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© Copyright Sauerlander Heimatbund Gefordert durch Der Ministerprasident des Landes Nordrhein-Westfalen KREIS Sauerländer Heimatbund SAUERLAND SHB Meschede Sauerlaender Heimatbund

Der Ministerprasident des Landes Nordrhein-Westfalen · Stadtrechte erlang- te das friihe Acker- burger-Stadtchen immer mehr an Bedeutung, Balve wurde eine Stadt der Bierbrauer, Handwerker

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Gefordert durch

Der Ministerprasident des Landes Nordrhein-Westfalen

KREIS

Sauerländer Heimatbund SAUERLAND

SHB Meschede Sauerlaender Heimatbund

ISSN 0177-8110 K2767

Nr. 2/Juni 2004 Zeitschrift des Sauerlander Heimatbundes

SAUERLAND

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19.09. Joapira'c. *» ^. * If *

seres Landes

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Konzertbeginn

Vorverkauf

Veranstalter

Jewells 17.00 Uhr Einlass ab 16.30 Uhr

Hellweg Ticket www.hellweg-ticket.de 's Bei alien Sparkassen in der Region und den bekannten Vorverkaufsstellen. Restkarten eine Stunde vor Veranstaltungsbeginn an der Konzertkasse.^ Sitzplatze/freie Platzwahl. Keine Platzreservierung moglich! ^•

Heimatverein Mohnesee e.V. w^vw.moehnesee.de

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SAUERLAND NR. 2/2004 63

SAUERLAND Nr. 2/Juni 2004 Zeitschrift des Sauerlander Heimatbundes

iten/

Hdchgeleht

mit dem Erdenstaub:

die Setmsucht nach Licht

Befreit

aus den Kerkern

tijrichten Zweifelns

wachst baftvoll der QIaube

himmelwarts

Freude

in a Hem was lebt.

denn irn Wehen des Qeistes

gewinnt diese Welt

das Leuchten

gottiicher Garten zuriici:

i-lochgeweht

mit dem Erdenstaub:

die Sehnsucht nach Licht

... unddusgegossen

aus pflngsttielien Wolken

regnet die Liebe

heut' iJber das Land

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Fotos: Friedhelm Ackermann

Aus dem Inhalt

Gcschichte

Ein Zeitdokument uber den ersten Sauerlander Heimattag nach dem Zweiten Weltkrieg im August 1951 in Balve 70

Die Heimat Balve e. V.: „Heimat unserer Vater, Zukunft unserer Kinder" 71

Ein Liederbuch fiir Industriesciiulen aus dem Umkreis des Pfarrers, Gesang- buchherausgebers und Schulreformers Melchior Rudolf Herold (1753-1810) 90

Engelbert Seibertz - Leben und Werk des groBen sauerlandischen Portrat- und Historienmalers 94

Balve - eine lebendige Stadt 66

Das „Romantische Honnetal" 76

Ein Hof im Sauerland wird 600 Jahre alt 97

Mauersegler 98

Heimat • Kultur

Jahreshauptversammlung des Sauerlander Heimatbundes in der Balver Hohle 64

Die Balver Hohle - vom Felsenriss zur Konzerthalle 72

Kulturelle und naturliche Umwelt miteinander vereinbaren 79

Jahrestagung der Christine-Koch- Gesellschaft e. V. 82

Verdienstmedaille der Bundesrepublik fur Hans-Martin Koster 83

Hohe Auszeichnung fur das Museum in Holthausen 84

Jahresprogramm 2004 der Christine-Koch-Gesellschaft 85

Plattdeutscher Tag in Cobbenrode 86

Gedenktag zur Sakularisation der Benediktiner-Abtei Grafschaft/Schmallenberg 87

Die Restaurierung der gotisch-barocken Orgel in St. Andreas, Ostonnen/Soest 92

Gruben-Event 96

Rezensionen • Personalicn

Leserbriefe 104

Bilcher • Schrifttum 101

Personalien 109

Unser Titelbild fotografierte Friedhelm Acker- mann am Klosterberg in Meschede.

Mitarbeiter dieses Heftes auf Seite 108

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64 SAUERLAND NR. 2/2004

Jahreshauptversamitilung des !§»auerlancler Heimatbundes in der Balver Hohle am 28. August 2004

or 53 Jahren fand die 3. Jahreshauptversamm- lung des Sauerlander Hei-

matbundes nach dem 2. Welt- krieg in Balve statt. In diesem Jahr ruft der Biirgermeister der Stadt Balve, Manfred Roter- mund, den Heimatfreundinnen und Heimatfreunden aus nah und fern ein herzliches Will- kommen zu, wird doch seine Stadt am 28. August 2004 er- neut Gastgeber der Jahres- hauptversammlung des Sauer- lander Heimatbundes sein.

Ebenso sehr freuen sich iiber den Besuch aus der „alten Hei- mat" die „Helmwacht Balve" mit ihrem Vorsitzenden Werner Ahrcns, wirkt sie doch seit der kommunalen Neugliederung 1975 als „Tochter" aus dem kurkolnischen Sauerland im Markischen Kreis, ohne der „Familie" untreu zu sein. An der Grenze zwischen dem kurkolni- schen Gebiet und der Gemar- kung Mark in dem landschaft- lich reizvollen Honnetal am Fufie des Balver Waldes liegt die Stadt seit der kommunaleh Neugliederung im Osten des Markischen Kreises und grenzt mit den Ortsteilen Eisborn, Beckum, Mellen und Langen- holthausen an den Hochsauer- landkreis.

Der Sauerlander Heimatbund ist geladen in die „Balver Hohle", nicht um sich zu ver- stecken, sondern in dem einma- ligen Flair der groBten Kultur- hohle Deutschlands - gerettet vor der Sprengung 1947 durch die Heimwacht Balve ! - eine si-

cherlich auBergewohnliche Jah- reshauptversammlung abzuhal- ten. AuBergewohnlich auch deshalb, weil nicht nur der Ta- gungsort, sondern auch die HI. Messe in Form des „plattdeut- schen Gottesdicnstes" in Zu- sammenarbeit mit der Schiit- zenbruderschaft St. Sebastian Balve in der Balver Hohle vor- gesehen sind.

Musikalisch werden das Dop- pelquartett des Mannerchors

1874 Balve und das Blaser- quintett des Musikvereins Balve die Jahreshauptversammlung um 10.00 Uhr eroffnen und die Balver Heimwacht mit einer plattdeutschen Darbietung die Besucher erfreuen.

Neben GruBworten, Jahres- bericht des Vorsitzenden, Wah- len und notwendigen Regulari- en halt Staatsminister Wolfram Kuschke, Staatskanzlei Diissel- dorf, das Referat: „Heimat und

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SAUERLAND NR. 2/2004 65

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Balve - eine lebendige Stadt uon Manfred Rotermund, Burgermeister

Vor 350 Mio. Jahren bedeckte West- falen ein warmes Flachmeer. Korallenrif- fe vor seiner Nordkuste boten vielen Meerestieren Lebensraum. Aus ihren Kalzitschalen entstanden in Jahrmillio- nen gewaltige Massenkalklager. Bei Eis- born, dem nordlichsten Ortsteil von Bal- ve, erreicht der Massenkalk eine Tiefe von 1000 m. Balves Stadtmitte liegt am sudwestlichen Auslaufer dieses Lagers.

Die heutige Oberflachengestalt des Sauerlandes wird von einer weltweiten Gebirgsfaltung vor 65 Mio. Jahren be- stimmt. Seitdem wurden Gebirgskamme abgetragen, Taler mit Erosionsschutt aufgefuUt. Aus Spalten und Rissen im Kalksteinmassiv entstanden kleine und groBe Hohlen in und um Balve. Die be- kanntesten sind heute die Reckenhohle als Tropfsteinhohle und die Balver Hoh- le als groBte Kulturhohle Deutschlands. BHck auf Balve von der Piuskapelle

Stadtwappen

Tausende von Fundcn aus Hohlen und freier Flur belegen das Kommen und Ge- hen von Volksgruppen, ihre Fahigkeit, Arbeitstechniken zu vervollstandigen und ihre Lebensformen zu verbessern.

