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Der Mutantenjäger

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Atlan - Der Held vonArkon

Nr. 183

Der Mutantenjäger

Er wird gehetzt - eine ganze Welt istgegen ihn

von H. G. Francis

Im Großen Imperium der Arkoniden schreibt man eine Zeit, die auf Terra dem 9.Jahrtausend v. Chr. entspricht. Imperator des Reiches ist Orbanaschol III. ein bruta-ler und listiger Mann, der seinen Bruder Gonozal VII. töten ließ, um selbst die Nach-folge antreten zu können.

Gegen den Usurpator kämpft Kristallprinz Atlan, der rechtmäßige Thronerbe desReiches, mit einer stetig wachsenden Zahl von Getreuen und besteht ein gefahrvol-les Abenteuer nach dem anderen.

In dieser Zeit der harten Kämpfe und Verfolgungen trachtet inzwischen ein Manndanach, sich auf Arkon zu etablieren und sich einen Namen zu machen.

Der junge Kristallprinz ahnt nichts von der Existenz dieses Mannes. Er kann über-haupt nichts von ihm wissen, denn der Mann ist Terraner und kommt aus dem Jahr2844, also aus der fernen Zukunft, in der dereinst Atlan, durch einen Zellschwin-gungsaktivator relativ unsterblich geworden, als Lordadmiral der USO fungieren wird.

Der Mann, von dem hier gesprochen wird, ist USO-Spezialist Sinclair Marout Ken-non. Mittels Alfo Zharadins Illusionsmaschine in die Vergangenheit Arkons und in sei-nen verkrüppelten Menschenkörper versetzt, wendet Kennon seine genialen krimina-listischen Fähigkeiten an, um zu überleben, und wird DER MUTANTENJÄGER …

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Die Hautpersonen des Romans:Sinclair Marout Kennon alias Lebo Axton - Der Kosmo-Kriminologe der USO arbeitet in derVergangenheit.Gentleman Kelly - Kennons seltsamer Roboter.Vagont Ternnan und Quertan Merantor - Zwei Polizeipräsidenten.Larcenia Sammaron - Ein Mädchen wird gesucht.Apprat Cokret - Ein lebender Toter.Jektor - Ein Arzt, der Kennon behilflich ist.

Traum oder Wirklichkeit? Wache ich?Schlafe ich? Ich denke. Bin ich also? Wo istder Anfang jener und der Beginn dieserZeit?

Wie auch immer Zukunft und Vergangen-heit sich gegeneinander vertauschen, dieGegenwart muß eine Brücke bilden.

Es ist diese Brücke, über die ich gehe.Wo auch immer sie ist.

1.

Der Raum wurde durch eine flimmerndeEnergiewand geteilt.

Auf der einen Seite dieser materieabwei-senden Schranke saß ein verkrüppelterMann auf einem Hocker. Er besaß einen auf-fallend großen Schädel mit hervorquellen-den Augen, abstehenden Ohren und dün-nem, strohgelbem Haar. Das linke Augenliddieses Mannes zuckte ununterbrochen, ob-wohl er sich Mühe gab, dieses Zeichen sei-ner Nervosität zu unterdrücken.

Hinter ihm stand ein Roboter, der im Ver-gleich zu ihm wie ein Koloß wirkte, obwohler nur zwei Meter groß war. Auf den erstenBlick war zu erkennen, daß er aus zahlrei-chen Einzelteilen unterschiedlichen Alterszusammengesetzt war. Einige Teile schienenüberhaupt nicht zu diesem Robotertyp zupassen. Gentleman Kelly stammte vomSchrottplatz, und das war ihm auch anzuse-hen. Sein Rumpf bestand aus einem Oval-körper von etwa einem Meter Höhe. Daranwaren die Extremitäten befestigt. AmRücken waren Haltegriffe und Steigbügelangebracht.

Auf der anderen Seite der flimmernden

Energiewand lehnten drei Arkoniden an derKonsole einer Positronik. Einen von ihnenkannte der Verwachsene bereits. Er hatte ihnin 3D-Vision gesehen. Es war der Präsidentder Komitees auf Arkon III. Eihrett Khan-tron war ein untersetzter Mann mit schlaffenGesichtszügen, rötlichen Augen und schloh-weißem Haar, das ihm bis auf die Hüftenherabreichte. Es wurde durch vier breiteSpangen aus einem Edelmetall, zu einemZopf zusammengezwungen. Die beiden an-deren Männer kannte der Krüppel nicht.

»Ihr Name ist Lebo Axton«, stellte Khan-tron fest. »Ist das richtig?«

»Ich kann und will es nicht bestreiten.Wie ist Ihr Name?«

Khantron hob ruckartig den Kopf. Erblickte sein Gegenüber prüfend an. Die Un-terlippe sackte ihm leicht nach unten. Erschien überrascht zu sein. Für einen kurzenMoment schien es, als wolle er Axton einenVerweis erteilen, dann jedoch glitt ein leich-tes Lächeln über die schlaffen Lippen.

»Ich bin Khantron, Präsident des Komi-tees auf Arkon III. Dieser Herr hier nebenmir ist Vagont Ternnan, der Polizeipräsidentvon Arkon III.«

Ternnan war lang und dünn. Er hatteeinen leicht gekrümmten Rücken, und erstreckte den Kopf stets etwas vor, als sei erkurzsichtig. Sein Haar war so dünn, daß eres sorgfältig über den ganzen Schädel vertei-len mußte, damit es diesen einigermaßen be-decken konnte. Alles an ihm war lang undschmal. Er erinnerte Axton-Kennon lebhaftan die Aras, jene medizinischen Genies, dieaus dem Volk der Arkoniden hervorgegan-gen waren. Aber er war kein Ara. Er war einArkonide.

»Dieser Herr hier ist vom Geheimdienst«,

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fuhr Khantron, zur anderen Seite gewandt,fort. Er nannte den Namen dieses Mannesnicht. Gerade dieser aber erschien Axton be-sonders gefährlich. Er hatte ein scharfge-schnittenes, undurchsichtiges Gesicht, daseine asketische und äußerst disziplinierteEinstellung erkennen ließ. Seine Figur warathletisch und schien durchtrainiert zu sein.Sinclair Marout Kennon kannte diese Typenvon seiner jahrhundertelangen Mitarbeit beider USO her. Sie waren unberechenbar undoft fanatisch bis zur Selbstverleugnung. Ernahm sich vor, diesen Mann besonders imAuge zu behalten.

»Sind Sie zufrieden?« fragte Khantronspöttisch.

»Absolut«, entgegnete Kennon-Axton.Seine Stimme klang heiser, und er sprachdie arkonidische Sprache mit einem deutli-chen Akzent, wie ihn niemand aus der arko-nidischen Welt dieser Zeit kannte.

»Sie scheinen mir ein kluger Mann zusein«, sagte Eihrett Khantron.

»Danke.«»Sie werden daher nicht überrascht sein,

daß wir einige Fragen an Sie haben.«»Es hätte mich erstaunt, wenn es nicht so

gewesen wäre.«»Wir haben verfolgt, wie Sie den Mord-

fall Mosselcrin aufklärten. Dabei sind Sieauf Zusammenhänge gestoßen, die nicht ge-rade schmeichelhaft für uns waren.«

»Ist meine Prämie in Gefahr?« fragte Ax-ton ängstlich. Er richtete sich auf und atmeteheftig.

»Das wird sich zeigen.«»Ich protestiere.«»Dazu besteht kein Grund. Geben Sie uns

die Antworten auf unsere Fragen, die uns einintegrer Mann erteilen kann, und alles ist inOrdnung.«

Axton-Kennon deutete eine Verbeugungan.

»Fragen Sie, bitte.«»Können Sie sich ausweisen? Haben Sie

eine Identitätskarte?«»Ich bin überfallen und bestohlen worden,

Khantron. Ich habe nichts mehr bei mir. Nur

noch ein paar Münzen. Sehen Sie. Hier.«Der Verwachsene holte etwas Geld aus derHosentasche und hielt es den drei Arkonidenhin. »Ich bin zu schwach. Ich kann mich ge-gen derartige Subjekte nicht wehren.«

»Wo ist das passiert?«»Hier auf Arkon III. In der Nähe eines

Trainingsplatzes für Raumfahrer …«»Können Sie die Männer beschreiben, die

das getan haben?«»Es war eine dunkle Nacht.«»Also, nicht.«»Nein.«»Sie sind sich darüber klar, daß wir mit

einer derartigen Erklärung nicht zufriedensind?«

»Natürlich. Das war der Grund dafür, daßich mich bemühte, Ihnen einen Beweis mei-ner Lauterkeit und Loyalität zu geben. Mirging es nicht nur darum, etwas Geld zu ver-dienen. Ich war mir dessen bewußt, daß ichauch zeigen mußte, daß ich zu den positivenKräften Arkons gehöre. Deshalb habe ichdie Kraft eingesetzt, die mir ermöglicht, indieser Welt zu leben. Ich meine meine kri-minalistische Intelligenz, Präsident.«

Der Geheimdienstmann meldete sich zumersten Mal zu Wort.

»Wir befinden uns im Krieg, Lebo Ax-ton«, erklärte er kalt. »Die Methanatmerkämpfen mit allen Hinterhältigkeiten, zu de-nen Kreaturen dieser Lebenssphäre über-haupt fähig sind. Wir wissen, daß die Me-thans auch biologische Experimente ma-chen.«

»Ich verstehe nicht«, sagte Axton mitstockender Stimme. Sein linkes Augenlidzuckte ununterbrochen.

»Sie wissen sehr wohl, was ich meine. Ichfrage Sie: Wie nun, wenn Sie das Ergebnisdieser biologischen Experimente wären?Wie nun, wenn Sie eine Art mißglückterBioroboter wären, der den Auftrag hat, hin-ter den Linien zu kämpfen?«

»Wahnsinn!« Lebo Axton-Kennon sprangauf. Tränen schossen ihm in die Augen. Erversuchte, etwas zu sagen, aber er brachtekeine Silbe über die Lippen. Hilflos schüt-

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telte er die Fäuste. Derartige Hinweise aufseinen mißgestalteten Körper vertrug Ken-non nicht. Er trat einige Schritte auf dieEnergiewand zu. »Für diese Behauptungwerden Sie bezahlen. Niemand soll es wa-gen, derartige Beleidigungen auszusprechen.Ich werde …«

»Sie haben nicht richtig zugehört«, unter-brach ihn der Geheimdienstler. »Ich habe le-diglich Spekulationen angestellt. Ich habegesagt, was wäre für den Fall, daß … Ichwollte also nur, daß Sie sich des Problemsbewußt werden.«

Der Terraner drehte ihm den Rücken zuund kehrte mit nachschleifenden Füßen zumHocker zurück. Er setzte sich.

»Lebo Axton«, sagte der Polizeipräsidentvon Arkon III. »Beantworten Sie mir nur dieeine Frage: Woher kommen Sie? Auf wel-chem Planeten sind Sie geboren?«

Das Gesicht des Verwachsenen zuckte. Erblickte auf den Boden.

»Muß das sein?«»Es muß. Wir werden exakt aufklären,

welche Vergangenheit Sie haben. Wenn Sieuns dabei nicht helfen, müssen wir anneh-men, daß Sie sich in feindlicher Absicht ha-ben einschleusen lassen.«

»Dann hätte ich mich fraglos unauffälli-ger benommen.«

»Das ist kein Argument. Also?«»Von Abbashir, dem Freihandelsplaneten.

Ich habe mich an Bord eines Schiffes ge-schlichen. Mein einziger Wunsch war, end-lich diese Welt der Gesetzlosigkeit und desTerrors zu verlassen.«

»Und Sie verlangen, daß wir Ihnen glau-ben?« Der Präsident blieb höflich. SeineStimme klang sanft. Ein gewisser Vorwurfwar nicht zu überhören. Axton war klar, daßder Arkonide ihn nur deshalb noch so re-spektvoll behandelte, weil er den MordfallMosselcrin so gut aufgeklärt hatte.

Axton war ein Mann, der selbst Tausendevon Verhören geführt hatte. Er wußte, daß ermit bewußt eingestreut unlogischen Aussa-gen etwas erreichen konnte. Er war durchdie Illusionsmaschine mit der Ischtar-Me-

mory Programmierungsmethode durch dieJahrtausende in die Vergangenheit zurück-geschleudert worden. Er wußte, daß er nie-mandem eine wirklich befriedigende Erklä-rung über seine Anwesenheit geben konnte.Er hatte keine arkonidische Vergangenheit.Er war mitten in diese Szene der Gegenwarthineingesprungen. Ihm fehlten alle Beweise,die ein Mann normalerweise hätte habenmüssen. Niemand konnte bestätigen, daß erirgendwann und irgendwo vorher existierthatte. Die Situation wäre für einen Mann,der nicht über die Qualitäten eines SinclairMarout Kennon verfügte, ausweglos gewe-sen.

»Warum sollten Sie mir nicht glauben?«fragte er, Überraschung heuchelnd. »Ich sa-ge die Wahrheit.«

»Wann und mit welchem Raumschiff sindSie nach Arkon III gereist?«

Lebo Axton überlegte. Dann nannte er einSchiff, das er vor einigen Tagen, kurz nachseiner Materialisation beobachtet hatte.

»Der Name des Schiffes war FANTHIA«,erklärte er.

Ternnan wandte sich um und drückte eini-ge Tasten der Positronik herunter.

»Sie lügen«, stellte er danach fest. »DieFANTHIA ist niemals auf Abbashir gewe-sen.«

Lebo Axton rutschte wieder vom Sessel.Sein Lid zuckte heftig. Er breitete die Armeaus.

»Warum erlauben Sie einem unglückli-chen Krüppel nicht, mit seiner verächtlichenVergangenheit zu brechen, eine Welt zu ver-gessen, in der der Mensch nicht nach seinengeistigen Fähigkeiten, sondern nach der äu-ßerlichen Erscheinung beurteilt wird? Wa-rum gönnen Sie mir nicht, auf Arkon glück-lich zu sein? Ich möchte nur meinen intel-lektuellen Fähigkeiten leben. Ich möchtemich der Faszination schwierigster Krimi-nalfälle ergeben. Müssen Sie unbedingt her-ausfinden, daß ich aus einer Welt der Qua-len, der Erniedrigung und der Verächtlich-keit komme, die nichts als Demütigungenfür mich hatte? Bin ich ins Zentrum des Im-

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periums gereist, nur um hier zu erleben, daßder Verstand, das höchste Geschenk der all-mächtigen Natur an den Menschen, hiernichts zählt?«

»Lebo Axton, wie weit wollen Sie IhrSpiel noch treiben?« fragte der Geheim-dienstmann. »Meine Herren, ich schlage Ih-nen vor, diesen Mann einem Sonderverhörzu unterwerfen.«

Axton-Kennon erschrak. Er wußte, daßdie Arkoniden über besondere Methodenverfügten, mit denen sie jedem Inhaftiertendie Wahrheit entlocken konnten. Aber diesesGeschäft war höchst einseitig. Die Arkoni-den erfuhren zwar, was sie wissen wollten,der Verhörte aber überlebte diese Prozedurnicht.

»Ich bewundere Sie«, sagte Axton sarka-stisch. »Sie sind ein Mann der Tat. So etwaswie Vertrauen kennen Sie nicht. Sie vernich-ten lieber, als daß Sie etwas wagen.«

»Sie meinen, ich sei ein Feigling?« fragteder Geheimdienstler ärgerlich. Er hängte dieDaumen vorn in den Gürtel und blickte spöt-tisch auf den Verwachsenen herab.

»Oh, nein, das sind Sie nicht. Sie sind …«»Schluß jetzt«, unterbrach Vagont Tern-

nan, der Polizeipräsident, das Gespräch.»Lebo Axton hat nicht unrecht. Weshalbsollen wir ihm nicht vertrauen? Er hat im-merhin einen Mann wie Mosselcrin über-führt. Dabei mußte er wissen, daß er unsereAufmerksamkeit erregt. Er ist also bewußtein hohes Risiko eingegangen. Warum soll-ten wir nicht auch ein gewisses Risiko ein-gehen? Wir können es uns leisten, großzügigzu sein, bis wir merken, daß eine derartigeHaltung nicht angebracht ist. Dann ist es im-mer noch früh genug, Lebo Axton mit Spe-zialmethoden zu verhören.«

»Ternnan, wir sind nicht auf Arkon I oderArkon II, sondern auf dem Kriegsplaneten.Wenn hier eine Person ohne Vergangenheitauftaucht, ist das zweifellos gefährlicher füruns als auf den anderen Planeten.«

»Wirklich?« fragte Ternnan ironisch. »Ichdenke, wer dort eindringt, wo große Politikgemacht wird, kann wirklich Schaden an-

richten. Dieser Mann ist ein brillanter Geist.Er versteht etwas von Kriminalistik. Gebenwir ihm einen Vorschuß an Vertrauen. Dannwerden wir erleben, ob er ihn verdient odernicht.«

»Die Verantwortung …«»Die Verantwortung dafür trage ich«, er-

klärte der Polizeipräsident nachdrücklich.»Ich protestiere«, sagte der Geheimdienst-

ler.»Vergeblich«, entgegnete Ternnan.»Was haben Sie vor?« fragte Eihrett

Khantron.»Ich will Axton eine Chance geben. Der

Polizeipräsident von Arkon I hat ein Pro-blem an mich herangetragen. Vielleicht kannLebo Axton uns dabei helfen, es zu lösen.«Er dämpfte seine Stimme und sprach so leiseweiter, daß Kennon ihn nicht mehr verste-hen konnte.

*

Die Energiewand fiel. Eihrett Khantronund der Geheimdienstler verließen grußlosden Raum. Lebo Axton schien nicht mehrfür sie zu existieren. Ternnan blieb. Er tratlangsam an den Verwachsenen heran, dersich unterwürfig erhob.

Lebo Axton war sich klar darüber, daß ernicht mehr als eine Galgenfrist erhalten hat-te. Er war fest entschlossen, sie zu nutzen.Für ihn war wichtig, daß er beweisen konn-te, ein Gegner der Maahks zu sein. Die Ar-koniden standen den Methanatmern haßer-füllt gegenüber. Der Krieg wurde mit äußer-ster Härte und Entschlossenheit geführt.Sachliche Diskussionen über die Maahkswaren ausgeschlossen. Gar zu weit hattensich die streitenden Parteien voneinanderentfernt. Je deutlicher er daher zeigen konn-te, daß er mit den Methanatmern nichts ge-mein hatte, desto besser für ihn.

»Ich verspreche Ihnen, Ternnan, daß SieIhre Fürsprache für mich niemals bereuenwerden«, erklärte er.

»Das wird sich zeigen«, erwiderte der Po-lizeipräsident gleichgültig. Er hob den rech-

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ten Arm. Eine Robotbank rollte heran, sodaß er sich setzen konnte. Mit einer flüchti-gen Handbewegung gab er Axton zu verste-hen, daß auch er Platz nehmen sollte. Prü-fend blickte er ihm in die Augen. Axton warjetzt ruhig. Sein Lid zuckte nicht mehr. »Fürmich wäre eine Enttäuschung keine Kata-strophe, Axton. Für Sie aber wäre es ziem-lich arg, wenn ich später einmal feststellenmuß, daß es verhängnisvoll war, Ihnen eineChance zu geben.«

»Ich bin mir dessen bewußt.«»Um so besser.«»Was kann ich für Sie tun?«»Mein Freund Quertan Merantor, Polizei-

präsident von Arkon I, hat mit mir übereinen Problemfall gesprochen, den seineMänner bisher nicht lösen konnten. Sie ha-ben bewiesen, daß Sie von Kriminalistik vielverstehen und ungewöhnliche Methodenauch unter schwierigen Umständen durchzu-setzen wissen. Sie mußten immerhin gegenden gesamten Polizeiapparat von Arkon III,gegen Militärs und Geheimdienst arbeiten.«

Axton schwieg, als Ternnan eine Pausemachte. Er spürte, daß der Arkonide gar kei-ne Bemerkung von ihm hören wollte.

»Ich werde Merantor den Rat geben, Siein diesem Fall einzusetzen, Axton. Sie kön-nen beweisen, was Sie können.«

»Darf ich fragen, wo die Hauptschwierig-keit in dieser Sache liegt?«

»Das ist mir nicht bekannt. Das werdenSie an Ort und Stelle erfahren. Ich weiß je-doch, daß Sie Fingerspitzengefühl beweisenmüssen. Sie werden zeigen müssen, daß Sieein Psychologe sind und daß Sie sich auchvon extremer Arroganz nicht beeindruckenlassen.«

»Wie soll ich das verstehen?«Vagont Ternnan lächelte.»Tun Sie nicht so, Axton, als wüßten Sie

nicht schon Bescheid. Sie sollten nicht ver-suchen, mich zu täuschen. Das schaffen Sienicht.«

»Ich werde es also mit Edelleuten undhochgestellten Persönlichkeiten Arkons zutun haben.«

»Ich wußte es doch.«»In diesen Gesellschaftskreisen hat man

wenig Respekt vor einem Krüppel. Er mußsich offene Verachtung gefallen lassen.«

»Hm.«»Sie gehen davon aus, daß ich gerade da-

durch Möglichkeiten erhalten werde, die an-dere Männer nicht haben. Sie meinen, einemMann gegenüber, den man für einen Narrenhält, ist man unaufmerksamer und machtleichter Fehler als gegenüber einem ande-ren.«

»Sie hatten recht, Axton. Man soll einenMann wirklich nicht nach seinem Äußerenbeurteilen. Glauben Sie, solchen Demüti-gungen gewachsen zu sein?«

Der Verkrüppelte senkte den Kopf. SeineLippen bebten, und das linke Lid zuckte ner-vös. Doch dann blickte er rasch auf. VagontTernnan lächelte sardonisch. Kennon sahihm an, daß er davon überzeugt war, ihn ineine Hölle zu schicken, in der er umkommenmußte.

»Man möge mir verzeihen, daß ich michvon meinen Emotionen habe überwältigenlassen, Ternnan. Es war, weil die Gefühleder Dankbarkeit allzu mächtig wurden.«

Der Arkonide erhob sich und lachte schal-lend.

»Verzichten Sie darauf, Axton, sich übermich lustig zu machen. Ich sagte schon, daßes schwer ist, mich zu täuschen.«

»Ich hätte es wissen müssen.«Der Arkonide wurde ernst. Wieder mu-

sterte er den Verkrüppelten scharf.»In einer halben Stunde starten Sie nach

Arkon I. Ich hoffe, daß Sie mir bald eine Er-folgsmeldung machen können.«

»Kann ich damit rechnen, von QuertanMerantor unterstützt zu werden?«

»Er wird Ihnen alle Informationen geben,die Sie benötigen. Ich fürchte jedoch, daßdas nicht viel sein wird.«

2.

»Das Raumschiff ist viel zu klein«, sagteLebo Axton protestierend, als der Pilot den

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Gleiter vor einem spindelförmigen Beibootanhielt.

»Vagont Ternnan hat mich angewiesen,dieses Schiff zu fliegen«, entgegnete der Ar-konide. »Wollen Sie sich bei ihm beschwe-ren?«

Er streckte den Arm aus und legte die Fin-ger auf die Tasten des Videogerätes.

»Schon gut. Wenn Ternnan gesagt hat,daß wir dieses nehmen sollen, dann wird erauch wissen, warum.« Er wandte sich demRoboter an seiner Seite zu. »Los, mach dieTür auf, Kelly. Worauf wartest du?«

Der Roboter gehorchte. Er stieg aus undhielt dem Verwachsenen die Hand hin, umihm beim Aussteigen zu helfen. Axton tat,als ob sie nicht vorhanden wäre. Umständ-lich rutschte er aus der Maschine. Er wäregestürzt, wenn Gentleman Kelly nicht zuge-griffen und ihn aufgehalten hätte. Dafür ern-tete der Roboter jedoch keinen Dank.

»Zurück«, schrie Axton-Kennon. »Wiekannst du es wagen, mich anzurühren.«

Der Arkonide blickte zur Seite, als derVerkrüppelte zum Beiboot hin über ging.Scheu wandte er ihm den Rücken zu, als erdie Kontakte der Schleuse drückte. DasSchott glitt zur Seite. Es war so klein, daßder Arkonide gebückt hindurch gehen muß-te.

»Steh nicht so 'rum«, schrie Axton denRoboter an. »Hilf mir gefälligst in dieSchleuse.«

Behutsam legte Gentleman Kelly ihm dieHände unter die Arme und hob ihn hoch.

In der Pilotenkanzel war so wenig Platzvorhanden, daß der Pilot nur beengt in sei-nem Sessel sitzen konnte. Kennon-Axtonmußte sich bereits mit einem Behelfspolsterzufriedengeben. Gentleman Kelly aber muß-te sich auf den Boden legen und die Beineso einknicken, daß sie in die Schleusenkam-mer ragten. Auf andere Weise wäre er nichtunterzubringen gewesen.

Lebo Axton beobachtete den Piloten beiseiner Arbeit. Das Raumschiff unterschiedsich mit seinen Einrichtungen doch beträcht-lich von jenen, die er aus der Zeit des terra-

nischen Imperiums her kannte. ZahlreicheEinrichtungen waren noch vorhanden, die inspäterer Zeit einmal in die Bordpositronikenintegriert werden würden, und um die sichdann kein Pilot mehr zu kümmern brauchte.Alles würde sehr viel einfacher und über-sichtlicher werden. Axton bezweifelte, daßer dieses Schiff unvorbereitet allein fliegenkonnte.

Doch diese Frage beschäftigte ihn nur we-nige Sekunden lang. Dann überlegte er, wa-rum Vagont Ternnan ihn mit einem derartigwinzigen Raumschiff nach Arkon I schickte.War das ein Zeichen dafür, daß er dochnicht an seine kriminalistischen Fähigkeitenglaubte?

Das Raumschiff startete.Axton-Kennon begann, haltlos zu fluchen.

Der Arkonide hörte es nicht.So erleichtert Kennon auch war, weil es

ihm endlich gelungen war, aus seinem ver-haßten Robotkörper herauszukommen, sosehr fraß die Verzweiflung über den Körper,den er nun sein eigen nannte, an ihm. Hättenseine Beine und seine Arme nicht ein biß-chen länger und kräftiger sein können? Hättesein Rumpf nicht etwas gestreckter sein kön-nen? Für ihn wäre doch alles leichter gewe-sen, wenn er sich wenigstens ohne Schmer-zen und ohne allzu große Mühen hätte be-wegen können.

Warum mußte er ausgerechnet auf einenRoboter angewiesen sein, um schnell undwenig genug sein zu können.

