52

Der Intrigant

Embed Size (px)

Citation preview

Atlan - Der Held vonArkon

Nr. 176

Der Intrigant

USO-Spezialist Kennon jagt einenMörder - in der fernen

Vergangenheit

von H. G. Francis

Auf den Stützpunkten der USO, den Planeten des Solaren Imperiums und den üb-rigen Menschheitswelten schreibt man das Frühjahr des Jahres 2844.

Lordadmiral Atlan und der geheimnisvolle Chapat sind von Ronald Tekener undSinclair Marout Kennon, den beiden Mitgliedern des Psycho-Teams der USO, ausder Gewalt Alfo Zharadins, der sie mittels der Illusionsmaschinen in die Vergangen-heit Arkons versetzt hatte, befreit worden.

Atlan, Tekener und Chapat flogen bald darauf nach Quinto-Center, dem USO-Hauptquartier, wo, inmitten technischer Perfektion und absoluter Sicherheitsvorkeh-rungen, der Lordadmiral Chapat dazu bringt, sein Geheimnis zu lüften und dadurchzu erfahren, daß der junge Mann tatsächlich mit dem von ihm und der Varganin Isch-tar vor Jahrtausenden gezeugten Sohn identisch ist.

S. M. Kennon, der ehemalige Krüppel, der seit langem einen makellosen Robotkör-per besitzt, blieb jedoch bei den Illusionsmaschinen Zharadins zurück und benutztauch eine davon, da er von dem zwanghaften Wunsch erfüllt ist, mittels der Maschi-ne in die Vergangenheit zu reisen.

Kennon, nun plötzlich wieder mit seinem verkrüppelten Körper ausgestattet, findetsich in die Vergangenheit Arkons zur Zeit des Orbanaschol versetzt. Um sich zu be-haupten, jagt er einen Mörder und wird DER INTRIGANT …

Die Hautpersonen des Romans:Sinclair Marout Kennon alias Lebo Axton - Ein USO-Agent in der Vergangenheit von Arkon.Gentleman Kelly - Kennons Privatroboter.Ceron Mosselcrln - Opfer einer Blutorgie.Eglo Butein - Kennons Geschäftspartner.Bollpta - Ein Händler weiß zuviel.Aprlt Dirgok - Flottenoffizier von Arkon.

Über ihn gab es in Quinto-Center, demHauptquartier der USO, eine vertraulicheAkte, zu der im Jahre 2844 nur noch einMann Zugang hatte: Lordadmiral Atlan. DasDokument war mehr als 340 Jahre alt undbeschrieb eine Persönlichkeit, die längstnicht mehr zu diesen Daten passen wollte:

»Fachgebiet: Kosmokriminalistik. Spe-zialist I. Klasse, unbeschränkte Vollmach-ten.

Beschreibung der Person: Größe: 1,52Meter, physisch schwach wie ein zehnjähri-ges Kind. Verwachsen. Vorgewölbte Trom-melbrust, Riesenschädel mit Kindergesicht,wasserblaue, vorquellende Augen, gelichte-tes, strohgelbes Haar. Abstehende Ohren, zugroß selbst für überentwickelten Schädel.

Nach vorn gewölbte Stirn: Zucken linkesAugenlid.

Spitzes Kinn, abstoßender Gesamtein-druck. Fußgröße im Verhältnis zum Körperanomal mit Nummer 46. UngeschickterGang. Füße schleifen nach. Atembeschwer-den bei … Belastungen.

Qualifikation als Spezialist nur deshalb,weil geniales Gehirn mit überragenderKombinationsfähigkeit.

Psychogramm: Tiefgreifende Neurose.Nach Beseitigung durch Wandeldon-Metho-de aufgehoben … Ständige Selbstkritik, Ver-langen nach Anerkennung und Zuneigung.Klares Erkennen der körperlichen Mißstim-migkeiten, daher unüberbrückbare Minder-wertigkeitskomplexe. Form der Äußerungbesteht in teils unbegründetem Aufbegehrengegenüber verständnisvollen Menschen, teilsin scheuer Zurückhaltung und Selbstdemüti-gung vor uneinsichtigen Elementen … Psy-chobehandlung durch wissenschaftlich ge-

bildete Geistliche. Erfolg gut bis sehr gut …Studium Anthropologie, Sonderfach: GA-

LAKTISCHE ALTVÖLKER. Spezialistenaus-bildung unter Umgehung der üblichen Trai-ningsmethoden auf rein geistiger Ebene.Sonderbemerkung: Zu allen vorhandenenKomplexen kommt noch ein Problem ge-schlechtlicher Natur. Es wird vermutet, daßeine nicht feststellbare Mutation vorliegt.Unbekannte Hormondrüsen wurden inner-halb des Gehirns entdeckt, jedoch nicht aus-reichend identifiziert.«

Der Name des Mannes: Sinclair MaroutKennon. Aber auch Namen sind vergänglich…

1.

Unter den stampfenden Schritten des Ko-losses spritzte der feuchte Dreck zu den Sei-ten weg. Die rötlich funkelnden Linsen die-ses bedrohlich wirkenden Wesens wirktenwie die schimmernden Abstrahlfelder ab-schußbereiter Energiestrahler. Unaufhalt-sam, wie eine einmal in Gang gebrachte La-wine, marschierte der Automat auf denMann zu, der mit zitternden Gliedern amRande eines Übungsfeldes für arkonidischeRaumfahrer stand. Mit vorquellenden Augenblickte dieser ihm entgegen, ohne sich vonder Stelle rühren zu können. Er streckte sei-ne dürren Arme mit den kindlichen Händennach vorn, als könne er mit diesen schwa-chen Gliedmaßen einen metallenen Riesenabwehren, der zwanzig Männer von seinemGewicht in einer einzigen Hand hätte haltenkönnen.

Als die Maschine sich ihm bis auf fünfSchritte genähert hatte, drehte er sichschwerfällig herum und begann zu laufen.

Der Intrigant 3

Keuchend setzte er seine viel zu großen Fü-ße voreinander, ohne dabei auch nur dieHälfte des Schrittempos erreichen zu kön-nen, das der Roboter vorlegte. Er wandteden Kopf nach hinten, um seinen Verfolgersehen zu können. Dabei stolperte er über sei-ne eigenen Füße und stürzte der Länge nachin eine Pfütze, die so tief war, daß er fastdarin verschwand.

Wild nach Atem ringend und triefend vorNässe kroch er daraus hervor. Der Boden er-zitterte unter dem Gewicht des Roboters.Wimmernd wälzte der Verwachsene sich zurSeite und verfolgte fassungslos, daß der ver-meintliche Verfolger an ihm vorbeieilte, oh-ne ihn zu beachten.

Das schallende Gelächter mehrerer Män-ner ließ ihn herumfahren, während er seineFüße aus dem Wasser zog.

Vor mehreren geparkten Kampfgleiternstanden fünf Offiziere. Sie trugen die Uni-formen des Hofes und waren damit klar alsMänner identifiziert, die es gewohnt waren,in der unmittelbaren Nähe Orbanaschols III.zu leben. Sie stemmten die Hände auf dieOberschenkel und krümmten sich vor La-chen. Einer von ihnen kam zu dem Verkrüp-pelten und stieß ihn mit dem Fuß an, so daßdieser wieder in die Pfütze fiel. Der Getrete-ne warf hilfesuchend die Beine nach obenund schlug mit den Ärmchen um sich. Den-noch konnte er nicht vermeiden, daß ihm et-was Wasser in die Atemwege geriet. Hu-stend tauchte er aus dem Wasser auf, tasteteblind um sich und geriet dabei an das Beindes Offiziers.

»Gnade, Herr, Gnade«, sagte er winselnd.»Tötet mich nicht.«

»Gib ihm noch einen Tritt, Ceron«, brüllteeiner der anderen Männer. »Ich habe nochnie so gelacht wie über diesen Zwerg. Wirfihn ins Wasser. Er soll schwimmen.«

»Gnade, Herr, bitte«, wiederholte derVerwachsene. Er kauerte auf den Knien undstreckte dem Arkoniden die Hände entge-gen. Die anderen Offiziere kamen heran undumringten die beiden.

»He, du, wie heißt du?« fragte einer von

ihnen.»Ich? Wie ich heiße?«»Ja – du, Krüppel.«»Mein Name ist … Axton, Lebo Axton.«»Du bist ein Gigant, wie? Sag, daß du ein

Gigant bist.«»Ich … bin ein Gigant«, erwiderte der

Gequälte.Die Arkoniden brachen erneut in schal-

lendes Gelächter aus, das erst abbrach, alsein weiterer Offizier zu ihnen kam. Mit stei-nernem Gesicht blickte er auf den Krüppelhinab.

»Laßt ihn in Ruhe«, befahl er mit leiserStimme, wobei er kaum die Lippen bewegte.»Dieser Mann ist von der Natur genug be-straft worden. Niemand soll sich über We-sen wie ihn lustig machen.«

»Warum nicht? Er ist ein Gigant! Er hates selbst gesagt.«

»Schweigen Sie, Mosselcrin.« Er bedeute-te Lebo Axton mit einer energischen Hand-bewegung, daß er verschwinden sollte. DerVerwachsene erhob sich mühsam und gingmit schleppenden Schritten davon. Die Ar-koniden sahen ihm nach. Sein strohgelbesHaar war von dem Wasser verschmutzt. Eshing ihm strähnig über die viel zu großenOhren. Der Knochenbau des Krüppels glichdem eines zehnjährigen Kindes. Die Füßeallerdings waren so groß, daß sie zu einemdoppelt so langen Mann gepaßt hätten.

Als Axton einen verfallenen Metallschup-pen erreicht hatte, blieb er stehen und blicktezurück. Die Offiziere diskutierten miteinan-der und beachteten ihn nicht mehr.

Träumte er? War dies die Wirklichkeit?Bildete er sich alles nur ein, oder suggerierteihm eine rätselhafte Maschinerie, daß diesdie Realität war? Arkoniden, die keineswegsverweichlicht und degeneriert waren, son-dern auf dem Höhepunkt ihrer körperlichen– und wahrscheinlich auch geistigen – Ent-wicklung standen?

»Einen guten Hofnarren würdest du abge-ben«, sagte eine ironisch klingende Stimme,die aus dem Halbdunkel kam.

Axton zuckte zusammen. Er beugte sich

4 H. G. Francis

nach vorn, um besser erkennen zu können,was sich in dem Schuppen verbarg. Sein lin-kes Augenlid zuckte. Es war ein deutlichesZeichen seiner Erregung.

»Laß mich in Ruhe«, bat er.Er wollte weitergehen, stolperte aber er-

neut über seine eigenen Füße und stürzte.Hastig raffte er sich wieder auf. Ein dunkel-haariger Mann beugte sich über ihn und mu-sterte sein Gesicht.

»Du hast ein komisches Talent, Junge. He– wie wär's, hm? Ich drehe das schon.«

»Herr«, sagte Lebo Axton mit bebenderStimme. »Verhöhnt mich doch nicht. Ichkann nichts dafür, daß ich so verunstaltetbin.«

»Deine Mutter hat dich in einem Anfallvon Raserei gegen die Wand geworfen,wie?«

»Vielleicht, Herr, vielleicht.« Der Mann,der aus dem Dunkel kam, sah herunterge-kommen und dreckig aus. Er war mit Lum-pen bekleidet, und er roch bestialisch nacheinem Gift, das der Verkrüppelte nicht kann-te. Seine grünlich verfärbten Augen ließendarauf schließen, daß er sich bereits in ei-nem Stadium befand, in dem sich Körperund Psyche veränderten. »Ich wäre glück-lich, wenn ich einen so edlen und Wohlge-stalten Körper hätte wie Sie.«

Lebo Axton bemerkte, daß einer der Offi-ziere in der Nähe vorbeiging.

Der Zerlumpte zog sich ängstlich in dasDunkel des Schuppens zurück. Der Ver-wachsene nutzte seine Chance. Er schlepptesich weiter. Seine Füße schleiften über denBoden. Die Trommelbrust hob und senktesich.

Schon nach etwa zwanzig Metern blieb erstehen, ließ den Kopf hängen und schnapptekeuchend nach Luft. Vor seinen Augen flim-merte es.

War dies die Wirklichkeit?Diesen Körper gab es überhaupt nicht

mehr.Die Erinnerung überwältigte ihn. Sie ließ

ihn seine Umgebung vergessen. Ihm war, alsstürze er in einen Abgrund.

…konnte ich nur hoffen, daß Tek Mittelund Wege fand, sich von mir in glaubwürdi-ger Form zu distanzieren.

Ein Medorobot des Raumschiffs verab-reichte mir eine kreislaufstabilisierende In-jektion. Ich hatte dieses Boot nur einmal in-spiziert. Dann hatte ich es jahrelang nichtmehr betreten, um auf keinen Fall eine Ent-deckung zu riskieren.

Die Korpuskulartriebwerke liefen auto-matisch an. Der Robotpilot war für denFluchtfall programmiert. Wenn jemals einUSO-Spezialist über die Transmitterverbin-dung ankam, dann war ein sofortiger Not-start unerläßlich notwendig.

Transmitter erzeugten Hyperwellen-schocks, die sehr leicht eingepeilt werdenkonnten. Ich befand mich in einer trügeri-schen Sicherheit.

Wäre ich auf einem anderen Weg zu die-sem Raumschiff gekommen, hätte ich michfür lange Zeit darin verbergen und den gün-stigsten Augenblick für einen Start abwartenkönnen.

Das war nun nicht mehr möglich.Die Einpeilung der Schockkurve mußte

zur Zeit laufen.Ich schleppte mich in die Zentrale. Dort

legte mir ein Roboter einen Raumanzug an.Notstarts von Lepso waren und blieben ge-fährlich, denn im freien Raum standen dieschnellen Überwachungskreuzer des SWD.

Den Sperriegel mußte ich erst einmaldurchbrechen.

Das Rumoren der Triebwerke steigertesich zu einem dumpfen Donner. Die Space-Jet löste sich vom Grund des Ozeans undstieg langsam in die Höhe. Als die erstenLichtstrahlen das trübe Wasser durchdran-gen, lag ich festgeschnallt im Kontursesselhinter der Zentralkontrolle. Es ging mir all-mählich besser.

Die Jet stieß aus dem Wasser hervor undnahm augenblicklich mit hohen SchubwertenFahrt auf.

Die Atmosphäre des Planeten Lepso wur-de aufgerissen. Die Jet raste mit der hun-dertfachen Mündungsgeschwindigkeit einer

Der Intrigant 5

altertümlichen Schiffsgranate davon. WildeLuftturbulenzen entstanden. In ihnen vergin-gen vier anfliegende SWD-Gleiter. Sie wur-den von den ins Vakuum der Flugbahn ein-brechenden Orkanböen erfaßt, mitgerissenund anschließend zu Boden geschmettert.

Ich bemerkte nichts mehr von den Explo-sionen. Mein kleines Schiff flog mit unver-antwortlich hoher Fahrt in den freien Raumhinaus. Lepso wurde zur Halbkugel, an-schließend zur Kugel.

Das Eintauchmanöver in den Linearraumwürde den Kalupschen Kompensationskon-verter bis zur Maximalleistung belasten. Essollte bei viel zu geringer Anlauffahrt erfol-gen, um die Jet möglichst schnell in den si-cheren Schutz der Linearzone zu bringen.

Als die Jet soeben eine Geschwindigkeitvon siebentausend Kilometern pro Sekundeerreicht hatte, eröffneten zwei schnelleWachkreuzer des SWD das Feuer aus ihrenschweren Thermokanonen.

Ich fühlte noch den harten Einschlag unddie sengende Hitze, die plötzlich nach mei-nem Raumanzug faßte.

Glut! Sonnenhelle Glut verbrannte mei-nen Körper. Ich tauchte in eine Sonne, inder es nichts gab als unerträgliche, vernich-tende Hitze. Ich wollte schreien, aber ichkonnte nicht, denn meine Lippen, meineZunge, Luftröhre und Lunge verwandeltensich in schwärzliche Asche …

»He, du, Krüppel, wir könnten viel Geldverdienen, du und ich!«

Lebo Axton fuhr zusammen, als sich ihmdie Finger des Süchtigen in die Schulterkrallten. Der Schmerz durchraste seinenKörper und weckte ihn auf.

Träumte er? War dies die Wirklichkeit?Durchlebte er Wahnideen, wie sie häufigvorkommen sollten, wenn jemand starb?

»He, was ist mit dir? Willst du auch 'nenStick?«

Der Verwachsene schüttelte die Hand ab.Er fuhr sich mit beiden Händen über daszuckende Gesicht. Ihm wurde übel, als derArkonide sich über ihn beugte, ihm seinenstinkenden Atem ins Gesicht blies und ihn

mit fiebrig glänzenden Augen musterte.»He, wer bist du überhaupt? Wer hat dich

aus den Schmutzlöchern von Qurabash her-ausgelassen?«

Seine Sinne klärten sich. Er wich vor demStadtstreicher zurück, doch dieser packte ihnan der Gurgel und hielt ihn fest. Eilig durch-suchte er seine Taschen und ließ enttäuschtvon ihm ab, als er nichts fand.

»Ich bringe dich um, wenn du das nocheinmal machst«, erklärte Lebo Axton. Erlegte eine Hand an den Hals und würgte.»Verschwinde jetzt endlich, sonst …«

Der Zerlumpte schleuderte ihn zu Boden.Verächtlich wandte er sich ab und kehrte inden Schuppen zurück. Der Verwachsene er-hob sich und eilte erschöpft zu einem etwasbesser erhaltenen Gebäude. Im Schatten ei-nes überstehenden Daches setzte er sich aufden Boden und drückte den gekrümmtenRücken an die kühle Wand. Sein linkes Lidzuckte pausenlos.

Und wieder drohte er, in einen Abgrundzu stürzen, dieses Mal aber fing er sich ab,bevor ihn die Erinnerung erneut übermannte.Seine kleinen Hände glitten tastend über dieBeine, die Trommelbrust und den verform-ten Schädel.

Dies war sein Körper. Er wußte es genau.Dies war der Körper, den er vor 338 Jahrenhatte verlassen müssen, um in einem Robot-körper überleben zu können.

*

»Vergebt mir, Herr, vergebt mir meinenHunger«, murmelte er und streckte dem ar-konidischen Offizier die Hand entgegen.Seine Stimme erstickte in einem kläglichenWinseln.

Der Arkonide blieb stehen, griff in diePacktasche, die er auf dem Arm trug, undwarf ihm ein kleines Päckchen zu. Der Ver-krüppelte verneigte sich unterwürfig, bis derSpender ihm den Rücken zuwandte. Dannzuckte es in seinen Mundwinkeln, und dieAugen blitzten spöttisch auf.

Sinclair Marout Kennon setzte sich wie-

6 H. G. Francis

der in den Schatten, klopfte den Staub ausseinen mittlerweile getrockneten Kleidernund aus seinem Haar, öffnete das Päckchenund verzehrte das darin enthaltene Gebäck.Sein Magen beruhigte sich schnell, als ersich zu füllen begann.

Blinzelnd blickte Kennon-Axton auf dasÜbungsgelände hinaus, das mit zahlreichenTrainingsgerätschaften versehen war. Aufihnen quälten sich die arkonidischen Raum-fahrer mit einem Eifer, der für Kennon ver-blüffend war. Er kam aus einer Zeit, in derkein Arkonide mehr tat als unbedingt not-wendig.

Aus einer anderen Zeit? War das wirklichrichtig?

Kennon lehnte sich zurück und preßte sei-ne runden Schultern an die Wand desSchuppens. Er spürte Stiche in der Lunge,und die Anstrengung erschöpfte ihn. DichterSchweiß bedeckte seine Stirn. Er ließ sichnach vorn sinken und atmete schwer.

Es mußte die Wirklichkeit sein.Er beschloß, alle Fragen zur Seite zu

schieben, und sich zunächst um nichts ande-res mehr zu kümmern als um die Problemedieser Welt – ob sie nun real war oder nicht.Er wollte – und mußte – sie als Realität ak-zeptieren. Ihm blieb nichts anderes übrig,wenn er überleben wollte.

Darum ging es.Ob Traum oder Wirklichkeit – das Ge-

hirn, das in einer fernen Zukunft zurückge-blieben war, starb mit ihm in dieser Welt,wenn sein Körper hier verging. Die Frage,wo sein Ich sich tatsächlich befand, war vor-läufig nicht zu lösen.

Mehrere Space-Jets landeten und starte-ten. Arkonidische Bodenkämpfer regneten,mit Fluggeräten ausgestattet, aus den Raum-ern ab und gingen zum Scheinangriff auf ei-ne Bunkeranlage über.

Sie machten ihre Sache nicht ungeschickt.Kennon-Axton wurde durch ein metalli-

sches Blitzen aufmerksam. Sein Kopf fuhrherum. In einer Entfernung von etwa ein-hundert Metern stand ein Kampfroboter.Seine Linsen waren auf ihn gerichtet. Kalt

lief es dem Verwachsenen über den Rücken.Seine Hände begannen zu zittern. Er erhobsich eilig, wandte dem Automaten denRücken zu und eilte mit schleifenden Füßenzur nächsten Ecke des Schuppens. Von dortaus blickte er zurück. Der Roboter nähertesich ihm.

Axton fluchte mit halberstickter Stimme.Er rannte schwerfällig auf einen abgestelltenGleiter zu, öffnete die Tür und blickte aufden Steuerautomaten. Es handelte sich umeine Art Taxigleiter, und auf der Uhr be-stand noch ein geringfügiges Guthaben. Ent-schlossen kletterte er in die Maschine.Schnell fand er sich mit der Bedienung zu-recht. Er drückte einige Knöpfe und startete.Dann grinste er haßerfüllt auf den Roboterhinunter, der in diesem Moment hinter demSchuppen hervorkam.

Er flog nicht weit. Schon nach wenigenhundert Metern entdeckte er eine kleine Fa-brik, in der Gleitkupplungen für Schleusen-schotte von Raumschiffen hergestellt wur-den, wie an der Firmenbezeichnung klar zuerkennen war. Kennon-Axton landete dieMaschine und setzte sie unter einigen Bäu-men ab.

Er war hier zwar in einer anderen Welt,die durch mehr als zehntausend Jahre vonjener des Solaren Imperiums getrennt war,aber so hilflos, wie er sich gegeben hatte,war er nicht. Dies war die Welt des jungenAtlan, der den Kampf gegen seinen OheimOrbanaschol III. aufgenommen hatte. DieArkoniden standen im Großen Methankriegmit den Maahks, ohne dabei wichtige Erfol-ge erzielen zu können. Arkon III verwandel-te in dieser Zeit sein Gesicht. Der Planetwurde zum sogenannten Kriegsplaneten derArkoniden. Jahrtausende später einmal wür-de diese Welt zerstört werden. Noch gab eshier Produktionsstätten der verschiedenstenArt, zahlreiche Vergnügungszentren umring-ten die Raumhäfen, und die Wohngebieteschmolzen immer mehr zusammen. An ihrerStelle entstanden militärische Übungsgebie-te und Waffenarsenale.

Kennon fühlte sich keineswegs als

Der Intrigant 7

Fremdkörper. Bei seinen Studien der galak-tischen Altvölker hatte er sich lange undausgiebig mit dieser Zeit des Großen Imperi-ums beschäftigt. Er beherrschte die arkonidi-sche Sprache, und er wußte so ziemlich allesüber die Sitten und Gebräuche, sowie dieMentalität der Arkoniden dieser Epoche.

Sein Problem war, sich unauffällig in dieGesellschaft zu integrieren. Es mußte ihmgelingen, Arkonide zu werden, ohne daß all-zu viele Fragen gestellt wurden. Zunächsteinmal benötigte er Geld – gerade so viel,daß er einige Tage überleben konnte. Mehrzu haben, wäre verdächtig gewesen.

Er startete wieder und ließ den Gleiter zurFabrik hinübertreiben. Unmittelbar vor ei-nem Verwaltungsgebäude setzte er ihn ab.Dann kroch er ächzend aus der Tür und ginghinein. Eine dunkelhaarige Arkonidin kamihm entgegen. Sie hatte ein hübsches, glattesGesicht. Sie schien beabsichtigt zu haben,ihn hinauszuweisen, als sie ihm jedoch indie Augen sah, wich sie etwas vor ihm zu-rück. Die verkrüppelte Gestalt erschreckteund ängstigte sie.

»Was wollen Sie?« fragte sie.»Ich will den Inhaber sprechen.«»Warum?« Sie schien zu befürchten, daß

er betteln wollte.»Ich habe etwas zu verkaufen – eine tech-

nische Neuerung, die Ihnen helfen wird, al-len Ärger mit der Konkurrenz zu verges-sen.«

Sie blieb skeptisch, war aber unsicher ge-worden.

»Bitte«, fügte Kennon-Axton mit heisererStimme hinzu. Ihre Augen wurden feucht,und sie eilte davon. Schon Sekunden späterkehrte sie zurück. Sie ließ die Tür offen,durch die sie gekommen war.

»Gehen Sie hinein.«»Danke«. Er lächelte ihr zu, aber sie

wandte sich ab. Mit schleifenden Schrittenbetrat er den Arbeitsraum.

Kennon zog die Tür hinter sich zu undblieb vor dem Tisch stehen, hinter dem einwohlbeleibter Arkonide saß.

»Was wollen Sie?« fragte der Fabrikant.

»Ich möchte ein Geschäft mit Ihnen ma-chen, Herr.«

»Erzählen Sie«, forderte der Arkonide ihngelangweilt auf.

Sinclair Marout Kennon lächelte verzerrt.Er beschrieb dem Arkoniden eine Technik,mit der sich der Schleusenmechanismusganz erheblich verbessern ließ. Dabei gab esverschiedene Möglichkeiten, von denenJahrtausende später sich nur eine durchge-setzt hatte. Kennon-Axton schilderte eineMethode, die – wie er genau wußte – späterin einer Sackgasse endete, aber vorüberge-hend recht erfolgreich war. Er wußte, daß ermit dieser Technik nicht entscheidend in dasZeitgeschehen eingreifen und nichts wirk-lich maßgeblich beeinflussen konnte. Dieserkleine technische Trick war unwichtig, fi-nanziell aber durchaus wertvoll.

Das Interesse des Produzenten stieg schonnach den ersten Worten des Verwachsenenmerklich an. Er setzte sich aufrecht hin undbot seinem Besucher schließlich gar etwaszu trinken an.

»Woher haben Sie das?« fragte er, als derVerkrüppelte etwas getrunken hatte.

»Es ist meine eigene Entwicklung«, be-hauptete Kennon. »Wollen Sie sie?«

»Ich überlege es mir. Vorher muß ichnoch einige Einzelheiten über das Materialwissen, mit dem sich diese Technik verwirk-lichen läßt.«

Kennon schüttelte grinsend den Kopf. Erzupfte sich am rechten Ohrläppchen undhielt danach den Zeigefinger hoch.