Germanische Siedler erreichten um die Zeitenwende das Honnetal (Ausgra- bungen bei Garbeck/Kuntrop 100 n. Chr.). 500 Jahre spater lebten sachsi- sche GroBfamilien auf ausgedehnten

Foto: Stadtverwaltung weitere Fotos = Friedhelm Ackermann

Hofanlagen entlang der Honne. Sach- senherzog Widukind besaB um 780 in und um Balve Familiengiiter.

Die alteste urkundliche Erwahnung des Ortes Balve wird mit dem hi. Ludger in Verbindung gebracht, an dessen Grab im Jahre 864 ein blindes Madchen sein Augenlicht wiederfand. So jedenfalls be- richtet es ein Monch der Abteikirche zu Werden bei Essen. Die urkundliche Er-

Erhebliche Klimaschwankungen prag- ten Vegetation, Flora und Fauna, Dauer- frostboden wechselten mit Tundren, Steppen, Gras-, Busch- und Waldland- schaften. In Kaltzeiten lebten hier Mam- mut, Hohlenbar, Wollhaarnashorn und Eisfuchs, in Warmzeiten Waldelefant, Nashorn, Nilpferd, in gemaBigten Peri- oden Ren, Wildpferd und Wisent. Der Neandertaler wanderte vor mehr als 100 000 Jahren ins Honnetal. Einen arktischen KaltevorstoB vor etwa 40 000 Jahren uberlebte er nicht.

10 000 Jahre spater durchstreifen Horden des Cro-Magnon-Menschen Taler und Hohen des Balver Raumes. Ih- nen folgten Stamme anderer Kulturen. Eine kulturgeschichtliche Wende setzte im 4. Jahrtausend ein: Ackerbauern, Viehziichter und Waldhirten verdrangten endgultig den nomadisierenden Jager und Sammler. Kath. Pfarrkirche St. Blasius

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Stufenportal mit T];mpanon

wahnung weist zuglelch auch auf die fruhe Christianisierung des heimischen

Propper-Hoffmeister-Denkmal

Raumes hin. Die erste christliche Gemeinde ent- stand wahrschein- lich im 9. Jahr- hundert als Toch- terkirche der Ur- pfarrei Menden.

Die geschichtliche Entwicklung in den folgenden Jahr- hunderten wurde weitgehend von ihrem politischen Schicksal als Ort an der Grenze zwi- schen kurkolni- schem Gebiet und der Gemarkung Mark bestimmt. So gehorte Balve bis 1368 zur Graf- schaft Arnsberg und kam hierauf mit der Grafschaft zum Erzbistum Koln, eine Bin- dung, die durch Jahrhunderte be- stehen blieb. Das Jahr 1430 brachte dem Ort an der Grenze die Verlei-

hung der Stadtrechte durch den Kolner Kurfiirsten und Erzbischof Dietrich II.

von Moers. Mit der Verleihung der Stadtrechte erlang- te das friihe Acker- burger-Stadtchen immer mehr an Bedeutung, Balve wurde eine Stadt der Bierbrauer, Handwerker und durchreisenden Handler. Balve durfte im Ubrigen Jahrmarkte aus- richten, die auch iiberregional ge- schatzt warden, wie beispielsweise der Michaelis- oder Andreasmarkt.

Als sich unter dem Einfluss der franzo- sischen Revolution

das Gesicht des alten Europa zu wandeln begann, gerieten die Balver kurze Zeit (1802 bis 1815) unter hessische Herr- schaft, bevor Balve 1815 an PreuBen ging. Wahrend die preuBische Verwal- tungs-, Kultur- und Mllitarpolitik auch in Balve nicht ohne Einfluss blieb, hinterlieB die beginnende Industrialisierung ihre Spuren. Erzbergbau, Metallverarbeitung und Kalkindustrie lauteten eine neue Zeit ein. So stammt aus den Anfangen des 18. Jahrhunderts das bemerkenswerte Kulturdenkmal von nationaler Bedeu- tung, die .,Luisenhutte" in Balve-Wock- lum. Es handelt sich hier um die einzige Hochofenanlage dieser Art in Mitteleu- ropa, die im funktionsfahigen Zustand erhalten ist.

Die in den ersten Jahrzehnten unseres Jahrhunderts einsetzende rasante Ent- wicklung brachte fur Balve zunachst kei- ne wesentliche Strukturverbesserung. Die verkehrstechnisch ungiinstige Lage des Ortes an der mittleren Honne, seine von Land- und Forstwirtschaft gepragte Infrastruktur machten es den Einwoh- nern schwer, wirtschaftlichen Anschluss zu halten oder gar zu gewinnen. Erst seit den 70er Jahren ist auch hier ein immer deutlicher werdender Wandel eingetre- ten.

Die private Bautatigkeit hat erheblich zugenommen, ein sichtbarer Struktur- wandel zog seine Kreise und starkte die Wirtschaftskraft der Stadt Balve.

Die vormals kleine Stadt Balve, die schon im Jahre 1930 voller Stolz ihr 1000-jahriges Bestehen feierte, inmitten einer eigenstandigen und selbstbewuss- ten dorflichen Umgebung - dem „ Balver Land" - gelegen, stellt sich heute als ein aufgeschlossenes Gemeinwesen mit al- ien notwendigen Einrichtungen einer modernen Daseinsvorsorge dar. Seit der Durchfiihrung der Gebietsreform im Jahre 1975 ist Balve weit (iber seine ur- sprunglichen Stadtgrenzen hinaus ge- wachsen und bildet zusammen mit den Ortsteilen und ehemals selbstandigen Gemeinden Beckum, Eisborn, Garbeck, Langenholthausen, Mellen und Volkring- hausen die neue Stadt Balve, die ihre in den Jahrhunderten gewachsenen Bin- dungen an das kurkolnische Sauerland aufgeben musste und jetzt Bestandteil des neu geschaffenen Markischen Krei- ses ist.

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Heute prasentiert sich Balve als ein Ferienort im landschaftlich reizvollen Honnetal am Fu6 des Balver Waldes. Die Stadt liegt im Osten des Markischen Kreises und grenzt mit den Ortsteilen Eisborn, Beckum, Mellen und Langen- holthausen an den Hochsauerlandkreis.

Balve - im milden Mittelgebirgsklima 260 bis 564 m ii. M. - wird verkehrs- maBig erschlossen durch die Eisenbahn- linie Unna - Frondenberg - Balve - Neu- enrade, durch die BundesstraBe 229 (Lti- denscheid - Arnsberg) und die Bundes- straBe 515 (Balve- Menden).

Die GesamtgroBe der Stadt betragt 7465 ha. Hiervon entfallen ca. 50 % auf Wald und 34 % auf landwirtschaftliche Nutzflache.

Die landliche Struktur des Raumes zeigt - neben seinen unbestreitbaren Vorteilen - aber auch strukturelle Proble- me auf: Der fehlende direkte Autobahn- zubringer ist fur Industrie, Handel und Handwerk ein ebenso groBes Argernis wie der unzureichende offentliche Perso- nennahverkehr. Da ist es besonders er- freulich, dass im Jahre 2002 ein Burger- busverein ins Leben gerufen werden konnte, der die Mobilitat mit dem Biir- gerbus innerhalb des Stadtgebietes deut- lich verbessert.

Vier Grundschulen am Ort, dazu eine Gemeinschaftshauptschule in Ganztags- form und eine durchgehend vierziigige Realschule sind eine gute Grundlage fur schulische Ausbildung. Gymnasien in un- seren Nachbarstadten Menden und Sun- dern runden das schulische Angebot ab. Im Rahmen der Erwachsenenbildung und Weiterbildung bietet der VHS - Zweckverband Menden - Hemer - Balve mit einer Zweigstelle in Balve am St.-Jo- hannes-Platz umfassende Angebote fur alle Altersklassen. Hierbei versteht sich der Verband als Erganzung der umfas- senden, abwechslungsreichen und at- traktiven Aktivitaten von Sport- und Kul- tur tragenden Vereinen.

Kultur und Tourismus sind in unserer Stadt zu einer weit uber die Stadtgrenzen hinaus beachteten Symbiose zusammen- gewachsen. Hier ist vorrangig die Vielfalt der kulturellen Angebotspalette in der Balver Hohle durch den Verein „Fest- spiele Balver Hohle e.V." zu nennen. Weit iiber 20 000 Besucher zieht es zu Oper und Theater, Chor- und Orchester-

Eingang zur Balver Hohle

konzerten. Jazz und Marchen jedes Jahr in unsere Hohle. Diese Faszination kul- tureller Vielfalt mit der hautnahen Be- gegnung Jahrmillionen alter Gesteinsna- tur - Kultur live im geschichtlichen Rah- men - hat die Balver Kulturarbeit weit iiber die Region hinaus bekannt ge- macht.

