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Der Revisor als moderner Hofnarr Seite von 1 6 Risk, Compliance & Audit, Heft 03/2012, S. 41-46 / Audit Der Revisor als moderner Hofnarr Der vorliegende Beitrag betrachtet die Arbeit des Internen Revisors als die eines Hofnarren. Neben den Dienstleistungsangeboten werden die hierzu notwendigen externen und internen Voraussetzungen für die erfolgreiche Erbringung dieser Dienstleistungen vorgestellt. Die bestehenden Restriktionen und vorliegenden Kontextbedingungen, welche die volle Entfaltung der Wirkkraft des Revisors einschränken, werden ebenso dargestellt wie eine Möglichkeit, mit diesen Restriktionen und Kontextbedingungen optimal umzugehen. Externe Voraussetzungen Interne Voraussetzungen Unabhängigkeit Fehlende Entscheidungsgewalt Erlaubnis zur Kritik Bisher ungesehenes erkennen Zugang Trennung von Beobachtung und Bewertung Uneingeschränktes Informationsrecht Gedankliche Freiheit Wille zum Perspektivenwechsel Unausgesprochenes aus- und ansprechen Wertekonformes und integres Verhalten sarbeit 1 Die Arbeit des Revisors Wenn ein Interner Revisor bzw. eine Revisorin zu Beginn seiner Tätigkeit seinem Umfeld erklären will, was er denn nun mache, muss er häufig feststellen, dass dies gar nicht so einfach ist. Einerseits hat er in aller Regel selbst noch keine wirklich fundierten Erfahrungswerte, sondern in vielen Fällen nur eine eher vage Vorstellung davon, was Revision ist und was er genau tun wird. Andererseits ist dem Umfeld oftmals auch nicht bekannt, was Revision bedeutet geschweige denn, worin die Arbeit eines Revisors besteht. Der Revisor trifft somit in aller Regel auf eine Bandbreite von Reaktionen. Diejenigen, die noch keinerlei Berührung mit der Geschäftswelt hatten, zeigen vielfach völliges Unverständnis. Diejenigen, die sich etwa besser auskennen und sich die Erläuterungsversuche anhören, vermuten dann, dass der Revisor im Controlling arbeite. Wenn der Revisor Erfahrungen sammelt und darüber nachdenkt, was Revision eigentlich bedeutet, gelangt er vielleicht zu der Erkenntnis, dass ein anderes Wort seinen Beruf viel treffender beschreibt. Anstatt nun zu antworten, dass er als Revisor arbeitet und daraufhin in fragende Gesichter zu schauen, sagte er: Ich arbeite als Hofnarr. Das mag zunächst vielleicht Erstaunen oder tiefe Ablehnung hervorrufen. Schließlich soll dieser so ernste und wichtige Beruf ja nicht lächerlich gemacht werden. Allerdings bedeutet Hofnarr nicht Clown, Spaßmacher oder Witzfigur. Vielmehr erfüllt ein Hofnarr genau wie ein Revisor eine sehr ernste und wichtige Aufgabe. In diesem Zusammenhang drängt sich die Frage auf, warum man nicht sagt: Ich arbeite als Berater? Schließlich soll die Interne Revision doch auch beratend aktiv sein (der entsprechende IIA-Standard, in dem diese Aufgabe bzw. Funktion betont wird, ist sicherlich hinlänglich bekannt). Der Begriff Berater erscheint allerdings zu undifferenziert. Berater hat ein Herrscher üblicherweise zuhauf. Ein Herrscher zieht Berater in aller Regel an wie das Licht die Motten. Hofnarren sind dagegen keine gewöhnlichen Berater:

Der Revisor Als Moderner Hofnarr

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spannender, sozialpsychologisch interessanter Artikel

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Der Revisor als moderner Hofnarr

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Risk, Compliance & Audit, Heft 03/2012, S. 41-46 / Audit

Der Revisor als moderner Hofnarr

Der vorliegende Beitrag betrachtet die Arbeit des Internen Revisors als die eines Hofnarren. Neben denDienstleistungsangeboten werden die hierzu notwendigen externen und internen Voraussetzungen für dieerfolgreiche Erbringung dieser Dienstleistungen vorgestellt. Die bestehenden Restriktionen und vorliegendenKontextbedingungen, welche die volle Entfaltung der Wirkkraft des Revisors einschränken, werden ebensodargestellt wie eine Möglichkeit, mit diesen Restriktionen und Kontextbedingungen optimal umzugehen.