»So gutgläubig bin ich nicht mehr. Manhat mich einmal betrogen. Das genügt.«

»Niemand will Sie übervorteilen.«»Dann machen Sie einen Vertrag mit mir,

der mir meine Rechte sichert.«»Aber, natürlich. Das ist doch selbstver-

ständlich. Warten Sie hier.«Der Arkonide erhob sich, knöpfte sich

seine Hose zu, die er geöffnet hatte, weil sieihm zu stramm gesessen hatte, und eilteschnaufend hinaus. Kennon-Axton ließ sichin seinem Sessel zurücksinken. Er blickteins Leere. Da er nicht wußte, ob er über

8 H. G. Francis

Spionaugen beobachtet wurde, verhielt ersich ruhig und erlaubte sich nur hin und wie-der ein Lächeln, mit dem er zu erkennengab, wie zufrieden er mit der Entwicklungder Dinge war.

Der Fabrikant kam nach einiger Zeit miteinem großen, schlanken Arkoniden wieder.Er stellte diesen Mann als seinen juristischenBerater vor.

»Wir haben bereits einen Vertrag vorbe-reitet«, erklärte er. »Lesen Sie ihn sichdurch, Axton, und dann unterzeichnen Sieihn bitte. Sie sehen, wir sind großzügig.«

Kennon nahm das Papier und ging essorgfältig durch. Es machte ihm Mühe, sichsein Vergnügen nicht anmerken zu lassen.Der Vertrag strotzte vor Fallen und hinter-hältigen Formulierungen. Ihm wurden kei-nerlei Rechte zugestanden. Ihm wurde prak-tisch nur bestätigt, daß er eine neue Kupp-lungstechnik entwickelt hatte, die er zur Er-probung freistellte. Dafür sollte er ein gerin-ges Anfangshonorar haben, das später, wenndie Erprobung abgeschlossen war, mit einemwahrhaft fürstlichen Abschlußhonorar er-gänzt werden sollte. Natürlich war völligklar, daß die sogenannte Erprobung nie ab-geschlossen werden würde, denn dann warauch die Hauptsumme nicht fällig.

Kennon-Axton lächelte den Fabrikantenstrahlend an. Er verneigte sich eifrig undsagte: »Ich wußte doch, daß Sie ein aufrich-tiger Geschäftsmann sind. Deshalb bin ich jazu Ihnen gekommen, Ervolt Far.«

Er unterzeichnete den Vertrag. Der Produ-zent und der Berater gratulierten ihm undwünschten ihm eine gute Zusammenarbeitmit ihnen über Jahre hinweg. Kennon dankteihnen. Es gelang ihm, ein paar Tränen in dieAugen zu treiben, so daß sie annehmenmußten, daß die Erregung ihn übermannte.Dann komplimentierten sie ihn hinaus. DerJurist begleitete ihn zur Kasse wo ihm einegeringe Summe ausgehändigt wurde, mit derer sich einige Tage über Wasser haltenkonnte.

Als er das Verwaltungsgebäude verließ,kehrte der Berater zu Ervolt Far zurück.

Kennon hörte das Gelächter der beidenMänner durch die sich schließende Tür.

Er setzte sich in den Gleiter, warf einigeMünzen in den Automaten und startete. Einverstohlenes Lächeln glitt über seine Lippen.

Ervolt Far würde vielleicht erst in einigenJahren merken, wer eigentlich wen übervor-teilt hatte. Natürlich rechnete der Arkonidemit beträchtlichen Gewinnen. Die er auchzweifellos machen würde. Doch das zähltenicht. Irgendwann in der Zukunft würde erdie Rechnung bezahlen müssen. Doch dannwürde es kein lautes Gelächter geben.

Kennon lenkte den Gleiter bis in die Näheeines Großraumhafens, der auf der nördli-chen Halbkugel von Arkon III lag. Dannlandete er, ließ die Maschine stehen undtauchte mit schlurfenden Schritten zwischenden zahllosen Schuppen, Fabrik- und Ausrü-stungsgebäuden unter. Hier am Rande desRaumhafens gab es noch ein Arkon, das soverkommen und schmutzig war, daß es ei-gentlich gar nicht zu dieser Welt paßte.

2.

Der Besitzer des Hotels lag auf einem Fellauf dem Boden und schlief, als Lebo Axtondie Halle betrat. Der schwere Geruch vongebeizten Gewürzzwiebeln wehte ihm ausden hinteren Räumen entgegen. Über demhochbeinigen Notiztisch baumelte ein affen-ähnliches Wesen mit flammendrotem Pelz.Es hing an einem Bein an einer verblichenenMetallstange und suchte mit den beidenHänden und dem freien Fuß nach Ungezie-fer an seinem Körper. Axton-Kennon beob-achtete, daß es ein kleines, grünes Insektfand und es auf den Schlafenden schnippte,wo es sich augenblicklich unter dem Kragendes Arkoniden verkroch.

Der Verkrüppelte fand dieses Verhaltenso interessant, daß er noch etwas wartete, biser den Hotelier weckte. Bis dahin hatte dasHaustier fünf weitere Quälgeister zu seinemHerrn hinüberbefördert.

Fluchend kam der Arkonide hoch, als Le-bo Axton ihn mit dem Fuß anstieß.

Der Intrigant 9

»Was wollen Sie?« fragte er mürrisch,wobei er sich das strähnige Haar aus demGesicht wischte und sich mit der anderenHand nachhaltig im Nacken, am Kopf undan der Hüfte kratzte.

»Ein Zimmer.«»Können Sie bezahlen?«Axton zog einen Schein aus der Tasche.»Genügt das?«Der Arkonide griff gierig nach dem Geld,

doch der Verwachsene entzog es ihm schnellwieder.

»Erst möchte ich das Zimmer sehen.«Jetzt kratzte sich der Hotelbesitzer mit

beiden Händen. Er zog ein Insekt aus demHaar hervor, ließ es zu Boden fallen undzerquetschte es unter seiner Sohle.

»Haben Sie diese Teufelsbiester einge-schleppt?« erkundigte er sich und blickteAxton durchdringend an.

»Ich bin keimfrei«, entgegnete dieser. Erwich einen Schritt zurück. »Nun, was ist?Können Sie mir das Zimmer zeigen?«

Der Arkonide gähnte, drehte sich um undging zu einer Leiter, die senkrecht an derWand befestigt war und in das erste Stock-werk hinaufführte. Er kletterte daran hoch,ohne sich um den Gast zu kümmern. LeboAxton bezweifelte, daß er ihm folgen konn-te, machte jedoch einen Versuch. Er warüberrascht, wie leicht es war, diese Leiteremporzusteigen.

Der Arkonide öffnete eine Zimmertür, alsder Verkrüppelte bei ihm war. Ein fauligerGeruch schlug ihm entgegen.

»Bitte.«»Gehen Sie voran, Chef«, sagte Axton.Der Arkonide betrat den Raum und schrie

erstickt auf. In der dem Eingang gegenüber-liegenden Ecke hing ein orangerotes Gebildean der Wand. Es sah aus wie ein grob ge-sponnenes Netz, in dem sich ein dickes Na-delkissen verfangen hatte.

»Vorsicht! Zurück«, rief der Hotelier. Erwarf sich herum und riß die Tür dabei zu. Erstürzte über Kennon und fiel zusammen mitihm zu Boden. Im gleichen Moment trom-melte etwas wütend gegen die Innenseite der

Tür. Der Terraner sah, daß sich die Spitzenvon etwa zwanzig Nadeln durch das Isopla-stikmaterial bohrten. Er schlug mit seinenkleinen Fäusten auf den Arkoniden ein, bisdieser sich von ihm herunterwälzte. Stöh-nend vor Schmerzen erhob Kennon sich.

»Was ist das?« fragte er und zeigte auf dieNadeln.

»Das, oh, das ist nichts.« Der Arkonideverbeugte sich linkisch, legte seinem Gastden Arm um die Schultern und wollte ihnzum nächsten Zimmer ziehen. Der Verwach-sene schüttelte den Arm jedoch ab.

»Ich weiß schon Bescheid«, sagte er.»Verdammt, so mies geht es mir auch nochnicht, daß ich in einem Hotel übernachtenmüßte, in dem sich Rotkorallen eingenistethaben.«

Der Hotelbesitzer griff nach KennonsArm und krallte seine Hand in seine Jacken-bluse.

»Bleiben Sie, mein Herr, gehen Sie nicht.Es ist ja alles nur ein Irrtum. Ein Scherz,verstehen Sie?«

Axton-Kennon setzte dem Arkoniden dieFingernägel auf den Handrücken und bohrtesie ihm in die Haut.

»Lassen Sie mich los.«Er kehrte zum Aufstieg zurück und klet-

terte die Leiter hinunter. Der Arkonide folg-te ihm.

»Überlegen Sie es sich noch einmal, meinHerr.« Er verstellte ihm den Weg. Bleichblickte er auf den Verkrüppelten hinab. Sei-ne Augen tränten vor Erregung, und dieHände zitterten. »Das können Sie mir nichtantun.«

»Sie wissen, daß ein Hotel, in dem sicheine Rotkoralle niedergelassen hat, abgeris-sen werden muß. Diese Tiere sind nicht zuvertreiben, es sei denn, man zündet das gan-ze Gebäude an. Dieses Haus ist verseucht.Glauben Sie, ich habe Lust, mich von denNadeln durchbohren und von der Koralle an-schließend aussaugen zu lassen? Gehen Siemir aus dem Weg.«

Der Hotelier kratzte sich am Hals. Er tratzur Seite und ließ Lebo Axton vorbei.

10 H. G. Francis

»In Ordnung, Feird«, sagte er resignie-rend. »Nimm ihm das Geld ab.«

Hinter einem Vorhang trat ein hünenhaf-ter Mann hervor. Er wischte sich seine gro-ben Hände an den Hosen ab und streckteAxton dann die linke hin.

»Gibs' her.«Der Verwachsene schüttelte den Kopf.»Warum?«»Blöde Frage.«Entschlossen ging der riesenhafte Arkoni-

de auf Axton zu. Dieser griff in die Tascheseiner Jackenbluse und holte ein Elastikbandund einen handlangen Nagel hervor. Raschspannte er das Band zwischen Daumen undZeigefinger und wirbelte den Nagel auf denAngestellten zu. Das Geschoß überschlugsich zweimal in der Luft und bohrte sichdann mit der Spitze zuerst durch den Fußdes Angreifers in den Boden. Der Arkonideschrie auf. Er sank in die Knie und versuch-te, den Nagel aus dem Fuß zu ziehen, docher saß zu fest.

»Hilf mir doch, Ried«, brüllte er.Lebo Axton eilte zur Tür. Er blickte sich

nicht mehr um, sondern trat auf die Straßehinaus, froh, dem finsteren Hotel entkom-men zu sein. Obwohl er wußte, daß die bei-den Arkoniden ihm folgen würden, blieb erjedoch schon nach wenigen Schritten wiederstehen. Im Eingang eines anderen Hauses,das geradezu abschreckend schmutzig aus-sah, leuchtete ein 3D-Kugelbildschirm. Ax-ton hatte schon an mehreren Stellen von Ar-kon III derartige Geräte gesehen, die zurZeit die große Attraktion darzustellen schie-nen.

Ein Name war ihm aufgefallen.Ein Nachrichtensprecher hatte ihn er-

wähnt. Deshalb war Axton stehengeblieben.»… wurde Flottenoffizier Ceron Mossel-

crin völlig ausgeblutet aufgefunden – undzwar auf dem Produktionsband einer vollau-tomatischen Fabrik. Die Leiche brachte dierobotische Fertigung zum Stillstand. Bisherhat die Polizei noch keine heiße Spur …«

Lebo Axton hörte verdächtige Geräuschehinter sich. Er blickte sich um, entdeckte

den Hotelier und verbarg sich rasch hintereinem stillgelegten Roboter, der als Rekla-mefigur benutzt wurde. Der Rest der Mittei-lung entging ihm. Er beobachtete seinenVerfolger, der nicht wußte, wohin er sichgewandt hatte, und der sich nun entschloß,in der entgegengesetzten Richtung nach ihmzu suchen.

Kennon kehrte zu dem 3D-Apparat zu-rück. Die Nachrichtensendung war jedochbereits beendet. Nachdenklich eilte er wei-ter, bis er sicher war, daß er nicht mehrüberrascht werden konnte. Er betrat ein Re-staurant, das am Ende einer Einkaufsgasselag.

Das Lokal war bis auf wenige Plätze be-setzt. Lebo Axton schlich sich verstohlen aneinen freien Tisch heran und kletterte dortmühsam auf einen Hocker. Selbst in diesemHaus, in dem sich Raumfahrer von verschie-denen Planeten, Reiche und Arme trafen,fiel er auf. Die Blicke mehrerer Gäste richte-ten sich auf ihn. Der Verkrüppelte tat, alshabe er nichts bemerkt.

Ein mageres Mädchen kam zu ihm an denTisch. Sie hinkte stark. Axton fühlte, wieihm das Blut in die Wangen stieg. Er preßtedie Lippen zusammen. Seine Hände began-nen zu zittern – bis er sah, daß sie ihn nichtverspotten wollte, sondern tatsächlich einverkürztes Bein hatte. Sie sprühte ein Reini-gungsmittel auf den Tisch.

»Was willst du?« fragte sie mit niederge-schlagenen Augen.

»Bring mir etwas zu essen. Es darf nichtzu teuer sein.«

Er sprach mit einem leichten Akzent, wieman ihn hier nicht kannte. Sie wurde auf-merksam und musterte ihn.

»Bleib lieber nicht«, sagte sie leise.Er legte etwas Geld auf den Tisch.»Das ist alles, was ich habe.«Sie nahm es und verschwand damit. Da er

die Warnung nicht beachtete, verzichtete siedarauf, sie zu wiederholen. Kennon-Axtonstützte sich auf die Ellenbogen und senkteden Kopf. Er überlegte, wo er den NamenMosselcrin schon gehört hatte.

Der Intrigant 11

Der Mann – ein Offizier der arkonidi-schen Raumflotte – war ermordet worden.

War das die Chance, die er in den Elends-vierteln von Arkon III so fieberhaft gesuchthatte?

In Gedanken ging er noch einmal durch,was er gehört hatte.

Mosselcrin war getötet worden. Sein Mör-der hatte ihn auf die Fertigungsbänder einerautomatischen Fabrik gelegt. Nein – das warnicht richtig. Es mußte keineswegs der Mör-der gewesen sein. Das konnte auch ein ande-rer getan haben. Fabrik und Mord durftennicht unbedingt in einen Zusammenhangmiteinander gebracht werden.

Der Kosmokriminalist in Kennon-Axtonerwachte. Verbrechen aufzuklären, war sei-ne Spezialität. Er konnte, wie kaum ein an-derer, winzige Spuren aufnehmen und ausihnen das Geschehen rekonstruieren. Überdreihundert Jahre lang hatte er im Diensteder USO Fälle gelöst, die von anderen be-reits als unlösbar eingestuft worden waren.

Er lächelte unmerklich und hob den Kopf.Das Mädchen näherte sich hinkend undstellte einen Teller mit dampfendem Fleischauf den Tisch. Dazu servierte sie ein klaresGetränk.

»Seid vorsichtig«, sagte sie wispernd.»Krüppel sieht man hier nicht gern.«

»Dann sollte der Wirt sich um eine andereBedienung bemühen«, gab er ungewollt hef-tig zurück. Er wollte noch mehr sagen, aberseine Stimme versagte. Er räusperte sich,und dann merkte er, daß ihre Augen feuchtwurden. Ärgerlich über sich selbst griff ernach dem Schnittlöffel, trennte damit eingroßes Stück Fleisch ab und schob es sich inden Mund. Das Mädchen eilte davon.

Er verzehrte seine Mahlzeit, wechselte da-nach seinen Platz und setzte sich direkt vorein 3D-Gerät, das mit gedämpftem Ton lief.Einige Minuten verstrichen, dann kamen er-neut Nachrichten. Ungeduldig wartete Ax-ton, bis endlich wieder der Bericht über denermordeten Offizier kam. Er erfuhr jedochnichts Wesentliches mehr – ausgenommen,daß die Polizei für die Aufklärung des

Mordfalls eine beachtliche Belohnung aus-gesetzt hatte. Wer Hinweise geben konnte,die dazu beitrugen, den Täter zu überführen,konnte mit einer Summe rechnen, die etwafür den Kauf eines gebrauchten Gleiters aus-reichte. Aber nicht nur das faszinierte Axtonan dieser Idee. Viel wichtiger war ihm, daßer bei einer Mitarbeit die Möglichkeit er-hielt, durch eine positive Leistung in der ar-konidischen Gesellschaft aufzufallen. Undgenau das war sein Ziel.

»Steh auf.«Er fuhr herum. Vor ihm stand ein vier-

schrötiger Mann in der Uniform einesRaumfahrers. Die Augen des Arkoniden wa-ren glasig. Das war ein deutliches Zeichendafür, daß er unter dem Einfluß eines be-wußtseintrübenden Stoffes stand. Der Ver-wachsene sah ein, daß es besser war, denPlatz zu räumen. Ein Mann wie dieser konn-te ihn mit einem einzigen Schlag töten.

Während er sich erhob und aus dem Re-staurant eilte, dachte er für einen kurzenMoment an den unüberwindlichen Robot-körper, den er von Atlan bekommen hatte.In ihm war er ein Gigant gewesen, der es miteinem Saurier hätte aufnehmen können, oh-ne dabei eine Niederlage befürchten zu müs-sen. In seinem verkrüppelten Körper aberwar er so schwach, daß er von jedem halb-wegs gesunden Kind verprügelt werdenkonnte.

So ging es nicht weiter.Er mußte etwas haben, womit er seine

körperlichen Mängel ausgleichen konnte. Erbrauchte einen Roboter.

Robothasser Kennon wurde übel bei die-sem Gedanken.

Er betrat die Gasse. Ein hundeähnlichesTier rannte ihn um. Er stürzte in den Staubund mußte es sich gefallen lassen, daß dasTier ihn beschnüffelte. Sein Versuch, es mitden Händen wegzudrücken, scheiterte kläg-lich. Er konnte sich erst wieder aufrichten,als eine Arkonidin das lästige Geschöpf zurSeite zog.

»Du kannst froh sein, daß es nicht nochdas Bein gehoben hat«, sagte die Serviererin

12 H. G. Francis

gehässig. Sie stand im Eingang zum Lokalund blickte auf ihn herab. Er raffte sich ge-demütigt auf.

»Ich wollte dich nicht beleidigen«, erklär-te er.

»Pah.« Sie verzog das Gesicht, drehte ihmden Rücken zu und verschwand. Lebo Ax-ton fuhr sich mit den Händen durch dasHaar. Er mußte einen Roboter haben. So un-behaglich dieser Gedanke war, ihm bliebkeine andere Wahl. Er sah es ein.

*

Der Mann, der über den Schrottplatzwachte, war nur noch ein Torso.

Sein Körper endete an den Hüften undruhte auf einem robotischen Trage- undGehgestell mit dünnen, schwarzen Metall-beinen. Der Arkonide war schlohweiß, undseine Haut war bleich. Er war dick und auf-geschwemmt und erhob sich wie ein fetterKloß auf dem Automaten, dessen Beine län-ger waren als der Torso.

»Ich kaufe nichts«, sagte er schroff, alsLebo Axton vor ihm stand. »Sehen Sie sichdoch an, was hier alles lagert. Und nichtswird man mehr los heutzutage. Man solltemeinen, daß sie Schrott massenhaft benöti-gen. Aber das ist ein Irrtum. Man sollte mei-nen, daß sie Waffen und Raumschiffe in rau-hen Mengen produzieren, weil sie sie imMethankrieg benötigen. Aber auch dasstimmt nicht. Wissen Sie, was sie produzie-ren wie am Fließband? Krüppel, sage ich Ih-nen. Sehen Sie sich doch selbst an.«

Axton-Kennon legte den Kopf in denNacken und blickte zu dem aufgedunsenenGesicht hinauf. Der Arkonide war etwa zweiMeter groß. Wenn man so dicht vor ihmstand, dann konnte man das Sirren und Heu-len des Gyros hören, mit dessen Hilfe sichdas Tragegestell senkrecht hielt.

»Ich will nichts verkaufen«, sagte Axton.»Ich brauche etwas.«

»So?« Der Schrotthändler runzelte dieStirn. Er schien Mühe zu haben, mit demGedanken fertig zu werden, daß jemand ihm

auch einmal etwas abnehmen wollte. »Bitte,womit kann ich dienen?«

»Ich brauche einen Roboter.«Der Arkonide lachte, bis ihm die Tränen

in die Augen schossen. Er drehte sich umund schwenkte die Arme.

»Da liegen Zehntausende von Robotern«,erwiderte er. »Es sind die Reste vonSchlachten von Hamatk, von Eysto-Vohar,von Ekma und von Gish, der Auseinander-setzung von …«

»Schon gut«, rief Axton. »Schon gut.«»Bäuche, Beine, Gelenke, Köpfe, Laut-

sprecher, Linsen, Arme, Hände, Schultern… was Sie wollen.«

»Ich habe nicht viel Geld.«»Natürlich nicht. Wer hier etwas kaufen

will, der hat kein Geld. Wieviel?«Lebo Axton nannte ihm eine bescheidene

Summe. Sie hätte normalerweise nicht aus-gereicht, auch nur eine Hand oder eine Linsezu bezahlen, aber dem Schrotthändler ge-nügte sie. Er nahm sie entgegen und gabdem Verwachsenen den Weg auf dieSchrotthalde frei. Die Trümmer von Kampf-automaten, Raumschiffen und Beibooten,Bodenpanzern, Kanonen, Strahlern undFlugplattformen lagen wirr durcheinander zuBergen zusammengekarrt, die eine Höhevon mehreren hundert Metern erreichten undeine Fläche von vielen Quadratkilometerneinnahmen. Vereinzelt liefen einige Arbeits-roboter in den freigelassenen Schneisen her-um. Axton wies zögernd auf sie.

»Werden sie mich auch nicht belästigen?«fragte er mit stockender Stimme. Er blickteunsicher zu dem Arkoniden auf.

»Unsinn, Kleiner, das können sie garnicht.«

Lebo Axton wurde das Unbehagen jedochnicht los, das ihn immer dann befiel, wenner Robotern gegenüberstand. Zögernd undunsicher ging er in eine Schneise hinein. Jeweiter er sich von dem Schrotthändler ent-fernte, desto schutzloser fühlte er sich. Ro-boter hatte er schon immer gehaßt. Diesekünstlichen Wesen aus Plastik und Metallwaren ihm unheimlich. Er kannte ihre un-

Der Intrigant 13

glaublichen Fähigkeiten wie kaum ein ande-rer, da er selbst Jahrhunderte lang in einemRoboterkörper gelebt hatte. Nie war es ihmgelungen, wirkliches Zutrauen zu der Po-sitronik zu finden, die diese Maschinen steu-erte. Die Furcht, daß es zu Fehlschaltungenund damit zu Fehlreaktionen kommen konn-te, war tief in ihm verwurzelt.

Er wünschte, er hätte eine Strahlwaffe ge-habt. Dann hätte er sich wohler gefühlt. Erkonnte jedoch nicht damit rechnen, daß erhier eine finden würde. Derartige Dingewurden üblicherweise sorgfältig aussortiert,bevor man etwas der Verschrottung übergab.

Seine Hoffnung, bereits in der Nähe desEingangs Robotteile zu finden, erfüllte sichnicht. Axton überwand seine Furcht vor denMetallschluchten und den darin arbeitendenRobotern. Er ging weiter, bis er eine Robot-hand entdeckte.

Er beruhigte sich augenblicklich. Mit ei-nem wahren Feuereifer stürzte er sich aufdie Arbeit. Die Hand hing an einem verbo-genen und durch Hitze verformten Arm. Erlöste sie mühevoll ab, reinigte sie und über-prüfte ihre Funktionen. Sie war einwandfrei.Zufrieden legte er sie sich auf die Schulterund ging weiter, bis er einen Oberschenkelfand, der so aussah, als könnte er ihn ge-brauchen. Er verwendete eine Stunde darauf,ihn aus den Trümmern eines Robottorsosherauszulösen, nur um dann festzustellen,daß er nichts taugte. Enttäuscht warf er ihnvon sich. Es klirrte laut, als er gegen Metallschlug.

Axton blickte auf und fuhr erschreckt zu-sammen, als er merkte, daß er den Schenkeleinem Roboter an den Kopf geschleuderthatte. Die Maschine ruderte sinnlos mit ih-ren vier Armen durch die Luft und drehtesich dabei im Kreis herum. Der Verwachse-ne rannte keuchend davon, bis die Schmer-zen in seinen Lungen so stark wurden, daßer stehenbleiben mußte.

Der Roboter war ihm nicht gefolgt.Axton setzte sich auf ein Metallrohr, das

ehemals zu einem Konverter gehört habenmochte. Als er sich wieder etwas erholt hat-

te, hob er den Kopf. In einer Höhe von un-gefähr zwölf Metern blitzten zwei Linsen inder Sonne. Er hielt den Atem an. Sollte ersoviel Glück haben, gleich einen ganzen Ro-botkopf zu finden?

Er suchte nach einer Möglichkeit, denSchrottberg zu erklettern. Er glaubte, einengünstigen Einstieg gefunden zu haben undzog sich ächzend an einem durchlöchertenund verdrehten Träger hoch. Mit einer Anti-gravplattform oder einem flugfähigen Robo-ter wäre alles viel leichter gewesen. Aberderartige Hilfen standen ihm nicht zur Ver-fügung. Er konnte froh sein, daß er die er-sten Tage auf Arkon III überhaupt so gutüberstanden hatte.

In einer Höhe von sieben Metern mußte ereine Pause einlegen. Er ließ sich auf einePlatte sinken und suchte den gegenüberlie-genden Schrottberg nach Roboterresten ab,sah jedoch keine.

Was würde passieren, wenn er abstürzte?Starb er dann wirklich? Oder wurde er

dann nur wieder in die Welt des Jahres 2844nach Chr. zurückgeschleudert? Vielleicht er-wachte er dann nur mit scheußlichen Kopf-schmerzen und einer bitteren Erinnerung?

Warum verspürte er dann aber Schmerzenin der Lunge, wenn er nur ein paar Schrittegelaufen war?

Er hieb mit der Faust gegen den Stahl undrieb sich danach die Hand. Sie tat weh.Müßte sie nicht empfindungslos sein, wenndies alles nur ein Traum war?

Bestand eine Energiespirale zwischen die-ser Arkonzeit und jener Zeit, aus der er ge-kommen war oder gekommen zu sein glaub-te?

Mußte sich seine Aktivität hier nicht inder Zukunft auswirken? Was würde bei-spielsweise geschehen, wenn er Atlan töte-te? Mußte dann das Solare Imperium nichteine völlig andere Entwicklung nehmen?Aber war das überhaupt möglich?

Axton-Kennon zwang sich, diese Gedan-ken weit von sich zu schieben. Er wußte janicht einmal, ob er wirklich nur einmal exi-stierte und durch die Zeiten geschleudert

14 H. G. Francis

worden war, oder ob er zweimal war. Sosehr er sich auch bemühte, er konnte dieseFragen nicht selbst beantworten. Wenigstensnicht jetzt. Später würde er vielleicht mehrerkennen und mehr darüber aussagen kön-nen.

