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1 elementar Der Kindergarten als Arbeitsplatz für Männer Implikationen für Elementarpädagogik und Geschlechterpolitik 20.11.2014 Österreichisches Institut für Familienforschung, Universität Wien Mag. Dr. Bernhard Koch Fakultät für Bildungswissenschaften, Universität Innsbruck [email protected] http://www.uibk.ac.at/psyko/forschung/aktuelle_projekte.html men in early childhood education and care

Der Kindergarten als Arbeitsplatz für Männer - oif.ac.at · men in early childhood education and care ... Organisation angesprochen z.B. gegen „männerfördernde ... („lernende

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elementar

Der Kindergarten

als Arbeitsplatz für Männer Implikationen für Elementarpädagogik und Geschlechterpolitik

20.11.2014

Österreichisches Institut für Familienforschung,

Universität Wien

Mag. Dr. Bernhard Koch

Fakultät für Bildungswissenschaften,

Universität Innsbruck

[email protected]

http://www.uibk.ac.at/psyko/forschung/aktuelle_projekte.html

men in early childhood education and care

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elementar

men in early childhood education and care

Basis: eigene Forschungen („elementar“, „WINN“,

„Strategien“)

Vernetzung, EECERA

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elementar

men in early childhood education and care

Was ist ein

Kindergarten?

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elementar

men in early childhood education and care

….ein Ort, an dem sich Frauen um Kinder

kümmern“

Bernhard Koch - OMEP XXVI

World Congress 2010, Göteborg

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elementar

men in early childhood education and care

Elementarpädagogik in

Österreich: Tradition

Der Beruf hat eine Tradition als Ersatz

für „Mütterlichkeit“ und der Arbeitsplatz

als Ersatz für „das mütterliche Heim“.

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Anstieg der Zahl der weiblichen Arbeitskräfte

elementar

men in early childhood education and care

0

10000

20000

30000

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50000

1980/81 1985/86 1990/91 1995/96 2000/01 2005/06 2009/10

Frauen Männer

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elementar

men in early childhood education and care

Wer profitiert von gemischtem Personal?

Kinder (Vielfalt)

Team (Kommunikation….)

Elementare Bildung (Aufwertung)

Männer (als Fachkräfte, als Väter)

Frauen (als Fachkräfte, als Mütter)

Gesellschaft (Geschlechtergleichstellung)

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Gründe für den geringen Männeranteil

elementar

men in early childhood education and care

• Gehalt

• Image

• Zugänge zu Kindern, Ausbildungsmöglichkeiten

• Missbrauchsverdacht

• Architektur und Räume

• „Kindergartenkultur“

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Interesse an einer Arbeit mit Kindern

elemen tar

Männer in der pädagogischen Arbeit mit Kindern

(sehr interessiert und interessiert)

51

33

28

14

29

78

44

54

0 10 20 30 40 50 60 70 80 90

Fußballtrainer für

Kinder

Babysitter

Leitung von

Jugendgruppen

Praktikum in

Kindergarten oder

Hort

Mädchen

Burschen

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grundsätzliches Interesse an einer Arbeit

im Kindergarten oder Hort

elemen tar

Männer in der pädagogischen Arbeit mit Kindern

(sehr interessiert und interessiert)

24

60

0 10 20 30 40 50 60 70

Mädchen

Burschen

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Männlicher Hauptschüler einer

ländlichen Kleingemeinde auf die

Frage, was passieren müsste, dass

er die BAKIP besucht:

Männer in der pädagogischen Arbeit mit Kindern

elemen tar

„Wenn man da Traktor fahren kann“

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elementar

men in early childood education and care

Ein Viertel der männlichen Jugendlichen meint,

männliche Kindergarten-pädagogen sind keine

„richtigen Männer“!

Ein Viertel ist selbst grundsätzlich an einer

Arbeit mit Kindern interessiert

Der Kindergarten

als Arbeitsplatz

für Frauen und Männer

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Beschäftigungssituation

Männliche Mitarbeiter ...

… haben weitaus seltener eine BAKIP besucht

… sind beim Berufseinstieg älter als Frauen

… haben im Durchschnitt weniger

Berufserfahrung als ihre Kolleginnen

… arbeiten häufiger Vollzeit

… sind oft einziger Mann in ihrer Einrichtung.

