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DEEN NNOVATION W CHSTUM Die Hightech-Strategie für Deutschland Der Freistaat Sachsen Innovationsatlas Ost 2010

Der Freistaat Sachsen - BMBF...land, Polen und Tschechien, liegt Sach sen. Das Land gilt als Keimzelle der Friedlichen Revolution von 1989/1990. Die Montagsdemonstrationen in Plauen,

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DEENNNOVATION

W CHSTUMDie Hightech-Strategie für Deutschland

Der Freistaat SachsenInnovationsatlas Ost 2010

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Inhalt

3 Sachsen

6 Industrie mit Geschichte

8 Wirtschaftsstandort mit Zukunft

10 Forschung, Lehre und Praxis

12 Die Forschungs- und Wissen-schaftslandschaft in Sachsen

18 ideenreich. zukunftssicherErfolgsgeschichten aus Sachsen.

20 Operation (der) Zukunft – Impulse aus Leipzig revolutionieren die computerassistierte Chirurgie

30 Mit Molekülen und Maschinen gegen den Krebs – Dresdner Forscher bringen die Strahlenbehandlung auf Zukunftsniveau

40 Autositze statt Damenblusen – Eine sächsische Traditionsbranche definiert sich neu

50 Verbrennen war gestern –Freiberger beschreiten neue Wege für die Nutzung der Braunkohle

60 Biopolis im sächsischen Silicon Valley – Ein Förderprojekt und seine Folgen

71 Sachsen in Zahlen

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Barockes Ensemble: Hofkirche, Schloss und Frauenkirche prägen Dresdens Skyline am Ufer der Elbe.

Barockes Ensemble: Hofkirche, Schloss und Frauenkirche prägen Dresdens Skyline am Ufer der Elbe.

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3DER FREISTAAT SACHSEN

Sachsen

Das Land im Herzen Europas bietet mehr als barocke Baukultur: Sachsen im Jahr 2010 bedeutet Industrie mit Tradition, Wirtschaft mit Zukunft – und Menschen mit Ideen.

Genau im Dreiländereck von Deutsch­land, Polen und Tschechien, liegt Sach­sen. Das Land gilt als Keimzelle der Fried lichen Revolution von 1989/1990. Die Montagsdemonstrationen in Plauen, Dresden oder Leipzig haben Geschichte geschrieben. Ebenso einzigartig ist aber auch das bürgerschaftliche Engage ment. Es hat nach der Wiedervereinigung wesentlich dazu beigetragen, aus ma­roden Städten neue Zentren entstehen zu lassen – Inbegriff für den Aufbruch. Mit seinen 4,21 Millionen Einwohnern

SACHSEN

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und einer Bevölkerungsdichte von 228 Einwohnern je Quadratkilometer ist Sachsen heute das bevölkerungs­reichste und – nach Berlin – das am dichtesten besiedelte der neuen Bun­desländer. Im bundesdeutschen Ver­gleich liegt Sachsen damit bei Bevölke­rung und Bevölkerungsdichte unter den Flächenländern im Mittelfeld.

Das obere Elbtal zwischen Pirna und Meißen, die Stadt Leipzig und Südwest­sachsen zwischen Chemnitz und Zwi­ckau bilden die drei großen Verdich­tungsräume. Eher dünn besiedelt sind die im Nordosten gelegene Lausitz, die Region zwischen Grimma, Torgau und Döbeln und das Erzgebirge. Fast ein Drittel der Bevölkerung des Landes lebt in den Großstädten Dresden (517.052 Einwohner), Leipzig (518.862) und Chem­nitz (243.089). Während in den Kreisen und kreisfreien Städten die Bevölke­rung kontinuierlich abnimmt, entschie­den sich in den letzten Jahren immer mehr Menschen für ein Leben in Dresden und Leipzig.

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Rund 1,5 Millionen Besucher kommen jährlich nach Dresden, um den Goldenen Reiter oder den Zwin­ger zu besichti gen.

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Sachsen in Zahlen

Sachsen in Zahlen

Gebietsfläche 2008 18.419km2

Einwohner 2008 4.205.316

Bevölkerungsdichte (je km2) 2008 228

Beschäftigungsquote* 2008 71,7%

Arbeitslosenquote 2009 12,9%

Bruttoinlandsprodukt 2008 (in Mrd. Euro) 94,923

Bruttoinlandsprodukt je Einwohner 2008 22.572 €

Nominales Wirtschaftswachstum 2008 1,7 %

*Anteil der Erwerbstätigen an der Wohnbevölkerung von 15 bis unter 65 Jahren

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6 INNOVATIONSATLAS OST 2010

Industrie mit Geschichte

Sachsen hat eine lange und große in­dustriell­gewerbliche Tradition. Auf­bauend auf einer Jahrhunderte alten Textilindustrie und einer auf dem Berg­bau basierenden Schwerindustrie be­gann hier bereits um 1830 die industri­elle Revolution. Besonders durch das in Meißen hergestellte Porzellan wurden sächsische Erzeugnisse weltbekannt. Später entwickelten sich neben der traditionellen Textilindustrie auch der Maschinenbau und die Elektrotechnik. So ging die fortschreitende Industriali­sierung Deutschlands im 19. und frühen 20. Jahrhundert gerade auch von säch­sischen Unternehmen aus.

Auch nach dem Zweiten Weltkrieg blieb die überragende Bedeutung des industriellen Sektors bestehen, wobei die drei sächsischen Bezirke Dresden, Leipzig und Chemnitz in der DDR rund 40 Prozent der Industrieproduktion er­brachten. Die 1990 eingeleitete Umstel­lung auf die Marktwirtschaft führte zum weitgehenden Zusammenbruch der wirtschaftlichen Strukturen der DDR und zum Wegbrechen vieler un­rentabler Arbeitsplätze. Mittlerweile knüpft Sachsen wieder an seine lange industrielle Tradition an und entwickelt sich zu einem wettbewerbsfähigen In dustriestandort.

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7SACHSEN

Manufaktur gestern und heute: In Meißen wird seit 300 Jahren Porzellan gefertigt, in der Gläsernen Manu­faktur in Dresden rollen seit 2002 Luxus­autos vom Band.

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8 INNOVATIONSATLAS OST 2010

Bei der Ausbildung wissenschaftlicher Nachwuchskräfte spielt praktische For­schung eine tragende Rolle.

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Wirtschaftsstandort mit Zukunft

Motor der wirtschaftlichen Entwick­lung Sachsens ist seit Jahrhunderten die Industrie. Heute hat Sachsen fünf große Wirtschaftsräume mit drei ur­banen Zentren. Zwischen Dresden und Freiberg ist „Silicon Saxony“ entstan­den, ein Netzwerk bzw. ein Branchen­verband der sächsischen Mikroelektro­nik­, Halbleiter­ und Photovoltaik­In­dustrie. Mitglieder des Vereins sind Universitäten, Hochschulen und For­schungsinstitute ebenso wie weltweit tätige Unternehmen.

Zu den Firmen, die international für außergewöhnliche Technologien und Produktionsleistungen stehen, zählen Unternehmen wie Globalfoundries, In­fineon, Solarworld, die Deutsche Solar AG oder auch Compound Materials.

Die Universitätsstadt Leipzig – im Zent­rum des Wirtschaftsraums Nordwest­sachsen gelegen – ist heute ein wichtiger Standort für Medien und Finanzdienst­leistungen. Nach der Wende hat die

Stadt mit dem Neubau der Messe an alte Handelstraditionen anknüpfen können. Sie will damit eine Brücke nach Osteuropa schlagen. Leipzig hat es geschafft unter anderem auch eine neue Buchmesse mit einem „Lesefest“ zu etablieren, das sich wachsender Be­liebtheit erfreut und inzwischen sogar die Frankfurter Buchmesse inspiriert.

Im mittelsächsischen Ballungsraum um Chemnitz und Zwickau ist traditio­nell der Maschinen­ und Fahrzeugbau konzentriert. Um diese Zentren herum entstehen immer mehr regionale Netz­werke, etwa durch die Kooperation von Mikroelektronik­Unternehmen in Dres­den­Freiberg oder von Fahrzeug­ und Maschinenbauunternehmen in Chem­nitz/Zwickau. Zu DDR­Zeiten eher mono­strukturelle Regionen wie Ostsachsen, das Erzgebirge und das Obere Vogtland haben bis heute deutlich größere Schwierigkeiten, ihre neue Rolle in einer sich verändernden Wirtschaft zu finden.

SACHSEN

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10 INNOVATIONSATLAS OST 2010

Sachsen – traditionell innovativ

Die erste funktionstüchtige deutsche Dampflok, die erste Kleinbild­Spiegel­reflexkamera und der erste FCKW­ so­wie FKW­freie Kühlschrank haben eines gemeinsam: Sie entstammen – wie un­zählige weitere Entwicklungen – säch­sischem Erfindergeist. Rund 170 Jahre nach Konstruktion der Dampflokomo­tive „Saxonia“ verfügt Sachsen heute mehr denn je über eine ausgeprägte Forschungslandschaft: Zu den fünf staat lichen Universitäten, fünf Fach­hochschulen und fünf Kunsthochschu­len kommt eine große Anzahl außer ­universitärer Forschungseinrichtungen. Vom Maschinen­ und Fahrzeugbau bis zur Mikroelektronik, von Material­ und Werkstoffwissenschaften bis zur Nano­technologie, von Neurowissenschaften und Medizintechnik über Biotechnolo­gie bis zur Umweltforschung – Sachsen kann in vielen technologischen Berei­chen mit Spitzenforschung aufwarten. Aber auch auf dem Gebiet der Geistes­

wissenschaften ist der Freistaat mit sieben Forschungseinrichtungen stark vertreten, darunter die Universität Leipzig, an der schon Goethe, Lessing und Nietzsche studierten.

In den vergangenen Jahren haben die sächsischen Hochschulen ihre For­schungskapazitäten ausbauen und pro­filieren können. Mit einer eigenen sächsischen Exzellenzinitiative unter­stützt Sachsen fünf Forschungscluster an den sächsischen Universitäten. Rund 160 Millionen Euro fließen den Hochschulen bis 2013 aus Mitteln des Europäischen Fonds für regionale Ent­wicklung (EFRE) und dem Landesetat zu. Im Exzellenzwettbewerb des Bundes waren sächsische Hochschulen erfolg­reich: die Technische Universität Dres­den mit zwei Projekten – einem Exzel­lenzcluster und einer Graduiertenschu­le aus dem Bereich der Biowissenschaf­ten – und die Universität Leipzig mit

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11SACHSEN

der Graduiertenschule Leipziger Schule der Natur wissenschaften – Bauen mit Molekülen und Nanoobjekten. Somit verfügen sächsische Hochschulen nicht nur über alle Voraussetzungen für die Spitzenforschung, sondern können auch einen Innovationsbeitrag für die kleinen und mittleren Unternehmen in Sachsen leisten, die selbst noch nicht über ausreichende Forschungs­ und Entwicklungskapazitäten verfügen.

Neben den Hochschulen bilden außer­universitäre Forschungsinstitute die zweite Säule der sächsischen Forschungs­landschaft. Darunter befinden sich neun Einrichtungen der Wissenschafts­gemeinschaft Gottfried­Wilhelm­Leib­niz, 16 Einrichtungen der Fraunhofer­Gesellschaft und sechs Institute der Max­Planck­Gesellschaft sowie das Helmholtz­Zentrum für Umweltfor­schung. Sie kooperieren eng mit den Hochschulen, auch weil viele Professu­

ren und Institute personell miteinander verknüpft sind. Insgesamt 50 außer uni­versitäre Institute arbeiten im Freistaat, so viele wie nirgendwo sonst in den ost­deutschen Flächenländern.

Ein Markenzeichen Sachsens ist die Bildung von Verbundinitiativen und Netzwerken um öffentliche und private Forschungseinrichtungen und Unter­nehmen, insbesondere auf den Gebieten Material­ und Umweltforschung, Bio­technologie, Medizin sowie Mikroelek­tronik. Beispielhaft hierfür sind die Gründung des Forschungsverbundes Public Health Sachsen 1994 oder der be­reits erwähnte Silicon Saxony e. V., das größte Mikroelektroniknetzwerk Euro­pas, das seit 2007 als eines von zwei Spitzenclustern in Ostdeutschland durch das BMBF gefördert wird.

Das bevölkerungsreichste der Neuen Länder hat seine Traditionen bewahrt – ohne stehenzubleiben. 170 Jahre sind seit Konstruktion der „Saxonia“ ver­gangen, zwei Jahrzehnte seit der Fried­lichen Revolution. Und noch immer haben die Menschen in Sachsen hervor­ragende Ideen.

Nicht Silicon Valley sondern Silicon Saxo­ny. In Sachsen hat sich das europaweit größte Mikroelektronik­Clus­ter entwickelt.

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12 INNOVATIONSATLAS OST 2010

Die Forschungs­ und Wissenschaftslandschaft in Sachsen

Die öffentliche Forschung in Sachsen ist hervorragend aufgestellt. Sie umfasst fünf staatliche Universitäten, zehn staatliche Fach-hochschulen und eine große Anzahl leistungs-fähiger außeruniversitärer Forschungseinrich-tungen – unter anderem neun Institute der Leibniz-Gemeinschaft, 16 Einrichtungen der Fraunhofer-Gesellschaft und sechs Institute der Max-Planck-Gesellschaft sowie das Helm-holtz-Zentrum für Umweltforschung.

Leipzig1 Universität1 Fachhochschule2 Kunst-/Musikhochschulen3 Einrichtungen der Leibniz-Gemeinschaft2 Fraunhofer-Einrichtungen1 Einrichtung der Helmholtz-Gemeinschaft3 Max-Planck-Institute2 Forschungseinrichtungen

des Bundes6 Landesforschungs-

einrichtungen4 gemeinnützige Industrie-

forschungseinrichtungen

Zwickau1 Fachhochschule

A72

A14

Zwota1 gemeinnützige Industrie-

forschungseinrichtung

Oelsnitz1 gemeinnützige Industrie-

forschungseinrichtung

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13DIE FORSCHUNGS- UND WISSENSCHAFTSLANDSCHAFT IN SACHSEN

Görlitz1 Fachhochschule1 Einrichtung der Leibniz-Gemeinschaft

Chemnitz1 Universität2 Fraunhofer-Einrichtungen1 Forschungseinrichtung

des Bundes8 gemeinnützige Industrie-

forschungseinrichtungen

Zittau1 Universität1 Fachhochschule

Freiberg1 Universität1 Fraunhofer-Einrichtung3 gemeinnützige Industrie-

forschungseinrichtungen

Mittweida1 Fachhochschule

Dresden1 Universität1 Fachhochschule3 Kunst-/Musikhochschulen5 Einrichtungen der Leibniz-Gemeinschaft11 Fraunhofer-Einrichtungen3 Max-Planck-Institute1 Forschungseinrichtung

des Bundes6 Landesforschungs-

einrichtungen4 gemeinnützige Industrie-

forschungseinrichtungen

A4A13

A17

Bautzen1 Landesforschungs-

einrichtung

Ziegra-Knobelsdorf1 Landesforschungs-

einrichtung

Heidenau1 gemeinnützige Industrie-

forschungseinrichtung

Meißen1 gemeinnützige Industrie -

forschungs einrichtung

Riesa1 gemeinnützige

Industrieforschungs-einrichtung

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STAATLICHE UNIVERSITÄTEN

Internationales Hochschulinstitut Zittauwww.uni-zittau.de

TU Bergakademie Freibergwww.tu-freiberg.de

Technische Universität Chemnitzwww.tu-chemnitz.de

Technische Universität Dresdenwww.tu-dresden.de

Universität Leipzigwww.uni-leipzig.de

STAATLICHE UNIVERSITÄTEN

STAATLICHE FACHHOCHSCHULEN inkl. Kunst-/Musikhochschulen

STAATLICHE FACHHOCHSCHULEN inkl. Kunst-/Musikhochschulen

Hochschule für Bildende Künste Dresdenwww.hfbk-dresden.de

Hochschule für Grafik und Buchkunst Leipzigwww.hgb-leipzig.de

Hochschule für Musik Carl Maria von Weber Dresdenwww.hfmdd.de

Hochschule für Musik und Theater Felix Mendelssohn Bartholdy Leipzigwww.hmt-leipzig.de

Hochschule für Technik und Wirtschaft Dresdenwww.htw-dresden.de

Hochschule für Technik, Wirtschaft und Kultur Leipzigwww.htwk-leipzig.de

Hochschule Mittweidawww.hs-mittweida.de

Hochschule Zittau/Görlitzwww.hs-zigr.de

Palucca Schule Dresden – Hochschule für Tanzwww.palucca.eu

Westsächsische Hochschule Zwickau www.fh-zwickau.de

SONSTIGE HOCHSCHULEN

SONSTIGE HOCHSCHULEN

14 INNOVATIONSATLAS OST 2010

AKAD – Fachhochschule Leipzig www.akad.de/Hochschule-Leipzig

Europa Fachhochschule Fresenius (Zwickau) www.hs-fresenius.de/ startseite-zwickau.24.de.html

Evangelische Fachhochschule für Religionspädagogik und Gemeindediakonie Moritzburgwww.fhs-moritzburg.de

Evangelische Hochschule für Soziale Arbeit Dresden (FH)www.ehs-dresden.de

Fachhochschule für Polizei Sachsen (Rothenburg)www.polizei.sachsen.de/fhpol/

Hochschule für Kirchenmusik der Ev.-Luth. Landeskirche Sachsen(Dresden)www.kirchenmusik-dresden.de

