette.
Alte Idee – neue Strategie
Technische Textilien spielten von Anfang an eine wichtige Rolle beim InnoRegio „INNtex“. Sie sollten der Schlüssel zur internationalen Wettbewerbsfähigkeit der Sachsen werden. In der Region war das eigentlich nichts Neues. „Es gab schon in der DDR ein Kombinat für Technische Textilien. Bereits Mitte der 90er Jahre haben wir viel getan, um zu zeigen, dass die Zukunft bei den technischen Textilien liegt“, berichtet Franz Rudolph. Insbesondere das Sächsische Textilforschungsinstitut hatte das frühzeitig erkannt und entsprechende wissenschaftliche Projekte nach vorne gebracht. Bis heute gehören technische Textilien zu den Themenschwerpunkten in der Forschung und Industrie. Aber was versteht man eigentlich darunter? Wie der Name schon sagt, werden solche Textilien in technischen Bereichen verwendet. Dazu gehören beispielsweise die Automobil und Baustoffindustrie. Aber auch Schutzkleidung für Astronauten oder Feuerwehrleute zählt dazu. Selbst im Straßenbau werden Textilien zur Befestigung und Bepflanzung von abschüssigen Böschungen benutzt. Solche so genannten Geotextilien helfen auch bei der Sanierung von Skipisten oder beim Gewässerschutz.
Den größten Bedarf an technischen Textilien gibt es jedoch in der Autoin
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Technische Textilien spielen auch im Automobilbau eine immer wichtigere Rolle.
dustrie. Gewebte Stoffe finden sich überall in den Fahrzeugen: an den Sitzen und Türen, im Kofferraum, selbst im Radkasten. „Im Rahmen von InnoRegio haben wir im Bereich Automobil neue Absatzmärkte aufgezeigt“, stellt der heutige Geschäftsführer von INNtex e. V., Torsten Bäz, fest. „Da ist Sachsen ja gut aufgestellt mit VW, BMW und Porsche. Konfektion heißt jetzt nicht mehr nur Bekleidung, sondern auch ein Autositz muss konfektioniert werden. Unternehmen leben heute davon, Teile für die Autoindustrie zu liefern. Vor 15 Jahren hätten sie daran überhaupt noch nicht gedacht.“ Die Firma Curt Bauer hat diese Möglichkeiten erkannt und ihr Sortiment auf die Markt bedürfnisse eingestellt. Das traditionelle Textilunternehmen in der Erzgebirgsstadt Aue stellt in erster Linie Heimtextilien her, fertigt jetzt aber auch Kofferraumabdeckungen für Autos.
Die Tuchfabrik Spengler & Fürst im sächsischen Crimmitschau produziert zwar nicht für die Automobilindustrie, ist aber ebenfalls erfolgreich in den technischen Textilbereich eingestiegen. Auslöser dafür war auch hier InnoRegio. Neben exklusiven Bekleidungsstoffen stellt die Firma nun ein Gewebe mit einem speziellen Folienfaden her. Das Gewebe ist reißfest, Flammen hemmend und UV beständig. Es eignet sich gut als Material für Rollos in Wohnräumen oder Fahrzeugen. „Technische
Sticken eines strukturierten Rohrinliners auf einem Mehrkopfstickautomat
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Textilien sind die Zukunft“, stellt Franz Rudolph fest. „Der Anteil an der gesamten Textilindustrie liegt heute bei ungefähr 42 Prozent, Heimtextilien machen 30 Prozent aus und der Rest ist Bekleidung. Deutschland zählt zu den Weltmarktführern in technischen Textilien, neben den USA.“
Dazu tragen auch sächsische Firmen entscheidend bei, auch wenn die Umstellung auf die Produktion technischer Textilien keine sächsische Erfindung ist. Deutschlandweit geht der Branchentrend in diese Richtung. Doch Sachsens Unternehmen haben offenbar in kürzester Zeit die größten Entwicklungsschritte getan. Um das zu unterstreichen, zitiert Franz Rudolph eine Vertreterin
des Bundeswirtschaftsministeriums. Nach einer Präsentation des InnoRegio „INNtex“ vor einigen Jahren, soll sie festgestellt haben: „Ihr seid in Sachsen ja nicht die größten und die stärksten auf dem Textilsektor, aber ihr seid diejenigen, die am schnellsten in die richtige Richtung marschieren.“ Den Grund dafür sieht Rudolph in dem radikalen Umbruch nach der Wende und solchen Programmen wie InnoRegio.
Und das ist erst der Anfang
Für INNtex e.V. war das Projekt die Initialzündung für viele andere Forschungs und Entwicklungsprojekte, die sie ins Leben gerufen haben. Im Jahr 2005 half
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der Verein, den Wachstumskern „MaliTec“ zu gründen. Drei Jahre lang wurde dort die sächsische Nähwirktechnik „Malimo“ für technische Textilien weiterentwickelt. Heinrich Mauersberger aus LimbachOberfrohna im Erzgebirge hatte das Verfahren 1949 entwickelt und patentieren lassen. Abgekürzt wurde daraus der Markenname „Malimo“, eine textile Faser, die nicht gesponnen, sondern direkt aus Fasern hergestellt wird. Bei „MaliTec“ sind unter anderem Karbon und Bambusfasern mit Hilfe dieses speziellen Verfahrens verarbeitet worden, um neue Materialien für technische Anwendungen herzustellen.
Das beste Beispiel für das Umdenken einer ganzen Branche ist jedoch der sächsischthüringische Wachstumskern highSTICK. Hier sind Stickereibetriebe mit Forschungsinstituten sowie Maschinenbau, Textilveredlungs und Elektronikunternehmen vereint. Ihr gemeinsames Ziel: die klassische Stickerei in eine neue, eine technische Dimension zu bringen. Statt Muster auf Tischdecken werden jetzt Elektroden in Kleidung gestickt. Vor der Gründung des Wachstumskerns im Jahr 2007 haben sich die unter der Marke „Plauener Spitze“ agierenden traditionsreichen Unternehmen nie mit technischer Stickerei beschäftigt. Obwohl Sticken
Links: gestickter SensorRechts: gewebte Bänder
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einen viel größeren Nutzen haben kann, als nur Wohnzimmertextilien zu verschönern. „Der Vorteil des Stickens besteht in der Möglichkeit, ganz punktuell in eine Fläche bestimmte Funktionen hineinzubringen, optische oder elektrische“, erklärt Torsten Bäz. „Zum Beispiel bei einem Autositz brauche ich an bestimmten Stellen eine Sitzheizung. Den Draht dafür kann ich ganz gezielt an den dafür festgelegten Stellen einsticken und benötige keine weiteren Arbeitsschritte.“ Sticken fürs Auto ist also angesagt. Selbst die Funktion des Gaspedals wird dadurch revolutioniert. In das Material des Pedals wird ein Dehnungssensor eingestickt. Sobald der Fuß auf’s Gas drückt, nimmt der Sensor diesen Druck wahr und überträgt ihn direkt auf den Motor. Die Mechanik gehört der Vergangenheit. Dadurch können Kosten gespart und Gewicht reduziert werden.
Die Stickerei soll aber auch in der Medizin oder im Bauwesen eingesetzt werden. Gemeinsam mit Forschungseinrichtungen in Sachsen und Thüringen entwickeln die Unternehmen Produkte, mit denen sie sich weltweit am Markt behaupten können. Acht große Projekte gibt es bei highSTICK. Eines davon beschäftigt sich zum Beispiel mit der Sicherheit von Bauwerken, insbesondere von Dächern. Die Idee ist, Karbonlamellen in die Dachwerke einzuar beiten und mit Sensoren zu besticken. Die
Sen soren melden jegliche Veränderungen, so dass Einstürze künftig vermieden werden können. An dem Projekt sind Ingenieure der Weimarer BauhausUniversität, der Leipziger Hochschule für Wirtschaft, Technik und Kultur sowie des Sächsischen Textilforschungsinstituts beteiligt. In diesem Jahr wird die Förderung des Wachstumskerns auslaufen. Doch die HightechStickerei ist so erfolgversprechend, dass die Wissenschaftler und Unter nehmer bereits die Anschlussförderung für einen neuen, auf highSTICK aufbauenden Wachstumskern beantragt haben.