Kam es denn darauf an, diese Rätsel jetztzu lösen?

Er hatte die faszinierende Möglichkeit, indie Welt einzutauchen, mit der er sich beiseinem Studium der Altgalaktischen Völkeram intensivsten beschäftigt hatte. Bisher hat-te er geglaubt, sie so gut zu kennen, als wäreer in ihr aufgewachsen. Nun sah er, daß siedoch etwas anders war, wenngleich diegroßen soziologischen und politischen Zu-sammenhänge stimmten. Er kannte die be-deutenden Persönlichkeiten zumindest demNamen nach, und er wußte, in welcher Wei-se sie das große politische Geschehen beein-flussen würden.

Wie auch immer diese Welt war – realoder nicht – er mußte sich stets so verhalten,daß er die wirklich entscheidenden Ereignis-se der arkonidischen Geschichte nicht verän-derte.

Er lächelte unmerklich.Vermutlich überschätzte er sich.Wer war er denn schon? Ein Krüppel, der

in einem Schrotthaufen hockte und überWeltgeschichte nachdachte.

Axton lachte schrill auf.Er erhob sich und kletterte weiter nach

oben, wobei er sich zwang, über lauter be-langlose Dinge nachzudenken. Aber daswollte ihm nicht so recht gelingen.

Er erinnerte sich daran, wie wild und un-beherrscht er reagiert hatte, als er von sei-nem ersten Zeit-Ausflug in das arkonischeReich zurückgekehrt war. Er hatte getobtund sich geweigert, noch länger in seinemRobotkörper zu leben. Nach über dreihun-dert Jahren seinen eigenen Körper wiederzu-finden, den er längst vergangen glaubte, daswar einfach zuviel gewesen.

Er hatte reagiert wie ein Süchtiger, dermeinte, nicht mehr ohne das Gift leben zukönnen. Er hatte in fast hysterischer Haltung

darum gekämpft, in seinen schwachen, ver-krüppelten Körper zurückkehren zu können.

Allmählich wurde er sich dessen bewußt,daß er nicht viel glücklicher war als vorherin seinem Robotkörper. Er hatte vergessen,wie ohnmächtig man in einem Körper ist,der so schwach ist, daß er sich aus eigenerKraft kaum bewegen kann. Mit aller Machtkämpfte er dagegen an, daß die alten, ver-narbten Wunden wieder aufrissen.

Er hatte dieses Leben gewollt – nun muß-te er sehen, wie er damit fertig wurde. Einewirksame Waffe hatte er mit in die Vergan-genheit genommen. Sie allein zählte. Allesandere war unwichtig. Alle Schwierigkeitenwaren nur vorübergehender Natur. Baldwürde alles anders aussehen, wenn er dieihm gegebenen Möglichkeiten nur ent-schlossen genug nutzte.

Sein Verstand war das Schwert, mit demer Arkon erobern konnte, wenn er nur woll-te.

Er blieb vor dem fast vollständig erhalte-nen Robotkopf stehen.

»Nicht das Schwert«, sagte er leise.»Diese Waffe wäre viel zu plump. Florett istder richtige Ausdruck.«

Er blickte über die Schrotthalden hinweg.In einer Entfernung von etwa fünf Kilome-tern befand sich der nächste Raumhafen.Sieben kugelförmige Raumschiffe standendort. Das blaßrote Licht der untergehendenSonne rief eigenartige Reflexe an den Ku-gelhüllen hervor.

3.

»Mosselcrin«, sagte Lebo Axton leise.Das war der Name eines der Offiziere, die

ihn vor einigen Tagen am Rand des Übungs-geländes für Raumfahrer gequält und gede-mütigt hatten. Das war der Name des Man-nes, der ermordet worden war.

»Sein Körper war ohne Blut«, stellte erfest. »Ohne Blut? Warum?«

Er drehte den Robotkopf in seinen Hän-den.

Warum sollte ein Mörder sein Opfer aus-

Der Intrigant 15

bluten lassen? Lagen dafür rituelle Gründevor? Er wußte, daß es verschiedene Sektengab, die zum Teil abenteuerliche Vorstellun-gen verfolgten. Sollte Mosselcrin einerGruppe religiöser Fanatiker angehört haben,die ihn aus bisher noch ungeklärten Gründenhatten leerbluten lassen?

Axton blickte in die Tiefe. Er klemmtesich den Robotkopf unter den Arm und ver-suchte, nach unten zu klettern. Schon Sekun-den darauf glitt er aus, rutschte zwei Metertief und stürzte schwer auf eine Stahlplatte.Stöhnend blieb er liegen. Vor seinen Augenflimmerte es. Der Robotkopf rollte aus sei-nem Arm und fiel über die Kante der Platte.Er hörte, wie er zwischen den Stahltrüm-mern aufschlug und in die Tiefe polterte. Beijedem Aufprall zuckte Axton zusammen, alswerde er von einem Faustschlag getroffen.

Einige Minuten verstrichen, bis er sich soweit erholt hatte, daß er sich umdrehenkonnte. Er klammerte sich an einem Trägerfest und schob sich so weit vor, daß er nachunten sehen konnte. Ein Roboter nähertesich dem Kopf und nahm ihn auf.

»Nein«, brüllte Axton-Kennon. »Nein,verdammt.«

Er griff wild um sich, bis er ein losesStück Stahl fand. Er nahm es auf undschleuderte es gegen den Roboter. Es schlugihm gegen die Schulter.

Die Maschine ließ die Arme sinken undsenkte den Kopf in den Nacken. Die Linsenfunkelten.

»Nein«, schrie der Verwachsene. »Das istmein Kopf.«

Der Roboter ließ die Beute Axtons fallen,drehte sich um und ging davon.

»Mistvieh«, sagte der Terraner stöhnend.»Ich möchte in einer Welt leben, in der eskeine Roboter gibt.«

»Nostalgische Erwägungen, Liebling?«fragte eine weibliche Stimme hinter ihm. Sieklang rauchig und verführerisch.

Er fuhr herum und blickte fassungslos aufdas Robotfragment, das zwischen zwei ver-brannten Stahlträgern hing. Es bestand auseinem Robotkopf ohne Hülle, Schultern und

einer offensichtlich noch nicht entleertenBatterie.

»Sei still«, sagte er drohend, »oder ichwerfe dich auch in die Tiefe. Dann ist es ausmit dir.«

»Was soll das, Liebster? Du hast keinenGrund, mich zu zerstören. Du lernst micherst jetzt kennen, kannst also unmöglich Be-sitzansprüche stellen – also auch nicht eifer-süchtig sein. Warum also diese Mordandro-hung?«

Lebo Axton nahm ein armlanges Stahl-stück auf und hob es über den Kopf.

»Sei still, habe ich gesagt. Ich macheSchrott aus dir.«

»Das bin ich bereits.«Er ließ den Arm sinken. Die Positronik

des Roboters schien weitgehend in Ordnungzu sein. Woher sollte er wissen, daß er nochein zweites Teilstück fand, das einwandfreifunktionierte? Warum sollte er dieses nichtnehmen – so unsympathisch es ihm auchwar.

Zögernd streckte er seine Hände aus undnahm die Reste des Roboters an sich. Ersetzte sie ab und drehte sie hin und her.

»Eine Schönheit bist du nicht geradt«,stellte er fest.

Er fand, daß er Glück gehabt hatte. DiesesTeil konnte er wirklich gut gebrauchen. Ersah ein, daß er es vorsichtig nach unten brin-gen mußte. Er durfte es auf keinen Fall wer-fen. Damit würde er alles zerstören.

»Kannst du fliegen?« fragte er.Das Fragment schwieg.»Ich habe dich etwas gefragt. Antworte

endlich.«»Du bist nicht konsequent, Schätzchen.

Erst soll ich den Mund halten, dann soll ichreden. Was soll ich eigentlich?«

»Du sollst mich nicht länger Schätzchennennen.«

»Gut, ich bleibe bei Liebling. Einverstan-den?«

»Ich werde mir überlegen, ob ich dichnicht doch noch zertrümmere, du Mistvieh.«

Lebo Axton entdeckte ein verrostetesStahlseil, das ganz in der Nähe lag. Er klet-

16 H. G. Francis

terte hinüber und holte es. Dann befestigte erdas Fragment daran und ließ es vorsichtighinunter. Anschließend kehrte er selbst aufden Boden zurück. Er untersuchte den Kopfund stellte fest, daß in seinem Innern außereinigen Steckverbindungen kaum etwasmehr heil war. Er klappte ihn auf und nahmdie beschädigten Teile heraus und befestigtedie Hüllen danach über dem Fragment.

»Oh, ich kann wieder sehen. Danke, Lieb-ling«, sagte der Kopf. »Du siehst aber nichtsehr schön aus. Oder solltest du die Steck-verbindungen falsch angeschlossen haben?Meine Linsen geben ein völlig verzerrtesBild deiner männlichen Schönheit wider.«

»Du Mistvieh«, brüllte Axton wütend. Erversetzte dem Kopf einen Tritt, so daß er ei-nige Meter weit durch den Dreck rollte.

»Du wiederholst dich, Liebling«, stelltedas Fragment fest, das so liegengebliebenwar, daß die Linsen sich auf den Verwachse-nen richteten.

Axton-Kennon setzte sich auf eine zurHälfte verbrannte Schutzplatte einer Schiffs-positronik und stützte seinen Kopf in dieHände.

»Was soll ich tun?« fragte er. »Ich konntenatürlich nicht erwarten, auf einem Schrott-platz den idealen Roboter zu finden. Du aberbist zweifellos das Mieseste, was ich erwi-schen konnte. Warum hast du eine weiblicheStimme?«

»Warum nicht? Du hast ja auch nicht ge-rade einen Baß. Bevor ich sehen konnte,dachte ich, daß du ein …«

»Ruhe.«»Wie du willst.«Lebo Axton ging mit schleifenden Schrit-

ten zu dem Fragment hinüber.»Du wirst nicht mehr sprechen, bis ich es

dir ausdrücklich befehle!«»Einverstanden, Liebster.«Axton hielt sich die Ohren zu. Der vorhe-

rige Besitzer dieses Roboters mußte ein ganzbesonderer Spaßvogel gewesen sein. Werkam schon auf den Gedanken, eine Maschi-ne derart zu programmieren, daß sie frecheAntworten gab und ironische Feststellungen

machte? Dazu war ein Roboter nur dann fä-hig, wenn man sein positronisches Interieursorgfältig darauf vorbereitet hatte.

Er legte die Hand neben das Fragment.»Wenn ein Roboter kommt und dich weg-

räumen will, dann teilst du ihm mit, daß dumir gehörst. Ist das klar?«

»Klar, Liebling.«Axton überlegte sich, ob er dem Kopf

nicht doch einen Tritt geben sollte. Eine sol-che Reaktion hätte ihm zumindest Genugtu-ung verschafft. Er verzichtete darauf, nahmsich jedoch vor, die Maschine so schnell wiemöglich neu zu programmieren.

Er eilte davon. Das linke Bein schmerzte.Er zog es nach. Mit fiebrig glänzenden Au-gen musterte er die Schrottberge, doch mehrals eine Stunde verstrich, bis er endlich aufetwas stieß, was er verwenden konnte –einen Robotfuß mit Fußgelenk. Er nahm ihnauf und schleppte ihn mit sich. Er wollte zudem Kopffragment zurückkehren, fand dannjedoch kurz hintereinander zwei Arme undein Hüftgelenk. Nun mußte er zweimal lau-fen, bis er alles dahin transportiert hatte, woseine ersten Funde lagen. Er stellte erleich-tert fest, daß sich nichts verändert hatte.Mittlerweile war es so dunkel geworden,daß er seine Arbeit unterbrechen mußte.

Er eilte zu dem Schrotthändler und fragteihn, ob er über Nacht bleiben dürfte. Der Ar-konide hatte nichts dagegen. Er lieh Axtonsogar eine Lampe.

Der Verkrüppelte lief zu seinen Schätzenund begann damit, die Arme an den Schul-tern zu befestigen. Das genügte jedoch nicht,da der eigentliche Rumpf mit den Bewe-gungsmechanismen noch fehlte. Er arbeitete,bis ihm die Augen zufielen.

Als die Sonne aufging, setzte er seine Su-che schon wieder fort, ohne sich um denknurrenden Magen zu kümmern. Doch erstgegen Mittag fand er einen ein Meter langenund vierzig Zentimeter dicken Ovalkörperaus Arkon-Stahl. Er hatte eine blaue Grund-farbe und war unbeschädigt. Axton rollte ihndurch die Gassen zwischen den Schrottber-gen und schraubte ihn dann mit den anderen

Der Intrigant 17

Funden zusammen, bis der Roboter sich auseigener Kraft erheben konnte.

»Du wirst mir jetzt dabei helfen, weitereTeile für dich zu finden«, sagte er. »Ich wer-de dich Kelly nennen. Gentleman Kelly.«

»Ist das ein weiblicher Name?« fragte derRoboter.

»Natürlich nicht. Ich will keinen weibli-chen Roboter. Ich will ein männliches We-sen neben mithaben. Und ich nenne es Gent-leman Kelly.«

»Das ist ein eigenartiger Name für deinNesthäkchen.«

Lebo Axton verlor die Beherrschung. Erschlug mit einem Metallwerkzeug auf denRoboter ein, bis dieser umkippte.

»Ich reiße dir die Tonmembranen her-aus«, brüllte er. »Kein Wort will ich mehrvon dir hören.«

Er öffnete den Kopf des Roboters und lös-te den Lautsprecher heraus. Dann atmete erauf und erhob sich.

»Los. Steh auf, Gentleman Kelly!«Der Roboter gehorchte. Sein Kopf wies

eine deutliche Delle auf.»Ich bin froh, daß du nicht mehr reden

kannst, Kelly. Aber warte, ich werde dirschon das passende Organ besorgen, meinFreund. Und das, was du für Humor hältst,werde ich dir auch austreiben. Los, jetzt, andie Arbeit. Vervollständige dich.«

Der Roboter tat, was Axton von ihm ver-langte. Auf seine Armstümpfe gestützt, eilteer davon.

»Ich warte hier auf dich, Kelly«, schrieder Verwachsene ihm nach.

Die Maschine blieb stehen, wandte sichum und winkte ihm mit einem Arm zu. Daswar das Zeichen, daß sie ihn verstanden hat-te. Axton ließ sich auf ein zerbeultes Faßsinken und wischte sich mit dem Unterarmüber das verschwitzte Gesicht.

»Verdammtes Mistvieh«, sagte er leise.»Warum mußte ich ausgerechnet dich fin-den?«

*

Lebo Axton erwachte, als sich in seinerNähe etwas regte. Die untrüglichen Instinkteeines USO-Spezialisten, die ihm über Jahr-hunderte hinweg im Kampf gegen die Fein-de der Menschheit geholfen hatten, sprachenauch jetzt noch an.

Er blieb liegen, wo er war, und bewegteden Kopf nur ein wenig, um besser aus sei-nem Versteck herausspähen zu können.

Ungefähr zwanzig Meter von ihm entferntstanden zwei zerlumpte Gestalten. Er konntesie in der Dämmerung kaum erkennen. Siewaren hager und machten den Eindruck, alsob sie auf etwas lauerten.

Axtons linkes Bein schmerzte. Er strecktees aus und stieß dabei gegen ein Metall-stück. Es fiel herunter und polterte übereinen Kanister. Die beiden Männer fuhrenherum und rannten auf ihn zu. Wenige Me-ter vor ihm blieben sie stehen.

»Hier muß er irgendwo sein«, sagte einervon ihnen. Er hatte eine heisere, dunkleStimme und sprach mit einem eigenartigenAkzent.

»Von hier kam das Geräusch«, stimmteder andere zu.

Axton verhielt sich völlig still. Er hoffte,daß die beiden Männer ihn nicht ausmachenkonnten, aber er irrte sich. Sie kamen nochnäher heran.

»Das ist er«, brüllte der Heisere. Er stürz-te sich auf den Verwachsenen, packte ihnbei den Armen und zerrte ihn aus demSchrotthaufen heraus. Kennons kläglicheAbwehrversuche scheiterten. Er hatte ein-fach nicht die Kraft, sich gegen diese Män-ner zu wehren.

»Gnade«, sagte er winselnd.Ihre Hände fuhren ihm in die Taschen.»Er muß irgendwo Geld haben«, sagte der

Heisere wütend. Er packte Axton bei denSchultern und schüttelte ihn. »Wo hast dues, verdammt?«

»Nicht so, Ak.« Der andere zog ein langesMesser und setzte es dem Gepeinigten andie Kehle. »Schnell – wo ist es?«

Ein Eisenstück wirbelte durch die Luft. Estraf den Mann mit dem Messer am Kopf.

18 H. G. Francis

Betäubt brach er zusammen. Bevor Axtonrecht erkannte, was geschah, prallte einefaustgroße Eisenkugel gegen den Hals desHeiseren. Dieser schrie schmerzerfüllt aufund sank in die Knie. Er hielt sich den Hals.

Eine große, bizarre Gestalt' eilte übereinen Schrottberg hinweg herbei.

»Ist alles in Ordnung?« fragte eine tiefeBaßstimme.

»Danke«, erwiderte Axton-Kennon. »Werbist du?«

»Gentleman Kelly natürlich, Schätzchen.«»Woher hast du deine Stimme?«»Gefunden.«»So – gefunden.«»Gefällt sie dir nicht, Lieb …«»Ruhe«, brüllte der Verwachsene. »Wer

sind diese beiden Männer?«»Sie gehören zu einer Gruppe von Arko-

niden, die weiter hinten auf dem Schrott-platz lebt.«

»Wir gehen. Das heißt – trage mich.«Axton ließ sich absetzen, als der Roboter

ein kleines Wäldchen erreicht hatte, vor demeine Sitzbank stand. Er ließ sich darauf nie-der. Mittlerweile war es vollkommen dunkelgeworden. Er war sich darüber klar, daß erdie Nacht nicht hier verbringen konnte. In ir-gendeinem Hotel mußte er unterkommen.Im schwachen Licht der Sterne, das von dentiefhängenden Wolken noch gedämpft wur-de, konnte er Gentleman Kelly sehen. DerRoboter war nun etwa zwei Meter hoch. Aufdem Ovalkörper saß ein etwa dreißig Zenti-meter langer Spiralenhals, den der Robotersich selbst beschafft hatte. Er hatte auch denKopf leicht verändert und selbst gegen eineneue Hülle ausgetauscht, die offenbar besserwar als die vorherige. Sie war kugelförmigund hatte in der Mitte ein Organband mitQuarzlinsen, Sprechmembrane, Antennenund Geruchssensoren.

An dem Ovalkörper befanden sich nichtnur zwei, sondern sieben Arme, die mitWerkzeugen verschiedenster Art versehenwaren. Unter anderem hatte Kelly sich auchein spitzes Messer besorgt.

»Wie kommst du dazu, dich derart zu be-

waffnen?« fragte er mit schriller Stimme.»Wen willst du umbringen?«

»Ich verfüge nur über Werkzeuge, wie ichsie dringend benötige«, antwortete der Ro-boter.

»Du lügst«, schrie Axton. »Ein Messer istkein Werkzeug.«

Er stürzte sich auf den Roboter und rißund zerrte an den Sonderarmen, bis er her-ausfand, daß er sich drehen mußte, wenn ersie ablösen wollte. Nachdem er den Arm mitdem Messer herausgewunden hatte, schlugund hämmerte er wild auf die anderen Zu-satzwerkzeuge ein, erzielte jedoch keinenErfolg damit, wie es auch nicht anders zu er-warten war. Keuchend hielt er inne. Dannpackte er erneut zu und schraubte alle Zu-satzgeräte heraus, bis Gentleman Kelly nurnoch über vier Extremitäten verfügte.

»So, das reicht«, sagte Axton, der sichrasch beruhigte. Er blickte zu dem Roboterauf, der alles über sich hatte ergehen lassen,ohne sich zu rühren. »Von jetzt an wird dei-ne Hauptaufgabe sein, mich zu beschützen.Ist das klar?«

»Vollkommen. Ich habe schon damit be-gonnen.«

»Ich habe keinen Tätigkeitsbericht ver-langt«, sagte Axton schroff. Er wandte sichum und eilte am Wald entlang auf die näch-sten Gebäude zu. Er war nicht weit von denVergnügungszentren am Raumhafen ent-fernt. Hin und wieder blickte er über dieSchulter zurück. Der Roboter folgte ihm wieein Schatten. Axton zwang sich dazu, seinenHaß gegen Automaten wenigstens zeitweiligzu vergessen. Er war auf die Hilfe diesesMonstrums angewiesen, solange er keineFreunde hatte, auf die er sich verlassenkonnte.

In den Gassen herrschte reges Treiben.Raumfahrer aus allen Bereichen des arkoni-dischen Einflußgebiets drängten sich vorden Lokalen, den Spielsalons, Kleinstthea-tern und 3D-Häusern. Zwischen ihnen be-wegten sich zahlreiche Roboter, so daß Ax-ton mit Gentleman Kelly überhaupt nichtauffiel.

Der Intrigant 19

Er betrat ein Restaurant, in dem an denTischen gespielt wurde. Ohne von den Besu-chern des Lokals beachtet zu werden, ginger von Tisch zu Tisch und beobachtete. DieMänner setzten meist hohe Beträge ein.Nach den Wertbegriffen, die Kennon in denletzten Tagen erhalten hatte, ging es bei eini-gen Spielen und Wetten um Monatseinkom-men oder noch mehr.

Er witterte eine Chance, und er konzen-trierte sich vollkommen auf ein Kartenspiel,bei dem es weniger auf Glück als auf Ge-schicklichkeit ankam. Kein Spieler kümmer-te sich um Gentleman Kelly. Man wußte of-fenbar, daß es niemand wagen würde, po-sitronische Hilfen zu benutzen. Tatsächlichtrat keiner der anderen Roboter im Raum sonahe an einen der Tische heran, daß er dasSpiel hätte beeinflussen können.

Als einige arkonidische Offiziere denSpielsalon verließen, eilte Lebo Axton zudem freigewordenen Tisch und setzte sichdaran nieder. Er nahm die Karten auf, dieliegengeblieben waren, und versuchte einigeTricks, die er in seinem Robotkörper mühe-los beherrscht hatte. Seine kleinen, ungeüb-ten Hände behinderten ihn zunächst, dochschon nach wenigen Minuten gelang ihm,was er versuchte. Offenbar kam es entschei-dend darauf an, daß das Hirn wußte, wie dieHände zu lenken waren. Es gab die richtigenNervenimpulse auch an die kindlich wirken-de Hand des gewachsenen Körpers.

»Platz da«, befahl jemand.Kennon blickte auf. Vor ihm standen vier

Offiziere der arkonidischen Raumflotte.»Natürlich, die Herren«, sagte der Ver-

wachsene. Er setzte ein unterwürfiges Lä-cheln auf, verneigte sich übertrieben häufigund rutschte von seinem Stuhl. Die Raum-fahrer setzten sich.

Axton-Kennon ließ die Karten zwischenseinen beiden Händen hin und her flattern,ohne daß ihm eine entfiel.

»Was treibst du da, Kleiner?« fragte einerder drei. Er hatte ein schmales, hohlwangi-ges Gesicht.

»Ich würde euch gern ein paar Tricks zei-

gen«, erklärte Axton. »Ihr werdet eurenSpaß haben.«

Der Hohlwangige gab ihm mit einer Gestezu verstehen, daß er seinen Platz wieder ein-nehmen durfte. Die anderen erhoben keinenWiderspruch. Sie waren hierhergekommen,um sich zu amüsieren. Sie waren bereit, sichvon dem Verkrüppelten unterhalten zu las-sen. Ein Servorobot brachte Getränke für al-le vier.

Lebo Axton führte einige Tricks vor, mitdenen er die Arkoniden verblüffte. Danachwettete er mit ihnen, stellte die Behauptungauf, er könne ganz bestimmte Karten heraus-mischen, ohne sie vorher gesehen zu haben,gewann und verlor einige Male und kam mitden Arkoniden ins Gespräch.

»Wer bist du?« fragte der Hohlwangigeschließlich. Sein Name war Efla Arat.

»Ich bin Lebo Axton«, antwortete derTerraner.

»Und woher kommst du?«Axton machte eine unbestimmte Handbe-

wegung.»Das ist keine erfreuliche Geschichte. Wir

sind hier, weil wir lachen wollen. Also, las-sen wir das.«

Die Arkoniden akzeptierten, daß er überseine Herkunft nicht reden wollte. Sie blick-ten ihn scheu an, und er schloß aus ihrerHaltung, daß sie glaubten, seine körperli-chen Mängel hätten mit Kämpfen oder Aus-einandersetzungen zu tun, an die er nichtmehr denken wollte.

Axton rief den Roboter und gab allesGeld, das er gewonnen hatte, für weitere Ge-tränke aus. Die Arkoniden dankten ihm fürseine großzügige Haltung. Sie luden ihn zueinem Spiel ein, bei dem er alles wieder her-ausholte, was er zuvor verschenkt hatte.

Samkle, einer der anderen Arkoniden,blickte zu einem 3D-Schirm hinüber undverfolgte die Nachrichten, ohne auf dasSpiel zu achten, das gerade lief. Er verlorprompt, aber es machte ihm nicht viel aus.

»Den Mörder finden sie nie«, sagte er.Lebo Axton atmete unmerklich auf. Die

Arkoniden machten es ihm unerwartet

20 H. G. Francis

leicht. Es war sein Ziel gewesen, auf denMordfall Mosselcrin zu kommen. Dieserwar alles, was ihn interessierte.

»Was weiß man bis jetzt?« fragte er. wo-bei er so tat, als wolle er im Grunde genom-men gar nichts wissen.

»Mosselcrin wurde angeblich bei einerekstatischen Sitzung der Soff-Sekte, bei derer Mitglied war, getötet. Der Priester hattezu einem Fest aufgerufen, bei dem das Bluteines Tieres getrunken werden sollte.«

Samkle verstummte und spielte weiter.Ungeduldig wartete Axton ab. Als der Arko-nide nach einigen Minuten keine Anstaltenmachte, weiter zu sprechen, bemerkte er:»Sollte man Mosselcrin mit dem Opfertierverwechselt haben?«

Samkle lachte.»Spotte nicht, Kleiner«, sagte er. »Es gibt

zwei Versionen. Die eine besagt tatsächlich,daß eines der Mitglieder in einen Blutrauschgeriet und Mosselcrin dabei die Adern öff-nete.«

»Und die andere?«»Die andere behauptet, er habe es in Ek-

stase selbst getan.«»Aber niemand hat eingegriffen.«»Woher weißt du das, Lebo?«»Das ist doch offensichtlich. Sonst würde

man doch von Selbstmord reden – oder? Dieanderen Mitglieder der Sekte haben sichschuldig gemacht, weil sie nichts unternom-men haben, Mosselcrin zu retten. Sie habenihn vielmehr geopfert.«

4.