Er versetzte Gentleman Kelly einen wü-tenden Tritt gegen den Kopf. Der Roboterwandte ihm das Organband mit den Quarz-linsen zu. Axton holte erneut aus, verzichte-te dann je doch darauf, der Maschine denFuß mitten ins Gesicht zu setzen. Wütendwandte er sich ab.

War dies überhaupt die Wirklichkeit?Oder träumte er einen überaus realistischenTraum? Befand er sich gar nicht im arkoni-dischen Imperium in der Zeit des jungen At-lan, in einer Epoche also, die um mehr alszehntausend Jahre in der Vergangenheit lag?

Er hatte gefährliche Erlebnisse bei seiner

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Jagd nach dem Mörder Mosselcrins über-standen. Was aber wäre gewesen, wenn erdabei tödlich verletzt worden wäre? Wäre erdann wirklich gestorben, oder wäre nur seinTraum in der Illusionsmaschine beendet ge-wesen?

Axton-Kennon schüttelte den Kopf.Nein, dies mußte die Realität sein. Dies

konnte kein Traum mehr sein. Es war ein-fach nicht möglich, sich derartige Dinge,wie er sie erlebt hatte, einfach nur einzubil-den.

Er lehnte sich zurück und versuchte, sichzu entspannen. Er schloß die Augen undlauschte auf die Geräusche des Raumschiffs,das die Atmosphäre von Arkon III längstverlassen hatte und nun auf den Wohn- undRegierungsplaneten Arkon I zuraste. DieBeschleunigung spürte er kaum. Die Anti-gravneutralisatoren schirmten ihn fast völliggegen diese Kräfte ab, die ihn tödlich bela-stet hätten, wenn er mit ihnen hätte fertigwerden müssen.

Axton beschloß, alle Gedanken und Erin-nerungen an die Zeit Rhodans zu verdrän-gen. Er wollte sich nicht mehr mit ihnen be-fassen. Er wollte nicht mehr darüber nach-denken, ob er träumte oder sich in der Reali-tät bewegte. Er wollte nicht mehr fragen, obZukunft oder Vergangenheit wirklich für ihnwaren, sondern sich nur noch auf die Gegen-wart konzentrieren. Sie war allein wichtigfür ihn.

In ihr konnte er etwas für den jungen At-lan tun. Er konnte ihm helfen und ihm denWeg in die Zukunft bereiten, der ihn irgend-wann zur Erde und an die Seite PerryRhodans führen würde.

Axton war müde. Er hatte schon seit mehrals zwanzig Stunden nicht mehr geschlafen.Warum sollte er den Flug nicht dazu nutzen,sich zu erholen?

*

Merantor empfing ihn in einem Trichter-gebäude, das nicht sehr weit vom Raumha-fen entfernt war. Es lag mitten in einer park-

ähnlichen Landschaft, die von überwältigen-der Schönheit war. Noch niemals zuvor hat-te Axton-Kennon so etwas gesehen. Gernhätte er den Piloten gebeten, mit dem Gleiterein wenig über den Anlagen zu verweilen,doch er unterdrückte den Wunsch. Er sagtesich, daß er später noch genügend Gelegen-heit haben würde, sich die Kristallwelt, an-zusehen.

Der Pilot des Raumschiffs führte Axtonbis in das Vorzimmer des Polizeipräsiden-ten, in dem zwei junge Mädchen und zweiMänner an vier mit Instrumenten übersätenPulten arbeiteten.

»Dies ist der Mann«, sagte er und gab Ax-ton mit einer Handbewegung zu verstehen,daß er eintreten sollte. Der Verwachsenefolgte der Einladung. Er ging mit schleifen-den Schritten an dem Arkoniden vorbei undblickte sich im Vorzimmer um, als seien dieMitarbeiter des Präsidenten nicht vorhanden.Gentleman Kelly wollte ihm folgen, aber derPilot streckte abwehrend die Hand aus.

»Roboter haben hier nichts zu suchen.«Dann winkte er den Helfern des Präsiden-

ten kurz zu und verließ den Raum. Die bei-den Männer und die Mädchen blickten Ax-ton an, als sei er ein exotisches Tier. Einesder Mädchen prustete hinter der vorgehalte-nen Hand los. Bei dem anderen zuckten dieMundwinkel verdächtig.

»Wollen Sie mich Quertan Merantor nichtmelden?« fragte der Verwachsene scharf.

Einer der beiden Männer erhob sich undverneigte sich grinsend vor ihm.

»Wir bitten untertänigst um Entschuldi-gung, Axton. Wir ahnten ja nicht …« DieStimme versagte ihm. Er legte die Hand vorden Mund, um nicht laut loszulachen. »Fol… folgen Sir mir.«

Er eilte auf eine breite Tür zu und öffnetesie. Dann meldete er den Besucher jedochnicht beim Präsidenten an, wie Kennon eserwartet hatte, sondern trat rasch zur Seite.

Lebo Axton schleppte sich keuchend anihm vorbei. Seine Beine wurden plötzlichschwer. Ihm war, als habe er Bleistiefel an.

Die Tür fiel hinter ihm zu.

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Quertan Merantor saß an seinem Arbeit-stisch und machte sich einige Notizen. Ohneaufzusehen, zeigte er auf einen Sessel undsagte: »Setzen Sie sich.«

Als Axton sich dem Sitzmöbel näherte,vernahm der Präsident das Schleifen der Fü-ße auf dem Teppich. Er hob dann Kopf, undseine Augen weiteten sich. Das Blut wichaus seinem massigen Gesicht, und die Un-terlippe sackte ihm nach unten.

»Wer sind Sie?« fragte er mit gedämpfterStimme.

»Mein Name ist Lebo Axton«, entgegneteder Verwachsene. »Ich komme auf Empfeh-lung von Vagont Ternnan.«

Merantor stand auf. Er war über zwei Me-ter groß und mochte etwa 130 kg wiegen,sah dabei jedoch nicht übergewichtig, son-dern unglaublich kräftig aus.

»Das kann doch nicht wahr sein«, sagteMerantor. Sein Gesicht verfärbte sich. Erbeugte sich vor und stützte sich mit beidenHänden auf die Platte seines Arbeitstisches.»Was wollen Sie hier? Wieso besitzen Siedie Frechheit, mich bei der Arbeit zu stö-ren?«

»Ich erwähnte schon, daß Vagont Ternnanmich zu Ihnen geschickt hat. Er erklärte mir,daß Sie gewisse kriminalistische Problemehaben, und er bat mich, Ihnen zu helfen, die-se zu beseitigen.«

»Sie sollen mir helfen? Ausgerechnet Sie?Was soll ich mit einem Hampelmann?«

Zornbebend schaltete er sein Video an.»Geben Sie mir Vagont Ternnan«, brüllte

er ins Mikrophon. »Sofort.«»Merantor, hören Sie«, sagte Axton.

»Warten Sie …«»Sie halten den Mund«, schrie der Poli-

zeipräsident mit einer Stimmengewalt, diedie Gläser auf einer Anrichte neben dem Ar-beitstisch erzittern ließ.

Vagont Ternnan meldete sich.»Hallo, Quertan, alter Freund. Wie geht

es dir? Ich …«»Mir ist schlecht, Ternnan.«»Was ist los mit dir, Quertan? Warum

brüllst du so?«

»Weil du dir erlaubt hast, mir den miese-sten Witz zu präsentieren, der mir jemalsvorgekommen ist. Mir reicht es jetzt. Dieseaus einem Kuriositätenkabinett entlaufeneFigur hat …«

»Quertan, so hör' doch. Ich will …«»Ich kündige dir unsere Freundschaft. Ei-

ne derartige Frechheit ist mir in meinem Le-ben noch nicht vorgekommen. Wir habenhier verdammt ernste Probleme. Aber daskannst du dir natürlich nicht vorstellen. Vonjetzt an erbitte ich mir eine förmliche Anre-de und jene Distanz, wie sie unter Fremdenüblich ist, die höchstens berufliches Interes-severbindet.«

»Quertan, ich will …«Merantor schaltete ab. Er streckte den

Arm aus und zeigte auf die Tür.»Und jetzt 'raus mit Ihnen.«Lebo Axton setzte sich in einen Sessel

und kreuzte die Arme vor der Brust.»Offenbar haben Sie keine ernst zu neh-

mende Arbeit.«»Haben Sie nicht gehört, was ich gesagt

habe?«»Doch, aber es beeindruckt mich nicht

sonderlich. Sie meinen, Vagont Ternnan ha-be sich einen Witz erlaubt. Sie meinen, des-halb habe er Ihnen einen Mann geschickt,der aus einer Gagsendung aus 3D-Visionstammen könnte.«

Quertan Merantor beugte sich weit vor. Erblickte Axton mit funkelnden Augen an. Erschäumte vor Wut.

»Genau so ist es.«»Sie irren. Komplexbeladen, wie Sie nun

einmal sind, meinen Sie, ein fähiger Krimi-nalist müsse mindestens Ihr Gewicht auf dieWaage bringen.«

»Sie wagen es, mich …?«»Warum nicht? Vertragen Sie die Wahr-

heit nicht?«Quertan Merantor schnaufte. Einer seiner

Assistenten öffnete die Tür und trat ein.»Soll ich ihn in den Antigravschacht wer-

fen?« fragte er.Merantor schüttelte den Kopf. Er

scheuchte den Mann mit einer Handbewe-

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gung wieder hinaus. Argwohnisch musterteer Lebo Axton. Er war verunsichert undwußte nun überhaupt nicht mehr, was er vonihm halten sollte. Sein Zorn war keineswegsverraucht.

»Entweder spielen Sie Ihre Rolle ver-dammt gut, oder Sie …«

»Können wir nicht endlich zur Sachekommen?« fragte der Verwachsene kühl.»Ich bin es satt, mich ständig nur über dieUnzulänglichkeiten meines Körpers unter-halten zu müssen. Also, um welchen Fallgeht es?«

Quertan Merantor kreuzte die Arme eben-falls vor der Brust. Er setzte sich und blickteAxton starr an. Dann schüttelte er den Kopf.

»Nein, mein Lieber, wir werden nicht zu-sammenarbeiten. Auf gar keinen Fall. Glau-ben Sie, ich könnte es mir leisten, eine der-artige Witzfigur wie Sie im Namen unsererOrganisation auftreten zu lassen? Was bildetsich Ternnan eigentlich ein? Er muß denVerstand verloren haben, als er Sie zu mirschickte.«

Kennon-Axton stand auf und ging mitschlurfenden Schritten zur Tür. Dort blieb erstehen und drehte sich um.

»Vagont Ternnan ließ durchblicken, daßder Leiter der Polizei von Arkon I die Figureines Mannes, der vor Selbstbewußtseinplatzen würde, aber das typische Charakter-bild eines Schwächlings hat. Die Arbeit imden höchsten Adelskreisen des Imperiumshabe ihn zermürbt, so deutete Ternnan an, sodaß er nun nicht mehr den Mut habe, Ent-scheidungen zu treffen.«

Quertan Merantor kam um seinen Arbeit-stisch herum auf Axton zu. Er war bleich ge-worden.

»Für eine Witzfigur sind Sie verdammtleichtsinnig«, sagte er drohend. »Für dieseWorte könnte ich Sie erschlagen, ohne dafürbelangt zu werden.«

»Ich wünschte, ich könnte mich mit Ihnenüber ein Videogerät unterhalten, dessenBildteil ausgefallen ist«, erwiderte Axton ru-hig. »Vielleicht käme dann etwas Vernünfti-ges zustande.«

Merantor blickte Axton mit verengtenAugen an. Plötzlich wandte er sich ruckartigab und kehrte zu seinem Sessel zurück.

»Setzen Sie sich«, befahl er.Axton blieb an der Tür stehen.»Ich habe Ihnen eine Anweisung gege-

ben.«»Ich denke nicht, daß es irgend jemanden

im Imperium gibt, der so etwas tun könnte.«»Dies ist Ihre letzte Chance. Wenn Sie sie

nicht wahrnehmen, ist alles für Sie vorbei.«Kennon überlegte kurz, dann gab er nach.

Es war sinnvoller, sich anzuhören, was derPräsident wollte, als ihn noch mehr zu pro-vozieren. Er setzte sich.

»Also …?«Quertan Merantor war jetzt eiskalt. Plötz-

lich war er wie umgewandelt. Lebo Axtonerkannte den gefährlichen und listenreichenKämpfer in ihm.

»Vagont Ternnan hat sich einen ver-dammt schlechten Witz erlaubt«, stellte derPräsident fest. »Davon bin ich nach wie vorüberzeugt. Nun, er soll seinen Spaß haben.«

»Wie meinen Sie das?«Der Arkonide lächelte boshaft.»Sie werden Ihren Fall bekommen, den

Fall, der mir am meisten Sorge macht.«»Mehr wollte ich nicht.«»Wirklich nicht?« Merantor glaubte ihm

kein Wort. »Sie werden diesen Fall lösen,Lebo Axton.«

»Das habe ich vor.«»Daran soll Ternnan sich die Zähne aus-

beißen. Er soll es noch bereuen, mir einederartige Witzfigur geschickt zu haben. Sie,Axton, werden Arkon I nicht eher verlassen,bis der Fall geklärt ist. Sollten Sie es den-noch versuchen, werde ich Sie über denHaufen schießen lassen. Glauben Sie nurnicht, daß ich in dieser Hinsicht Skrupel ha-be.«

Axton-Kennon glaubte ihm. Er spürte,daß Merantor die Wahrheit sagte. Der Poli-zeipräsident hatte das Angebot seines Freun-des vollkommen mißverstanden. Nun wollteer sich rächen.

»Sie sitzen in der Klemme, Axton, aber

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Page 12: Der Mutantenjäger

das ist Ihre Schuld. Sehen Sie zu, wie Sieaus dieser Falle wieder herauskommen. Andiesem Fall haben sich meine besten Männerdie Zähne ausgebissen. Sie wird er den Kopfkosten.« Merantor legte sich weit in seinemSessel zurück. Er lachte dröhnend. »EineWoche Zeit gebe ich Ihnen. Danach werdenSie keine Sorgen mehr haben.«

»Sie werden nicht das Vergnügen haben,Merantor, mich abknallen zu können«, erwi-derte Axton. »Und nun erzählen Sie mirendlich, um was es geht.«

Der Präsident drückte eine Taste. Einerseiner Assistenten kam herein. Merantorbeugte sich über seine Akten und schrieb.

»Erläutern Sie ihm den Fall vom Sque-don-Kont-Viertel«, ordnete er in verächtli-chem Ton an.

*

»Das SquedonKontViertel ist einer dergrößten und elegantesten Wohnparks vonArkon I«, erklärte der Assistent. »Dort woh-nen fast ausschließlich hochgestellte Persön-lichkeiten, Edelleute, Offiziere, Wissen-schaftler ersten Ranges. UngewöhnlicheDinge sind geschehen. Nachts gab es in ver-schiedenen Wohnhäusern seltsame Leucht-erscheinungen, unheimliche Geräusche undunerklärliche Bewegungen. Risse bildetensich in Decken, Fenstern und Möbeln, abso-lut einbruchsichere Panzerschränke öffnetensich wie von Geisterhand bewegt, Schmuck-stücke, Geld und Wertpapiere wirbeltendurch die Luft davon und mußten mühsamwieder eingesammelt werden, Waffen entlu-den sich von selbst und steckten ganze Woh-nungen in Brand. Und vor zwei Tagen ist ei-ne junge Dame verschwunden. Sie heißtLarcenia Sammaron. Sie ist die Tochter ei-nes Industriellen, der zu den wohlhabend-sten und einflußreichsten Männern des Im-periums gehört.«

Der Arkonide blickte Axton hochmütigan.

»Die Edlen sind beunruhigt und empört.Sie machen uns die heftigsten Vorwürfe,

weil es uns noch nicht gelungen ist, den Fallzu lösen.«

»Seit wann passieren diese Dinge?«»Seit etwa zwei Wochen.«»Was haben Sie herausgefunden?«»Nichts.«Lebo Axton erhob sich.»Ich bewundere Sie«, sagte er ironisch.

»Welch geniale Leistung. In zwei Wochenhaben Sie nichts ermittelt. Wirklich. Siewerden in die Geschichte der Kriminalistikeingehen.«

»Verschwinden Sie!« Der Assistent balltedie Fäuste. Er war nahe daran, über Axtonherzufallen und ihn zusammenzuschlagen.Nur die Tatsache, daß er nicht genau wußte,was im Dienstzimmer des Präsidenten vor-gefallen war, mochte ihn daran hindern.

Axton-Kennon winkte Gentleman Kellyzu sich heran. Der Roboter kniete sich hinund wandte ihm dabei den Rücken zu, sodaß er seine Füße auf die Bügel setzen undsich an den Griffen an der Schulter festhal-ten konnte. Ohne den Assistenten weiter zubeachten, ließ Axton sich hinaustragen.

*

Axton-Kennon spürte die Blicke der an-deren Passagiere, als er die Rohrbahn betrat,mit der er vom Polizeipräsidium bis zumSquedon-Kont-Viertel fahren wollte. Einigeder Frauen blickten ihn entsetzt an undwandten sich dann ab. Die Männer muster-ten ihn teils feindlich, teils erheitert. Keinerder Arkoniden aber verhielt sich so, als seinichts geschehen.

Axtons Hände krampften sich um die Hal-tebügel auf den Schultern Gentleman Kellys.

»Das liegt nur an dir, du Mißgeburt voneinem Roboter«, sagte er zischelnd. »Wenndu nicht so verrückt aussehen würdest, wür-de sich niemand über uns aufregen.«

Der Roboter stand zwischen zwei freienSitzen. Axton blieb auf den Halterungen ste-hen und blickte auf den Schirm eines Video-gerätes. Er versuchte, sich auf den ausge-strahlten Bericht über eine Raumschlacht

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mit den Methans zu konzentrieren, aber esgelang ihm nicht. Allzu deutlich fühlte er,wie gespannt die Atmosphäre im Wagenwar. Deutliches Unbehagen machte sichbreit. Und schon an der nächsten Stationleerte sich der Wagen.

»Du bist schuld«, schrie Axton wütend.Er schlug mit der Faust auf den Kopf Kellys.Seine Lippen zuckten. Für Minuten kämpfteer mit sich. Er fragte sich, wofür er sich ab-kämpfte, und wann er endlich auch einmalohne ständige Demütigungen leben konnte.Wie froh und glücklich war er zu Anfanggewesen, wieder in seinem alten Körperweilen zu können. Dabei hatte er über allenegativen Aspekte hinweggesehen und allesverdrängt, was störend sein konnte.

»Warum mußte ich dich finden?« fragteer. »Warum konnte ich nicht einen Roboteraufspüren, der nicht so abgrundtief häßlichist wie du?«

»Schätzchen, du tust mir unrecht«, ent-gegnete Gentleman Kelly. »Wer hat michdenn zusammengebastelt? Das war ich dochnicht.«

»Was fällt dir ein, mich so zu nennen?«rief Axton wütend.

»Ich fühle mich gedemütigt.«»Ein Roboter mit Gefühlen! Ich platze vor

Lachen.«»Ich kann nicht lachen, wenn meine Psy-

che so verletzt wird.«»Du elender Klapperkasten, du kannst si-

cher sein, daß ich dir einen neuen Kopf ver-passen werde, sobald ich einen finde.«

»Jetzt machst du den gleichen Fehler wieQuertan Merantor, Liebling.«

»Ich bin nicht dein Liebling!« brüllte Ax-ton.

»Aber du machst den gleichen Fehler.«»Welchen?« fragte der Verwachsene stöh-

nend. Er wußte, daß Gentleman Kelly hart-näckig immer wieder zu diesem Punkt zu-rückkommen würde, bis er ihm endlich Ge-legenheit gab, sich auszusprechen.

»Du beurteilst mich nach meinem Äuße-ren.«

»Er konnte dich gar nicht beurteilen. Er

hat dich gar nicht gesehen.«»Das sind Spitzfindigkeiten, mit denen du

mir ausweichen willst, Herzchen.«»Dafür bringe ich dich um.«»Das wäre eine Sünde.«»Was weiß ein Roboter von Sünde?«»Du hast gesagt, daß ich häßlich bin. Das

ist eine Sünde.«»Vergiß nicht, daß du vom Schrottplatz

stammst, Mißgeburt. Und jetzt sei still.«Der Zug hielt. Die Türen öffneten sich.

Zwei junge Mädchen traten ein, sahen denRoboter mit dem Verwachsenen auf demRücken und verließen den Waggon wieder.Eine von ihnen blickte mitleidig zurück.Diese Geste traf Sinclair Marout Kennontiefer als alles, was er bisher hatte hinneh-men müssen. Verbittert senkte er den Kopf.

Der Zug fuhr weiter. Axton schwieg. Erhing seinen Gedanken nach. Wiederum ver-suchte er, sich abzulenken. Er konzentriertesich auf den Kriminalfall, den er lösen soll-te. Doch auch jetzt gelang es ihm nicht, sichvon seinen eigenen Problemen zu lösen. Im-mer wieder fragte er sich, ob es nicht dochbesser war, wenn er versuchte, in die Zeitzurückzukommen, aus der er stammte. Alsder Zug jedoch abermals hielt, und Gentle-man Kelly den Waggon verließ, vergaß Ax-ton seine Sorgen. Er war unter dem Sque-don-Kont-Viertel, und das Jagdfieber erfaßteihn. Hier geschahen geheimnisvolle Dinge,und damit bot sich ihm abermals eine Gele-genheit zu zeigen, was er konnte.

Er schlug Kelly mit der Faust auf denKopf.

»Schneller«, befahl er.Die Bahnstation war fast leer. Nur wenige

Arkoniden waren aus dem Zug gestiegen.Sie eilten dreißig Meter vor ihm her und be-merkten ihn nicht. Axton sah sich forschendum. Der Bahnhof ließ auf den ersten Blickerkennen, daß hier keine gewöhnlichen Leu-te wohnten. Er war mit kostbaren Materiali-en ausgestattet, glänzte vor Sauberkeit undhatte etwas Abwehrendes an sich. Hier spür-te jeder, daß nur Gäste willkommen waren,die zu den obersten Gesellschaftsschichten

Der Mutantenjäger 13

Page 14: Der Mutantenjäger

des Imperiums gehörten.In dieser Hinsicht kannte Axton-Kennon

jedoch keine Komplexe. Er war es gewohnt,sich überall zu bewegen. Reichtum undMacht imponierten ihm nicht. Sie waren be-deutungslos für ihn.

Über eine Antigravschräge glitten sienach oben und gelangten in eine Parkland-schaft von solcher Schönheit, wie der Terra-ner sie nie zuvor gesehen hatte. Auf keinemPlaneten der Galaxis in der Zeit des terrani-schen Imperiums wurde ein derartiger gar-tenbaulicher Kult getrieben wie auf Arkon I.Zierpflanzen aus allen Teilen der bekanntenGalaxis schienen hier zusammengetragenworden zu sein. In kaum sichtbaren Energie-gattern wurden wilde Tiere gehalten, dieKennon noch nie gesehen hatte. Aber dieseDinge interessierten ihn vorläufig nur amRande. Er trieb den Roboter an, ihn zu ei-nem der Trichtergebäude zu tragen, von de-nen jedes eine Höhe von fünfhundert Meternerreichte. Niemand hielt ihn auf. Er konntedas Gebäude betreten, ohne kontrolliert zuwerden. Er wußte jedoch, daß es Beobach-tungsanlagen gab, die Aufnahmen von ihmanfertigten und alles registrierten, was er tat,bis er eine der Wohnungen betrat. Und auchdort würde er überwacht werden, falls dieBewohner die positronische Aufzeichnungnicht abgeschaltet hatten.

In einem großzügig angelegten Antigrav-schacht schwebten er und Kelly auf einerrunden Plattform nach oben. In einer Höhevon etwa einhundert Metern begannen dieWohnetagen, zwischen denen immer wiederkünstliche Gartenlandschaften angelegt wa-ren, in denen die unterschiedlichsten Klima-zonen imitiert wurden.

Sammaron, der Vater des verschwunde-nen Mädchens, wohnte über einer Polarland-schaft, die von zahlreichen Tieren bevölkertwurde. Axton fand den Eingang zur Woh-nung des Industriellen im obersten Stock-werk, wo die luxuriösesten Wohnungen la-gen.

Er betrat einen völlig in rotes Licht ge-tauchten Gang, als eine freundliche Frauen-

stimme fragte: »Guten Tag. Würden Sie mirbitte Ihren Namen nennen? Was führt Sie zuuns?«

»Ich komme von der Polizei«, entgegneteer. »Es geht um Larcenia.«

»Weisen Sie sich, bitte, aus.«»Das kann ich nicht. Fragen Sie beim Po-

lizeipräsidenten zurück. Er wird bestätigen,daß ich fahndungsberechtigt bin.«

Bis zu diesem Zeitpunkt war sich Kennondessen nicht bewußt gewesen, wie groß sei-ne Schwierigkeiten tatsächlich waren. Erstand einem Roboter gegenüber, der sichvermutlich stur an sein Programm haltenwürde. Daran hatte er nicht gedacht. Jetztaber fiel ihm ein, daß er in seiner Wohnungin Terrania City einen solchen Robotportiergehabt hatte, der dafür sorgte, daß nur will-kommene Gäste eintreten konnten.

Doch er hatte Glück. Der Roboter ent-schied offenbar nicht eigenmächtig, sonderninformierte einen der Bediensteten. Die Türöffnete sich. Ein schlanker Arkonide blickteauf den Gang hinaus.

»Sie sind von der Polizei?« Er konnte essich offenbar nicht vorstellen.

»So ist es. Ich suche Larcenia und benöti-ge einige Informationen.«

»Treten Sie ein.«Axton schlug Gentleman Kelly die Hand

klatschend auf den Schädel. Der Robotermarschierte jedoch schon los. Der Durch-gang war so hoch, daß der Verwachsene sei-nen Kopf nicht einzuziehen brauchte. Siekamen in einen mit tropischen Gewächsenausgestatteten Raum. Eine zweite Tür warnicht erkennbar.

»Steigen Sie, bitte, von Ihrem Roboterherab«, sagte der Bedienstete. »Die Woh-nung dürfen nur Sie allein betreten.«

3.

Sammaron war ein schwergewichtigerMann mit kurzem Haar und großen Händen.Als Lebo Axton den Wohnsalon betrat, saßer in einem Sessel vor einem Methanariumund beobachtete einige farbenprächtige

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Kleintiere aus der Welt der Maahks. Hinterihm stand ein auffallend schönes Mädchen,das mit einem durchscheinenden Gewandnur spärlich bekleidet war.