Über Ländergrenzen hinweg
Mehr als 90 Forschungs und Entwicklungsvorhaben hat INNtex e.V. seit 2000 auf die Beine gestellt. Davon profitiert nicht nur die Textilbranche in Sachsen, sondern auch die der Nachbarländer Polen und Tschechien.
Noch in den 90er Jahren haben sächsische Firmen dort wegen der niedrigen Löhne produzieren lassen. Damals war die Nähe zu Polen und Tschechien ein großer Standortvorteil. Das ist längst nicht mehr der Fall. Die Löhne sind inzwischen angeglichen, die Nachbarn keine Billigproduzenten mehr. Aber es gibt dort ein umfangreiches Knowhow und sehr gute Ausbildungsmöglichkeiten. So studieren an der Universität im tschechischen Liberec 1000 junge Leute
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im Bereich Textil, im gesamten Bundesland Sachsen sind es gerade mal 3040 Studenten. Der Austausch von Fachkräften und Wissen wird in Zukunft also an Bedeutung gewinnen. Bestes Beispiel dafür ist das Projekt „Euro Textil Region“, das vom Verband der NordOstdeutschen Textil und Bekleidungsindustrie e.V. initiiert wurde. 1400 Unternehmen und 35 Forschungsinstitute in Sachsen, Brandenburg, Thüringen, Polen und Tschechien pflegen hier einen regen Austausch. Gemeinsam wollen sie neue Produkte entwickeln sowie Arbeitsplätze schaffen und erhalten.
Schon im Jahr 2004 organisierte INNtex e. V. mit Hilfe einer Förderung vom Bundesministerium für Bildung und Forschung das erste internationale Innovationsforum „Mobiltex“. Damals trafen sich fast 200 Experten der Textil und Automobilindustrie aus Sachsen, Polen und Tschechien in Chemnitz. Alle verfolgten das selbe Ziel: die Entwicklung und Produktion neuer textiler Werkstoffe für die Autoindustrie. Aus dem Innovationsforum hat sich inzwischen eine fruchtbare Dreiländerkooperation entwickelt. Alle zwei Jahre treffen sich die Fachleute auf der mtex – Internationale Fachmesse und Symposium für Textilien und Verbundstoffe im Fahrzeugbau. Sie gilt als perfekte Plattform, um sich über neue Entwicklungen auszutauschen und Kooperationen anzuschieben.
Eine gestärkte Branche sucht Nachwuchs
InnoRegio war der Anfang. Inzwischen sind es viele Förderprojekte, die der sächsischen Textilregion zu neuem Aufwind verholfen haben. Netzwerke wurden geschaffen, sowohl zwischen den Unternehmen, als auch zwischen Forschungsinstituten und Textilbetrieben. Arbeitsplätze konnten erhalten und neue geschaffen werden. Inzwischen gibt es in Sachsen rund 12.000 Beschäftigte in der Textilindustrie und gute Ausbildungsmöglichkeiten für junge Leute. „Den Unternehmen ist durch die Neuorientierung eine Zukunft gegeben worden“, resümiert Torsten Bäz. Von 2005 bis 2008 sind Umsatz und Mitarbeiterzahl in Sachsens Textilbetrieben stetig gestiegen. Zwar brachte die Krise einen kleinen Einbruch. Doch jetzt sind die Unterneh
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Digitaldruckanlage für Frottiergewebe.
men wieder komplett ausgelastet und suchen dringend Mitarbeiter. „Das ist ein echtes Dilemma“, meint Bäz. „In der sächsischen Textilbranche gibt es viel zu wenig Fachkräfte und Auszubildende.“ Dass so wenig junge Leute in einem Textilbetrieb arbeiten wollen, hat auch mit dem schlechten Ruf der Branche zu tun, wie Torsten Bäz weiß: „Jeder hier in Sachsen hat irgendjemanden in der Familie, der mal in der Textilbranche gearbeitet hat. Die sagen dann: Was, du willst in die Textilindustrie gehen? Da haben sie doch so viel zugemacht, geh lieber nicht dorthin.“ Gegen dieses negative Image wollen Bäz und seine Mitarbeiter bei INNtex e.V. etwas tun. „Wir gehen in die Schulen, haben für die Schüler und Lehrer Werksbesichtigungen organisiert, die waren begeistert“, erzählt Bäz‘ Vorgänger Rudolph. „Man muss nichts beschönigen, sondern nur die Tatsachen zeigen.“
Genau das wird sein Nachfolger Torsten Bäz nun in Angriff nehmen. An seiner Seite hat er 15 Mitarbeiter. Das sind fast doppelt so viele wie bei der Gründung des Vereins zum Start von InnoRegio vor zehn Jahren. Sie sehen sich als strategische Geburtshelfer für die gesamte sächsische Textilbranche. Wo es in den nächsten Jahren lang gehen soll, ist für Bäz bereits klar: „In Zukunft werden Smart Textiles eine große Rolle spielen, also intelligente Kleidung und Heimtextilien, zum Beispiel Gardinen, die Rauch absorbieren oder die Farbe verändern, um weniger UVLicht durchzulassen. Es gibt immer mehr Funktionstextilien für den privaten Verbraucher. Das müssen wir den Unternehmen klar machen: Der Kunde will in Zukunft mehr als nur eine Gardine.“
Franz Rudolph ist zufrieden. Seit er in der Zeitung über die InnoRegioAusschreibung gelesen hat, wurde viel bewegt in seiner Heimat. „Die Innovationskraft der sächsischen Textilbranche ist enorm gestiegen.“, stellt er fest. „Das soll anhalten, das hohe Tempo und die Strukturen sollen beibehalten werden. Die Strategie stimmt.“ Da kann man nur sagen: Gut eingefädelt.
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Verbrennen war gestern Freiberger beschreiten neue Wege für die Nutzung der Braunkohle
Fast sieben Jahrhunderte lang sind die Bergleute hier in den Schacht gestiegen, jetzt wird auf dem Gelände der Reichen Zeche in Freiberg für die Zukunft ge-forscht. Es geht um die Nutzung von Rohstoffen wie Kohle, Erdöl und Gas. Dabei steht viel auf dem Spiel, denn die Quellen versiegen. Erdöl und Gas werden nur noch wenige Jahrzehnte verfügbar sein, Kohle bis zu 200 Jahre. An der TU Berg-akademie Freiberg widmen sich die Wissenschaftler deshalb den Möglichkeiten der effizienten Verwertung dieser Rohstoffe. Vor einem Jahr wurde am Institut für Energieverfahrenstechnik und Chemieingenieurwesen das „Zentrum für Inno-vationskompetenz“ (ZIK) VIRTUHCON gegründet. VIRTUHCON steht für Virtual High Temperature Conversion. Gemeinsam erforschen Ingenieure, Informatiker und Mathematiker hier die bessere stoffliche Nutzung der Braunkohle.
Momentan wird Braunkohle fast ausschließlich zur Energiegewinnung genutzt. Das bedeutet: 99 Prozent des fossilen Rohstoffs werden einfach verfeuert. Doch eigentlich hat die Kohle noch ganz andere Werte als nur die eines Energieträgers. Sie ist ein chemischer Rohstoff, der auch stofflich genutzt werden könnte. „Wenn wir den Blick erweitern vom Energierohstoff zum Chemierohstoff, dann sieht man, dass fossile Energieträger, besonders die Kohle, eine wesentlich höhere Bedeutung haben als ihnen heute beigemessen wird“, erklärt Professor Bernd Meyer, Rektor der TU Bergakademie Freiberg und Sprecher von VIRTUHCON. „Wir wollen die Verbrennung ablösen und Braunkohle dazu nutzen, um Chemieprodukte, aber auch Kraftstoffe zu erzeugen. Damit bereiten wir Technologien für die Zeit nach dem Erdöl vor.“
Die Wissenschaftler wollen Braunkohle insbesondere zur Herstellung von Kohlenstoffverbindungen nutzen, denn diese werden in allen Lebensbereichen benötigt. „Ich schätze, im Haushalt, abgesehen von den Baustoffen und Metallen, ist das die Stoffklasse, die im täglichen Leben am meisten vertreten ist, die uns zu 80 bis 90 Prozent umgibt“, meint Bernd Meyer. Dazu gehören zum Beispiel Kunststoffe, Textilien oder Waschmittel.