»So kommen wir nicht weiter, Kelly«,sagte Lebo Axton unzufrieden. »Wir müssenunsere Taktik ändern.«

Der Roboter antwortete nicht. Er hörtenur zu. Er stand neben der Bank, auf der derVerwachsene saß und auf den See hinaus-blickte. Nur wenige hundert Meter von ih-nen entfernt erhoben sich die Mauern einigerWerfthallen.

»Die Schwierigkeit ist, daß ich keine Fra-gen stellen kann. Ich habe keinen Zugang zu

jenen Personen, die mir Auskunft gebenkönnen. So bleibt mir kaum mehr als einVersuch, mit den Priestern der Soff-Sekte zusprechen. Bringt das etwas?«

»Vermutlich – nein.«»Aha – zu dem gleichen Schluß bin ich

auch gekommen. Es paßt nicht zu einer Sek-te dieser Art, daß sie die Leiche auf dieseWeise verschwinden läßt. Damit bleibt eineallzu deutliche Spur zurück. Die Tatsache,daß kein Blut mehr in dem Körper war, sagtschon viel zuviel aus, gefährlich viel für je-manden, der mitverantwortlich ist.«

Er lehnte sich zurück und schlug die Bei-ne übereinander.

»Hm, ich glaube, die Priester können wirvorerst ausschließen. Sie hätten andere Mög-lichkeiten gehabt, den Toten zu beseitigen.In den Elendsvierteln rund um die Raumhä-fen brennt es häufiger. Ein Feuer mehr oderweniger würde kaum auffallen.«

Axton erhob sich und verzehrte eineFrucht, die er sich aus einem Automaten ge-zogen hatte.

»Ich habe eine andere Idee, Gentleman.Komm.« Er eilte dem Roboter voraus, derihm mit langsamen Schritten folgte. Kennonhatte in der vergangenen Nacht einige Mani-pulationen an der Programmierung der Ma-schine vorgenommen, so daß er nun sichersein konnte, von ihr stets unterstützt zu wer-den. Er hatte darüber hinaus das Verbot er-lassen, ihn je wieder mit Kosenamen wieSchätzchen oder Liebling anzusprechen.Sein Mißtrauen gegen den Automaten bliebjedoch. Es war allzu tief verwurzelt.

Er brauchte nicht weit zu gehen, dann er-reichte er ein trichterförmiges Haus, das un-gefähr einhundert Meter hoch war. DerTrichter hatte einen größten Durchmesservon etwa dreißig Metern. Axton befahl demRoboter, auf ihn zu warten. Er betrat das Ge-bäude und schwebte in einem Antigrav-schacht nach oben. Wenig später stand er ei-ner jungen Arkonidin gegenüber. Sie blicktevoller Abscheu auf ihn herab.

»Wir verschenken nichts«, sagte sie ab-weisend. »Verschwinden Sie.«

Der Intrigant 21

Er schüttelte den Kopf.»Auf gar keinen Fall. Gehen Sie zur Sei-

te.« Er ging auf eine Tür zu, die die Auf-schrift Hauptingenieur trug. Das Mädchenwagte nicht, ihn anzufassen und aufzuhalten.Sie redete nur empört auf ihn ein, ohne daßer sie beachtete. Axton öffnete die Tür undbetrat einen luxuriös eingerichteten Arbeits-raum. Hinter einem drei Meter langen Tisch,der mit Kommunikationsgeräten förmlichbedeckt war, saß ein athletisch gebauter Ar-konide, der ihn erstaunt musterte.

»Was wollen Sie hier?« fragte er belu-stigt. »Dies ist keine Künstleragentur. Wirvermitteln keine …«

Lebo Axton nahm einen Energiestrahlervon der Wand und warf ihn dem Ingenieurauf den Tisch.

»Das ist Mist«, sagte er, begab sich zu ei-nem Antigravsessel und ließ sich in demblau schimmernden Energiefeld nieder.

»Gehen Sie freiwillig, oder soll ich Siehinauswerfen lassen?«

»Weder noch«, entgegnete Axton. »Siesollen sich anhören, was ich zu sagen habe.«

Er ging zum Arbeitstisch und zerlegte denStrahler mit wenigen Griffen in seine Ein-zelteile. Dann skizzierte er mit knappenWorten, was sich technisch daran verbessernließ. Der anfängliche Widerstand des Inge-nieurs schmolz dahin. Er gab zu, daß dieVorschläge interessant waren.

»Und wie läßt sich das alles verwirkli-chen?« fragte er und winkte gleichzeitig ei-nigen Mitarbeitern ab, die ins Büro kommenwollten, um den ungebetenen Gast herauszu-holen.

»Ich möchte mit Ihnen zusammenarbei-ten«, antwortete der Verwachsene. »Ich ha-be erfahren, daß dieses Konstruktionsbüroim Auftrag der Raumflotte tätig ist. Wennwir uns einigen, könnte ich Ihnen eine ganzeReihe von Vorschlägen machen.«

Kennon-Axton hatte keine Bedenkenmehr, technische Revolutionen einzuleiten.Er wußte von seinen Studien her, daß in die-ser Zeit einige umwälzende Erfindungen ge-macht worden waren, mit denen vor allem

die Waffentechnik der Arkoniden verbessertwurde. Er würde mit seinen Kenntnissenkeine technische Revolution einleiten, son-dern einige wenige Dinge vorwegnehmen,die in späteren Jahrtausenden ohnehin nocherheblich verbessert werden würden. Er hü-tete sich, die Waffentechnik des Jahres 2844n. Chr. in die Zeit des Großen Methankriegszu bringen. Aber auch so konnte er bereitsgenügend Erfolge verzeichnen. Er mußteZutritt zu Offizierskreisen gewinnen, unddas konnte ihm nur gelingen, wenn er seinüberlegenes Wissen einsetzte.

Der Ingenieur nickte ihm sinnend zu.»Einverstanden«, sagte er. »Mein Name

ist Eglo Butein. Ich habe nur noch eine Fra-ge.«

»Bitte.«»Warum machen Sie nicht Ihr eigenes In-

genieurbüro auf?«Lebo Axton verzog das Gesicht.»Sehen Sie mich doch an. Einem Krüppel

vertraut niemand so leicht.Ich habe versucht, Verbindung mit den

Offizieren zu bekommen. Es ist mir nichtgelungen. Ich benötige einen Partner.«

»Sie sind ehrlich.«»Mir bleibt wohl nichts anderes übrig.«Eglo Butein wurde zusehends höflicher.

Er rief seine Mitarbeiter herein, stellte ihnenLebo Axton vor und leitete eine Arbeitskon-ferenz ein, auf der Kennon sein Wissen un-ter Beweis stellte. Der Ingenieur führte ihnanschließend in sein Testlabor und ließ ihndort einige kleine Arbeiten durchführen. DerVerwachsene erledigte sie schnell und si-cher.

Danach hatte er gewonnen.Eglo Butein nahm ihn als Partner auf.Obwohl sich seine Lage damit schlagartig

gebessert hatte, war Axton-Kennon nichtganz zufrieden. Er hatte nun eine verhältnis-mäßig sichere Basis gefunden, auf der eraufbauen konnte, aber er war nun nicht mehrso frei und beweglich wie vorher.

Das Ruflicht im Videogerät flackerte. Le-bo Axton schaltete den Apparat ein. Er lä-chelte, als sich das Gesicht Eglo Buteins auf

22 H. G. Francis

dem Bildschirm abzeichnete.»Guten Morgen, Partner«, sagte der Inge-

nieur. »Wie ist das Hotel? Sie sind hoffent-lich damit zufrieden?«

»Es ist alles bestens, Butein«, entgegneteder Verwachsene. »Ihre Empfehlung wargroßartig. Was gibt es?«

»Wir haben eine Besprechung mit demWaffenmeister der Fünften Flotte«, erklärteButein. »Ich hole Sie in zwei Stunden ab.«

»Danke. Bis dann.«Axton schaltete das Gerät ab. Er drehte

sich um, blickte Gentleman Kelly an undrieb sich die Hände.

»Es geht los«, sagte er, eilte zum gedeck-ten Tisch und verzehrte hastig ein Stück ge-bratenes Fleisch. »Vorher sehen wir unsaber noch den Priester der Soff-Sekte an.Einverstanden?«

»Ich habe keine Einwendungen«, erwider-te der Roboter.

»Das wäre ja auch noch schöner! Ich wür-de dir deine Halsspirale in die Länge ziehen,falls du wagen solltest, etwas gegen meineEntschlüsse zusagen.«

Er blinzelte.»He, Kelly, was würdest du tun, wenn ich

dir die Spirale verbiegen würde?«»Ich würde Minderwertigkeitskomplexe

entwickeln.«»Wie bitte? Was würdest du tun? Minder-

wertigkeitskomplexe …? Warum?«»Weil ich dadurch sicherlich an äußerli-

cher Attraktivität verlieren würde.«Axton schwieg verblüfft. Dann schüttelte

er den Kopf, ging einmal um Kelly herumund blickte ihn von oben bis unten an.

»Du brauchst keine Komplexe zu ent-wickeln, Kelly«, sagte er boshaft. »Du bistminderwertig.«

Zufrieden mit sich selbst und dem psy-chologischen Hieb, den er Kelly versetzthatte, marschierte Axton aus dem Zimmer.Der Roboter folgte ihm wie ein Schatten. Erblieb auch bei dem Besucher aus einer fer-nen Zukunft, als dieser einen Gleiter bestieg.

»Ist mir eine Frage erlaubt, Herr?«»Bitte.« Axton lenkte die Maschine über

einige trichterförmige Häuser hinweg bis hinzum Randgebiet des Raumhafens. Hier stan-den einige Kuppelbauten, die mit farben-prächtigen Symbolen versehen waren. Erlandete vor einem dieser Gebäude.

»Warum wollen Sie unbedingt den Mör-der des Offiziers Mosselcrin finden? Sie ha-ben doch genügend Möglichkeiten, Geld zuverdienen.«

Axton verschränkte die Arme vor der ton-nenförmigen Brust.

»Erstens geht dich das überhaupt nichtsan. Zweitens hast du mir doch besser gefal-len, als du dir hin und wieder einige Re-spektlosigkeiten erlaubt hast. Drittens werdeich dir dennoch eine Antwort geben. Ich ha-be nicht die Absicht, hier ein faules Lebenzu führen, viel Geld zu verdienen und an-sonsten nichts zu tun.«

»Streben nicht alle Menschen danach,einen möglichst hohen Lebensstandard zuerreichen?«

»Nicht alle, Kelly. Ich zum Beispiel nicht.Mir geht es um etwas anderes.«

»Darf ich fragen, um was?«»Natürlich darfst du fragen, aber ich gebe

dir keine Antwort.«Lebo Axton stieg aus dem Gleiter und be-

trat den Kuppelbau. Ein fremdartiger, süßli-cher Geruch schlug ihm entgegen. Er bliebstehen, um sich an das gedämpfte Licht zugewöhnen. Gentleman Kelly stellte sich seit-lich von ihm auf. Widerwillig mußte Axtonzugeben, daß der Roboter sich geschicktverhielt. Wer immer ihm programmiert hat-te, er hatte es gut gemacht. Die Maschineentwickelte so etwas wie ein Raumgefühl.Ein Angreifer würde es schwer haben, an ihrvorbeizukommen.

Als er mehr und besser sehen konnte,schlug er einige rote Vorhänge zur Seite unddrang weiter in den Soff-Tempel ein.

»Suchst du etwas, Blutsbruder?« fragte je-mand leise. Aus dem Dunkel einer Nischetrat ein feister Arkonide hervor. Seine Au-gen waren albinotisch rot und seine Haareweiß.

»Bist du der Blutpriester?« forschte Ax-

Der Intrigant 23

ton.»Der bin ich.«»Dann habe ich gefunden, was ich su-

che.« Er blickte sich um, ging zu einemhüfthohen Kissen und setzte sich darauf.Ihm gegenüber stand ein Holzaltar, der vomBoden bis zur Decke reichte. In halber Höhebefand sich eine Art Sims, der gerade sogroß war, daß ein Mensch darauf liegenkonnte. Über ihm waren eine Reihe vonMessern und Schwertern angebracht wor-den, die auf ihn herabgesenkt werden konn-ten. Die anderen Wände des Raumes warenmit roten Tüchern verhängt worden.

»Sieh dich um, Kelly«, befahl Axton.»Ich will wissen, ob wir hier allein sind,oder ob wir damit rechnen müssen, von die-sem Blutsbruder hinterrücks abgeschlachtetzu werden, so wie er es mit Mosselcrin ge-macht hat.«

»Beim Blute Soffs«, rief der Priester ent-setzt. »Was sagst du da?«

»Du hast es gehört, Blutsbruder«, sagteAxton kalt.

Der Arkonide eilte auf den Besucher zuund sank vor ihm in die Knie, um mit ihm ingleiche Augenhöhe zu kommen.

»Soff sei mein Zeuge. Ich habe nieman-den ermordet. Mein Blut soll sich auf derStelle in Blei verwandeln, wenn ich lüge.«

»Mosselcrin gehörte dieser Sekte an. Ichweiß es. Er ist geopfert worden.« Axton be-obachtete den Priester scharf. Er bemerkte,daß er Angst hatte. Die Augen tränten undflackerten. Das war ein Zeichen äußersterErregung.

Gentleman Kelly kam zurück. Er machteAxton ein Zeichen, daß alles in Ordnung sei.Sie waren mit dem Priester allein in derKuppel.

»Aus dir spricht Todessehnsucht, Bluts-bruder«, sagte der Verwachsene.

»Wie meinst du das?« fragte der Priester.»Du möchtest dein Blut dort oben vergie-

ßen, nicht wahr?« Axton zeigte auf den Al-tar. »Kelly – leg ihn auf die Schlachtbank!«

Der feiste Arkonide schrie auf. Seine Au-gen weiteten sich. Er sprang hoch und wich

vor Axton zurück.»Das darfst du nicht tun, Blutsbruder!«Der Roboter ergriff ihn bei den Oberar-

men, so daß er nicht fliehen konnte.»Ich will alles sagen. Nur – töte mich

nicht.«Axton befahl Kelly mit einer Geste, den

Priester wieder zu ihm zu bringen. Der Ro-boter gehorchte. Vor Axton sank der Arko-nide auf die Knie.

»Erzähle, Blutsbruder. Aber bleibe bei derWahrheit, sonst sehe ich mich gezwungen,dein Blut zu Ehren Soffs zu vergießen.« Le-bo Axton beugte sich vor und blickte demArkoniden starr in die Augen. »Also?«

»Alle wissen es«, erklärte der Priester.»Mag sein. Ich will es dennoch hören.«»Mosselcrin ist ermordet worden. Aber

nicht wir haben ihn getötet, sondern einerder anderen Offiziere vom Hof.« Nach die-ser Aussage sackte der Priester förmlich insich zusammen. Er senkte den Kopf, als er-warte er nun das Schwert des Henkers.

»Komm, Schätzchen, rede weiter«, befahlKelly.

Lebo Axtons Augen weiteten sich.»Was hast du gesagt? Sagtest du: Schätz-

chen?«»Aber nicht zu Ihnen, Herr.«»Du verdammtes Mi … hm, du hast mich

also getäuscht. Na, warte.« Wütend trat erdem Priester gegen die Schulter. Obwohldieser Stoß so schwach war, daß der Arkoni-de ihn kaum fühlen konnte, stürzte er aufden Rücken. Ängstlich streckte er dem Ver-wachsenen die Hände entgegen.

»Nein, Blutsbruder, tu mir nichts. Ichspreche ja schon.«

»Ich höre.«»Es stimmt. Es war einer der anderen Of-

fiziere.«»Wer?«»Ich kenne seinen Namen nicht, aber ich

weiß, daß es ein Vorgesetzter von Mossel-crin war.«

»Und warum sollte dieser es getan ha-ben?«

»Weil Mosselcrin etwas über ihn heraus-

24 H. G. Francis

gefunden hat.«»Was war das?«»Ich weiß es nicht.«»Von wem hat Mosselcrin es erfahren?«»Von dem Händler Bollpta«, der Priester

verstummte. Er schüttelte den Kopf. »Nein,ich werde nichts mehr sagen. Sie bringenauch mich um, wenn sie herausbekommen,daß ich alles verraten habe.«

Lebo Axton rutschte von dem Kissen her-unter.

»Es genügt mir auch so, Blutsbruder.«Er verließ den Tempel. Gentleman Kelly

hielt ihm die Tür des Gleiters auf. Er setztesich hinter die Steuerelemente und wartete,bis der Roboter neben ihm Platz genommenhatte.

»Du bist eine heimtückische Bestie«, sag-te er drohend. »Ich werde dich kaltstellen.«

»Ich wollte dich nicht kränken.«»Ich erwarte bestes Benehmen, mein

Freund. Und ich befehle dir, daß du bei derWahrheit bleibst. Ein Roboter, der lügt, istmir noch niemals begegnet. Du wider-sprichst allen asimovschen Gesetzen.«

»Wer ist Asimov, Herr?«»Verdammt, Asimov ist …« Axton

schluckte. Er blickte den Roboter an undschüttelte den Kopf. »Das kann ich dir nichterklären. Nach welchen Gesetzen bist dukonstruiert? Hat man dir Heimtücke, Lugund Trug miteinprogrammiert? Am liebstenwürde ich dich zur Hölle schicken.«

»Ich würde Ihrem Befehl selbstverständ-lich Folge leisten.«

»Wirklich?«»Ich muß gehorsam sein. Sie haben es mir

befohlen.«»Also gut, dann fahr zur Hölle!«»Ja, Herr. Beschreiben Sie mir bitte den

Weg?«Lebo Axton stöhnte. Er hieb seine Finger

auf die Programmtasten des Gleiters undließ sich dann in die Polster zurücksinken.

»Ich wünschte, ich könnte in einer Weltleben, in der es keine Roboter gibt«, sagte erleise.

*

Der Händler Bollpta besaß ein kleines Ge-schäft, in dem sich kaum drei Menschen zurgleichen Zeit aufhalten konnten. Es befandsich in einem Sub-Silo, der tief in das Innerevon Arkon III hineinreichte. Als GentlemanKelly und Lebo-Axton durch einen weitenAntigravschacht nach unten schwebten, hör-ten sie die Arbeitsmaschinen, die den Plane-ten aushöhlen sollten.

So beengt das Geschäft des Händlersräumlich war, so wertvoll waren die Güter,mit denen er handelte. Bei ihm konnten sel-tene Edelsteine aus allen erforschten Berei-chen der Galaxis erworben werden. Schonals Kennon eintrat, bemerkte er, daß Bollptaungewöhnlich viele Sicherungen eingebauthatte. Hier mußte er vorsichtig auftreten.Drohungen waren fehl am Platze.

Der Verhandlungsraum enthielt einigeSchaukästen, in denen die kristallenen Kost-barkeiten funkelten, einen Tisch, mehrereSessel und einige Punktleuchten, mit denenBollpta wirkungsvolle Effekte erzielenkonnte.

Lebo Axton betrat den Raum als erster.Gentleman Kelly wollte ihm folgen, dochvor ihm baute sich ein flimmerndes Schutz-feld auf, das er nicht passieren konnte.Bollpta, ein kleiner, bärtiger Mann mit auf-fallend großen Händen, verneigte sich vordem Verwachsenen.

»Roboter müssen draußen bleiben. Waskann ich für Sie tun?«

»Ich hoffe, daß ich etwas für Sie tunkann«, erklärte Axton. Er setzte sich, alsBollpta eine einladende Geste machte. DerEdelsteinhändler nahm ihm gegenüber Platz.Angespannt blickte er ihn an. Seine Augenwaren feucht – ein unübersehbares Zeichenseiner Erregung. Ahnte er bereits etwas?

»Wie darf ich das verstehen?«Lebo Axton legte die Hände mit den

Handflächen aneinander und rieb sie. Er tat,als ob er nach Worten suche.

»Sie wissen schon, was ich meine«, sagte

Der Intrigant 25

er schließlich.»Meine Zeit ist begrenzt«, erwiderte dar

Händler. »Wenn Sie einen guten Grund ha-ben, zu mir zu kommen, dann nennen Sieihn mir.«

»Sie wissen sehr wohl, daß es um denTod Ihres Freundes Mosselcrin geht, Bollp-ta. Gewisse Leute haben erfahren, daß Sieihm Informationen gegeben haben, die töd-lich für ihn waren.«

»Ich kenne diesen Herrn nicht. Wie heißter doch …?«

Lebo Axton wartete ab. Bollpta wurdevon Sekunde zu Sekunde nervöser. Er erhobsich.

»Also, dann gehen Sie, bitte. Ich habe kei-ne Zeit.«

»Mosselcrin hat jetzt sehr viel Zeit. Ge-nau genommen, spielt die Zeit für ihn über-haupt keine Rolle mehr.«

»Was geht er mich an? Ich habe nichtsmit ihm zu tun, und ich kenne ihn nicht.«

Axton blieb ruhig sitzen.»Bollpta, haben Sie mich nicht verstan-

den? Mosselcrin ist getötet worden, weil eretwas wußte, das Sie ebenfalls wissen. Einerseiner Vorgesetzten konnte es sich nicht lei-sten, jemanden mit diesem Wissen leben zulassen. Soll ich solange in Ihrer Vergangen-heit herumwühlen, bis ich darauf stoße, wel-che Informationen Sie weitergegeben ha-ben?«

»Wer sind Sie?«»Das ist unwichtig. Mir kommt es darauf

an, diese Informationen ebenfalls zu bekom-men.«

»Warum?« Bollpta zupfte an seinen Bart-spitzen. »Wenn Sie sie haben, sind Sie eben-falls in Gefahr, getötet zu werden.«

»Ich bin mir dessen bewußt.«Die beiden Männer blickten sich an.

Bollpta war unsicher. Er hatte Angst. Daranzweifelte Axton nun nicht mehr. Und er hat-te Mosselcrin tatsächlich etwas mitgeteilt,was dem Offizier zum Verhängnis gewordenwar.

Ein Rufzeichen ertönte.»Bitte, gehen Sie«, sagte Bollpta hastig.

»Ich werde Ihnen alles sagen. Aber nichtjetzt. Kommen Sie heute abend wieder. Sa-gen wir um sechs Uhr.«

»Einverstanden.«Lebo Axton erhob sich und verließ den

Raum. Er stieß beinahe mit einem unifor-mierten Offizier der arkonidischen Raum-flotte zusammen.

»Ich benötige einen ganz besonders schö-nen Stein«, rief der neue Besucher. »Bollpta,Sie müssen mir helfen, die schönste Frau desUniversums zu erobern.«

Der Verwachsene und der Roboterschwebten im Schacht nach oben. Axtonwollte am liebsten wieder umkehren, denner hatte das Gefühl, daß es ein Fehler gewe-sen war, den Händler allein zu lassen.

*

Die Arbeitskonferenz mit dem Waffen-meister fand in einem Trichterbau direkt ne-ben dem Übungsgelände der arkonidischenRaumfahrer statt. Sie verlief in einer nüch-ternen und sachlichen Atmosphäre. LeboAxton beschrieb die technischen Verbesse-rungen, die er dem Ingenieur Eglo Buteinbereits vorgeschlagen hatte. Danach führteGentleman Kelly eine überarbeitete Strahl-waffe vor.

»Das ist der Durchbruch«, rief der Waf-fenmeister. »Butein, ich glaube, nun werdenSie groß ins Geschäft kommen.«

Sie kehrten in das Büro des Offiziers zu-rück. An den Wänden hingen Hunderte vonHandfeuerwaffen verschiedenster Art. Ax-ton nahm die Gelegenheit wahr, einige vonihnen sorgfältig zu untersuchen. Er mußte anRonald Tekener denken, der angesichts die-ser Waffensammlung sicherlich ins Schwär-men gekommen wäre. Zugleich bedauerteer, daß es ihm nicht möglich sein würde,dem Freund eine dieser Kostbarkeiten mit indie ferne Zukunft zu nehmen.

Der Waffenmeister zog einige weitereWaffenspezialisten der Flotte hinzu. Die Ge-spräche zogen sich über einige Stunden hin.Dann führte der ranghöchste Offizier die

26 H. G. Francis

Gruppe in die subplanetarischen Militäranla-gen, die sich, wie Kennon wußte, im Laufespäterer Jahrhunderte durch den gesamtenPlaneten ziehen sollten. Aber auch schonjetzt waren sie eindrucksvoll. Arkon III ver-wandelte sich in einen reinen Kriegsplane-ten.

In breiten Gleitstraßen fuhr die Gruppedurch Hallen und Werftanlagen bis hin zueinem Raketen- und Strahlenkanonen-Ab-wehrzentrum. Immer wieder wurden siedurch Sicherheitskontrollen aufgehalten.

Schließlich erreichten sie zwei mächtigeStrahlkanonen, deren Abstrahlprojektoreneinen Durchmesser von etwa anderthalb Me-tern hatten. Interessiert hörte Axton zu, alsder Waffenmeister ihm die Leistungsdatendieser Superwaffe nannte. Sie waren imVergleich zu jenen Strahlern des SolarenImperiums, das erst in etwa zehntausendJahren entstehen würde, unbedeutend. Of-fensichtlich stand man in der Entwicklungdieser Waffensysteme noch am Anfang. Ax-ton erinnerte sich daran, daß die Geschichteder Arkoniden zu dieser Zeit durch zahlrei-che Unfälle bei der Benutzung von Strahlerngekennzeichnet war.

Tatsächlich kam der Waffenmeister schonbald auf das Problem der Versager und Waf-fenexplosionen zu sprechen.

»Ich kann Abhilfe schaffen«, erklärte Le-bo Axton zuversichtlich. »Das Problem istbald bewältigt.«

Er ließ sich von einem Ingenieur dieStrahlkanonen bis ins letzte Detail erläuternund entdeckte dabei eine Reihe von Fehler-quellen, die beim Einsatz dieser Waffenzwangsläufig zu einer Katastrophe führenmußten.

»Aber wir haben diese Kanonen im Welt-raum ausprobiert«, protestierte einer der Of-fiziere. »Es hat alles einwandfrei funktio-niert.«

»Bei allen eingesetzten Waffen?«»Nun – bei etwa 78 Prozent aller Waf-

fen.«»Das ist zu wenig.«Die Diskussion ging weiter. Axton konnte

sich jedoch mehr und mehr aus ihr zurück-ziehen und sie seinem Partner Eglo Buteinüberlassen. Er kam mit einigen anderen Of-fizieren ins Gespräch und stellte einige Fra-gen über den Mordfall Mosselcrin. Bevordie Arkoniden sich dessen bewußt wurden,hatte er ihnen einige wichtige Antwortenentlockt, die ihm entscheidend weiterhalfen.Wenig später schon schilderte Axton demWaffenmeister, was getan werden mußte,um die Funktionsfähigkeit der Strahlkano-nen zu erhöhen.

»Ich bezweifle, daß das Problem so ein-fach zu lösen ist«, entgegnete der Offizier.