Hochschule für Telekommunikation Leipzigwww.hft-leipzig.de

Leipzig Graduate School of Management/Handelshochschule Leipzig (HHL) www.hhl.de

Vogtländische Fachhochschule Plauenhttp://plauen.diploma.de

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15DIE FORSCHUNGS- UND WISSENSCHAFTSLANDSCHAFT IN SACHSEN

FRAUNHOFER-GESELLSCHAFT

EINRICHTUNGEN

FRAUNHOFER-GESELLSCHAFT EINRICHTUNGEN

Fraunhofer-Anwendungszentrum für Verarbeitungsmaschinen und Verpackungstechnik (Dresden)www.avv.fraunhofer.de

Fraunhofer-Center für Nanoelek-tronische Technologien (Dresden)www.cnt.fraunhofer.de

Fraunhofer-Institut für Angewandte Materialforschung Institutsteil Dresdenwww.ewp.ifam.fraunhofer.de

Fraunhofer-Institut für Elektro-nenstrahl- und Plasmatechnik (Dresden) www.fep.fraunhofer.de

Fraunhofer-Institut für Elektronische Nanosysteme (Chemnitz)www.enas.fraunhofer.de

Fraunhofer-Institut für Ferti-gungstechnik und Angewandte Materialforschung Institutsteil Dresdenwww.ifam-dd.fraunhofer.de

Fraunhofer-Institut für Integrierte Schaltungen Institutsteil Dresdenwww.eas.iis.fraunhofer.de

Fraunhofer-Institut für Keramische Technologien und Systeme (Dresden)www.ikts.fraunhofer.de

Fraunhofer-Institut für Photo-nische Mikrosysteme (Dresden) www.ipms.fraunhofer.de

Fraunhofer-Institut für Verkehrs- und Infrastruktursysteme Teilinstitut des Fraunhofer-Instituts für Informations- und Daten - ver arbeitung(Dresden)www.ivi.fraunhofer.de

Fraunhofer-Institut für Werkstoff- und Strahltechnik (Dresden) www.iws.fraunhofer.de

Fraunhofer-Institut für Werkzeug-maschinen und Umformtechnik (Chemnitz)www.iwu.fraunhofer.de

Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie (Leipzig)www.izi.fraunhofer.de

Fraunhofer-Institut für Zerstörungsfreie Prüfverfahren Institutsteil Dresdenwww.izfp-d.fraunhofer.de

Fraunhofer-Technologiezentrum Halbleitermaterialien (Freiberg)www.thm.fraunhofer.de

Fraunhofer-Zentrum für Mittel- und Osteuropa (Leipzig)www.moez.fraunhofer.de

HELMHOLTZ-GEMEINSCHAFT

HELMHOLTZ-GEMEINSCHAFT

Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung GmbH(Leipzig)www.ufz.de

MAX-PLANCK-GESELLSCHAFT

MAX-PLANCK-GESELLSCHAFT

Max-Planck-Institut für chemische Physik fester Stoffe (Dresden)www.cpfs.mpg.de

Max-Planck-Institut für evolu tio näre Anthropologie (Leipzig) www.eva.mpg.de

Max-Planck-Institut für Kognitions- und Neurowissenschaften (Leipzig) www.cbs.mpg.de

Max-Planck-Institut für Mathematik in den Naturwissen schaften (Leipzig)www.mis.mpg.de

Max-Planck-Institut für mole ku lare Zellbiologie und Genetik(Dresden)www.mpi-cbg.de

Max-Planck-Institut für Physik komplexer Systeme(Dresden)www.mpipks-dresden.mpg.de

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16 INNOVATIONSATLAS OST 2010

EINRICHTUNGEN (FORTSETZUNG)

LEIBNIZ-GEMEINSCHAFT

EINRICHTUNGEN (FORTSETZUNG)

LEIBNIZ-GEMEINSCHAFT

Forschungszentrum Dresden-Rossendorf e.V.www.fzd.de

Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoff-forschung Dresden e.V.www.ifw-dresden.de

Leibniz-Institut für Länderkunde e.V. (Leipzig)www.ifl-leipzig.de

Leibniz-Institut für Oberflächenmodifizierung e.V. (Leipzig)www.iom-leipzig.de

Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung e.V. (Dresden)www.ioer.de

Leibniz-Institut für Polymerforschung Dresden e.V.www.ipfdd.de

Leibniz-Institut für Troposphärenforschung e.V. (Leipzig)www.tropos.de

Senckenberg Naturhistorische Sammlungen Dresdenwww.snsd.de

Senckenberg Museum für Naturkunde Görlitzwww.naturkundemuseum-goerlitz.de

BUNDES-/LANDESEINRICHTUNGEN MIT F&E-AUFGABEN

BUNDES-/LANDESEINRICHTUNGEN MIT F&E-AUFGABEN

Bundesamt für Naturschutz Außenstelle Leipzigwww.bfn.de

Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin Teilinstitute Dresden und Chemnitzwww.baua.de

Deutsches Biomasse- forschungszentrum (Leipzig)www.dbfz.de

Geisteswissenschaftliches Zentrum Geschichte und Kultur Ostmitteleuropas e.V. (Leipzig) www.uni-leipzig.de/gwzo

Hannah-Arendt-Institut für Totalitarismusforschung e.V. (Dresden)www.hait.tu-dresden.de

Institut für Interdisziplinäre Isotopenforschung e.V. (Leipzig)www.iif-leipzig.de

Institut für Sächsische Geschichte und Volkskunde e.V. (Dresden)www.isgv.de

Kurt-Schwabe-Institut für Mess- und Sensortechnik e.V. Meinsberg (Ziegra-Knobelsdorf)www.ksi-meinsberg.de

Landesamt für Archäologie (Dresden)www.archsax.sachsen.de

Nanoelectronic Materials Laboratory gGmbH (Dresden)www.namlab.de

Sächsische Akademie der Wissenschaft zu Leipzigwww.saw-leipzig.de

Simon-Dubnow-Institut für jüdische Geschichte und Kultur (Leipzig)www.dubnow.de

Sorbisches Institut e.V./ Serbski institut z.t. (Bautzen)www.serbski-institut.de

Staatliche Ethnographische Samm-lungen Sachsen (Leipzig) www.ses-sachsen.de

Staatliche Kunstsammlungen Dresdenwww.skd.museum

Tanzarchiv Leipzig e.V.www.tanzarchiv-leipzig.de

Verein für Kernverfahrenstechnik und Analytik Rossendorf e.V. (Dresden)www.vkta.de

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GEMEINNÜTZIGE INDUSTRIEFORSCHUNGSEINRICHTUNGEN

GEMEINNÜTZIGE INDUSTRIEFORSCHUNGSEINRICHTUNGEN

Beckmann-Institut für Technologieentwicklung e. V. (Oelsnitz)www.beckmann-institut.de

CeWOTec gGmbH (Chemnitz)www.cewotec.de

DBI - Gastechnologisches Institut gGmbH Freibergwww.dbi-gti.de

Dresdner Grundwasser-forschungszentrum e.V.www.gwz-dresden.de

Forschungsinstitut für Leder und Kunststoffbahnen gGmbH (Freiberg)www.filkfreiberg.de

Forschungsinstitut für Nichteisen-Metalle GmbH (Freiberg)www.fne-freiberg.de

Forschungs- und Transferzentrum Leipzig e.V.www.ftz-leipzig.de

Institut Chemnitzer Maschinen- und Anlagenbau e.V.www.icm-chemnitz.de

Institut für Korrosionsschutz Dresden GmbHwww.iks-dresden.de

Institut für Holztechnologie Dresden gGmbHwww.ihd-dresden.de

Institut für innovative Technologien e.V. (Chemnitz)www.itw-chemnitz.de

Institut für Konstruktion und Verbundbauweisen e.V. (Chemnitz)www.kvb-chemnitz.de

Institut für Luft- und Kältetechnik gGmbH (Dresden)www.ilkdresden.de

Institut für Mechatronik e.V. (Chemnitz)www.tu-chemnitz.de/ifm

Institut für Musikinstrumentenbau Vogtland e.V. (Zwota)www.ifm-zwota.de

Institut für Nichtklassische Chemie e.V. (Leipzig)www.uni-leipzig.de/inc

Institut für Textil- und Verarbeitungsmaschinen gGmbH (Chemnitz)www.cetex.de

Keramik-Institut des Vereins zur Förderung von Innovationen in der Keramik e.V. (Meißen)www.keramikinstitut.de

Kompetenzzentrum Strukturleichtbau e.V. (Chemnitz)www.strukturleichtbau.org

Kunststoff-Zentrum in Leipzig gGmbHwww.kuz-leipzig.de

Papiertechnische Stiftung, Institut für Zellstoff und Papier (Heidenau)www.ptspaper.de

Sächsisches Institut für die Druckindustrie GmbH (Leipzig)www.sidleipzig.de

Sächsisches Textilforschungsinstitut e.V. (Chemnitz)www.stfi.de

Verein zur Förderung der Umform- und Produktionstechnik e.V. (Riesa)www.vfup.de

17DIE FORSCHUNGS- UND WISSENSCHAFTSLANDSCHAFT IN SACHSEN

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18 KAPITELINNOVATIONSATLAS OST 2010

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Die Zukunft Ost gestalten.

Mit Innovationen einer Region Profil geben.

Erfolgsgeschichten aus Sachsen.

ERFOLGSGESCHICHTEN AUS SACHSEN

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20 INNOVATIONSATLAS OST 2010

Operation (der) Zukunft Impulse aus Leipzig revolutionieren die computerassistierte Chirurgie

Eine kleine gemeinsame Arbeitsgruppe vom Uniklinikum und dem Herzzentrum Leipzig brachte den Stein ins Rollen. Ihre Vision: ein Forschungszentrum für computerassistierte Chirurgie. In einem intensiven Trainingsprozess entwickelten die Wissenschaftler aus dem Konzept ein Strategiepapier. Mit Erfolg. Die Förde-rung des ersten Leipziger Zentrums für Innovationskompetenz wurde beschlossen. Mit zwei wissenschaftlichen Nachwuchsgruppen startete im Jahr 2005 das In no-vationszentrum für computerassistierte Chirurgie, kurz ICCAS. In nur fünf Jahren hat ICCAS neue Maßstäbe gesetzt – für die Sicherheit der Patienten und der operierenden Ärzte. Das Zentrum ist inzwischen international beachtet, die Förde-rung um weitere fünf Jahre verlängert worden. Von ICCAS gehen starke wissen-schaft liche und wirtschaftliche Impulse aus, auch für die Leipziger Region.

Eigentlich hat Professor Meixensberger keine Zeit für ein Interview. Der Klinik­direktor für Neurochirurgie am Uni­ klinikum Leipzig ist voll in den Klinik­alltag eingebunden: Operationstermine, Patientenbetreuung und Meetings. Da­neben hat er Verpflichtungen an der medizinischen Fakultät der Uni, geht seiner wissenschaftlichen Arbeit nach und ist Sprecher von ICCAS. Da bleibt nicht viel Zeit für ein ruhiges Gespräch. Es klopft an der Tür, das Telefon klin­gelt, im Hintergrund fallen die E­Mails mit sanftem Klang ins Computerpost­fach. Aber dann kommt er doch noch ins Erzählen.

Jürgen Meixensberger ist 2001 von der Julius­Maximilian­Universität Würz­burg nach Leipzig gekommen. Dort war er als Professor für Neurochirurgie tätig. In Leipzig wurde Meixensberger Chef der Neurochirurgischen Klinik am Uniklinikum. Schon als er kam, gab es

am Klinikum eine interdisziplinäre chirurgische Arbeitsgruppe, die neue Ideen für die computerassistierte Chi­rurgie entwickelte. Ideen, die großes Potenzial hatten. Das erkannte auch Professor Meixensberger. Ende 2002 reichten sie ein Konzept für die Ent­wicklung eines Zentrums für Innova­tionskompetenz (ZIK) ein. Damit gehör­ten sie zu zwölf Forschergruppen aus den neuen Bundesländern, die sich um diese Förderung bewarben. Genau ein Jahr hatten sie Zeit, um sich zu positio­nieren, erst dann sollte entschieden werden, wer gefördert wird und wer nicht. „Es war ein schwieriges Jahr, aber auch ein sehr hilfreiches“, meint Jürgen Meixensberger rückblickend. Zum ers­ten Mal setzten sich die Wissenschaft­ler mit strategischen Überlegungen auseinander, bekamen dafür sogar eine Unternehmensberatung an die Seite gestellt. Um ein überzeugendes Strate giepapier zu erstellen, mussten die

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21ERFOLGSGESCHICHTEN AUS SACHSEN

PD Dr. Gero Strauß, Geschäftsführender Direktor des International Reference and Development Centre for Surgical Technology – IRDC

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22 INNOVATIONSATLAS OST 2010

Mediziner genau wissen: „Wo ist die Verknüpfungsstelle zwischen klinischer Idee und Umsetzung? Wo brauche ich technisches und informations techno­logisches Know­how? Und wie kann ich damit sowohl im wissenschaftlichen Wettbewerb nach vorne kommen, als auch ein verwertbares Produkt für die Anwendung am Patienten erarbeiten?“, erinnert sich Meixensberger. Konkrete Antworten auf diese Fragen flossen in

das Konzept ein, die „Marke“ ICCAS wurde geboren. Und sie überzeugte die Jury. 2004 wurde eine Förderung für fünf Jahre bewilligt. Damit gehörten die Leipziger zu den sechs ausgewähl­ten Initiativen – ein Riesenerfolg, auch für die Universität. Sie unterstützte ICCAS wo sie konnte, stellte Räumlich­keiten zur Verfügung und zwei Nach­wuchsforschungsgruppen nahmen ihre Arbeit auf.

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Der erste vollintegrier­te Spezial­OP für HNO im IRDC in Leipzig.

Kommunikation als Motor

Von Anfang an ist das Innovationszen­trum für computerassistierte Chirurgie interdisziplinär ausgerichtet. Dieses Prinzip galt schon vor der Gründung von ICCAS in der kleinen Arbeitsgrup­pe, zu deren Initiatoren auch Dr. med. Gero Strauß gehörte. Heute ist er Vor­standsmitglied von ICCAS. Der 39­Jähri­ge HNO­Chirurg kennt die Vorteile und Schwierigkeiten der Zusammenarbeit von Ingenieuren, Medizinern und Informatikern: „Wir haben das große Glück, dass wir geniale Ingenieure im Projekt haben, die uns auch mal brem­sen, wenn wir zu euphorisch Sachen fordern. Und andererseits brauchen sie auch die Vollblut­Chirurgen, denn es macht keinen Sinn sich von Leuten beraten zu lassen, die gerne große Maschinen im OP haben.“

Als Vertreter des chirurgischen Faches hat auch Professor Andreas Dietz viel Erfahrung mit fachübergreifender Zusammenarbeit und weiß den Wert von ICCAS zu schätzen. Er wurde im Jahre 2004 aus Heidelberg an die Leip­ziger HNO­Universitätsklinik berufen. Von Anfang an unterstützte Dietz das Innovationszentrum mit voller Kraft. Inzwischen gehört er ebenfalls zum Vorstand von ICCAS. Andreas Dietz und Gero Strauß halten es für unstrittig, dass die Entwicklung der computer­assistierten Chirurgie eines der größten

medizinischen Zukunftsfelder darstellt, insbesondere in einem so hoch techni­sierten Fach wie der HNO­Heilkunde.

Dafür ist es enorm wichtig, sich zwischen den Disziplinen auszutauschen. Doch wie funktioniert die Kommunikation zwischen Fachleuten, die völlig verschie­dene Sprachen sprechen? „Im ersten Strategiekonzept war die Schaffung einer gemeinsamen Terminologie ein wesentliches Ziel“, erklärt Jürgen Mei­xensberger. „Aber es kommt auch auf die persönlichen Gespräche an, das Vermitteln von Erfahrungen und das Kennenlernen. Informatiker oder Tech­niker gehen ganz anders an ein Pro­blem heran als Mediziner, und daraus kann man sehr viel lernen.“ Für diesen Prozess hat ICCAS perfekte Rahmenbe­dingungen geschaffen. Dazu gehören gemeinsame Workshops und interne Meetings sowie ein regelmäßiger Aus­tausch zwischen Ärzten, Informatikern und Ingenieuren direkt im Operations­saal. So hat sich eine sehr fruchtbare und vertrauensvolle Zusammenarbeit entwickelt. Eine Zusammenarbeit, die die verschiedenen Disziplinen der Neuro­ und HNO­Chirurigie umfasst. Prof. Dr. Friedrich Mohr, Direktor des renommierten Leipziger Herzzentrums und ebenfalls ICCAS­Vorstandsmit­glied, bringt zudem wertvolle Impulse aus der Herzchirurgie ein.

ERFOLGSGESCHICHTEN AUS SACHSEN

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Gemeinsam beschäftigt sich das ICCAS­Team mit der Analyse chirurgischer Arbeitsabläufe und der Gestaltung chirurgischer Assistenzsysteme. Außer­dem untersuchen die Wissenschaftler die Effekte der Automatisierung bei der chirurgischen Arbeit.