Gegenwärtig werden diese Produkte fast ausschließlich aus Erdöl hergestellt. Doch das geht zur Neige und der RohölPreis wird weiter steigen. Abgesehen davon ist die ErdölFörderung mit hohen Risiken verbunden, wie die jüngsten Vorkommnisse im Golf von Mexiko zeigen. Die chemische Industrie braucht auf lange Sicht Alternativen. Deshalb wollen die Freiberger Wissenschaftler Technolo gien zur Nutzung der Braunkohle als Kohlenstoffquelle entwickeln.
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Prof. Dr.Ing. Bernd Meyer, Rektor der TU Bergakademie Freiberg
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Untersuchungen von Schlackeablagerungen an Wärmeüberträgerrohren mittels HTXRD (Röntgendiffraktometrie).
Weniger verbrennen – mehr gewinnen
„Virtual High Temperature Conversion“ ist nicht nur der Name des Zentrums, sondern gleichzeitig sein Forschungsschwerpunkt. Unter Virtualisierung so genannter HochtemperaturKonversionsprozesse versteht man chemische und physikalische Prozesse der Stoff und Energiewandlung bei hohen Temperaturen von 1000 bis 2000° Cel sius. Dazu zählen auch Verbrennungs pro zesse von Kohle, Öl und Gas. Die Freiberger Wissenschaftler wollen ihr Forschungsobjekt, die Braunkohle, jedoch nicht komplett verbrennen, sondern nur teilweise. Das nennt sich dann Partialoxidation. Im Vergleich zur Verbrennung der Kohle wird dabei nur wenig Kohlendioxid erzeugt, stattdessen hauptsächlich Wasserstoff und Kohlenmonoxid. Diese sind wiederum die Ausgangsstoffe für chemische Synthesen. Auf diese Weise können Kunststoffe und sogar Kraftstoff hergestellt werden. Das hat gleich mehrere Vorteile: Der CO2Ausstoß wird extrem reduziert, da die Kohle nur partiell verbrannt wird und kaum Kohlendioxid entsteht. Und die Braunkohle kann zur Herstellung von Kohlenstoffprodukten genutzt werden, sie kann das Erdöl vielleicht in absehbarer Zeit ersetzen.
Um dies zu schaffen, wird bei VIRTUHCON auf drei Ebenen geforscht, und zwar genau auf den drei Ebenen des partiellen Oxidationsprozesses. Die erste Forschungsgruppe untersucht die Interaktion der Kohle mit dem umgebenden Raum. Dabei geht es um die Reaktionen während des Oxidationsprozesses zwischen dem festen und dem gasförmigen Zustand. Die zweite Gruppe modelliert die Prozesse, die in einem Partikel in der Kohle während der Hochtemperaturkonversion geschehen. Die Wissenschaftler wollen wissen, wie aus dem festen Kohlenstoff ein KohlenmonoxidMolekül und ein WasserstoffMolekül werden. Das dritte Team beschäftigt sich mit der Modellierung des gesamten Reaktionsraumes. Dabei werden die Raumgeometrie und die verschiedenen Wechselwirkungen zwischen Stoff und Raum berücksichtigt. Diese Gruppe wirkt auch federführend an der mathematischen Simulation des gesamten Reaktionsprozesses und dessen Virtualisierung mit.
Die Technologien für die partiellen Oxidationsprozesse sind sehr komplex und aufwändig. Sie gehen weit über die Verbrennungstechniken hinaus, die es heute in Braunkohlekraftwerken gibt. Deshalb stellt VIRTUHCON diese Prozesse mit Hilfe von Hochleistungsrechnern zunächst virtuell dar. Dafür nutzen die Wissenschaftler eine 3DBildprojektion in einem speziellen Projektions
ERFOLGSGESCHICHTEN AUS SACHSEN
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Vergrößerte Darstellung geschmolzener Kohleasche (Schlacke).
raum, einer so genannten Cave, an der Universität. In diesem Raum können sie technologische Prozesse in hoher Auflösung simulieren und beobachten. Mit Hilfe dieser lebensechten Simulation lassen sich völlig neue Technologien entwickeln. Die virtuellen Tests haben große Vorteile. Auf der einen Seite können sich Unternehmen auf ihre Zukunft vorbereiten und verstehen, wie ihre Technologien in zehn bis 15 Jahren aussehen werden. Auf der anderen Seite wird damit viel Zeit und Geld gespart werden. Denn bevor eine kohlebasierte Raffinerie gebaut und mit neuer Technik ausgestattet wird, sind sehr viele Tests notwendig. Zunächst muss die Technologie im Labor geprüft werden, dann im nächst größeren Maßstab, dem so genannten Technikums und Pilotmaßstab und erst danach kommt sie in der Produktion zum Einsatz. Damit dieser Prozess am Ende zuverlässig und störungsfrei abläuft, ist ein riesiger finanzieller und zeitlicher Aufwand notwendig. Neue Entwicklungen erfordern normalerweise bis zu 20 Jahre, ehe sie vom Labor zur technischen Reife kommen. Das will das VIRTUHCONTeam ändern. „Wir wollen physikalische und ingenieurtechnische Prozesse, die heute noch nicht verstanden werden, auf Hochleistungscomputern abbilden, simulieren und modellieren, um ein oder zwei Stufen dieser Entwicklung zu überspringen: vom Labor direkt zur Anwendung, dann hat man zehn Jahre
Entwicklungszeit und hohe Kosten eingespart“, erklärt Professor Meyer das Ziel von VIRTUHCON.
Neben dem Faktor Zeit spielt auch der Umweltschutz eine große Rolle. Denn wenn die Kohleverbrennung reduziert wird, verringert sich auch der CO2Ausstoß. Mit den Technologien, die VIR TUH CON entwickelt, werden von der Gewinnung der Kohle bis zum Produkt 40 Prozent weniger Kohlendioxid abgegeben, als wenn die Kohle energetisch genutzt, also verbrannt werden würde. Das bedeutet, 40 Prozent des Kohlenstoffs werden direkt in ein chemisches Produkt umgewandelt, ohne dass zusätzliche Maßnahmen für die Abtrennung von CO2 erforderlich wären.
Flüssige Kohle fürs Auto
Die Kohle ist bei der Erforschung des partiellen Oxidationsprozesses nur ein möglicher Ausgangsstoff. Die gleichen Prozesse laufen auch ab, wenn Öl vergast oder Erdgas gespalten wird. Selbst die Reduktion von Erzen funktioniert auf diese Weise. Reduktion heißt, dass aus oxidischen Erzen Metalle gewonnen werden.
Der Abbau von Erzen ist wieder ein interessantes Thema geworden, insbesondere in Sachsen. Im sächsischen Erzgebirge, der Name sagt es, wurde seit dem 12. Jahrhundert Silbererz gewon
Anlage für das HochdruckSynthesegasVerfahren HP POX – das derzeit mo derns te Synthesegasverfahren für flüssige und gasförmige Kohlenwasserstoffe.
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nen. Der für den deutschen Raum sehr bedeutende SilbererzBergbau fand aber aufgrund fallender Weltmarktpreise zu Anfang des 20. Jahrhunderts zunächst sein Ende. Anfang der 90er Jahre wurde der Erzabbau dann endgültig eingestellt. Steigende Rohstoffpreise könnten nun aber erneut Interesse an den heimischen Erzlagerstätten wecken. Die Gewinnung von Kupfer, Zinn, Nickel und Wolfram stehen dabei im Mittelpunkt des Interesses.