Der Verwachsene blieb vor einem hell er-leuchteten Graben stehen, der sich querdurch den Raum zog und ihn von dem Vaterder Entführten und der Arkonidin trennte.Darin bewegten sich mehrere rote und grüneSchlangen, die teils zwischen Kriechpflan-zen versteckt waren, teils über offene Flä-chen krochen.

»Sie können hinübergehen«, erklärteSammaron mit dröhnender Baßstimme. »EinPrallfeld trägt Sie.«

Axton schob einen Fuß vor und spürteden Widerstand. Ihm wurde heiß. Er warsich dessen bewußt, daß der Arkonide ihnmühelos hereinlegen konnte. Er brauchte nurdas Prallfeld abzuschalten, um ihn denSchlangen auszuliefern.

»Wie geschmackvoll«, sagte Axton miteinem mißglückten Lächeln. Er atmete auf,als er den Graben überwunden hatte.

Sammaron musterte ihn wie ein exoti-sches Insekt. Das Mädchen lächelte interes-siert. Der Verwachsene tat, als sei alles inOrdnung.

»Mein Name ist Lebo Axton«, stellte ersich vor. »Ich bemühe mich, Ihre Tochter zufinden.«

Die Augen des Arkoniden wurden feucht.Das war ein deutliches Zeichen der Nerven-belastung, unter der er stand.

»Quertan Merantor schickt Sie?« fragteer. Seine Stimme bebte vor Zorn. »Hat diePolizei nichts Besseres zu tun, als mir eineFigur wie …«

Das Mädchen legte ihm rasch die Handvor den Mund.

»Merantor schickt mich nicht«, erwiderteAxton ruhig. »Er hat sich sogar dagegen ge-sträubt, daß ich mich in die Fahndung ein-schalte, weil er meint, es auch allein schaf-fen zu können.«

»Sie sagen das in einem Ton, als hättenSie keine besonderes hohe Achtung vor demPolizeiapparat Merantors«, bemerkte die Ar-

konidin.»Das ist vollkommen richtig.«Der Zorn Sammarons legte sich. Er schob

den Arm des Mädchens zur Seite und beugtesich vor. Erst jetzt schien er Axton richtig zusehen. Er schüttelte den Kopf.

»Mann, es gibt heute kosmetische Opera-tionen, mit denen Sie Ihr Aussehen beträcht-lich verändern könnten. Bei Ihnen paßtnichts zusammen. Die Füße sind zu groß,die Beine zu dünn, die Ohren stehen ab, undauch sonst sind Sie häßlich. Warum tun Sienichts für sich?«

»Vater!«»Sei still, Arina. Wir leben nicht mehr in

der Barbarenzeit. Dieser Mensch ist eine Be-leidigung für jedes Auge.«

»Wenn Sie damit sagen wollen, daß Siemir diese Operationen für den Fall finanzie-ren wollen, daß ich Ihnen Ihre Tochter zu-rückbringe, können wir darüber reden«, er-widerte Lebo Axton. »Vorläufig interessiertmich diese Frage nicht. Kommen wir lieberzum Thema.«

Sammaron blickte ihn verblüfft an. SeineTochter beugte sich zu ihm herab und flü-sterte ihm etwas ins Ohr. Axton verfügteüber ein ungewöhnlich gutes Gehör. Er ver-nahm Worte wie: »Party … besondere Über-raschung … einladen …«

Der Arkonide drängte sie erneut zur Seite.»Was wissen Sie?« fragte er Axton.»Nichts.«»Nichts?«»Nein. Es gehört zu meinen besonderen

Fahndungsmethoden, mich aus erster Quellezu informieren. Und das sind Sie. Merantorhätte mir nur einen Bericht gegeben, der be-reits mit vielleicht falschen Interpretationengespickt ist. Und darauf lege ich keinenWert. Ich weiß nur, daß Ihre Tochter Larce-nia verschwunden ist, und daß es hier imSquedon-Kont-Viertel zu einer Reihe vonErscheinungen gekommen ist, die sichscheinbar nicht mit rein physikalischen Mit-teln erklären lassen.«

»Das ist richtig«, entgegnete der Arkoni-de. »Mein Panzerschrank wurde geöffnet,

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ohne daß jemand meine Wohnung betretenhat, und ohne daß ein Schlüssel dafür be-nutzt wurde. Das wäre ohnehin nicht mög-lich gewesen, da sowohl der Schlüssel, alsauch der Schrank mit einem auf mich abge-stimmten Individualtaster versehen sind.«

»Nur Sie können ihn also öffnen?«»Nur ich.«»Aber Sie haben es nicht getan?«»Ich könnte es noch nicht einmal im

Schlaf getan haben, denn ich war auf Ar-konll.«

»Das ist eindeutig. Haben Sie die Indivi-dualdaten Ihrer Töchter mit Ihren eigenenvergleichen lassen?«

»Was soll das heißen? Wollen Sie damitsagen, daß sie ähnliche Daten haben könntenwie ich?«

»So etwas ist schon vorgekommen. DieAbweichungen waren so gering, daß die Ta-ster sie nicht zur Kenntnis nahmen.«

Sammaron sprang auf.»Sie wollen also behaupten, Larcenia ha-

be den Schrank selbst geöffnet und sei danndavongelaufen?«

»Das haben Sie gesagt. Ich bin noch langenicht soweit, Schlüsse irgendwelcher Art zuziehen.«

»Ich sollte Sie hinauswerfen.«»Vater, damit erreichen wir doch nichts.

Du kannst von einem Polizisten nicht erwar-ten, daß er Larcenia von vornherein als Täte-rin ausschaltet.«

Sammaron setzte sich wieder.»Also gut«, sagte er brummig. »Weiter.

Was wollen Sie noch wissen?«»Ist etwas aus dem Safe entwendet wor-

den?«»Nein. Das ist ja das Verrückte. Er stand

nur offen. Dabei weiß ich genau, daß ich ihnverschlossen habe. Außerdem schließt ersich automatisch selbst, sobald ich mich ausdieser Wohnung entferne.«

»So etwas ist aber nicht nur bei uns ge-schehen«, bemerkte Arina Sammaron sanft,»sondern auch in anderen Wohnungen.Nicht nur in diesem Haus, sondern auch inanderen.«

Ein Bediensteter betrat den Raum.»Noch ein Polizist«, meldete er und warf

Axton einen verwunderten Blick zu.»Noch einer? Führen Sie ihn herein.«Axton-Kennon war beunruhigt. Er spürte,

daß irgend etwas nicht in Ordnung war.Sammaron musterte ihn argwöhnisch. EinArkonide, der eine dunkelblaue Kombinati-on trug, kam herein.

»Merantor befürchtete, daß Sie hier sind,Axton«, sagte er.

»Befürchtete? Das stimmt wohl nichtganz.« Kennon fühlte, daß sein Protestnichts nützen würde. Verzweifelt überlegteer, was vorgefallen sein könnte.

»Merantor befiehlt Ihnen, sich ab sofortnicht mehr um den Fall Larcenia und dieseltsamen Vorgänge in diesem Viertel zukümmern«, sagte der Polizist. »Ich soll Ih-nen mitteilen, daß er Sie über den Haufenschießen läßt, wenn Sie nicht tun, was erwill. Das waren seine eigenen Worte, Ax-ton.«

»Bestellen Sie ihm, daß er ein Trottel ist«,entgegnete der Verwachsene erregt.

Arina kam zu Axton. Sie beugte sich zuihm herab.

»Machen Sie sich keine Sorgen«, flüstertesie. »Wir sehen uns später.«

Dabei blickte sie ihn so warmherzig an,daß sich ihm plötzlich die Kehle verschloß.Er wollte etwas antworten, aber die Stimmeversagte ihm. So nickte er ihr nur dankbarzu, wandte sich um und verließ den Raum.

*

»Verdammt, Kelly, wie soll ich weiter-kommen, wenn Merantor so mit mir ver-fährt?« fragte Axton-Kennon, als er mit sei-nem Roboter vor der Wohnungstür des Indu-striellen stand. »Kannst du dir erklären, wasdas zu bedeuten hat?«

»Ich bitte um Informationen«, erwiderteKelly. »Ich weiß nicht, was vorgefallen ist.«

Einem unbestimmten Impuls folgend,sagte Axton: »Wir fahren ganz nach oben.Ich will mir die Gegend ansehen.«

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Gentleman Kelly trug Axton in den Anti-gravschacht und schwebte mit ihm nachoben. Wie erwartet, bildeten großzügig an-gelegte Dachterrassen den Abschluß desTrichtergebäudes. Hier hielt sich niemandauf, und auch robotische Anlagen stelltensich Axton nicht in den Weg. Ungehindertkonnte er bis zum Rand des Trichters vor-dringen und von kleinen Aussichtsplattfor-men über das Land sehen.

»Dort unten sind Polizeigleiter«, stellteder Roboter fest. Er streckte einen Arm ausund zeigte auf eine flammend rote Spiraleaus Blütenbeeten.

So sehr Axton sich auch anstrengte, erkonnte aus dieser Höhe kaum etwas erken-nen. Er sah nur, daß einige Maschinen zwi-schen den Blumenfeldern gelandet waren.

»Was ist da los?« fragte er.Er beobachtete, wie Kelly die Brennweite

seiner Linsen veränderte.»Da liegt jemand«, erwiderte der Roboter.Axton verzichtete auf weitere Fragen.»Wir fahren nach unten, Kelly. Tempo.«Der Roboter rannte mit Axton auf dem

Rücken zum Antigravschacht und ließ sichvom abwärts gepolten Teil nach unten tra-gen. Dort trieb der Terraner ihn erneut zurEile an. Er richtete sich so hoch wie möglichauf, während Gentleman Kelly durch denPark stürmte. So machte er die lockere Kettevon Polizisten bald aus, die Quertan Meran-tor hatte bilden lassen. Kennon mußte stän-dig an die Worte des Polizeichefs von ArkonI denken. Dieser wollte wissen, ob VagontTernnan sich über ihn lustig gemacht hatteoder nicht. Wollte Merantor aber auch jetztnoch, daß er Axton den Fall löste? Oder hat-te er es sich anders überlegt? Der Terranerwar sich von Anfang an darüber klar gewor-den, daß die örtliche Polizei die Hände nichtin den Schoß legte und ihm die Arbeit über-ließ. Sie hatte vermutlich gar nicht die Mög-lichkeit, untätig zu bleiben, weil sie von denEdelleuten ständig unter Druck gesetzt wur-de. Um so schwieriger war seine Aufgabe.Sie wurden vielleicht sogar unlösbar, wenner auch noch von Merantor behindert wurde.

Er dirigierte Gentleman Kelly zu einerLücke im Absperriegel.

Vorsichtig schob sich der Roboter zwi-schen zwei Baumstämme. Von hier auskonnte er die Polizeigleiter sehen. Der näch-ste Polizist war etwa zehn Meter von ihmentfernt.

»Krieche auf allen vieren weiter, Kelly«,befahl Axton. »Aber so, daß sie dich nichtbemerken.«

Der Roboter ließ sich nach vorn sinkenund tat, wie der Terraner es angeordnet hat-te. Der Verwachsene legte sich flach auf denOvalkörper und klammerte sich mit Armenund Beinen fest, während Kelly sich durchdie Büsche schlich. Die Polizisten schienenüberhaupt nicht damit zu rechnen, daß je-mand versuchen würde, zu den Gleitern vor-zudringen. Sie waren nicht besonders auf-merksam.

Als Gentleman Kelly die Flugmaschinenerreicht hatte, sagte Axton: »Aufstehen.«

Der Roboter erhob sich so vorsichtig, daßder Terraner nicht herabfallen konnte. Den-noch fluchte Axton wütend, weil er mit ei-nem Fuß ausrutschte und fast gestürzt wäre.

»Du Tölpel«, sagte er zischelnd und hiebKelly die Faust auf den Kopf. »Wenn dunoch nur nicht so ungeschickt wärst.«

»Du solltest so etwas nicht immer zu mirsagen, Liebling«, entgegnete der Roboter.»Ich könnte Minderwertigkeitskomplexeentwickeln.«

»Ich habe dir schon einmal erklärt, daß soetwas völlig unmöglich ist. Erstens bist duohnehin minderwertig, und zweitens ent-behrt deine positronische Pseudoseele jegli-cher Empfindsamkeit, die eine Komplexbil-dung zulassen könnte. Ruhe jetzt.«

Der Roboter ging weiter. Dabei hielt ersich in der Deckung der Maschinen, so daßsie erst entdeckt wurden, als sie unmittelbarhinter den Ärzten standen, die neben demLiegenden knieten.

»Er lebt«, sagte gerade einer der beidenMediziner. »Daran besteht überhaupt keinZweifel.«

»Aber er reagiert nicht. Seltsam«, be-

Der Mutantenjäger 17

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merkte der andere.»Wer ist das?« fragte Lebo Axton einen

Polizisten, der fotografische Aufnahmenmachte.

»Apprat Cokret«, antwortete der Arkoni-de, ohne aufzusehen.

Der Mann lag zwischen den Blumen undstreckte Arme und Beine weit von sich. DasGesicht war starr wie das eines Toten. Erhielt die Augen und die Lippen geschlossen.Die Brust bewegte sich kaum merklich. Ertrug eine schlichte Uniform. Sein Impuls-strahler, der in einem Halfter am Gürtelsteckte, war zerbrochen, obwohl sonst kei-nerlei Anzeichen von irgendeiner Gewaltan-wendung zu erkennen waren.

»He, was machen Sie hier?« fragte einPolizeioffizier, der zwischen einigen Bü-schen hervorkam. Verblüfft sah er Lebo Ax-ton an.

»Dumme Frage«, erwiderte der Verwach-sene. »Und Sie, was machen Sie hier?«

»Verhaften«, befahl der Arkonide, wobeier über die Schulter zurücksprach. Vier wei-tere Polizisten kamen heran. Sie umringtenAxton und den Roboter. Einer von ihnenrichtete einen Paralysator auf den Verwach-senen.

»Machen Sie keinen Unsinn, sonst schie-ße ich Sie von da oben 'runter.«

»Fragen Sie erst einmal Quertan Meran-tor, ob Sie dann nicht anschließend in Pensi-on gehen müssen.«

Ein weiterer Polizeioffizier näherte sich.Der reichverzierte Gürtel, den er trug, wiesihn als Vorgesetzten der anderen aus. Erblieb vor Gentleman Kelly stehen und blick-te zu Axton hinauf.

»Ich habe damit gerechnet, daß Sie versu-chen würden, sich hier einzumischen, Ax-ton«, sagte er. »Merantor hat so etwas ange-deutet. Sie haben hier nichts zu suchen. Ver-schwinden Sie also, bevor es unangenehmfür Sie wird.«

»Dann ist dieser Apprat Cokret also einwichtiger Mann«, stellte Axton gelassenfest. »Sie wären verdammt froh, wenn erendlich aufwachte und Ihnen erzählen könn-

te, was vorgefallen ist. Stimmt's?«»Bringt den Mann weg. Wenn er sich

sträubt, paralysiert ihn und werft ihn irgend-wo in die Büsche.« befahl der Offizier.

»Ich ziehe mich ja schon zurück«, riefAxton, wobei er abwehrend die Hände aus-streckte.

Gentleman Kelly wandte sich um und eil-te mit weit ausgreifenden Schritten davon.Lebo Axton blickte ständig auf den Boden.Plötzlich sah er etwas Helles zwischen denBlumen liegen.

»Halt«, befahl er. Der Roboter stoppte soschnell, daß der Terraner fast über seinenKopf hinweggeschleudert worden wäre. »Duelender Holzkopf.«

»Ich verstehe deinen Protest, aber ichmuß dich korrigieren. Mein Kopf hat eineHülle aus bestem Arkonit. Das Innere be-steht aus reiner Positronik, die in eine vondem Meisterkonstrukteur Abbahat ent-wickelte Leichtmetallkonstruktion eingebet-tet ist. Von Holz kann überhaupt keine Redesein.«

»Du bist falsch informiert. Erstens bist duAusschußware, zweitens hat sich nie einMeister mit dir befaßt, und drittens wurdendie Hohlräume in deinem Kopf mit Holzspä-nen ausgefüllt.«

»Ach, Schätzchen!«Kennon-Axton schwieg verbittert. Er

suchte seine Taschen nach einem harten Ge-genstand ab, den er dem Roboter über denKopf hätte schlagen können, aber er fandnichts.

»Das Ding, das du suchst, liegt auf demBoden.«

Der Roboter kniete sich hin. Axton be-sann sich schnell wieder auf seine Aufgabe.Er ließ sich von Kelly reichen, was er imVorübergehen entdeckt hatte. Es war derArm einer Kinderpuppe. Das Leichtmetall-gelenk war aus seiner Halterung gerissenworden. Die Pseudobiosubstanz war kalt.Das deutete darauf hin, daß dieser Arm we-nigstens seit einer Stunde hier lag. Viel län-ger konnte er nicht vom Rumpf der Puppeabgetrennt worden sein, denn dann hätten

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sich in der halblebenden Substanz Verfalls-erscheinungen zeigen müssen. Das aber warnicht der Fall.

»Weiter. Schnell.«Der Roboter sprang auf und rannte los.»So schnell nun auch wieder nicht«,

schrie Axton, der Mühe hatte, sich auf demRücken Kellys zu halten. »Langsamer.«

Der Roboter verzichtete darauf, ein fünfMeter breites Blumenbeet mit einem Satz zuüberspringen, und bog auf einen Weg ein.Rasch marschierte er an zwei Polizisten vor-bei.

»Das schwöre ich dir, Kelly. Sobald ichein wenig Zeit habe, werde ich dich ausein-anderbauen. Ich werde mir aus dem Rumpfals Basis einen idealen Helfer zusammenba-steln und ihn mit einem positronischen Hirnversehen, das mir nichts als Freude macht.«

»Das macht mich glücklich.«»Das ist dein Ende als frei herumlaufen-

der Roboter. Du wirst wieder auf einemSchrottplatz landen und verrotten.«

»Wiederum ein Irrtum. Es wird nichts ge-schehen.«

»Nichts? Ich habe doch gerade gesagt,was ich mit dir machen werde.«

»Dazu wird es nie kommen.«»Warum nicht? Willst du mir drohen?

Willst du damit sagen, daß du dich weigernwirst?«

»Nein, auf gar keinen Fall, aber ich weiß,daß du nie genug Zeit für solche Operatio-nen haben wirst.«

»Eines Tages wirst du dich gewaltig wun-dern, Kelly. Aber ich verspreche dir, daß ichdich hin und wieder auf dem Schrottplatzbesuchen werde. Du sollst Gelegenheit ha-ben, über die Unverschämtheiten nachzu-denken, die du mir ständig bietest.«

»Ich werde …«»Du wirst den Mund halten. Sofort. Das

ist ein Befehl.«Lebo Axton wartete argwöhnisch darauf,

daß Gentleman Kelly dennoch weiterspre-chen würde, aber das tat er nicht. Zufriedenseufzend entspannte der Terraner sich.

*

Axton lenkte Kelly in eine Videozelle, dieneben dem Eingang eines Trichtergebäudeseingerichtet worden war. Mit wenigenKnopfdrücken verband er sich mit dem Poli-zeipräsidium.

»Ich bin Lebo Axton«, sagte er, als einRobotzeichen im Bild erschien und ihn zumSprechen aufforderte. »Ich muß QuertanMerantor sprechen.«

Einige Sekunden verstrichen. Kennonfürchtete bereits, daß er abgewiesen werdenwürde, da wechselte das Bild. Der Polizei-präsident blickte ihn gleichgültig vom Bild-schirm herab an.

»Was ist los?« fragte Merantor. »Sind Sieam Ende? Wollen Sie zugeben, daß Sienichts als ein Clown sind?«

»Im Gegenteil. Ich habe ein paar Fragen.Wer ist Apprat Cokret, und was ist mit ihmgeschehen?«

»Kein Kommentar.«»Wie soll ich den Squedon-Kont-Fall lö-

sen, wenn Sie mich behindern, statt mir zuhelfen?«

»Kein Kommentar.«»Cokret ist also ein äußerst wichtiger

Mann. Daß ihm etwas zugestoßen ist,kommt einer Katastrophe gleich. Er ist …«

»Noch was?« unterbrach ihn Merantor.»Ja. Ich benötige ein Quartier.«»Im Esga-Trichter steht eine kleine Woh-

nung frei. Sie können sie solange benutzen.«»Wie lange?«»Bis Sie fällig sind, Axton, und keine Se-

kunde länger.«»Sie wollen mir also nicht helfen. Sie

wollen mir keine Informationen geben.«»Wozu? Sie wollen doch den Fall lösen.

Oder nicht?« Quertan Merantor lachte bos-haft und schaltete ab.

*

Die Wohnung war klein und lag noch imrunden Sockel des Trichtergebäudes in einer

Der Mutantenjäger 19

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Höhe von etwa fünfzig Metern. Sie war be-scheiden eingerichtet und verfügte nur überein einziges Fenster, das nach Westen zeig-te. Von hier aus konnte Axton zu dem Ge-bäude hinübersehen, in dem Sammaron undFamilie wohnte.

Er war zufrieden. Er brauchte nicht mehrals ein Bett und eine Hygienekabine. DieseUnterkunft, die einem Dienstboten gehörthaben mochte, reichte daher für ihn aus. Erhatte ein Videogerät, eine Robotküche, under konnte sehen, was sich in dem Gebiet ab-spielte, das für ihn wichtig war.

Er besichtigte die Hygienekabine, schalte-te sie ein und stellte enttäuscht fest, daß siefür ihn kaum geeignet war, da Duschen undMassagegeräte für normal gewachsene Men-schen eingerichtet waren.

Gentleman Kelly beobachtete ihn. Ken-non blieb stehen und drehte sich zu ihm um.

»Was glotzt du so?« fragte er.»Ich stelle fest, daß du falsch pfeifst.«Der Verwachsene lachte schrill.»Ich pfeife falsch? Was verstehst du Fehl-

konstruktion schon von terranischen Volks-liedern? Nichts!«

»Terranische Volkslieder? Davon habeich nie gehört.«

Kennon-Axton blickte den Roboter be-troffen an. Er wußte, daß er einen Fehler ge-macht hatte. Terra war auf Arkon vollkom-men unbekannt. Erst etwa zehntausend Jahrespäter würde dieser Planet in den Logbü-chern arkonidischer Raumschiffe erwähntwerden, dann allerdings unter einem anderenNamen. Als sich Kennon dessen bewußtwurde, daß allein die Namensverschieden-heit schon eine ausgezeichnete Tarnung be-deutete, atmete er unmerklich auf. Für dieArkoniden war es so gut wie unmöglich, dieSpur zu finden. Falsch war es lediglich ge-wesen, sich überhaupt auf Terra zu bezie-hen.

»In der Galaxis gibt es eine schier unend-liche Zahl von Planeten, von denen die mei-sten viele verschiedene Namen tragen«, ent-gegnete er. »Die Arkoniden nennen die Wel-ten ganz anders, als die Bewohner dieser

Welten es tun. Und auch unter ihnen gibt esmehrere Namen für diesen einen Planeten.Ein Dummkopf wie du kann noch nichteinen Bruchteil der Namen kennen.«

»Ich bin kein Dummkopf.«»Das hört sich an, als ob du beleidigt

seist.«»Das bin ich auch. Ich …«»Ruhe«, brüllte Axton. Das Videogerät

sprach an. Er wollte es bereits einschalten,als ihm bewußt wurde, daß er völlig nacktwar. Er fluchte, streifte sich Hemd und Hoseüber und drückte dann erst die Taste. Da-nach verfärbten sich ihm die Wangen, dennihm fiel ein, daß er noch ungekämmt war.

Arina Sammaron lächelte verständnisvoll.»Oh, ich habe Sie überrascht«, sagte sie

mit weicher Stimme. »Entschuldigen Sie.Sind Sie mir böse?«

»Keineswegs«, entgegnete er mit stocken-der Stimme. Verlegen wischte er sich überdas Haar.

»Ich möchte Sie bitten, heute abend unserGast zu sein. Mein Vater empfängt einigehochgestellte Persönlichkeiten. KommenSie?«

»Natürlich. Gern.« Axton hatte sich wie-der gefangen. »Ich danke Ihnen.«

Arina Sammaron freute sich sichtlich.»Ich mag Sie«, sagte sie und schaltete

aus.»Ich mag dich auch, Schätzchen«, be-

merkte Gentleman Kelly.Lebo Axton bückte sich, nahm einen sei-

ner Stiefel auf und schleuderte ihn gegenden Roboter.

4.

Axton hatte vergeblich versucht, in dernoch verbleibenden Zeit eine neue Kombi-nation zu finden, die gut paßte. So mußte ereinige kleine Änderungen vornehmen. Dochdanach sahen die neuen Kleider immer nochbesser aus als die alten.

Axton legte einen weiten Schulterumhangdazu an, der durch eine Edelmetallspangeauf der Brust zusammengehalten wurde. So

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ausgestattet, ließ er sich von Gentleman Kel-ly zur Abendgesellschaft der Sammaronstragen. Wie erwartet, brauchte er den Por-tierrobot dieses Mal nicht zu berücksichti-gen. Die Türen öffneten sich von selbst vorihm. Ein uniformierter Bediensteter empfingihn in einer Vorhalle und führte ihn von dortin den Festsalon, eine Halle, die etwa vierzigMeter lang und zwanzig Meter breit war. Inihr hatte sich eine illustre Gesellschaft ver-sammelt. Axton schätzte, daß etwa zweihun-dert Personen anwesend waren. Sie standenplaudernd um zahlreiche Tische herum. ImHintergrund war ein wandgroßer 3DSchirmerrichtet worden, auf dem ein Bericht voneiner paradiesischen Welt lief. Dieses Gerätmußte allein ein Vermögen gekostet haben.Die 3D-Technik gab es noch nicht lange indieser Vollkommenheit. Überall galten klei-nere Apparate, wie man sie in Restaurants,Ausstellungshallen und Unterhaltungsstättensah, noch als Sensation. Geräte dieser Di-mension aber, wie sie Sammaron hatte,konnten sich nur die reichsten Familien desImperiums leisten.

Aus mehreren Lautsprechern, die in derDecke versteckt waren, ertönte eine ange-nehme Musik.

Als Lebo Axton auf dem Rücken des Ro-boters den Saal betrat, erregte er sofort Auf-merksamkeit. Einige Männer und Frauenlachten ihn offen aus. Andere lächelten ver-steckt. Keiner aber schien ihn wirklich ernstzu nehmen.