Alles im Fluss

Die Arbeitsabläufe bei einer Operation, neudeutsch auch „Workflow“ genannt, haben eine Schlüsselfunktion in der Forschungsarbeit von ICCAS. Denn viele chirurgische Assistenzsysteme vernach­lässigen die Bedürfnisse des Opera­teurs. Die Leipziger Wissenschaftler

wollen hingegen Technologien ent­wickeln, die sich am Arbeitsablauf im Operationssaal orientieren. „Vor fünf Jahren hat noch niemand über chirur­gischen Workflow geredet“, erinnert sich Meixensberger. „Jetzt ist es eine Grundkompetenz, die Einzug gehalten hat in die computerassistierte Chirurgie. Auch die Idee, nicht nur Insellösungen zu schaffen, sondern modulartige Sys­teme zu bauen in einem integrierten Operationssaal, ist immer wieder bei Forschungsanwendungen zu sehen. Die Idee dafür ist in Leipzig geboren.“ Um diese Idee weiterzuentwickeln, baute ICCAS ein weiteres Forschungs­gebiet und eine neue Arbeitsgruppe

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Chirurgisches Assistenzsystem: Navigated Control FESS zur Unterstüt­zung der Nasen­chirurgie.

auf: die medizinische Visualisierung. Dafür ermöglichte die Leipziger Uni­versität ein Novum. „Wir haben eine der ersten W­Professuren für computer­assistierte Chirurgie ausgeschrieben“, erzählt Meixensberger stolz. Ziel der neuen Forschungsarbeit ist es, dem Chirurgen während der Operation je­derzeit die anatomischen und physiolo­gischen Bilddaten des Patienten zur Verfügung zu stellen. Für die Professur und die Leitung der Arbeitsgruppe konnte ICCAS einen jungen Wissen­schaftler aus Tübingen gewinnen. Auch das zeichnet das Innovationszentrum aus: Sehr gut ausgebildete Forscher aus Deutschland und der ganzen Welt kommen nach Leipzig, denn hier fin­den sie ideale Arbeitsbedingungen. „Es gibt weltweit kaum Stellen auf dem Sektor, die so solide ausgestattet sind mit Sachausgaben und Infrastruktur wie bei ICCAS“, davon ist Jürgen Mei­xensberger überzeugt. Das hat nicht nur Wirkung nach außen, sondern auch nach innen. Gero Strauß, der von Anfang an zum ICCAS­Vorstand gehör­te, blieb in seiner Heimatstadt Leipzig. Obwohl er in den USA, Großbritannien oder Japan an großen Zentren für com­puterassistierte Chirurgie hätte arbei­ten können. „Es war ja die Zeit des Be­rufslebens, in der man selber sucht oder auch angefragt wird“, erinnert er sich, „Und es war jedes Mal so, dass die Bedin­gungen bei ICCAS viel besser waren.“

Chancen für Leipzig

Dass er hier geblieben ist, hat Gero Strauß nie bereut. Inzwischen leitet der HNO­Chirurg das International Refe­rence and Development Center for Sur­gical Technology, das IRDC in Leipzig. Über sein Schulungszentrum IRDC­Academy, das von Andreas Dietz geleitet wird, ist das Zentrum eng mit der Uni­versität verknüpft. Die Medizintechnik­Firma KARL STORZ, eine der größten in Deutschland und ein wichtiger Ko­operationspartner von ICCAS, hat das Zen trum technisch ausgestattet und maßgeblich unterstützt. Hier werden chirurgische Navigations­, Assistenz­ und Trainingssysteme getestet und ent­wickelt, Operateure trainiert. Im Rah­men der IRDC­Academy wurde ein umfangreiches Trainingsprogramm entwickelt, das Chirurgen unterschied­licher Disziplinen aus aller Welt an­zieht. So fanden hier in diesem Jahr be­reits sechs Operationskurse statt. In einem Hightech­OP können die Ärzte jeden ihrer Handgriffe auf riesigen Bildschirmen in gestochen scharfer HD­Qualität beobachten. Ein Naviga­tionssystem hilft bei minimal­invasiven Operationen, alles ist computerge­steuert und über Touchscreens bedien­bar. Solch ein Operationssaal ist welt­weit einzigartig. „Das IRDC betritt in vielerlei Hinsicht Neuland und wir hoffen, die von uns entwickelten Tech­nologien und OP­Techniken auf diese

ERFOLGSGESCHICHTEN AUS SACHSEN

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Weise möglichst vielen Kollegen nahe zu bringen“, meint Gero Strauß. „Das Zentrum ist ein Gewinn für den jungen Mediziner“, betonen Jürgen Meixens­berger und Andreas Dietz stolz, „aber auch für ICCAS, die Universität und den Wirtschaftsstandort Leipzig.“ Denn unter dem Dach des IRDC sind Projekte verschiedener Firmen vereint. Neben KARL STORZ arbeiten hier auch Unter­nehmen wie die Schweizer MEDPLAN Engineering und die Berliner Gesell­schaft für Technologieentwicklung mbH „how to organize“, die ebenfalls Wirtschaftspartner von ICCAS sind. Für Leipzig und die gesamte Region ist die Gründung des IRDC eine große Chance. Schon im letzten Jahrhundert wurden hier medizinische Instrumente gebaut. Nun könnte sich die Stadt wieder als Medizintechnologiestandort etablieren.

Leipziger Köpfe in der ganzen Welt

Dazu tragen auch kleinere Firmen wie die Phacon GmbH bei. Phacon ist eine Ausgründung von ICCAS. Die Geschäfts­führer des Startup­Unternehmens, Dr. Ronny Grunert und Hendrik Möckel, waren zuvor an dem Leipziger Zentrum für Innovationskompetenz tätig. Phacon liefert medizintechnische Modelle von menschlichen Schädeln für die Simula­tion und das Training komplizierter Operationen. In diese Schädel sind elek­tronische Sensoren eingearbeitet, die ein akustisches Signal abgeben, sobald

der Chirurg einen Fehler macht, bei­spielsweise Blutgefäße verletzt. In den Modellen sind entsprechende Krank­heitsbilder genau nachgebildet, so dass die Ärzte schwierige Eingriffe am Kopf vorher üben können. Die Phacon­Schä­del werden für das Training von jungen Ärzten des Leipziger Uniklinikums ge­nutzt, aber auch von mehr als 100 Klini­ken weltweit, vor allem in den USA und in arabischen Ländern. Für ihre erfolg­reiche Arbeit ist die Phacon GmbH jetzt für den Deutschen Gründerpreis in der Kategorie Startup nominiert worden.

Auch das Sechs­Mann­Unternehmen SWAN GmbH ist eine Ausgründung aus dem Innovationszentrum für computer­assistierte Chirurgie. SWAN steht für Scientific Workflow Analysis, also der Analyse wissenschaftlicher Arbeitspro­zesse. Die beiden Geschäftsführer und Gründer Dr.­Ing. Oliver Burgert und Dr. Thomas Neumuth nutzen dafür ihr Wissen, das sie bei ICCAS gesammelt haben. Es ist ein sehr exklusives Wissen, denn international gibt es nur einen kleinen Expertenkreis, der sich in medi­zinischen Prozessanalysen und chirurgi­schen Workflows auskennt. Burgert und Neumuth haben eine weltweit neuarti­ge Methode zur Prozess datenerfassung und Prozessdatenoptimierung für den medizinischen Bereich entwickelt.

Intraoperative Detektion der zentra­len Hirnfurche mittels elektrophysio­logischem Mapping.

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Die jungen ICCAS­Wissenschaftler zei­gen neben ihrem großen Forscherdrang also auch viel Unternehmergeist. Das hat durchaus Wirkung gezeigt. „An der Uni Leipzig ist für solche Ausgründun­gen mehr Bewusstsein entstanden“, weiß Professor Meixensberger. „Daran hat ICCAS großen Anteil. Und das wird der Gesundheitsregion Leipzig­Sachsen­Mitteldeutschland zugute kommen.“

Eine große Stütze für solche Ausgrün­dungen und auch bei Patentanmeldun­gen von ICCAS ist, neben der Forschungs­kontaktstelle der Leipziger Uni, die Gesellschaft für Wissens­ und Technolo­gietransfer der Technischen Universität

ERFOLGSGESCHICHTEN AUS SACHSEN

Dresden. Die Zusammenarbeit zwischen den Universitäten in Dresden und Leip­zig funktioniere dabei reibungslos, erwähnt Professor Meixensberger.

Gemeinsam für mehr Sicherheit

Und auch über Sachsens Landesgrenzen hinaus gibt es sehr gute Kooperationen, wie beispielsweise mit der Technischen Universität München und dem dortigen Professor für Mikro­ und Medizingeräte­technik Tim Lüth. In einem sächsisch­bayerischen Gemeinschaftsprojekt ha­ben die ICCAS­Wissenschaftler mit den Münchnern eine navigierte Fräse ent­wickelt und erprobt. Sie wird bei Hals­

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Nasen­Ohren­Eingriffen verwendet und bietet Patienten und Chi rurgen mehr Sicherheit. Das Instrument ver­fügt über eine Navigationskontrolle. Zum ersten Mal weltweit wurde am Leipziger Uniklinikum mit diesem Ge­rät eine Felsenbein­Operation für eine klinische Studie durchgeführt. Das Felsenbein ist der härteste Knochen des Schädels. Es umgibt das Innenohr und besitzt eine sehr komplexe Anatomie. Auf kleinstem Raum sind hier sensible Strukturen zu finden, etwa der Gesichts­ und Gleichgewichtsnerv. Sobald die Fräse in die Nähe solcher Regionen ge­langt, sorgt das Navigationssystem in Verbindung mit der Kontrollsoftware dafür, dass das Instrument abgeschaltet wird. Das schützt nicht nur den Patien­ten, sondern bietet auch dem Chirurgen mentale Entlastung. Ein Fakt, der bei allen Entwicklungen, die das Innova­tionszentrum für computerassistierte Chirurgie auf den Weg bringt, eine große Rolle spielt. „Sicherheit, sowohl für den Patienten, als auch für den Operateur steht im Vordergrund. So wie der Patient gläsern wird, so ist auch der Chirurg gläsern“, stellt Meixens­berger fest. Er erzählt, dass viele junge Mediziner nicht mehr operieren wollen. Von 100 Medizin­Absolventen gehen nur noch sechs in ein operatives Fach. Der Stress ist zu groß. Denn trotz Auto­mation hat der Chirurg letztlich immer die Verantwortung und muss im Not­fall einschreiten.

Die operierenden Ärzte brauchen also mehr Sicherheit. Um dies zu erreichen, arbeitet ICCAS eng mit Wissenschaftlern an der Leipziger Hochschule für Tech­nik, Wirtschaft und Kultur (HTWK) zu­sammen. Es ist das erste gemeinsame Vorhaben zwischen der Universität und der HTWK. Der frühere ICCAS­For­schungs gruppenleiter Dr. Werner Korb leitet dort das Projekt „Innovative Chi­rurgische Trainingstechnologien“. Ziel ist es, Operateure durch chirurgische Simulations­ und Übungsszenarien zu trainieren. Dabei sollen die Chirurgen vor allem das Verhalten in Notfall­ und Stresssituationen trainieren können. In einem modernen Trainings­OP wer­den unter Anleitung von erfahrenen Chirurgen und Psychologen entspre­chende Übungen durchgeführt. Ver­gleichbar ist das mit Flugsimulatoren für Piloten.

Immer wieder werden Luftfahrt und computerassistierte Chirurgie mit­einander verglichen. Technisch hat ein Flugzeug dem modernen Operations­saal allerdings noch einiges voraus. „Wenn man sich mal das Flugzeug­Cockpit anschaut, was die Piloten alles kontrollieren können, welche Infor­mationen die bekommen und welche Informationen der Chirurg bekommt. Das ist nur ein Bruchteil davon, der Rest läuft im Gehirn ab“, erläutert Meixensberger.

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Operieren wie ein Flugkapitän

ICCAS trägt dazu bei, dass Chirurgen künftig noch mehr Informationen und eine stärkere technologische Unterstüt­zung bekommen werden. Das jüngste Beispiel dafür ist die Surgical Planning Unit, die chirurgische Planungseinheit. Diesen weltweit einzigartigen High­tech­Raum für Operationsplanungen haben die ICCAS­Forscher gemeinsam mit Software­Spezialisten des Wirt­schaftspartners MedPlan entwickelt. Besonders für komplizierte Operationen bietet die Planungseinheit ganz neue Möglichkeiten. So können beispiels­weise Patienten mit Krebstumoren in schwer erreichbaren Körperregionen besser behandelt werden. Sämtliche Daten des Patienten, sowohl aus dem Labor als auch von bildgebenden Ver­fahren, werden mit Hilfe einer speziellen Software in einem digitalen Patienten­modell zusammengeführt. Dieses Mo­dell wird als dreidimensionales Bild auf großen HD­Bildschirmen im Planungs­raum sichtbar. Die Ärzte können einen Tumor so in seiner gesamten Ausdeh­nung erfassen und beurteilen. Selbst Knochen, Nervenbahnen und Blutge­fäße werden in dem animierten 3­D­Bild sichtbar. Auf diese Weise lässt sich der chirurgische Eingriff genau vorbe­reiten und sogar virtuell simulieren. Und auch während des Eingriffs er­leichtert das Patientenmodell dem Chirurgen die Arbeit beträchtlich. Er

muss nicht mehr alle Einzeldaten des Patienten im Kopf zusammenführen, sondern kann sich voll auf das Opera­tionsgeschehen konzentrieren. Selbst Kliniken in den USA sind an der Leip­ziger Technologie bereits interessiert.

„Ich wünsche mir, dass wir so etwas wie die Surgical Planning Unit in fünf bis zehn Jahren hier im OP stehen haben und täglich am Patienten anwenden, und dass die chirurgischen Assistenz­systeme, die wir bei ICCAS am Modell und in der Studie entwickeln, in die Klinik kommen. Damit unsere Opera­tionen für den Patienten und für den Chirurgen sicherer und besser werden“, resümiert Jürgen Meixensberger. Kaum hat er es ausgesprochen, klopft es wieder an der Tür. Professor Meixensberger muss los, es gibt noch viel zu tun.

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Prof. Dr. Michael Baumann, Direktor der Klinik für Strahlentherapie und Radioonkologie des Universitätsklinikums Carl Gustav Carus der Technischen Universität Dresden

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Mit Molekülen und Maschinen gegen den KrebsDresdner Forscher bringen die Strahlenbehandlung auf Zukunftsniveau

Sie kennen keine Grenzen im Kampf gegen den Krebs. Am Zentrum für Innova-tionskompetenz OncoRay in Dresden arbeiten Mediziner, Biologen und Physiker zusammen. Ihre Vernetzung geht über Fach- und Institutsgrenzen hinaus. Die Technische Universität Dresden, das Universitätsklinikum Carl Gustav Carus und das Forschungszentrum Dresden-Rossendorf sind enge Partner. Inzwischen reichen ihre Kooperationen bis nach Dänemark, Großbritannien und Kanada. „Krebsforschung ist eine Menschheitsaufgabe“, meint Michael Baumann, Professor für Strahlentherapie und Radioonkologie und Sprecher von OncoRay. „Statt zu konkurrieren, suchen wir gemeinsam nach Lösungen.“ In nur sechs Jahren haben die Dresdner Wissenschaftler neue vielversprechende Methoden für die Strahlen-behandlung von Krebspatienten gefunden. Damit helfen sie Betroffenen – und erhalten internationale Anerkennung.

Von Anfang an haben sich die Dresdner Forscher an der Weltspitze orientiert. Als sie 2003 eine Strategie für „OncoRay“ entwickeln sollten, organisierten sie internationale Workshops. Sie luden hochrangige Krebsforscher aus der ganzen Welt nach Sachsen ein, um sich auszutauschen; nicht nur über die Wis­senschaft, sondern auch über ihr Kon­zept für OncoRay. Auf diese Weise konnten sie Ideen konkretisieren und überarbeiten. Die Veranstaltungen wa­ren bereits an den Forschungsthemen des künftigen Innovationszentrums orientiert: Strahlentherapie, Hochtech­nologie und Molekularbiologie. Zu­kunftsgerichtete Wissenschaft braucht aber auch guten Nachwuchs. Das ha­ben die Dresdner früh erkannt. Deshalb war einer der internationalen Strate­gie­Workshops allein dem Thema Lehre gewidmet. Damit bewiesen die Wissen­schaftler Weitblick, und ihr Plan führte zum Erfolg. 2004 wurde die Förderung

von OncoRay bewilligt und 2009 um weitere fünf Jahre verlängert.

Entscheidend für die positive Entwick­lung von OncoRay ist auch der Stand­ort. Dresden bietet für die Krebsfor­schung beste Bedingungen. Schon vor dem Start von OncoRay, im Jahre 2003, wurde das Universitäts KrebsCentrum (UCC) gegründet. Neben der Behand­lung von Patienten wird hier auch For­schung betrieben. Über 50 Gruppen des Uniklinikums, der Medizinischen Fakultät, der Technischen Universität und aus den Partnerinstituten, dem Forschungszentrum Dresden­Rossen­dorf und dem Max­Planck­Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik, kooperieren im UCC. Das sind ideale Voraussetzungen für die Arbeit eines Zentrums für Innovationskompetenz. Bei OncoRay führen die Wissenschaft­ler die Bündelung ihrer Kompetenzen nun weiter fort.