VIRTUHCON untersucht in erster Linie Vergasungsprozesse, bei denen hochreine chemische Synthesegase entstehen, die für viele Synthesen eingesetzt werden. Damit lässt sich zum Beispiel Wasserstoff produzieren, der für BrennstoffzellenFahrzeuge genutzt wird oder synthetisiertes Benzin, der so genannte FischerTropschKraftstoff. Benannt ist er nach einem Verfahren, das Franz Fischer und Hans Tropsch bereits 1925 in Mülheim an der Ruhr
entwickelt haben. Dabei wird ein KohlenstoffmonoxidWasserstoffGemisch in flüssige Kohlenwasserstoffe umgewandelt, die dann als synthetische Dieselkraftstoffe genutzt werden können. Der Ausgangsstoff dafür ist Kohle. „Hier am Institut ist gerade eine große Pilotanlage für eine neuartige Benzinsynthese entstanden“, sagt Bernd Meyer und zeigt aus dem Fenster auf die glänzenden Rohre der Miniraffinerie. „Wir nutzen dafür ein Synthesegas, das wir am Institut erzeugen, so dass wir den Prozess hier schon im Pilotmaßstab abbilden können. Die Forschungsergebnisse von VIRTUHCON werden dort später auch einfließen.“ Wenn das Öl knapper wird, könnte die Braunkohle also für die Kraftstoffgewinnung einspringen.
Diese Möglichkeiten sollen am Deutschen EnergierohstoffZentrum (DER) in Freiberg weiterentwickelt werden. Das Projekt des BMBFFörderprogramms „Spitzenforschung und Innovation in den Neuen Ländern“ bildet eine gute Ergänzung zur Arbeit von VIRTUHCON. Die am Rechner modellierten Prozesse werden dort mit konkreten Daten versorgt. Gemeinsam wollen die Wissenschaftler ihre Kenntnisse über Stoffe wie Kohle, Öl und Erze vertiefen. Mit Hilfe der virtuellen Simulationen der VIRTUHCONWissenschaftler soll der Kohlevergasungsprozess der neuen Generation im Technikumsmaßstab entwickelt werden. Demnächst werden die Ingenieure, Mathematiker und Informatiker sogar unter einem Dach arbeiten können. Gerade ist auf dem
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Objektträger mit Probe für eine thermogravimetrische Analyse.
Gelände der Reichen Zeche der Grundstein für ein neues Forschungsgebäude gelegt worden. Es soll das modernste brennstoffanalytische Zentrum Europas werden.
Wissen ist ein scharfes Schwert
Um synthetische Kraftstoffe herzustellen, eignet sich auch Biomasse. Das Freiberger Unternehmen Choren produziert auf diese Weise den umweltfreundlichen Kraftstoff SunFuel. Dafür sind ebenfalls Vergasungsprozesse notwendig, die bei VIRTUHCON untersucht werden. Deshalb arbeiten die Wissenschaftler eng mit der Firma zusammen. Es ist nicht ihr einziger Wirtschaftspartner. Auch Anlagenbauer wie Lurgi, Siemens oder Uhde gehören dazu. Nur wenige hun
dert Meter Luftlinie vom Institut entfernt ist die SiemensTochter Siemens Fuel Gasification Technology (SFGT) beheimatet, in der Vergasungstechnologien entwickelt werden. „Siemens wird von unserer Forschung sehr profitieren“, meint Professor Meyer. „Wenn VIRTUHCON die ersten virtuellen Modelle fertig hat, in zwei bis drei Jahren, wird das großen Einfluss auf die Entwicklungsgeschwindigkeit und Qualität bei Siemens haben.“
Bernd Meyers Vision ist es, dass mit VIR TUHCON ein virtuelles Entwicklungszentrum vorbereitet wird, dass sich später eigenständig am Markt behaupten kann. Zum ersten Mal würde ein Dienstleistungszentrum für die Prozessentwicklung entstehen, das es in dieser Form bisher nicht gibt. Das Besondere an VIRTUHCON ist, dass es frei ist von wirtschaftlichen Interessen und Verpflichtungen gegenüber einzelnen Unternehmen. Das Zentrum kann alle Technologien in verschiedenen Firmen und Branchen bedienen, ohne Rücksicht auf gegenseitige Abhängigkeiten. Es kann frei am Markt agieren, das ist ein absolutes Novum. Und das Projekt VIRTUHCON besitzt noch einen anderen großen Wert: „Wenn das Modellwissen auf dem Rechner und in den Köpfen der Leute vorhanden ist, dann sind wir konkurrenzlos als Entwickler solcher HochtemperaturKonversionstechnologien“, erläutert Meyer. „Und die sind
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international gefragt, nicht nur in Deutschland, wie hier am Standort mit Siemens und Choren, sondern weltweit. Und damit haben wir ein scharfes Schwert in der Hand, das wir ohne das Zentrum für Innovationskompetenz nicht bekommen hätten.“
Freiberg im globalen Fokus
Auch die wissenschaftlichen Kontakte der Freiberger haben sich rasant entwickelt. Die Thematik, mit der sich VIRTUHCON beschäftigt, spricht die internationale ForscherGemeinschaft an, wie es bisher nicht der Fall gewesen ist. Die Erforschung fossiler Energieträger für die chemischenergetische Nutzung ist weltweit ein großes Thema. Deshalb hat VIRTUHCON Partner bis nach Down Under. Dort arbeiten die Wissenschaftler mit dem australischen Forschungsverbund Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation (CSIRO) zusammen, der sich Kohle und Stahlthemen widmet. Außerdem gibt es Kooperationen mit einem amerikanischen Partner in North Dakota und mit europäischen Verbänden.Von VIRTUHCON gehen starke akademische Impulse aus. Alle zwei Jahre organisiert das ZIK eine große internationale Tagung in Freiberg. 2011 wird die nächste stattfinden. An dieser Veranstaltung nehmen internationale Spitzenwissenschaftler teil. Sie lernen Freiberg persönlich kennen und kom
men mit dem Entwicklungsstandort in Kontakt. Bernd Meyer ist ganz sicher, dass die Stadt mit allen wissenschaftlichen und wirtschaftlichen Facetten weltweit bekannter werden wird.
Fossiler Rohstoff – moderne Nutzung
Regenerative Energien wie Wind, Sonne und Wasser gewinnen immer größere Bedeutung für die Erzeugung von Strom. Braunkohle liefert nur ein Viertel der elektrischen Energie. Doch mithilfe neuer Technologien könnte die Kohle zum Lückenfüller werden. Statt sie zu verfeuern, können die Kraftwerke auf Vergasungstechnik umstellen. Auf diese Weise lässt sich beispielsweise ein synthetischer Kraftstoff wie Methanol herstellen. Wenn gerade kein Wind weht oder die Sonne nicht scheint, kann das Methanol in den Gasturbinen verbrannt und zur Energiegewinnung genutzt werden. Der Ausstoß von Kohlendioxid ist dabei sehr gering. So würde die Natur geschont und dennoch der benötigte Strom geliefert werden.Die Nutzung fossiler Brennstoffe wie der Kohle wird auch in den nächsten Jahrzehnten unverzichtbar sein, damit Deutschland auf dem Weltmarkt wettbewerbsfähig bleibt. „Aber wir sollten das intelligent tun und in einer Weise, dass die alternativen, die regenerativen Technologien möglichst schnell Fuß fassen können“, meint Bernd Meyer. „Für den Strom haben wir Alternativen.
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CFDSimulation des Schwarmverhaltens sinkender Partikel in einem Fluid.
Für Chemierohstoffe gibt es keine Alternativen zu Kohle, Öl und Gas. Deshalb muss die Rolle der Kohle in einem energiearmen Land wie Deutschland eine neue Definition bekommen.“
Um die Kohle zu fördern, sind heftige Eingriffe in die Natur notwendig, abgesehen von der Umsiedlung ganzer Dörfer. Doch Professor Meyer ist der Meinung, dass die Umweltschäden durch hochriskante Bohrungen nach Erdöl und Gas viel größer sind. Das beste Beispiel ist die ÖlKatastrophe im Golf von Mexiko, die durch Bohrungen im Meer verursacht wurde. Es ist eine der schlimmsten Umweltkatastrophen, die es je auf der Erde gegeben hat. Millionen Menschen sowie Flora und Fauna sind davon betroffen.