In dieser einmaligen Umgebung feiert die Schiitzenbruderschaft St. Sebastian Balve ihr jahrliches Schiitzenfest.

Das Ensemble am Kirchplatz mit Pfarramt, Vikarie, alter Madchenschu- le/Sebastiansklause, Ehrenmal und dem Mausoleum wird dominiert von der Pfarrkirche St. Blasius, einer romani- schen Hallenkirche (12./13. Jahrhun- dert) mit Oktogonkuppel (1910).

Das Schloss Wocklum, ein bewohntes herrschaftliches Wasserschloss mit inter- nationaler Reitanlage, auf der in diesem Jahr zum wiederholten Male die Deut- schen Meisterschaften im Springreiten und in der Dressur mit Olympiasichtung ausgetragen werden, die Luisenhutte Wocklum, die alteste erhaltene Hoch-

ofenanlage in Mitteleuropa, die Recken- hohle, eine der schonsten Tropfstein- hohlen im Honnetal, das Drostenhaus, nach der Pfarrkirche das historisch wich- tigste Gebaude der Stadt, erbaut um 1600, sind weitere Sehenswurdigkeiten, die einen Besuch bei uns in Balve loh- nenswert machen.

Daneben haben wir uns stets bemuht, Balve nicht nur fiir Besucher, sondern auch fur Neubiirger interessant zu ma- chen. Sicherung der notwendigen Infra- struktur, Ausweisung neuer Wohngebie- te, storungsfreier Ver- und Entsorgungs- leistungen sind Grundlage dafur, dass sich viele Familien entschieden haben, in Balve zu wohnen und damit dazu beitra- gen, dass die Bevolkerungsentwicklung stetig eine positive ist.

In der Tradition fruherer mittelalterli- cher Jahrmarkte (Michaelis- oder An- dreas-Markt) findet seit 1985 jeweils am 2. Wochenende im September das „ Bal- ver Stadtfest" statt.

Das Stadtfest hat sich nicht nur zu ei- nem Forum der Leistungsstarke von

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Die Luisenhiitte in Wocklum

Handel, Handwerk und Dienstleistung entwickelt, sondern bietet immer wieder willkommene Kommunikationsmoglich- keit in heiterer und zwangloser Atmo- sphare. Wirtschaft und Handel in Balve

Das ist vor allem Mittelstand mit sei- ner Innovationskraft, seiner Kreativitat und seiner Kundennahe.

Direkt vor Ort ist der Handel spurbar und erlebbar. Neben einer tatsachlich breiten Palette unterschiedlichster Ange- bote bietet er vor allem Personlichkeit, Service und gute Beratung. Nicht ano- nym, sondern personlich und individuell steht er mit all seinen vielfaltigen Leis- tungen zur Verfugung. Den Handel zeichnen kurze Wege aus, personlicher Service, das Wissen um die Bediirfnisse vor Ort.

Das Handwerk steht dem in nichts nach. Auch hier dominieren Individua- litat, Personlichkeit und Kundennahe.

Unsere handwerklichen Betriebe sind deshalb zu Recht aller Orten gefragt - in der Region und daruber hinaus. Vor al- lem dort, wo qualifiziertes Fachwissen er- forderlich und vonnoten ist.

Unsere weitere gewerbliche Wirt- schaft markiert unser Markenzeichen: Zusammenhalt zwischen Unternehmer- tum und Mitarbeiterschaft ebenso wie Kreativitat und Ideenreichtum. Unsere Betriebe sichern wirtschaftliche Entwick- lungen, Forschung und Innovation und sichern damit Arbeits- und Ausbildungs- platze.

Sie setzen Zeichen in aller Welt; in al- ien europaischen Landern, in den USA, bis nach Malaysia sind sie vertreten. Bal- ve steht auch in vielen Bereichen fur den Weltmarkt, ftir Qualitat aus dem Sauer- land. Darauf konnen wir zu Recht stolz sein.

Erwahnenswert in diesem Zusam- menhang sind die internationalen Kon-

takte, die die Stadt Balve seit 1978 mit der niederlandischen Gemeinde Heerde partnerschaftlich pflegt. Daneben unter- halt der Ortsteil Beckum seit 1985/86 partnerschaftliche Kontakte zu der fran- zosischen Gemeinde Roussay.

Die im vergangenen Jahr unter star- ker Beteiligung der Bevolkerung ent- wickelten Marketingkonzepte und die Grundung der Stadtmarketing Balve GmbH & Co. KG runden das Bild eines sich stetig vollziehenden Wandels unse- rer Stadt zu immer mehr Fortschritt, In- novation und Vielfalt offentlichen Le- bens ab.

Wir freuen uns, in diesem Jahr am 28. 8. Gastgeber der Jahreshauptver- sammlung des Sauerlander Heimatbun- des sein zu durfen und rufen alien Gasten aus nah und fern ein herzliches

„WILLKOMMEN" zu.

Herzhafter Grufi aus dem Hochsauerland

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70 SAUERLAND NR. 2/2004

Ein Zeitdokument uber den ersten Sauerlander Heimattag nach dem

Zweiten Weltkrieg im August 1951 in Balve (Aus der WESTFALENPOST vom 2. Februar 1951)

KTeimatpoft aus Dem 5auefjgri^___ 1 Erster Sauerlander Heimattag in Balve Anregende ArbeltstaKiing dcs Sauerlander Hcima.bundcs - Grttnduns ncacr Orlsgruppen

e Hinneatrop. Auf der gut besudilcn Ar- I beitstagung des Sauerlander Heimattagce im JGaftliof Biggcmann wurdc besdilosscn, den I erslen SauerlSndcr Heimattag nadi dem I Kriege ua Sonnlag, 5. August, in Balve jzu feiern, wo audi der erite Heimattag nadi I der Crundung dee Heimatbundes slaligc-

, I funden hat. Das lOOOjtihrigc Balve wird die- Isem Fcst der Sauerlander, das diesmal be- Isenders der Jugend Raum geben will, der I redite Rahmen scin.

Unter Leltung dcs ersten Vorsitzendcn, I Oberkreisdirektor B d n n i n g h a » s , Arns- I berg, und des zweiten Vorsitzendcn Theodor iPrdpper, Balve, befaBte sidi die Arbeils- 1 tagung von vonnittags bis in die spiiten I Nachmitlagsstunden in ernsler Ausspracho [mit den Aniiegen des Sauerlander Heimat- I bundes und kam von Fragen der Organisa- I tion audi immer wieder zur grundsStzIidien I Aufgabe, den sauerl^ndisdien, diristiidien I Mensdicn zu formen.

Der Vorsland wurde durch Zuwah! von Friulein Dingerfcus und Amfsdirektor

IRettig, Grevenbriick, erweitert. Die Vor- ! arbeifen fur die Herausgabe dea saucrlan- Idischen Heimalkalcnders 1952 ,De Suer- lanner' wurden aufgenommen. Der Sauer-

I liinder Heimatbund hofft auf freundlidie jAufnahme im sauerlandisdien Volk. In den I nachsten Monafen soil der Grfindung neuer I Orlsgruppen und der Werbmig von Einzel- linitgliedem beaondere Aufmerksamkeit ge- jschenkt werden. Gasdiaftsftihrer Hans R o s . IdUcheT, Arnsberg, beriAtcte uber ver- sdiiedcne organisalorisdie Fragen und (ibnr die neuen Satzungen dcs Westfiilisdien Heimatbundes, dem der SauerlSndcr Hei- matbund angescJiIossen bleibt als selbstSn- 1ige Organisation.