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Forschung und Lehre als Einheit

„Schon während der Strategiephase hatten die geladenen internationalen Experten dazu geraten, große Anstren­gungen für qualifizierten Nachwuchs zu unternehmen“, erinnert sich Profes­sor Baumann. „Deshalb ist es unser Ziel, Top­Leute nach Dresden zu holen und sie hier auszubilden.“ Aber es gibt noch einen Grund für die Ausbildungsorien­tierung bei OncoRay: In Deutschland und Europa herrscht großer Mangel an Medizinphysikern, Strahlenbiologen und qualifizierten Onkologen. Ohne neue Ausbildungsmöglichkeiten könn­ten die Patienten künftig nicht mehr adäquat behandelt werden. Eine der Ursachen für den Nachwuchsmangel

ist das schlechte Image von Berufen wie dem des Medizinphysikers. Sie gelten als „Hilfsarbeiter“ für klinische Ärzte. Mit attraktiven Forschungsprojekten will OncoRay das Ansehen des Berufes steigern und helfen, den Fachkräfte­mangel zu beheben. So hat Professor Wolfgang Enghardt, Medizinphysiker im OncoRay­Team federführend den Masterstudiengang „Medical Radiation Sciences“ ins Leben gerufen. Die Ausbil­dung umfasst Physik, Medizin und Strahlenbiologie. „Medizinphysiker müssen wissen, was der Therapeut oder der Diagnostiker bei der Anwendung von ionisierender Strahlung tut“, er­klärt Enghardt. „Insofern bildet dieser Masterstudiengang eine gewisse Klam­mer für die verschiedenen Disziplinen.“

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Hochpräzisions­Strahlentherapie am Linearbeschleuniger mit modernster Innenraum­ Compu­tertomografie.

Der Mediziner Professor Nils Cordes, Leiter der Forschungsgruppe „Moleku­lare und Zelluläre Radiobiologie“, ist gemeinsam mit seiner Kollegin, Profes­sor Leoni Kunz­Schughart, mit der Eta­blierung eines weiteren Ausbildungs­angebots bei OncoRay beschäftigt. Ab dem Wintersemester 2011 soll der Mas­terstudiengang Strahlenbiologie ange­boten werden. „Es gibt in Deutschland keine Einrichtung, die gezielt in Rich­tung Strahlenbiologie für die Medizin ausbildet“, meint Michael Baumann. „Das wollen wir hier etablieren, weil das eine hervorragende Ergänzung zur Ausbildung der Medizinphysiker ist.“ Zusammen mit den Doktoranden der OncoRay Postgraduate School, die 2005 gegründet wurde, können dann 70–80

junge Leute hier studieren. Damit wäre OncoRay der größte Ausbildungsstand­ort auf diesem Gebiet in Europa. „Auf diese Weise können Netzwerke ge­schaffen werden mit Leuten, die in Dres­den ausgebildet wurden und dann international tätig werden“, freut sich Professor Baumann. Schon jetzt lernen und arbeiten hier 15 Studenten aus der ganzen Welt. Bereits während ihrer Ausbildung profitieren die jungen Wis­senschaftler von den internationalen Kooperationen bei OncoRay. So gibt es zwischen der Universität Oxford und Dresden einen regelmäßigen Austausch von Dozenten und Studenten.

Technologie plus Biologie – eine wirksame Waffe gegen gefährliche Tumoren

Viele junge Wissenschaftler zieht es nach Dresden, weil bei OncoRay span­nende, zukunftsorientierte Forschung betrieben wird. Der Kern dieser For­schung liegt in der Verbindung von Medizin, Hightech und Molekularbio­logie. Künftig sollen die Patienten mit laser erzeugten Präzisionsstrahlen behandelt werden, kombiniert mit moleku laren Medikamenten. Diese Medikamente sind so etwas wie biolo­gische Schützenhilfe für die Strahlen­therapie. Bei Krebspatienten verur­sachen bestimmte Moleküle im Körper eine Resistenz gegen Strahlenbehand­lung und Chemotherapie. Diese

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Moleküle will die OncoRay­Forschungs­gruppe „Molekulare und Zelluläre Ra­diobiologie“ identifizieren und aus­schalten. Das Ausschalten funktioniert theoretisch ganz einfach: „Wenn das Moleküle sind, die auf der Oberfläche sitzen, dann kann man Antikörper ge­ben. Diese blockieren die Moleküle und verhindern, dass die Tumorzellen über­lebensfördernde Signale erhalten“, erklärt Arbeitsgruppenleiter Professor Cordes. Die Wissenschaftler haben diese Methode schon in Zellkulturmo­dellen und bei Tieren angewendet. Ihre Versuche waren so erfolgreich, dass Cordes davon ausgeht, für ein bestimm­tes Molekül in naher Zukunft eine Therapie auf die Beine stellen zu kön­nen: „Es geht um ein Oberflächenmole­kül, das den Tumorzellen ermöglicht, sich an das umgebende Gewebe an­zuheften. Wenn man dieses Molekül hemmt, schaffen die Tumorzellen das nicht mehr und werden dadurch deut­lich strahlenempfindlicher.“ Offenbar könnte das ein guter Ansatz für die Behandlung veschiedener Tumoren sein. Die Gruppe hat das Ausschalten des Moleküls in Tumorzellen der Kopf­ und Hals­Region sowie der Bauch­speicheldrüse getestet. Überall funktio­nierte es.

Langfristig wollen die Wissenschaftler Medikamente entwickeln, die das Tumorge webe empfindlicher und nor­males Gewebe unempfindlicher gegen

Strahlen machen. Wenn diese Medika­mente künftig während einer Strahlen­therapie verabreicht würden, könnten mehr Patienten geheilt werden.

Ein weiteres Ziel der Forscher ist die biologische Individualisierung der The­rapie, denn mit der Diagnose Krebs sind mehrere hundert Krankheiten ver­bunden. Diese unterschiedlichen Krebs­arten variieren von Patient zu Patient. Kann das Wachstum von Tumoren in einem bestimmten Stadium bei dem einen Patienten gestoppt werden, funk­tioniert das bei dem anderen nicht. Diese Unterschiede werden zuneh­mend durch die Untersuchung der Gene und mit modernen bildgebenden Verfahren bekannt. Zukünftig ist es wichtig, jede Therapie auf den Patien­ten individuell abzustimmen.

Dabei hilft die so genannte PET­CT­ Methode. PET bedeutet Positronen­Emissions­Tomographie, mit CT ist die Computertomographie gemeint. Dem Patienten wird eine schwach radioak­tive Substanz gespritzt, zum Beispiel Zucker. Damit werden biochemische Prozesse im Körper sichtbar gemacht. Da die Tumoren einen stärkeren Stoff­wechsel haben und mehr Zucker ver­brauchen, leuchten sie heller. Sie sind auf diese Weise also sehr gut erkenn­bar, lassen sich allerdings durch die geringe Auflösung nicht genau lokali­sieren. Dies wird durch die Computer­

Erforschung von Substanzen, die

Krebszellen empfind­licher für Bestrah­

lung machen.

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tomographie ausgeglichen. Sie bildet die Anatomie besonders deutlich ab. Werden die Bilder beider Verfahren am Computer zusammengefügt, zeigen die PET­CT­Aufnahmen, wo und in wel­cher Größe Tumoren im Körper wach­sen und welche Stoffwechselaktivität sie haben. Mit Hilfe der PET­CT­Unter­suchung können neuerdings auch andere Stoffwechselwege im Körper erkannt werden, zum Beispiel wird da­mit der Sauerstoffgehalt eines Tumors sichtbar gemacht. Eine Information, die für die erfolgreiche Bekämpfung der Geschwulst sehr wichtig ist. Ganz im Gegensatz zu normalen Körperzel­len kommen Krebszellen mit sehr wenig Sauerstoff aus. Diese Tatsache verhin­dert jedoch, dass eine Strahlen­ oder Chemotherapie erfolgreich ist. Wenn die Mediziner schon vor der Behand­

lung wissen, ob und wo wenig Sauer­stoff vorhanden ist, können sie die Therapie entsprechend anpassen und haben größere Chancen, den Tumor zu vernichten.

Die Schwierigkeit bei der Bestrahlung besteht darin, dass die Strahlendosis im Tumor platziert und das umliegende gesunde Gewebe nicht zerstört wird. Da Röntgenstrahlen den ganzen Körper durchdringen können, wird der Tumor in einer Art Kreuzfeuertechnik von mehreren Seiten unter Beschuss ge­nommen. Das Dosismaximum soll nur das bösartige Gewächs treffen. Schwie­rig wird es allerdings, wenn es sich zum Beispiel um ein Lungenkarzinom handelt. Denn durch die Atmung be­wegt sich auch der Tumor ständig. Bis­her wurde das Bestrahlungsfeld so groß

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gehalten, dass sich das Krebsgeschwür immer darin befindet. Dabei wird je­doch viel gesundes Gewebe ringsherum geschädigt. Bei OncoRay sind Methoden entwickelt worden, um das zu vermei­den. „Wir beobachten die Atembewe­gung des Patienten und sind dann in der Lage, das Bestrahlungsgerät so zu steuern, dass es nur dann eingeschaltet wird, wenn der Tumor in einer be­stimmten Position ist. Das erfordert aber, dass vor der Bestrahlung, bei der Diagnose des Tumors, mithilfe der CT und PET die Bewegungszustände des Tumors erfasst werden“, erläutert Professor Wolfgang Enghardt, der Medizinphysiker des OncoRay­Teams.

Laser revolutionieren die Strahlentherapie

Mittlerweile werden Krebspatienten nicht nur mit konventionellen Rönt­genstrahlen therapiert, sondern bei einigen Erkrankungen auch mit Proto­nen­ und Ionenstrahlen, die aus elek­trisch geladenen Teilchen bestehen. Der Vorteil dieser Strahlen ist, dass ihre ma­ximale Dosis tiefer im Gewebe abgege­ben wird. Bei Röntgenstrahlen nimmt die Strahlendosis nach nur drei Zenti­metern durch die Streuung bereits ab. Hochenergetische Ionen strahlen hinge­gen können so gesteuert werden, dass sie ihre volle Wirkung erst in 30 Zenti­metern Tiefe entfalten. Und es gibt noch einen Vorteil: „Die Strahlen blei­

ben in Abhängigkeit von ihrer Energie in einer ganz bestimmten Tiefe im Ge­webe einfach stecken“, erläutert Wolf­gang Enghardt. „Das ist so, als ob Sie mit einem Luftgewehr ein Projektil in einen Sandsack schießen. Bei der Be­strahlung ist das natürlich günstig, um das gesunde Gewebe zu schonen.“

Obwohl die meisten Krebspatienten auch künftig mit Röntgenstrahlung therapiert werden, sind Protonen­ und Ionenstrahlen für kompliziert zu be­handelnde Tumoren eine wichtige Alter­native, allerdings auch eine sehr kos­tenintensive. Die Geräte zur Erzeugung dieser Strahlen sind ausgesprochen teuer, deshalb suchen die Dresdner Wissenschaftler nach Alternativen. Dafür kooperieren sie seit 2007 mit Jenaer Physikern in dem gemeinsamen Projekt „onCOOPtics“, einer Verknüp­fung des Zentrums für Innovations­kompetenz ultraoptics in Jena und OncoRay in Dresden. Das Verbundpro­jekt arbeitet intensiv an der Erzeugung therapeutischer Protonen­ und Ionen­strahlen. „Seit wenigen Jahren gibt es eine neue Technologie, mit der diese Strahlen auch durch Laser erzeugt wer­den können. Da sind wir eines der führenden Projekte weltweit“, berich­tet Professor Baumann nicht ohne Stolz. Die Jenaer Forscher befassen sich mit den laserphysikalischen Grundlagen der Technologie. Damit die Protonen­ und Ionenstrahlen weit genug ins Ge­

In Dresden entsteht das neue nationale Zentrum für Strah­

lenforschung in der Onkologie. Die Bau­

arbeiten beginnen voraussichtlich im

Frühjahr 2011.

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webe eindringen können, ist eine Ener­gie von mehr als 200 Megaelektronen­volt notwendig. Der Hochleistungsla­ser in Jena beschleunigt die Protonen und Ionen auf 10 bis 12 Megaelektro­nenvolt. Hier besteht also noch großer Forschungsbedarf. Doch die Aussichten für eine künftige Anwendung der La­sertechnologie sind vielversprechend. Schließlich steht in Jena der beste Hoch­leistungslaser Europas mit dem größ­ten Potential für die Strahlentherapie.

Während in Jena die Technik weiterent­wickelt wird, kümmern sich die Dresd­ner Forscher um die physikalische und biologische Charakterisierung sowie die medizinische Anwendung der durch Laser erzeugten Strahlen. Diese haben ganz andere Eigenschaften als konven­tionell beschleunigte Protonenstrah­

len. „Da kommen sehr viele Protonen in extrem kurzer Zeit angesaust, in Fem­tosekunden, das sind 10­15 Sekunden“, erklärt Medizinphysiker Enghardt. „Und wir sind uns nicht sicher, ob solche Strahlen eine andere biologische Wir­kung aufweisen als die konventionell beschleunigten Strahlen.“ Deshalb ent­wickelten die Forscher ein weltweit einzigartiges System, mit dem die laser­beschleunigten Strahlen richtig dosiert werden können. In Zellexperimenten konnten sie dieses System bereits er­folgreich testen und haben keine Ände­rung der biologischen Wirksamkeit feststellen können. OncoRay­Sprecher Michael Baumann ist optimistisch: „Wir wollen einen Durchbruch errei­chen und diese Technologie in den nächsten zehn bis 15 Jahren auch für die Klinik zur Verfügung stellen.“

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Ein außergewöhnliches Haus für visionäre Technologien

Um das zu schaffen, will OncoRay völlig neue klinische Strahlentherapiegeräte auf Laserbasis entwickeln. Durch die enge Kooperation mit dem Forschungs­zentrum Dresden­Rossendorf und der Friedrich­Schiller­Universität Jena ist das kein utopisches Ziel. So werden am Rossendorfer Institut für Strahlungs­physik Detektoren entwickelt, die man sowohl für bildgebende Verfahren einsetzen kann, als auch für laserbe­schleunigte Strahlen. „Die Vorstellung ist, dass das Nachfolgemodell des gro­ßen Lasers, den unsere Jenaer Kollegen zurzeit haben, in Rossendorf entwickelt wird“, erklärt Enghardt. Diese neue Lasertechnik soll kleiner, leistungsstär­ker und kostengünstiger sein. Damit wäre sie für medizinische Zwecke bes­ser geeignet.

Um solche Geräte bauen und für den klinischen Betrieb testen zu können, plant OncoRay ein neues Gebäude direkt am Medizinischen Campus des Dresdner Uniklinikums. Das Konzept dafür haben die Wissenschaftler 2008 bei der sächsischen Landesexzellenz­initiative eingereicht – mit Erfolg. Der Freistaat hat für den Bau des Gebäudes und damit verbundenen Forschungs­projekten mehr als 26 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. In diesem Herbst startet das ehrgeizige Vorhaben.

Dass eine Hochtechnologieplattform für patientenorientierte Forschung auf einem medizinischen Campus entsteht, ist einmalig auf der Welt. „Die Konzen­tration der Expertise auf dem Gelände des Universitätsklinikums kommt vor allem den Patienten zugute, deren Ver­sorgung dann an einer zentralen Stelle möglich ist“, unterstreicht der wissen­schaftliche Direktor des Forschungs­zentrums Dresden­Rossendorf, Prof. Roland Sauerbrey. Schon die Gestal­tung des Gebäudes ist innovativ. Hier sind klinische Strukturen integriert, die anwendungsorientierte Forschung in enger Zusammenarbeit mit der Indus­trie ermöglichen. Damit eröffnen sich auch neue Möglichkeiten des Austau­sches mit dem engsten wissenschaft­

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Flüssigszintillator mit optischer Linse und Kamera.

lichen Partner von OncoRay, dem Deut­schen Krebsforschungszentrum und der Universität in Heidelberg. Erst letz­tes Jahr ist dort das Heidelberger Ionen­strahl­Therapiezentrum eröffnet wor­den. Während OncoRay auf die klini­schen Erfahrungen der Heidelberger mit der Protonen­ und Ionentherapie zugreifen kann, werden die Heidelber­ger Forscher die Technologie der neuen Generation in Dresden mit nutzen.

Für die Entwicklung des Wissenschafts­standorts Dresden wird das neue For­schungsgebäude von großer Bedeu­tung sein. OncoRay ist eine tragende Säule des Universitäts KrebsCentrums (UCC), in dem interdisziplinäre Aktivi­täten der Krebsforschung wie die Im­

munologie und die Entwicklung neuer Medikamente gebündelt sind. Damit ist Dresden auf dem besten Weg, sich auf diesem Gebiet international einen Namen zu machen. Die Entwicklung neuer Technologien für die Krebsbe­handlung bringt aber nicht nur wissen­schaftliches Ansehen, sondern ist eine große Chance für die Menschen in der Region. „Dresden baut mit dem Zent­rum seine hervorragende Position in der patientennahen Forschung aus“, meint Prof. Michael Albrecht, Medizi­nischer Vorstand des Dresdner Univer­sitätsklinikums. „Davon profitieren die Menschen aus Ostsachsen als Erste. Ihnen werden die hier entwickelten in­novativen Strahlentherapieverfahren zugänglich gemacht.“ Die Erforschung neuer Bestrahlungstechnologien soll aber auch über die Region hinaus Wir­kung zeigen. OncoRay hat sich nicht allein in der strategischen Phase an internationaler Spitzenforschung ori­entiert. Bis heute bestehen enge Ver­bindungen in alle Welt, nach Dänemark, Großbritannien, Polen, die USA und Kanada. „Am Ende wird es darum ge­hen, eine Technologie zu entwickeln, die irgendwann weltweit in den Kranken häusern zur Verfügung steht“, erklärt Michael Baumann das Ziel von OncoRay. Zusammen mit seinem Team will er dieser Vision in den nächsten fünf Jahren ein ganzes Stück näher kommen.