Bernd Meyer denkt, dass eine alternative, stoffliche Nutzung der Kohle auch den Menschen zugute kommen kann. Nicht nur, weil ihre Bedürfnisse weiterhin befriedigt werden, sondern auch weil Arbeitsplätze in den Kohlebergbauregionen erhalten und neue geschaffen werden könnten. Denn wenn die Technologien, die bei VIRTUHCON entwickelt werden, in der chemischen Industrie zur Anwendung kommen, werden viel mehr Arbeitskräfte benötigt. „Ein 1000 MegawattKraftwerk, also ein sehr großes, zentrales Kraftwerk, kommt mit 150 Leuten aus“, erläutert Meyer. „Für die gleiche Kohlenutzung in der chemi
schen Industrie könnten jedoch vier bis fünf Mal so viele Leute beschäftigt werden.“ Der Grund sind aufwändigere und komplexere Technologien. Vereinfacht betrachtet, könnten die Arbeitsplätze durch die Einsparung teurer Erdölimporte finanziert werden.
VIRTUHCON wird an diesen Entwicklungen maßgeblich beteiligt sein. Am Ende der Forschungsarbeit stehen Technologien, die deutschen Unternehmen dabei helfen, ihre Marktführerschaft auszubauen. Das ZIK hat eine Vorreiterrolle, die Bernd Meyer weiter ausbauen will: „Die Entwicklungsplattform, die sich durch VIRTUHCON ergibt, könnte die Basis für ein eigenes Geschäftsmodell, ein eigenes Unternehmen werden, das eng an die Universität gekoppelt ist.“
Schließlich entwickeln die Ingenieure, Mathematiker und Informatiker am Freiberger ZIK VIRTUHCON ein Knowhow, das in Deutschland und der Welt einzigartig ist. Der Bedarf dafür wird in den nächsten Jahren und Jahrzehnten enorm wachsen.
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Biopolis im sächsischen Silicon Valley Ein Förderprojekt und seine Folgen
Am späten Nachmittag des 15. Mai 2001 wurde an der Technischen Universität Dresden der Verein BioMeT e.V. gegründet. Es war nur ein kurzer formaler Akt, dem 21 Wissenschaftler, Unternehmer und Organisatoren aus der Region bei-wohnten. Doch es sollte der Start sein für eine zukunftsweisende Entwicklung. Das sächsische Silicon Valley, die starke Mikroelektronik-Region Dresden, hatte eine vitale kleine Schwester bekommen – die Biotechnologie. Dafür stand BioMeT. Das Netzwerkprojekt wurde durch das „InnoRegio“-Programm des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gefördert. Ein Projekt mit einem ehrgeizigen Ziel: Moderne Biotechnologie sollte in Dresden und der gesamten Region Wissenschaft und Wirtschaft voranbringen, neue Arbeitsplätze schaffen.
Schon vor dem Start des Innovationsnetzwerkes BioMeT war in Dresden einiges in Bewegung geraten. 1998 wurde hier das MaxPlanckInstitut für Molekulare Zellbiologie und Genetik (MPICBG) gegründet. 2001 zogen die Wissenschaftler in den Neubau ein. Einer der Direktoren war Kai Simons. Für ihn war klar, dass es eine große Herausforderung sein würde, in Dresden etwas auf die Beine zu stellen. Denn die sächsische Landeshauptstadt war alles andere als ein BiotechnologieStandort. „Das war in den neuen Bundesländern allgemein ein Problem, dass die Biotechnologie und die moderne Biologie fast nicht vertreten waren“, meint Professor Simons. Aber der Finne brachte viel Erfahrung mit. Er hatte an dem international renommierten European Molecular Biology Laboratory (EMBL) in Heidelberg gearbeitet und dort das Netzwerk BioRegio mit aufgebaut. Der Mediziner und Biochemiker wusste, dass es wichtig war, mit der „Karotte“ zu winken, um Wissenschaftler und
Unternehmer in ein Boot zu bekommen. Mit dem Gemüse meint Simons die Fördergelder, mit denen wichtige Akteure aus Forschung und Wirtschaft motiviert werden sollen, gemeinsam an einem Strang zu ziehen. So war es auch in Dresden.
Obwohl die Karotte zunächst nur in Gedanken existierte, bestand doch berechtigte Hoffnung, mit dem InnoRegioProjekt erfolgreich zu sein. Die Politiker in Sachsen waren anfangs zwar sehr skeptisch. „Als wir bekannt gaben, dass wir einen Antrag für InnoRegio in der Biotechnologie stellen wollen, sagte das Ministerium: Das lohnt sich nicht. Das hat keine Chan ce“, erinnert sich Kai Simons. Doch das entmutigte ihn keineswegs. Genauso wenig wie seine Mitstreiter, Wissenschaftler von der Technischen Universität Dresden und deren Gesellschaft für Wissens und Technologietransfer (GWTTUD GmbH) sowie regionale Unternehmen. Gemeinsam formulierten sie ein Konzept für ihre Vision
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Prof. Dr. Kai Simons, Direktor Emeritus des MaxPlanckInstitutes für Genetik und Zellbiologie
einer neuen BiotechnologieRegion in Deutschland: Biopolis Dresden.
Synergien für Millionen
Eine Vision, die überzeugte. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung bewilligte die Förderung des InnoRegio Innovationsnetzwerks BioMeT Dresden. Über die Fachgrenzen hinweg sollten hier Bio und Ingenieurwissenschaftler, Mediziner und Informatiker zusammenarbeiten. Fast 24 Millionen Euro flossen in das Projekt. Und auch die Landesregierung war nun von der Idee
überzeugt. Zur gleichen Zeit startete sie die Biotechnologieoffensive Sachsen – biosaxony. 100 Millionen Euro wurden für den Aufbau eines BioInnovationsZentrums in Dresden locker gemacht. Wissenschaft und Wirtschaft sollten dort unter einem Dach arbeiten. Für Kai Simons und seine Kollegen war das ein riesiger Erfolg und ein klares Signal. Die Biotechnologie sollte sich in Dresden neben der Mikroelektronik zu einem zweiten starken Standbein entwickeln. Mit ihrer großzügigen Unterstützung schuf die sächsische Staatsregierung die Basis für diesen Prozess.
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Das Hauptgebäude des MaxPlanckInstituts für molekulare Zellbiologie und Genetik in Dresden.
Unternehmer, Wissenschaftler und Politiker zogen an einem Strang. Der Weg für den Aufbau von Biopolis Dresden war frei. Die Richtung gab das InnoRegioProjekt vor: innovative Forschung, die für die Industrie relevant ist. Um das zu schaffen, wurden Kooperationen in ganz Sachsen ins Leben gerufen. Zu den rund 200 Partnern gehörten unter anderem Pharma und BiotechUnternehmen aus der Region, die TU Dresden, die Leipziger Universität, das Forschungszentrum DresdenRossendorf, das MaxPlanckInstitut für Molekulare Zellebiologie und Genetik sowie verschiedene Fraunhofer und LeibnizInstitute in Dresden.
Von Keksen, Genen und Knochen
Selbst eine Bäckerei war bei BioMeT dabei: die Dr. Quendt KG. In diesem Dresdner Betrieb wird schon seit über 100 Jahren gebacken, heute vor allem Stollen und Russisch Brot. Diese spezielle Keksart wollte Dr. Quendt nicht mehr mit Zucker süßen, sondern mit Inulin. Dieses aus Fructose aufgebaute Polysaccharid kommt unter anderem aus der Wurzel von Topinambur, einer kartoffelähnlichen Pflanze. Es ist gesünder als normaler Zucker wegen der probiotischen Wirkung, zersetzt sich jedoch bei hohen Temperaturen. Mit Hilfe biotechnologischer Verfahren sollte das Inulin behandelt werden, damit es dem Backprozess standhält.
Das Süßen von Keksen war jedoch nur ein kleiner Teil der Forschungs und Entwicklungsarbeit bei BioMeT.