HvEt ''\*f'e"en des Sauerlander Heimat-

werden in der nacteen Sifzung aus Ihren I Arbeilsbereidien berichten. •

I BedeutendsJe KuUurMhIe DeuUchlands flin^"'.J®1, eigentlichen Tagesordnung, die

iKelctor Bahnschtilte, Neheim, der sich

Nun kommt der Sauerlander Heimatbund nach 53 Jahren wieder nach Balve. Was ist in

den 53 Jahren nicht alles passiert. Damit soil nicht nur die politische Neugliederung, der Wechsel des Am- tes Balve aus dem Kreis Arnsberg zum Markischen Kreis, angespro- chen werden.

urn die Erfor.sdiung der Balver Hohle groBc Vcrdier.ste crworben hat, oincn mit «ehr sSarkcm Inlercs,se autgcnommenen Vorlrag uber dns Thenia .Aus der Wcrkslalt des Urmensdicn". Heimatfreund Bnhiisduilte gob oine Darstcllung der (Scsdiidito tier C;rii- bungon in der Balvov Hfllilc, deron ps clf gcgebcn hat seit 1840. Hrst die Spalontoi- sdiung dos .Jahrcs 1S3!) hat abcr die heutn

[ vorlicgendcn wi.sfsonsdiaftlidicn iirgebnissc gezeiligt, imd dcn Nadiweis erbiadit, (UiB es sidi bni de Balver Holilo um die bedp"- fondstc K»ltui!i6h!e DPiiLsdilands imd zwoi- felsfrei inn pinn IiKlii.s!ripwprk.sli\!! des No- andnrtaler MeiisdiPn handolt, wohe; pino Verbindiing zwisdipn don mi'teldeulsdion und bclgisdicn FundsliitlPii nadizuwpisen i.sl. Rektor Bahnsdnilte haltp einp Rcihe dor wertvollon Fundc zur Hand, die den Zuhfirer um hunderttausend Jahrc Gnsdiidife zuriick-

Schon damals, das geht aus dem Bericht hervor, gingen starke Impul- se von Balve aus. Bedeutende Na- men, wie Theodor Propper, gestalte- ten die Zukunft des Sauerlander Hei- matbundes.

Aus diesem Grunde haben wir hier den Original-Zeitungsbericht abge- druckt. Manche Stellen sind schwer lesbar, dessen sind wir uns bewusst. Weil es aber ein Zeitdokument ist, wollten wir unseren Lesern den Text im Original nicht vorenthalten.

Tatsachlich fand der Heimattag nicht wie geplant am 5. August statt, sondern wurde ausgedehnt auf den 4. bis 6. August 1951 und hatte einen unerhort starken Zuspruch. Wir zitie- ren hier den Originaltext aus der Chro- nik des Sauerlander Heimatbundes:

versclzcn, und wulltc semen fcssclndcn Be ridit duich viele inlcressante Einjclhciten aus den Tagen der piakti.sdieu ForsdiuiiflS- arbcit zu wiirzen. Es wird crwogcn diese l-orschungsorgehnijisc, orgSnzt durtii einc Dai.MPllunq nndercr Fundorte im Sauerland, in piner Sdirift zusammenfasscnd darzu. stellen.

In Nr. 70 1!)47 hat die Wl-STFALENPOST aus dor Feder des Redncrs ihren Lesern einc lunf.issoiKlo DarsSelhing dieser KultuvslSlle (Irs Urmpiisdien gogebon, als dor Hohlo das Sdii^sal der Spronqiuig und damit tier Vcr. niehtung beieitPt werden solUe..

Die reidien Fundp der Halver Holtle .sind ;ni Kreisheimalmuspum Arnsberg in einer SonderabtciUuK) untciqebradit, das :m nadi- stpn Monat seine I'fortcn wieder dffnen wird.

„Heruorragendstes Ereignis des Jahres 1951 bildete der Heimattag am 4. - 6. August in Balve. Die al- te Honnestadt hatte den Bund zum ersten Sauerlander Heimat- tag nach dem Kriege zu Cast gela- den. Wohl 3000 Teilnehmer aus al- ien Teilen des Kurkolnischen Sau- erlandes nahmen an den Veran- staltungen der drei Festtage teil. Der Rat der Stadt und die Balver ,Heiinwacht' unter Fiihrung uon Theodor Propper hatten alle Vor- bereitungen getroffen, um eine harmonische Durchfuhrung der groBten sauerldndischen Tagung des Jahres zu gewahrleisten. Von seiten des Vorstandes war eine vor- bereitende Sitzung des Vorstandes in Finnentrop, Gaststdtte Bigge- mann, vorausgegangen." Red.

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SAUERLAND NR. 2/2004 71

Die Heimwacht Balve e.V.:

„Heimat unserer Vdter, Zukunft unserer Kinder." (Theodor Propper)

Werner Ahrens, 1. Vorsitzender der Heimwacht Balve e.V.

Am 7. August 1921 ist Theodor Prop- per als Initiator und als Griindungsmit- glied der „Heimwacht" zum 1. Vorsitzen- den gewahlt worden. Ab 1959 Alfred Koch, ab 1966 Alfons Molle, ab 1968 Cari Cordes, ab 1980-1990 UseThiell. Heute hat die Heimwacht ca. 200 Mitgl.

Der Name „Heimwacht" war Aufgabe. Es kam eine sorgenvolle Zeit! - Am 3. Okt. 1934 erfolgte aus politischen Grun- den der freiwillige Riicktritt Proppers als 1. Vorsitzender, Konsequenz der Gegner- schaft zum Nationalsozialismus. 1947 trat der Heimatverein Heimwacht mit der „Aktion zur Rettung der Balver Hohle" wieder in die Offentlichkeit. Die Militarre- gierung woUte die Hohle sprengen, weil in den Kriegsjahren ein Rustungsbetrieb aus dem Ruhrgebiet in der Hohle einge- richtet war. -

Die Satzung der Heimwacht wurde uberarbeitet und verabschiedet. „Die Heimwacht erstrebt auf der Grundlage des Christentums..."! Diese Grundeinstel- lung und der Leitgedanke Proppers „Hei- mat unserer Vater - Zukunft unserer Kin- der" ist Aufgabe der Heimwacht.

Immer hat der Vorstand des Heimat- vereins Heimwacht nach vorne gesehen. Ideen und Aktionen gefordert, Anregun- gen gegeben, gemahnt, die Initiative er- griffen und selbst angefasst.

Die Heimwacht muss es sagen, weil viel vergessen wird und ein Heimatverein

es nicht gerade leicht hat in der heutigen uberfutterten Informationszeit. Die Gier nach immer neuen Attraktionen und Ner- venkitzeln verdeckt leicht die Geschichte unserer Heimat.

Wenn ich nicht weiB, wo ich herkom- me, kann ich schlecht sagen, wo ich hin will. Die Heimwacht in Balve will helfen, Fenster zu offnen, damit der Blick nach drauBen frei wird. Neue Standpunkte zei- gen, dass man vieles auch anders, neu se- hen kann. Auch die Heimwacht musste das fiir sich erkennen.

Seit 1975 gehort die Heimwacht auch zum Heimatbund Markischer Kreis. Als „Tochter" aus dem Kurkolnischen Kreis lebt die Heimwacht nun hier, ohne der „Familie" untreu zu sein. Jeder freut sich, wenn er gute Kontakte nach „zu Hause" hat und so soil es bleiben. Darum freut sich die Heimwacht uber den Besuch aus der „alten Heimat" - herzlich willkom- men! Wir kommen immer noch gerne ins Kurkolnische (wir sind ja auch noch Kur- kolner, oder?)

Nun zu unserem Engagement im Bal- ver Land. Die alteren Sauerlander wissen es noch, aber wir wollen unser Licht nicht unter den Scheffel stellen, darum soUen es auch die Jungeren erfahren, dass es sich lohnt, in einem Heimatverein mitzuma- chen.

U. a.: 1929 Balve - Buch vom Sein und Werden der Stadt. 1930 HW ist

maBgeblich an der Gestaltung und Durch- fuhrung der 1000-Jahrfeier beteiligt. 1931 Gemeinsam mit dem SGV das Fremdenverkehrsburo eingerichtet. 1947 verhindert die HW die Sprengung der Balver Hohle. 1949 Die Festspiele Balver Hohle werden durch Propper zum Leben erweckt. 1963/64 HW richtet das Balver Bildungswerk, spater VHS, ein. 1964 Die HW stellt den Antrag zur Grundung der Realschule. 1965 Das Buch „Josef Putter: Sauerlandisches Grenzland im Wandel der Zeit". 1969- 70 Rettung der alten Vikarie St. Niko- laus. 1972 HW fuhrt im Amt Balve die Aktion Saubere Landschaft ein. 1976 Der Waldlehrpfad ist fertig. 1977 Blu- menschmuck an Balver Hausern. 1980 HW leistet maBgebliche Beitrage zur Fei- er 550 Jahre Stadt Balve. 1997 HW kampft um den Erhalt der alten Madchen- schule, der alten Vikarie St. Nikolaus und des Kusterhauses. 2001 Von Frau All- hoff-Kramer mietet die HW einen Raum im Lohgerberhaus: RegelmalSige Treffen, Vortrage, Lesungen und Ausstellungen werden nun durchgefuhrt.