Arina Sammaron eilte auf ihn zu. Sie trugein langes schimmerndes Kleid, das ihrenzierlichen Körper wie ein Energiefeld zuumschließen schien.

»Ich freue mich, daß Sie gekommen sind,Lebo«, rief sie zu ihm hinauf.

»Guten Abend«, sagte er zurückhaltend.Geradezu ängstlich musterte er ihr Gesicht.Sie schien sich wirklich zu freuen. Ihr Lä-cheln war von einer Herzlichkeit, die ihnvergessen ließ, wie die anderen sich verhiel-ten.

»Kommen Sie, Lebo. Sie werden Hungerhaben. Ich gebe Ihnen etwas zu essen.« Sie

führte ihn zu einer runden Tafel, auf der ku-linarische Kostbarkeiten aufgestellt wordenwaren, wie Axton sie noch nie gesehen hat-te.

»Der Roboter wird mich bedienen«, er-klärte er, als sie ihm etwas reichen wollte.

»Das ist mir lieb. Da kommen noch weite-re Gäste, um die ich mich kümmern muß.«Und schon war sie wieder verschwunden.Kelly wählte sorgfältig. Kennon konntenicht viel essen und wollte daher nur dasnehmen, was ihm am besten erschien. Erhatte gerade erst einige Bissen verzehrt, alsein junger Arkonide sich zu ihm gesellte.

»Sie sind Lebo Axton?« fragte er.»So ist es.«»Ich habe gehört, daß Sie zur Polizei ge-

hören. Sie sollen eine neue Polizeitruppe ge-gründet haben.«

Axton-Kennon aß weiter. Der Arkonidegrinste.

»Die Zwergenpatrouille. Ist das richtig?«»Vollkommen«, antwortete Axton ernst-

haft. »Allerdings nehmen wir nur geistigeZwerge auf. Wie wär's mit Ihnen?«

»Unverschämtheit«, sagte der Edelmannwütend. Er eilte davon.

Ein korpulenter Offizier, der die Wortemitgehört hatte, lachte schallend. Er kam zuAxton.

»Das war gar nicht schlecht, Axton«, be-merkte er. Dabei nahm er sich einige Delika-tessen. »Mein Name ist Terval. Ich darf Ih-nen sagen, daß ich keineswegs nur einenParty-Gag in Ihnen sehe, wie die meistenhier, sondern daß ich Sie durchaus ernst neh-me.«

Axton zuckte zusammen. Er blickte sichum. Und erst jetzt fiel ihm auf, daß außerihm noch einige andere Nichtarkoniden imSaal waren. Er entdeckte einige exotischeLebewesen von bizarrem Äußeren, die vonden Gästen bestaunt und begafft wurden. Ei-nige Männer und Frauen unterhielten sichganz offensichtlich über ihn, wobei sie im-mer wieder in ein gedämpftes Gelächter aus-brachen.

»Ich bin also nur eingeladen worden, um

Der Mutantenjäger 21

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die Gäste zu amüsieren?«»Natürlich. Was dachten Sie?«Axton hatte das Gefühl, einen Schlag in

den Magen bekommen zu haben. Bis zu die-sem Moment hatte er an Arina Sammarongeglaubt. Jetzt erkannte er, wie gründlich ersich getäuscht hatte.

»Wir gehen, Kelly.«»Sie bleiben noch«, sagte Terval.

»Warum nutzen Sie Ihre Chance nicht?«»Welche Chance?«»Nun, Sie könnten doch einiges über Ap-

prat Cokret erfahren. Merantor wäre be-stimmt nicht erfreut, wenn er wüßte, daß Siehier sind.«

»Sie kennen Cokret?« Axton vergaßschlagartig die Demütigungen. Plötzlich hat-te er sein Ziel wieder klar vor Augen. Ermußte herausbekommen, warum der Mann,den man bewußtlos im Park gefunden hatte,so wichtig war.

»Ich kenne ihn. Er ist ein hoher Offizierder Raumflotte. Und ich weiß, daß er in ei-nem Gebiet tätig gewesen ist, das zur Zeitvon den Methans beherrscht wird.« Tervallachte herab lassend. »Das macht ja Meran-tor und die Herren von der Abwehr geradeso nervös. Sie wissen nicht, was mit Cokretpassiert ist. Niemand hat damit gerechnet,daß er schon jetzt nach Arkon zurückkom-men würde. Er wurde erst in zwölf Tagenerwartet. Er hat sich nicht angemeldet, son-dern war plötzlich hier. Er kann nicht mit ei-nem Raumschiff gekommen sein. Das wäreaufgefallen. Also, wie ist er nach Arkon Igereist? Einfach so durch die Luft?«

Terval breitete die Arme aus und bewegtesie wie Flügel. Dabei lachte er schadenfroh.Er freute sich offensichtlich darüber, daßMerantor in einer Klemme steckte.

»Sie kennen Quertan Merantor?«Der Arkonide wurde ernst. Er verzehrte

einige Krabben.»Und wie, Axton, und wie ich ihn kenne.

So wie heute habe ich ihn allerdings nochnicht erlebt. Er schäumt vor Wut, und erhaßt Sie wie die Pest.«

»Mich? Warum? Ich habe ihm nichts ge-

tan.«»Sie haben etwas zerstört, was ihm unge-

heuer viel bedeutet hat. Ich meine dieFreundschaft mit Vagont Ternnan. Er trautIhnen nicht.«

»Aber Sie tun es?«Terval lächelte versteckt. Bestätigend hob

er die Hände.»Allerdings, Axton. Ich habe einen Tip

von Arkon III bekommen. Ein Untergebenervon mir hat mir Informationen über den FallMosselcrin zukommen lassen. Ich berste vorVergnügen, Axton. Wenn Merantor wüßte,was für eine Dummheit er gemacht hat, dann…«

Er ließ offen, was Merantor machen wür-de. Er stopfte sich den Mund mit Pilzen vollund schwieg, bis er sie heruntergeschluckthatte.

»Ich muß Sie allerdings warnen, Axton«,sagte er dann. »Ich weiß, daß Merantor Sievernichten will. Er glaubt, daß er nur so sei-ne Welt wieder in Ordnung bringen kann.«

Er legte dem Verwachsenen die Hand aufdie Schulter.

»Sehen Sie den Kahlköpfigen dort hinten?Das ist ein Arzt. Er leitet die Station, auf derApprat Cokret liegt. Warum sprechen Sienicht mit ihm?«

»Würden Sie mich ihm vorstellen?«»Warum sollte ich das tun? Nein, ich

möchte sehen, wie Sie es schaffen, mit ihmins Gespräch zu kommen. Nur so kann ichmein Vergnügen an dieser Sache steigern.«

Kennon-Axton begriff. Der Offizier han-delte keineswegs uneigennützig. Er wolltesich auch nicht nur an Merantor aus irgend-einem Grunde rächen. Er wollte sich haupt-sächlich amüsieren, und dafür kam er ihmgerade recht. Axton fand, daß eine solcheHaltung immer noch besser war, als überseine körperlichen Unzulänglichkeiten zu la-chen.

»Ich hoffe, daß ich Ihren Erwartungen ge-recht werden kann«, entgegnete er daherhöflich. »Besten Dank für Ihre Informatio-nen.«

Er schlug Kelly mit der flachen Hand auf

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den Schädel und ließ sich zu dem Medizinertragen, den Terval ihm gezeigt hatte. Dabeiüberlegte er, wie er diesen Arkoniden dazubringen konnte, vernünftig mit ihm zu reden.Der Arzt stand allein an einer Tafel und aß.Er blickte überrascht auf, als GentlemanKelly mit dem Verwachsenen auf demRücken vor ihm erschien.

»Eine Empfehlung von Terval veranlaßtmich, Sie zu stören«, sagte Kennon. »Ichhoffe, es ist Ihnen nicht unangenehm?«

Der Arzt blieb ernst. Er betrachtete Axtonmit dem Interesse eines Mediziners, und erschien nichts Komisches an seinem Äußerenzu finden.

»Sie stören mich nicht«, erwiderte er.»Und ich sehe nicht ein, warum es unange-nehm sein sollte, mit Ihnen zu reden. Waskann ich für Sie tun?«

»Überhaupt nichts. Ich wollte Sie nichtum einen Gefallen bitten. Mich interessiertlediglich das Befinden von Apprat Cokret.Ich war zufällig dabei, als er hier in der Nä-he gefunden wurde. Ist er schon aufge-wacht?«

»Nein«, entgegnete der Kahlköpfige ein-silbig. Er schien nicht gewillt zu sein, Aus-kunft zu geben.

»Ich habe vor etwa einem Jahr einmaleinen Mann gesehen, der sich in einem ver-gleichbaren Zustand befand«, behaupteteAxton. »Alle Lebensfunktionen waren inOrdnung, aber er reagierte auf nichts. Eswar, als wäre ein Teil seines Nervensystemsaus ihm entfernt worden.«

»Wie bei Cokret«, sagte der Arzt über-rascht. »Seine Muskulatur war auch verhär-tet?«

»Vollkommen. Er war wie ein lebenderToter.«

»Wir haben alles versucht, ihn zu sich zubringen, aber keinerlei Medikamente schla-gen an.«

»Genau wie bei diesem Mann. Auch beiihm war nichts auszurichten.«

Der Arkonide blickte ihn voller Spannungan.

»Und? Wie endete der Fall?«

Axton-Kennon zögerte kurz, dann sagteer: »Ein Magier aus einem Primitivenvolktrat in Erscheinung. Er löste die Starre mitPSI-Kräften. Das behauptete er jedenfallsspäter. Doch niemand glaubte ihm, wasnicht verwunderlich ist. Kein ernstzuneh-mender Wissenschaftler wird daran glauben,daß es so etwas wie PSI gibt.«

»Allerdings nicht«, antwortete der Arztnachdenklich. »Was aber hat den Mannwirklich zu sich gebracht?«

»Ich weiß es nicht.« Axton war zufrieden.Er hatte mehr erfahren, als er gehofft hatte.Die Arkoniden bemühten sich intensiv umCokret, weil dieser eine wichtige Missiondurchgeführt hatte. Dabei stand man vor ei-nem Rätsel.

Sollten tatsächlich parapsychische Kräfteim Spiel sein? Da die Medikamente keineWirkung erzielten, war das nicht ausge-schlossen. Axton-Kennon, dessen Spezialge-biet die Geschichte der altgalaktischen Völ-ker war, wußte jedoch, daß PSI-Kräfte imarkonidischen Imperium dieser Zeit nahezuvollkommen unbekannt waren.

Wahrscheinlich war eine solche Möglich-keit daher nicht. Sie mußte jedoch mit in Be-tracht gezogen werden.

*

Plötzlich wurde es still, und dann brande-te Gelächter auf. Axton blickte zur Ein-gangstür. Dort erschien ein hochgewachse-ner Arkonide, der einen seltsamen Begleitermit sich führte. Das Wesen an seiner Seitewar etwa zwei Meter groß. Es bestand prak-tisch aus einem Ballonkopf, zwei winzigenFüßen und einer dünnen Stange, die beidesmiteinander verband. Es war vollkommenweiß. So hoben sich die grünen Augen unddie flammend roten Lippen, die albern zu lä-cheln schienen kraß ab. Das Wesen rollteverlegen mit den Augen. Axton sah ihm an,daß es am liebsten geflüchtet wäre. Auf dieArkoniden machte es dabei einen ausgespro-chen komischen Eindruck. Sie bemerktendie Angst und die Scham dieses Wesens

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nicht. Sie lachten hemmungslos. Zweifelloshatte dieser Edelmann mit seinem Begleiteran diesem Abend den Vogel abgeschossen.Ihm war es gelungen, die seltsamste Party-sensation aufzubieten.

»Wir sind übertroffen worden, Kelly«,sagte Axton leise. »Jetzt hat man etwas an-deres, über das man lachen kann.«

Der Arzt hatte die Worte gehört. Er wand-te sich dem Verwachsenen zu und wurdeschlagartig ernst. Seine Wangen rötetensich.

»Sie haben recht«, bemerkte er. »Wir be-nehmen uns schandhaft. Nichts, aber auchgar nichts gibt uns das Recht, uns in dieserWeise über andere lustig zu machen.«

»Machen Sie sich keine Vorwürfe.« Ax-ton lächelte. »Mir macht das kaum noch et-was aus.«

»Quertan Merantor«, meldete GentlemanKelly. Axton reckte sich, um besser sehenzu können. Der Polizeipräsident betrat denRaum. Er strahlte. Scherzend unterhielt ersich mit einigen Männern. Arina Sammaroneilte auf Axton zu.

»Wir müssen verschwinden, Kelly«, sagteer. »Arina möchte einen Skandal vermei-den.«

Das Mädchen blieb vor Axton stehen undblickte verlegen zu ihm auf. Sie wußte of-fensichtlich nicht, wie sie beginnen sollte.Der Terraner kam ihr entgegen.

»Arina, verzeihen Sie mir. Ich habe einwenig zuviel gegessen. Mir ist nicht beson-ders wohl. Würden Sie mir erlauben, michzurückzuziehen?«

»Wie höflich Sie sind, Lebo Axton. Ichdanke Ihnen.« Sie lächelte ihn wiederum sowarmherzig an, daß er zu keinen weiterenWorten fähig war und vergaß, zu welchemZweck sie ihn wirklich eingeladen hatte. Ertippte dem Roboter auf den Kopf, um ihmdamit das Zeichen zum Aufbruch zu geben.

In diesem Moment geschah es.Der Boden des Saales spaltete sich. Ein

Riß von etwa zehn Zentimeter Breite bildetesich. Krachend platzte der gefaserte Boden-belag auseinander, und ein greller Blitz

zuckte quer durch den Raum über die Köpfeder Gäste hinweg. Er kam mitten aus der3D-Projektion heraus und zerfetzte auf dergegenüberliegenden Seite eine metalleneSkulptur.

Die Männer und Frauen schrien auf. Diemeisten rannten, von Panik erfüllt, auf denAusgang zu. Ein älterer Arkonide stürzte zuBoden. Die anderen trampelten ihn nieder,als er versuchte, wieder aufzustehen.

»Schnell, Kelly. Hilf dem Alten auf«, be-fahl Axton.

Der Roboter sprang mit einem weitenSatz zu dem Alten hinüber, drängte zweijüngere Männer zur Seite, packte ihn undhob ihn hoch. An der Tür schlugen sichMänner und Frauen um den Vortritt. Edel-leute, die vor Sekunden noch kühl und di-stanziert gewirkt hatten, schleuderten nun al-les zur Seite, was sie behindern konnte. Siekannten keine Rücksicht mehr. Die Angstmachte sie zu Barbaren.

Auch der Mediziner verlor die Beherr-schung. Er wollte ebenfalls fliehen, dochGentleman Kelly hielt ihn auf AnordnungAxtons fest. Der Roboter zog sich mit demArkoniden und Kennon an eine Wand zu-rück.

»Bleiben Sie ruhig«, rief der Verwachse-ne dem Arzt zu. »Hier passiert Ihnennichts.«

Eine blaue Flamme schwebte mitten imSaal. Sie wuchs bis zu einer Höhe von etwazwei Metern auf und sank zischend und bro-delnd wieder zu einem faustgroßen Feuer-ball in sich zusammen. So verharrte sie eini-ge Sekunden. Dann platzte sie auseinanderund bildete lange Feuerzungen, die bis in dieäußersten Winkel der Halle reichten, dabeijedoch wiederum über die Köpfe der letztennoch vorhandenen Gäste hinwegschossen,so daß niemand verletzt wurde.

Lebo Axton beobachtete das Geschehenkühl und nüchtern. Er fühlte sich in keinerWeise bedroht, obwohl nun die mit Speisenbedeckten Tische mit einem gespenstischenTanz begannen. Sie erhoben sich, schlugengegen die Decke, wo die Speisen kleben

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blieben, stürzten wieder herab, prallten mitanderen zusammen und schleuderten sie zurSeite, so daß sie an den Wänden zerbarsten.Dabei wurden mehrere Männer getroffen,denen es bisher noch nicht gelungen war,den Raum zu verlassen. Gentleman Kellyschützte Axton und den Arkoniden mit sei-nem Körper. Er wehrte mit den Armen eini-ge Metallschüsseln ab, die durch die Luftflogen, konnte dabei aber nicht verhindern,daß sich eine heiße Suppe über den Arzt er-goß.

»Ruhe«, brüllte Quertan Merantor, derversuchte, das Knäuel der nach außen drän-genden Arkoniden aufzulösen und auseinan-der zu reißen.

»Behalten Sie doch Ruhe.«Niemand kümmerte sich um ihn. Ein jün-

gerer Arkonide, der an ihm vorbeizukom-men suchte, trat ihm vielmehr in die Knie-kehlen, um ihn damit zu Boden zu werfen.Der Polizeipräsident fiel jedoch nicht. Erdrehte sich um. Sein Gesicht verzerrte sichvor Wut. Er holte zum Schlag aus, konnteihn jedoch nicht mehr ausführen, denn eineunsichtbare Kraft hob ihn an und wirbelteihn wie einen Kreisel herum. Merantorschrie und brüllte wie ein Wilder. Er schlugum sich, fand jedoch nirgendwo Halt. Erflog durch den Raum und verharrte schließ-lich in der Nähe Axtons in der Luft. Er hingmit dem Kopf nach unten einige Sekunden,auf der Stelle.

»Helfen Sie mir doch, Axton. So helfenSie mir doch.«

Der Verwachsene wollte den Roboter zuihm dirigieren, doch die unsichtbare Kraftgab ihn frei. Er stürzte mit dem Kopf zuerstin eine Schale, die auf dem Boden stand. Erwar mit einer grünen, zähflüssigen Massegefüllt.

Merantor kippte zur Seite. Blind tastete erum sich. Dann wischte er sich den Brei ausdem Gesicht. Tapsig kam er auf Axton zu.

»Ich erschlage Sie«, sagte er keuchendvor Wut.

Der Mediziner stellte sich ihm in denWeg.

»Seien Sie kein Narr, Merantor. DieserMann kann sicherlich nichts dafür.«

Der Polizeipräsident blieb stehen. Er zit-terte am ganzen Körper. Im Raum wurde esstill. Die meisten Gäste hatten ihn verlassen.Der Ausgang war frei. Dort lagen fünf Män-ner und zwei Frauen bewegungslos auf demBoden. An den Wänden kauerten noch etwadreißig weitere Männer und Frauen hinterTischen und Sesseln, hinter denen sie Schutzgesucht hatten. Die Decke, der Boden unddie Wände waren mit Speisenresten be-schmiert. Alle Tische waren umgestürzt. Der3DSchirm war zerbrochen. Überall lagenzerfetzte Kleidungsstücke herum. Und auszahlreichen Lautsprechern ertönte süßlicheMusik.

Quertan Merantor ging zu einem Sesselund setzte sich. Er nahm ein herumliegendesTuch und säuberte sich seinen Kopf damit.Dann vergrub er sein Gesicht in den Hän-den. Lebo Axton beobachtete ihn. Er konntesich vorstellen, wie es in ihm aussah. DieserVorfall konnte sein Ruin sein. Solche Dingewaren schon häufiger in der letzten Zeit pas-siert, Merantor aber war niemals dabei ge-wesen. Und das machte den Unterschiedaus. Solche Vorfälle durften sich nicht ereig-nen, wenn der Polizeipräsident anwesendwar. Die Gesellschaft erwartete schließlich,von ihm beschützt zu werden.

*

Sammaron kam zu Axton.Er sah aus wie ein gebrochener Mann. Ei-

ne blutige Schramme zog sich quer über seinGesicht, und auch in seinem Haar warenBlutspuren.

»Sie werden sich gefragt haben, warumdieses Fest überhaupt stattfand«, sagte er zuAxton. »Das alles sieht so aus, als ob ich mirüberhaupt keine Sorgen um Larcenia mach-te. So ist es aber nicht.«

Er drehte sich halb um und blickte zuQuertan Merantor hinüber.

»Es war die Idee Merantors. Er wolltemöglichen Entführern eine Falle stellen.

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Jetzt sitzt er selbst drin.«Der Polizeipräsident erhob sich und nä-

herte sich ihnen. Feindselig blickten sich diebeiden Arkoniden an.

»Sie haben mir nicht gerade geholfen, Ih-re Tochter zu finden«, sagte er scharf. Erwandte sich Axton zu. »Sie scheinen wirk-lich vorzuhaben, sich um den Fall zu küm-mern.«

»Das habe ich, Merantor«, entgegnete derVerwachsene. »Sehr energisch sogar. Ichhabe keine Lust, mir von Ihnen den Kopfabreißen zu lassen.«

Merantor verzog das Gesicht. Verächtlichkehrte er Axton den Rücken zu.

»Geben Sie mir eine Erklärung für das,was hier geschehen ist«, sagte Sammaron zuMerantor. »Ich habe noch nie einen Mannohne Antigrav fliegen sehen.«

»Der Flug war bemerkenswert«, fügteAxton spöttisch hinzu. »Hinreißend aber wardie Landung.«

Der Präsident fuhr herum. Er hob dieFaust, schlug jedoch nicht zu, da GentlemanKelly sofort zurücksprang und Axton damitin Sicherheit brachte.

»Es war ein Trick«, sagte Merantor, dersich rasch wieder in die Gewalt bekam. »Eswar ein übler Trick, und ich werde noch her-ausfinden, was für einer. Ich werde dieseWohnung von meinen Spezialisten bis inden letzten Winkel untersuchen lassen, Sam-maron. Das verspreche ich Ihnen. Ich findeden Verantwortlichen.«

Er eilte davon. Dicht vor der Tür rutschteer auf einem Saucenfleck aus, stürzte jedochnicht, sondern fing sich noch rechtzeitig ab,indem er mit den Armen in der Luft herumruderte.

Der Mediziner lachte meckernd. Merantorblickte wütend zurück und beeilte sich da-nach noch mehr.

»Es ist besser, wenn wir jetzt auch ge-hen«, sagte der Arzt. »Ich hoffe, daß sichbald alles aufklären wird, Sammaron. Es tutmir leid, daß Ihnen dies alles widerfahrenmußte.«

Axton schloß sich dem Arzt an.

Jektor, der Arzt, bot Axton in seiner Woh-nung, die im gleichen Trichtergebäude lag,in dem auch Sammaron seine Etage hatte,ein Glas Wein an. Er machte keinen Hehldaraus, daß er den geheimnisvollen Fremdenmochte. Axton fühlte sich bei ihm wohl. Erhatte sich in einen Sessel gesetzt und Gent-leman Kelly nach draußen geschickt. DerRoboter wartete vor der Tür.

»Sie haben PSI-Kräfte erwähnt, Axton«,sagte der Mediziner. »Ich habe mir diesenGedanken durch den Kopf gehen lassen, undich glaube, daß er viel für sich hat.«

»Mir ist etwas aufgefallen, was ich vorhernicht gewußt habe«, entgegnete Axton.

»Und das wäre?«»Es ist eine nicht gerade schmeichelhafte

Tatsache für Sie. Ich habe nicht geahnt, daßArkoniden sich über fremdartige Wesen der-art amüsieren können, daß sie sie zu ihrenGesellschaften mitbringen. Sie wollen damitimponieren und die Aufmerksamkeit aufsich lenken. Je erfindungsreicher sie sind,desto besser.«

»Sie haben recht, Axton. Auch ich warmir dessen bis heute nicht bewußt, was eseigentlich für diese Wesen bedeutet, daßman über sie lacht. Ich habe mir nie Gedan-ken darüber gemacht, was sie empfinden.«

»Aber das scheint jetzt wichtig zu sein.«»Richtig.« Die beiden Männer blickten

sich an.»Es könnte sein, daß eines dieser exoti-

schen Wesen, das als Partygag vorgestelltwurde, über PSI-Kräfte verfügt und sich aufdiese Weise rächen will.«

»Daran habe ich auch gedacht, Axton.«»Es wäre nicht verwunderlich, wenn eines

von ihnen so reagieren würde. Ich gestehe,daß die Versuchung dazu groß ist. Ich ahnteja nicht, daß sich die oberste Gesellschafts-schicht Arkons bereits so langweilt, daß siesich nicht auf andere Weise zu unterhaltenweiß.«

Der Arzt schenkte Wein nach.»Quertan Merantor ist ein Narr«, sagte er.»Warum sagen Sie das jetzt?«»Weil mir aufgegangen ist, wie dumm es

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von ihm war, Ihre Hilfe abzulehnen. Er hätteseinen Freund Ternnan soweit kennen müs-sen, um erkennen zu können, ob er ihn ver-ulken wollte oder nicht.«

Axton trank einige kleine Schlucke.»Wissen Sie es denn genau?« fragte er.»Ich verstehe Sie nicht.«»Wäre es nicht möglich, daß Ternnan tat-

sächlich einen Scherz machen wollte?Könnte es nicht sein, daß er ebensowenigwie Merantor an meine Fähigkeiten glaubt?«Sein Gesicht verschloß sich.

»Dann ist er ebenso ein Dummkopf wieMerantor«, erklärte Jektor heftig. »Niemandist bisher auf den Gedanken gekommen, einNichtarkonide könnte hinter diesen Erschei-nungen stecken. Dazu brauchte man erst je-manden, der die erschreckende Leere unse-rer Gesellschaft voll durchschaute. Was wer-den Sie tun, Axton?«

»Ich werde Sammaron morgen bitten, mireine Liste seiner Freunde und ihrer Party-gags zu geben«, entgegnete er. »Vielleichterinnert er sich an einen besonderen Vorfall,der uns weiterhilft. Werden Sie mich dar-über informieren, wie es Apprat Cokret er-geht? Ich würde es gerne wissen, wenn eraus seiner Starre erwacht.«

»Sie können sich auf mich verlassen, Ax-ton.«

Der Terraner erhob sich und verabschie-dete sich. Der Mediziner brachte ihn bis andie Tür.

»Glauben Sie, daß Merantor es wirklichernst meint?« fragte Axton.

»Womit?«»Mit seiner Drohung. Glauben Sie, daß er

sie verwirklicht, falls es mir nicht gelingensollte, den Fall zu klären?«

»Bestimmt«, erwiderte Jektor ernst. »Siemüssen es schaffen, Axton, sonst haben Siekeine Chance. Merantor kann unerbittlichsein. Er ist berüchtigt für seine Brutalität.«

Lebo Axton wollte gerade mit dem Früh-stück beginnen, als das Video ansprach. DasBild des Arztes erschien.