In anderen Projekten arbeiteten die Wissenschaftler unter anderem daran, die moleku lare Diagnostik zu verbessern, insbesondere DNSBefunde. Die Firma Biotype AG entwickelte so genannte TatortKits, die insbesondere Gerichtsmediziner und Kriminalämter zu schätzen wissen. Für diese speziellen DNATests genügen schon minimale oder gar zerstörte Gewebeproben. Die Biotype AG, heute Biotype Diagnostic GmbH, wurde kurz vor dem Start des InnoRegioProjekts 1999 in Dresden gegründet, genau wie Cenix BioScience GmbH. Das Unternehmen ist eine Ausgründung aus dem MPICBG in Dresden sowie dem EMBL in Heidelberg.
Bei Cenix wurde erstmals die so genannte RNAInterferenzMethode (RNAi) für eine breite Anwendung weiterentwickelt. RNA steht für Ribonukleinsäure, deren wesentliche Funktion in der Zelle darin besteht, genetische Informationen in Proteine umzusetzen. Mit der RNAi kann die Funktion bestimmter Gene in Körperzellen gezielt unterdrückt werden. Auf diese Weise könnten eines Tages Krankheiten wie Krebs, Arteriosklerose oder Diabetes direkt an ihrem Entstehungsort, in der Zelle, bekämpft werden. Zwar gibt es einige BiotechUnternehmen auf der Welt,
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die sich mit der RNAInter ferenz beschäftigen, doch Cenix hat eine besondere Expertise. Die Firma ist in der Lage, auch schwierige Zelllinien sehr schnell zu untersuchen. Im so genannten HochdurchsatzVerfahren mit automatisierten Hochleistungsmikro skopen und einer speziellen Auswertungssoftware können pro Stunde et liche hundert Gene analysiert werden.Ein anderes wichtiges BioMeTProjekt sollte der Behandlung von Krebspatienten zugute kommen. Oftmals entwickeln Menschen durch die Vermehrung bestimmter Gene eine Resistenz gegen die Chemotherapie. Die Dresdner BiotechFirma RESprotect GmbH entwickel
te Möglichkeiten, um diese Resistenz zu verhindern. Das Unternehmen wurde im Jahr 2000 als SpinOff der FraunhoferGesellschaft gegründet.
Doch nicht nur junge, sondern auch so traditionsreiche Betriebe wie der Arzneimittelhersteller Apogepha Arzneimittel GmbH gehörten zum BioMeTVerbund und wurden mit den Fördermitteln unterstützt. Seit mehr als 120 Jahren ist das Familienunternehmen in Dresden ansässig. Im Rahmen eines BioMeT Projekts wurde hier untersucht, wie die Wirksamkeit von Präparaten durch „Drug Targeting“ erhöht werden kann. Das bedeutet, Moleküle zu finden, die
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Die Biotechnologie hat sich in Sachsen etabliert.
direkt an den Rezeptoren der erkrankten Organe wirken. Auf diese Weise kann die Dosierung der Medikamente gesenkt und die Wirkung verbessert werden, bei deutlich geringeren Nebenwirkungen.
Fachübergreifende Forschung gehörte bei BioMeT zum Konzept. So haben Mediziner und Biologen in verschiedenen Projekten auch mit Materialwissenschaftlern zusammengearbeitet. Eines dieser Projekte war die Züchtung von körpereigenem Gewebe, wie Haut und Knochen. Auf diese Weise können zum Beispiel Unfall oder Knochenkrebspatienten künftig Ersatzknochen aus dem Labor bekommen. Dafür werden textile Strukturen eines Polymerwerkstoffes mit den Zellen des Patienten besiedelt, die sich dort vermehren. In einem bestimmten Stadium werden diese bewachsenen textilen Strukturen in den Körper implantiert. Das Polymergewebe baut sich vollständig ab, so dass die Knochen am Ende komplett wiederhergestellt sind. An diesem umfangreichen Forschungsprojekt waren sogar Wissenschaftler und Unternehmer von zwei InnoRegios involviert: BioMeT Dresden und INNtex Chemnitz. Kooperiert haben das LeibnizInstitut für Polymerforschung, die Technische Universität und das Universitätsklinikum Carl Gustav Carus in Dresden sowie die Unternehmen Rolf Möckel und die Catgut GmbH aus dem Vogtland.
Zahlen sagen mehr als viele Worte
Mehr als 30 Forschungs, Entwicklungs und Bildungsprojekte wurden von 2001 bis 2006 mit den BioMeTFördermitteln realisiert. „Ohne InnoRegio wäre alles anders hier. Die Förderung hat einen großen Effekt gehabt“, stellt Professor Simons rückblickend fest. Seit er vor fast 10 Jahren seine Arbeit am MaxPlanckInstitut in Dresden aufgenommen hat, ist viel passiert. „1.500 Arbeitsplätze wurden in der BiotechnologieBranche geschaffen. Das macht den Standort attraktiv“, sagt er nicht ohne Stolz. „Biotechnologie ist neben der Mikroelektronik eine wichtige Säule. Sie ist kleiner, aber wichtig für die Zukunft.“
Der kleine, feine BiotechStandort Dresden hat in den letzten 10 Jahren eine Entwicklung hingelegt, die sich sehen lassen kann. Seit dem Start von BioMeT wurden in der Region 23 BiotechnologieUnternehmen gegründet, acht Firmen haben sich in Dresden und Umgebung angesiedelt. Hinzu kommen vier Pharmaunternehmen. Weitere 36 Betriebe sind als Zulieferer und Dienstleister für die Branche tätig. Die meisten BiotechnologieUnternehmen schauen positiv in die Zukunft. Über die Hälfte der jungen Firmen plant Neueinstellungen in den kommenden Jahren und geht von einer Erhöhung des Umsatzes aus. Die Fördermittel von BioMeT waren also gut angelegt und zwar nicht nur in
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der Industrie, sondern auch in der Forschung, wie Professor Kai Simons bestätigt: „Wir haben eine mindestens 300prozentige Erhöhung unseres Etats erreicht. So viele neue Fördergelder konnten wir durch diese Anfangsinvestition einwerben.“
Mit den Fördergeldern des Landes Sachsen wurde zur selben Zeit das BioInnovationsZentrum im Herzen von Dresden gebaut und Ende 2003 eröffnet. Forschung und Industrie sitzen hier so nah beieinander wie sonst nirgendwo. Zu dem Gründerzentrum gehört das BiotecTUD, das Biotechnologische Zentrum der TU Dresden. Hier arbeiten und lernen mehr als 200 Forscher aus aller Welt in Bereichen wie Biophysik, Molekulare Genetik oder Bioinformatik. Im selben Haus, gleich nebenan, haben BiotechFirmen wie die Cenix BioScience GmbH, die InnoTERE BioMaterials GmbH und Fachbereiche der GWTTUD GmbH ihren Sitz.
Dieses attraktive Umfeld zieht mittlerweile Wissenschaftler aus aller Welt nach Dresden. Allein am MaxPlanckInstitut für Molekulare Zellbiologie und Genetik kommt fast die Hälfte aller Mitarbeiter aus dem Ausland. Und auch die Nachwuchsforscher fühlen sich in Sachsen gut aufgehoben. In einem internationalen Doktorandenprogramm werden in Dresden über 200 Studenten ausgebildet. Die Themen sind fachüber
greifend angelegt: von der Zellbiologie und Genetik über die Biophysik und Neurobiologie bis hin zum Bioingenieurwesen.
Die ersten Früchte
Dresden erlebte einen echten BiotechBoom und damit wuchs auch das wissenschaftliche Ansehen der Region. Von dem Ergebnis war selbst Kai Simons überrascht: „Unsere Bewerbung für die Exzellenzinitiative war erfolgreich. Das war unglaublich“, erzählt er. „Die einzige Universität in den neuen Bundesländern, die für ein Exzellenzcluster ausgewählt wurde, war hier in Dresden. So schnell haben wir die Forschungslandschaft verändert, dass wir auf einem zentralen Gebiet die Nummer eins in der Bundesrepublik geworden sind.“
Seit November 2006 fließen bis 2011 jedes Jahr 1,5 Millionen Euro in den Forschungscluster. Das fachübergreifende Netzwerk ist eine Erweiterung des bereits von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderten Zentrums für Regenerative Therapien Dresden (CRTD). Mehr als 50 Gruppen arbeiten hier zusammen mit ihren Wirtschaftspartnern. Mit Hilfe der Stammzellenforschung wollen sie die Grundlagen für bessere Therapieverfahren erforschen, unter anderem für Leukämie, Diabetes, Herzkreislauferkrankungen und degenerative Erkrankungen des Nervensystems.