Seit 2002 macht die HW Stadt- fuhrungen auf historischem Hintergrund. 2004 Wenig alte Bausubstanz veranlasst den Vorsitzenden zu einer Rekonstruktion der alten Ansicht der Stadt Balve, s. oben. In Arbeit ist das „Lexikon Balver Land". Goatt help!

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Die Balver Hohle - vom Felsenriss zur Konzerthalle jn Hans Hermann Hochkeppel

Geburtsstunde

Mit Beginn des Tertiar vor etwa 64 Millionen Jahren setzten die Phasen der alpinen Gebirgsbildung ein. Sie gestalte- ten auch das Sauerland. Die Massenkalk- lager des Devonmeeres hoben sich und wurden gefaltet. Druck und Gegendruck fuhrten zur Bildung von Satteln und Mul- den, lieBen Abbruche, Verwerfungen und Kerbungen entstehen. Selbst kom- paktes Felsgestein durchzogen Risse, Spalten und Klufte. Einer dieser Felsen ist auch die Gebarmutter der Balver Hohle.

In den folgenden Jahrtausenden wechselten warme mit kalten, subtropi- sche mit eisigen, trockene mit regenrei- chen Perioden. In hochglazialen Zeiten erstarrte das Honnetal sogar zu einer Eis- wuste. Zeitweise durchfloss die Tallagen ein reiBender Gebirgsbach. Vor etwa 800 000 Jahren lag der Talgrund erheb- lich hoher als heute. So konnten bei ho- hem Wasserstand Sande und feinere Gerolle in die Hohlenoffnung ge- schwemmt werden.

Zu anderen Zeiten vollzog sich der umgekehrte Vorgang. Durch den sog. Einstrudelungskanal im Virchowarm stromten Wassermassen, die sich im „Oberland" sammelten, durch den Hohlentunnel. Dieser „H6hlenstrom" spulte abgelagerte Sedimente aus seinen Spalten und Rissen. Gleichzeitig schmir- gelten seine Feststoffe an den Seiten- wanden und erweiterten sie. Eines Tages versiegte der Hohlenfluss. Jahrhunderte drangen von den Hohen und Hochtalern oberhalb der Hohle gemachliche, aber regelmaBig flieBende Wasser ein. Sie fuhrten Tone, Lehm, feines Geroll, aber auch Tierkadaver und -skelette mit. Die eingeschwemmten Stoffe setzten sich Schicht um Schicht bis zu einer Hohe von 15 m auf dem Boden ab. So ent- stand der „Lehmberg" am Hohlenein- gang, der fast Deckenhohe erreichte.

Naturlich losten sich aus dem Gewol- be und von den Seitenwanden von Zeit zu Zeit kleinere und groBere Kalkstein- brocken, die sich schichtweise mit Abla- gerungen vermengten und schlieBlich von Sinterungen uberzogen wurden. Die Balver Hohle in jetziger GroBe und Ge- stalt ist also das Ergebnis vieler mechani- scher Ablaufe und chemischer Einflusse iiber Jahrmillionen.

Forscher, Hobby- und Raubgraber

1815 wurde die Hohle zum ersten Mai ,.auf ihren Zustand hin" untersucht. Das Interesse der Each welt war geweckt, nachdem sich herumgesprochen hatte, dass Bauern und neugierige Burger groBe Mengen „alte Knochen und Stein- sachen" gefunden hatten. Seitdem ha- ben sich gut ein Dutzend Geologen, Prahistoriker und Archaologen mehr oder weniger intensiv mit dem Phano- men „Balver Hohle" beschaftigt.

Erste Schurfungen fuhrten 1843 die Bergamter Bonn und Siegen durch, die ersten Grabungen leitete 1844 Berg- werksdirektor Noeggerath ein. Auch die folgenden Schurfer, Graber, Forscher waren keine Experten im Sinne wissen- schaftlicher Systematik. Sie fanden zwar eine groBe Zahl Fossilien und Artefakte, entdeckten bedeutsame Scherben und einige Feuerstellenrudimente. Sie waren aber nicht in der Lage, uber eine Be- schreibung der Fundgegenstande hinaus entwicklungsgeschichtliche Zusammen- hange herzustellen.

Auch die Grabungen Virchows, der sich 1870 zwei Tage in Balve aufhielt, widmeten sich entwicklungsgeschichtlich unbedeutenden Fragestellungen. Ein Jahr spater lieB dann von Dechen im rechten Hohlenarm Langs- und Quer- graben ziehen, die half en, systemorien- tierte Untersuchungen einleiten zu kon- nen. Diese Arbeit setzte Schaafhausen 1872 fort. Eine in heutigem Sinne ge- samtwissenschaftlich orientierte For- schung begann jedoch erst mit den Gra- bungen von Julius Andree (1925/26) und B. Bahnschulte (1938/39).

Bahnschulte hatte das Gluck des Tuchtigen. In einem Spalt von 6 m Brei- te und 7 m Tiefe rechts am Hohlenein- gang stellte er sechs deutlich unter- scheidbare Schichten fest. Drei Schich- ten bestanden aus Verwitterungsschutt, die anderen drei enthielten Fossilien, Ar- tefakte, auch Brandspuren, vor allem aber „fossile Reste eines MammutstoB- zahnes".

Berichte der Graber und Forscher in Zeitungen und Fachzeitschriften hatten die Bedeutung der Hohle weithin be- kannt gemacht - mit dem Erfolg, dass al- le Welt in der Hohle und in der Abraum- halde zu wuhlen begann, um begehrte

„alte Steine und Knochen" einsammeln zu konnen. So gelangten tausende Fos- silien, auch Artefakte, unkontrollierbar in private Hande. Sie gingen der For- schung verloren. Am bedenklichsten ist jedoch die „Wuhlarbeit" der Raubgraber. Sie schurften, gruben, sammelten ge- zielt. um ihre Funde nostalgietrachtig vermarkten zu konnen.

Aus heutiger Sicht ist die Hohle mehr ausgeplundert als erforscht worden. Selbst ..Forscher" lieBen oft unbeachtet, was auBerhalb ihres Interessengebietes lag. Erst 1940 - bald 100 Jahre nach den ersten Grabungen - wurden zur Be- stimmung floraler und klimatischer Zeit- verhaltnisse Pollenanalysen genutzt. Ra- diometrische Untersuchungen. d. h. ex- akte Zeitangaben, fehlen jedoch noch heute.

Schichtenprofile

Ohne Zweifel wurden die meisten Grabungen nicht mit der gebuhrenden Sorgfalt und Sachkenntnis durchgefuhrt, die heutzutage Standard sind. Deshalb stellte sich K. Gunter 1959 die Aufgabe, vorliegende Forschungsberichte kritisch zu vergleichen, zu erganzen und zu sys- tematisieren. Helfen sollten punktuelle Grabungen und die Auswertung des von Bahnschulte erarbeiteten Schichtenpro- fils eines Hohlenspalts.

(Siehe Abbildung: Schichtenprofile)

Die Zahl der Funde in der Bodenspal- te war nicht groB, aber uberraschender- weise hilfreich. Ebenso die Untersuchun- gen der materiellen Zusammensetzung der 6 erkannten Schichten. Die Schlamm-, Sieb- und Pollenanalysen fuhrten zu neuen entwicklungs- und zeit- geschichtlichen Einordnungen, wie die nachstehende Ubersicht zeigt.

Die altesten Ablagerungen in der Hohle stammen aus der Saal-(Riss-) Eis- zeit vor etwa 200 000 Jahren

Die altesten Werkzeuge (Artefakte) entstanden im Spatacheuleen vor etwa 100 000 Jahren

Bereits zur Eem-Warmzeit lebten im Honnetal Menschen der Neandertalras- se.