ERFOLGSGESCHICHTEN AUS SACHSEN

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Prof. Dr. Franz Rudolph, Textilbeauftragter des Freistaates Sachsen

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Autositze statt DamenblusenEine sächsische Traditionsbranche definiert sich neu

320.000 Menschen arbeiteten einst in der DDR-Textilindustrie, davon allein 220.000 in Sachsen. Viele Familien waren über Generationen in sächsischen Textil-betrieben beschäftigt. Bis 1989 wurde für den eigenen Bedarf produziert und in großem Umfang exportiert, vor allem nach Westdeutschland. Exportprodukte waren nicht nur Kleidung, Gardinen oder Spitze, sondern auch Textilmaschinen. 80 Prozent aller Strumpfwirkmaschinen kamen einst aus Chemnitz. Doch mit dem Fall der Mauer kollabierte auch die Branche. Kombinate wurden geschlossen, schlagartig standen allein in Sachsen mehr als 100.000 Menschen auf der Straße. Im Jahr 2010 gilt die Textilindustrie wieder als Zukunftsbranche. Was ist passiert?

Franz Rudolph hat nie am Potenzial gezweifelt. „Die Chancen resultierten daraus, dass Sachsen eine klassische Textilregion war und viele Gewerke sehr gut vernetzt waren“, meint der Professor und Textilbeauftragte des sächsischen Wirtschafts ministeriums. Als ehemaliger Geschäftsführer des sächsischen InnoRegio­Projekts „Inno­vation Netzwerk Textil“ (INNtex) war er maßgeblich daran beteiligt, dass die Branche in Sachsen neue Impulse be­kam und eigene Stärken entwickelte. Unterstützt fühlte er sich dabei auch von der Politik. „Der damalige sächsi­sche Ministerpräsident Biedenkopf hat gesagt: Die Textilindustrie gehört zu den Zukunftsindustrien Sachsens“, erinnert sich Rudolph. „Das war nur ein Satz, aber eine ganz wichtige Aussage, eine ganz klare Botschaft ohne Wenn und Aber.“

1999 hatte Rudolph bei der täglichen Zeitungslektüre zufällig von der Aus­schreibung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung für die

InnoRegio­Förderung gelesen. Er war sofort begeistert. Ihm war klar, dass Sachsens Textilbranche dafür die bes­ten Voraussetzungen mitbrachte: erfahrene Leute und erstklassiges Know­how. Auf der einen Seite existier­ten wissenschaftliche Einrichtungen wie das Sächsische Textilforschungs­institut in Chemnitz sowie Institute für Textiltechnik und Textilchemie an der Technischen Universität Dresden. Außerdem gab es in Sachsen zu dieser Zeit über 200 Textilbetriebe. Deren Vernetzung herzustellen, war aller­dings keine leichte Aufgabe, denn Ende der 90er Jahre gab es nur wenig Interes­se an Kooperationen. „Die ostdeutschen Geschäftsführer dachten, wir wollen die Kombinate wieder aufbauen“, erinnert sich Rudolph. „Und die west­deutschen oder ausländischen Investo­ren hatten noch keine Bindung zu der Region.“ Doch gerade deshalb sah Franz Rudolph InnoRegio als Chance. Ein wichtiges Ziel des Programms war der Aufbau so genannter Innovations­netzwerke. Durch neue Formen der

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Zusammenarbeit sollte das Potenzial einer Region ausgeschöpft und ein wettbewerbsfähiges Profil geschaffen werden. Genau das wollte Rudolph. Auf nur zwei Seiten schrieb er ein Ideen­papier, mit dem er sich auf Reisen be­gab. Er klapperte Textilbetriebe ab, sprach mit Verantwortlichen in For­schungsinstituten. Nach anfänglichen Schwierigkeiten fand er 63 kleine und mittelständische Unternehmen in Sachsen, die er für seine Vision begeis­tern konnte. Unterstützt wurde er dabei vom Verband der Nord­Ostdeut­schen Textil­ und Bekleidungsindustrie. Noch heute holt Franz Rudolph voller Freude das Papier mit den Unterschrif­ten aller 63 Firmenchefs aus der Tasche: „Die haben alle gesagt: Ja, da machen wir mit. Die Bereitschaft der Unterneh­

men und das Zusammengehörigkeits­gefühl waren da.“ Das war ein erster wichtiger Schritt. Auch die Wissen­schaftler waren mit im Boot. Der Bewer­bung für die InnoRegio­Förderung stand also nichts mehr im Weg. Die Sachsen gehörten damit zu 444 Anwär­tern aus den neuen Bundesländern, die sich für die Förderung bewarben.

Start für einen Innovationsmotor

Nur 23 regionale Initiativen wurden am Ende ausgewählt, eine davon war INN­tex. Die Freude darüber war groß. Doch sich entspannt zurückzulehnen kam nicht in Frage. Für die Wissenschaftler und Unternehmer ging die Arbeit nun erst richtig los. Ihre Ziele waren hoch gesteckt. Innerhalb von nur sechs Jahren

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Mehrkopfstick­automat

wollte sich die sächsische Textil branche zu einem international wettbewerbsfä­higen Verbund entwickeln. Eine ganze Re gion sollte nach vorne kommen. Außer Chemnitz standen da bei sechs weitere Standorte im Mittelpunkt: Mittweida, Crimmitschau, Reichen­bach, Eibenstock, Annaberg und Frei­berg. Der Aktionsradius war weit ge­fasst und entsprechend zahlreich auch die beteiligten Akteure: Rund 150 Unter­nehmen, Forschungsinstitute, Universi­täten und Hochschulen, Handelsunter­nehmen, Dienstleistungs­ und Weiter­bildungsfirmen, Arbeits förde rungs­gesell schaf ten, Verbände, Banken, Behörden und Wirtschaftsförderein­richtungen gehörten zu dem InnoRe­gio. Die Interessen von Unternehmen, Forschungs instituten und Universitä­ten unter einen Hut zu bekommen, war dabei eine der größten Herausforde­rungen. Als vermittelnde und strategi­sche Instanz wurde dafür im Jahr 2000 INNtex e. V. gegründet. Gemeinsam mit seinem Kollegen Rainer Merkel über­nahm Prof. Franz Rudolph die Ge­schäftsführung.

Im ersten halben Jahr entwickelte das InnoRegio­Team zunächst eine Strate­gie. Alle Beteiligten überlegten sich, wo ihre Stärken liegen und definierten Schwerpunkte. Dazu gehörten techni­sche und intelligente Textilien sowie die Optimierung der textilen Verarbei­tungskette.

Alte Idee – neue Strategie

Technische Textilien spielten von Anfang an eine wichtige Rolle beim InnoRegio „INNtex“. Sie sollten der Schlüssel zur internationalen Wettbewerbsfähigkeit der Sachsen werden. In der Region war das eigentlich nichts Neues. „Es gab schon in der DDR ein Kombinat für Technische Textilien. Bereits Mitte der 90er Jahre haben wir viel getan, um zu zeigen, dass die Zukunft bei den techni­schen Textilien liegt“, berichtet Franz Rudolph. Insbesondere das Sächsische Textilforschungsinstitut hatte das frühzeitig erkannt und entsprechende wissenschaftliche Projekte nach vorne gebracht. Bis heute gehören technische Textilien zu den Themenschwerpunk­ten in der Forschung und Industrie. Aber was versteht man eigentlich dar­unter? Wie der Name schon sagt, werden solche Textilien in technischen Bereichen verwendet. Dazu gehören beispielsweise die Automobil­ und Baustoffindustrie. Aber auch Schutz­kleidung für Astronauten oder Feuer­wehrleute zählt dazu. Selbst im Stra­ßenbau werden Textilien zur Befesti­gung und Bepflanzung von abschüssi­gen Böschungen benutzt. Solche so genannten Geotextilien helfen auch bei der Sanierung von Skipisten oder beim Gewässerschutz.

Den größten Bedarf an technischen Textilien gibt es jedoch in der Autoin­

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Technische Textilien spielen auch im Au­tomobilbau eine im­mer wichtigere Rolle.

dustrie. Gewebte Stoffe finden sich über­all in den Fahrzeugen: an den Sitzen und Türen, im Kofferraum, selbst im Radkasten. „Im Rahmen von InnoRegio haben wir im Bereich Automobil neue Absatzmärkte aufgezeigt“, stellt der heutige Geschäftsführer von INNtex e. V., Torsten Bäz, fest. „Da ist Sachsen ja gut aufgestellt mit VW, BMW und Porsche. Konfektion heißt jetzt nicht mehr nur Bekleidung, sondern auch ein Autositz muss konfektioniert wer­den. Unternehmen leben heute davon, Teile für die Autoindustrie zu liefern. Vor 15 Jahren hätten sie daran über­haupt noch nicht gedacht.“ Die Firma Curt Bauer hat diese Möglichkeiten erkannt und ihr Sortiment auf die Markt bedürfnisse eingestellt. Das tradi­tionelle Textilunternehmen in der Erzgebirgsstadt Aue stellt in erster Linie Heimtextilien her, fertigt jetzt aber auch Kofferraumabdeckungen für Autos.

Die Tuchfabrik Spengler & Fürst im sächsischen Crimmitschau produziert zwar nicht für die Automobilindustrie, ist aber ebenfalls erfolgreich in den technischen Textilbereich eingestiegen. Auslöser dafür war auch hier InnoRegio. Neben exklusiven Bekleidungsstoffen stellt die Firma nun ein Gewebe mit einem speziellen Folienfaden her. Das Gewebe ist reißfest, Flammen hem­mend und UV beständig. Es eignet sich gut als Material für Rollos in Wohn­räumen oder Fahrzeugen. „Technische

Sticken eines struk­turierten Rohr­inliners auf einem Mehrkopfstick­automat

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Textilien sind die Zukunft“, stellt Franz Rudolph fest. „Der Anteil an der gesam­ten Textilindustrie liegt heute bei unge­fähr 42 Prozent, Heimtextilien machen 30 Prozent aus und der Rest ist Beklei­dung. Deutschland zählt zu den Welt­marktführern in technischen Textilien, neben den USA.“

Dazu tragen auch sächsische Firmen entscheidend bei, auch wenn die Um­stellung auf die Produktion technischer Textilien keine sächsische Erfindung ist. Deutschlandweit geht der Branchen­trend in diese Richtung. Doch Sachsens Unternehmen haben offenbar in kür­zester Zeit die größten Entwicklungs­schritte getan. Um das zu unterstreichen, zitiert Franz Rudolph eine Vertreterin

des Bundeswirtschaftsministeriums. Nach einer Präsentation des InnoRegio „INNtex“ vor einigen Jahren, soll sie festgestellt haben: „Ihr seid in Sachsen ja nicht die größten und die stärksten auf dem Textilsektor, aber ihr seid diejenigen, die am schnellsten in die richtige Richtung marschieren.“ Den Grund dafür sieht Rudolph in dem radikalen Umbruch nach der Wende und solchen Programmen wie Inno­Regio.

Und das ist erst der Anfang

Für INNtex e.V. war das Projekt die Initial­zündung für viele andere Forschungs­ und Entwicklungsprojekte, die sie ins Leben gerufen haben. Im Jahr 2005 half

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der Verein, den Wachstumskern „MaliTec“ zu gründen. Drei Jahre lang wurde dort die sächsische Nähwirk­technik „Malimo“ für technische Tex­tilien weiterentwickelt. Heinrich Mauersberger aus Limbach­Oberfrohna im Erzgebirge hatte das Verfahren 1949 entwickelt und patentieren lassen. Abgekürzt wurde daraus der Marken­name „Malimo“, eine textile Faser, die nicht gesponnen, sondern direkt aus Fasern hergestellt wird. Bei „MaliTec“ sind unter anderem Karbon­ und Bam­busfasern mit Hilfe dieses speziellen Verfahrens verarbeitet worden, um neue Materialien für technische An­wendungen herzustellen.

Das beste Beispiel für das Umdenken einer ganzen Branche ist jedoch der sächsisch­thüringische Wachstumskern highSTICK. Hier sind Stickereibetriebe mit Forschungsinstituten sowie Ma­schinenbau­, Textilveredlungs­ und Elektronikunternehmen vereint. Ihr gemeinsames Ziel: die klassische Sticke­rei in eine neue, eine technische Di­mension zu bringen. Statt Muster auf Tischdecken werden jetzt Elektroden in Kleidung gestickt. Vor der Gründung des Wachstumskerns im Jahr 2007 haben sich die unter der Marke „Plaue­ner Spitze“ agierenden traditionsrei­chen Unternehmen nie mit technischer Stickerei beschäftigt. Obwohl Sticken

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Links: gestickter SensorRechts: gewebte Bänder

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einen viel größeren Nutzen haben kann, als nur Wohnzimmertextilien zu ver­schönern. „Der Vorteil des Stickens besteht in der Möglichkeit, ganz punk­tuell in eine Fläche bestimmte Funktio­nen hineinzubringen, optische oder elektrische“, erklärt Torsten Bäz. „Zum Beispiel bei einem Autositz brauche ich an bestimmten Stellen eine Sitzhei­zung. Den Draht dafür kann ich ganz gezielt an den dafür festgelegten Stel­len einsticken und benötige keine weiteren Arbeitsschritte.“ Sticken fürs Auto ist also angesagt. Selbst die Funk­tion des Gaspedals wird dadurch revo­lutioniert. In das Material des Pedals wird ein Dehnungssensor eingestickt. Sobald der Fuß auf’s Gas drückt, nimmt der Sensor diesen Druck wahr und überträgt ihn direkt auf den Motor. Die Mechanik gehört der Vergangenheit. Dadurch können Kosten gespart und Gewicht reduziert werden.

Die Stickerei soll aber auch in der Medi­zin oder im Bauwesen eingesetzt werden. Gemeinsam mit Forschungseinrich­tungen in Sachsen und Thüringen ent­wickeln die Unternehmen Produkte, mit denen sie sich weltweit am Markt behaupten können. Acht große Projekte gibt es bei highSTICK. Eines davon beschäftigt sich zum Beispiel mit der Sicherheit von Bauwerken, insbeson­dere von Dächern. Die Idee ist, Karbon­lamellen in die Dachwerke einzuar beiten und mit Sensoren zu besticken. Die

Sen soren melden jegliche Veränderun­gen, so dass Einstürze künftig vermieden werden können. An dem Projekt sind Ingenieure der Weimarer Bauhaus­Universität, der Leipziger Hochschule für Wirtschaft, Technik und Kultur sowie des Sächsischen Textilforschungsinsti­tuts beteiligt. In diesem Jahr wird die Förderung des Wachstumskerns aus­laufen. Doch die Hightech­Stickerei ist so erfolgversprechend, dass die Wissen­schaftler und Unter nehmer bereits die Anschlussförderung für einen neuen, auf highSTICK aufbauenden Wachs­tumskern beantragt haben.

Über Ländergrenzen hinweg

Mehr als 90 Forschungs­ und Entwick­lungsvorhaben hat INNtex e.V. seit 2000 auf die Beine gestellt. Davon profitiert nicht nur die Textilbranche in Sachsen, sondern auch die der Nachbarländer Polen und Tschechien.

Noch in den 90er Jahren haben sächsi­sche Firmen dort wegen der niedrigen Löhne produzieren lassen. Damals war die Nähe zu Polen und Tschechien ein großer Standortvorteil. Das ist längst nicht mehr der Fall. Die Löhne sind inzwischen angeglichen, die Nachbarn keine Billigproduzenten mehr. Aber es gibt dort ein umfangreiches Know­how und sehr gute Ausbildungsmöglichkei­ten. So studieren an der Universität im tschechischen Liberec 1000 junge Leute

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im Bereich Textil, im gesamten Bundes­land Sachsen sind es gerade mal 30­40 Studenten. Der Austausch von Fachkräf­ten und Wissen wird in Zukunft also an Bedeutung gewinnen. Bestes Beispiel dafür ist das Projekt „Euro Textil Region“, das vom Verband der Nord­Ostdeut­schen Textil­ und Bekleidungsindustrie e.V. initiiert wurde. 1400 Unternehmen und 35 Forschungsinstitute in Sachsen, Brandenburg, Thüringen, Polen und Tschechien pflegen hier einen regen Austausch. Gemeinsam wollen sie neue Produkte entwickeln sowie Arbeitsplätze schaffen und erhalten.

Schon im Jahr 2004 organisierte INNtex e. V. mit Hilfe einer Förderung vom Bundesministerium für Bildung und Forschung das erste internationale Innovationsforum „Mobiltex“. Damals trafen sich fast 200 Experten der Textil­ und Automobilindustrie aus Sachsen, Polen und Tschechien in Chemnitz. Alle verfolgten das selbe Ziel: die Entwick­lung und Produktion neuer textiler Werkstoffe für die Autoindustrie. Aus dem Innovationsforum hat sich inzwi­schen eine fruchtbare Dreiländerko­operation entwickelt. Alle zwei Jahre treffen sich die Fachleute auf der mtex – Internationale Fachmesse und Sym­posium für Textilien und Verbundstoffe im Fahrzeugbau. Sie gilt als perfekte Plattform, um sich über neue Entwick­lungen auszutauschen und Koopera­tionen anzuschieben.