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Mikropartikel aus Albumin im Rasterelektronenmikroskop.
Für das CRTD wird gerade ein großer Neubau errichtet, der nächstes Jahr eröffnet werden soll.
In direkter Nachbarschaft steht das MPICBG, das an vielen großen BiotechnologieProjekten in Dresden beteiligt ist, oft sogar als treibende Kraft. Gleichzeitig profitieren die Wissenschaftler des Instituts von dem kräftigen Aufschwung. So konnte Professor Kai Simons gemeinsam mit Partnern von der TU Dresden sowie Universitäten in Darmstadt und Belgien ein eigenes Förderprojekt aufbauen. Es nennt sich
MIGRATA und wird seit 2008 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. Im Mittelpunkt steht die AlzheimerKrankheit, die durch giftige, so genannte 0AmyloidPeptide ausgelöst wird. Ziel ist die Erforschung und Entwicklung von Medikamenten, die direkt im zellulären Mechanismus eingreifen und die Bildung des AmyloidPeptids hemmen. Dadurch könnte Alzheimer verhindert und geheilt werden. Bisherige Therapien mildern zwar die Symptome, können die Krankheit jedoch nicht kurieren.
ERFOLGSGESCHICHTEN AUS SACHSEN
68 INNOVATIONSATLAS OST 2010
Ein Schritt nach dem anderen
Viele BiotechnologieProjekte in Dresden sind bisher auf medizinische Themen ausgerichtet, doch das soll sich ändern. BioEngineering heißt die Zukunft. Insbesondere die TU Dresden kann sich mit ihrem Knowhow in diesem Bereich profilieren, an der Schnittstelle zwischen biologischer Forschung und Ingenieurwissenschaften. Der Bedarf dafür ist groß. „Unser Technologiekonzept für die nächsten 50 Jahre muss total umgekrempelt werden, weil Öl teurer und die Ressourcen knapper werden“, stellt Kai Simons klar. „Wir müssen die fehlenden Ressourcen ersetzen. Da wird die Biologie als Vorbild dienen. Organismen auf unserem Planeten können fast alles. Sie können Energie und Materialien produzieren, sie haben sogar Recyclingsysteme. Unsere Idee ist, neue biologische Tech
nologien zu entwickeln, die nicht nur in der Medizin angewendet, sondern wirtschaftlich nutzbar gemacht werden können.“
Genau damit beschäftigen sich die Wissenschaftler des 2008 in Dresden etablierten „Zentrums für Innovationskompetenz“ (ZIK) B CUBE – Molecular Bioengineering. Die Biologen und Materialwissenschaftler wollen organische Vorgänge auf molekularer Ebene verstehen lernen. Sie planen unter anderem, Strukturen und Funktionen der belebten Materie in synthetische Materialien zu übertragen. Selbstheilende Oberflächen, Nanoelektronik und organische Sensorik sind einige der Schwerpunkte von B CUBE.
Das ZIK reiht sich ein in Dresdens BiotechnologieLandschaft, die mittlerweile ein hohes Niveau und große Viel
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Einrichtung eines Bestrahlungsexperiments am Hochleistungslaser DRACO des Forschungszentrums DresdenRossendorf
falt erreicht hat. Eigentlich könnte man mit dem Erreichten zufrieden sein. Doch Kai Simons hat dazu eine andere Meinung. „In der HightechBranche und in der Forschung ist es so: Entweder man expandiert oder schrumpft. Dazwischen gibt es nichts. Es muss immer weitergehen, gerade in den Zukunftstechnologien. Diese Technologien brauchen immer neue Impulse und die kommen aus der Forschung.“
Vier Jahre nach dem Ende von BioMeT heißt das Motto der jungen Biotech Region auch weiterhin: wachsen. Das InnoRegioProjekt hat viele Impulse gesetzt in Dresden. Regionale Netzwerke wurden geschaffen, die bis heute gut funktionieren. Dazu gehört der Verein biodresden e. V., früher BioMeT e. V., dessen Vorstandsvorsitzender Kai Simons ist. Gerade sind biodresden e. V. und der vom Land Sachsen gegründete Verein biosaxony e. V. miteinander verschmolzen. Damit wurde der Grundstein für ein neues, gesamtsächsisches BiotechNetzwerk gelegt.
Der Standort ist attraktiv geworden, denn hier gibt es Arbeitsplätze und spannende Forschung. Das zieht immer mehr Leute in die Stadt an der Elbe. Kein Wunder, dass auch das vom Land finanzierte BioInnovationsZentrum aus allen Nähten platzt. Für die nächsten Jahre ist der Bau eines neuen Gebäudes geplant. Außerdem haben die Dresdner
ein ganz besonderes Ziel vor Augen: Sie wollen bei der nächsten Runde der Exzellenzinitiative erfolgreich sein. „Ob es so gut weiter geht in Dresden, hängt auch davon ab, ob wir das schaffen“, meint Simons. „Wenn die TU Dresden sich behaupten kann, wird dieser Standort einen Schub bekommen.“
Der 72Jährige Emeritus will nicht mehr aktiv an diesem Prozess teilnehmen, aber beraten und beobachten wird er weiterhin. Schließlich hängt sein Herz an seiner zweiten Heimat Dresden: „Ich wünsche der Stadt, dass die gute Mischung aus Kultur, Wirtschaft und Wissenschaft verstärkt wird und dass die Verantwortlichen verstehen, dass dafür Energie und Einsatz notwendig sind, gerade in einer Region, die so jung ist wie diese. Es ist wichtig zu wissen, dass man den Boden für die Zukunft bereitet.“
ERFOLGSGESCHICHTEN AUS SACHSEN
71SACHSEN IN ZAHLEN
Sachsen in Zahlen
Der Freistaat Sachsen war nach der Wiedervereinigung vom wirtschaftlichen Strukturwandel besonders stark betroffen. Die Schließung von Industriekombinaten setzte ein hohes Humankapital frei.
Trotzdem schneidet Sachsen heute insgesamt bei den Struktur und Innovationsindikatoren deutlich besser ab als die übrigen ostdeutschen Flächenländer. So verfügt der Freistaat mit durchschnittlich 35,5 Prozent über die höchste Exportquote im Verarbeitenden Gewerbe in Ostdeutschland. Die hohe Leistungsfähigkeit des Verarbeitenden Gewerbes äußert sich auch in einer für die Neuen Länder inklusive Berlin überdurchschnittlichen Konzentration von 58 Industriebeschäftigten je Tsd. Einwohner, die lediglich von Thüringen übertroffen wird. Vernachlässigt man die Sonderrolle Berlins hat sich der Freistaat Sachsen als führender Forschungs und Wissenschaftsstandort der neuen Bundesländer etabliert. So übertreffen die Forschungs und Entwicklungsausgaben Sachsens den Bundesdurchschnitt.
Im Freistaat Sachsen hat sich mit Dresden der Kern des gleichnamigen Ballungsgebietes in Mitteleuropa herausbildet. Dresden ist Verkehrsknotenpunkt und wirtschaftliches Zentrum der Metropolregion Sachsendreieck, welche die Landeshauptstadt zusammen mit den Ballungsräumen ChemnitzZwickau sowie LeipzigHalle bildet. Entgegen dem Trend der Neuen Länder nahm in Dresden die Bevölkerung von 1998 bis 2008 um 7,1 Prozent zu. Das Bruttoinlandsprodukt je Einwohner lag im Jahr 2007 mit 30,2 Tsd. Euro deutlich höher als der Durchschnitt der Neuen Länder inklusive Berlin und übertraf selbst den gesamtdeutschen Durchschnitt. Maßgeblichen Anteil daran hat der Export des Verarbeitenden Gewerbes, der mit 46 Prozent ebenfalls über dem gesamtdeutschen Durchschnitt liegt.