»So einfach ist das auch gar nicht, wie essich anhört. Es werden Jahre vergehen, bisjede Strahlwaffe stets zuverlässig funktio-niert.«

»Sie erwähnen auch, daß die Leistung derWaffen gesteigert werden kann.«

»Das ist richtig, aber ich bin dafür, daßdie uns gestellten Aufgaben schrittweise ge-löst werden. Alles auf einmal verbessern zuwollen, wäre falsch.«

Axton wollte zu einem längeren Vortragausholen, als ein Ruck durch die Gruppeging. Irgend jemand flüsterte den Namen:Aprit Dirgok. Unmittelbar darauf erschienein hochgewachsener Arkonide in der Halle.

Das weiße Haar reichte ihm bis auf dieSchultern herab, konnte aber einige häßlicheNarben nicht verdecken, die Hals undNacken verunzierten.

Dirgok trug eine Uniform, die mit zahlrei-chen Orden und Ehrenzeichen besetzt war.Er blieb stehen und blickte forschend zu derGruppe um den Waffenmeister hinüber. Läs-sig erwiderte er den militärischen Gruß derOffiziere. Er blickte kurz zu dem Troß vonAdjudanten und Beamten zurück, der ihmfolgte, und kam dann zu der Strahlkanone.Der Mund mit den tief herabgezogenenMundwinkeln bewegte sich kaum, als erdem Waffenmeister befahl, ihm zu erklären,was hier geschah.

Der Offizier stellte Eglo Butein, den Inge-nieur, und Lebo Axton vor und beschrieb diegenialen Vorschläge des Verwachsenen. Für

Der Intrigant 27

diesen hatte Dirgok jedoch keinen Blick üb-rig. Er wechselte nur einige Worte mit Bu-tein.

Axton-Kennon dagegen musterte den Of-fizier um so aufmerksamer. Die letzten Fra-gen, die er gestellt hatte, hatten ihm Gewiß-heit verschafft. Dies mußte der Mann sein,der für den Tod von Mosselcrin verantwort-lich war. Er war der direkte Vorgesetzte desErmordeten gewesen.

Dirgok verabschiedete sich nach einigenMinuten mit einem herablassenden Kopf-nicken. Wiederum beachtete er Axton nicht.

Der Waffenmeister hatte wohl bemerkt,wie verächtlich sich Dirgok gerade demMann gegenüber verhalten hatte, der ammeisten über die modernen Waffensystemewußte. Er war ängstlich darauf bedacht, die-sen Fehler seines Vorgesetzten wieder aus-zubügeln, und er merkte gar nicht, daß Ax-ton überhaupt keinen Wert darauf legte.

5.

Eglo Buteins Augen begannen zu tränen,als er die Tür des Gleiters hinter sich zu-schlug. Er startete. Lebo Axton beobachtete,daß seine Hände zitterten.

»Axton«, sagte der Ingenieur mit heisererStimme. »Wie konnten Sie den Offizierennur solche Fragen stellen?«

Kennon blickte sich nach Gentleman Kel-ly um, der auf der hinteren Sitzbank Platzgenommen hatte.

»Fragen? Was für Fragen meinen Sie?«»Das wissen Sie ganz genau«, erwiderte

Butein heftig.»Leider – nein.«»Wir wollen Geschäfte machen, verstehen

Sie?« brüllte der Ingenieur wütend. »DerMordfall Mosselcrin geht uns überhauptnichts an.«

»Landen Sie da unten.«»Was soll das bedeuten?«»Ich steige aus, Butein.«»Sie wollen sich … von mir trennen?«»So ist es.«»Das können Sie nicht tun, Axton! Be-

greifen Sie denn nicht, daß ich es nur gut mitIhnen meine?«

»Nein.«»Axton, Aprit Dirgok ist ein Mann, der

großen Einfluß am Hof hat. Es heißt, daß erschon fast als Freund Orbanaschols III. an-zusehen ist. Können Sie sich nicht vorstel-len, was das bedeutet?«

»Nein.«»Tun Sie doch nicht so. Mich können Sie

nicht täuschen. Sie haben den OffizierenFragen gestellt, aus denen diese ihre Schlüs-se gezogen haben. Sie haben mir gesagt, wasSie gemacht haben. Sie verdächtigen Dirgokoffensichtlich, am Tode Mosselcrins schul-dig oder mitschuldig zu sein.«

»Meinen Sie?«»Axton, was glauben Sie denn, was Dir-

gok mit Ihnen macht, wenn er das erfährt?Sollte er wirklich für Mosselcrins Tod ver-antwortlich sein, dann macht es ihm über-haupt nichts aus, Sie auch noch verschwin-den zu lassen. Zumal Sie …«

»Zumal er mich ohnehin für einen Fehl-griff der Natur hält. Das wollten Sie dochsagen, nicht wahr?«

»Axton, ich … Das müssen Sie doch ver-stehen.«

»Ich nehme Ihnen eine derartige Bemer-kung nicht übel, Butein. Allerdings werdenSie sich daran gewöhnen müssen, daß ichmich für Mosselcrins Ende interessiere. TunSie das nicht, trennen sich unsere Wege.«

»Axton, überlegen Sie doch einmal ver-nünftig! Nehmen wir einmal an, es gelingtIhnen, Dirgok einen Mord nachzuweisen.Ich halte so etwas für vollkommen unmög-lich, aber nehmen wir doch einmal an, daßSie Erfolg haben. Was dann? Glauben Sie,Sie könnten zur nächsten Polizeidienststellegehen und sie davon unterrichten? GlaubenSie, damit würden Sie irgendeine Reaktionerzielen? Sie könnten auch die Presse mobilmachen. Alle Berichte über Dirgok würdenschon nach spätestens zwei Tagen einge-stellt werden. Axton, wenn man so weitoben ist wie Aprit Dirgok, dann kann mantun und lassen, was man will, ohne dafür be-

28 H. G. Francis

straft zu werden. Für Männer dieser Rang-ordnung gelten andere Gesetze als für uns.«

Er atmete tief durch. Der Gleiter schwebteauf den Trichterbau zu, in dem Eglo Buteinsein Büro hatte. Er blickte Axton an.

»Werden Sie von nun an darauf verzich-ten, Mosselcrins Tod aufklären zu wollen?«

Der Verwachsene schüttelte den Kopf.»Natürlich nicht, Butein. Werden Sie

denn damit aufhören, mir Vorhaltungen zumachen?«

»Sie sind wahnsinnig, Axton. Sie sindkomplett verrückt.«

»Ist mir die Frage erlaubt, Herr, ob das alsAngriff auf Sie anzusehen ist?« fragte Gent-leman Kelly übertrieben höflich.

»Nicht doch, Kelly. Er meint es nur gut.«»Ich wünschte, ich wäre Ihnen nicht be-

gegnet, Axton.«»Dann wäre Ihnen ein großartiges Ge-

schäft durch die Lappen gegangen, Butein.«

*

Als Lebo Axton mit Gentleman Kelly vordem Schacht landete, der zum Geschäft desHändlers Bollpta hinunterführte, parkte einAmbulanzschweber neben dem Eingang. Inhöchster Eile begab sich der Terraner nachunten. Er kam nicht bis zum Verhandlungs-raum. Mehrere Arkoniden standen davorund beobachteten, was sich darin tat. Axtonwar zu klein. Er konnte nicht über sie hin-wegsehen. Widerwillig wandte er sich anden Roboter.

»Was siehst du?« fragte er.»Bollpta liegt am Boden. Ein Mediziner

ist bei ihm, kümmert sich aber nicht mehrum ihn. Er schreibt etwas aus.«

»Er ist tot?«»Bollpta bewegt sich nicht mehr. Seine

Augen stehen offen.«»Ich habe es befürchtet. Komm.«Er kehrte zu seinem Gleiter zurück.»Wo kann man erfahren, wo die Privat-

wohnung des Händlers ist?«»Es gibt ein positronisches Adreßbuch.«

Gentleman Kelly drückte einige Knöpfe auf

einer Tastatur vor Axton. Bruchteile von Se-kunden darauf leuchtete bereits eine Zahlauf einem Bildschirm auf. Sie gab die Kom-bination an, die Axton dem Autopiloten desGleiters eingeben mußte.

Es dunkelte, als der Terraner sich einemeinsam gelegenen Trichterbau weitab vomRaumhafen näherte.

Das nächste Gebäude war etwa fünf Kilo-meter weit entfernt. Mühelos öffnete Axtondas einfache Schloß des Haupteingangs. Aneiner Tafel konnte er ablesen, wo die Woh-nung des Edelsteinhändlers war. Zusammenmit Kelly eilte er eine Treppe hinauf, mußtedann allerdings eine Atempause einlegen,weil ihn diese Anstrengung gar zu sehr er-schöpft hatte.

»Öffne die Tür«, befahl er.»Das ist ungesetzlich.«»Das Gesetz benimmt sich auf diesem

Planeten nicht ganz so, wie es eigentlichsein sollte. Also brauchen wir das auch nichtunbedingt zu tun. Öffne.«

»Ich kann nicht.«»Warum nicht?«»Es ist mir verboten, gegen die Gesetze

zu verstoßen.«»Ein Roboter mit Hemmungen. Das hat

mir gerade noch gefehlt. Hör zu, Kelly,wenn du nicht sofort parierst, bringe ich dichwieder auf den Schrottplatz zurück und de-montiere dich. Danach ist deine Existenz be-endet. Also, entscheide dich.«

»Es könnte zu Kurzschlüssen kommen,wenn Sie mich in eine Konfliktsituationbringen.«

»Ich würde sie voller Vergnügen beob-achten. Los, beeile dich.«

Gentleman Kelly gehorchte. Mit schnel-len Griffen zerstörte er das Sicherheits-schloß der Wohnungstür, so daß Axton ein-treten konnte. Der Roboter blieb an der Türstehen.

Ein Mann mit der Erfahrung Kennonswußte, wo er zu suchen hatte. Es vergingennur wenige Minuten, dann lag ein kleinesBuch in seinen Händen. In ihm hatte Bollptaalles niedergeschrieben, was ihm wichtig er-

Der Intrigant 29

schien.»Wir verschwinden, Kelly.«Sie eilten die Treppen wieder hinunter

und bestiegen ihren Gleiter. Axton war je-doch kaum gestartet, als er zwei Maschinenbemerkte, die sich dem Gebäude näherten.Er floh in der entgegengesetzten Richtung inhügeliges Gelände, in dem sich zwischenBüschen und Bäumen zahlreiche Antennenerhoben. Als er sicher war, daß sie nicht ver-folgt wurden, lenkte er das Fluggerät nachWesten. Es gelang ihm, unbemerkt in seinHotel zurückzukehren.

Dort machte er sich sofort daran, dasBuch durchzulesen. Die Eintragungen, dieBollpta in den letzten Tagen vorgenommenhatte, befaßten sich mit Mosselcrin undAprit Dirgok.

Der Händler berichtete, daß er aus ge-schäftlichen Gründen auf dem Planeten AK-KEREK im Envy-System gewesen war. Hierhatte er Verbindung mit militärischen Krei-sen bekommen und dabei einiges über denGünstling Orbanaschols III. erfahren.

Aprit Dirgok war ein Kolonialarkonide,der auf Akkerek geboren worden war. Dieehemalige Kolonie hatte sich im Laufe derletzten fünfzig Jahre selbständig gemachtund sich von Arkon abgewandt, nachdemOrbanaschol III. an die Macht gekommenwar. Der neue Herrscher hatte mit wütendenmilitärischen Angriffen auf die Unabhängig-keitserklärung reagiert und Akkerek in eineerneute Abhängigkeit von Arkon gebracht.Darauf basierte die Feindschaft der Akkere-ker gegen Orbanaschol III.

Aprit Dirgok war als Offizier der arkoni-dischen Flotte nach Arkon abgestellt wor-den. Von der Untergrundbewegung auf Ak-kerek hatte er den Auftrag erhalten, Orbana-schol III. zu ermorden. Auf dieses Ziel hinhatte er anfangs auch gearbeitet. Er hattesich den Weg freigemacht, der zu Orbana-schol III. führte und dabei einige hochge-stellte Offiziere durch geschickte Intrigenbeseitigt.

Dann aber, als er tatsächlich die Möglich-keit hatte, Orbanaschol III. zu ermorden,

hatte er es nicht getan. Er hatte sich auf dieSeite des Herrschers geschlagen und war da-mit zum Verräter an seinem Volk geworden– um seines persönlichen Vorteils willen.

Zweifellos mußte er heute befürchten, daßOrbanaschol III. ihn fallenließ, wenn er er-fuhr, wer Dirgok wirklich war. Orbanascholkonnte gar nicht anders handeln, denn erkonnte keinen Mann in seiner unmittelbarenUmgebung dulden, der derartige Entschei-dungen getroffen hatte, selbst wenn sie sichzum Vorteil für Orbanaschol ausgewirkt hat-ten. Der Herrscher mußte befürchten, daßDirgok seine Absichten erneut ändern wür-de, wenn er sich dadurch weitere Verbesse-rungen seiner Zukunftsaussichten erhoffte.

Dieses Wissen hatte der Händler Bollptavon Akkerek mitgebracht. Er hatte Mossel-crin informiert, und dieser hatte seinen Vor-gesetzten offenbar spüren lassen, daß dasFundament seiner Offizierskarriere nichtmehr ganz so fest war, wie er selbst glaubte.Dafür hatte Mosselcrin mit dem Leben be-zahlen müssen.

Lebo Axton zweifelte nun nicht mehr dar-an, daß Bollpta ebenfalls ein Opfer Dirgoksgeworden war.

Er mußte schnell und entschlossen han-deln, wenn er Dirgok stürzen wollte. Dieswar die große Chance, die er sich erhoffthatte.

Eglo Butein trug einen weiten, wallendenUmhang, als er den Salon im Hotel betrat.Lebo Axton nahm ein bescheidenes Aben-dessen ein. Gentleman Kelly stand im Hin-tergrund und verhielt sich schweigend, weilKennon es ihm so befohlen hatte.

»Darf ich mich setzen?« fragte der Inge-nieur.

»Bitte. Etwas Wein?«»Danke.« Nervös nahm Butein Platz. Er

rutschte bis zur vorderen Kante seines Ses-sels vor, stützte die Ellenbogen auf die Knieund sagte: »Ich muß mit Ihnen reden, Ax-ton.«

»Das tun Sie doch schon«, erwiderte derTerraner und nippte gelassen an seinemGlas.

30 H. G. Francis

»Axton, Arkon III erlebt wieder einmalschlimme Stunden.«

»Schlimme Stunden? Was meinen Sie da-mit?«

»Nun, es kommt immer wieder vor, daßOrbanaschol III. oder einer seiner Vertreteraus irgendeinem Grunde eine Großfahndungeinleitet. Dann wird der ganze Planet umge-krempelt. Überall finden Razzien statt.Spielhöhlen werden geschlossen – und ande-re, noch dunklere Vergnügungsstätten wer-den ausgeräuchert. Die Offiziellen nennenso etwas einen Reinigungsprozeß, die Be-troffenen meinen allerdings, daß in solchenZeiten das diktatorische Regime Orbana-schols sein wahres Gesicht zeigt.«

»Sie sind unvorsichtig, Butein. Worte wiediese behagen mir nicht. Verzichten Sie dar-auf, jedenfalls in meiner Nähe.«

Der Ingenieur erschrak. Er hob abweh-rend die Hände.

»Ich wollte nichts gegen Orbanaschol III.sagen.«

»Das haben Sie aber getan.«»Wer sind Sie eigentlich, Axton? Woher

kommen Sie?«»Was sollen diese Fragen, Butein? Sie

sind doch nur gekommen, um mich zu war-nen – oder sollte ich mich geirrt haben?«

Der Hauptingenieur lehnte sich in seinemSessel zurück. Schweiß bedeckte seine Stirn,und seine Augen waren feucht.

»Allerdings.«»Und warum kommen Sie dann nicht zu

dem, was Sie mir eigentlich mitteilen woll-ten?«

»Ich habe das Gefühl, Sie nehmen die Si-tuation nicht ernst.«

»Sie irren sich.«»Axton, man hat die Wohnung des Händ-

lers Bollpta untersucht und dabei festge-stellt, daß kurz vorher dort eingebrochenworden ist. Bollpta ist nebenbei eines natür-lichen Todes gestorben. Der Militärarzt hateine entsprechende Bescheinigung ausge-stellt.«

»Ist es üblich, daß Zivilisten auf Arkon IIIvon Medizinern der Raumflotte untersucht

oder behandelt werden?«»Nein, absolut nicht. Der Arzt war zufäl-

lig in der Nähe.«»Er ist nicht zufällig auch ein Freund von

Aprit Dirgok?«»Darüber bin ich nicht informiert.« Der

Ingenieur war leicht zusammengezuckt, alsder Name Dirgoks fiel. Lebo Axton war da-von überzeugt, daß er log. Er kannte diesenOffizier, und wahrscheinlich bestand aucheine Verbindung zwischen diesem und demMediziner. Axton war von Anfang an derAnsicht gewesen, daß Bollpta keines natürli-chen Todes gestorben war.

»Wie dem auch sei, Axton, und was auchimmer passiert sein mag. Es steht fest, daßSie in höchster Gefahr sind. Und damit binauch ich es. Und das gefällt mir nicht.«

»Warum sollte ich gefährdet sein?«»Weil Sie es waren, der in der Wohnung

des Händlers gewesen ist.«»Das ist eine kühne Behauptung, Partner.

Möchten Sie wirklich keinen Wein?«»Nur einen kleinen Schluck, bitte.«Lebo Axton gab Kelly einen befehlenden

Wink. Der Roboter brachte noch ein Glasfür den Ingenieur herbei und schenkte ein,während der Verwachsene sein Gegenübersorgfältig beobachtete. Eglo Butein fürchtetesich.

»Was empfehlen Sie mir, Butein?«»Lassen Sie die Finger von dieser Ge-

schichte. Kümmern Sie sich nicht länger umden Tod Mosselcrins. Glauben Sie nur nicht,daß Sie gegen Dirgok etwas ausrichten kön-nen. Er verfügt über einen umfangreichenStab von Männern, die alles für ihn tun.«

»Also gut, Partner, ich werde Ihren Ratnach einer gewissen Zeit befolgen. Vorhermöchte ich Sie aber noch um einen Freund-schaftsdienst bitten.«

»Ich werde Ihnen helfen, wenn ich kann.«Axton schnippte mit den Fingern. Gentle-

man Kelly kam zu ihm und reichte ihmeinen verschlossenen Briefumschlag.

»Ich habe hier einige Mitteilungen an Dir-gok. Ich benötige jemanden, auf den ichmich unbedingt verlassen kann, jemanden,

Der Intrigant 31

der Dirgok diesen Brief persönlich über-gibt.«

Eglo Butein wurde bleich. Er stand aufund eilte zur Tür.

»Warum halte ich mich überhaupt nochmit Ihnen auf?« sagte er erregt. »Sie begrei-fen ja nicht. Glauben Sie wirklich, ich würdeso etwas tun?«

»Warum nicht? Für Sie besteht keine Ge-fahr.«

»Ich bin anderer Ansicht. Was steht indem Brief?«

»Nicht viel. Es sind nur einige Auszügeaus einem Tagebuch enthalten. Sie informie-ren Dirgok über gewisse Vorkommnisse aufAkkerek.«

»Warum bringen Sie den Brief nichtselbst zu Dirgok?«

»Er würde sich vielleicht zu unbedachtenHandlungen hinreißen lassen.«

Lebo Axton lächelte undurchsichtig.Eglo Butein zögerte kurz, dann verließ er

den Salon ohne ein weiteres Wort. Axtonhatte auch nicht damit gerechnet, daß erbleiben würde. Er wußte, daß Dirgok infor-miert werden würde – und zwar genauso,wie er es geplant hatte. Butein würde ihm ei-ne Nachricht zukommen lassen, und diesewürde die gewünschte Wirkung haben.

*

Kurz vor Mitternacht kehrte GentlemanKelly von einem Spezialauftrag zurück, denLebo Axton ihm erteilt hatte.

Er brachte einige Metallteile mit.»Besseres Material konnte ich nicht fin-

den«, erklärte er.Der Verwachsene kletterte auf einen

Hocker.»Komm her«, befahl er. Der Roboter

schritt auf ihn zu und drehte ihm dann denRücken zu. Axton nahm die Teile, drehteund wendete sie in den Händen, verriebdann etwas Klebstoff auf dem Rücken desOvalkörpers und preßte das Eisen dagegen.Als er es nach einigen Sekunden los ließ,saß es unverrückbar fest daran. Gentleman

Kelly hatte nun zwei Fußstützen in Höhe derBeinansatzgelenke und zwei Griffe auf denSchultern. Lebo Axton stieg hinauf. Erkonnte bequem darauf stehen und sich anden Griffen festhalten, so daß er über denKopf des Roboters hinwegsehen konnte.

»Ausgezeichnet, Kelly. Ich bin zufriedenmit dir.«

»Danke.«»Bei passender Gelegenheit werde ich dir

eine Extraportion Schmieröl verschaffen. Duquietscht erbärmlich.«

»Das habe ich nicht bemerkt.«Lebo Axton antwortete nicht. Er gab dem

Roboter mit einer Handbewegung zu verste-hen, daß er sich hinknien sollte. Er kletterteauf den Rücken des Automaten, klopfte ihmmit den Knöcheln auf die Schulter und sag-te: »Ab, Kelly. Du hast lange genug gefau-lenzt.«

Die Maschine marschierte aus dem Salon,sank mit Axton im Antigravschacht nach un-ten und verließ das Hotel, ohne daß irgendjemand sie gesehen hätte. Danach lief Gent-leman Kelly schneller. Mit weiten Sätzenjagte er durch die Nacht.

Nach etwa einer Stunde erreichten sieeinen Raumhafen, auf dem dreißig Kugel-raumer standen, von denen der größte einenDurchmesser von ungefähr zweihundert Me-tern hatte. Sie gehörten alle zur arkonidi-schen Flotte, stammten aber nicht von Ar-kon, sondern von anderen Welten des Impe-riums. Der Raumhafen wurde von Sicher-heitszonen eingeschlossen, die mit Überwa-chungs- und Abwehrgeräten ausgestattet wa-ren. Diese stellten für einen so erfahrenenMann wie Kennon-Axton jedoch kein un-überwindbares Hindernis dar. Er benötigteetwa eine halbe Stunde, dann hatten er undKelly diesen Gürtel überwunden und befan-den sich auf dem unbewachten Landefeld,das nur teilweise von Scheinwerfern erhelltwurde, die in den offenen Schleusen derRaumschiffe angebracht waren.

Gentleman Kelly trug Axton zu einemkleineren Kugelraumer hinüber, dessen Bo-denschleuse offen stand. Zwei Raumfahrer

32 H. G. Francis

bewachten das Schiff. Sie gingen zwischenden Landebeinen auf und ab.

Sie erschraken, als der Roboter mit demVerwachsenen auf dem Rücken plötzlichvor ihnen erschien, ohne daß sie vorher et-was gehört hatten. Sie griffen zu ihren Waf-fen.

»Machen Sie keinen Unsinn«, rief LeboAxton mit gedämpfter Stimme. »Wenn ichSie hätte umbringen wollen, dann hätte ichdas längst tun können. Ich muß den Kom-mandanten sprechen. Sorgen Sie dafür, daßich ohne Aufsehen ins Schiff komme.«

Die beiden Männer blickten Axton unsi-cher an.

»Unmöglich«, sagte einer von ihnen.»Glauben Sie nicht auch, daß ich längst

im Schiff wäre, wenn ich Sie beseitigt hätte?Daß ich es nicht getan habe, sollte Ihnen be-weisen, daß ich in friedlicher Absicht kom-me. Los, überlegen Sie nicht lange, sondernseien Sie mir behilflich.«

Der Mann der vorher gesprochen hatte,richtete seine Strahlwaffe auf Axton.

»Einverstanden«, entgegnete er. »Sie ge-hen vor mir her. Versuchen Sie nicht, michzu täuschen. Ich schieße sofort, wenn ichmerke, daß Sie doppeltes Spiel treiben.«

»Dann kann uns nichts passieren, Herr.Bevor er etwas merkt, vergeht ohnehin einehalbe Ewigkeit.«

Der Arkonide blickte den Roboter ver-blüfft und verärgert zugleich an. Er hob sei-ne Waffe und zielte auf den Kopf der Ma-schine.

»Was ist das?« fragte er. »Ein Roboter,der beleidigend sein kann?«

»Keineswegs«, erwiderte Lebo Axton be-sänftigend. »Dieses Ding ist in den Vergnü-gungszentren als Witzbold aufgetreten.«

»Wenn Sie mich Dings nennen, sprechenSie mir eine eigene Persönlichkeit ab.«

»Sehen Sie«, sagte Axton verzweifelt.»Dieses Ding hat einen verteufelten Hang,über alles und jedes zu diskutieren. GehenSie, Mann, sonst stehen wir morgen frühnoch hier herum und hören uns an, was die-ses verschrottungswürdige Etwas an unseren

Formulierungen auszusetzen hat.«Der Posten warf Gentleman Kelly einen

unbehaglichen Blick zu und betrat dieSchleuse. Das Innenschott öffnete sich. Kel-ly trug Lebo Axton ins Schiff. Ihr Begleiterblieb ständig einige Meter von ihnen ent-fernt, so daß er sie stets mit der Waffe über-wachen konnte. Er führte sie in einen qua-dratischen Raum, in dem mehrere Antigrav-schalen um einen Tisch herum schwebten.Er ging zu einem Kommunikationsgerät undschaltete es ein, ohne Axton aus den Augenzu lassen. Er flüsterte etwas ins Mikrophon,deutete dann auf die Schalen und sagte:»Nehmen Sie doch Platz.«

»Danke«, entgegnete Axton. »Ich bleibelieber, wo ich bin.«

»Wie Sie wollen.«Einige Minuten verstrichen, in denen kei-

ner etwas sagte. Dann trat ein untersetzterMann ein, der nur mit Hemd, Hose und Stie-feln bekleidet war. Ehrenzeichen an seinerSchulter wiesen ihn als Kommandanten aus.Er musterte das seltsame Paar, das ins Schiffgekommen war, und setzte sich dann in eineSchale.

»Bringen Sie uns etwas zu trinken«, be-fahl er dem Posten. Dann wandte er sich anAxton. »Was wollen Sie?«

Der Verwachsene stieg nun endlich vomRücken des Roboters herunter und ließ sichebenfalls in eine Antigravschale sinken.

»Ich habe wichtige Informationen fürSie«, erklärte er. »Die Art und Zeit meinesBesuches mögen Ihnen verdeutlichen, daßich Ihnen diese Mitteilungen nicht gefahrlosmachen kann.«

Der Posten kehrte zurück und setzte zweiGläser und eine Karaffe mit einer gelblichenFlüssigkeit vor ihnen ab. Er schenkte dieGläser voll und entfernte sich danach. So-wohl der Kommandant, als auch Axtonschwiegen, bis sie wieder allein waren.