Eine gestärkte Branche sucht Nachwuchs

InnoRegio war der Anfang. Inzwischen sind es viele Förderprojekte, die der sächsischen Textilregion zu neuem Aufwind verholfen haben. Netzwerke wurden geschaffen, sowohl zwischen den Unternehmen, als auch zwischen Forschungsinstituten und Textilbetrie­ben. Arbeitsplätze konnten erhalten und neue geschaffen werden. Inzwi­schen gibt es in Sachsen rund 12.000 Beschäftigte in der Textilindustrie und gute Ausbildungsmöglichkeiten für junge Leute. „Den Unternehmen ist durch die Neuorientierung eine Zu­kunft gegeben worden“, resümiert Torsten Bäz. Von 2005 bis 2008 sind Umsatz und Mitarbeiterzahl in Sach­sens Textilbetrieben stetig gestiegen. Zwar brachte die Krise einen kleinen Einbruch. Doch jetzt sind die Unterneh­

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Digitaldruckanlage für Frottiergewebe.

men wieder komplett ausgelastet und suchen dringend Mitarbeiter. „Das ist ein echtes Dilemma“, meint Bäz. „In der sächsischen Textilbranche gibt es viel zu wenig Fachkräfte und Auszubilden­de.“ Dass so wenig junge Leute in einem Textilbetrieb arbeiten wollen, hat auch mit dem schlechten Ruf der Branche zu tun, wie Torsten Bäz weiß: „Jeder hier in Sachsen hat irgendjemanden in der Familie, der mal in der Textilbranche gearbeitet hat. Die sagen dann: Was, du willst in die Textilindustrie gehen? Da haben sie doch so viel zugemacht, geh lieber nicht dorthin.“ Gegen dieses negative Image wollen Bäz und seine Mitarbeiter bei INNtex e.V. etwas tun. „Wir gehen in die Schulen, haben für die Schüler und Lehrer Werksbesichti­gungen organisiert, die waren begeis­tert“, erzählt Bäz‘ Vorgänger Rudolph. „Man muss nichts beschönigen, son­dern nur die Tatsachen zeigen.“

Genau das wird sein Nachfolger Torsten Bäz nun in Angriff nehmen. An seiner Seite hat er 15 Mitarbeiter. Das sind fast doppelt so viele wie bei der Gründung des Vereins zum Start von InnoRegio vor zehn Jahren. Sie sehen sich als stra­tegische Geburtshelfer für die gesamte sächsische Textilbranche. Wo es in den nächsten Jahren lang gehen soll, ist für Bäz bereits klar: „In Zukunft werden Smart Textiles eine große Rolle spielen, also intelligente Kleidung und Heim­textilien, zum Beispiel Gardinen, die Rauch absorbieren oder die Farbe ver­ändern, um weniger UV­Licht durchzu­lassen. Es gibt immer mehr Funktions­textilien für den privaten Verbraucher. Das müssen wir den Unternehmen klar machen: Der Kunde will in Zukunft mehr als nur eine Gardine.“

Franz Rudolph ist zufrieden. Seit er in der Zeitung über die InnoRegio­Aus­schreibung gelesen hat, wurde viel bewegt in seiner Heimat. „Die Innova­tionskraft der sächsischen Textilbranche ist enorm gestiegen.“, stellt er fest. „Das soll anhalten, das hohe Tempo und die Strukturen sollen beibehalten werden. Die Strategie stimmt.“ Da kann man nur sagen: Gut eingefädelt.

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Verbrennen war gestern Freiberger beschreiten neue Wege für die Nutzung der Braunkohle

Fast sieben Jahrhunderte lang sind die Bergleute hier in den Schacht gestiegen, jetzt wird auf dem Gelände der Reichen Zeche in Freiberg für die Zukunft ge-forscht. Es geht um die Nutzung von Rohstoffen wie Kohle, Erdöl und Gas. Dabei steht viel auf dem Spiel, denn die Quellen versiegen. Erdöl und Gas werden nur noch wenige Jahrzehnte verfügbar sein, Kohle bis zu 200 Jahre. An der TU Berg-akademie Freiberg widmen sich die Wissenschaftler deshalb den Möglichkeiten der effizienten Verwertung dieser Rohstoffe. Vor einem Jahr wurde am Institut für Energieverfahrenstechnik und Chemieingenieurwesen das „Zentrum für Inno-vationskompetenz“ (ZIK) VIRTUHCON gegründet. VIRTUHCON steht für Virtual High Temperature Conversion. Gemeinsam erforschen Ingenieure, Informatiker und Mathematiker hier die bessere stoffliche Nutzung der Braunkohle.

Momentan wird Braunkohle fast aus­schließlich zur Energiegewinnung ge­nutzt. Das bedeutet: 99 Prozent des fos­silen Rohstoffs werden einfach verfeu­ert. Doch eigentlich hat die Kohle noch ganz andere Werte als nur die eines Energieträgers. Sie ist ein chemischer Rohstoff, der auch stofflich genutzt werden könnte. „Wenn wir den Blick erweitern vom Energierohstoff zum Chemierohstoff, dann sieht man, dass fossile Energieträger, besonders die Kohle, eine wesentlich höhere Bedeu­tung haben als ihnen heute beigemes­sen wird“, erklärt Professor Bernd Meyer, Rektor der TU Bergakademie Freiberg und Sprecher von VIRTUH­CON. „Wir wollen die Verbrennung ab­lösen und Braunkohle dazu nutzen, um Chemieprodukte, aber auch Kraft­stoffe zu erzeugen. Damit bereiten wir Technologien für die Zeit nach dem Erdöl vor.“

Die Wissenschaftler wollen Braunkohle insbesondere zur Herstellung von Koh­lenstoffverbindungen nutzen, denn diese werden in allen Lebensbereichen benötigt. „Ich schätze, im Haushalt, abgesehen von den Baustoffen und Me­tallen, ist das die Stoffklasse, die im täglichen Leben am meisten vertreten ist, die uns zu 80 bis 90 Prozent um­gibt“, meint Bernd Meyer. Dazu gehören zum Beispiel Kunststoffe, Textilien oder Waschmittel.

Gegenwärtig werden diese Produkte fast ausschließlich aus Erdöl hergestellt. Doch das geht zur Neige und der Rohöl­Preis wird weiter steigen. Abgesehen davon ist die Erdöl­Förderung mit ho­hen Risiken verbunden, wie die jüngs­ten Vorkommnisse im Golf von Mexiko zeigen. Die chemische Industrie braucht auf lange Sicht Alternativen. Deshalb wollen die Freiberger Wissenschaftler Technolo gien zur Nutzung der Braun­kohle als Kohlenstoffquelle entwickeln.

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Prof. Dr.­Ing. Bernd Meyer, Rektor der TU Berg­akademie Freiberg

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Untersuchungen von Schlackeab­lagerungen an Wär­meüberträgerroh­ren mittels HT­XRD (Röntgendiffrakto­metrie).

Weniger verbrennen – mehr gewinnen

„Virtual High Temperature Conversion“ ist nicht nur der Name des Zentrums, sondern gleichzeitig sein Forschungs­schwerpunkt. Unter Virtualisierung so genannter Hochtemperatur­Konver­sionsprozesse versteht man chemische und physikalische Prozesse der Stoff­ und Energiewandlung bei hohen Tem­peraturen von 1000 bis 2000° Cel sius. Dazu zählen auch Verbrennungs pro zes­se von Kohle, Öl und Gas. Die Freiberger Wissenschaftler wollen ihr Forschungs­objekt, die Braunkohle, jedoch nicht komplett verbrennen, sondern nur teil­weise. Das nennt sich dann Partialoxi­dation. Im Vergleich zur Verbrennung der Kohle wird dabei nur wenig Kohlen­dioxid erzeugt, stattdessen hauptsäch­lich Wasserstoff und Kohlenmonoxid. Diese sind wiederum die Ausgangsstof­fe für chemische Synthesen. Auf diese Weise können Kunststoffe und sogar Kraftstoff hergestellt werden. Das hat gleich mehrere Vorteile: Der CO2­Aus­stoß wird extrem reduziert, da die Koh­le nur partiell verbrannt wird und kaum Kohlendioxid entsteht. Und die Braunkohle kann zur Herstellung von Kohlenstoffprodukten genutzt werden, sie kann das Erdöl vielleicht in abseh­barer Zeit ersetzen.

Um dies zu schaffen, wird bei VIRTUH­CON auf drei Ebenen geforscht, und zwar genau auf den drei Ebenen des partiellen Oxidationsprozesses. Die erste Forschungsgruppe untersucht die Interaktion der Kohle mit dem umge­benden Raum. Dabei geht es um die Reaktionen während des Oxidations­prozesses zwischen dem festen und dem gasförmigen Zustand. Die zweite Gruppe modelliert die Prozesse, die in einem Partikel in der Kohle während der Hochtemperaturkonversion ge­schehen. Die Wissenschaftler wollen wissen, wie aus dem festen Kohlenstoff ein Kohlenmonoxid­Molekül und ein Wasserstoff­Molekül werden. Das dritte Team beschäftigt sich mit der Modellie­rung des gesamten Reaktionsraumes. Dabei werden die Raumgeometrie und die verschiedenen Wechselwirkungen zwischen Stoff und Raum berücksich­tigt. Diese Gruppe wirkt auch federfüh­rend an der mathematischen Simula­tion des gesamten Reaktionsprozesses und dessen Virtualisierung mit.

Die Technologien für die partiellen Oxi­dationsprozesse sind sehr komplex und aufwändig. Sie gehen weit über die Verbrennungstechniken hinaus, die es heute in Braunkohlekraftwerken gibt. Deshalb stellt VIRTUHCON diese Pro­zesse mit Hilfe von Hochleistungsrech­nern zunächst virtuell dar. Dafür nutzen die Wissenschaftler eine 3­D­Bildpro­jektion in einem speziellen Projektions­

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Vergrößerte Darstel­lung geschmolzener Kohleasche (Schlacke).

raum, einer so genannten Cave, an der Universität. In diesem Raum können sie technologische Prozesse in hoher Auf­lösung simulieren und beobachten. Mit Hilfe dieser lebensechten Simulation lassen sich völlig neue Technologien entwickeln. Die virtuellen Tests haben große Vorteile. Auf der einen Seite können sich Unternehmen auf ihre Zu­kunft vorbereiten und verstehen, wie ihre Technologien in zehn bis 15 Jahren aussehen werden. Auf der anderen Seite wird damit viel Zeit und Geld gespart werden. Denn bevor eine kohlebasierte Raffinerie gebaut und mit neuer Tech­nik ausgestattet wird, sind sehr viele Tests notwendig. Zunächst muss die Technologie im Labor geprüft werden, dann im nächst größeren Maßstab, dem so genannten Technikums­ und Pilotmaßstab und erst danach kommt sie in der Produktion zum Einsatz. Da­mit dieser Prozess am Ende zuverlässig und störungsfrei abläuft, ist ein riesiger finanzieller und zeitlicher Aufwand notwendig. Neue Entwicklungen erfor­dern normalerweise bis zu 20 Jahre, ehe sie vom Labor zur technischen Reife kommen. Das will das VIRTUHCON­Team ändern. „Wir wollen physikalische und ingenieurtechnische Prozesse, die heute noch nicht verstanden werden, auf Hochleistungscomputern abbilden, simulieren und modellieren, um ein oder zwei Stufen dieser Entwicklung zu überspringen: vom Labor direkt zur An­wendung, dann hat man zehn Jahre

Entwicklungszeit und hohe Kosten ein­gespart“, erklärt Professor Meyer das Ziel von VIRTUHCON.

Neben dem Faktor Zeit spielt auch der Umweltschutz eine große Rolle. Denn wenn die Kohleverbrennung re­duziert wird, verringert sich auch der CO2­Ausstoß. Mit den Technologien, die VIR TUH CON entwickelt, werden von der Gewinnung der Kohle bis zum Pro­dukt 40 Prozent weniger Kohlendioxid abgegeben, als wenn die Kohle energe­tisch genutzt, also verbrannt werden würde. Das bedeutet, 40 Prozent des Kohlenstoffs werden direkt in ein che­misches Produkt umgewandelt, ohne dass zusätzliche Maßnahmen für die Abtrennung von CO2 erforderlich wären.

Flüssige Kohle fürs Auto

Die Kohle ist bei der Erforschung des partiellen Oxidationsprozesses nur ein möglicher Ausgangsstoff. Die gleichen Prozesse laufen auch ab, wenn Öl ver­gast oder Erdgas gespalten wird. Selbst die Reduktion von Erzen funktioniert auf diese Weise. Reduktion heißt, dass aus oxidischen Erzen Metalle gewon­nen werden.

Der Abbau von Erzen ist wieder ein in­teressantes Thema geworden, insbe­sondere in Sachsen. Im sächsischen Erz­gebirge, der Name sagt es, wurde seit dem 12. Jahrhundert Silbererz gewon­

Anlage für das Hoch­druck­Synthesegas­Verfahren HP POX – das derzeit mo derns te Synthese­gasverfahren für flüssige und gasför­mige Kohlenwasserstoffe.

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nen. Der für den deutschen Raum sehr bedeutende Silbererz­Bergbau fand aber aufgrund fallender Weltmarkt­preise zu Anfang des 20. Jahrhunderts zunächst sein Ende. Anfang der 90er Jahre wurde der Erzabbau dann end­gültig eingestellt. Steigende Rohstoff­preise könnten nun aber erneut Inte­resse an den heimischen Erzlagerstät­ten wecken. Die Gewinnung von Kup­fer, Zinn, Nickel und Wolfram stehen dabei im Mittelpunkt des Interesses.

VIRTUHCON untersucht in erster Linie Vergasungsprozesse, bei denen hoch­reine chemische Synthesegase entste­hen, die für viele Synthesen eingesetzt werden. Damit lässt sich zum Beispiel Wasserstoff produzieren, der für Brenn­stoffzellen­Fahrzeuge genutzt wird oder synthetisiertes Benzin, der so ge­nannte Fischer­Tropsch­Kraftstoff. Benannt ist er nach einem Verfahren, das Franz Fischer und Hans Tropsch bereits 1925 in Mülheim an der Ruhr

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entwickelt haben. Dabei wird ein Koh­lenstoffmonoxid­Wasserstoff­Gemisch in flüssige Kohlenwasserstoffe umge­wandelt, die dann als synthetische Dieselkraftstoffe genutzt werden kön­nen. Der Ausgangsstoff dafür ist Kohle. „Hier am Institut ist gerade eine große Pilotanlage für eine neuartige Benzin­synthese entstanden“, sagt Bernd Meyer und zeigt aus dem Fenster auf die glän­zenden Rohre der Miniraffinerie. „Wir nutzen dafür ein Synthesegas, das wir am Institut erzeugen, so dass wir den Prozess hier schon im Pilotmaßstab ab­bilden können. Die Forschungsergeb­nisse von VIRTUHCON werden dort später auch einfließen.“ Wenn das Öl knapper wird, könnte die Braunkohle also für die Kraftstoffgewinnung ein­springen.

Diese Möglichkeiten sollen am Deut­schen Energierohstoff­Zentrum (DER) in Freiberg weiterentwickelt werden. Das Projekt des BMBF­Förderprogramms „Spitzenforschung und Innovation in den Neuen Ländern“ bildet eine gute Ergänzung zur Arbeit von VIRTUHCON. Die am Rechner modellierten Prozesse werden dort mit konkreten Daten ver­sorgt. Gemeinsam wollen die Wissen­schaftler ihre Kenntnisse über Stoffe wie Kohle, Öl und Erze vertiefen. Mit Hilfe der virtuellen Simulationen der VIRTUHCON­Wissenschaftler soll der Kohlevergasungsprozess der neuen Generation im Technikumsmaßstab entwickelt werden. Demnächst werden die Ingenieure, Mathematiker und In­formatiker sogar unter einem Dach arbeiten können. Gerade ist auf dem

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Objektträger mit Probe für eine ther­mogravimetrische Analyse.

Gelände der Reichen Zeche der Grund­stein für ein neues Forschungsgebäude gelegt worden. Es soll das modernste brennstoffanalytische Zentrum Euro­pas werden.

Wissen ist ein scharfes Schwert

Um synthetische Kraftstoffe herzustellen, eignet sich auch Biomasse. Das Freiber­ger Unternehmen Choren produziert auf diese Weise den umweltfreundlichen Kraftstoff SunFuel. Dafür sind ebenfalls Vergasungsprozesse notwendig, die bei VIRTUHCON untersucht werden. Deshalb arbeiten die Wissenschaftler eng mit der Firma zusammen. Es ist nicht ihr einziger Wirtschaftspartner. Auch Anlagenbauer wie Lurgi, Siemens oder Uhde gehören dazu. Nur wenige hun­

dert Meter Luftlinie vom Institut ent­fernt ist die Siemens­Tochter Siemens Fuel Gasification Technology (SFGT) beheimatet, in der Vergasungstechno­logien entwickelt werden. „Siemens wird von unserer Forschung sehr profi­tieren“, meint Professor Meyer. „Wenn VIRTUHCON die ersten virtuellen Mo­delle fertig hat, in zwei bis drei Jahren, wird das großen Einfluss auf die Ent­wicklungsgeschwindigkeit und Qualität bei Siemens haben.“

Bernd Meyers Vision ist es, dass mit VIR TUHCON ein virtuelles Entwick­lungszentrum vorbereitet wird, dass sich später eigenständig am Markt be­haupten kann. Zum ersten Mal würde ein Dienstleistungszentrum für die Pro­zessentwicklung entstehen, das es in dieser Form bisher nicht gibt. Das Be­sondere an VIRTUHCON ist, dass es frei ist von wirtschaftlichen Interessen und Verpflichtungen gegenüber einzelnen Unternehmen. Das Zentrum kann alle Technologien in verschiedenen Firmen und Branchen bedienen, ohne Rück­sicht auf gegenseitige Abhängigkeiten. Es kann frei am Markt agieren, das ist ein absolutes Novum. Und das Projekt VIRTUHCON besitzt noch einen anderen großen Wert: „Wenn das Modellwissen auf dem Rechner und in den Köpfen der Leute vorhanden ist, dann sind wir konkurrenzlos als Entwickler solcher Hochtemperatur­Konversionstechno­logien“, erläutert Meyer. „Und die sind

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international gefragt, nicht nur in Deutschland, wie hier am Standort mit Siemens und Choren, sondern welt­weit. Und damit haben wir ein scharfes Schwert in der Hand, das wir ohne das Zentrum für Innovationskompetenz nicht bekommen hätten.“

Freiberg im globalen Fokus

Auch die wissenschaftlichen Kontakte der Freiberger haben sich rasant ent­wickelt. Die Thematik, mit der sich VIRTUHCON beschäftigt, spricht die internationale Forscher­Gemeinschaft an, wie es bisher nicht der Fall gewesen ist. Die Erforschung fossiler Energie­träger für die chemisch­energetische Nutzung ist weltweit ein großes The­ma. Deshalb hat VIRTUHCON Partner bis nach Down Under. Dort arbeiten die Wissenschaftler mit dem australischen Forschungsverbund Commonwealth Scientific and Industrial Research Orga­nisation (CSIRO) zusammen, der sich Kohle­ und Stahlthemen widmet. Außer­dem gibt es Kooperationen mit einem amerikanischen Partner in North Da­kota und mit europäischen Verbänden.Von VIRTUHCON gehen starke akade­mische Impulse aus. Alle zwei Jahre organisiert das ZIK eine große interna­tionale Tagung in Freiberg. 2011 wird die nächste stattfinden. An dieser Ver­anstaltung nehmen internationale Spitzenwissenschaftler teil. Sie lernen Freiberg persönlich kennen und kom­

men mit dem Entwicklungsstandort in Kontakt. Bernd Meyer ist ganz sicher, dass die Stadt mit allen wissenschaft­lichen und wirtschaftlichen Facetten weltweit bekannter werden wird.