»Wie sehen Sie aus, Jektor?« fragte Ax-ton erschrocken.

Der Mediziner hatte ein angeschwollenesAuge, und seine Lippen waren blutig.

»Die Männer Merantors waren bei mir.«»Sie haben es gewagt, Sie …?«»Sie haben es getan«, bestätigte der Arzt

erbittert. »Heute nacht haben wir eineRaumschlacht gegen die Methans verloren.Sie fand im Ekret-Sektor statt. SiebzehnSchwere Kreuzer wurden vernichtet, zwei-undzwanzig Einheiten konnten schwer be-schädigt aus der Schlacht entkommen.«

»Was hat das mit Ihnen zu tun?«»Überhaupt nichts. Merantor nahm diesen

Vorfall jedoch wahr, um in aller Deutlich-keit klar zu machen, daß wir uns im Kriegbefinden. Unter diesen Umständen kannnicht geduldet werden, daß sich irgend je-mand gegen eine Organisation wie die Poli-zei stellt.«

»Ich verstehe nicht.«»Axton, ich war gestern abend mit Ihnen

zusammen. Sie aber könnten doch ein FeindArkons sein. Unter diesem Vorwand habenmich die Männer Merantors verhört. Ich ha-be ihnen sagen müssen, welche Theorie Sieentwickelt haben. Es tut mir leid, Axton, da-mit habe ich Ihre Chance zunichte gemacht,den Fall vor Merantor zu lösen.« Er wischtesich mit dem Handrücken das Blut vomMund. »Sie sollten sich aus dem Staube ma-chen. Sie haben keine Chance mehr. Meran-tor will Sie vernichten.«

»Ich danke Ihnen, Jektor.«Der Arzt nickte ihm mühsam lächelnd zu

und schaltete ab.Kennon-Axton eilte zum Tisch zurück

stopfte sich hastig etwas Gebäck in denMund, befahl Kelly dann, ihn aus der Woh-nung zu tragen. Die Wohnungstür war kaumhinter ihnen zugefallen, als er Stimmen imAntigravschacht vernahm. Der Roboterrannte den Gang entlang bis zur nächstenAbzweigung und bog dort ab. »Warte hier.«

Axton ließ sich vom Rücken des Automa-ten gleiten und schob sich bis zur Ecke vor.Er sah, daß vier Uniformierte die Tür zu sei-ner Wohnung öffneten. Eilig stieg er wiederauf den Rücken des Roboters. Unmittelbar

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nachdem er hier eingezogen war, hatte ersich im Gebäude nach einem Fluchtweg um-gesehen. So wußte er nun, daß es einen Not-schacht gab, der hinter einer normalerweiseverschlossenen Tür lag. Diese hatte Axtonaber bereits präpariert, um für einen Fall wiediesen vorbereitet zu sein. So konnten er undKelly verschwinden, ohne eine Spur zu hin-terlassen. Ungesehen erreichten sie den Aus-gang des Gebäudes. Dort parkte ein Poli-zeigleiter. Die Männer Merantors schienenfest davon überzeugt gewesen zu sein, daßsie ihn mühelos fassen konnten.

Axton zeigte zum Trichtergebäude hin-über, in dem Sammaron wohnte.

»Schnell, Kelly.«Der Roboter flüchtete unter einige Bäume

und jagte auf den Trichter zu. Auf halberStrecke stoppte der Terraner ihn. Hier be-fand sich eine Art alter Brunnen mit halb-verfallener Mauer. Hohe Bäume umgabenihn.

»Hier bleiben wir vorerst.«Er stützte sich mit den Ellenbogen auf den

Kopf des Automaten und blickte zurück. DieUniformierten kamen aus dem Haus. Siewaren offensichtlich ratlos. Sie diskutiertenkurz miteinander, stiegen dann in den Glei-ter und flogen davon.

Axton glaubte, seinen Häschern zunächstentkommen zu sein. Er fühlte sich sicher. Ersetzte sich auf die Brunnenmauer und über-legte. Er wußte nicht, was er tun sollte. Wiekonnte er aus der Falle entkommen, die Me-rantor ihm gestellt hatte? Auf Arkon III hat-te er es leichter bei seiner kriminalistischenArbeit gehabt als hier. Dort hatte es genü-gend Gelegenheiten für Kontakte mit Arko-niden gegeben, so daß er sich Informationenbeschaffen konnte. Hier erschien ihm allessteril. Er hatte das Gefühl, daß die Leute, dieihm wirklich hätten weiterhelfen können,völlig von ihm abgeschlossen waren.

Zwei Kampfgleiter der Polizei landetenvor dem Trichterbau. Axton wurde aufmerk-sam. Er rutschte von der Mauer herunter undstellte sich hinter einen Baumstamm, damitman ihn nicht sehen konnte.

Ein älterer Arkonide verließ das Haus.Ein exotisches Wesen begleitete ihn. Esglich einer Mischung aus einem Windhundund einem Vogel. Auf vier schlanken Bei-nen trabte es neben dem Arkoniden her. Esdrehte den farbenprächtig gefiederten Kör-per hin und her und plapperte dabei, wie Ax-ton aus den Schnabelbewegungen schloß,ständig auf seinen Herrn ein. Zwei Polizi-sten gingen auf ihn zu und hielten ihn an.Sie sprachen mit ihm. Axton sah, wie er er-schrocken zurückfuhr und dann heftig prote-stierte. Einer der Uniformierten zog seineWaffe und erschoß das vierbeinige Vogel-wesen. Darauf drangen die Polizisten in denTrichterbau ein. Trauernd kniete der Arkoni-de neben dem Getöteten nieder. Einige Poli-zisten sperrten den Eingang des Hauses ab.

»Verstehst du das, Kelly?« fragte Axtonbeunruhigt.

Der Roboter blickte zu den Polizeigleiternhinüber.

»Mir stehen nicht genügend Informatio-nen zur Verfügung«, sagte er. »Eine Aus-wertung ist erst möglich, wenn …«

»Ruhe. Ich will nichts mehr hören.«Der Arkonide, der am Abend zuvor den

größten Heiterkeitserfolg erzielt hatte, kamaus dem Haus. Er führte seinen Partygag mitsich, das Wesen, das aussah wie ein Ballonauf dünner Stange. Er trippelte neben ihmher.

Er schrie den Polizisten etwas zu. Axtonkonnte ihn nicht verstehen, aber er sah, daßeiner der Ordnungshüter seinen Strahler zogund den Ballon zerschoß. Kurz darauf ver-ließen zwei weitere Edelleute mit ihrenfremdartigen Begleitern das Haus. Auch sieverloren, womit sie bei Abendgesellschaftenrenommieren wollten.

»Sie beseitigen die Fremden aus Furchtvor PSI«, stellte Axton fest. »Merantor ris-kierte ein gefährliches Spiel.«

»Wir sollten verschwinden«, sagte Gent-leman Kelly.

»Wohin?« Lebo Axton schloß die Augen.Er überlegte, aber ihm fiel nicht ein, wo ersich verstecken konnte, bis die Vernich-

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tungsaktion beendet war. Merantor handeltekonsequent und logisch. Von Jektor, demArzt, hatte er erfahren, daß die fremden We-sen möglicherweise die Verursacher derZwischenfälle waren. Wenn er sie beseitigte,so mochte er annehmen, mußten die uner-klärlichen Vorfälle ausbleiben.

»Sie haben uns entdeckt«, meldete Kelly.Axton fuhr herum. Er blickte zu den Poli-

zisten hinüber, und er sah, daß zwei von ih-nen sich ihm näherten. Sie hielten ihre Ener-giestrahler in den Händen. Der Roboterkniete sich bereits auf den Boden, so daß derTerraner auf seinen Rücken steigen konnte.Kaum hatte Axton die Griffe gepackt, alsKelly auch schon aufsprang und davon-stürmte. Axton blickte über die Schulter zu-rück. Er sah, daß die beiden Polizisten aufihn zu rannten. Einer von ihnen zielte mitseinem Strahler auf ihn und schoß. Der Blitzzuckte fauchend über ihn hinweg. Für Se-kunden war Axton vollkommen geblendet.Er sah nichts mehr. Wie gelähmt klammerteer sich an den Roboter. Bis zu diesem Mo-ment war er immer noch davon überzeugtgewesen, daß ein beträchtlicher Unterschiedzwischen ihm und anderen Exoten bestand.Nun aber sah er, daß Merantor ihn ebensovernichten wollte wie alle anderen.

Gentleman Kelly erreichte einige Busch-bäume, deren mächtiges Geäst ein schier un-durchdringliches Dickicht bildete. Der Ro-boter sah eine Chance, sich in diesem zuverbergen und schnellte sich über mehrereÄste hinweg. Danach schob er sich hinter ei-nige kopf große Blätter und kauerte sich zu-sammen.

Lebo Axton war ratlos. Er blickte sich su-chend um, und dann erst bemerkte er die an-deren Polizisten, die sich jenseits der Busch-bäume befanden. Er stellte fest, daß Kellysich richtig entschieden hatte. Er mußte sichverstecken, wenn er nicht anderen Streifendirekt in die Arme laufen wollte.

Die beiden Verfolger kamen heran, ohneDeckung zu suchen. Sie waren sich ihrerÜberlegenheit bewußt.

Axton blickte ihnen hilflos entgegen.

Noch nie war ihm seine Situation so aus-sichtslos erschienen, seit er in dieser Zeitwar. Er konnte nichts tun. Er konnte nurwarten, bis sie ihn fanden und töteten. Erblickte zum Trichterhaus hinüber, in demSammaron seine Etage hatte. Er wünschte,er könnte sich an ihn wenden und ihn umHilfe bitten. Jetzt war er sich darüber klar,daß er das Haus nicht so ohne weiteres hätteverlassen dürfen. Er hätte sich Rückhalt ver-schaffen müssen.

Nun war es zu spät.

*

Sammaron schleuderte den Polizisten, dersich ihm in den Weg stellte, mit einer einzi-gen Handbewegung zur Seite. Er stürmte indas Hauptbüro, in dem Quertan Merantorhinter seinem Arbeitstisch saß. Der Polizei-präsident erhob sich, als er den Industriellensah.

»Was führt Sie zur mir, Sammaron?«fragte er.

Die beiden Männer standen sich gegen-über, nur durch den Tisch getrennt. Sieblickten sich in die Augen.

Unverhohlene Feindschaft stand zwischenihnen.

»Was Sie treiben, Merantor, ist durchnichts mehr zu entschuldigen.«

»Ich weiß nicht, wovon Sie sprechen.«Sammaron winkte verächtlich ab.»Natürlich wissen Sie es. Ich meine, daß

Sie die Exoten töten lassen.«»Diese Maßnahme ist mit den höchsten

Regierungsstellen abgesprochen worden,Sammaron. Es ist unsere einzige Möglich-keit, einen Feind zu besiegen, der unsere Po-sition von innen heraus zerstören könnte.«

»Wollen Sie alle gegen sich aufbringen,die reich und mächtig sind?«

»Darum geht es nicht.«»Warum versuchen Sie nicht, jenen aus-

findig zu machen, der für die Vorfälle wirk-lich verantwortlich ist? Warum töten Sie un-terschiedlos, was verdächtig ist?«

»Wir werden früher oder später auf den

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Täter stoßen. Er wird sich wehren und damitunter Umständen beweisen, über welcheKräfte er tatsächlich verfügt.«

»Sie glauben also auch an PSI?«Merantor schüttelte den Kopf.»Nein. Es muß etwas anderes sein. Ich

denke eher an raffiniert eingesetzte Anti-gravtechnik, die mit Hilfe von Projektorenverwirklicht wird.«

»Dann haben Sie noch weniger Grund,die Exoten umzubringen. Haben Sie dennnoch nie daran gedacht, daß unter ihnenauch hochintelligente Geschöpfe sein könn-ten?«

»Haben Sie je daran gedacht, wenn Siedie Exoten als Erheiterungsobjekt für IhreGäste hereingeführt haben?«

Sammaron zuckte zusammen.»Nein. Leider, nein, Merantor. Ich habe

sie genauso gedemütigt wie die anderenauch. Gerade deshalb dürfen wir es uns nichtso einfach machen. Sie könnten sie in einemLager zusammenfassen und einzeln verhö-ren. Danach könnten Sie …«

»Diese Aktion ist von Orbanaschol ge-nehmigt worden«, erklärte Merantor trium-phierend. »Sie beschränkt sich auf das Sque-don-Kont-Viertel. Dort leben vielleicht fünf-zig oder hundert Exoten. Ihren Tod wird Ar-kon verschmerzen können. Der Schaden istgeringer als jener, der gestern abend bei Ih-nen angerichtet wurde.«

»Werden Sie Lebo Axton auch töten las-sen?«

»Natürlich. Warum nicht?«»Sie sind wahnsinnig, Merantor. Dieser

Mann hat Arkon I erst vor einigen Tagen be-treten.«

»Vor zwei Tagen.«»Sie wissen aber genau, daß diese Vorfäl-

le das Squedon-Kont-Viertel schon seit Wo-chen beunruhigen. Wie können Sie danneinen Mann töten wollen, der dafür be-stimmt nicht verantwortlich zu machen ist,der sich vielmehr bemüht, den oder die Ur-heber zu finden? Das, Merantor, wäre eineklatantes Verbrechen. Sie gehen zu weit.Außerdem wissen Sie bei Axton mit Sicher-

heit, daß er kein Tier, sondern ein denken-des, intelligentes Wesen ist. Wenn Sie ihnumbringen, dann haben Sie einen Mord be-gangen.«

»Sammaron, wir befinden uns im Krieg.«»Damit läßt sich nicht alles entschuldigen,

Merantor. Es gibt Grenzen. Und bis jetzt giltArkon immer noch als Rechtsstaat. Wennwir die Ideale aufgeben, für die wir immergekämpft haben, dann lohnt es sich nichtmehr, in diesem Staat zu leben.« Sammaronpochte mit den Knöcheln auf den Tisch.»Ich will, daß Sie Axton verschonen. Schie-ben Sie ihn meinetwegen nach Arkon III ab,aber ermorden Sie ihn nicht.«

»Ich werde sehen, was ich für ihn tunkann«, entgegnete der Präsident. »Wenn Siemich aber noch länger aufhalten, wird dasnicht viel sein.«

Sammaron ging grußlos davon.

*

»Du mußt mir helfen, Kelly«, sagte LeboAxton leise. »Allein werde ich mit den bei-den nicht fertig.«

Die Polizisten trennten sich. Einer von ih-nen ging nach links, der andere nach rechts.Dadurch gerieten sie beide aus dem Ge-sichtsfeld Axtons.

»Jetzt«, befahl Axton.Lautlos glitt der Roboter über die Äste.

Der Terraner war erstaunt, wie geschicktKelly sich bewegen konnte. Vorsichtig stiegdie Maschine bis auf den Boden herab. Hierwaren sie durch das Unterholz gut gedeckt.Axton, der sich fest an den Metallrückenschmiegte, konnte die Beine eines der Poli-zisten sehen. Der Arkonide war keine fünfMeter von ihm entfernt, blickte aber in dieentgegengesetzte Richtung. Axton richtetesich etwas auf, bis er über einen Ast hinwegauch den anderen Polizisten entdeckte. Erstand bei zwei weiteren Ordnungshütern undberiet sich mit ihnen.

»Dort«, flüsterte Axton. Er streckte seinenArm am Kopf des Roboters vorbei und wiesauf ein Rohr, das dicht neben den Füßen ei-

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nes Polizisten begann und zum Brunnen zuführen schien.

Gentleman Kelly schob sich Zentimeterfür Zentimeter voran, wobei er jegliches Ge-räusch vermied. Axton behielt die Polizistenim Auge. Er hörte sie sprechen. Sie warenratlos, weil sie nicht wußten, wo er war.

Der Arkonide am Wasserrohr ging zweiSchritte weiter. Nun befand sich ein kleinerBuckel mit einer rot wuchernden Pflanzezwischen ihm und Axton. Der Roboter er-kannte die Chance, die sich ihm bot, undnutzte sie sofort. Geradezu geschmeidigschnellte er sich vor, fing sich ab und schobsich in die Öffnung des Rohres. Lebo Axtonrutschte an Kelly herunter, bis er nur nochauf den relativ dünnen Beinen lag, weilsonst kein Platz für sie beide gewesen wäre.Voller ängstlicher Spannung beobachtete erden Polizisten, bis es ihm endlich gelang,mit Gentleman Kelly in dem Rohr zu ver-schwinden. Er spähte an der Schulter desRoboters vorbei nach vorn. Weit vor sichsah er die andere Öffnung. Sie mußte unge-fähr dort sein, wo der alte Brunnen stand.Kelly wollte weiterkriechen, doch Axtonhielt ihn flüsternd zurück.

»Warte noch«, befahl er.Dabei lauschte er mit allen Sinnen. Er

hörte die Schritte der Arkoniden über sich,und er vernahm ihre Stimmen. Einer von ih-nen berichtete, daß er ein Wesen von einemPlaneten Xaxanit erschossen hatte. Dannschien jemand über Sprechfunk eine Nach-richt durchzugeben.

»Merantor hat einmal wieder recht ge-habt«, sagte einer der Polizisten. »Sie habeneinen Haggater erwischt. Er gehörte demEdlen Ewquer Zuerton. Er hatte sich einNest in der Wohnung gebaut. Und darin ha-ben sie Unterlagen gefunden. Er war einSpion der Methans.«

»Dann braucht Merantor sich keine Sor-gen mehr zu machen«, entgegnete ein ande-rer. »Das rechtfertigt alles.«

»Los jetzt«, sagte Axton. »Was liegst duhier noch so faul herum?«

Er klopfte Kelly aufs Hinterteil. Der Ro-

boter kroch durch die Röhre. Dabei ließensich Geräusche nicht ganz vermeiden. Vor-sichtshalber stoppte Axton die Maschine hinund wieder und horchte. Doch die Arkoni-den wurden nicht auf sie aufmerksam. Erhörte sie laut miteinander reden. Weil erfürchtete, sie könnten das Rohr entdeckenund hineinsehen, trieb er den Roboter zu im-mer größerer Eile an, je weiter sie sich vondem Suchkommando entfernten. Mit einemeinzigen Schuß hätten die Arkoniden ihnjetzt erledigen können.

Plötzlich glaubte Axton, Schritte zu ver-nehmen.

»Halt, Kelly«, rief er hastig.Sie lagen absolut still. Axton wurde sich

dessen bewußt, wie laut sein keuchenderAtem ging, obwohl er sich doch kaum ange-strengt hatte. Irgendwo über ihnen befandsich einer der Polizisten. Der Terraner spürtedie Erschütterung des Bodens deutlich beijedem Schritt. Unwillkürlich fragte er sich,wie dick die Schicht über ihm sein mochte.Vielleicht lag das Rohr hier sogar völlig frei,so daß ihn nur Millimeter von dem Polizi-sten trennten?

Axton verwünschte Quertan Merantor unddessen übertriebene Angst vor einer Blama-ge. Er wartete. Bange Minuten verstrichen.Über ihm blieb alles ruhig. Er wußte nicht,was das zu bedeuten hatte. Befand sich derArkonide nicht mehr in der Nähe? Oder kau-erte er vielleicht sogar direkt über ihm undlauschte. Kniete er über dem Rohr und war-tete darauf, daß sich darin etwas bewegenwürde?

Axton wurde heiß und kalt zugleich.»Wir müssen weiter, Kelly«, flüsterte er.

»Du mußt jedes Geräusch vermeiden.«Der Roboter bewegte sich wieder. Unend-

lich vorsichtig kroch er weiter. Axton stellteberuhigt fest, daß er sich äußerst geschicktdabei anstellte und tatsächlich keine Ge-räusche verursachte. Er bezwang seine Un-geduld und verzichtete darauf, Kelly zu grö-ßerer Eile anzutreiben. Erst als er glaubte,weit genug von der kritischen Stelle entferntzu sein, duldete er, daß der Roboter sich

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schneller bewegte. Doch damit legte sichseine innere Spannung nicht. Er wußteschließlich nicht, ob die Arkoniden nichtdoch bemerkt hatten, auf welchem Wege erentkommen war. Er befürchtete, daß sie amRohrausgang auf ihn warteten. Daher ließ erden Roboter die letzten Meter allein zurück-legen. Er beobachtete, wie Gentleman Kellysich aus dem Rohr gleiten ließ und sich um-sah. Der Roboter verschwand aus seinemSichtfeld und kehrte kurz darauf zurück, umihm ein Zeichen zu geben, daß alles in Ord-nung war. Aufatmend folgte Axton ihm.

Die Uniformierten suchten noch immer inder Gegend, aus der sie entkommen waren.Vor dem Trichtergebäude stand nur noch eineinziger Gleiter. Die anderen Polizisten hat-ten sich also offensichtlich zurückgezogen.

Kelly kniete sich nieder, so daß Axton aufseinen Rücken steigen konnte.

»In das Trichterhaus dort drüben«, befahlder Terraner.

»Dort steht ein Polizeigleiter«, stellte derRoboter fest.

»Da sehe ich selbst, du Blechgenie«, er-widerte Axton ärgerlich. »Wenn ich deinenRat oder deine Kritik erwarte, werde ich dirrechtzeitig Bescheid sagen. Los jetzt. Wor-auf wartest du?«

Gentleman Kelly duckte sich und rannteauf das Gebäude zu. Dabei hielt er sich stän-dig in der Deckung von Büschen und Sträu-chern, so daß die Polizisten ihn nicht sehenkonnten. Axton konnte der Versuchungnicht widerstehen, sich hin und wieder auf-zurichten, um besser sehen zu können. Soentdeckte er, daß die Arkoniden die Sucheabbrachen.

»Tempo«, schrie er. »Wir müssen imHaus sein, bevor sie kommen.«

Tief gebückt jagte der Roboter mit weitenSätzen auf das Haus zu. Dabei konnte ernicht mehr so gleichmäßig laufen, daß seinRücken völlig ruhig lag. Axton wurde kräf-tig durchgeschüttelt. Er mußte sich mit allerKraft festhalten, wenn er nicht herunterfal-len wollte.

Sie erreichten das Haus und drangen ein.

In der Empfangsschleuse hielt sich niemandauf. Ungesehen erreichten sie den ersten An-tigravschacht. Als Axton hineinblickte, stell-te er fest, daß sie ihn nicht benutzen konn-ten. Mehrere Polizisten schwebten in ihmnach unten. Sie hatten Einblick in das auf-wärts gepolte Feld.

»Weiter. Wir versuchen es beim näch-sten.«

Gentleman Kelly eilte einen Gang entlangbis zum nächsten Einstieg. Dieser Schachtwar vollkommen leer. So konnten sie sichihm ruhig anvertrauen. Axton war davonüberzeugt, daß die meisten Bewohner diesesGebäudes Quertan Merantor feindlich ge-genüber standen. Er hatte sie immerhin umihre Spielzeuge gebracht. Daher hoffte er,nicht sofort verraten zu werden, falls er je-mandem begegnen sollte. Er hatte jedochGlück. Er erreichte das Stockwerk, das amTrichteransatz saß. Hier trieb er den Roboterhinaus.

»Wohin?« fragte Kelly.Sie befanden sich in einer kleinen Halle,

die mit kindlichen Motiven geschmückt war.Vor einem halbrunden Durchgang standendie Skulpturen von zwei Kindern, einemMädchen und einem Jungen.

»Hier muß irgendwo so etwas wie einKinderhort sein«, sagte Axton. Er dirigierteden Roboter zum Durchgang. Sie durch-schritten ein energetisches Nebelfeld, dasein angenehmes Prickeln auf der Haut verur-sachte. Dann standen sie vor einer Transpa-plastwand. Dahinter sah Axton zahlreicheKinder in einer künstlichen Landschaft spie-len, in der farbenprächtige Phantasiegebildeaufgebaut waren, mit denen die Kinder sichbeschäftigen konnten.

Die Wand führte in weitem Bogen zu ei-nem weiteren Tor, das etwa fünfzig Metervon Axton entfernt war. Er veranlaßte denRoboter, weiterzugehen. Er wollte nichtmehr Aufsehen erregen, als vermeidbar war.Als sie etwa die Hälfte der Strecke zurück-gelegt hatten, schoß ein blauer Blitz aus demBoden empor. Er raste bis zur Decke hochund bildete dort einen Ball, der nach Sekun-

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denbruchteilen schon wieder verschwand.Axton zuckte zusammen, obwohl er kei-

neswegs überrascht war. Er blickte zu denKindern hinüber, die nichts bemerkt zu ha-ben schienen. Einige von ihnen spielten mitPuppen, aber er konnte keine sehen, der einArm fehlte.

»Weiter«, befahl er. Gentleman Kelly ge-horchte, doch er blieb erneut stehen, als wie-derum ein Blitz aus dem Boden fuhr. Jetztreagierten die Kinder. Sie kamen zögernd andie Transpaplastwand heran, berührten siejedoch nicht. Einige Größere schienen Witzeüber Axton zu machen. Er konnte ihre Stim-men nicht hören, aber er sah, daß die ande-ren lachten.

Da barst die Wand. Ein Riß bildete sich,und unmittelbar darauf, schien alles inScherben zu gehen. Das Material zerplatzteund zersplitterte, fiel jedoch nicht zu Boden.Es haftete zusammen. Axton war unwillkür-lich zurückgefahren. Er blickte auf dieWand, und dann war ihm, als versinke derRoboter unter ihm.

»Verschwinde endlich!«Diese Worte zeichneten sich unüberseh-

bar deutlich auf der Transpaplastwand ab.Doch das allein hätte Lebo Axton kaum soentsetzen können. Viel schlimmer war, daßdiese Worte in Interkosmo verfaßt waren, al-so einer Sprache, die erst in einigen Jahrtau-senden entstehen würde.

Es gab nur einen einzigen Mann im Impe-rium Arkons, der diese Sprache beherrschte.

Er selbst.

6.

Jektor erschrak sichtlich, als er Axton vorsich sah.

»Sie?«»Wollen Sie mich hier draußen stehen las-

sen, bis die Polizei mich sieht?«»Treten Sie ein.«Axton ließ seine Hand, klatschend auf den

Kopf des Roboters fallen und sich von ihmin die Wohnung des Arztes tragen. Der Ar-konide schloß die Tür, schob sich an Gentle-

man Kelly vorbei und eilte in den Salon vor-aus. Axton stieg vom Rücken des Robotersund setzte sich in einen der Sessel.

»Man sieht nicht mehr, daß Sie Besuchhatten«, sagte er. In der Wohnung sah alleswieder so aus wie vorher, als der Terranerzum erstenmal hier gewesen war.