Der Verwachsene nannte seinen Namen.»Ich habe gute Verbindungen zum Hof

und zu wichtigen Offizieren«, fuhr er dannfort. »Nun ist in den letzten Tagen einigesgeschehen, was Sie wissen sollten.«

Der Intrigant 33

»Warum?«»Weil Sie Akkereker sind.«»Das bin ich allerdings. Ich verstehe den-

noch nicht.«»Wissen Sie, daß vor einigen Tagen der

Offizier Mosselcrin ermordet worden ist?«»Ich weiß, daß er tot ist«, erwiderte der

Kommandant vorsichtig.»Er ist umgebracht worden, weil er etwas

über einen Offizier herausgefunden hat, derim Unabhängigkeitskampf von Akkerek ge-gen – hm – Orbanaschol III. eine gewisseBedeutung gehabt hat.«

Das Gesicht des Kommandanten strafftesich. Lebo Axton sah, daß der Akkerekerplötzlich hellwach war und ihm konzentriertzuhörte.

»Der Akkereker Aprit Dirgok ist nach Ar-kon III geschickt worden, weil er den Auf-trag hatte, Orbanaschol zu töten. Er hat sichjedoch nicht an seinen Befehl gehalten, son-dern sich auf die Seite Orbanaschols ge-schlagen. Er ist zum Verräter an Akkerekgeworden.«

»Werden Sie etwas deutlicher.« Er hatteden Köder aufgenommen, den er ihm hinge-worfen hatte.

Lebo Axton beobachtete das Gesicht desKommandanten. Winzige Anzeichen verrie-ten ihm bereits, daß dieser Dirgok und sei-nen Fall kannte.

»Mosselcrin, der Ermordete, ein auf Ar-kon I geborener Arkonide, hat die Zusam-menhänge erkannt. Er wollte Dirgok aufflie-gen lassen und mußte aus diesem Grundsterben. Aprit Dirgok weiß jedoch, daß erdamit das eigentliche Problem nicht gelösthat. Er will zurückschlagen und die Gefahr,die ihn bedroht, an der Wurzel beseitigen.«

»Wollen Sie damit sagen, daß er Akkerekangreifen will?«

Lebo Axton schüttelte den Kopf.»Das wäre zu plump und eines Mannes

wie Dirgok nicht würdig. Nein, er plant kei-ne offene militärische Aktion. Er wird eineSäuberungswelle einleiten, der alle zum Op-fer fallen werden, die ihm früher Befehle er-teilt haben und ihm noch heute gefährlich

werden können.«»Wenn das wahr ist, dann würde das be-

deuten, daß die letzten großen Männer, diesich noch gegen Orbanaschol III. stemmen,sterben werden. Dann wird Akkerek endgül-tig versklavt werden. Der letzte Rest vonUnabhängigkeit wird dahin sein.«

Der Kommandant erhob sich.»Nein, das kann ich mir nicht vorstellen.«»Überlegen Sie genau, was Dirgok sonst

tun könnte. Er ist unversehens in eine Krisegeraten, die ihn den Kopf kosten kann. Ermuß sich wehren, wenn er seine Position inunmittelbarer Nähe Orbanaschols behauptenwill. Unternimmt er nichts, dann …«

Der Akkereker setzte sich wieder.»Was können wir tun? Was schlagen Sie

vor?«»Sie müssen Dirgok zuvorkommen. Sie

müssen handeln, bevor er die Säuberungs-welle einleiten kann.«

»Ich werde zu Orbanaschol gehen undihm alles sagen.«

Lebo Axton lächelte.»Meinen Sie wirklich, daß Sie bis zu ihm

vordringen können? Und glauben Sie tat-sächlich, daß er Sie anhören wird? KönnenSie sich vorstellen, daß er als Wahrheit ak-zeptiert, was Sie ihm erzählen? Er wirdAprit Dirgok hinzurufen, und dann geht fürSie das Licht aus. Nein, Kommandant, so et-was könnte ich auch tun. Damit erzielen Siekeinen Erfolg.«

»Was schlagen Sie vor?«»Die Wahrheit über Dirgok muß von Ak-

kerek direkt kommen, und sie muß auf höch-ster Ebene überbracht werden. VerstehenSie? Sozusagen als Ergebenheitsadresse dernun endlich einsichtigen Akkereker, die esvor sich und ihrem Gewissen nicht mehrvereinbaren können, daß sie einen gedunge-nen Politmörder in unmittelbarer Nähe desHerrschers wissen, den sie alle achten undbewundern.«

»In der Note an Orbanaschol III. solltezum Ausdruck kommen, wie sehr man dendamaligen Beschluß bedauert, und wie er-leichtert man auf Akkerek ist, daß Dirgok

34 H. G. Francis

noch nicht zur Tat geschritten ist. Man kannsogar ausdrücken, daß Dirgok vermutlichschon selbst zu der Erkenntnis gekommenist, wie verwerflich ein Anschlag auf Orba-naschol wäre. Danach beteuert man, daß Ak-kerek nun und für alle Zukunft treuer An-hänger Orbanaschols sein wird.«

Der Kommandant blickte Lebo Axton an.»Sie möchte ich nicht zum Feind haben«,

sagte er. »Mir scheint, Sie sind ein äußerstgefährlicher Mann. Ich danke Ihnen, daß Siemit uns zusammenarbeiten und uns die Ge-legenheit geben, Aprit Dirgok auffliegen zulassen.«

»Ich habe mich gefreut, Sie kennenzuler-nen«, erwiderte Axton. Er kletterte auf denRücken des Roboters, blickte über dieSchulter hinweg auf den Akkereker hinunterund fügte hinzu: »Ich hoffe, daß es mir ge-lungen ist, Dirgoks geplantes Verbrechen anAkkerek zu verhindern. Und nun sollten Siemir dabei behilflich sein, Ihr Schiff und denRaumhafen ungesehen zu verlassen.«

6.

Gentleman Kelly eilte wiederum mit Ax-ton auf dem Rücken durch die Nacht zu demHotel zurück, in dem der Verwachsene un-tergekommen war. Als er sich ihm bis aufdreihundert Meter genähert hatte, befahlKennon ihm, stehenzubleiben.

»Es ist alles ruhig«, bemerkte der Robo-ter.

»Es riecht nach Verrat«, erwiderte Axton.»Aber so etwas kannst du nicht feststellen.Dazu bis du zu primitiv.«

»Mein vorheriger Besitzer bezeichnetemich stets als Hochleistungsmaschine.«

»Ich will nichts von ihm wissen«, antwor-tete Axton mit schriller Stimme.

»Sie haben keinen Grund, eifersüchtig aufihn zu sein. Ich …«

»Still, du Bestie!« Lebo Axton trommeltedem Roboter mit beiden Fäusten auf demKopf herum. »Ich will nichts mehr hören.Du redest nur, wenn du gefragt wirst.«

Der Verwachsene dirigierte den Automa-

ten tiefer ins Dunkle. Hier verharrte er fasteine halbe Stunde und beobachtete die Um-gebung. Irgend etwas störte ihh, aber erkonnte nicht sagen, was es war. Er hattenicht übertrieben, als er behauptet hatte, esrieche nach Verrat. Er spürte die Gefahr fastkörperlich.

Und dann machten die Männer Dirgokseinen Fehler. Bisher hatten sie sich mit ih-rem Gleiter unter dem überhängenden Trich-ter des Hotels verborgen. Jetzt kamen siedaraus hervor. Die Maschine landete vordem Eingang, zwei Männer stiegen aus undeilten davon.

»Weg hier«, rief Axton. »Schnell.«Gentleman Kelly reagierte mit gewohnter

Zuverlässigkeit. Er drehte sich um und rann-te in entgegengesetzter Richtung davon. Derpure Zufall wollte es, daß er dabei durch denLichtkegel lief, den ein landender Gleitervor einem Haus warf. Beim Hotel heulte ei-ne Sirene auf. Axton fluchte.

»In Deckung bleiben, Kelly. Schneller.Wir müssen die engen Gassen des Vergnü-gungszentrums erreichen.«

Der Roboter raste mit meterweiten Sätzendavon. Axton blickte zurück. Er zählte zwölfGleiter, die aus der Gegend des Hotels ka-men und ihnen folgten. Dabei schienen dieHäscher Dirgoks jedoch nicht genau zu wis-sen, wo sie sich befanden. Die Maschinenschwärmten fächerartig aus. Axton klam-merte sich an Kelly. Er mußte zugeben, daßder Roboter sich geschickt verhielt. Längsthatte er die Verfolger ausgemacht, und erlief so, daß er möglichst lange imSichtschatten der Trichtergebäude blieb.Schließlich aber rückten zwei Gleiter so na-he heran, daß Kelly seine Flucht unterbrachund sich in einen Hauseingang drückte.

Lebo Axton blickte nach oben. Gegen denhelleren Himmel, der von Sternen übersätwar, konnte er sehen, daß beide Maschinenmit jeweils vier Männern besetzt waren.

»Sie haben uns noch nicht entdeckt«, sag-te er leise.

Als die Gleiter hinter dem nächsten Ge-bäude verschwanden, tippte er dem Roboter

Der Intrigant 35

auf den Kopf.»Los, weiter.«Gentleman Kelly beugte sich leicht nach

vorn und rannte los. Nun trennten sie nurnoch wenige hundert Meter von den Ver-gnügungsvierteln, die sich überall auf ArkonIII um die Raumhäfen herum gebildet hat-ten. Die Kette der Verfolger schien dünnerund dünner zu werden, so daß Axton bereitsglaubte, daß sie es geschafft hatten. Da lan-deten die Gleiter, und jeweils drei Männerstiegen aus. Sie schwärmten aus und bilde-ten einen Sperriegel, den niemand ungese-hen durchbrechen konnte.

Lebo Axton fluchte.»Wir versuchen es in der anderen Rich-

tung.«Kelly gehorchte. Er rannte um den Sockel

des Gebäudes herum, blieb dann jedoch ab-rupt stehen. Auch hier standen überallRaumfahrer. Trotz der Dunkelheit konnteAxton erkennen, daß sie bewaffnet waren.Er zweifelte nicht daran, daß Dirgok sie ge-schickt hatte.

»Uns bleibt keine andere Wahl, Kelly, wirmüssen uns in einer Wohnung verstecken –oder wir müssen versuchen, einen Gleiter zubekommen.«

Der Roboter öffnete die Tür, ohne dasSchloß dabei zu beschädigen. Er eilte aufeinen Antigravschacht zu und wollte in dennach oben gepolten Abschnitt steigen, dochAxton befahl ihm, den abwärts gepolten zunehmen. Wenig später betraten sie eineGleitergarage. Doch Axtons Hoffnung, miteiner der Maschinen fliehen zu können, er-füllte sich nicht. Der Ausflugschacht warderart abgesichert, daß er ihn nicht aufbre-chen konnte, ohne dabei Alarm auszulösen.

Zusammen mit dem Roboter suchte er dieMaschinen nach Waffen ab, fand jedochnichts.

»Wir versuchen es drüben«, entschied er.Kelly rannte los. Er eilte an einer Kette vonVerkaufsautomaten vorbei, in denen alleGüter des täglichen Bedarfs auslagen. EinigeApparate waren zusätzlich mit humanoidenVerkaufsrobotern versehen, die sofort damit

begannen, die Waren anzupreisen, als Axtonsich ihnen näherte.

»Seid still«, sagte der Verwachsene zi-schend. »Verdammt, seid still. Ihr verratetaller Welt, daß wir kommen.«

Die Verkaufsmaschinen kümmerten sichherzlich wenig um diese Worte. Sie machtenweiter, ohne auf die offensichtliche Ableh-nung auf ihre Angebote zu reagieren.

Kelly benötigte drei Minuten für den Tun-nel. Dann hatten sie einen weiteren Trichter-bau erreicht. Axton atmete unwillkürlichauf. Hinter ihm verklang das Geplapper derVerkaufsautomaten. Er blickte sich in derGleitergarage um, in der zwanzig Flugma-schinen standen. Als er damit begann, sienach Waffen zu durchsuchen, pfiff etwashautnah an seiner Stirn vorbei. Er fuhr her-um, wobei er sich so heftig bewegte, daß erfast den Halt verloren hätte und vom Rückendes Roboters heruntergefallen wäre.

Zwanzig Schritte von ihm entfernt standein arkonidischer Raumfahrer, der eine Pi-stole in der Hand hielt. Damit hatte er einProjektil auf ihn abgeschossen.

»Nicht bewegen«, brüllte der Mann. Erhob die Waffe und drückte ab. Buchstäblichin letzter Sekunde bückte Lebo Axton sich,so daß der Stahlpfeil ihm nur durch die Haa-re fuhr, ohne ihn zu verletzen.

»Sind Sie verrückt geworden?« fragte erzornig.

Der Raumfahrer rannte auf sie zu, wobeier abermals schoß. Dieses Mal verfehlte erAxton nicht. Das Geschoß durchschlug sei-nen Oberarm, ohne allerdings den Knochenzu verletzen.

Der Verwachsene hob seinen rechtenArm. Zwischen Daumen und Zeigefinderspannte er einen Gummi, und dann wirbelteein fingerlanger Nagel aus Arkonstahl aufden Angreifer zu. Er bohrte sich mit seinernadelfeinen Spitze mitten in die Stirn desArkoniden und drang bis zur Hälfte ein.

Der Raumfahrer blieb stehen. Die Pistoleentfiel seiner Hand. Mit geweiteten Augenblickte er Lebo Axton an. Seine Lippenzuckten. Dann sank er auf die Knie und

36 H. G. Francis

kippte nach vorn.»Paß auf, Kelly«, schrie Axton.Der Roboter schnellte sich auf den Arko-

niden zu und versetzte ihm einen Tritt gegendie Schulter. Damit verhinderte er, daß derGetroffene aufs Gesicht fiel und sich selbstden Nagel tiefer in den Schädel trieb.

»Entferne den Nagel«, befahl Axton.Der Roboter gehorchte. Er säuberte das

Geschoß an der Kleidung des Arkonidenund reichte es dem Verwachsenen, der esgelassen in die Tasche steckte.

»Er wird's überleben«, sagte er. »Gib mirdie Pistole.«

Er nahm die Waffe entgegen und unter-suchte sie. Dann fluchte er ungehalten. DasMagazin war leer. Weder im Lauf, noch imNachladeschacht befand sich ein Pfeil. Kellydurchwühlte die Taschen des Verletzten,fand jedoch auch dort keine Munition. Ax-ton warf die Waffe weg. Unter diesen Um-ständen stellte sie nur unnützen Ballast dar.

Nun wandte sich Axton dem Ausflugs-schacht dieser Garage zu und stellte erleich-tert fest, daß er leicht geöffnet werden konn-te. Er suchte sich einen Gleiter aus, befahlKelly, das Steuer zu übernehmen und starte-te. Langsam schwebte die Maschine durchden Schacht nach oben und trieb dann vondem Trichterbau weg. Axton sah einige an-dere Gleiter, die in der Nähe auf dem Bodenstanden. Mehrere Arkoniden liefen auf siezu. Einer von ihnen feuerte einen Warn-schuß ab. Der sonnenhelle Energiestrahlstrich dicht vor der Frontscheibe vorbei. Ax-ton schloß geblendet die Augen. Kelly un-terbrach die Flucht jedoch nicht, sondern be-schleunigte mit Höchstwerten. Er schafftees, die Maschine schnell genug so zu lenken,daß sich ein Gebäude zwischen ihr und denVerfolgern befand. Auf diese Weise verhin-derte er einen weiteren Beschuß.

Damit war es jedoch noch nicht geschafft.Mit Höchstgeschwindigkeit raste der

Gleiter auf ein Vergnügungsviertel zu. Zwi-schen ihm und seinem Ziel befand sich kei-ner der Häscher Dirgoks.

Lebo Axton griff über die Schulter des

Roboters hinweg und schaltete das 3D-Gerätein, als er merkte, daß das Chronometer einevolle Stunde anzeigte. Wie erhofft, lief eineNachrichtensendung, in der über wichtigeEreignisse im Bereich des Imperiums be-richtet wurde. Abschließend erfolgte einAufruf an die Bevölkerung, dem Ordnungs-dienst bei der Fahndung zu helfen.

»… als des Mordes an dem HändlerBollpta überführt, gilt Lebo Axton.« Esschloß sich eine detaillierte Beschreibungdes Gesuchten an. »Die Erscheinung Axtonsist so auffällig, daß er leicht zu identifizierensein dürfte. Die Bevölkerung wird gebeten,nicht auf eigene Faust Jagd auf Axton zumachen, da dieser als gefährlich gilt. Er istbewaffnet und hat keine Hemmungen, vonseiner Waffe Gebrauch zu machen.«

»Das stimmt alles nicht«, stellte Gentle-man Kelly fest.

»Natürlich nicht«, erwiderte der Ver-wachsene. »Dirgok braucht jedoch einen gu-ten Grund, mich sofort zu erschießen, wenner mich findet.«

Der Gleiter erreichte die ersten Gassendes Vergnügungsviertels. Lebo Axton blick-te durch das hintere Fenster zurück. DieVerfolger näherten sich schnell.

»Dort hinüber«, befahl der Terraner unddeutete auf ein halbrundes Tor, das ausflammend rotem Licht zu bestehen schien.Zahlreiche Männer und Frauen drängtensich hinein.

»Die Spannungsbahn. Wir werden versu-chen, in ihr zu verschwinden.«

Der Gleiter landete und rutschte noch ei-nige Meter kreischend über den Boden. DieVerfolger jagten heran. Axton sah, daß sichdie Männer Dirgoks aus den Seitenfensternbeugten. Sie wagten jedoch nicht, auf ihn zuschießen, da sie sich nun mitten in der Men-ge befanden.

Gentleman Kelly hastete mit Axton durchdas Tor.

Lebo Axton warf einen Geldschein in denKassenautomaten und erhielt dafür mehrEintrittskarten, als er benötigte. Doch dasstörte ihn nicht.

Der Intrigant 37

Kelly eilte mit ihm zur Öffnung der Röh-re, die in steilem Winkel in die Tiefe führte.Er sprang hinein und beugte sich leicht vor,als der Sturz begann. Auf einem prallfeld-ähnlichen Energiekissen fielen sie ins Dun-kel. Sekundenlang geschah überhaupt nichts,in dieser Zeit krampfte sich Axton jedochunwillkürlich alles zusammen. Er weiteteseine Augen, obwohl ihm der Wind um denKopf pfiff, weil er nach dem geringstenLichtschimmer suchte, der sich ihm bietenkönnte. Über sich hörte er die Schreie derVerfolger, und dann blitzte es auf. Einer derJäger schoß mit seinem Energiestrahler indie Rohre hinein. Es wurde sonnenhell, sodaß Axton sich stöhnend einen Arm vor dasGesicht preßte. Schlagartig stiegen die Tem-peraturen an, doch reichte die Hitzewellenicht weit genug. Der Sturz verlief zuschnell, so daß Axton nun bereits außerReichweite war.

»Das wird Dirgok mir bezahlen«, schrieer.

Sie passierten ein Dunkelfeld, das wie einVorhang vor der Röhre gelegen hatte, so daßsie plötzlich und übergangslos in eine hellerleuchtete Hohlkugel gerieten, die von wal-lenden Farbfeldern erfüllt war. In ihnen be-wegten sich nahezu unbekleidete Mädchenim Rhythmus einer Musik, die direkt imKopf Axtons aufzuklingen schien. Sierutschten auf eine waagerecht verlaufendeBandstraße. Gentleman Kelly konnte sichaufrichten. Vor ihnen befanden sich etwazwanzig Männer und Frauen, die vergnügtlachend betrachteten, was die Hohlkugelbot. Der Roboter rannte mit seiner Last anihnen vorbei und schnellte sich in die näch-ste, abwärts führende Röhre. Axton ver-mochte nicht zu schätzen, wie tief sie sichnun bereits unter der Oberfläche des Plane-ten befanden. Es mußten mehrere hundertMeter sein.

Nun glitten sie nicht durch die Dunkel-heit, sondern durch eine Röhre, die einenDurchmesser von etwa zwei Metern hatte,und deren Wände substanzlos zu sein schie-nen. Axton war, als schwebe er durch Wol-

kenfelder, die ihre Farbe ständig wechselten.Doch er interessierte sich nur wenig für sei-ne Umgebung. Ständig blickte er zurück,weil er fürchtete, daß die Verfolger aufholenkönnten.

Auch diese Röhre endete abrupt. Plötzlichbefanden sie sich in einer Dschungelland-schaft, und ein grausig aussehendes Raubtiervon den Dimensionen eines terranischenElefanten stürzte sich auf sie. Der Verwach-sene schrie unwillkürlich auf. Dann jedochbegriff er, daß er nur auf eine optische Täu-schung hereingefallen war.

»Nach rechts, Kelly«, befahl er.Der Roboter verließ die Gleitstraße und

rannte in die Dschungellandschaft hinein,wobei er geschickt genug war, keine odernur geringe Spuren zu hinterlassen. Er setzteseine Füße immer nur dort auf, wo der Bo-den hart und fest zu sein schien. MehrereMale wurden sie von dreidimensional wir-kenden Projektionen angegriffen und er-schreckt. Axton hörte die Schreie der ande-ren Besucher, die wie sie auch von derHauptrichtung abgewichen waren. In ihnenmischte sich Angst und Vergnügen.

Dann prallte Kelly fast mit einem Arkoni-den zusammen, der unvermutet hinter einemBaum hervortrat. Der Mann hatte glasigeAugen und stand offensichtlich unter demEinfluß eines starken Betäubungsmittels. Erwich nicht aus, sondern blieb einfach stehen.Im letzten Moment konnte der Roboter sichabfangen. Lebo Axton aber wurde fast überdie Schultern nach vorn geschleudert.

In diesem Augenblick fiel ein Schuß.Ein nadelfeiner Energiestrahl zuckte auf

den Roboter zu und durchbohrte den Schä-del des Arkoniden. Lebo Axton ließ sich so-fort fallen. Er stürzte ins Gras und wälztesich blitzschnell hinter einen Baum.»Kommen Sie heraus, Lebo Axton«, rief derSchütze, der sich hinter einem mit Pflanzennahezu vollkommen bedeckten Felsen ver-steckt hielt. »Wenn Sie sich nicht stellen,werden wir Ihren Partner Butein an IhrerStelle töten. Er ist in unserer Hand.«

Kennon robbte sich durch eine Bodenrin-

38 H. G. Francis

ne weiter. Er kümmerte sich nicht um eineRiesenschlange, die sich geifernd auf ihnstürzte. Er wußte, daß sie nur eine Projekti-on war. Tatsächlich verschwand sie imNichts, als ihre blitzenden Zähne nur nochZentimeter von ihm entfernt waren.

Dann bemerkte er, daß sich ein tigerähnli-ches Wesen auf jemanden warf, der sichseitlich von ihm hinter einigen flachen Stei-nen befand. Entweder hatte er es mit zweiGegnern zu tun, oder der heimtückischeSchütze hatte seine Position gewechselt. Erkroch etwa zwei Meter zur Seite. Dort fander einen Stein. Er nahm ihn auf und warf ihnin einem Bogen genau dorthin, wo er denArkoniden vermutete. Ein unterdrückterAusruf bestätigte ihm, daß er sich nicht ge-irrt hatte. Der Schütze eilte geduckt weiter.

»He, du«, brüllte Axton.Der Arkonide fuhr herum. Seine Waffe

zuckte hoch. Doch schon wirbelte ein Nagelaus Arkonstahl auf ihn zu und fuhr ihm indie Brust. Der Getroffene brach stöhnendzusammen. Er wälzte sich auf dem Bodenund preßte die Hände auf die Wunde.

Gentleman Kelly sprang über mehrereMeter hinweg zu ihm hin, bückte sich undnahm die Energiestrahlwaffe auf, die ihmentfallen war. Er warf sie Axton zu, der siegeschickt auffing.

Der Verwachsene zielte auf den Arkoni-den, kniete sich vor ihm nieder und sagte:»Nun, wie stehts mit der Wahrheit? Washabt ihr mit Butein getan?«

»Ich habe solche Schmerzen.«»Wer versucht, jemanden zu ermorden,

muß damit rechnen, daß sein Opfer nicht da-mit einverstanden ist. Was ist mit meinemPartner?«

»Er ist verhaftet worden. Dirgok gibt ihnnur frei, wenn Sie sich stellen oder wenn wirSie getötet haben.«

»Sage Dirgok, daß er ein zu gefährlichesSpiel gespielt hat. Dort, wo er hergekommenist, hat man sich Gedanken über ihn gemachtund ist zu einem bemerkenswerten Schlußgekommen. An deiner Stelle würde ich esihm unbedingt sagen. Es ist vielleicht nicht

unwichtig für ihn, und ich hoffe, daß er sei-ne unsinnige Jagd auf mich aufgibt, wenn eres erfährt.«

»Ich verstehe nicht.«»Das ist auch gar nicht notwendig.«Lebo Axton stieg wieder auf den Rücken

des Roboters. Kelly eilte mit seiner Last da-von und sprang in die nächste Röhre.

»Wohin wollen Sie, Herr?« fragte er.»In die Wohnung des Händlers Bollpta.«»Dort wird man Sie schnell finden.«»Ganz im Gegenteil, Kelly«, entgegenete

Axton. »Das wird man nicht. Übrigens fändeich es recht angenehm, wenn du mir dasDenken überlassen würdest. Du verstehstnämlich herzlich wenig davon.«

Die Röhre endete vor der Tür zu einemHolzhaus, das Axton von seinem Stil her analte englische Landhäuser erinnerte. Ein un-angenehm kalter Wind kam aus dem Dunkelzur Rechten. Er veranlaßte den Verwachse-nen, Gentleman Kelly auf die Schulter zutippen.

»Los doch. Ins Haus.«Der Roboter eilte auf die Tür zu und öff-

nete. Bevor sie eintraten, blickte Axton sichnoch einmal um. Dies war der einzige Weg,der möglich erschien. Verfolger waren nichtzu erkennen, aber auch die Öffnung derRöhre, durch die sie gekommen waren, warnicht zu sehen.

Knarrend fiel die Tür hinter ihnen zu.Lebo Axton zog den Kopf ein, um nicht

gegen die niedrige Decke eines Zimmers zustoßen, das mit seltsamen Möbeln eingerich-tet war. Alles schien leicht verzerrt und ver-schoben zu sein. Es gab keine rechten Win-kel und keine parallelen Linien, keine Kreise– überhaupt nichts, was richtig zu sein schi-en. Die Möbelstücke waren alt und aus Holzgefertigt. Brauntöne überwogen. Axton fühl-te sich in eine längst versunkene Welt ver-setzt. Zwei Türen zweigten auf der linkenund der rechten Seite ab. Im Hintergrundführte eine mit einem Geländer verseheneTür nach oben.

Axton hörte jemanden verhalten kichern.Kurz darauf schrie eine Frau auf, doch der

Der Intrigant 39

Schrei wurde sofort erstickt, als ob ihr je-mand eine Hand auf den Mund gepreßt ha-be.

»Hier stimmt doch etwas nicht, Kelly«,sagte der Verwachsene leise. »Gehört dasnun noch zu den Scherzen der Spannungs-bahn, oder hat Aprit Dirgok auch hier seineHand im Spiel?«

Er deutete auf eine der Türen. Kelly öff-nete sie. Dahinter lag eine Kammer, die mitwertlosem Gerumpel bis unter die Decke ge-füllt war. Hinter der anderen Tür befand sichebenfalls abgestelltes, verstaubtes Mobiliar.