72 INNOVATIONSATLAS OST 2010
Länderprofil: Sachsen
Sachsen im Vergleich neue Bundesländer inkl. Berlin
Bevölkerungsentwicklung1998 bis 2008
AbiturientenAnteil an allen Schulabgängern 2008
BruttoinlandsproduktBIP nominal je Einwohner 2008
IndustriedichteBeschäftigte im V. Gew.1 je Tsd. Einwohner 2007
ExportquoteAuslandsumsatz am Umsatz im V. Gew.2 2007
Verfügbares Haushaltseinkommenje Einwohner 2007
Strukturindikatoren Sachsen im Vergleich Deutschland Gesamt
Bevölkerungsentwicklung1998 bis 2008
AbiturientenAnteil an allen Schulabgängern 2008
BruttoinlandsproduktBIP nominal je Einwohner 2008
IndustriedichteBeschäftigte im V. Gew.1 je Tsd. Einwohner 2007
ExportquoteAuslandsumsatz am Umsatz im V. Gew.2 2007
Verfügbares Haushaltseinkommenje Einwohner 2007
1 Verarbeitendes Gewerbe 2 sowie Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden
Minimalwert Durchschnitt Maximalwert
Minimalwert Durchschnitt Maximalwert
73SACHSEN IN ZAHLEN
Sachsen im Ländervergleich Alte Neue Länder Länder Neue Neue Freistaat ohne mit Deutsch- Länder Länder Deutsch- Deutsch- Sachsen Berlin Berlin land MIN3 MAX3 land MIN land MAX
Bevölkerungsentwicklung 1998 bis 2008 in Prozent -6,6 1,4 -5,5 -0,04 -10,9 1,0 -10,9 4,2
Abiturienten Anteil an allen Schulabgängern 2008 in Prozent 38,2 26,4 40,9 28,9 34,2 52,7 22,3 52,7
Bruttoinlandsprodukt BIP nominal je Einwohner 2008, Tsd. Euro 22,6 32,3 22,9 30,4 21,3 25,9 21,3 49,4
Industriedichte Beschäftigte im V. Gew.1 je Tsd. Einwohner 2007 58 81 46 74 29 68 29 114
Exportquote Auslandsumsatz am Umsatz im V. Gew.2 2007 in Prozent 35,5 44,7 30,6 43,1 23,9 35,5 23,0 49,3
Verfügb. Haushaltseinkommen je Einwohner 2007, Tsd. Euro 15,3 19,2 15,2 18,4 14,7 15,6 14,7 23,2
1 Verarbeitendes Gewerbe 2 sowie Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden 3 Neue Länder inkl. Berlin
Sachsen Landkreise/krsfr. Städte im Vergleich Bevölkerungs- Export- Haushalts- entwicklung Abiturienten- BIP je Einw. Industrie- quote einkommen 1998-2008 anteil 2008 2007, dichte 2007 in 2007, Landkrs./krsfr. Stadt in Prozent in Prozent Tsd. Euro 2007 Prozent Tsd. Euro
Chemnitz, kreisfreie Stadt -9,1 41,4 28,0 53 22,4 16,1 Erzgebirgskreis -11,4 33,2 16,8 72 25,5 15,0 Mittelsachsen, Landkreis -10,6 38,0 21,3 75 29,4 15,5 Vogtlandkreis -10,3 39,6 19,4 74 32,5 15,6 Zwickau, Landkreis -9,6 37,2 22,1 75 51,7 15,5 Dresden, kreisfreie Stadt 7,1 43,2 30,2 55 46,0 15,5 Bautzen, Landkreis -11,3 36,7 19,5 62 17,9 15,3 Görlitz, Landkreis -14,6 32,9 18,5 50 23,4 14,7 Meißen, Landkreis -8,0 37,3 21,0 71 37,9 15,6 Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, Landkreis -6,9 37,0 16,4 49 26,2 15,7 Leipzig, kreisfreie Stadt 4,1 42,2 26,6 32 48,2 14,6 Leipzig, Landkreis -6,5 37,5 18,2 38 32,1 15,7 Nordsachsen, Landkreis -9,2 38,0 19,1 50 22,3 15,3
74 INNOVATIONSATLAS OST 2010
Innovationsindikatoren Freistaat Sachsen im Vergleich Deutschland Gesamt
FuE-Ausgabenals Anteil am BIP aller Sektoren 2007
FuE-Personalstellenin VZÄ1 je Tsd. Erwerbstätige 2007
Patentanmeldungenje 100 Tsd. Einwohner 2008
Hochschuldrittmittel-einnahmenje Professorenstelle 2007
Freistaat Sachsen im Vergleich neue Bundesländer inkl. Berlin
FuE-Ausgabenals Anteil am BIP aller Sektoren 2007
FuE-Personalstellenin VZÄ1 je Tsd. Erwerbstätige 2007
Patentanmeldungenje 100 Tsd. Einwohner 2008
Hochschuldrittmittel-einnahmenje Professorenstelle 2007
1 Vollzeitäquivalenten
Minimalwert Durchschnitt Maximalwert
Minimalwert Durchschnitt Maximalwert
75SACHSEN IN ZAHLEN
Freistaat Sachsen im Ländervergleich Alte Neue Länder Länder Neue Neue Freistaat ohne mit Deutsch- Länder Länder Deutsch- Deutsch- Sachsen Berlin Berlin land MIN1 MAX1 land MIN land MAX
FuE-Ausgaben als Anteil am BIP aller Sektoren 2007 in Prozent 2,6 2,6 2,1 2,5 1,1 3,4 1,1 4,4
FuE-Personalstellen in VZÄ2 je Tsd. Erwerbstätige 2007 12,2 13,2 10,7 12,7 6,6 16,6 6,5 21,1
Patentanmeldungen je 100 Tsd. Einwohner 2008 24 70 21 60 11 27 11 140
Hochschuldrittmitteleinnahmen je Professorenstelle 2007, Tsd. Euro 112,9 114,8 102,6 112,1 69,7 129,2 69,7 138,0
1 Neue Länder inkl. Berlin 2 Vollzeitäquivalenten
Quellen für die Seiten 72 bis 75: Statistische Ämter des Bundes und der Länder; Berechnungen RISO.
Nominales BIP je Einwohner Dresden im Vergleich [EURO]
Deutschland1998 2007
Alte Länder ohne Berlin1998 2007
25.750
31.381
+ 23,2 % + 21,9 % + 27,7 %
Neue Länder mit Berlin1998 2007
17.342
22.14523.960
29.518
+ 36,3 %
Dresden1998 2007
22.174
30.228
Impressum
Herausgeber
Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)
Referat 114 Regionale Innovationsinitiativen; Neue Länder
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Thomas Uhlig/www.dresden-bilder.de (Titel, 2/3, 4, 4/5), Sandro Götze/PantherMedia (S. 6),
Andreas Praefcke (S. 7), OncoRay (S. 8, 9, 32/33, 35, 37, 68), Infineon Technologies AG (S. 10),
danielschoenen/Fotolia (S. 10/11), PhotoDisc (S. 16/17), J. Vogel/DIGITALstock (S. 18/19), BMBF (S. 21, 22, 29,
30, 40, 51, 52, 54, 56/57, 58, 61, 64, 67, 69), ICCAS (S. 24, 27), ICCAS/s.w.an (S. 28), André Wirsig/OncoRay
(S. 38/39), Technologieberatung Weller (S. 42), INNtex (S. 44), Dietrich Wetzel KG (S. 45), Kompetenz-
zentrum Strukturleichtbau e.V. (S. 46), F.J. Rammer GmbH (S. 47), Frottana Textil GmbH & Co. KG
(S. 48/49), Detlev Müller/TU Bergakademie Freiberg (S. 55), MPI-CBG (S. 62),
ROTOP Pharmaka AG/FZD (S. 66)
Bonn, Berlin 2010