Fossiler Rohstoff – moderne Nutzung

Regenerative Energien wie Wind, Son­ne und Wasser gewinnen immer größe­re Bedeutung für die Erzeugung von Strom. Braunkohle liefert nur ein Viertel der elektrischen Energie. Doch mithilfe neuer Technologien könnte die Kohle zum Lückenfüller werden. Statt sie zu verfeuern, können die Kraftwerke auf Vergasungstechnik umstellen. Auf diese Weise lässt sich beispielsweise ein synthetischer Kraftstoff wie Methanol herstellen. Wenn gerade kein Wind weht oder die Sonne nicht scheint, kann das Methanol in den Gasturbinen ver­brannt und zur Energiegewinnung genutzt werden. Der Ausstoß von Koh­lendioxid ist dabei sehr gering. So würde die Natur geschont und dennoch der benötigte Strom geliefert werden.Die Nutzung fossiler Brennstoffe wie der Kohle wird auch in den nächsten Jahrzehnten unverzichtbar sein, damit Deutschland auf dem Weltmarkt wett­bewerbsfähig bleibt. „Aber wir sollten das intelligent tun und in einer Weise, dass die alternativen, die regenerativen Technologien möglichst schnell Fuß fassen können“, meint Bernd Meyer. „Für den Strom haben wir Alternativen.

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CFD­Simulation des Schwarmverhaltens sinkender Partikel in einem Fluid.

Für Chemierohstoffe gibt es keine Alter­nativen zu Kohle, Öl und Gas. Deshalb muss die Rolle der Kohle in einem ener­giearmen Land wie Deutschland eine neue Definition bekommen.“

Um die Kohle zu fördern, sind heftige Eingriffe in die Natur notwendig, ab­gesehen von der Umsiedlung ganzer Dörfer. Doch Professor Meyer ist der Meinung, dass die Umweltschäden durch hochriskante Bohrungen nach Erdöl und Gas viel größer sind. Das beste Beispiel ist die Öl­Katastrophe im Golf von Mexiko, die durch Bohrungen im Meer verursacht wurde. Es ist eine der schlimmsten Umweltkatastrophen, die es je auf der Erde gegeben hat. Millionen Menschen sowie Flora und Fauna sind davon betroffen.

Bernd Meyer denkt, dass eine alterna­tive, stoffliche Nutzung der Kohle auch den Menschen zugute kommen kann. Nicht nur, weil ihre Bedürfnisse weiter­hin befriedigt werden, sondern auch weil Arbeitsplätze in den Kohlebergbau­regionen erhalten und neue geschaffen werden könnten. Denn wenn die Tech­nologien, die bei VIRTUHCON entwickelt werden, in der chemischen Industrie zur Anwendung kommen, werden viel mehr Arbeitskräfte benötigt. „Ein 1000 Megawatt­Kraftwerk, also ein sehr gro­ßes, zentrales Kraftwerk, kommt mit 150 Leuten aus“, erläutert Meyer. „Für die gleiche Kohlenutzung in der chemi­

schen Industrie könnten jedoch vier bis fünf Mal so viele Leute beschäftigt werden.“ Der Grund sind aufwändigere und komplexere Technologien. Verein­facht betrachtet, könnten die Arbeits­plätze durch die Einsparung teurer Erd­ölimporte finanziert werden.

VIRTUHCON wird an diesen Entwick­lungen maßgeblich beteiligt sein. Am Ende der Forschungsarbeit stehen Technologien, die deutschen Unter­nehmen dabei helfen, ihre Marktführer­schaft auszubauen. Das ZIK hat eine Vorreiterrolle, die Bernd Meyer weiter ausbauen will: „Die Entwicklungsplatt­form, die sich durch VIRTUHCON ergibt, könnte die Basis für ein eigenes Ge­schäftsmodell, ein eigenes Unternehmen werden, das eng an die Universität ge­koppelt ist.“

Schließlich entwickeln die Ingenieure, Mathematiker und Informatiker am Freiberger ZIK VIRTUHCON ein Know­how, das in Deutschland und der Welt einzigartig ist. Der Bedarf dafür wird in den nächsten Jahren und Jahrzehn­ten enorm wachsen.

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Biopolis im sächsischen Silicon Valley Ein Förderprojekt und seine Folgen

Am späten Nachmittag des 15. Mai 2001 wurde an der Technischen Universität Dresden der Verein BioMeT e.V. gegründet. Es war nur ein kurzer formaler Akt, dem 21 Wissenschaftler, Unternehmer und Organisatoren aus der Region bei-wohnten. Doch es sollte der Start sein für eine zukunftsweisende Entwicklung. Das sächsische Silicon Valley, die starke Mikroelektronik-Region Dresden, hatte eine vitale kleine Schwester bekommen – die Biotechnologie. Dafür stand BioMeT. Das Netzwerkprojekt wurde durch das „InnoRegio“-Programm des Bundesministeriums für Bildung und Forschung gefördert. Ein Projekt mit einem ehrgeizigen Ziel: Moderne Biotechnologie sollte in Dresden und der gesamten Region Wissenschaft und Wirtschaft voranbringen, neue Arbeitsplätze schaffen.

Schon vor dem Start des Innovations­netzwerkes BioMeT war in Dresden einiges in Bewegung geraten. 1998 wurde hier das Max­Planck­Institut für Molekulare Zellbiologie und Genetik (MPI­CBG) gegründet. 2001 zogen die Wissenschaftler in den Neubau ein. Einer der Direktoren war Kai Simons. Für ihn war klar, dass es eine große Her­ausforderung sein würde, in Dresden etwas auf die Beine zu stellen. Denn die sächsische Landeshauptstadt war alles andere als ein Biotechnologie­Standort. „Das war in den neuen Bundesländern allgemein ein Problem, dass die Bio­technologie und die moderne Biologie fast nicht vertreten waren“, meint Pro­fessor Simons. Aber der Finne brachte viel Erfahrung mit. Er hatte an dem in­ternational renommierten European Molecular Biology Laboratory (EMBL) in Heidelberg gearbeitet und dort das Netzwerk BioRegio mit aufgebaut. Der Mediziner und Biochemiker wusste, dass es wichtig war, mit der „Karotte“ zu winken, um Wissenschaftler und

Unternehmer in ein Boot zu bekommen. Mit dem Gemüse meint Simons die Fördergelder, mit denen wichtige Ak­teure aus Forschung und Wirtschaft motiviert werden sollen, gemeinsam an einem Strang zu ziehen. So war es auch in Dresden.

Obwohl die Karotte zunächst nur in Ge­danken existierte, bestand doch be­rechtigte Hoffnung, mit dem InnoRe­gio­Projekt erfolgreich zu sein. Die Poli­tiker in Sachsen waren anfangs zwar sehr skeptisch. „Als wir bekannt gaben, dass wir einen Antrag für InnoRegio in der Biotechnologie stellen wollen, sag­te das Ministerium: Das lohnt sich nicht. Das hat keine Chan ce“, erinnert sich Kai Simons. Doch das entmutigte ihn kei­neswegs. Genauso wenig wie seine Mit­streiter, Wissenschaftler von der Tech­nischen Universität Dresden und deren Gesellschaft für Wissens­ und Technolo­gietransfer (GWT­TUD GmbH) sowie re­gionale Unternehmen. Gemeinsam for­mulierten sie ein Konzept für ihre Vision

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Prof. Dr. Kai Simons, Direktor Emeritus des Max­Planck­Institutes für Genetik und Zellbiologie

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einer neuen Biotechnologie­Region in Deutschland: Biopolis Dresden.

Synergien für Millionen

Eine Vision, die überzeugte. Das Bundes­ministerium für Bildung und Forschung bewilligte die Förderung des InnoRegio Innovationsnetzwerks BioMeT Dresden. Über die Fachgrenzen hinweg sollten hier Bio­ und Ingenieurwissenschaftler, Mediziner und Informatiker zusam­menarbeiten. Fast 24 Millionen Euro flossen in das Projekt. Und auch die Landesregierung war nun von der Idee

überzeugt. Zur gleichen Zeit startete sie die Biotechnologieoffensive Sachsen – biosaxony. 100 Millionen Euro wurden für den Aufbau eines BioInnovations­Zentrums in Dresden locker gemacht. Wissenschaft und Wirtschaft sollten dort unter einem Dach arbeiten. Für Kai Simons und seine Kollegen war das ein riesiger Erfolg und ein klares Signal. Die Biotechnologie sollte sich in Dres­den neben der Mikroelektronik zu einem zweiten starken Standbein entwickeln. Mit ihrer großzügigen Unterstützung schuf die sächsische Staatsregierung die Basis für diesen Prozess.

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Das Hauptgebäude des Max­Planck­Ins­tituts für molekulare Zellbiologie und Genetik in Dresden.

Unternehmer, Wissenschaftler und Politiker zogen an einem Strang. Der Weg für den Aufbau von Biopolis Dres­den war frei. Die Richtung gab das InnoRegio­Projekt vor: innovative For­schung, die für die Industrie relevant ist. Um das zu schaffen, wurden Koope­rationen in ganz Sachsen ins Leben ge­rufen. Zu den rund 200 Partnern gehör­ten unter anderem Pharma­ und Bio­tech­Unternehmen aus der Region, die TU Dresden, die Leipziger Universität, das Forschungszentrum Dresden­Ros­sendorf, das Max­Planck­Institut für Molekulare Zellebiologie und Genetik sowie verschiedene Fraunhofer­ und Leibniz­Institute in Dresden.

Von Keksen, Genen und Knochen

Selbst eine Bäckerei war bei BioMeT dabei: die Dr. Quendt KG. In diesem Dresdner Betrieb wird schon seit über 100 Jahren gebacken, heute vor allem Stollen und Russisch Brot. Diese spe­zielle Keksart wollte Dr. Quendt nicht mehr mit Zucker süßen, sondern mit Inulin. Dieses aus Fructose aufgebaute Polysaccharid kommt unter anderem aus der Wurzel von Topinambur, einer kartoffelähnlichen Pflanze. Es ist ge­sünder als normaler Zucker wegen der probiotischen Wirkung, zersetzt sich jedoch bei hohen Temperaturen. Mit Hilfe biotechnologischer Verfahren sollte das Inulin behandelt werden, damit es dem Backprozess standhält.

Das Süßen von Keksen war jedoch nur ein kleiner Teil der Forschungs­ und Ent­wicklungsarbeit bei BioMeT.

In anderen Projekten arbeiteten die Wissenschaftler unter anderem daran, die moleku lare Diagnostik zu verbes­sern, insbesondere DNS­Befunde. Die Fir­ma Biotype AG entwickelte so genannte Tatort­Kits, die insbesondere Gerichts­mediziner und Kriminalämter zu schät­zen wissen. Für diese speziellen DNA­Tests genügen schon minimale oder gar zerstörte Gewebeproben. Die Bioty­pe AG, heute Biotype Diagnostic GmbH, wurde kurz vor dem Start des InnoRegio­Projekts 1999 in Dresden gegründet, genau wie Cenix BioScience GmbH. Das Unternehmen ist eine Ausgründung aus dem MPI­CBG in Dresden sowie dem EMBL in Heidelberg.

Bei Cenix wurde erstmals die so genan­nte RNA­Interferenz­Methode (RNAi) für eine breite Anwendung weiterent­wickelt. RNA steht für Ribonukleinsäu­re, deren wesentliche Funktion in der Zelle darin besteht, genetische Infor­mationen in Proteine umzusetzen. Mit der RNAi kann die Funktion bestimm­ter Gene in Körperzellen gezielt unter­drückt werden. Auf diese Weise könn­ten eines Tages Krankheiten wie Krebs, Arteriosklerose oder Diabetes direkt an ihrem Entstehungsort, in der Zelle, be­kämpft werden. Zwar gibt es einige Biotech­Unternehmen auf der Welt,

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die sich mit der RNA­Inter ferenz be­schäftigen, doch Cenix hat eine beson­dere Expertise. Die Firma ist in der Lage, auch schwierige Zelllinien sehr schnell zu untersuchen. Im so genannten Hochdurchsatz­Verfahren mit automa­tisierten Hochleistungsmikro skopen und einer speziellen Auswertungssoft­ware können pro Stunde et liche hun­dert Gene analysiert werden.Ein anderes wichtiges BioMeT­Projekt sollte der Behandlung von Krebspatien­ten zugute kommen. Oftmals entwickeln Menschen durch die Vermehrung be­stimmter Gene eine Resistenz gegen die Chemotherapie. Die Dresdner Bio­tech­Firma RESprotect GmbH entwickel­

te Möglichkeiten, um diese Resistenz zu verhindern. Das Unternehmen wurde im Jahr 2000 als Spin­Off der Fraunhofer­Gesellschaft gegründet.

Doch nicht nur junge, sondern auch so traditionsreiche Betriebe wie der Arznei­mittelhersteller Apogepha Arzneimittel GmbH gehörten zum BioMeT­Verbund und wurden mit den Fördermitteln unterstützt. Seit mehr als 120 Jahren ist das Familienunternehmen in Dresden ansässig. Im Rahmen eines BioMeT­ Projekts wurde hier untersucht, wie die Wirksamkeit von Präparaten durch „Drug Targeting“ erhöht werden kann. Das bedeutet, Moleküle zu finden, die

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Die Biotechnologie hat sich in Sachsen etabliert.

direkt an den Rezeptoren der erkrankten Organe wirken. Auf diese Weise kann die Dosierung der Medikamente gesenkt und die Wirkung verbessert werden, bei deutlich geringeren Nebenwirkungen.

Fachübergreifende Forschung gehörte bei BioMeT zum Konzept. So haben Mediziner und Biologen in verschie­denen Projekten auch mit Material­wissenschaftlern zusammengearbeitet. Eines dieser Projekte war die Züchtung von körpereigenem Gewebe, wie Haut und Knochen. Auf diese Weise können zum Beispiel Unfall­ oder Knochen­krebspatienten künftig Ersatzknochen aus dem Labor bekommen. Dafür wer­den textile Strukturen eines Polymer­werkstoffes mit den Zellen des Patienten besiedelt, die sich dort vermehren. In einem bestimmten Stadium werden diese bewachsenen textilen Strukturen in den Körper implantiert. Das Poly­mergewebe baut sich vollständig ab, so dass die Knochen am Ende komplett wiederhergestellt sind. An diesem um­fangreichen Forschungsprojekt waren sogar Wissenschaftler und Unterneh­mer von zwei InnoRegios involviert: BioMeT Dresden und INNtex Chemnitz. Kooperiert haben das Leibniz­Institut für Polymerforschung, die Technische Universität und das Universitätsklini­kum Carl Gustav Carus in Dresden so­wie die Unternehmen Rolf Möckel und die Catgut GmbH aus dem Vogtland.

Zahlen sagen mehr als viele Worte

Mehr als 30 Forschungs­, Entwicklungs­ und Bildungsprojekte wurden von 2001 bis 2006 mit den BioMeT­Fördermitteln realisiert. „Ohne InnoRegio wäre alles anders hier. Die Förderung hat einen großen Effekt gehabt“, stellt Professor Simons rückblickend fest. Seit er vor fast 10 Jahren seine Arbeit am Max­Planck­Institut in Dresden aufgenommen hat, ist viel passiert. „1.500 Arbeitsplätze wurden in der Biotechnologie­Branche geschaffen. Das macht den Standort attraktiv“, sagt er nicht ohne Stolz. „Bio­technologie ist neben der Mikroelek­tronik eine wichtige Säule. Sie ist klei­ner, aber wichtig für die Zukunft.“

Der kleine, feine Biotech­Standort Dres­den hat in den letzten 10 Jahren eine Entwicklung hingelegt, die sich sehen lassen kann. Seit dem Start von BioMeT wurden in der Region 23 Biotechnolo­gie­Unternehmen gegründet, acht Firmen haben sich in Dresden und Um­gebung angesiedelt. Hinzu kommen vier Pharmaunternehmen. Weitere 36 Betriebe sind als Zulieferer und Dienst­leister für die Branche tätig. Die meisten Biotechnologie­Unternehmen schauen positiv in die Zukunft. Über die Hälfte der jungen Firmen plant Neueinstel­lungen in den kommenden Jahren und geht von einer Erhöhung des Umsatzes aus. Die Fördermittel von BioMeT waren also gut angelegt und zwar nicht nur in

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der Industrie, sondern auch in der For­schung, wie Professor Kai Simons be­stätigt: „Wir haben eine mindestens 300­prozentige Erhöhung unseres Etats erreicht. So viele neue Fördergelder konnten wir durch diese Anfangsinves­tition einwerben.“

Mit den Fördergeldern des Landes Sach­sen wurde zur selben Zeit das BioInno­vationsZentrum im Herzen von Dresden gebaut und Ende 2003 eröffnet. For­schung und Industrie sitzen hier so nah beieinander wie sonst nirgendwo. Zu dem Gründerzentrum gehört das Bio­tec­TUD, das Biotechnologische Zent­rum der TU Dresden. Hier arbeiten und lernen mehr als 200 Forscher aus aller Welt in Bereichen wie Biophysik, Mole­kulare Genetik oder Bioinformatik. Im selben Haus, gleich nebenan, haben Biotech­Firmen wie die Cenix BioSci­ence GmbH, die InnoTERE BioMaterials GmbH und Fachbereiche der GWT­TUD GmbH ihren Sitz.