Männer in der pädagogischen Arbeit mit Kindern

elemen tar

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Gemeinsamkeiten und Unterschiede in

Bezug auf Mädchen und Buben

elementar

men in early childhood education and care

• Keine Unterschiede im Verhalten zwischen männlichem und weiblichem

Personal (Kuger et al. 2011)

• Mehr sichere Bindungen des weiblichen Personals zu Mädchen (Ahnert

2006)

• stärkere Kontakte zwischen männlichem Personal und Buben; „Männer als

„mehr zulassend“ (permissiv) (Aigner et al. 2013)

• Männer können positive Auswirkungen auf die Vielfalt der Lernaktivitäten

haben („bedienen andere Inhaltsbereiche“) (Brandes et. al. 2013)

• Insgesamt: Frauen zeigen Präferenzen für ruhigeres Spiel, Männer

bewerten Bewegungsaktivitäten höher (Sandberg & Pramling-Samuelsson

2005)

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elementar

men in early childhood education and care

Unterschiede aus Sicht der Männer

23,6

39,1

34,5

5,5

5,5

33,3

39,8

62,7

56,4

63,6

78,2

40,9

64,7

57,4

13,6

4,5

1,8

16,4

53,6

2

2,8

0% 20% 40% 60% 80% 100%

Klare

Anw eisungen

geben…

Den Kindern mehr

zutrauen

Mehr Spiele im

Freien machen…

Kinder trösten

Bastelangebote

machen…

Kampfspiele

machen

Körperbetont

spielen…

eher ich

ich sehe da eher keinen

Unterschied

eher meine Kollegin

Unterschiede aus Sicht der Frauen

29,4

6,4

2,8

37,6

48,1

0,9

6,5

65,1

76,1

76,1

61,5

49,1

55,6

65,4

5,5

17,4

21,1

0,9

2,8

43,5

28

0% 20% 40% 60% 80% 100%

Klare

Anw eisungen

geben…

Den Kindern

mehr zutrauen

Mehr Spiele im

Freien

machen…

Kinder trösten

Bastelangebote

machen…

Kampfspiele

machen

Körperbetont

spielen…

eher ich

ich sehe da eher keinen

Unterschied

eher mein Kollege

Gemeinsamkeiten und Unterschiede

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elementar

men in early childhood education and care

Kindergarten Kindergarten

Dominanz weiblicher

Normen, Aktivitäten,

Symbole,

Erziehungsvorstellungen

„Männerwelt“

Männliche Normen,

Aktivitäten, Symbole,

Erziehungsvorstellungen

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Implikationen für die

Geschlechterpolitik

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Im ECEC-Bereich muss die Fokussierung auf den Begriff

“gender” in Frage gestellt werden

• In fast allen Berufsgruppen oder Führungspositionen ist der geschlechtliche

Körper des Personals für die Arbeit und dessen Ergebnisse relativ

unbedeutend.

• Für Kindergartenkinder allerdings hat der geschlechtliche Körper des

betreuenden Personals als Ausgangspunkt für Lernerfahrungen und

Selbstkonzepte der Herausbildung der Geschlechtsidentität durchaus

Bedeutung. Männer im Kindergarten repräsentieren auch den „anderen“

Körper und bereichern dadurch die Erfahrungswelt der Kinder.

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„Männerförderung“ ist noch nicht in den Köpfen verankert

• Viele EntscheidungsträgerInnen wurden mehr als 20 oder 30

Jahre von der Frauen- und Mädchenförderung begleitet.

• In manchen Interviews werden Widerstände in der eigenen

Organisation angesprochen z.B. gegen „männerfördernde

Formulierungen“ in Stellenausschreibungen.

• In Aussicht gestellte Maßnahmen wie „Ausbildungskurse nur für

Männer“ werden nach Intervention der Genderbeauftragten

wieder zurückgenommen.

• Es wurden Hinweise gefunden, dass sich große Teile des

Personals in Ausbildungseinrichtungen kaum für eine

geschlechtlich ausgewogene Schülerschaft interessieren.

• Eine Entschließung des österreichischen Parlaments im Jahr

2010 zu „Maßnahmen zur Erhöhung des Männeranteils in

erzieherischen Berufen“, wurde vier Jahre später erneut

eingebracht, weil in der Zwischenzeit nichts passierte. „Es ist

niemand oben, dem das wichtig ist“, meinte ein ehemaliger

Parlamentarier im Interview.