K. GUnter ubertrug nun die von Bahn- schulte erkannte Schichtensystematik auf die gesamte Hohle. Er fand 12 deut-

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Schichten

I Ton. ohne Lehm (Riss-Eiszeit)

II Brauner Lehm, mit einzelnen stark verwitterten Kalkstelnen. Funde aus dem Spdtacheuleen, Eeni-Warm- Zeit uor etwa 100 000 Jahren

III Braungelber. steiniger Lehm. Funde aus dem Micoquien, Mammut-StoB- zahn. (Wiirm-Eiszeit vor 60 - 80 000 Jahren)

Kalkschutt ohne Funde

HbHLENBODEN

IV

V

VI

Braungelber, steiniger Lehm mit Kulturschicht des Spdtmousterien (Wiirm-Eiszeit vor 40 - 50 000 Jahren)

Hellgrauer Lehm mit groBen Kalh steinblocken

PROFIL DER SPALTE Dargestellt nach Giinter/Bahnschulte

lich erkennbare Schichten aus unter- schiedlichen Ablagerungsmengen. Sie waren jeweils von einer mehr oder weni- ger starken Sinterschicht bedeckt. Im Gemenge befanden sich die typischen Flora- und Faunavorkommen der jeweili- gen geologischen Epoche.

Gunter benannte sie nach der Menge der Tierfossilien, die in den einzelnen Schichten dominierten, z. B. Mammut- schicht, Barenschicht, Rentierschicht.

Der Mammut-StoBzahn

Der Fundort des drittlangsten Mam- mut-Sto6zahnes der Welt war nicht nur fur Heimatfreunde eine Sensation. Be- reits 1938 hatte H. Werli bei Schurfun- gen ein Ende des Zahnes im Boden ent- deckt. Erst Bahnschulte barg das Fund- stuck. Seine Teile waren „]edoch voU- kommen murbe und plattgedruckt". Sie wurden muhsam in Munster gereinigt und gegen weiteren Verfall konserviert. Erst danach konnte mit der Restaurie- rung begonnen werden. Das Ergebnis: ein Mammut-StoBzahn von 4,40 m Lan- ge faszinierte selbst die Each welt.

Leider wurden die fossilen Originate mit ihrer Auslagerung ein Opfer des Krieges. So ist nicht mehr moglich, die Miinsteraner Restaurierung hinsichtlich ihrer Lange und Gestalt zu uberprufen und damit die Frage zu klaren, ob der Zahn ehedem einem Mammut oder ei- nem Waldelefanten gehorte, wie seiner Gestalt nach anzunehmen ist. Der Zahn

eines Mammuts ist namlich stark nach innen gebogen, sozusagen als „Schnee- schaufel" in Eiszeiten brauchbar, der des Waldelefanten, der in der Eem-Warmzeit bei uns lebte, ist dagegen lang, gestreckt und als StoBwaffe geeignet.

Naturlich dachten einige Each- und Hobbyforscher auch uber die Frage nach, auf welche Weise der Zahn in die Hohle gelangt sein konnte. Undenkbar ist, dass ein so groBes Tier den vorgela- gerten steilen Gerollhang ersteigen konnte. Wahrscheinlicher ist, dass fruh- zeitliche Jager nach tagelanger Jagd den besonders langen Zahn als Siegestro- phae zur Hohle schleppten. Vielleicht nutzten sie - wie andernorts nachgewie- sen - den langen, unzerbrechlichen Ge- genstand als Gestange filr einen Wetter- schutz im Eingangsbereich. Aus- schlieBen kann man die Vermutung, das „Elfenbein" sei zu dieser Zeit zur Her- stellung von Geraten oder Schmuck- stucken verwandt worden.

Die Hohle wird Dungemittelfabrik

In den 30er Jahren des 19. Jh. ent- deckte man den „Lehmberg hinter dem Hohleneingang" als Diingemittelliefe- ranten. Schon bald beluden immer mehr kluge Bauern ihre Karren mit der wohl- feilen Hohlenerde, die sie liber ihre Fel- der verstreuten. Nicht ohne Erfolg. Die Ernteergebnisse mit dem kostenlosen Naturdtinger sprachen sich schnell he- rum. Die Zahl der Abfuhren stieg von

Jahr zu Jahr - sicher zum Wohle vieler Betriebe. Diese Ten- denz wusste schon bald die Stadt zu nut- zen. Bereits in den 40er Jahren be- schlossen die aufs Gemeinwohl be- dachten Stadtvater, eine „H6hlenkasse" einzurichten. Eortan mussten die Bauern jede Abfuhr bezah- len. Der Preis der Karre kletterte auf 1,50 Mark. Trotz dieser Gebiihr wur- de der Lehmberg in wenigen Jahren bis auf den nackten Eels abgetragen.

Warum? Der Lehmberg lieferte einen hervorragenden Dunger. Er war zwar mit Steinzeug jeglicher Art durchsetzt, das man herauslas und auf den Gerollhang warf. Der Lehm enthielt jedoch hohe Anteile an Phosphaten, Karbonaten, Kalziten und Humus - Relikte verwesen- der Tierkadaver und chemischer Prozes- se seit Jahrtausenden. Die Hohle war namlich nicht nur Wohnstatte fur groBe und kleine Tiere, die hier lebten und ver- endeten, sondern auch Hort fur Raubtie- re, die Beute herbeischleppten, zerleg- ten, fraBen, auch deponierten und FraBreste vermodern lieBen. AuBerdem: unzahlige Kadaver, Kleingetier bzw. ihre Relikte schwemmten einstromende Was- ser ein. Der Anteil des Menschen an die- ser Dungemittelproduktion war dagegen sehr gering. Sowohl der homo sapiens als auch der homo sapiens sapiens nutz- te die Hohle nur vorubergehend als Wet- terschutz und Feuerstelle, um erlegtes Wild (Mammut, Hohlenbar, Wildpferd, Ren, Hirsch usf.) verzehren oder verar- beiten zu konnen.

Der Hohlenvorplatz

Aus archaologischer und prahistori- scher Sicht war das Verhalten der Bau- ern und Stadtvater jedoch nicht allzu klug. Der Schaden, den vor allem Bau- ern anrichteten, ist unermesslich. Sie be- luden ihre Karren nur mit verwertbarer Erde, alles andere warf en sie den Ab- hang hinunter: Steine, Knochen, Kera-

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mikscherben, Artefakte. Der Hang wuchs zu einem prahistorischen Abfall- haufen heran, in dem unendlich viele wertvolle Zeugnisse der Geschichte ver- borgen sind, wenn man dem Museums- amt Olpe glauben darf, das tiefgriindige BaumaBnahmen am Vorplatz zum Schutz der Zeugnisse verbot.

1878/79 lieB die Stadt den Virchow- arm von „Schuttmassen" raumen, um vor der Hohle eine Terrasse anlegen zu konnen. Sie wurde benotigt, um die Hohle vor allem fur Schiitzenfeste zu- ganglicher zu machen. Zum Schutt zahl- te naturlich alles, was Graber irgend- wann geschaufelt, weggeworfen oder unberiihrt gelassen hatten. Darunter be- fanden sich sicher auch viele geschichts- trachtige Hinweise. Seitdem wurde die Terrasse zu einem weitraumigen, an- sehnlichen Hohlenvorplatz mil Schiit- zenheim, Kartenhaus, Eingangstor und Anfahrt ausgeweitet.

...LIEBER „GANZ ALTER

SCHNEIDER'

H.&F. SCHNEIDER KORNBRENNEREI NUTTLAR-HOCHSAUERLAND

Die Hohle als Riistungsbetrieb

Die Hohle ist auch am Zweiten Welt- krieg nicht spurlos vorbeigekommen. Auf dem Vorplatz standen zeitweise Flak- geschiitze. Die Hohle wurde voriiberge- hend Munitionsdepot, spater bombenge- schiitzter Raum fur eine Rustungsfabrik. Der Eingang wurde mil einer starken Mauer versehen, der Hohlenboden ge- ebnet und befestigt. Eine hohe Mauer schiitzte die Hohlenhalle im sog. Kapel- lenbereich vor Witterungseinflussen und vor Erosionsschaden. Den Virchowarm verband ein mannshoher Tunnel mit dem Keller des heutigen Restaurants.

Diese baulichen Veranderungen hatte die Uerdinger Waggonfabrik veranlasst, um die Produktion von Motoren fiir die Kriegswirtschaft zu sichern. In der unter- irdischen Fabrik arbeiteten vorwiegend russische und franzosische Zwangsarbei^ ter - meist Frauen - unter unwiirdigen Verhaltnissen. Sie waren im Lager Sans- souci untergebracht und wurden nach dokumentierten Zeugenaussagen oft grausam behandelt.