Dieses attraktive Umfeld zieht mittler­weile Wissenschaftler aus aller Welt nach Dresden. Allein am Max­Planck­Institut für Molekulare Zellbiologie und Genetik kommt fast die Hälfte aller Mitarbeiter aus dem Ausland. Und auch die Nachwuchsforscher fühlen sich in Sachsen gut aufgehoben. In einem in­ternationalen Doktorandenprogramm werden in Dresden über 200 Studenten ausgebildet. Die Themen sind fachüber­

greifend angelegt: von der Zellbiologie und Genetik über die Biophysik und Neurobiologie bis hin zum Bioingenieur­wesen.

Die ersten Früchte

Dresden erlebte einen echten Biotech­Boom und damit wuchs auch das wissen­schaftliche Ansehen der Region. Von dem Ergebnis war selbst Kai Simons überrascht: „Unsere Bewerbung für die Exzellenzinitiative war erfolgreich. Das war unglaublich“, erzählt er. „Die einzige Universität in den neuen Bundes­ländern, die für ein Exzellenzcluster ausgewählt wurde, war hier in Dresden. So schnell haben wir die Forschungs­landschaft verändert, dass wir auf ei­nem zentralen Gebiet die Nummer eins in der Bundesrepublik geworden sind.“

Seit November 2006 fließen bis 2011 je­des Jahr 1,5 Millionen Euro in den For­schungscluster. Das fachübergreifende Netzwerk ist eine Erweiterung des be­reits von der Deutschen Forschungsge­meinschaft geförderten Zentrums für Regenerative Therapien Dresden (CRTD). Mehr als 50 Gruppen arbeiten hier zu­sammen mit ihren Wirtschaftspartnern. Mit Hilfe der Stammzellenforschung wollen sie die Grundlagen für bessere Therapieverfahren erforschen, unter anderem für Leukämie, Diabetes, Herz­kreislauferkrankungen und degenera­tive Erkrankungen des Nervensystems.

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Mikropartikel aus Albumin im Rasterelektronen­mikroskop.

Für das CRTD wird gerade ein großer Neubau errichtet, der nächstes Jahr er­öffnet werden soll.

In direkter Nachbarschaft steht das MPI­CBG, das an vielen großen Biotech­nologie­Projekten in Dresden beteiligt ist, oft sogar als treibende Kraft. Gleich­zeitig profitieren die Wissenschaftler des Instituts von dem kräftigen Auf­schwung. So konnte Professor Kai Simons gemeinsam mit Partnern von der TU Dresden sowie Universitäten in Darmstadt und Belgien ein eigenes Förderprojekt aufbauen. Es nennt sich

MIGRATA und wird seit 2008 vom Bun­desministerium für Bildung und For­schung gefördert. Im Mittelpunkt steht die Alzheimer­Krankheit, die durch giftige, so genannte 0­Amyloid­Peptide ausgelöst wird. Ziel ist die Erforschung und Entwicklung von Medikamenten, die direkt im zellulären Mechanismus eingreifen und die Bildung des Amylo­id­Peptids hemmen. Dadurch könnte Alzheimer verhindert und geheilt wer­den. Bisherige Therapien mildern zwar die Symptome, können die Krankheit jedoch nicht kurieren.

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Ein Schritt nach dem anderen

Viele Biotechnologie­Projekte in Dres­den sind bisher auf medizinische The­men ausgerichtet, doch das soll sich än­dern. Bio­Engineering heißt die Zukunft. Insbesondere die TU Dresden kann sich mit ihrem Know­how in diesem Bereich profilieren, an der Schnittstelle zwi­schen biologischer Forschung und In­genieurwissenschaften. Der Bedarf dafür ist groß. „Unser Technologiekon­zept für die nächsten 50 Jahre muss total umgekrempelt werden, weil Öl teurer und die Ressourcen knapper werden“, stellt Kai Simons klar. „Wir müssen die fehlenden Ressourcen er­setzen. Da wird die Biologie als Vorbild dienen. Organismen auf unserem Pla­neten können fast alles. Sie können Energie und Materialien produzieren, sie haben sogar Recyclingsysteme. Unsere Idee ist, neue biologische Tech­

nologien zu entwickeln, die nicht nur in der Medizin angewendet, sondern wirtschaftlich nutzbar gemacht werden können.“

Genau damit beschäftigen sich die Wissenschaftler des 2008 in Dresden etablierten „Zentrums für Innovations­kompetenz“ (ZIK) B CUBE – Molecular Bioengineering. Die Biologen und Materialwissenschaftler wollen organi­sche Vorgänge auf molekularer Ebene verstehen lernen. Sie planen unter anderem, Strukturen und Funktionen der belebten Materie in synthetische Materialien zu übertragen. Selbsthei­lende Oberflächen, Nanoelektronik und organische Sensorik sind einige der Schwerpunkte von B CUBE.

Das ZIK reiht sich ein in Dresdens Bio­technologie­Landschaft, die mittler­weile ein hohes Niveau und große Viel­

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Einrichtung eines Bestrahlungsexperi­ments am Hoch­leistungslaser DRA­CO des Forschungszent­rums Dresden­Ros­sendorf

falt erreicht hat. Eigentlich könnte man mit dem Erreichten zufrieden sein. Doch Kai Simons hat dazu eine andere Meinung. „In der Hightech­Branche und in der Forschung ist es so: Entwe­der man expandiert oder schrumpft. Dazwischen gibt es nichts. Es muss im­mer weitergehen, gerade in den Zu­kunftstechnologien. Diese Technolo­gien brauchen immer neue Impulse und die kommen aus der Forschung.“

Vier Jahre nach dem Ende von BioMeT heißt das Motto der jungen Biotech­ Region auch weiterhin: wachsen. Das InnoRegio­Projekt hat viele Impulse ge­setzt in Dresden. Regionale Netzwerke wurden geschaffen, die bis heute gut funktionieren. Dazu gehört der Verein biodresden e. V., früher BioMeT e. V., dessen Vorstandsvorsitzender Kai Si­mons ist. Gerade sind biodresden e. V. und der vom Land Sachsen gegründete Verein biosaxony e. V. miteinander ver­schmolzen. Damit wurde der Grund­stein für ein neues, gesamtsächsisches Biotech­Netzwerk gelegt.

Der Standort ist attraktiv geworden, denn hier gibt es Arbeitsplätze und spannende Forschung. Das zieht immer mehr Leute in die Stadt an der Elbe. Kein Wunder, dass auch das vom Land finanzierte BioInnovationsZentrum aus allen Nähten platzt. Für die nächsten Jahre ist der Bau eines neuen Gebäudes geplant. Außerdem haben die Dresdner

ein ganz besonderes Ziel vor Augen: Sie wollen bei der nächsten Runde der Ex­zellenzinitiative erfolgreich sein. „Ob es so gut weiter geht in Dresden, hängt auch davon ab, ob wir das schaffen“, meint Simons. „Wenn die TU Dresden sich behaupten kann, wird dieser Stand­ort einen Schub bekommen.“

Der 72­Jährige Emeritus will nicht mehr aktiv an diesem Prozess teilnehmen, aber beraten und beobachten wird er weiterhin. Schließlich hängt sein Herz an seiner zweiten Heimat Dresden: „Ich wünsche der Stadt, dass die gute Mi­schung aus Kultur, Wirtschaft und Wis­senschaft verstärkt wird und dass die Verantwortlichen verstehen, dass dafür Energie und Einsatz notwendig sind, gerade in einer Region, die so jung ist wie diese. Es ist wichtig zu wissen, dass man den Boden für die Zukunft berei­tet.“

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71SACHSEN IN ZAHLEN

Sachsen in Zahlen

Der Freistaat Sachsen war nach der Wiedervereinigung vom wirtschaft­lichen Strukturwandel besonders stark betroffen. Die Schließung von Industriekombinaten setzte ein hohes Humankapital frei.

Trotzdem schneidet Sachsen heute insgesamt bei den Struktur­ und Inno­vationsindikatoren deutlich besser ab als die übrigen ostdeutschen Flä­chenländer. So verfügt der Freistaat mit durchschnittlich 35,5 Prozent über die höchste Exportquote im Verarbei­tenden Gewerbe in Ostdeutschland. Die hohe Leistungsfähigkeit des Verarbei­tenden Gewerbes äußert sich auch in einer für die Neuen Länder inklusive Berlin überdurchschnittlichen Konzen­tration von 58 Industriebeschäftigten je Tsd. Einwohner, die lediglich von Thüringen übertroffen wird. Vernach­lässigt man die Sonderrolle Berlins hat sich der Freistaat Sachsen als führender Forschungs­ und Wissenschaftsstand­ort der neuen Bundesländer etabliert. So übertreffen die Forschungs­ und Entwicklungsausgaben Sachsens den Bundesdurchschnitt.

Im Freistaat Sachsen hat sich mit Dres­den der Kern des gleichnamigen Bal­lungsgebietes in Mitteleuropa heraus­bildet. Dresden ist Verkehrsknoten­punkt und wirtschaftliches Zentrum der Metropolregion Sachsendreieck, welche die Landeshauptstadt zusam­men mit den Ballungsräumen Chem­nitz­Zwickau sowie Leipzig­Halle bil­det. Entgegen dem Trend der Neuen Länder nahm in Dresden die Bevölke­rung von 1998 bis 2008 um 7,1 Prozent zu. Das Bruttoinlandsprodukt je Ein­wohner lag im Jahr 2007 mit 30,2 Tsd. Euro deutlich höher als der Durch­schnitt der Neuen Länder inklusive Berlin und übertraf selbst den gesamt­deutschen Durchschnitt. Maßgebli­chen Anteil daran hat der Export des Verarbeitenden Gewerbes, der mit 46 Prozent ebenfalls über dem gesamt­deutschen Durchschnitt liegt.

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72 INNOVATIONSATLAS OST 2010

Länderprofil: Sachsen

Sachsen im Vergleich neue Bundesländer inkl. Berlin

Bevölkerungsentwicklung1998 bis 2008

AbiturientenAnteil an allen Schulabgängern 2008

BruttoinlandsproduktBIP nominal je Einwohner 2008

IndustriedichteBeschäftigte im V. Gew.1 je Tsd. Einwohner 2007

ExportquoteAuslandsumsatz am Umsatz im V. Gew.2 2007

Verfügbares Haushaltseinkommenje Einwohner 2007

Strukturindikatoren Sachsen im Vergleich Deutschland Gesamt

Bevölkerungsentwicklung1998 bis 2008

AbiturientenAnteil an allen Schulabgängern 2008

BruttoinlandsproduktBIP nominal je Einwohner 2008

IndustriedichteBeschäftigte im V. Gew.1 je Tsd. Einwohner 2007

ExportquoteAuslandsumsatz am Umsatz im V. Gew.2 2007

Verfügbares Haushaltseinkommenje Einwohner 2007

1 Verarbeitendes Gewerbe 2 sowie Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden

Minimalwert Durchschnitt Maximalwert

Minimalwert Durchschnitt Maximalwert

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73SACHSEN IN ZAHLEN

Sachsen im Ländervergleich Alte Neue Länder Länder Neue Neue Freistaat ohne mit Deutsch- Länder Länder Deutsch- Deutsch- Sachsen Berlin Berlin land MIN3 MAX3 land MIN land MAX

Bevölkerungsentwicklung 1998 bis 2008 in Prozent -6,6 1,4 -5,5 -0,04 -10,9 1,0 -10,9 4,2

Abiturienten Anteil an allen Schulabgängern 2008 in Prozent 38,2 26,4 40,9 28,9 34,2 52,7 22,3 52,7

Bruttoinlandsprodukt BIP nominal je Einwohner 2008, Tsd. Euro 22,6 32,3 22,9 30,4 21,3 25,9 21,3 49,4

Industriedichte Beschäftigte im V. Gew.1 je Tsd. Einwohner 2007 58 81 46 74 29 68 29 114

Exportquote Auslandsumsatz am Umsatz im V. Gew.2 2007 in Prozent 35,5 44,7 30,6 43,1 23,9 35,5 23,0 49,3

Verfügb. Haushaltseinkommen je Einwohner 2007, Tsd. Euro 15,3 19,2 15,2 18,4 14,7 15,6 14,7 23,2

1 Verarbeitendes Gewerbe 2 sowie Bergbau und Gewinnung von Steinen und Erden 3 Neue Länder inkl. Berlin

Sachsen Landkreise/krsfr. Städte im Vergleich Bevölkerungs- Export- Haushalts- entwicklung Abiturienten- BIP je Einw. Industrie- quote einkommen 1998-2008 anteil 2008 2007, dichte 2007 in 2007, Landkrs./krsfr. Stadt in Prozent in Prozent Tsd. Euro 2007 Prozent Tsd. Euro

Chemnitz, kreisfreie Stadt -9,1 41,4 28,0 53 22,4 16,1 Erzgebirgskreis -11,4 33,2 16,8 72 25,5 15,0 Mittelsachsen, Landkreis -10,6 38,0 21,3 75 29,4 15,5 Vogtlandkreis -10,3 39,6 19,4 74 32,5 15,6 Zwickau, Landkreis -9,6 37,2 22,1 75 51,7 15,5 Dresden, kreisfreie Stadt 7,1 43,2 30,2 55 46,0 15,5 Bautzen, Landkreis -11,3 36,7 19,5 62 17,9 15,3 Görlitz, Landkreis -14,6 32,9 18,5 50 23,4 14,7 Meißen, Landkreis -8,0 37,3 21,0 71 37,9 15,6 Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, Landkreis -6,9 37,0 16,4 49 26,2 15,7 Leipzig, kreisfreie Stadt 4,1 42,2 26,6 32 48,2 14,6 Leipzig, Landkreis -6,5 37,5 18,2 38 32,1 15,7 Nordsachsen, Landkreis -9,2 38,0 19,1 50 22,3 15,3

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74 INNOVATIONSATLAS OST 2010

Innovationsindikatoren Freistaat Sachsen im Vergleich Deutschland Gesamt

FuE-Ausgabenals Anteil am BIP aller Sektoren 2007

FuE-Personalstellenin VZÄ1 je Tsd. Erwerbstätige 2007

Patentanmeldungenje 100 Tsd. Einwohner 2008

Hochschuldrittmittel-einnahmenje Professorenstelle 2007

Freistaat Sachsen im Vergleich neue Bundesländer inkl. Berlin

FuE-Ausgabenals Anteil am BIP aller Sektoren 2007

FuE-Personalstellenin VZÄ1 je Tsd. Erwerbstätige 2007

Patentanmeldungenje 100 Tsd. Einwohner 2008

Hochschuldrittmittel-einnahmenje Professorenstelle 2007

1 Vollzeitäquivalenten

Minimalwert Durchschnitt Maximalwert

Minimalwert Durchschnitt Maximalwert

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75SACHSEN IN ZAHLEN

Freistaat Sachsen im Ländervergleich Alte Neue Länder Länder Neue Neue Freistaat ohne mit Deutsch- Länder Länder Deutsch- Deutsch- Sachsen Berlin Berlin land MIN1 MAX1 land MIN land MAX

FuE-Ausgaben als Anteil am BIP aller Sektoren 2007 in Prozent 2,6 2,6 2,1 2,5 1,1 3,4 1,1 4,4

FuE-Personalstellen in VZÄ2 je Tsd. Erwerbstätige 2007 12,2 13,2 10,7 12,7 6,6 16,6 6,5 21,1

Patentanmeldungen je 100 Tsd. Einwohner 2008 24 70 21 60 11 27 11 140

Hochschuldrittmitteleinnahmen je Professorenstelle 2007, Tsd. Euro 112,9 114,8 102,6 112,1 69,7 129,2 69,7 138,0

1 Neue Länder inkl. Berlin 2 Vollzeitäquivalenten

Quellen für die Seiten 72 bis 75: Statistische Ämter des Bundes und der Länder; Berechnungen RISO.

Nominales BIP je Einwohner Dresden im Vergleich [EURO]

Deutschland1998 2007

Alte Länder ohne Berlin1998 2007

25.750

31.381

+ 23,2 % + 21,9 % + 27,7 %

Neue Länder mit Berlin1998 2007

17.342

22.14523.960

29.518

+ 36,3 %

Dresden1998 2007

22.174

30.228

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zentrum Strukturleichtbau e.V. (S. 46), F.J. Rammer GmbH (S. 47), Frottana Textil GmbH & Co. KG

(S. 48/49), Detlev Müller/TU Bergakademie Freiberg (S. 55), MPI-CBG (S. 62),

ROTOP Pharmaka AG/FZD (S. 66)

Bonn, Berlin 2010