»Wir gehen die Treppe hoch.«Der Roboter mußte sich weit nach vorn

neigen, weil die Decke so niedrig war.»Laß mich herunter«, befahl er.Kelly eilte voraus, während Axton langsa-

mer folgte. Für ihn war es anstrengend, dieTreppe mit eigener Kraft hinaufzusteigen.

Irgendwo im Haus wimmerte jemand wiein höchster Angst. Die Stufen unter den Fü-ßen des Roboters knarrten so stark, daß Ax-ton zeitweilig befürchtete, sie könnten zu-sammenbrechen. Er blieb noch weiter zu-rück, um in einem solchen Fall nicht mit indie Tiefe gerissen zu werden.

Er fühlte sich nicht wohl in diesem Haus.Allzu langsam kamen sie voran. Dadurchwurden die Chancen Dirgoks immer besser.Er hatte Zeit, seine Leute um das Vergnü-gungsviertel zusammenzuziehen und ihn indie Enge zu treiben. Wenn er ihn hier erwi-schte, dann war es nicht besonders schwie-rig, ihn umzubringen. Die Illusionsmaschinewar zwar mit extremen Sicherheitsvorkeh-rungen versehen, sie bot aber auch zahlloseMöglichkeiten, jemanden verschwinden zulassen.

Das Haus kam Axton plötzlich wie eineFalle vor, die Dirgok ihm gestellt hatte.Mehr noch als zuvor lauschte er auf die Ge-räusche, die ihn umgaben. Er war nicht al-lein. Irgendwo in seiner Nähe befand sich ei-ne Frau. War sie in Gefahr? Wurde sie vonjemandem bedrängt, oder existierte sie nurals Tonbandstimme, die dazu diente, denBesuchern einen kalten Schauer über den

Rücken zu jagen?Mehr noch als zuvor wurde Axton sich

dessen bewußt, wie gefährlich seine Ent-scheidung gewesen war, in diesem Vergnü-gungspalast unterzutauchen. Er wußte nie,ob das, was auf ihn zukam, eine echte Ge-fahr darstellte oder nun zum Programm ge-hörte. Gelang es seinen Gegnern, in dieMaske der Programmfiguren zu schlüpfen,dann hatte er überhaupt keine Chance.

Die Treppe endete an einem Gang, vondem zahlreiche Türen abzweigten. An denWänden hingen die Bilder von ausgezehrten,bleichen Arkoniden. Als Axton die Darstel-lungen betrachtete, fiel ihm auf, daß sie alleetwas miteinander gemein hatten. Die abge-bildeten Personen fürchteten sich vor irgendetwas.

Kelly hatte das Ende des Ganges bereitserreicht. Er drehte sich zu Axton um undhob den Arm.

»Hier geht es weiter«, sagte er. In diesemMoment öffnete sich zwei Meter von Axtonentfernt eine Tür. Knarrend bewegte sie sichin ihren Angeln. Er blieb stehen und griffzur Waffe. Der Schatten eines Mannes fielauf die Tür. Eine Hand glitt auf sie zu. Sieumklammerte einen spitzen Gegenstand.Axton hob den erbeuteten Energiestrahler.

Ein Monteur in verschmutzter Arbeits-kleidung trat grinsend aus der Tür. Er hielteinen Schraubenzieher in der Hand.

»Die verdammte Tür dort öffnet sich im-mer von selbst, wenn jemand auf die Bretterdort tritt. Ich muß das Schloß in Ordnungbringen.« Er blickte Axton an und wollte dieTür wieder schließen, doch der Verwachse-ne trat schnell auf ihn zu und zielte auf sei-nen Kopf.

»Machen Sie Platz. Los doch.«Der Monteur ging rückwärts in den Raum

hinein. Gentleman Kelly hastete herbei. Erblieb in der offenen Tür stehen.

Lebo Axton kam in einen modern einge-richteten Raum. Unter einem Videogerätleuchteten Farbsymbole auf. In der Ecke lagein gefesselter Mann auf dem Boden. Er warnur noch mit Unterwäsche bekleidet.

40 H. G. Francis

»Das dachte ich mir doch«, sagte Axton.»Kelly, durchsuche ihn nach Waffen.«

Während der Roboter diesem Befehlnachkam, ging Axton zu dem Kommunikati-onsgerät und tippte eine fünfstellige Zahl indie Tastatur. Ein grünes Ruf licht leuchtetein Abständen von wenigen Sekunden auf.

Fast eine Minute verstrich, bis das mürri-sche und verschlafene Gesicht des Waffen-meisters auf dem Bildschirm erschien. Erzuckte unmerklich zusammen, als er LeboAxton erkannte.

»Sie?« fragte er verwundert. »Zu dieserTageszeit?«

»Ganz recht«, entgegnete der Verwachse-ne. »Ich habe eine kleine Bitte an Sie, Waf-fenmeister.«

»Hat das nicht bis morgen Zeit?«»Durchaus nicht. Wir können es uns nicht

leisten, Zeit zu verschenken.«»Sie machen mich neugierig.«»Sie sollten wissen, daß mein Partner Bu-

tein verhaftet worden ist.«»Verhaftet? Warum?«»Weil er mein Partner ist. Das ist der ein-

zige Grund. Dirgok glaubt, daß er mich da-mit erpreßen kann. Er will mich haben undhofft, daß ich mich stellen werde, damit Bu-tein entlassen wird.«

»Warum sagen Sie das nicht Dirgokselbst? Ich kann nichts für Sie oder Buteintun. Wenn Sie etwas angestellt haben, dannist das Ihre Sache.«

»Durchaus nicht, Waffenmeister. Ihr Pro-blem ist bekannt. Ihre Waffensysteme funk-tionieren nicht zuverlässig genug. Es gibtzuviele Ausfälle und sogar Explosionen. Siewissen genau, daß ich Ihre Probleme lösenkann.«

»Das ist richtig.«»Nun, dann will ich Sie nicht darüber im

unklaren lassen, daß unsere Zusammenarbeitbeendet ist, wenn Butein nicht freigelassenwird.«

»Axton, das können Sie nicht tun!«»Warum nicht? Was zwingt mich dazu,

Ihre Waffensysteme zu verbessern?«»Es gibt so etwas wie eine nationale Ver-

pflichtung.«»Pah. Große Worte, die nichts bei mir

zählen. Entscheiden Sie sich, was Ihnenmehr wert ist. Ich will Butein, und ich lassenicht mit mir handeln.«

»Wollen Sie mich erpressen?«»Nicht doch, Waffenmeister. Ich will nur

verhindern, daß Dirgok einen dummen Feh-ler macht, der sich zum Nachteil für die ar-konidische Flotte im Kampf gegen die Me-thanatmer auswirken muß, und unter demzwangsläufig auch Orbanaschol III. leidenwird. Es wird Ihnen doch nicht schwerfallen,Dirgok zu erläutern, wie falsch er sich ver-hält. Notfalls können Sie sich ja auch direktan Orbanaschol wenden.«

Lebo Axton schaltete das Gerät aus undließ den Waffenmeister mit seinen Proble-men allein. Er war fest davon überzeugt, daßder Ingenieur nun nicht länger in Haft blei-ben würde. Das konnte sich selbst ein Dir-gok unter den gegebenen Umständen nichtmehr leisten.

Damit war der erste Hieb, der wirklichempfindlich traf, gelungen. Aber er war nurder Anfang. Der Hauptschlag, der Dirgokvernichtete, sollte noch kommen.

Als Axton sich umwandte, sah er, daßGentleman Kelly gute Arbeit geleistet hatte.Der Monteur war frei, und Dirgoks Mannwar gefesselt.

»Wir verschwinden jetzt«, sagte der Ver-wachsene. Er winkte dem Angestellten desVergnügungspalastes kurz zu und wollte denRaum dann verlassen. In der Tür drehte ersich jedoch noch einmal um. »Da fällt miretwas ein. Vielleicht können Sie mir hel-fen.«

»Wenn ich es kann, will ich es gern tun.«»Sie haben wohl begriffen, daß dieser

Mann mich ermorden wollte. Draußen war-ten noch mehr gedungene Mörder auf mich.Können Sie mir einen Ausgang aus der Ma-schine zeigen, der nicht allgemein bekanntist? Vielleicht kann ich durch ihn entkom-men.«

»Selbstverständlich. Kommen Sie.«Er schritt eilfertig an Axton vorbei, wobei

Der Intrigant 41

er ihm einen scheuen Blick zuwarf. Die Na-men, die im Videogespräch gefallen waren,hatten ihm verraten, daß der Verwachsenekein bedeutungsloser Mann war.

Er öffnete die gegenüberliegende Tür undführte Axton und den Roboter über einenverstaubten Flur zu einer weiteren Tür, hin-ter der ein betonierter Gang lag, der nach et-wa fünfzig Metern an einer Stahltür endete.

»Er ist für Katastrophenfälle vorgesehen«,erklärte der Monteur. »Da hinten kommenSie in einer Garage heraus.«

Axton gab dem Roboter einen Wink. Kel-ly raste los. Er erreichte die Stahltür undkonnte sie mühelos öffnen.

»Alles in Ordnung«, teilte er mit.»Danke«, sagte Axton. »Gehen Sie jetzt

lieber.«Er wartete, bis der Mann die Tür ver-

schlossen und verriegelt hatte, dann rief erden Roboter herbei, stieg auf dessen Rückenund ließ sich tragen.

In der Garage hielt sich niemand auf. Ax-ton konnte einen Gleiter aufbrechen und mitihm starten.

Der Morgen brach an. In der Ferne starte-ten drei Raumschiffe. Über den Vergnü-gungsvierteln hatte sich ein milchiger Dunstgebildet, in dem hin und wieder das rote,grüne oder blaue Licht einer Reklameschriftaufleuchtete. Es sollte die Illusion der Fröh-lichkeit und Ausgelassenheit signalisieren.

Gentleman Kelly blieb stehen, als die Türins Schloß gefallen war.

»Sie machen einen Fehler, Herr«, sagteer.

Lebo Axton, der zu einem Sessel gehenwollte, fuhr wild herum.

»Du bist still«, rief er zornig. »Ich habedich zwar Gentleman getauft, aber duscheinst keine Ahnung davon zu haben, wasdas überhaupt bedeutet.«

»Ihre Vermutung ist richtig.«»Vermutung! Ich weiß es mit absoluter

Sicherheit.«»Dann haben Sie falsch formuliert.«»Es steht dir nicht an, mich zu kritisie-

ren.«

»Ich habe nicht kritisiert, ich habe korri-giert.«

Axton-Kennon lief rot an. Er griff nachseinem Strahler und richtete ihn auf den Ro-boter.

»Ein Wort noch, und ich vergesse alleVorteile, die mit dir verbunden sind.« Erschnaufte durch die Nase. »Soweit kommtes noch, daß ein Roboter Streitgesprächeführen darf. Es ist ein Wunder, daß diemenschliche Kultur noch nicht unter demTerror der Roboter zusammengebrochen ist.In zehntausend Jahren hätte unendlich vielpassieren können.«

»Solange gibt er noch keine Roboter.«»Eine derartige Bemerkung mußte ja

kommen«, sagte Axton verächtlich. Erschob den Strahler in den Gürtel zurück undwechselte das Thema. »Was für einen Feh-ler?«

»Es ist ein Fehler, sich in der Wohnungdes Händlers Bollpta zu verstecken. Hierwird man Sie sehr bald finden.«

»Ich komme immer mehr zu der Ansicht,daß du ein Narr bist. Du solltest darauf ver-zichten, mir Ratschläge zu geben. Wo kannman sich denn überhaupt besser verbergenals gerade dort, wo die Polizei ihre Ermitt-lungen abgeschlossen hat? Sie wird überallsuchen, nur nicht hier in der Wohnung desHändlers. Aber wenn man ein paar Kurz-schlüsse im Gehirn hat, kann man das natür-lich nicht begreifen.«

Axton setzte sich, schlug die Beine über-einander und blickte nachdenklich zum Fen-ster hinaus. Er konnte bis zu dem Übungsge-lände für Raumfahrer hinübersehen. Einzel-heiten waren bei der großen Entfernung al-lerdings nicht zu erkennen. Arbeitskolonnenwaren damit beschäftigt, die Reste der natür-lich gewachsenen Landschaft zu beseitigen,um die Fläche für die militärische Nutzungvorzubereiten.

Axton war fest davon überzeugt, daß ersich richtig entschieden hatte, als er in dievon den Untersuchungsbehörden versiegelteWohnung eingedrungen war. Es war ihm ge-lungen, das Siegel wieder so herzustellen,

42 H. G. Francis

daß eine Verletzung nicht erkennbar war.Hier wollte er abwarten.Irgendwann in den nächsten Tagen mußte

ein Kurier von Akkerek kommen. Er würdeInformationen über die Vergangenheit ApritDirgoks mit sich führen. Axton wußte, daßder Offizier es sich nicht leisten konnte, denKurier bis zu seinen Vorgesetzten, bis in dieMinisterien oder vielleicht gar bis zum HofOrbanaschols III. vordringen zu lassen. Dir-gok mußte etwas unternehmen. Er mußteden Kurier abfangen. Seine Aktivität aberwürde zugleich auch der unwiderlegbare Be-weis dafür sein, daß die Informationenstimmten, die der Kurier überbrachte, denngegen Lügen und Verleumdungen brauchteDirgok sich nicht allzu energisch wehren.Sie wären auch nur schwer zu beweisen ge-wesen. Die Vergangenheit Dirgoks ließ sichaber aufrollen, sobald einige seiner persönli-chen Daten besser bekannt wurden.

Lebo Axton hockte wie die Spinne imNetz und wartete. Das 3D-Gerät lief denganzen Tag, denn Axton war sich dessen si-cher, daß die Ankunft eines Kuriers von Ak-kerek gemeldet werden würde. In den Nach-richten wurden täglich ähnliche Besuche be-kanntgegeben.

Axton verfügte jedoch noch über einzweites Gerät, das er aus dem Gleiter ausge-baut hatte, mit dem er geflohen war. Erschloß es an das Stromnetz an und schalteteeinen Sender ein, der pausenlos nur überSchiffsbewegungen auf Arkon III berichtete.Sämtliche Starts und Landungen von Raum-schiffen wurden gemeldet. Dazu wurdenSchiffsdaten und Herkunft gemeldet, sofernkeine Nachrichtensperre vom Geheimdienstverhängt worden war.

Damit aber war im Falle eines Schiffesvon Akkerek nicht zu rechnen.

Axton wußte, daß er das Intrigenspiel ge-gen Dirgok so gut eingefädelt hatte, daß die-sem kaum noch ein Ausweg blieb. Abernoch war nicht alles getan, was getan wer-den mußte.

Gegen Mittag klopfte es zaghaft gegen dieTür.

Kelly öffnete, und der HauptingenieurEglo Butein trat ein. Er war nervös und sahverängstigt aus. Während der Roboter dieTür wieder so verschloß, daß das außen an-gebrachte Siegel wieder so aussah, als sei esin Ordnung, ging der Ingenieur auf Axtonzu. Er setzte sich neben ihm in einen Sesselund trocknete sich mit einem Taschentuchdie Tränen der Erregung ab.

»Sie müssen verrückt sein«, sagte er. »Ichverstehe Sie nicht. Wie können Sie sich hierverstecken?«

Lebo Axton erklärte es ihm.»Wenn Sie sicher sind, daß Ihnen nie-

mand gefolgt ist, brauchen wir uns keineSorgen zu machen«, sagte er abschließend.

»Mir ist niemand nachgeflogen. Ich habeeinen riesigen Umweg gemacht und binmehrmals in andere Taxigleiter umgestie-gen.«

»Dann ist es gut.«»Was haben Sie vor?«»Ich muß in die Wohnung Dirgoks.«Butein ließ sich nach hinten sinken. Er

schüttelte den Kopf.»Ich begreife nichts mehr. Haben Sie die

Absicht, Selbstmord zu begehen?«»Keineswegs, Partner. Mir kommt es dar-

auf an. Dirgok unsicher zu machen. Ich willihn bis an den Rand der Panik treiben, weiler dann genauso reagieren wird, wie ich esgeplant habe.«

»Warum ziehen Sie mich mit hinein? Wa-rum haben Sie mir vor einigen Tagen gesagt,daß ich unbedingt hierherkommen soll?«

Axton deutete auf das Videogerät.»Ich benötige jemanden, der sich die stän-

digen Durchsagen anhört. Kelly muß michbegleiten. Sie werden also hier bleiben unddiesen Freundschaftsdienst für mich erledi-gen.«

»Was ist, wenn man mich hier erwischt?«»Machen Sie sich keine Sorgen, Butein,

in einigen Tagen ist alles überstanden. Au-ßerdem – der Waffenmeister ist auf uns bei-de angewiesen. Er wird alles tun, was er füruns tun kann.«

Eglo Butein schüttelte den Kopf. Er sagte

Der Intrigant 43

nichts mehr, aber Lebo Axton sah ihm an,daß er nach wie vor äußerst skeptisch war.

*

Nach Einbruch der Dunkelheit verließenKelly und Axton das Trichtergebäude, indem der ermordete Händler Bollpta seineWohnung hatte. Ein Gleiter-Taxi, das sie miteinem Funkbefehl herbeigerufen hatten,wartete vor dem Hausgang des Gebäudes,das von sieben anderen Mietern mitbewohntwurde. Glücklicherweise schienen davon je-doch mehrere nicht auf Arkon III zu sein,denn nur selten einmal hatte Axton Ge-räusche wahrgenommen, die ihm sagten,daß sie nicht allein im Haus waren.

Sie erreichten einen Gebäudekomplex vonsieben Trichterbauten, die kreisförmig umein ausrangiertes Kugelraumschiff errichtetworden waren. Das Schiff stellte eine ArtDenkmal dar. Zahlreiche Gleiter bewegtensich zwischen den Trichtern hin und her. Einständiger Strom von Besuchern floß auchzwischen dieser' und anderen Ansiedlungenhin und her, so daß es riskant erschien, sichder Wohnung Dirgoks zu nähern.

Lebo Axton befahl dem Roboter, sich zubücken, so daß er von außen her nicht zu se-hen war. Er selbst lenkte die Maschine nunbis fast an die Dachterrasse des Trichtersheran, in der Dirgok wohnte. Niemand hieltsich hier oben auf.

»Übernimm das Steuer«, befahl der Ver-wachsene, während er den Gleiter an eineBank herandirigierte. Er sprang hinaus, undKelly flog davon.

Axton wartete einige Minuten ab, die erregungslos hinter der Bank verbrachte. Dannwar er sicher, daß niemand etwas bemerkthatte. Er löste sich aus seinem Versteck undbewegte sich lautlos über die Terrasse hin-weg. Dabei kam ihm zugute, daß er so kleinwar, denn die meisten Büsche und Staudenwaren so hoch, daß sie ihm über den Kopfhinwegreichten.

Axton eilte zu einem Abgang, öffnete dieTür und lauschte nach unten. Alles war still.

Vorsichtig schlich er eine Treppe hinunterund geriet in einen luxuriös eingerichtetenVorraum, der durch das von außen durch dieFenster hereinfallende Licht nur mäßig er-hellt wurde. Wiederum blieb er stehen undhorchte. Dann glaubte er, sicher sein zu kön-nen, daß sich niemand in der Wohnung auf-hielt. Er zog eine Tür auf und kam in einenweiträumigen Wohnsalon. Er legte seineHand auf eine Kontaktplatte. Das Licht gingan. Über einem Sessel lagen einige Uni-formteile, die jemand achtlos darüber ge-worfen hatte.

Axton lief zu einem Kommunikations-schrank, der unter einem Fenster stand, undschaltete das 3D-Gerät ein. Draußen war al-les ruhig, aber das würde sich bald ändern.Axton wußte, daß er an irgendeiner Stelleeinen Alarm ausgelöst hatte. In einigen Mi-nuten würde jemand hier eintreffen, umnachzusehen, wer eingedrungen war.

Axton schritt langsam an einer Wand ent-lang, die mit holzähnlichem Material vertä-felt worden war. An ihr waren einige Bilderbefestigt worden. Daneben hingen Schnitze-reien und rituelle Gerätschaften, die Dirgokvermutlich von Exkursionen zu exotischenPlaneten mitgebracht hatte. Dann aber stießAxton auf eine kaum wahrnehmbare Un-ebenheit. Er ließ seine Hand darüber gleitenund drückte sie danach fest dagegen, ohneeine Reaktion zu erzielen.

Er nahm den Strahler, richtete ihn gegendie Wand und feuerte ihn ab. Der nadelfeineEnergiestrahl setzte die Verkleidung inFlammen. Eine Platte platzte krachend her-aus und stürzte um. Dahinter lag die Panzer-tür eines Safes verborgen.

Der Verwachsene versuchte gar nicht erst,sie zu öffnen. Er feuerte mit seinem Strahlerauf sie, bis sich ihr Mittelteil in flüssige Glutverwandelte, und die Hitze so groß wurde,daß er zurückweichen mußte. Damit wurdezugleich aber auch alles zerstört, was sich indem Sicherheitsfach befunden hatte.

Axton fuhr herum und hastete die Treppezur Dachterrasse hinauf. Er vernahm, daßsich jemand an der Haupteingangstür zu

44 H. G. Francis

schaffen machte.Im Dachgarten hielt sich niemand auf. Ein

Gleiter raste heran. Gentleman Kelly stießdie Seitentür auf. Lebo Axton schleuderteseine Waffe von sich, stieg in die Maschineund lehnte sich in die Polster zurück. DerRoboter beschleunigte. Axton blickte zu-rück, konnte aber keine Einzelheiten mehrauf der Terrasse erkennen.

Als sie kurz darauf in der Wohnung desHändlers eintrafen, saß Eglo Butein vor demFernsehapparat, so wie es ihm aufgetragenworden war.

»Gut, daß Sie kommen«, sagte er. »EinKurierschiff von Akkerek ist soeben ange-kündigt worden. Es wird auf dem AYA-Ha-fen landen.«

»Wieviel Zeit haben wir noch?«»Eine Stunde etwa.«»Das sollte genügen.«»Wozu? Um zum AYA-Hafen zu kom-

men? Dafür benötigen Sie nur ein paar Mi-nuten.«

Axton schüttelte den Kopf. Er lächelte un-merklich.

»Nein, ich – dachte an Sie, Partner.«Butein wich vor ihm zurück. Seine ganze

Haltung drückte Abwehr und Ablehnungaus.

»Was wollen Sie von mir?«»Ich benötige eine Eppter-Automatik mit

wenigstens zehn Schuß.«»Was wollen Sie mit einem solchen Ge-

wehr?«»Das sollte Sie nicht interessieren.«»Es interessiert mich aber.«»Warum?«»Weil ich nicht gewillt bin, die Waffe für

einen Mord zu liefern.«»Sie können beruhigt sein, Butein. Ich ha-

be nicht vor, jemanden zu töten. Ich möchtevielmehr verhindern, daß jemand umge-bracht wird.«

»Ich verstehe dennoch nicht, weshalb Siedieses Spezialgewehr benötigen. Sie wissen,daß die Ladung der Geschosse eine extremeHitze nach dem Aufschlag entwickelt?«

»Die ist es ja gerade, die ich nutzen will.«

Das Lächeln auf dem Gesicht des Verwach-senen vertiefte sich. »Nun fürchten Sie, bit-te, nicht, daß ich vorhabe, eine Brandstif-tung zu begehen. Auch dafür würde ich einderartiges Gewehr nicht benötigen. Also –beschaffen Sie eines?«

Butein streckte die Hand aus.»Das kostet etwas.«»Sie sind ein netter Mensch, Partner. Si-

cherlich strecken Sie mir die Summe vor.«Eglo Butein kaute auf seinen Lippen. Ax-

ton sah ihm an, daß er sich am liebsten vonihm getrennt hätte. Dazu aber mochte der In-genieur sich nicht durchringen. Das großeGeschäft lockte noch immer.

»Also gut«, sagte der Ingenieur. »Ich wer-de es tun.«

»Beeilen Sie sich«, erwiderte Axton. »Siewissen ja selbst, daß wir kaum noch Zeit ha-ben.«

»Hetzen Sie mich nicht auch noch!«»Regen Sie sich nicht auf, Partner. Es ist

der letzte Dienst, den ich in dieser Sachevon Ihnen erwarte. Danach können Sie aus-schließlich Ihrer Ingenieursarbeit nachge-hen.«

»Mehr werde ich für Sie auch nicht mehrtun.«

Eglo Butein kehrte schon nach etwazwanzig Minuten mit einem Gewehr zurück,das sich äußerlich kaum von jenen Waffenunterschied, die auf der Erde bis zur Ent-wicklung der Energiestrahlwaffen in Ge-brauch sein würden. Lebo Axton nahm esund blickte durch das Zielfernrohr. Er nicktezufrieden.

»Es liegt ausgezeichnet in der Hand«,sagte er lobend. »Danke.«

»Kann ich jetzt gehen?«Axton überlegte kurz.»Sie können mir nun kaum noch helfen«,

erklärte er. »Die Entscheidung läßt nichtmehr lange auf sich warten. Wenn es IhnenSpaß macht, verfolgen Sie das Geschehenum den Kurier Akkerek. Sie können natür-lich auch hautnah dabei sein. Wollen Sie?«

Butein hob abwehrend die Hände.»Sie können sich Ihre ironischen Worte

Der Intrigant 45

sparen, Axton. Ich werde nicht bei Ihnenbleiben. Wann sehen wir uns wieder?«

»Ich melde mich bei Ihnen.«»Mir fällt auf, daß Sie Ihre Energiestrahl-

waffe nicht mehr haben. Wo ist sie?«»Ich benötige sie nicht mehr. Deshalb ha-

be ich sie in der Wohnung meines Gegnerszurückgelassen.«

»Warum?« fragte Butein überrascht. »Erkönnte herausfinden, daß Sie es waren, derin seine Wohnung eingebrochen ist.«

»Das«, antwortete Axton lächelnd, »istgenau das, was er wissen soll.«

»Sie wollen ihn unsicher machen? Er sollglauben, daß Sie etwas Wichtiges entdeckthaben?«

»So ungefähr, Partner.«Eglo Butein merkte, daß Axton nicht ge-

willt war, ihm eine klare Auskunft zu geben.Er verabschiedete sich und ging.

8.

Das trichterförmige Gebäude war nur et-wa fünfhundert Meter von dem einstöckigenKontrollgebäude des AYA-Raumhafens ent-fernt, der in einem völlig flachen, bäum- undstrauchlosen Land lag. Lebo Axton hatte esgeschafft, das Haus durch die subplanetareGarage zu betreten und in einem Antigrav-schacht bis auf die Dachterrasse zu kom-men. Die Dachanlage wurde als Restaurantgenutzt. Raumoffiziere der höheren Rängenahmen hier ein leichtes Abendessen einoder fanden sich zur Unterhaltung zusam-men.