»Ich hoffe, Sie nehmen es mir nicht übel,daß ich zu Ihnen gekommen bin, Jektor?«

»Keineswegs«, entgegnete der Arzt, nach-dem er kurz gezögert hatte. »Merantor kannnicht länger mit mir rechnen. Ich habe ihmerklärt, daß ich für seinen Sturz sorgen wer-de. Und ich habe ihm gesagt, daß er ganzbesonders große Schwierigkeiten habenwird, wenn er noch länger Jagd auf Siemacht.«

»Ich scheine prominente Fürsprecher zuhaben. Sammaron hat sich auch für micheingesetzt.«

»Sie waren bei ihm?« fragte Jektor über-rascht.

»Allerdings. Ich bin einige Stunden mitihm und seiner Tochter zusammen gewesen.Ich habe mir etwas von der entführten Lar-cenia erzählen lassen, und ich glaube, daßich mir nun ein recht gutes Bild von der Si-tuation machen kann.«

»Sie glauben, daß sie wirklich entführtwurde?«

»Davon bin ich jetzt überzeugt. Es hatzwar erhebliche Spannungen zwischen ihr,ihrem Vater und Arina gegeben, aber Larce-nia ist durch sie nicht aus dem Haus getrie-ben worden. Es muß etwas anderes vorgefal-len sein.«

»Darf ich Ihnen etwas zu essen anbie-ten?«

»Gern.«Sinclair Marout Kennon war froh, endlich

einen Unterschlupf gefunden zu haben, indem er sich zumindest für einige Stunden si-cher fühlen konnte. Er hätte auch bei demIndustriellen Sammaron bleiben können,aber das hatte er nicht gewollt. Ihm kam esdarauf an, daß er wenigstens etwas Distanzhalten konnte, damit sich das Bild, das ersich von den Zusammenhängen gemacht

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hatte, nicht trübte.Er gab Kelly einen befehlenden Wink.

Der Roboter verstand. Er eilte dem Arztnach und half ihm. Wenig später kehrten erund Jektor zurück und brachten Speisen undGetränke. Für einige Minuten vergaß Axtonseine Probleme. Mit einem wahren Heißhun-ger machte er sich über das Essen her.

»Sie sagen, Larcenia sei entführt wor-den«, bemerkte der Mediziner, als er gesät-tigt war. »Warum? Wenn jemand ein sol-ches Verbrechen verübt, dann denkt er sichdoch normalerweise etwas dabei. Er willGeld oder sonst irgend etwas erpressen. Dasaber scheint hier nicht der Fall zu sein. DerEntführer hat sich bis heute nicht gemeldet,und Larcenia ist nunmehr etwa acht Tageverschwunden.«

»Das hat mich Sammaron auch bereits ge-fragt. Und das ist auch der Grund, weshalbPolizeipräsident Merantor nicht weiter-kommt. Er hat sich in diese Idee verbohrt.Für mich aber ist diese Tatsache kein Be-weis.«

Axton trank einen Schluck Wein.»Wie geht es Apprat Cokret? Ist er mitt-

lerweile aus seiner Ohnmacht erwacht?«»Leider, nein«, erwiderte der Arzt. »Der

Offizier liegt starr und mit verhärteten Mus-keln da. Allerdings hat er vor vier Stundenzum erstenmal eine echte Reaktion gezeigt.«

Axton beugte sich vor. Seine Augen fun-kelten.

»Was ist passiert?«»Nicht viel. Cokret bäumte sich auf sei-

nem Lager auf. Seine Augen öffneten sich,und die Lippen bewegten sich. Es schien, alswolle er uns etwas mitteilen, aber kein Lautkam über seine Lippen. Dann fiel er nachhinten und lag wieder so starr und steif wievorher da.«

»Haben Sie ihn auch während dieser Zeitüberwachen lassen?«

»Seine medizinischen Werte werden un-unterbrochen überprüft. Er ist ständig an po-sitronische Beobachter angeschlossen, dieuns über sämtliche Vorgänge in seinem Kör-per unterrichten.« Der Arzt hob ratlos die

Hände. »Es ist alles normal bei ihm. Ermüßte eigentlich bei vollem Bewußtseinsein, aber er ist es nicht.«

Er blickte Axton fragend an.»Glauben Sie, daß ein Zusammenhang be-

steht zwischen den verrückten Vorgängenauf der Abendgesellschaft bei Sammaron,Larcenia und diesem Offizier?«

»Davon bin ich fest überzeugt«, antworte-te der Verwachsene, der den Wein sichtlichgenoß.

»Welcher?«»PSI, Jektor.«»Das verstehe ich nicht.«»Ich möchte es gern beweisen. Wenn ich

es wirklich kann, dann komme ich einen be-deutenden Schritt voran. Aber ich bin auf Ih-re Hilfe angewiesen.«

»Was könnte ich schon für Sie tun?«»Sehr viel. Wenn Sie mit mir in die Kli-

nik fliegen und mir erlauben würden, einigeMeßgeräte leicht zu verändern, dann bin ichschon zufrieden.«

Jektor senkte den Kopf. Er biß sich nach-denklich auf die Lippe. Unter den gegebe-nen Umständen ein derartiges Unternehmenzu ermöglichen, war äußerst gefährlich fürihn.

»Haben Sie die Nachricht vom Hügel derWeisen gehört, Axton?«

»Nein.«»Der Hügel der Weisen hat die Maßnah-

men Merantors gebilligt. Er darf also Exotenabschießen. Meine Proteste haben in dieserHinsicht nichts genützt. Apprat Cokret istein Geheimnisträger erster Ordnung. Verste-hen Sie, was ich damit sagen will?«

»Sie wollen mir damit zu verstehen ge-ben, daß ich nicht in seine Nähe kommendarf. Merantor würde darin einen Beweisdafür sehen, daß ich nicht an der Aufklärungdes Falles arbeite, sondern versuche, ankriegswichtige Informationen zu kommen.«

»Genau. Er würde Sie sofort erschießen,wenn er Sie bei Cokret mit Meßgeräten vor-findet, deren Funktion niemand außer Ihnenkennt.«

»Das ist mein Risiko, Jektor. Vertrauen

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Sie mir?«Die beiden Männer blickten sich an. Ax-

ton wußte, daß er ohne die Unterstützungdes Arztes nicht mehr viel weiterkommenwürde. Nur mit seiner Hilfe konnte er be-weisen, daß wirklich ein Zusammenhangzwischen den rätselhaften Ereignissen, Lar-cenia und Apprat Cokret vorhanden war.Dieser Zusammenhang konnte nur durch pa-rapsychische Kräfte gegeben sein. DurchPSI. Durch eine Größe, die im Arkon dieserEpoche so gut wie unbekannt war.

»Ich habe mich erkundigt, Axton. Nie-mand weiß, woher Sie gekommen sind.«

»Das ist richtig.«»Sie wollen es auch mir nicht sagen?«»Nein. Ich bitte Sie, mir auch so zu ver-

trauen. Ich bin kein Feind Arkons, sondernein Freund. Und ich habe es mir zum Zielgesetzt, dem Imperium in einer ganz be-stimmten Sache einen Dienst zu leisten, derdie Weichen für die Zukunft stellen soll.«

»Das sind große Worte.«»Große Worte für einen verkrüppelten

Mann wie mich, der zu schwach ist, sichselbst zu schützen.«

Der Arzt erhob sich betroffen. Er trat aneines der Fenster und blickte nach draußen.Die Sonne ging unter. Der zweite Tag neigtesich seinem Ende zu.

»Und Sie wollen mir nicht mehr darübersagen?«

»Nein, Jektor. Ich kann nicht. Ich würdedamit das große Ziel gefährden, das ich mirgestellt habe. Es muß Ihnen genügen, daßich ein erklärter Feind aller bin, die gegendas arkonidische Imperium sind.«

Der Mediziner lächelte kaum merklich.»Sie formulieren seltsam, Axton. Ein Ar-

konide würde sagen: Ich bin gegen alle, diegegen Orbanaschol sind.«

Der Verwachsene griff erneut nach sei-nem Glas. Er sah den Mediziner nicht an.

»Nun? Jektor? Helfen Sie mir?«»Ich helfe Ihnen.«

*

Die Gleiternische befand sich in unmittel-barer Nähe der Arztwohnung. In ihr war ge-rade genug Platz für die Maschine.

Jektor löschte das Licht, bevor er dasSchott auffuhr. Dann glitt die Flugkabinelautlos in die Nacht hinaus. Axton saß nebenGentleman Kelly auf der Bank hinter demMediziner, der schon bald auf eine der Rou-ten einbog, die direkt zum klinischen Zen-trum führten. Hier herrschte lebhafter Ver-kehr.

Lebo Axton lehnte sich weit in die Polsterzurück, so daß sein Kopf nicht über den Sei-tenrahmen des Gleiters hinausragte. Vorläu-fig war noch nichts zu befürchten. So kon-zentrierte er sich noch einmal auf die Maß-nahmen, die er treffen mußte. Schritt fürSchritt ging er den Plan durch, den er vorherin Sekunden entworfen hatte. Falls QuertanMerantor keine unvorhergesehenen Kontrol-len oder Prüfungen einlegte, mußte alles soablaufen, wie erwartet.

»Vorsichtig. Die Klinik.«Axton drückte sich noch tiefer in die Pol-

ster. Der Gleiter flog langsamer.»Es ist alles ruhig«, berichtete der Arzt.

»Auf dem Dach stehen zwei Polizeimaschi-nen. Ein Mann steht dabei.«

»Können wir an ihm vorbeikommen?«Axton richtete sich auf und blickte an Jektorvorbei. Der Polizist hatte sich direkt vor demKlinikabgang postiert.

»Ich setze die Maschine ganz am Randdes Daches ab«, erklärte der Mediziner.»Darunter ist eine Fenstergondel, von deraus das Gebäude gereinigt werden kann. Siekönnen mit dem Roboter hineinspringen undvon dort durch ein Fenster einsteigen, dasich von innen öffnen werde.«

»Kelly wird hier bleiben.«Die Maschine landete. Jektor gab sich

Mühe, sich so unbefangen wie möglich zugeben. Er packte einige Papiere zusammen,die auf dem Nebensitz lagen, und stieg aus.Axton hörte, wie er sich entfernte und danneinige Worte mit dem Polizisten wechselte.Er drückte die Seitentür auf und blickte hin-aus. Direkt unter ihm schwebte die Gondel.

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»Du mußt mir helfen, Kelly«, flüsterte er.»Ich kann nicht so tief herunterspringen.«

Lautlos schob sich der Roboter über diePolster und streckte ihm die metallenenHände hin. Axton ergriff sie und überließsich ihnen. Gentleman Kelly hob ihn überdie Dachkante hinaus, beugte sich weit hin-unter und ließ ihn schließlich fallen. DerVerwachsene stürzte noch anderthalb Metertief und schlug hart auf. Ein stechenderSchmerz ging von seinem rechten Knöchelaus. Stöhnend blieb er liegen. Über ihmschloß sich die Gleitertür. Der Roboter ver-schwand.

Axton blickte nach oben. Der Wächter aufdem Dach mußte den Aufprall gehört haben.

Da öffnete sich direkt neben ihm eine Lu-ke. Er sah das Gesicht von Jektor. Eilig raff-te er sich auf und kletterte zu dem Arzt hin-über. Jektor zog das Fenster sogleich wiederzu. Die beiden Männer verharrten einige Se-kunden auf der Stelle. Sie horchten. Deutlichwaren die Schritte des Polizisten zu hören,doch sie entfernten sich kurz darauf wieder.Jektor atmete erleichtert auf.

»Alles gut überstanden?« fragte er.»Es geht.« Lebo Axton biß die Zähne zu-

sammen. Er hatte das Gefühl, sich das rechteBein gebrochen zu haben. Er konnte denFuß kaum aufsetzen. Doch er zwang sich,nur an die bevorstehende Aufgabe zu den-ken und die Schmerzen zu ignorieren.

Jektor führte Axton an einigen Türen vor-bei und blieb dann vor einem Antigrav-schacht stehen.

»Apprat Cokret ist direkt unter uns, Ax-ton«, berichtete er. »Aber dort unten wim-melt es auch von Polizisten und Geheim-agenten.«

»Sie sagten, daß es dennoch eine Mög-lichkeit gibt.«

»Für mich nicht. Für Sie vielleicht. Kom-men Sie.« Er führte Axton noch einige Me-ter weiter und blieb dann vor einer Metall-klappe stehen. »Dies ist ein Wäscheschacht.Er führt an der positronischen Medokammervorbei, von der aus Sie Zutritt zu Cokret ha-ben. Wenn Sie sich in diesem Schacht nach

unten lassen können, dann kommen Sie anIhr Ziel. Ich kann mich überall frei bewe-gen.«

Er eilte zu einem Schrank und kehrte miteinem Wäschestück zurück. Axton drehte eszu einem Seil zusammen und reichte Jektoreinen Zipfel.

»Halten Sie. Sobald ich im Schacht bin,können Sie das Ding festklemmen. AchtenSie aber darauf, daß man es nicht so leichtsehen kann.«

Er kroch mühsam in den Schacht, prüftedas Wäschestück auf seine Festigkeit undließ sich dann daran herunter. Seine schwa-chen Arme vermochten kaum, ihn zu tragen.Er mußte sich mit den Füßen an den Wän-den abstützen, wobei sich Geräusche nichtganz vermeiden ließen. Axton war normaler-weise zu schwächlich für solche Einsätze,die er spielerisch leicht bewältigt hatte, alser noch in seinem Robotkörper steckte. Nunwurde der Abstieg für ihn zu einer einzigenQual. Der Schweiß brach ihm aus, und ermußte Pausen einlegen, weil ihm der Atemknapp wurde. So benötigte er für etwa zweiMeter fast zwanzig Minuten. Dann endlichkonnte er durch ein Gitter in den Medoraumsehen.

Jektor trat gerade ein. Er ging an das Bettdes Offiziers und legte ihm die Finger aufdie geschlossenen Augen. Dann wandte ersich an jemanden, der sich nicht im Blick-feld Axtons befand.

»Lassen Sie uns allein«, sagte der Arzt.»Ich sage Ihnen Bescheid, wenn ich Sie be-nötige.«

Ein uniformierter Polizist ging an Jektorvorbei und verließ das Zimmer. Sofort eilteder Arzt an die Positronik. Er blickte zu demGitter auf.

»Alles in Ordnung?« fragte er wispernd.»Helfen Sie mir heraus.«Der Mediziner öffnete das Gitter und

wendete es zur Seite. Vorsichtig stützte erAxton, bis dieser aus eigener Kraft aus demSchacht kriechen konnte. Stöhnend schob erseinen Körper durch die Öffnung.

»Ich glaube nicht, daß ich es später schaf-

36 H. G. Francis

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fen werde, wieder nach oben zu klettern«,sagte Axton. »Ich bin vollkommen er-schöpft.«

Jektor reichte ihm ein Glas Wasser. Axtontrank, nachdem er sich auf einen Hocker ge-setzt hatte. Er benötigte einige Minuten, biser sich soweit erholt hatte, daß er zu AppratCokret gehen konnte. Er sah sofort, daß sichder Zustand des Offiziers nicht geändert hat-te. Er tastete das Gesicht des Bewußtlosenab, kniff ihm in den Hals und fühlte nachdem Puls. Dann kehrte er kommentarlos indie Kammer mit den positronischen Instru-menten zurück, von der aus der Offizierständig überwacht wurde.

Von nun an schien Axton vergessen zuhaben, daß es in der Klinik Polizisten gab,die sofort auf ihn schießen würden, wenn sieihn hier entdeckten. Er arbeitete ruhig undkonzentriert.

Wie er bereits befürchtet hatte, brauchteer lange, sich überhaupt erst einmal mit denGeräten vertraut zu machen. Aus seinerSicht waren sie primitiv. Sie waren teilweiseunglaublich umständlich konstruiert.

Die Arkoniden kannten die Möglichkeitennoch nicht, mit denen sich diese Geräte ver-einfachen und verbessern ließen.

»Wie lange brauchen Sie noch?« fragteJektor, als etwa eine Stunde verstrichen war.

»Ich habe gerade erst angefangen.«»Ich kann den Posten nicht ewig draußen

warten lassen.«»Das weiß ich, Jektor, aber ich kann es

nicht ändern.«Wiederum verging fast eine Stunde. Dann

endlich war Axton soweit. Er wußte genau,wie die einzelnen Geräte funktionierten undwie er sie verändern mußte, damit er dieMessungen vornehmen konnte. Gerade alser damit beginnen wollte, bewegte sich dieäußere der Doppeltüren zum Krankenzim-mer.

Axton rutschte blitzschnell von demHocker, auf dem er gesessen hatte, undpreßte sich in eine Nische, in der er vomBett des Offiziers aus nicht gesehen werdenkonnte. Jektor eilte zu Apprat Cokret zu-

rück.Quertan Merantor betrat den Raum. Er

ging zu dem Mediziner, der bereits am Bettdes Offiziers saß und dessen Arm hielt. Ax-ton konnte ihn sehen. Er zog sich noch wei-ter in den Winkel zurück. Seine Blicke fie-len auf die positronischen Geräte. Die Ver-schalung war zum Teil entfernt worden.Wenn der Polizeipräsident sich zufällig zurMedokabine hinwenden sollte, dann mußteer einfach sehen, daß jemand sich an der Po-sitronik zu schaffen gemacht hatte.

Axton brach der Schweiß aus. Sein Mundwar plötzlich trocken, so daß er kaum nochschlucken konnte. Er bemühte sich, so flachwie nur möglich zu atmen, doch ihm schien,daß ihm die Luft laut rasselnd durch dieKehle ging.

»Wie steht's mit ihm?« fragte der Präsi-dent.

»Leider noch keine Veränderung«, ant-wortete Jektor. »Ich hatte den Eindruck, daßendlich etwas passieren würde, aber seit ei-nigen Minuten ist er wieder völlig still. Ichhoffe, daß seine Reaktionen bald wieder-kommen.«

»Hat er etwas gesagt?«»E'r hat es versucht. Deshalb blieb ich

hier.«»Haben Sie ihm Medikamente gegeben.«»Mehrere.«Es wurde still im Raum. Axton hielt den

Atem an. Er glaubte, Merantor müsse nunmerken, daß er hier war. Ihm war, als späheder Polizeipräsident zu ihm hinüber. Ragtenseine Füße vielleicht in das Blickfeld Me-rantors hinein? Er schielte nach unten undzog die Füße soweit zurück, wie er nurkonnte.

»Er muß reden, Jektor«, fuhr Merantorfort. »Er muß.«

»Ich gebe mir alle Mühe.«»Merantor, das Oberkommando befürch-

tet einen Angriff der Methans auf einen un-serer wichtigsten Stützpunkte. Man glaubt,daß Cokret Informationen hat, die für unsvon lebenswichtiger Bedeutung sein können.Er muß sie ausspucken, bevor die Methanat-

Der Mutantenjäger 37

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mer angreifen. Verstehen Sie mich?«»Natürlich«, entgegnete der Arzt voller

Abneigung. »Warum schlage ich mir denndie Nacht um die Ohren? Doch nur, weil ichhoffe, Cokret aufwecken zu können.«

»Ich werde Ihnen einige Helfer schicken.«»Ich will niemanden hier sehen.«»Sie werden tun, was ich Ihnen sage.«»In diesem Mause bin ich der Chef, Me-

rantor. Je früher, Ihnen das eingeht, destobesser für Sie.«

»Wollen Sie mir drohen?«Jektor antwortete nicht. Lebo Axton stand

starr in seinem Versteck. Er fühlte, daß seinHerz wild klopfte.

»Also gut«, sagte der Polizeipräsidentendlich. »Ich lasse Sie allein. Sie aber tragendie Verantwortung, wenn irgend etwas mitCokret passiert.«

»Verschwinden Sie endlich, und störenSie mich nicht länger bei meiner Arbeit.«

Axton hörte, wie sich Schritte entfernten.Die Doppeltüren bewegten sich, und dannatmete Jektor laut auf.

»Das war knapp«, bemerkte er.Axton kam aus seinem Versteck heraus.

Er setzte sich wieder an die Positronik undwollte mit der Arbeit beginnen, doch seineHände zitterten zu stark. Er fluchte lautlos.Warum war er in diesem Körper erwacht?Warum hatte ihm die Illusionsmaschinenicht in einen gesunden, leistungsfähigenKörper verschafft?

Er schloß die Augen, senkte den Kopf undatmete mehrmals tief durch. Dann setzte erseine Arbeiten fort. Etwa zehn Minuten ver-gingen, bis er die ersten Sensoren an denSchädel Cokrets heften konnte und damit ei-ne weitere Verbindung zwischen ihm undder Positronik herstellte. Dabei entdeckte erunverhofft einige Möglichkeiten, die in derWelt, aus der er kam, offenkundig übersehenworden waren. Er erinnerte sich an die Mu-tanten, mit denen er so oft zu tun gehabt hat-te. Er lächelte. Es war nur zu verständlich,daß Wissenschaftler, die mit einem Gucky,einem John Marschall oder einer BettyToufry zusammenarbeiten konnten, sich

nicht auf derartige Wege konzentrierten. Fürsie war es einfach, einen fremden Mutantenaufzuspüren. Sie konnten die Hilfe dieserMutanten in Anspruch nehmen.

Axton justierte die Geräte sorgfaltig undsteuerte sie danach vorsichtig aus. Gespanntbeobachteten er und der Mediziner die Bild-schirme und Oszillographen.

»Nun?« fragte Jektor.»Kein Zweifel«, antwortete Axton.

»Cokret wird parapsychisch beeinflußt. Je-mand hat ihn fest in seiner Gewalt, so daß ernichts sagen kann.«

»Dann muß es doch möglich sein, ihn dar-aus zu befreien.«

»Auf jeden Fall, Jektor. Aber nicht hier.«»Wir könnten Merantor informieren.«»Meinen Sie wirklich, daß er uns glauben

wird? Sie selbst sind ja nicht einmal sicher,daß es PSI gibt. Und Sie sind Arzt. QuertanMerantor wird sich gar nicht erst anhören,was wir ihm zu sagen haben. Nein, wir müs-sen die Quelle dieser PSI-Energie findenund beseitigen. Wenn wir das schaffen, wirdCokret frei. Dann kann er Merantor erzäh-len, was er erfahren hat.«

Axton erhob sich.»Es ist doch offensichtlich, Jektor, daß je-

mand versucht, Cokret daran zu hindern,eben dies zu tun. Oder noch mehr.«

»Was wollen Sie damit sagen?«»Das erzähle ich Ihnen später, wenn wir

die PSI-Quelle gefunden haben. Ich glaube,ich sehe jetzt klar.«

»Können Sie die PSI-Quelle einpeilen?Ich meine, wie können wir sie finden?«

»Habe ich noch etwas Zeit?«»Ich hoffe. Garantieren kann ich jedoch

nichts.«»Ich werde mich beeilen.«Axton löste die Sensoren wieder vom

Kopf Cokrets und arbeitete erneut an der Po-sitronik.

»Wir werden keine Zeit haben, die Gerätewieder so herzurichten, daß niemand etwasmerkt«, sagte er zögernd.

Jektor erschrak.»Dann weiß Merantor Bescheid«, entgeg-

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nete er. »Man wird mich sofort verhaftenund des Verrats beschuldigen.«

»Das sehe ich ein, Jektor. Nun, ich werdeversuchen, was in meiner Macht steht. Solltedie Situation jedoch brenzlig werden, mußich verschwinden. Ich verspreche Ihnen, daßich den Fall danach so schnell lösen werde,daß Ihnen nichts passieren kann.«

»Ich fürchte, ich habe mich auf eine böseSache eingelassen«, erwiderte der Medizinerseufzend. Er ließ sich auf die Bettkante sin-ken, legte die Hände vors Gesicht und mas-sierte sich die Augen. »Ich wünschte, es wä-re schon alles vorüber.«

»Sie können mir vertrauen, Jektor.«»Was bleibt mir anderes übrig?« Er blick-

te Axton an und lächelte zaghaft. Der Kos-mokriminalist sah ihm an, daß er Angst hat-te.

7.

Axton konzentrierte sich erneut. Er erin-nerte sich an eine Peilmethode, die einmaldiskutiert worden war.

Bald darauf begann er wieder zu arbeiten.Er löste Kontakte, festigte sie neu, stellteKreuzverbindungen her und legte Sensorenan Kabel, die sich allmählich zu einem Ringformten. Schließlich legte er diesen auf sei-nen Kopf und drückte ihn fest, bis er strammanlag.

»Was haben Sie vor?« fragte der Arzt.»Ein Experiment«, erklärte Axton.

»Sehen Sie, mit Hilfe dieser Positronik ha-ben wir vorhin feststellen können, daß Ap-prat Cokret parapsychisch beeinflußt wird.Wir haben beweisen können, daß es dieseEnergieform gibt.«

»Sie haben es sich selbst bewiesen«, ver-besserte der Mediziner. »Ich habe nur ge-wisse Instrumentenanzeigen gesehen. Weiternichts.«

»Mir genügt es, Jektor. Ich will nun diegleichen Gerätschaften nehmen und damitversuchen, einen Teil des Energiestroms aufmich selbst zu lenken.«

»Werden Sie dann nicht auch in eine Star-

re verfallen?« fragte der Arkonide er-schrocken.

»Das könnte sein, aber dann brauchen Siemir nur die Kabel vom Kopf zu reißen, undich werde wieder zu mir kommen. Hoffent-lich.«

»Gibt es keinen anderen Weg?«»Nein.«»Könnten Sie nicht den gesamten Ener-

giestrom ablenken und damit Cokret befrei-en?«

»Auf wen sollte ich ihn strömen lassen?Wir haben niemanden, den wir dafür einset-zen können. Und uns wäre auch nicht wirk-lich geholfen, denn wir müssen die PSI-Quelle finden. Das aber können wir nur,wenn wir uns auf sie einpeilen.«

»Ich gebe es ja zu«, erwiderte Jektor un-glücklich. Ihm gefiel das gesamte Experi-ment nicht mehr. Er hatte Angst, aber erwußte auch keinen Ausweg.

Weitere zehn Minuten verstrichen. Axtonschickte den Arzt hinaus.