Diese Tatsachen veranlassten die bri- tische Militarregierung nach Kriegsende, die Sprengung der Hohle zu verfijgen. Dagegen lehnten sich beherzte Burger mit den damals zur Verfugung stehenden Mitteln auf. „Rettet die Hohle" war der Slogan eines Aufrufs, sich der Spren- gung zu widersetzen. In einer klug ver- fassten Denkschrift wandte sich die Bal- ver Heimwacht an die westfalische Of- fentlichkeit und an die britische Besat- zungsmacht. Mit Erfolg. Die Briten ver- zichteten auf die Sprengung.

Den Amtsdirektor erreichte am 19.9. 1945 folgendes Telegramm:

WIE SOEBEN DAS HAUPTQUAR- TIER DER MILITARREGIERUNG MIR FERNMONDLICH EROEFFNE- TE HAT DER GENERAL RO- BERTSON MIT DEM GESTRIGEN TAGE ENTSCHIEDEN DABS DIE BALVER HOHLE NICHT GE- SPRENGT WIRD STOP ES WIRD ABER AUSDRUECKLICH GEBETEN VON EINER VEROEFFENT- LICHUNG DIESER MITTEILUNG VORERST ABSTAND ZU NEHMEN DA DIE BRITISCHE MILITARRE- GIERUNG IHRERSEITS DIE PRESSEVEROEFFENTLICHUNG IN DIE WEGE LEITET =

DR. JOSEF BUSLY MINISTERIALRAT

Die Schmiedewerkstatt

Der Dietrichsage nach lernte Wieland der Schmied, Sohn eines seelandischen Edlen, in der Hohle von Ballowa bei zwei Zwergen das Schmiedehandwerk. Die Kunst, Eisen, Silber und Gold zu Waff en, Geraten und Schmuckstucken zu verar- beiten, beherrschte er bald ebenso wie seine Lehrherren. Nach der Lehrzeit wollten sie Wieland nicht fortziehen las- sen. Der Jtingling totete die beiden Zwer- ge, belud ein Pferd mit Werkzeugen und kostbaren Kleinodien und fluchtete in seine nordische Heimat.

Abgesehen davon, dass auch andere Ortschaften Wielands Abenteuer fiir sich in Anspruch nehmen, haben die Gra- bungen in der Balver Hohle keinen Hin- weis erbracht, dass hier vor etwa 1500 Jahren geschmiedet wurde. Gegen ei- nen Aufenthalt in der Hohle sprechen viele Umstande. Noch im 19. Jh. hieB sie „Hohler Stein", versperrten Lehmberg und Sinterschichten jegliche raumliche Nutzung durch Menschenhand. GroBe und Gestalt des Eingangsbereichs decken sich nicht mit den Beschreibun- gen der nordischen Fassungen der Diet- richsage. Nicht ausgeschlossen werden kann jedoch, dass Wieland Lehrjahre in der GroBen Burghohle verbrachte.

Thiedreksaga und Didriks-Chronik wi- derlegen die Auffassung, dass erst im Mittelalter im Honnetal Eisen gewonnen und verarbeitet wurde. Neuere For- schungen weisen sogar nach, dass be- reits zur keltischen Latenezeit im Hon- netal Metalle gewonnen und verarbeitet wurden.

Die Hohle als Festhalle

Jeder Ortsteil ist stolz auf seine Schut- zenhalle. Nur das Stadtzentrum, die alte Stadt Balve, hat es nicht zu einem Fest- saal oder Burgerhaus gebracht. Die Er- klarung ist ganz einfach. Seit uber 150 Jahren feiern Balver Burger ihr Schtit- zenfest in der Hohle. Fiir kleinere Feste und Versammlungen reichten die Raume der Gasthauser An drei Tagen im Jahr sind „Tausende von nah und fern" trink- feste Gaste der vier Balver Schutzen- kompanien.

Nicht nur altere Generationen beflu- gelte der Felsendom und seine Ge- schichte gleichwohl zu romantischen Empfindungen als auch kulturellen Ta-

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ten. 1922 verstand Theodor Propper, Heimatpoet, das „steinerne Wunder" fiir seine Ideen zu nutzen. Er fiihrte die Mys- terienspiele auf, in denen viele Balver Bilrger begeistert als Laienspieler mit- wirkten.

Daran anknupfend sollten nach „ver- lorenem Krieg die unvergleichbaren Moglichkeiten der Hohle als Raum fur die Gestaltung des Laienspiels" wieder nutzbar gemacht werden. 1949 riefen deshalb Theodor Propper und der junge Hermann Wedekind die Balver Hohlen- spiele ins Leben zuruck. Sie waren nur einige Jahre erfolgreich, scheiterten of- fenbar an organisatorischen und kauf- mannischen Misshelligkeiten.

1984 erinnerte sich Hermann Wede- kind, nun pensionsberechtigter General- intendant, seines Balver Engagements in jungen Jahren. Nach allerlei Widerstan- den gelang ihm mit Agatha Allhoff-Cra- mer, den Verein „Festspiele Balver Hoh- le" zu grunden. Das vom Markischen Kreis initiierte Sinfoniekonzert erganzte der Verein durch Veranstaltungen von hohem Niveau. Die Hohle gewann iiber- regional immer mehr an Bedeutung. Sie wurde zu einem von vielen Veranstaltern begehrten Kulturzentrum.

Vom Frijh- bis Spatsommer ist die Hohle belegt. Konzert und Schauspiel, Festival und Marchenwoche, Feste und Jubilaen locken jahrlich Zehntausende Besucher von nah und fern. Raum, Akustik und Lichtreflexe schenken dem Besucher eine Atmosphare, die ihres- gleichen sucht.

Der Balver Schiitzenbruderschaft - sie verwaltet und vermarktet die Hohle - ge- buhrt Dank. Sie verwendet die Einnah- men, die sie durch Pacht und Miete er- zielt, immer wieder, um Ausstattung und technische Einrichtungen zu verbessern. Die Sicherheit und die Versorgung von Organisatoren, Mitwirkenden, Besu- chern mit Strom, Wasscr, Warme und frischer Luft hat inzwischen hohe Stan- dards erreicht. Selbst der Hohlenboden wurde „geebnet" und mit wasserdurch- lassigen Pflastersteinen versehen. Aller- dings ein oft beklagter Missstand wird niemals beseitigt werden konnen: das Tropfen von der Decke, wenn es der AuBenwitterung mal wieder gefallt.

Dat Kruez op diam Clamesbiarge von Theresia Imberg, Niedersfeld

Heege op diam Clamesbiarge, stiaht wisse en greet Kruez in dian Staenen. Et trutzet diam Wiar, wann eak Sunne, Riagen oder Schnaue, viele Lue kumet herbii, siek iimme te sauen.

WiJet suhet dat Kruez int Siuerland, bit no diar Frigget un int Hessenland, bit tiame Kahlen-Asten un diam SchloBbiarg, un iiwer dian Niggenhagen un dian Langenbiarg.

Dat Kruez kann viel vamme Niggenhagen vertellen:

Vamme Froejohr Wann daue Sunne de lesten Schnaueplecke ope droeget, un daue Kuckuck op diam Niggenhagen raiepet. Wann de Birkenbliar imme Winde siek waueget, un de Haedlerche in dian bloen Hiemel stueget.

Vamme Sumer Wann dat Haedkriet lila dian Niggenhagen uwer diaket, un Halwerten un Schwuortemergen siek unger de Buske verstiaket. Wann daue Sumerwind sachte dor dat Schmielengras struepet, un de Immen imme Haedkriet Nektar saueket.

Vamme Hiarwest — Wann de Schopeshiare mit sinnen Schopen uwer dian Niggenhagen tut, un daue Hoppecke krawanzlig diame Dale taije flutt. Wann Oawends daue Hiarwestniebel uwer diar Haed hanget, un amme Muorgen daue Niggenhagen imme Rauriepe pranget.

Vamme Winter -

L

Wann de hahle Ostwind iiwer dian Niggenhagen fiaget, un daue Kruppelkiefern unger diar Schnauelast siek boeget, Wann et winzelt un schnigget, dat me maunt de Welt giaht unger, awer amme Dage drop schiint de Sunne wier vamme bloen Winterhiemel rinner.