Auch hier hatte Lebo Axton Glück. Er er-reichte den Eingang und schlüpfte dort so-fort unter einige Büsche, ohne daß ihn je-mand sah. Er kroch in guter Deckung bis anden Rand der Terrasse und folgte danach derRundung des Trichters, bis er eine freieSicht auf den Vorplatz des Raumhafens hat-te. Er blickte auf sein Chronometer.

Wenn Butein die Wahrheit gesagt hatte,dann blieben noch etwa zwanzig MinutenArkonzeit bis zur Landung. Vor dem Kon-trollgebäude parkten ungefähr zwanzig Ta-

xigleiter.Fünf Minuten verstrichen, ohne daß etwas

geschah.Axton blieb gelassen. Er zweifelte nicht

daran, daß es ihm gelungen war, Aprit Dir-gok nervös zu machen. Der Offizier konntees sich nicht leisten, nichts zu tun. Er mußteetwas unternehmen, wenn er diese Intrigeunbeschadet überleben wollte. Sein Nachteilwar, daß er seinen Gegner zwar kannte, abernicht packen konnte. Wäre Axton eine Per-son gewesen, die ebenfalls in Offizierskrei-sen oder am Hof Orbanaschols III. verkehr-te, dann hätte Dirgok ebenfalls gegen ihn in-trigieren und ihm ein Bein stellen können,ohne dabei zu so plumpen Mitteln wie einerpolizeilichen Fahndung greifen zu müssen.Mit subtileren Schachzügen hätte er konternkönnen, ohne dabei sein Gesicht zu verlie-ren. Jetzt aber war er zu einem Spiel um Al-les oder Nichts gezwungen worden. Und daskonnte ihm gar nicht behagen. Damit hatteAxton-Kennon ihn in die Ecke gedrängt.

Fünf Minuten später landeten zwei Gleiterauf dem Parkplatz. Aus jedem von ihnenstiegen vier Uniformierte aus. Sie setztensich in die freien Taximaschinen und flogenmit ihnen davon. Kurz darauf kamen dreiGleiter, und wiederum stiegen je vier Män-ner aus. Danach war der Parkplatz leer.

Lebo Axton spitzte die Lippen und pfifflautlos vor sich hin. Damit hatte er gerech-net. Sein Plan ging auf. Er hatte gewußt, daßDirgok handeln würde.

Einige Minuten vergingen, dann flog eineeinzelne Maschine ein, landete, und ein Uni-formierter stieg aus. Er ging um den Gleiterherum, öffnete die Haube über dem Anti-grav und schloß sie sofort wieder. Axton be-obachtete ihn durch das Zielfernrohr der Au-tomatik. Er konnte nicht erkennen, was derMann tat, aber er wußte es auch so.

Sekunden darauf landete das kugelförmi-ge Raumschiff. Axton schwenkte das Ge-wehr herum. Mit Hilfe des Zielfernrohrskonnte er selbst in der Dunkelheit deutlichdie Beschriftung neben der Hauptschleusedes Schiffes lesen. Es war der Kurierraumer

46 H. G. Francis

von Akkerek.Hin und wieder horchte Axton auf die Ge-

spräche der Männer, die nur wenige Schrittevon ihm entfernt waren. Keiner von ihnenahnte, daß er hier in den Büschen lag.

Ein einzelner Mann verließ das Raum-schiff und ging zum Kontrollgebäude hin-über. Er trat schon wenig später auf denParkplatz hinaus und ging auf den einzelnenGleiter zu, der dort parkte.

Lebo Axton legte die Automatik an undzielte sorgfältig. Dann zog er den Auslöserdreimal durch. Leise fauchend schossen dieProjektile aus dem Lauf. Sie schlugen amRande der Gleitertür an und bildeten unterder Verschalung drei Hitzeherde, unter de-nen die Metallplastik schmolz.

Als der Kurier von Akkerek Sekundendarauf versuchte, die Tür zu öffnen, hattesich das Material miteinander verschweißt.Er rüttelte am Griff. Ohne Erfolg. Etwas rat-los blickte er sich um.

Ein Gleiter jagte heran, verzögerte starkund landete neben ihm. Durch das Zielfern-rohr beobachtete Axton Gentleman Kelly,der die Seitentür seines Gleiters einladendöffnete. Der Kurier zögerte. Er klemmte sichseine Tasche unter den Arm und sah sich er-neut suchend um.

Der Roboter stieg aus der Maschine, gingzu dem Gleiter, dessen Türen Axton ver-schweißt hatte, schlug das Seitenfenster einund drückte einige Tasten. Sie startete undentfernte sich schnell. Doch schon nach et-wa zweihundert Metern schoß ein blauerBlitz seitlich aus dem Heck, das Taxi stürztewie ein Stein ab und bohrte sich mit demBug in den Boden. Dabei wurde es vollkom-men zertrümmert. Jeder Insasse wäre auf derStelle getötet worden.

Der Krach hallte bis zum Restaurant.Lebo Axton hörte, daß die Gespräche ver-

stummten und zahlreiche Männer an denRand der Terrasse liefen, von wo aus sie ei-ne gute Sicht auf die Absturzstelle hatten.

Der Kurier stieg nun in den Gleiter Kel-lys. Der Roboter startete und jagte mit derMaschine davon. Er flog in südlicher Rich-

tung. Dort befand sich der Trichterbau, indem der Militärbeobachter von Akkerek sei-ne Wohnung hatte.

Die Offiziere diskutierten erregt miteinan-der. Daß ein Gleiter abstürzte, war eine Sen-sation. Normalerweise waren diese Maschi-nen mit soviel Sicherheitseinrichtungen ver-sehen, daß selbst bei einem Totalausfall desAntigravs keine Katastrophe eintreten konn-te.

Axton verlor keine Zeit. Er ließ das Ge-wehr liegen, kroch eilig durch die Büscheund erreichte wiederum ungesehen den Ein-gang. Als er sich davon überzeugt hatte, daßdieser von niemandem beobachtet wurde,schlüpfte er hinaus und sprang in den ab-wärts gepolten Liftschacht. Voller Ungeduldschwebte er nach unten. Er fand, daß er vielzu langsam transportiert wurde. Jeden Mo-ment konnten über ihm Offiziere oder Be-dienungspersonal erscheinen und ihn ent-decken. Auch aus den tiefer gelegenen Räu-men konnte jemand in den Schacht kom-men.

Er hatte Glück. Auch in der Garage hieltihn niemand auf. Er stieg in den Gleiter, dener dort zurückgelassen hatte, und startete. Erflog zunächst nach Norden, schlug dann je-doch einen weiten Bogen ein und richteteden Bug der Maschine ebenfalls nach Sü-den. Er fragte sich, was Aprit Dirgok jetzttat. Längst mußte der Offizier wissen, daßder von ihm geplante Anschlag gescheitertwar. Natürlich konnte er den Kurier nunnicht unbeachtet lassen. Er mußte mehr nochals vorher versuchen, ihn aufzuhalten, bevorer seine Informationen abgeben konnte.

*

Lebo Axton landete in der Garage einesHauses, das nur knapp zweihundert Metervon dem Trichterbau entfernt war, in demder akkerekische Militärbeobachter sein Bü-ro hatte. Im Antigravschacht schwebte ernach oben. Dabei konnte er absolut sichersein, daß ihn niemand beobachtete, denndieses Gebäude war ein Jugendgarten und

Der Intrigant 47

wurde nur am Tage benutzt. Für einen Spe-zialisten wie Kennon, war es eine Kleinig-keit gewesen, die robotischen Sicherungenzu überwinden, ohne einen Alarm auszulö-sen.

Er betrat einen Konstruktionsraum, indem die Schüler eigene Experimente durch-führen und technische Ideen realisierenkonnten. Von dem großen Seitenfenster auskonnte er zum Nachbarhaus hinübersehen.

Irgend etwas war nicht in Ordnung.Das war ihm bereits klargeworden, als er

den Gleiter Kellys nicht in der Garage vor-gefunden hatte. Es gab nur eine Möglichkeit.Der Kurier von Akkerek hatte darauf bestan-den, zum Büro geflogen zu werden. Der Ro-boter hatte sich seinem Befeni nicht ver-schließen können. Nur vier Fenster warendrüben erleuchtet. Axton bedauerte, daß erdas Spezialgerät liegengelassen hatte. Jetzthätte er das Zielfernrohr gut gebrauchenkönnen, um damit die Vorgänge drüben zubeobachten. Aus dieser Entfernung konnteer mit bloßem Auge kaum etwas erkennen.

Er verließ den Konstruktionsraum wiederund schwebte im Schacht nach unten. Dannverließ er den Trichter wieder durch die Ga-rage, ließ seinen Gleiter jedoch dort stehen.

Das Licht der zahllosen Sterne erhellte dieNacht etwa so stark, wie es der Mond aufder Erde tat. Büsche und verkrüppelte Bäu-me boten ihm ausreichend Deckung, als erzum anderen Gebäude hinübereilte. Er er-wartete, daß Dirgok angreifen würde. Irgendetwas mußte geschehen.

Er atmete mühsam, als er sein Ziel er-reicht hatte, und mußte sich auf einen umge-stürzten Baum setzen, um sich wieder zu er-holen. Seine Lungen schmerzten, und dieMuskeln seiner Beine zuckten vor Schwä-che. Derartigen Anstrengungen war er kaumgewachsen. Jeder Verfolger hätte ihn nunmühelos überwinden können. Aber Axtonhatte Glück. Niemand näherte sich ihm.

Als er wieder ruhiger atmen konnte, betrater das Haus, fuhr jedoch sofort zurück undversteckte sich draußen, als ein Arkonide imAntigravschacht nach unten kam. Er glaub-

te, daß der andere ihn entdeckt hatte, aber al-les blieb ruhig. So konnte er wenig späterwiederum eintreten. Dieses Mal war derLiftschacht frei. Er schwebte darin nachoben und betätigte den Melder an der Türdes akkerekischen Büros.

Der militärische Beobachter blickte ihnstirnrunzelnd an, als er die Tür öffnete.

»Wollen Sie mich nicht eintreten lassen?«»Sie sind …«»Ich bin der Mann, der Ihre Regierung ge-

warnt hat. Das sollte doch wohl genügen.«Der Beobachter trat zur Seite und ließ Ax-

ton ein.»Sie werden von der Polizei gesucht.«»Nicht von der Polizei. Von Dirgok. Und

warum wohl?«Axton ging in das Büro, in dem ein hage-

rer Arkonide in einem Sessel saß. Er erkann-te sofort den Kurier wieder, den er bishernur durch das Zielfernrohr gesehen hatte.Der Akkereker trug das Haar kurz und hattees über dem linken Ohr zu einem dünnenZopf geflochten.

»Ich sehe, daß mein Roboter Sie unbe-schadet hierher gebracht hat«, sagte der Ver-wachsene und setzte sich unaufgefordert.»Sind Sie sich aber auch darüber klar, daßSie hier keineswegs sicher sind.«

Der Beobachter nahm hinter seinem Ar-beitstisch Platz.

»Wollen Sie damit sagen, daß Dirgok eswagen wird, ein Attentat in diesem Gebäudeauf uns zu verüben?«

»Ich halte das für möglich.«Der Kurier schüttelte den Kopf.»Mit meinem Tod hätte er doch nichts ge-

wonnen. Er hätte nur einen Aufschub er-reicht, aber nicht mehr.«

»Sie irren sich. Er hätte Zeit, mich zu ja-gen. Er ist mir dicht auf den Fersen. Ichweiß, daß ich mich nicht mehr lange haltenkann. Einige Tage würden ihm genügen, Ge-genaktionen einzuleiten und dafür zu sorgen,daß Akkerek keinen zweiten Kurier sendenkann. Deshalb kommt es entscheidend dar-auf an, daß Sie Ihr Ziel erreichen. Sie müs-sen Ihre Informationen an die Hauptkom-

48 H. G. Francis

mandanten von Arkon III überbringen. Da-nach ist Dirgok erledigt, und Sie brauchennichts mehr für Akkerek zu befürchten.«

»Was schlagen Sie also vor?« fragte derBeobachter.

»Sie müssen dieses Haus sofort verlas-sen«, erklärte Axton. »Je schneller Sie sichdazu entschließen, desto besser.«

Der Beobachter schüttelte den Kopf.»Hier sind wir sicher. Es kann einfach

nichts passieren.«»Seien Sie vernünftig. Sie gehen kein Ri-

siko ein, wenn Sie diese Nacht woandersverbringen, irgendwo an einem Ort, der Dir-gok unbekannt ist.«

»Kein Risiko?« fragte der Kurier.»Warum sollten wir Ihnen vertrauen?«

»Habe ich Ihnen nicht bereits bewiesen,daß ich auf Ihrer Seite bin? Mein Roboterhat Sie davor bewahrt, in einem präpariertenGleiter zu verunglücken.«

»Wer sagt mir, daß Sie es nicht waren, derden Gleiter …?«

Der Kurier stockte. Eine dumpfe Explosi-on erschütterte das Gebäude. Unmittelbardarauf heulte eine Alarmsirene auf.

»Feuer«, rief der Beobachter. »Jemandhat Feuer gelegt.«

Er rannte zur Tür, bevor Axton ihn auf-halten konnte. An ihm vorbei konnte derVerwachsene sehen, daß die Flammen ausdem Antigravschacht schlugen. Der Militär-beobachter ließ die Tür wieder zufallen.Verstort blickte er Axton an.

»Der Weg nach unten ist versperrt.«»Wir gehen nach oben auf die Dachterras-

se«, rief der Kurier.»Halt«, sagte Axton energisch. »Das wer-

den Sie nicht tun. Dort oben werden mit Si-cherheit in wenigen Minuten Gleiter vonDirgoks Leuten erscheinen. Wenn Sie in ei-ne dieser Maschinen einsteigen, sind Sie sogut wie tot.«

»Was können wir tun?« fragte der Beob-achter. »Irgend etwas müssen wir doch un-ternehmen.«

»Achtung!« brüllte der Verwachsene. Erließ sich zu Boden fallen. Im nächsten Mo-

ment klirrten die Scheiben. Der Bug einesGleiters bohrte sich durch das Fenster.

»Wenn die Herrschaften einsteigen wol-len …?« sagte Gentleman Kelly höflich. Eröffnete die Seitentüren der Maschine.

»Schnell«, rief Axton. Er sprang auf undnahm die Kuriertasche an sich. Kelly zogihn in den Gleiter. Die beiden Arkonidenvom Planeten Akkerek folgten Augenblick-lich. Sie krochen auf die hintere Sitzbank.

Axton arbeitete blitzschnell. Er öffnetedie Tasche, nahm die Dokumente heraus, diedarin lagen, schob sie sich unter sein Hemdund wechselte sie gegen unbeschriftete Blät-ter aus. Dann schloß er die Tasche wiederund reichte sie nach hinten. Dieser Aus-tausch erfolgte so schnell, daß weder der Be-obachter, noch der Kurier etwas davon be-merkten. Als Lebo Axton wieder nach vornblickte, löste sich der Gleiter aus dem Fen-ster und schwebte nach draußen.

»Steil nach unten«, befahl der Verwachse-ne. Kelly gehorchte. Der Gleiter schien ab-zustürzen. Unmittelbar über dem Boden fingder Roboter ihn jedoch wieder ab. »Wir stei-gen aus. Die Maschine kann allein weiter-fliegen.«

Er wartete die Zustimmung der anderengar nicht erst ab, sondern ließ sich aus deroffenen Tür fallen. Kelly tippte ein neuesZiel in die Tastatur, und die Akkereker be-griffen, daß man ihnen keine Wahl ließ. DieMaschine stieg bis in eine Höhe von etwazehn Metern auf und raste in nördlicherRichtung davon.

Kelly bückte sich. Axton kletterte auf sei-nen Rücken, wandte sich zu dem Kurier unddem Beobachter um und schrie: »Zu demGebäude dort drüben. Dort vermutet unsniemand. Aber schnell, verdammt nochmal.«

Er hieb Kelly die flache Hand auf denSchädel. Der Roboter rannte los. die beidenAkkereker eilten hinterher.

An diesen Sekunden näherten sich von al-len Seiten automatische Löschgleiter undzahlreiche Flugmaschinen, die mit Neugieri-gen besetzt waren. Die Flammen schlugen

Der Intrigant 49

aus den Fenstern des Gebäudes. Offenbarkamen die automatischen Selbstschutzein-richtungen nicht mit, oder sie waren vor demBrandanschlag von dem Attentäter so be-schädigt worden, daß sie sich nicht einschal-ten konnten.

Auf dem Roboter mit seiner Last und diebeiden Akkereker achtete niemand. Unange-fochten erreichten sie den Jugendgarten.

Lebo Axton wachte auf, weil es so ruhigwar.

Zunächst wußte er nicht, wo er war. Dannerkannte er die Laboreinrichtungen und be-griff.

»Kelly!«Die Tür öffnete sich. Der Roboter trat ein.

Axton atmete unwillkürlich auf. Er blicktedurch das Fenster hinaus. Das Gebäude ne-benan war vollkommen ausgebrannt. Im hel-len Tageslicht waren die Zerstörungen deut-lich zu erkennen.

»Wo sind sie?«»Sie sind bereits aufgebrochen.«Axton war hellwach.»Sie sind weg?« schrie er und sprang von

dem Tisch, auf dem er geschlafen hatte. »Duhast es zugelassen, daß sie ohne mich star-ten?«

Sein Gesicht rötete sich vor Zorn. Er griffnach einigen Laborgläsern und schleudertesie nach dem Roboter, der ihnen jedochspielerisch leicht auswich.

»Wie konntest du das zulassen, du Mißge-burt?«

»Sie haben mir den Befehl erteilt, Sieschlafen zu lassen, Herr. Sie brauchten dieRuhe dringend, denn Sie hatten einen Gradder Erschöpfung erreicht, der …«

»Still, ich will nichts mehr hören.« Axtonnäherte sich dem Roboter keuchend. »Undbleib stehen!«

Er warf Kelly ein großes Prüfungsglas anden Kopf. Der Roboter bewegte sich nicht,so daß der Verwachsene sein Ziel diesesMal nicht verfehlte. Axton atmete auf.

»Du bist der minderwertigste Roboter, dermir je begegnet ist«, sagte er. »Ich begreifenicht, daß ich auf dich hereinfallen konnte.

Schnell, wir müssen hinterher.«

*

Eine Gruppe hoher Offiziere verließ dasHauptgebäude des größten Raumhafens vonArkon III. Sie durchschritten eine Gasse, diezwischen zwei Hundertschaften angetretenerSoldaten freigelassen worden war. Am Endedieses Weges lag ein breiter, roter Teppich,über den hinweg die Offiziere in die Schleu-se eines Kugelraumschiffs kommen konn-ten. Eine Militärkapelle spielte ein Stück, indem Orbanaschol III. verherrlicht wurde.

Die Offiziere kamen jedoch nicht bis zudem roten Teppich, denn ein Gleiter senktesich überraschend herab und landete aufdem Teppich. Die Maschine war von unge-lenker Hand mit den Symbolen der akkere-kischen Imperiumswelt versehen worden.Zwei Männer stiegen aus.

Die Gruppe der Offiziere war schockiertstehengeblieben. Eine derartige Verletzungmilitärischen Zeremoniells war bisher nochnicht vorgekommen.

Die beiden Akkereker näherten sich derGruppe schnell. Zehn Meter vor ihr bliebensie jedoch stehen. Einer von ihnen trat nocheinen weiteren Schritt vor. Er trug das Haarkurz und hatte es über einem Ohr zu einemkurzen Zopf geflochten.

»Ich habe wichtige Informationen meinerRegierung zu überbringen«, erklärte er mitlauter Stimme.

*

Lebo Axton fluchte ununterbrochen, als erzusammen mit Gentleman Kelly in einemGleiter auf den größten Raumhafen Arkonszuflog.

»Wenn wir zu spät kommen, demontiereich dich, Kelly«, sagte er mehrmals. »Das istwahrhaftig keine leere Drohung.«

Der Roboter antwortete nicht. Er be-schleunigte die Maschine bis zu den Höchst-werten. Bald näherten sie sich dem Raumha-fen.

50 H. G. Francis

Erst über dem Hauptgebäude verzögerteKelly den Gleiter, wobei er ebenfalls bis andie Grenze der Belastbarkeit ging.

»Da unten ist er«, rief Axton. Er stieß dieTür auf und sprang auf das Dach des Kon-trollgebäudes hinaus, stürzte und rollte eini-ge Meter weiter. Er erhob sich wieder, alssei nichts geschehen. Deutlich konnte erAprit Dirgok sehen. Der Offizier stützte sei-ne Hand auf den Kolben seines Energie-strahlers.

Axton hörte, daß der Kurier etwas sagte,verstand ihn jedoch nicht. In diesem Mo-ment hob Dirgok seine Waffe und schoß.Der Energiestrahl fuhr fauchend an dem Ku-rier vorbei und tötete den Militärbeobachter.

»Nein«, schrie Lebo Axton.Er spannte das Elastikband zwischen zwei

Fingern. Er zog mit ganzer Kraft. Ein Stahl-nagel wirbelte mit ungeheurer Wucht durchdie Luft.

Der Kurier wandte sich zur Flucht. Erkam jedoch nur zwei Schritte weit, dannbohrte sich ein sonnenheller Energiestrahldurch seinen Körper. Seine Kleider und sei-ne Tasche gingen in Flammen auf. Er stürztezu Boden.

Mehrere Offiziere warfen sich auf Dirgok,der seine Waffe fallen ließ und seine Handschreiend gegen die Schulter preßte.

»Verdammt«, sagte Axton. »Es ist zuspät.«

Mehrere Offiziere blickten zu ihm hinauf.Er ließ seine primitive Waffe fallen und hobbeide Hände.

»Tötet ihn!« schrie Dirgok. »So tötet ihndoch endlich.«

Doch niemand schoß.Lebo Axton blieb stehen, wo er war. Der

Gleiter mit Gentleman Kelly am Steuerschwebte in einigen Schritten Entfernungvon ihm über dem Dach. Er hätte durch dieoffene Tür auf seinen Sitz springen können.Er tat es nicht.

Mehrere Raumfahrer kamen durch einenAufgang aufs Dach hinauf. Sie richteten ihreWaffen auf den Verwachsenen, schossen je-doch nicht, da er deutlich zeigte, daß er sich

ergeben wollte. Sie führten ihn ab.Zwei Tage später öffnete sich die Tür zu

der Zelle zum erstenmal.»Herauskommen«, befahl ein bewaffneter

Arkonide.Lebo Axton glitt von der einfachen Liege

herunter, auf der er die beiden Tage ver-bracht hatte, und ging vor dem Mann her bisin einen großen Raum, in dem etwa zwanzigOffiziere versammelt waren. Unter ihnen be-fand sich auch Dirgok. Haßerfüllt blickte derOffizier ihn an. Lebo Axton stellte fest, daßer nicht bewaffnet war. Diese Tatsachenahm er als gutes Zeichen. Auf den Befehleines der Offiziere setzte er sich auf einenHocker, der an einer kahlen Wand stand.

Ein weißhaariger Mann mit auffallendbreiten Schultern und dicken Tränensäckensaß hinter einem Tisch. Er stützte seine El-lenbogen auf die Tischplatte und blickte Ax-ton durchdringend an.

»Wir erwarten eine Erklärung«, sagte er.»Es ist eigentlich schon aller berichtet

worden«, entgegnete der Verwachsene ru-hig. »Sie müßten mittlerweile die Zusam-menhänge kennen. Aprit Dirgok ist ein Ver-räter, der den Auftrag hatte, Orbanaschol III.zu ermorden. Seine Befehle hat er von Ak-kerek bekommen. Doch dann hat er sich ge-gen seine Auftraggeber gewandt. Die politi-schen Verhältnisse haben sich geändert. DerKurier von Akkerek kam in der Absicht,Dirgok zu entlarven. Das konnte dieser na-türlich nicht zulassen. Er verlor die Nerven,als er sich am Ende seiner Karriere sah. Wasweiter geschah, wissen Sie.«

»Das ist eine ziemlich abenteuerliche Be-hauptung«, erwiderte der Offizier. »Wir ha-ben die Reste dessen untersucht, was in derKuriertasche gewesen ist. Sie enthielt nichtsals leere Blätter.«

»Ich weiß«, sagte Axton. »Was der Kurierüberbringen wollte, befindet sich unter mei-ner Kleidung. Gestatten Sie mir, es heraus-zuholen, ohne daß ich befürchten muß,gleich über den Haufen geschossen zu wer-den?«

»Bitte.«

Der Intrigant 51

Lebo Axton erhob sich, öffnete sein Hemdund nahm die Dokumente darunter hervor,die Aprit Dirgok eindeutig überführten. Erlegte sie vor dem Offizier auf den Tisch.

»Wenn Sie das gelesen haben, dann wer-den Sie auch wissen, warum Mosselcrin vonDirgok ermordet wurde. Mosselcrin verfügtenämlich über eben diese Informationen.«

Der Vernehmungsoffizier las die Doku-mente durch. Lebo Axton beobachtete Dir-gok. Der Mann, der das große Spiel verlorenhatte, blickte haßerfüllt auf ihn herab. Axtonlächelte spöttisch. Dirgok hatte keine Chan-ce mehr. Er war verloren. Er mußte für dieMorde bezahlen, die er begangen hatte.

Vielleicht war er mittlerweile wirklich einabsolut zuverlässiger Anhänger Orbana-schols III. geworden. Wenn es so war, dannwar dieser Sieg um so wichtiger. Die ganzeIntrige hatte im Grunde genommen mit Dir-gok gar nichts zu tun. Sie hatte nur deneinen Zweck, den jungen Atlan zu unterstüt-zen, und ihm – Axton – zu Einfluß zu ver-helfen.

Der Vernehmungsoffizier hob den Kopf.Ohne sich umzudrehen, befahl er: »FührenSie Dirgok ab.«

Er reichte die Dokumente einem anderenOffizier zur Einsicht. Dann wandte er sichLebo Axton zu.

»Und nun zu Ihnen. Sie sind frei. Wirdanken Ihnen für die Dienste, die Sie uns er-wiesen haben.«

»Mir blieb nichts anderes übrig«, erwider-te Axton bescheiden. »Ich habe in Notwehrgehandelt, ohne viel zu leisten. Die Hauptar-beit hat der Militärbeobachter von Akkerekerledigt.«

Der Vernehmungsoffizier verzog keineMiene.

»Sie können in Ihr Hotel zurückkehren,Lebo Axton, aber halten Sie sich bereit. Ineinigen Tagen möchte ich mehr von Ihnenwissen. Sie werden mir sagen müssen, werSie wirklich sind und woher Sie kommen.«Axton-Kennon verneigte sich leicht.

»Es wird mir ein Vergnügen sein«, be-hauptete er, während sich ihm der Magenverkrampfte. Noch wußte er nicht, wie er dieFragen beantworten sollte.

Einer der Offiziere führte ihn hinaus. Ersagte etwas, aber Axton hörte nichts. Er warmit dem Problem beschäftigt, das auf ihn zu-kam und seine Existenz bedrohte.

ENDE

E N D E

52 H. G. Francis