»Holen Sie irgendwelche Medikamenteund Untersuchungsgeräte. Es muß nach Ar-beit aussehen. Aber kommen Sie bald wie-der, damit niemand auf den Gedanken ver-fällt, hier zu kontrollieren.«

Jektor verließ das Krankenzimmer gera-dezu erleichtert. Axton arbeitete weiter. Einfrischer Wind schien plötzlich durch denRaum zu wehen. Er fühlte sich befreit, seitder Arzt nicht mehr in seiner Nähe war undseine Konzentration durch seine Nervositätbeeinträchtigte. Plötzlich klappte jeder Griff.Er brauchte kaum noch zu überlegen. AlsJektor zurückkehrte, war Axton fertig.

»Es ist soweit«, sagte er.Der Arzt setzte das Tablett ab, auf dem er

Medikamente und einige Prüfstreifen herein-gebracht hatte. Voller Spannung blickte erAxton an.

»Und was geschieht jetzt?«»Erste Phase: Einpeilung. Ich will grund-

sätzlich feststellen, ob es klappt. Danachmüssen Sie mich wieder nach draußenschmuggeln. Irgendwie.«

»Und dann?«

Der Mutantenjäger 39

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»Dann werde ich mich in den Gleiter set-zen und den PSIImpulsen bis zu ihrer Quellefolgen.«

Er streckte dem Arzt die Hand entgegen.»Kommen Sie zu mir, Jektor. Helfen Sie

mir, falls die Belastung zu groß für michsein sollte.« Axton nahm den Kabelring mitden Sensoren und legte ihn sich über denKopf.

Sorgfältig befestigte er die Sensoren anSchläfen, Halsschlagadern und Nacken.Dann senkte sich seine Hand auf einige Ta-sten.

»Halten Sie mich fest, Jektor. Bitte.«Der Arkonide stellte sich hinter ihn und

drückte ihm die Hände auf die Schultern.Axton lehnte sich zurück. Energisch drückteer die Tasten herunter.

Im gleichen Augenblick bäumte er sichauf. Seine Lippen öffneten sich zu einem rö-chelnden Schrei. Die Arme fuhren hoch. Ax-ton zuckte und bebte am ganzen Körper.Seine Füße trommelten auf den Boden. Erschien jegliche Kontrolle über sich verlorenzu haben. Jektor beugte sich über ihn unddrückte die Tasten. Sofort erschlaffte Axton.Sein Kopf sank auf die Brust. Er hob dieHände und preßte sie gegen das Gesicht, dasplötzlich schweißbedeckt war.

»Ich dachte, Sie sterben«, sagte der Arko-nide bestürzt.

»Warum haben Sie unterbrochen?« fragteAxton gereizt.

»Sie hätten sich sehen sollen.«»Ich bekam mich gerade unter Kontrolle.

Alles wurde besser.« Axton zwang sich zueinem beruhigenden Lächeln. Er wußte, daßer auf die Hilfe dieses Arkoniden angewie-sen war. »Machen Sie sich keine Vorwürfe.Wir schaffen es.«

»Haben Sie einen ersten Richtungsein-druck?«

»Einen sehr guten sogar. Ich möchte be-haupten, daß die PSIEnergie aus der Rich-tung des Squedon-Kont-Viertels fließt.«

Jektor blickte ihn schockiert an.»Sie wollen sagen, daß …«»Vorläufig gar nichts, Jektor. Lassen Sie

mich das Experiment wiederholen.« Erbeugte sich vor, ohne dem Arkoniden dieGelegenheit für einen Protest zu geben, undschaltete ein. Wiederum zuckten seine Armeund Beine, aber dieses Mal ließen die kon-vulsivischen Reflexbewegungen schnellnach. Axton wurde ruhiger, und er konntesogar einige Regulierungen vornehmen. Alser den Kabelkranz danach abnahm, erklärteer:

»Es ist kein Zweifel möglich. Die Rich-tung stimmt. Entweder finden wir die PSI-Begabung im Squedon-Kont-Viertel oderdahinter.« Er packte sorgfältig zusammen,was er benötigte. »Ich werde die Apparaturan eine Gleiterbatterie anschließen müssen.Hoffentlich reicht die Energie aus.«

Er wollte damit beginnen, die Spuren zuverwischen und die Medopositronik wiederso herzurichten, daß niemand auf den erstenBlick die Manipulationen erkennen konnte.Doch er sah ein, daß er dazu weitere Stun-den Zeit benötigt hätte. Er gab auf und be-seitigte nur die gröbsten Spuren. Danachstopfte er sich unter das Hemd, was er mit-nehmen wollte.

Er eilte zum Fenster und blickte hinaus.Draußen war es nicht besonders dunkel.

»Kein Balkon«, sagte er enttäuscht.»Dann muß ich versuchen, wieder durch denSchacht nach oben zu kommen. Sie müssenmir helfen.«

»Wie stellen Sie sich das vor?«»Sie müssen nach oben gehen und mich

ziehen. Eine andere Möglichkeit gibt esnicht.«

Jektor seufzte. Ihm war anzusehen, daß ernicht daran glaubte, es auf diese Weiseschaffen zu können. Dennoch stimmte er zu.Er half dem Verwachsenen durch die Luke,verschloß diese wieder und eilte aus demZimmer.

Lebo Axton-Kennon hing an einem Fließ-tuch im Schacht. Durch das Gitter konnte ereinen Polizisten beobachten, der das Zimmerbetrat, gelangweilt zu Cokret ging und ihnbetrachtete. Dann setzte er sich in einen Ses-sel neben der Tür. Von hier aus konnte er in

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die Nische der Medopositronik sehen. Axtonfühlte, wie ihm der Schweiß ausbrach. Dieschwache Muskulatur seiner Arme konnteihn nicht mehr lange halten. Allein konnte ersich auf gar keinen Fall nach oben hangeln.

Er biß sich auf die Lippen. Ihm schien,daß der Arkonide ständig zu ihm herüber-blickte. Axton stockte das Herz, als der Poli-zist sich plötzlich erhob und auf die Nischezuging. Er glaubte, bereits entdeckt wordenzu sein. Doch der Arkonide interessierte sichnicht für die Positronik. Er war müde undversah seinen Dienst äußerst lustlos. Gelang-weilt zapfte er sich etwas Wasser aus demAutomaten, trank den Becher aus, warf ihnin den Müllvernichter und kehrte zu seinemSessel zurück. Er setzte sich, schlug die Bei-ne übereinander, lehnte den Kopf zurückund schloß die Augen.

Axton grinste.Er versuchte, sich nach oben zu ziehen,

um wenigstens das Gitter zu überwinden. Erschaffte kaum einen halben Meter. Dannmußte er eine Pause einlegen, weil seineArmmuskeln bereits ermüdeten. Seine Kraftreichte gerade noch aus, sich in dieser Lagezu halten.

Verzweifelt fragte er sich, warum der Me-diziner soviel Zeit benötigte. War er aufge-halten worden?

*

Eine Ewigkeit schien verstrichen zu sein,bis Axton endlich einen Ruck verspürte. Erkonnte sich kaum noch halten. Schnell zogJektor ihn nach oben. Axton hatte Mühe, ge-nügend Abstand von der Schachtwand zuhalten. Er stieß immer wieder an und verur-sachte dabei Geräusche. Diese erschienenihm so laut, daß er glaubte, das ganze Klini-kum müsse alarmiert werden.

Dem Arkoniden tränten vor Erregung dieAugen, so daß er kaum noch etwas sehenkonnte.

»Merantor«, berichtete er stammelnd.»Der Polizeipräsident ist wieder da. Ichfürchte, er wird bald entdecken, daß jemand

an der Positronik tätig war.«Axton wälzte sich aus dem Schacht. Er-

schöpft blieb er auf dem Boden liegen. Ihmwar, als müßten die Arme abfallen. Er hatteüberhaupt kein Gefühl mehr in ihnen.

»Schnell«, sagte der Arzt drängend. »Siemüssen in den Gleiter.«

Er ergriff Axtons Hand und half ihm beimAufstehen. Er mußte ihn stützen, als er mitihm zum Fenster eilte. Allein hätte der Kri-minalist den Ausstieg niemals geschafft. DerArkonide schob ihn durch das Fenster in dieGondel hinein, wo Axton abermals liegen-blieb. Das Fenster schloß sich. Der Terranerhörte die Schritte einiger Polizisten auf demDach, und er vernahm die energische Stim-me von Quertan Merantor. Er konnte nichtalles verstehen, was er sagte, begriff jedoch,daß er noch nichts von den Manipulationenbemerkt haben konnte.

Über ihm öffnete sich die Tür des Glei-ters. Der runde Kopf Gentleman Kellys kamzum Vorschein. Dann stieg der Roboter aus,kroch über die Dachkante und ließ sich ander Wand herunter, bis seine Füße Axtonfast erreichten. Der Terraner packte sie undhielt sich fest. Kelly kletterte wieder hoch,wobei er sich so geschickt verhielt, daß Ax-ton nicht in Gefahr kam abzustürzen.Schließlich griff er mit der Hand nach ihm,verkrallte sie in dem Stoff seiner Kombi-jacke und richtete sich mit ihm zusammenauf. Der Terraner setzte seinen Fuß auf dieDachkante, beugte sich vor und erreichte diePolster der hinteren Sitze. Keuchend unddem Zusammenbruch nahe, ließ er sich hin-einrollen. Der Roboter folgte ihm undschloß die Tür lautlos hinter ihm.

Axton legte seine Hände auf die Brust.Sein Herz schlug schmerzhaft schnell. Wei-tere körperlicher Anstrengungen hätten zueinem Zusammenbruch geführt. Sein Atemging pfeifend, und vor seinen Augen flim-merte es.

»Jektor kommt«, teilte Kelly leise mit. Erspähte vorsichtig auf das Dach hinaus. »Ergeht an Merantor vorbei.«

Schritte näherten sich. Der Arzt öffnete

Der Mutantenjäger 41

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die Gleitertür.»He, Jektor«, rief Quertan Merantor.

»Haben Sie mir nichts zu sagen?«»Wenn das der Fall wäre, Merantor, dann

hätte ich es längst getan«, antwortete derMediziner. Er setzte sich hinter das Steuer,schlug die Tür zu und startete.

Lebo Axton erhob sich und ließ sich dannin die Polster sinken. Das Summen des Anti-gravs erschien ihm wie ein Lebenslied. DieSpannung der letzten Stunden fiel endgültigvon ihm ab, obwohl die eigentliche Ent-scheidung noch nicht gefallen war.

»Wohin jetzt?« fragte Jektor.»Zu Ihrer Wohnung«, entschied Axton.»Das geht nicht. Dort wird man zuerst su-

chen, wenn man entdeckt, was mit der Po-sitronik …«

»Dann nennen Sie mir einen Ort, an demich in Ruhe eine der Batterien ausbauenkann.«

Der Arkonide schwieg. Einige Minutenlang überlegte er. Dann sagte er: »Wir könn-ten in der Parknische bleiben.«

»Genau das werden wir tun, Jektor.«Schweigend flogen sie weiter, bis die Ma-

schine wieder dort aufsetzte, wo sie vor eini-gen Stunden gestartet war. Als sich das Au-ßenschott der schleusenähnlichen Kammerschloß, flammte Licht auf. Jektor und Axtonstiegen aus. Kelly blieb auf Befehl des Ter-raners in der Maschine sitzen. Der Arkonideging mit schnellen Schritten zur Tür, legteseine Finger an einen Kontaktstreifen undöffnete sie damit. Er blickte auf den Ganghinaus, winkte Axton kurz zu und eilte zuseiner Wohnungstür hinüber. Auch dort leg-te er seine Finger an einen Kontaktstreifenund trat ein, nachdem ihn eine Identitäts-schranke geprüft und akzeptiert hatte.

Lebo Axton klappte die Fronthaube desGleiters hoch. Darunter lagen die Batterie-sätze. Er konnte sie gut und bequem errei-chen. Rasch löste er einen von ihnen heraus,winkte dann erst den Roboter zu sich heranund befahl ihm, ihn herauszuheben. AlsGentleman Kelly diese Arbeit verrichtete,ging Axton zur Tür. Er blickte auf den Gang

hinaus und erstarrte.Vor der Wohnung Jektors standen zwei

Polizisten. Sie hielten ihre Energiestrahler inden Händen. Der Arzt erschien in der Tür.Er fuhr sichtlich zusammen, als er die Uni-formierten sah.

»Was wollen Sie von mir?« rief er über-laut. Axton erkannte, daß er ihn aufmerksammachen wollte.

»Kommen Sie mit, Jektor. Sie sind ver-haftet«, erklärte einer der beiden Polizisten.

»Ich protestiere.«»Das können Sie Merantor gegenüber tun.

Wir führen nur Befehle aus.«Sie schlossen die Tür und versiegelten sie.

Dann nahmen sie den Arzt in die Mitte undverschwanden mit ihm im Antigravschacht.Axton wartete einige Minuten. Als auchdann noch alles ruhig blieb, setzte er sichden Kabelkranz auf den Kopf und schloß dieSensoren an. Die Tür zum Gang blieb einenSpalt breit offen, so daß er jederzeit verfol-gen konnte, was draußen geschah.

»Achte auf mich, Kelly«, sagte er. »Wennich die Kontrolle über mich verlieren sollte,löse die Kabel ab.«

»Ich habe verstanden.«»Dann ist es gut.«Sinclair Marout Kennon zögerte. Er wuß-

te genau, wie hoch die Energien sein konn-ten, über die Mutanten herrschten. Dem ent-sprechend hoch war auch das Risiko, das ereinging. Er mußte für wenige Sekunden zu-mindest einen Teil dieser Energien durchsein Gehirn leiten. Da er sich seiner Vermu-tung nach in unmittelbarer Nähe der PSI-Quelle befand, konnte er nicht voraussehen,wie der Versuch verlaufen würde. Er zwangsich zur Ruhe. Gentleman Kelly stand vorihm und beugte sich leicht nach vorn. Erstreckte seine Metallhände aus, um blitz-schnell zugreifen zu können.

»Jetzt«, sagte Axton. Er drückte eine Ta-ste und gab damit die Energie aus der Batte-rie frei.

Im selben Moment schrie er auf. Er hattedas Gefühl, von einem Blitz getroffen zuwerden, der von oben in seinen Kopf schlug

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und bis in die Zehenspitzen raste. Er brachzusammen. Zugleich versuchte er, sich dieKabel vom Kopf zu reißen, aber er schafftees nicht. Seine Arme gehorchten ihm nichtmehr. Fassungslos blickte er den Roboter an,der sich zeitlupenhaft langsam bewegte.

Ihm wurde schwarz vor Augen. Er schlugauf den Boden.

Als er wieder zu sich kam, wußte er zu-nächst nicht, wo er war. Gentleman Kellybeugte sich über ihn und massierte ihm dieHalsmuskulatur.

»Was ist passiert?« fragte er flüsternd.»Es war zuviel für dich, Liebling.«Dieses Wort machte Axton schlagartig

wach. Er fuhr hoch und sah den Kabelkranz.Zugleich vergaß er, daß er den Roboter hattezurechtweisen wollen.

Er begriff, daß er sich getäuscht hatte.Tatsächlich war alles ungeheuer schnell ab-gelaufen, nur sein Wahrnehmungsvermögenwar gestört gewesen.

»Es ist hier, Kelly. Es muß hier in diesemTrichter sein.«

*

Axton zog die Tür zum Gang auf und ver-ließ die Parknische. Der Roboter folgte ihmdicht auf dem Fuße.

»Ich hatte das Gefühl, daß es von obenkam, Kelly«, sagte er. »Also werden wirweiter oben suchen.«

»Willst du nicht noch einen weiteren Testmachen?«

»Ich glaube nicht, daß das notwendig ist.«Axton eilte auf den nächsten Antigrav-

schacht zu, als ein arkonidischer Junge ausdem abwärtsgepolten Feld trat und sich ihmnäherte. Er war etwa zehn Jahre alt, war au-ßerordentlich schlank und hatte ausdrucks-volle Augen. Sein Haar war weißblond undreichte ihm bis auf die Schultern herab.

Dicht vor dem Verwachsenen blieb er ste-hen und musterte ihn.

»Nanu«, sagte Axton. »So früh am mor-gen schon unterwegs?«

Der Junge blieb ernst. Er blickte zu Kelly

hinüber und dann wieder zu Axton.»Ich möchte Sie warnen, Lebo Axton!«»Du willst mich warnen? Warum? Und

wovor?«»Das brauche ich wohl nicht erst zu erklä-

ren.« Seine Stimme klang eigenartig hohl.Sie paßte nicht zu seiner sonstigen Erschei-nung.

»Vielleicht doch«, entgegnete der Terra-ner. »Ich hätte gern gewußt, mit wem ich eszu tun habe. Meinst du Quertan Merantor?«

»Ich will nicht, daß Sie mir noch längernachspionieren, Lebo Axton. Meine Geduldist erschöpft.«

»Du?« Axton pfiff überrascht durch dieZähne. »Du bist also der Mutant?«

»Werden Sie jetzt verschwinden?«»Ich werde es mir überlegen.«»Sie haben noch immer nicht verstanden.

Ich scherze nicht.«»Du willst mir also drohen?«»Wenn es sein muß, ja.«»So geht das nicht, Junge. Ich muß mit dir

reden.«Der Arkonide schüttelte den Kopf. Er

wollte sich umdrehen, doch der Verwachse-ne streckte rasch seine Hand aus und hieltihn an der Schulter fest. Der Junge blieb ste-hen. Seine Augen verengten sich. Axton ließdie Hand sinken.

»Glaubst du wirklich, ich hätte mir sovielMühe gegeben und ein solches Risiko aufmich genommen, wenn ich nicht genauwüßte, was ich will? Meinst du wirklich, ichkönnte überhaupt jetzt noch aufgeben?«

»Das interessiert mich nicht. Wenn Sienicht sofort von hier verschwinden und dieSache vergessen, dann wird Quertan Meran-tor noch heute erfahren, daß Sie aus der Zu-kunft kommen.«

Axton hatte das Gefühl, als habe ihm je-mand den Boden unter den Füßen weggeris-sen. Der Junge drehte sich um, ging zumAntigravschacht und verschwand im auf-wärts gepolten Feld. Der Terraner blickteihm hilflos nach. Er wußte nicht, was er tunsollte.

Das gefährliche Spiel, auf das er sich un-

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freiwillig eingelassen hatte, schien zu Endezu sein.

*

In der Parknische fühlte Axton sich relativsicher. Jedenfalls für den Augenblick. Dader Arzt verhaftet worden war, brauchte ernicht damit zu rechnen, daß jemand die Ni-sche betrat und ihn entdeckte.

Er saß in der Falle.Auf der einen Seite mußte er weiterma-

chen, bis der Fall geklärt war, wenn er wei-terhin Unterstützung bei Vagont Ternnan,dem Polizeipräsidenten von Arkon III fin-den, wollte. Er mußte sein Ziel auch weiter-hin verfolgen, wenn er Quertan Merantorkeinen Vorwand liefern wollte, ihn zu ver-nichten.

Vielleicht würde er Glück haben, daß ihndie Illusionsmaschine in die Zukunft zurück-riß. Aber dann mußte er seinen Freundendort erklären, daß er auf der ganzen Linieversagt hatte. Er wußte, was sie denken wür-den, oder er glaubte es wenigstens zu wis-sen. Sie würden seinen Mißerfolg auf seinekörperliche Schwäche zurückführen. Ken-non wußte, daß er das nicht ertragen würde.

Auf der anderen Seite hatte der Mutantihm aber ein deutliches Zeichen gesetzt. Bishierher und nicht weiter. Merantor und derarkonidische Geheimdienst würden ihn gna-denlos foltern, wenn sie einmal wußten, wo-her er wirklich kam, um alles aus ihm her-auszuholen, was sie glaubten, in Erfahrungbringen zu müssen.

Axton spürte die Belastung der letztenStunden. Er wurde müde, und es fiel ihmimmer schwerer, klar zu denken. Als ihmbewußt wurde, daß seine Leistungsfähigkeitdeutlich abgesunken war, entschloß er sich,eine kurze Erholungspause einzulegen. Erstieg in den Gleiter, legte sich auf die Polsterund befahl, Kelly, ihn in einer Stunde zuwecken. Er schlief fast augenblicklich ein.

Als der Roboter seine Schulter eine Stun-de später berührte, war er sofort wach. Erfühlte sich erfrischt und erholt. Aus den Be-

ständen des Gleiters versorgte er sich mit ei-nem leichten Frühstück. Er blickte auf seinChronometer. Es zeigte die fünfte Stundedes Tages an. Draußen wurde es hell, aberfür die Edelleute war es noch zu früh. Nurdie Bediensteten standen jetzt schon auf.

Wiederum überdachte Axton die Situati-on. Jetzt sah er alles viel klarer. Ihm bliebnur ein einziger Weg. Er mußte bis zur PSI-Quelle vorstoßen. Und er mußte dafür sor-gen, daß ihre Kräfte in kontrollierte Bannengeleitet wurden. Nur so konnte er aus derFalle entkommen, die Ternnan und Merantorihm gestellt hatten.

»Wir versuchen es, Kelly«, sagte er. »Wirgehen nach oben.«

Der Roboter öffnete die Tür. Sie glitt laut-los zur Seite. Er trat auf den Gang hinausund näherte sich dem Antigravschacht, alsplötzlich eine blaue Flamme direkt vor ihmin der Luft schwebte. Kelly blieb stehen.Axton zögerte.

Die Flamme glitt auf den Roboter zu, dervor ihr zurückwich. Der Terraner fluchteverhalten. Gegen solche Mittel konnte ernichts ausrichten. Unter ihnen rumorte es,und ein schwerer Gegenstand polterte zuBoden. Ein sonnenheller Kugelblitz rastevon Gentleman Kelly weg und den Gangentlang. Er entfernte sich schnell von demRoboter und Axton. Als er etwa hundert Me-ter zurückgelegt hatte, blähte er sich don-nernd auf und zerplatzte. Aus den Wändenschlugen blaue Blitze. Die automatischeLöschvorrichtung vergoß Sauerstoff verzeh-renden hellen Trockenschaum.

»Komm«, rief Axton.Er rannte auf die nächste Gangbiegung

zu, hinter der er einen weiteren Antigrav-schacht wußte. Der Roboter folgte ihm.Schon nach wenigen Schritten hatte er ihnerreicht.

»Soll ich dich tragen, Schätzchen?« fragteer laut.

»Ich werde dir …«, schrie Axton. Ein lau-ter Knall unterbrach ihn. Gentleman Kellystürzte zu Boden.

Der Terraner blieb stehen. Betroffen

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blickte er auf seinen Begleiter herab. DieBeine des Roboters waren an jeweils zweiStellen glatt durchgebrochen. Kelly stütztesich auf seine Hände und hob damit seinenOvalkörper ab. Er schwang sich nach vorn,ließ den Ovalkörper auf den Boden sinken,und warf nunmehr so gestützt die Armenach vorn. Als er Axton jedoch erreicht hat-te, verharrte er auf der Stelle, neigte sichleicht nach hinten und legte den Kopf zu-rück, damit er ihn ansehen konnte.

»Der Verlust der Beine ist von unterge-ordneter Bedeutung«, erklärte er. »Damitwird meine Bewegungsfähigkeit nur wenigeingeschränkt.«

Axton bückte sich und nahm ein Stückvom Schenkel mit dem daranhängenden Fußauf. Erst dann erkannte er, was wirklich ge-schehen war. Der Mutant hatte seine zweite,überaus deutliche Warnung ausgesprochen.Wenn er sich nun nicht fügte, so mußte erdamit rechnen, auf ähnliche Weise um seineBeine gebracht zu werden.

8.

Auf dem Gang wurde es still.Axton blickte um die Ecke. Auf dem weit

entfernten Ende des Ganges flüchteten eini-ge Arkoniden hustend und keuchend durchaufsteigenden Qualm. Ein Teil der Wandwar aufgeplatzt. Die Isoplastverkleidunghatte sich verbogen, als ob sie großer Hitze-einwirkung ausgesetzt gewesen sei.

Aus dem Antigravschacht kam ein hoch-gewachsener Polizist. Axton erwartete, daßer dorthin gehen würde, wo der Schaum denBrand erstickt hatte. Aber er blickte zu ihmherüber. Er fuhr zurück und preßte sich andie Wand.

Schritte näherten sich ihm. Kennon blick-te zur gegenüberliegenden Wand und beob-achtete dort an einer spiegelnden Leiste, daßder Polizist vor den abgebrochenen Roboter-beinen stehenblieb. Er stieß sie mit dem Fußan und bückte sich dann.

Axton faßte einen blitzschnellen Ent-schluß. Er trat vor, hob den Beinstumpf über

den Kopf und hieb ihn mit aller Kraft aufden Schädel des Polizisten. Der Mann stürz-te zu Boden und blieb liegen. Eilig drückteAxton ihm die Finger gegen den Hals. Erfühlte den kräftigen Pulsschlag und war be-ruhigt, daß er den Mann nicht getötet hatte.Mit einem schnellen Griff zog er ihm denEnergiestrahler aus dem Halfter.

»Zieh ihn um die Ecke und fessele ihn«,befahl er.

Gentleman Kelly gehorchte. Der Roboternahm dem Arkoniden den Gürtel ab undband ihm damit die Hände zusammen. Dannzerfetzte er die Hose und wickelte die Strei-fen, die er dabei gewann, um die Füße.

»Das reicht«, sagte Axton.»Und nun?«»Nun schweben wir nach oben. Wie vor-

gesehen.«»Hoffentlich breche ich mir nicht den

Kopf ab.«»Das wäre keineswegs schade, Kelly. Du

erinnerst dich daran, daß wir uns über diesesThema schon unterhielten?«

Axton stieg auf den Rücken des Automa-ten und ließ sich von ihm transportieren. Mitdem Strahler in der Hand fühlte er sichschon wesentlichsicherer.

Wenig später erreichte er das darüber lie-gende Stockwerk. Er war keineswegs über-rascht, als er sah, daß es von einer künstlichangelegten Landschaft eingenommen wurde.Diese Anlage erinnerte an ein Hochgebirg-stal mit teilweise üppiger, und teilweise kar-ger Vegetation. In der Nähe befand sich einSee. Armlange Fische sprangen aus demWasser und schnappten nach Insekten. Zwi-schen grauen Felsen erhoben sich mehreregelbe Bäume, auf deren Ästen Vögel hock-ten, die Axton an terranische Aras erinner-ten.

Gentleman Kelly schnellte sich hintereinen Felsen. Diese Bewegung kam soplötzlich, daß Axton fast von seinemRücken gefallen wäre.

»Was ist los?« fragte er leise.Der Roboter streckte den linken Arm aus.

Und dann sah auch der Terraner den Jungen,

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der ihn gewarnt hatte. Er stand unter einemüberhängenden Felsen und angelte. Immerwieder warf er einen hellen Blinker ins Was-ser und holte ihn ein. Die Fische reagiertenjedoch nicht darauf.