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Eine Angst vor „take over“ behindert oder verzögert die Einführung

von Maßnahmen

• Eine weibliche Führungskraft im Interview „ (…) also, ich habe es ein

bisschen mitbekommen so aus frauenengagierter Seite, dass die

Angst haben, wenn jetzt Männer in ihren Stammbereichen sich

einmischen, dass dann sehr rasch auch die Leiterposition männlich

besetzt ist oder dass sich das dann gleich umdreht (…) , ist jetzt nicht

meine Meinung, aber ich habe es schon gehört“.

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6

25

7

17

49

16

10

40

10

6

32

11

0 10 20 30 40 50 60

Wenn mehr Männer in Kindergärten arbeiten, würden sie Frauen Arbeitsplätze wegnehmen.

Das sehe ich schon als…

Wenn mehr Männer im Kindergarten arbeiten,würden sie Frauen Leitungspositionen streitig

machen. Das sehe ic...

Ich bin gegen Fördermaßnahmen für Männerim Elementarbereich, weil professionell und

gendersensibel ausgebil...

Bildung

Männerförderung

Frauenförderung

Elementarpädagogik

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Personen der Frauenpolitik befürworten

„Männerförderungs-Maßnahmen“ in geringerem Ausmaß

als Personen des ECEC-Sektors

• Viele Studien zeigen, dass Personen des ECEC Sektors und der

Gender-Politik in hohem Ausmaß mehr Männer im Kindergarten

begrüßen (Farquhar 2012, Cremers et al 2010, Aigner/Rohrmann

2012).

• Ein Vergleich zeigt allerdings, dass viele Maßnahmen von

GenderexpertInnen weniger Zustimmung als von ECEC-Personal

erhalten: So sind nur etwa drei Viertel der GenderexpertInnen für

„Männerförderungspläne“, für spezielle „men-only Kurse“, für eine

Männerförderung bei Ausschreibungstexten oder für eine

Steigerung des Männeranteils auf 40 – 50% auf allen Ebenen –

wie bei Frauenförderungsplänen üblich. Finanziellen Anreizen

stimmen gar nur mehr etwa 50% zu.

• Das ist überraschend, da die abgefragten Maßnahmen diversen

Frauenförderungsplänen entlehnt wurden.

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99

100

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83

92

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95

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62

84

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76

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67

100

100

100

85

100

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85

85

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90

80

80

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96

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89

88

66

80

73

79

68

63

0 20 40 60 80 100 120

Sollten mehr Männer tätig sein?

Aufwertung Berufsfeld

Wer für Frauenförderung auftritt kann nichtgegen

Anreicherung des Kindergartens mit "männlich"konnotierten Elementen

Kampagne von Bund und Ländern

Männerföderungspläne für erzieherische Berufe

Finanzielle Anreize - vergleichbarFrauenförderungsplänen

Männerförderung bei Ausschreibungstexten

Kurse speziell für Männer

Steigerung des Männeranteils auf 40 - 50% aufallen Ebenen

aktive Suche nach männlichen Bewerbern

"Männerquote" für Ausbildungseinrichtungen

Elementarpädagogik

Frauenförderung

Männerförderung

Bildung

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elementar

men in early childood education and care

Innovationen: Eine Leiterin über einen männlichen Schüler:

„ich habe ….gedacht, dass sie das Gleiche können sollten“. Der Praktikant

„ hatte den Auftrag mit Kindern mit Kastanien was zu machen,

normalerweise kommt man dann immer also mit netten Körben oder Dosen,

wo dann die Kastanien drinnen sind und stellt sie in die Mitte, das ist

irgendwie so, wie man es halt gelernt bekommt und der kam also mit einem

alten verblichenen Supermarkt-Sack, in dem er halt die Kastanien

gesammelt hat und geht so in den Kreis und leert einfach so diesen Sack

aus und die Kastanien fallen auf den Boden und ich denke mir ‚um Gottes

Willen, wie präsentiert er das jetzt’ und habe ihn dann beobachtet und bin

dann eigentlich während der Arbeit darauf gekommen, völlig egal, also es

geht wirklich nicht um das, sondern einfach dann um das Persönliche, wie

er dann mit den Kindern arbeitet, wie er mit den Kindern Kontakt hat und die

Kinder motiviert. Das ……ist eigentlich das Wesentliche und das hat dann

bei diesem Schüler so toll funktioniert, dass das Ergebnis dann Spitze war

und ich mir gedacht habe, da muss man einfach selber einen Schritt

wahrscheinlich von sich zurück, gut, die haben einfach andere, für die ist es

nicht so wichtig“.