Stodeg stiaht dat Kruez op me Clamesbiarge, sin te Haeme is daue Niggenhagen un runds iimme daue Biarge.

IK? =:711

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Das „Romantische Honnetal" von Dr. Theo Bonemann

Kaum wahrnehmbar begleitet die auf dem GroBen Attig bei Neuenrade in 440 Meter NN entspringende Honne die LandstraBe nach Neuenrade. Der kleine Bach tritt nach anfanglich steilem Gefah le und zum Teil maandrierend bei Sans- souci in seinem mittleren Talabschnitt ein. Von hier an wird der FluB zuneh- mend durch immer steiler aufragende Kalksteinfelsen in das schmale und tief erodierte FluBbett gezwangt. Im unteren Verlauf des Schluchttales erahnt man die „Gefahrlichkeit einer Wanderschaft", wie sie 1841 in „Wanderung durch Westfa- len" angedeutet wird. Erst in Oberro- dinghausen weitet sich das Honnetal zu einer breit ausladenden flachen Ebene, um nach 32 km unterhalb Mendens in 120 Meter NN in Frondenberg AnschluB an das Ruhrtal zu finden. Nach schweren Regenfallen uberflutet die Honne hier in groBer Breite die flachen Wiesen und laBt das machtige Zerstorungspotential der Wasserkraft erahnen, dem die Einwoh- ner im oberen Tale in der Vergangenheit oft schutzlos ausgesetzt waren.

Schmiede und alte Brucke iiber die Honne bei Volkringhausen

Den landschaftlich reizvollsten Talab- schnitt macht der mittlere Teil des Tales, das „Romantische Honnetal", aus. Gast-

statten, bruchsteinerne Briicken aus dem fruhen 19. Jahrhundert, Eisenbahn- brucken und -tunnels, unzahlige Hohlen.

Die sieben Jungfrauen" im Honnetal, „die blaue Lagune"

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die Burg und Muhle Klusenstein und steil aufragende Felskulissen aus Massenkalk lief em markante Motive, die von Kunst- lern und Fotografen seit mehr als 200 Jahren in vielfaltiger Weise als Vorlage fur ihr Schaffen dienten. Besucher sagen voUer Stolz, dal3 das „Romantische Hon- netal" zu den schonsten Talern im Lan- de gehore.

Wasserkraft, Eisenerz, Holz- und Kalkreichtum boten die Grundlage fur eine beschieidene lokale Wirtscfiaft der wenigen hier lebenden Menschen. Ein- zelwanderer erkundeten seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts das enge Schlucht- tal. Es war wofil kein leichtes Unterfan- gen, das einst schwer zugangliche Tal zu erwandern. W. Strack, der von Hagen kommend das kurkolnische Sauerland bereiste, schildert eindrucksvoU im Jahre 1806 seine Erlebnisse und Eindrucke, als er von Deilinghofen kommend in das Tal hinabstieg. Er liefert eine der wohl alte^ sten Beschreibungen eines Miillers, des Pachters „einer alten duster aussehen- den [Klusensteiner] Miifile" unterhalb der heute mehr als 650 Jafire alten Burg Klusenstein. Das eintonige Geklapper der Kornmuhle, die wohl alter als die Burg ist, war der „einzige Laut, der sich in das Rauschen der Honne" mischte. Strack war den schmalen, vor der Feld- hofhohle vorbeifuhrenden Weg hinabge- stiegen und hatte von diesem noch mar- kischen Territorium einen wahrschein- lich freien Blick auf die ihm gegentiber auf kSlnischem Gebiet liegenden „Sie- ben Jungfrauen", eine glucklicherweise noch heute grandiose Kulisse aus Mas- senkalk.

Waren die nahen Walder und Talhan- ge im 19. Jahrhundert flachendeckend durch unkontrollierte Abholzung und starken Raubbau an Holz zur Herstellung von groBen Mengen an Holzkohle fur den nahen Hochofen in Wocklum, die Grevenborner Hutte und den Oberro- dinghauser Hammer geschadigt, so ver- decken heute hohe Baume den Blick auf die im Halbbogen verlaufende Felspar- tie. Diese Schlucht ist ein landschaftlich und naturwissenschaftlich sehr bedeu- tender Teilbereich unserer Heimat. Der fluBabwarts gelegene Talabschnitt stellt zudem „eine der bedeutendsten Vielfalt- landschaften dar und birgt den vielseitig- sten Schluchtwaldrest Nordwestdeutsch- lands".

uig Klusenstein im Honnetal

Doch folgen wir in Gedanken dem Wanderer Strack hinab zur Honne, so fallt der Blick von einer zweibogigen BriJcke aus Bruchsteinmauerwerk in das zur Sommerzeit trocken fallende FluB- bett. Erst wenige Meter fluBabwarts tritt die Honne nach langem unterirdischen Verlauf wieder ans Tageslicht, um die Miihle Klusenstein mit Wasserkraft zu versorgen. Kaum vorstellbar ist, daB hier die Honne nach einem Unwetter zu einem reiBenden und zerstorerischen FluB anschwellen kann, daB sie in der Vergangenheit die alten Holzbrucken und Wehre mehrfach hinweggespult und sogar StraBen in Menden Uberspult hat. Die heute steinerne Briicke, 1841 im Zuge des StraBenbaus errichtet, hat bis- lang aber alle groBen Sturzfluten Uber- standen.

Der Brucke gegentiber erheben sich die „Sieben Jungfrauen", die heute, hat- ten 1920 nicht Umweltschutzer, Behor- den und Stadte den begonnenen Abbau von Massenkalk von der Talsohle aus durch Grundstuckstausch verhindert, verschwunden waren. An den einver-

nehmlichen Einsatz der Beteiligten erin- nert noch heute eine GuBplatte mit ei- nem im Distichon verfaBten Gedicht;

,,/n der bittersten Not gab freudig das Volk der Westfalen

Fur die Schonheit des Tals reich von kargem Besitz,

Rettete Stolz die uralten die hoch- aufragenden Felsen:

Seiner Heimat zum Schutz selbst sich zum dauernden Ruhm

In den Jahren 1919^1920"

Zu den meist malerischen Motiven im „Romantischen Honnetal" gehort auch die weiter fluBaufwarts in Volkringhau- sen gelegene, im Zuge des StraBenbaus 1841 errichtete dreibogige Brucke aus Bruchstein. Hier verlauft eine alte Wege- trasse von Balve uber Glashutte nach Iserlohn. Neben der Brucke steht eine auBerlich weitgehend erhaltene alte Schmiede aus Bruchstein unter Sattel- dach mit Giebelschilden aus Brettern, in der im Jahre 1721 Schlosser fiir das al-

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,.Die blaue Lagune". KultiuierungsmaBnahmen und Abbau Fotos: Friedhelm Ackermann

te Rathaus in Balve gefertigt worden sind. Der Standort der Wirtschaftsgebau- des direkt an der gefahrvollen Honne macht ihre Abhangigkeit vom Wasser deutlich. Denkbar ist die Ausnutzung der Wasserkraft fur den Antrieb der Blase- balge und Feuerung.

Heute mu6 das „Ronnantische Hon- netal", das in weiten Partien unter Schutz steht, neben der wenig genutzten Eisenbahnlinie den Personen- und Schwerlastverkehr einer vielbefahrenen

LandstraBe aufnehmen. Welchc Bela- stung aber hatten das Tal und seine Be- wohner heute auBerdem noch zu ertra- gen, wenn Plane fiJr eine zwischen den Kriegen geplante Eisenbahnlinie Emden - Frankfurt verwirklicht worden ware. Wunsche zur Verlegung der LandstraBe auf die ostlich gelegenen Hochflachen blieben allerdings auch ohne Resonanz.

Beschauliche Wanderungen sind auf links der Honne gelegenen, 1934 vom SGV initiierten Wegen zwischen der ehe-

maligen Haltestelle Klusenstein und Sanssouci lohnenswert. Die Wanderung fuhrt an schroffen Felsen, typischen Hohlensystemen und Karsterscheinun- gen und botanischen Besonderheiten vorbei. Gab es doch Zeiten zwischen den Weltkriegen, in denen sonntags bis zu 1000 Personen in das fiir den Verkehr gesperrte und nur FuBgangern vorbehal- tene Tal zu zahlen waren. Heute ist aber auch das einsame Klappern von alten Miihlen nicht mehr und der Ruf von Greifvogeln nur noch selten zu horen.

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