»Hm«, sagte Axton. »Kannst du dir vor-stellen, daß er tatsächlich an nichts anderesmehr denkt als an die Fische?«

»Nein«, antwortete Kelly leise.»Du hast ausnahmsweise recht.« Er wollte

noch mehr sagen, als er plötzlich ein Mäd-chen entdeckte, das etwa so alt sein mochtewie der Junge. Es schlich sich von hinten anihn an und versuchte, ihn ins Wasser zu sto-ßen. In letzter Sekunde erst bemerkte er sie.Er fuhr herum und wich aus. Mit einem lei-sen Aufschrei lief sie an ihm vorbei undrutschte aus. Sie fiel jedoch nicht, weil er sienoch rechtzeitig abfing.

Das war nicht gerade die Art, in der Tele-pathen reagierten, fand Kennon. Der Maus-biber Gucky etwa wäre von niemandem zuüberraschen gewesen. Er hätte schon längstvorher bemerkt, daß sich ihm jemand näher-te.

Daraus war nur ein Schluß zu ziehen.Dieser Junge war nicht die PSI-Quelle.Axton wartete ab, und es kam, wie er ver-

mutet hatte. Der Junge steckte seine Angelzusammen und verschwand mit dem Mäd-chen zwischen den Felsen.

»Wollen wir sie verfolgen?« erkundigtesich Kelly.

»Nein. Er gehört sicherlich zum Kinder-hort. Sie hat ihn abgeholt, vielleicht weil esFrühstück gibt.« Axton löste sich von demRoboter. Er kletterte an einem Felsen hoch,bis er eine bessere Übersicht hatte. DieserGebirgsgarten hatte einen Durchmesser vonetwa zweihundert Metern. Axton fiel auf,daß der See von einem Bach gespeist wurde,der aus einer Schlucht kam. In der Nähe die-ses Einschnitts gab es zahlreiche Stellen, andenen die Felsen verbrannt waren. Sie sahenaus, als ob dort Blitze eingeschlagen wären.Das aber paßte nicht zu einer parkähnlichenAnlage wie dieser. Naturereignisse dieserArt konnte es hier nicht geben.

Axton fuhr zusammen, als es unter ihmkrachte. Er klammerte sich an den Fels undblickte nach unten.

Gentleman Kelly lag auf dem Boden. Erbestand nur noch aus dem Ovalkörper, demKopf und je zwei Arm und Beinstümpfen.Die Quarzlinsen waren nach oben gerichtet.

»Es hat mich erwischt, Schätzchen«, mel-dete er mit gedämpfter Stimme. »Wir müs-sen uns trennen. Von nun an kann ich dirnicht mehr helfen.«

»Ich weiß nicht, ob ich erleichtert seinsoll«, entgegnete der Terraner boshaft. »Dugibst kein schlechtes Bild ab.«

Gentleman Kelly ruderte vergeblich mitseinen vier Stümpfen. Damit konnte er sichnicht mehr aufrichten. Sie waren zu kurz.

»Wenn die Lage nicht so ernst wäre,könnte ich mich totlachen«, sagte Axton. Erließ sich vorsichtig am Felsen herunterglei-ten.

»Wenn du noch einmal Schätzchen, Lieb-ling oder sonst etwas dieser Art zu mir sagensolltest, werde ich dafür sorgen, daß du nie-mals wieder Arme und Beine bekommst.«

Die Quarzlinsen funkelten.Lebo Axton ging weiter. Er behielt den

Eingang zur Schlucht ständig im Auge undachtete darauf, daß er stets in Deckungblieb.

Kennon war ein Spitzenkönner seinesFachs. Er hatte über vierhundertfünfzig Jah-re im Dienste der USO gestanden und dievielleicht vollkommenste Ausbildung genos-sen, der sich jemals ein USO-Spezialist un-terzogen hatte. Er wußte, wie er sich Mutan-ten gegenüber zu verhalten hatte, und wieman sich geistig gegen sie abschirmen konn-te. Deshalb war ihm nun auch völlig klar,weshalb der Junge zu ihm gekommen war.Der Mutant hatte ihn als Relaisstation be-nutzt, über die er ihn, Axton, wahrnehmenkonnte. Das war allerdings zu einem Zeit-punkt gewesen, an dem er sich dem Mutan-ten geistig bereits verschlossen hatte. Vorhermußte dieser schon herausgefunden haben,welches Geheimnis ihn umgab.

Kennon war überzeugt davon, daß er mit

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parapsychischen Mitteln nun nicht mehr zuorten war. Wenn der Mutant sich in derSchlucht versteckte, so konnte er ihn aberdurchaus mit optischen Mitteln ausmachen.

Er erreichte den Eingang der Schlucht,ohne angegriffen worden zu sein. Erschöpftblieb er stehen, um sich ein wenig zu erho-len. Der Bach war nicht breit. An einer Seitekonnte er mühelos entlanggehen, ohne nasseFüße zu bekommen.

Als er ein paar Meter weit gegangen war,stieß er auf eine kleine Felskammer. In ihrentdeckte er ein Videogerät. Im ersten Mo-ment glaubte er, seinen Augen nicht trauenzu dürfen, dann erst wurde ihm bewußt, daßer sich in einer künstlichen Landschaft be-fand, die mitten in einem Wohntrichter lag.Es war nur allzu selbstverständlich, daß eshier überall Kommunikationsgeräte gab.Vermutlich war er an einer Reihe weitererGeräte vorbeigegangen, ohne sie zu bemer-ken. Er betrat die Kammer und überlegte.Seine Finger senkten sich bereits auf die Ta-sten, als er sich anders entschloß. Er tratwieder an den Bach hinaus und folgte ihm.Die Schlucht bog nach rechts ab und weitetesich zu einer Halde, die sanft anstieg. Sie en-dete an einer spiegelnden Transpaplastwand,hinter der gelblichbraune Schleier wallten.

Eine schwarze, vielfach verzweigte Pflan-ze, die entfernt einem Kraken glich, bildeteeine Art Dach, das irgendwo unten im gel-ben Nebel begann und an der Wand endete.Diesseits der Wand standen zwei verkrüp-pelte Nadelbäume, die den Dachbogen fort-setzten, so daß eine Doppelhöhle entstandenwar.

Axton sah, daß etwas Weißes unter die-sem Dachbogen lag. Es befand sich unmit-telbar an der Transpaplastwand. Von seinemBeobachtungsstandpunkt aus konnte er esjedoch nicht deutlich erkennen.

Er wagte es nicht, die Halde hinaufzustei-gen, weil er dann allzu ungedeckt gewesenwäre. Statt dessen zog er sich einige Meterweit zurück und kletterte dann mühsam dieFelsen hoch. Als er eine Höhe von fast vierMetern erreicht hatte, konnte er durch einen

Spalt zur Transpaplastwand hinübersehen.Er hatte sich nicht geirrt. Unter dem

Dachgewölbe lag tatsächlich etwas. Es warein Mädchen. Es sah ausgezehrt und halb-verhungert aus. Das weißblonde Haar ver-deckte ihr eingefallenes Gesicht zur Hälfte.Dennoch erkannte Axton sie.

Es mußte die verschwundene LarceniaSammaron sein.

Die Ähnlichkeit mit ihrer Schwester Ari-na war so verblüffend, daß Axton meinte,dieses Mädchen vor sich zu sehen. Arinawar jedoch nicht so schlank gewesen, wie esLarcenia jetzt war.

Dieses Mädchen hatte seit vielen Tagennichts zu sich genommen. Es hatte hier be-wußtlos gelegen und sich nicht rühren kön-nen.

Lebo Axton kletterte langsam wieder anden Felsen herunter. Er war ängstlich daraufbedacht, nicht auszugleiten und abzustürzen.

Als er die Felskammer endlich betretenkonnte, war er schweißgebadet. Die Tempe-raturen schienen ihm unerträglich hoch zusein. Er verzichtete jedoch auf eine Ruhe-pause, obwohl er sie dringend benötigt hätte,und schaltete das Videogerät ein, indem ereine Zahlenkombination tippte. Ein unifor-mierter Polizist meldete sich. Er blickte Ax-ton überrascht an, als er ihn sah.

»He, sind Sie nicht …?« fragte er.»Der bin ich in der Tat. Geben Sie mir so-

fort Quertan Merantor. Verlieren Sie keineZeit. Es ist eilig.«

»Sie können …«»Beeilen Sie sich«, schrie Axton ihn zor-

nig an. Seine Stimme war so zwingend, daßder Arkonide gehorchte. Einige Sekundenverstrichen, dann erschien das Bild des Poli-zeipräsidenten vor Axton.

»Sie wagen es also doch«, sagte Merantorlauernd.

»Es ist kein Wagnis dabei«, entgegneteAxton scharf, »Ich bin am Ziel, Merantor.Ich weiß jetzt, wie man Apprat Cokret ausseiner Starre erwecken kann. Und ich weißauch, wo Larcenia Sammaron ist. Sie wirdin wenigen Minuten frei sein.«

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»Wo sind Sie?«»Bevor ich es Ihnen sage, Merantor, leiten

Sie Hilfsmaßnahmen ein. Es wird hier einekleine Katastrophe geben, denn ich werdeein Methanarium mit meinem Energiestrah-ler zerstören. Was das bedeutet, wissen Sie.«

»Sie sind verrückt, Axton. Das dürfen Sienicht tun.«

»Eine andere Möglichkeit gibt es nicht,Merantor. Ich muß es tun. Aber danach müs-sen Sie Larcenia und mich herausholen, Ichwerde Ihnen alles erklären.«

»Wo sind Sie?«»Leiten Sie entsprechende Maßnahmen

ein?«Die beiden Männer blickten sich starr an.

Quertan Merantor war nach wie vor argwöh-nisch.

»Ich bin in der Gebirgslandschaft über derWohnung des Arztes Jektor. Genau am Ein-gang der Schlucht. Setzen Sie die Absaug-vorrichtungen in Betrieb, damit die Giftga-satmosphäre weniger stark wirken kann. DasMethanarium gehört vermutlich zu derWohnetage eines Reichen. Ich denke, daß esdie Rückwand bildet, die zwischen dieserkünstlichen Landschaft und der Wohnungliegt. Beeilen Sie sich.«

»Halten Sie ein, Axton«, brüllte Merantor.Axton-Kennon schaltete das Gerät aus. Er

überprüfte den Energiestrahler und verließdie Höhle.

Über dem Hang flackerte ein blauesLicht. Unruhig glitt es über den Steinen hinund her. Mal schwang es sich auf Axton zu,mal zog es sich von ihm bis zur Transpa-plastwand zurück.

Kennon arbeitete sich langsam voran. Dieschwarze Pflanze im Methanarium bewegtesich, als ob sie von einem Windstoß durch-geschüttelt würde. Der Terraner fragte sich,ob es überhaupt eine Pflanze war. Vielleichtwar es ein Tier oder ein halbintelligentesWesen? Aus seiner langjährigen Praxis alsUSO-Spezialist wußte er, daß auch Pflanzenüber PSI-Fähigkeiten verfügen konnten.

Die Flamme wuchs zu einem Feuerballvon etwa einem Meter Durchmesser an. Die-

ser schoß auf Axton zu, erreichte ihn jedochnicht. Er schien wenige Meter vor ihm ge-gen eine unsichtbare Wand zu prallen.

Der Terraner wußte, daß er nicht mehrlänger warten durfte. Er stützte seine Handauf einen Felsen und richtete die Waffe aufdie Transpaplastwand. Seine Hand zitterte.Eine fremde Kraft drückte sich auf seinenArm und suchte, ihn zur Seite zu biegen.

Das PSI-Wesen hatte ihn entdeckt.Axton biß die Zähne zusammen. Seine

Augen tränten. Er spürte, daß etwas nachseiner Wirbelsäule und seinen Beinen griff,und er mußte an Gentleman Kelly denken.Mit aller Kraft konzentrierte er sich auf sei-ne Waffe. Er versuchte, den Zeigefinger aufden Auslöseknopf zu pressen, aber der Fin-ger gehorchte ihm nicht.

Er schrie unterdrückt auf, warf sich nachhinten, rollte sich zur Seite, fühlte sich fürSekundenbruchteile frei und schoß. Ein glei-ßender Energiestrahl raste auf die transpa-rente Wand zu und durchschlug sie.

Einen kurzen Moment lang erschien esAxton, als habe er überhaupt nichts erreicht.Während er sich auf den Boden fallen ließund den Kopf in die Arme vergrub, währendder Energiestrahler über die Felsen rollte,hätte doch längst eine Explosion erfolgenmüssen.

Er war versucht, den Kopf zu heben undnachzusehen, was passiert war. In diesemAugenblick barst die Transpaplastwand aus-einander. Eine grelle Stichflamme über-schwemmte den Hang und die Felsen, undmit einem ohrenbetäubenden Donnern dehn-ten sich die verbrennenden Gase schlagartigaus. Axton fühlte, daß ihn eine unsichtbareFaust packte und tiefer zwischen die Felsenschleuderte. Er preßte die Arme vor das Ge-sicht und hielt den Atem an.

Einige Sekunden lang blieb er bei vollemBewußtsein. Er fühlte, wie die Felsen unterihm erzitterten, er hörte das Donnergetöseder Explosionen, das Rauschen der automa-tischen Löschanlagen und der Absaugpum-pen, und beißender Ammoniakgeruch stiegihm in die Nase. Dann schien er zu schwe-

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ben. Er schien sich von der Gravitation Ar-kons zu lösen und in eine hell schimmerndeWolke hineinzugleiten, in der es keinenSchmerz gab. Seine Muskeln entspanntensich. Seine verkrümmte Wirbelsäule schiensich wieder strecken zu können.

*

Die Schläge trafen ihn hart. Er fühlte sichzu unrecht bestraft, und er versuchte, sie ab-zuwehren, indem er die Arme hob und sieschützend vor das Gesicht hielt.

»Gießen Sie ihm Wasser über den Kopf.«Axton wollte sich empört zur Seite dre-

hen, als ihn der eiskalte Wasserschwall trafund ihn endgültig aufweckte. Er fuhr hoch.Ungefähr zwanzig Arkoniden standen umihn herum. Quertan Merantor kniete nebenihm.

»Also, Axton, was haben Sie sich dabeigedacht?« fragte er. Seine Stimme ließ er-kennen, daß er überhaupt nichts begriffenhatte.

»Wo ist Larcenia Sammaron?« fragte Ax-ton erregt. Er blickte sich um, konnte abernichts erkennen, weil die Mauer der Arkoni-den um ihn herum zu dicht war. »Sie hatoben neben dem Methanarium gelegen.«

»Das haben Sie gesehen, und dennoch ha-ben Sie geschossen?«

Axton verlor zum ersten Mal die Beherr-schung.

»Ich will wissen, wo Larcenia ist?« brüll-te er Merantor an. »Haben Sie sie gerettetoder nicht? Antworten Sie.«

Der Polizeipräsident blickte ihn so über-rascht an, als sehe er ihn zum ersten Mal.

»Sie ist in der Klinik. Es geht ihr gut.«»Na also. Warum sagen Sie das denn

nicht gleich? Ich muß zu ihr.«»Warum?«»Sie verstehen überhaupt nichts, Meran-

tor. Ist Apprat Cokret aufgewacht?«»Natürlich nicht.«»Ich habe erwartet, daß er zu sich kom-

men würde, Merantor, führen Sie mich zuihm.«

»Warum?«»Merantor, in dem zerstörten Methanari-

um da oben war ein methanatmendes We-sen. Es verfügte über parapsychische Kräfte,aber diese waren nicht sehr stark. So merkteniemand etwas. Eines Tages aber geriet Lar-cenia Sammaron in die Nähe dieses Wesens.Sie hat ebenfalls PSI-Fähigkeiten, ebenfallsgeringe. Als sie jedoch in die Nähe des Me-thangeschöpfes kam, vereinigten sich beidePotentiale zu einem.«

»Das ist blanker Unsinn.«»Warten Sie, bis Larcenia zu sich gekom-

men ist. Sie wird Ihnen alles bestätigen. Siewird Ihnen sagen, daß der Fremde sie lähm-te, aber ihren Geist nicht ausschaltete. Sohörte Larcenia sozusagen mit, wie der Me-thanatmer telepathisch sondierte, und wie erauf den Offizier Apprat Cokret stieß. DieserArkonide verfügt über ein für die Methanat-mer gefährliches Wissen. Ich vermute, daßes um einen Schlachtplan oder eine groß an-gelegte Strategie geht. Cokret durfte seinWissen daher auf gar keinen Fall preisge-ben, denn dann mußten die Methans verlie-ren. Also versuchte dieses Wesen dort obenim Methanarium, Cokret zu töten.«

»Cokret ist nicht tot.«»Das weiß ich selbst.« brüllte Axton, der

ärgerlich über die Unterbrechung war.»Larcenia hat es verhindert.«

»Schluß jetzt«, sagte Merantor energisch.»Ich habe keine Lust, mir einen derartigenBlödsinn noch länger anzuhören.«

»Larcenia lag in einem ständigen Zwei-kampf mit dem Methanatmer«, fuhr Axtonunbeeindruckt fort. »Die Auswirkungen da-von haben wir alle gespürt. Es waren dieLichterscheinungen, die aufplatzenden Wän-de, die umstürzenden Tische und die tanzen-den Feuer. Sie waren nichts als eine Rander-scheinung des Kampfes zwischen diesenbeiden unterschiedlichen Geschöpfen. HätteLarcenia sich ihrem Gegner nicht entgegen-gestemmt, dann wäre Apprat Cokret längsttot. Ich vermute, daß sie diesen Kampf un-bewußt fortsetzt. Deshalb ist es wichtig, siezu sich zu bringen und ihr zu erklären, daß

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die Gefahr für den Offizier behoben ist. Da-nach wird Cokret von selbst erwachen.«

Quertan Merantor blickte ihn forschendan. Er war wieder unsicher geworden.

»Was Sie da sagen, ist nicht ganz unlo-gisch.« Er gab seinen Männern einen befeh-lenden Wink. »Helfen Sie ihm, damit wirschneller vorankommen.«

Jetzt endlich konnte Axton zum Methana-rium hinaufsehen. Es war nur noch ein einzi-ger Trümmerhaufen.

*

Larcenia war so erschöpft, daß sie nichtgehen konnte. Verwirrt blickte sie QuertanMerantor und Lebo Axton an. Sie hatte Mü-he, in die Wirklichkeit zurückzukehren.

»Fahren Sie sie mit ihrem Bett zu AppratCokret hinüber«, empfahl Axton. »Jeschneller, desto besser.«

Merantor gab die Versuche auf, Larceniadavon zu überzeugen, daß alle Gefahr für sievorbei war. Ein Roboter schob das Bett mitdem Mädchen aus dem Raum und übereinen langen Flur in das Krankenzimmer desOffiziers hinüber. Apprat Cokret lag nochimmer starr und unbeweglich auf seinem La-ger. Als Larcenia ihn sah, weiteten sich ihreAugen.

»Geben Sie ihn frei, Larcenia«, sagte Ax-ton eindringlich. »Wir müssen wissen, wel-che Informationen er für uns hat. Der Me-thanatmer kann ihn nicht mehr töten.«

»Wirklich nicht?« fragte sie wispernd.»Ich habe ihn erschossen«, erklärte Ax-

ton.Das Mädchen seufzte. Es sank ins Bett

zurück und schloß die Augen. Ihr Körperentspannte sich. Unmittelbar darauf begannApprat Cokret sich zu bewegen. Er warf denKopf unruhig hin und her, und richtete sichdann ruckartig auf. Er blickte fragend voneinem zum anderen.

Drei hohe Offiziere der arkonidischenRaumflotte betraten das Krankenzimmer.Merantor ging sofort zu ihnen und unterhieltsich flüsternd mit ihnen. Dann begab er sich

zusammen mit ihnen an das Bett, in demCokret lag.

»Es ist alles in Ordnung, Cokret«, sagteQuertan Merantor.

»Ich war doch eben noch im Schiff. Wasist passiert? Wer hat mich aus dem Schiffgeholt? Ist es abgestürzt?«

»Diese Fragen werden wir Ihnen späterbeantworten«, sagte Merantor. »BerichtenSie, was Sie von den Plänen der Methanat-mer erfahren haben.«

Apprat Cokret fuhr sich mit den Händenüber das Gesicht. Plötzlich war er hellwach.Geradezu erregt informierte er die Militärsüber einen Plan der Maahks, bei dem Axtonnicht genau verstand, um was es ging. Zuviele unbekannte Bezeichnungen über kos-mische Daten, Planeten und strategische Zü-ge kamen darin vor. Die Offiziere hörten ge-bannt zu.

Quertan Merantor zog Axton zur Seite.»Mann«, sagte er. »Haben Sie das begrif-

fen?«»Nein«, gestand Axton.»Wenn Cokret noch einen Tag länger ge-

schwiegen hätte, dann hätten die Methansmehr als zweitausend Raumschiffe in einetödliche Falle gelockt. Ahnungslos wäre die-se Flotte in den Untergang geflogen. Ichglaube, Axton, wir müssen uns mal in Ruheunterhalten.«

Die Offiziere verließen den Raum. Sie ha-steten förmlich hinaus, um die Informatio-nen an das Oberkommando weiterzugeben.

»Und dann ist da noch etwas«, rief AppratCokret, doch sie hörten ihn nicht mehr.

»Was?« fragte Merantor.»Ich habe erfahren, daß es auf Arkon I ei-

ne Gruppe wichtiger Persönlichkeiten gibt,die gegen Orbanaschol III arbeitet. Sie ver-tritt die Ansicht, daß er zu Unrecht …«

»Was sagen Sie da?« forschte der Polizei-präsident zornig.

»Merantor, nicht ich bin dieser Meinung.Es ist diese Gruppe. Sie setzt sich für einengewissen Atlan ein, der ein Sohn Gonozalssein soll. Ich habe erfahren, daß diese Grup-pe in der nächsten Woche eine Aktion

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durchführen will, mit der Orbanaschol IIIgestürzt und dieser Atlan als Kristallprinznach Arkon I geholt werden soll.«

»Wer gehört zu dieser Gruppe?« fragteMerantor. Seine Stimme war vor Erregungheiser.

Apprat Cokret nannte die Namen. LeboAxton kannte keinen von ihnen. Und den-noch traf ihn jeder Name wie ein Dolchstoß.Tränen stiegen ihm in die Augen. Keiner derArkoniden wußte sie wirklich zu deuten,denn ein Arkonide weint nicht aus Traueroder Enttäuschung. Axton war, als gleite erin einen Abgrund, vor dem ihn nichts mehrretten konnte.

War er nicht in diese Zeit gekommen mitdem einzigen Ziel, Atlan zu helfen? Undwas hatte er getan? Was hatte er erreicht?Zwar hatte er eine Flotte von Raumschiffengerettet, aber er hatte den Mann, den er ammeisten verehrte und bewunderte, um einevielleicht einmalige Chance gebracht. An-statt ihm zu nutzen, hatte er ihm geschadet.

Er hörte die Scherze und das Gelächternicht, mit denen sich die Spannung bei denArkoniden entlud. Er sah den Arzt Jektornicht, als dieser vor ihm stand und ihmdankte.

Mit hängenden Schultern verließ er dasKrankenzimmer. Er blieb erst stehen, alsQuertan Merantor ihm den Weg verstellte.Der Polizeipräsident grinste ihn an. Er merk-te nicht, wie es wirklich um Axton stand.

»Ich habe einige Fehler gemacht«, ge-stand Merantor ein. »Aber nun ist ja allesausgestanden, Axton. Werden Sie mir ver-zeihen?«

»Natürlich«, entgegnete der Verwachsenetonlos.

»Ich möchte gern etwas gut machen. Ha-ben Sie einen Wunsch?«

»Zwei. Rufen Sie Vagont Ternnan an, undversöhnen Sie sich wieder mit ihm. Nunwissen Sie ja, daß er sich nicht über Sie lu-stig machen wollte.«

»Wird gemacht, Axton. Und was noch?«»Ich brauche Klebstoff.«

*

Gentleman Kelly ruderte mit seinen Armund Beinstümpfen, als Axton-Kennon vorihm stand.

»Was hampelst du denn herum?« fragteder Terraner. »Hast du nervöse Zuckun-gen?«

Er drehte den Roboter herum, so daß erihm in die Quarzlinsen sehen konnte.

»Du siehst aus, wie ein Käfer, der aufdem Rücken liegt und nicht wieder auf dieBeine kommen kann. Wie fühlst du dich,Kelly?«

»Du nimmst keine Rücksicht auf meinePsyche, Schätzchen.«

»Ich habe Klebstoff mitgebracht. Damitwerde ich dir dein Schandmaul verkleben.Quertan Merantor, mein Freund, hat mir er-klärt, daß niemand und nichts mehr lösenkann, was einmal mit diesem Zeug zusam-mengeheftet wurde.«

»Du hast Karriere gemacht.«»Na ja. Man ist immerhin soweit, daß

man mich nicht mehr für einen Partygaghält, und man will mich auch nicht mehrüber den Haufen schießen. Das liegt wahr-scheinlich daran, daß ich dich nicht immermit mir herumschleppen muß.«

»Ach, Schätzchen.«Lebo Axton öffnete den Spezialbehälter

mit dem Klebstoff.»Ein Wort noch, Kelly, dann ist es vorbei

mit dir.«Der Roboter ruderte mit seinen Stümpfen.

Kennon griff nach den abgebrochenen Ar-men, bestrich die Bruchstellen mit dem Kle-bstoff, wartete einige Sekunden und drücktesie an die Stümpfe.

»Bleibe ruhig liegen, Kelly. Wenn du dichzu früh bewegst, verrutschen die Klebstel-len, und du wirst schief und krumm wieich.«

»Davon habe ich schon immer geträumt.«Der Roboter bewegte die Arme.

»Stillhalten«, brüllte Axton. »Wenn duwillst, daß ich auch noch die Beine hole,

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dann bleibst du ruhig liegen. Verstanden?«»Ich habe es gehört und registriert, aber

nicht begriffen.«»Das wirst du auch nie können. Dazu

fehlt dir das Genialische.« Axton kreuzte dieArme vor der Brust. »Eigentlich siehst du soauch ganz hübsch aus. Ich werde deine Bei-ne dennoch holen.«

»Du machst mich glücklich, Schätzchen.«

Axton knurrte nur. Er ging davon undkehrte wenig später mit den Roboterbeinenzurück.

ENDE

E N D E

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