26

elementar

men in early childhood education and care

Hohe Männeranteile dort, wo …… • Rollenklischees verstärkt aufgebrochen sind, wie etwa in

größeren Städten (bis zu 10%)

• „alternative Ansätze“ in höherem Ausmaß verwirklicht sind

(Outdoor-Kindergärten 30%; offene bzw. elternverwaltete

Kindergärten, 10% )

• eine generelle „Offenheit“ des Teams vorhanden ist

(„lernende Organisation“),

• Geschlechterparität als Einrichtungsprofil etabliert wurde

• geschlechterpolitische Maßnahmen von Regierungen,

Kommunen oder Trägern gesetzt werden (10 - 20% bei

einzelnen Trägern)

• Nationale Bildungsausgaben im Elementarbereich

überdurchschnittlich hoch sind (9%, Dänemark)

• „Breitbandausbildungen“ vorhanden sind (9%, Dänemark)

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elementar

men in early childhood education and care

Generelle Strategien

• Außendarstellung des Kindergartens als professionelle

Bildungseinrichtung

• Kampagnen zur generellen Bedeutung von Männern für Kinder

• finanzielle Aufwertung der gesamten Elementarpädagogik

entsprechend der Bedeutung für das lebenslange Lernen

• größere Durchlässigkeit von Ausbildungen

• Gezielte erwachsenengerechte Qualifizierungsmaßnahmen für

männliche Quereinsteiger

• verstärkte Burschen und Männerberatung („Entschärfung der

Gegner“)

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elementar

men in early childhood education and care

Generelle Strategien:

• Öffnung des Kindergartens nach außen, Transparenz gegenüber

Eltern, Politik und Öffentlichkeit

• Mehr „andere“ Kindergärten (Reggio-orientierte Kindergärten,

Waldkindergärten, offene Kindergärten etc.) mit modernen

pädagogischen Konzepten

• höheres Einstiegsalter und Ausbildungen für Erwachsene

• Erweiterung der Geschlechterforschung und –politik um die

Perspektive von Männern

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elementar

men in early childhood education and care

Beispiele für Kampagnen und Maßnahmen

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elementar

men in early childhood education and care

Norwegen: Handlungspläne der Regierung

• „Demonstrationskindergärten“ mit einem

Männeranteil von mind. 20% erhalten zusätzliche

finanzielle Mittel

• Rekrutierungsteams (von Ausbildungs-

einrichtungen organisiert; jeweils 5000 €/Jahr)

• Nationale Webseite

• Stellenanzeigen, die Männer auffordern, sich zu

bewerben

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elementar

men in early childhood education and care

Kinder

brauchen

(auch) Männer! Wollen Sie den Kinder-

garten- oder Hortalltag

mitgestalten? Schülerhort

in Innsbruck sucht männli-

chen Helfer/Assistenten.

Keine Ausbildung erforder-

lich. Voraussetzung: Begei-

sterung in der Arbeit mit

Kindern. Weitere Aus- und

Fortbildungen möglich.

[email protected]

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elementar

men in early childhood education and care

„Weil wir das

wollen“ Warum habt ihr Männer im Team?

Zusammenfassend lassen sich Kindergärten, die als Arbeitsplatz

für Frauen und Männer gelten können, folgendermaßen

charakterisieren (vgl. Koch 2014b):

• Generelle Offenheit des Trägers, der Leitung und des Teams

für Innovationen

• Hohes Niveau von Selbstreflexion und Fortbildungsbereitschaft

• Integration „moderner“ Konzepte

• Öffnung zu den Eltern („Familienzentren“, elternverwaltete

Kindergärten)

• Vorhandensein sowohl von „weiblich konnotierten“ als auch von

„männlich konnotierten“ Symbolen, Körpern, Werthaltungen,

Dingen, Verhaltensweisen.

• Geschlechterparität als Konzeptionsbestandteil

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elementar

men in early childhood education and care

Neue Bilder prägen uns

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Danke für Ihre Aufmerksamkeit

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men in early childhood education and care