Externe Voraussetzungen

Interne Voraussetzungen

Unabhängigkeit

Fehlende Entscheidungsgewalt

Erlaubnis zur Kritik

Bisher ungesehenes erkennen

Zugang

Trennung von Beobachtung und Bewertung

Uneingeschränktes Informationsrecht

Gedankliche Freiheit

Wille zum Perspektivenwechsel

Unausgesprochenes aus- und ansprechen

Wertekonformes und integres Verhalten

sarbeit

1 Die Arbeit des Revisors

Wenn ein Interner Revisor bzw. eine Revisorin zu Beginn seiner Tätigkeit seinem Umfeld erklären will, was er denn nunmache, muss er häufig feststellen, dass dies gar nicht so einfach ist. Einerseits hat er in aller Regel selbst noch keine wirklichfundierten Erfahrungswerte, sondern in vielen Fällen nur eine eher vage Vorstellung davon, was Revision ist und was er genautun wird. Andererseits ist dem Umfeld oftmals auch nicht bekannt, was Revision bedeutet geschweige denn, worin die Arbeiteines Revisors besteht. Der Revisor trifft somit in aller Regel auf eine Bandbreite von Reaktionen. Diejenigen, die nochkeinerlei Berührung mit der Geschäftswelt hatten, zeigen vielfach völliges Unverständnis. Diejenigen, die sich etwa besserauskennen und sich die Erläuterungsversuche anhören, vermuten dann, dass der Revisor im Controlling arbeite.

Wenn der Revisor Erfahrungen sammelt und darüber nachdenkt, was Revision eigentlich bedeutet, gelangt er vielleicht zu derErkenntnis, dass ein anderes Wort seinen Beruf viel treffender beschreibt. Anstatt nun zu antworten, dass er als Revisorarbeitet und daraufhin in fragende Gesichter zu schauen, sagte er: Ich arbeite als Hofnarr. Das mag zunächst vielleichtErstaunen oder tiefe Ablehnung hervorrufen. Schließlich soll dieser so ernste und wichtige Beruf ja nicht lächerlich gemachtwerden. Allerdings bedeutet Hofnarr nicht Clown, Spaßmacher oder Witzfigur. Vielmehr erfüllt ein Hofnarr genau wie einRevisor eine sehr ernste und wichtige Aufgabe.

In diesem Zusammenhang drängt sich die Frage auf, warum man nicht sagt: Ich arbeite als Berater? Schließlich soll dieInterne Revision doch auch beratend aktiv sein (der entsprechende IIA-Standard, in dem diese Aufgabe bzw. Funktion betontwird, ist sicherlich hinlänglich bekannt). Der Begriff Berater erscheint allerdings zu undifferenziert. Berater hat ein Herrscherüblicherweise zuhauf. Ein Herrscher zieht Berater in aller Regel an wie das Licht die Motten. Hofnarren sind dagegen keinegewöhnlichen Berater:

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Sie bieten ihrem Herrscher keine rationale Legitimation für Entscheidungen.Sie übernehmen nicht die Funktion des Sündenbocks, falls es mit der Umsetzung nicht so geklappt hat, wie geplant.Sie drücken getroffene Entscheidungen nicht für ihren Herrscher durch.Hofnarren sind ganz besondere Ratgeber. Sie machen ihrem Herrscher ein langfristiges Dienstleistungs- undBeziehungsangebot!

2 Die angebotenen Dienstleistungen

Im Kern geht es darum, den Herrscher vor möglichen Risiken und Gefahren zu bewahren. Hofnarren sagen dem Herrscher,was in seinem Reich wirklich los ist. Sie weisen auf unerwünschte Entwicklungen hin und bringen Ideen an, was wie getanwerden könnte, um die Lage zu verbessern.

Hofnarren stehen dem Herrscher als Quer-, Frei- und Anders-Denker dauerhaft zur Verfügung und haben gute Kenntnisse desHofstaates, der internen Vorgänge und Zusammenhänge.Hofnarren liefern Ergebnisse und Erkenntnisse aus möglichst objektiven Beobachtungen und berichten ihrem Herrscheruneingeschränkt.Hofnarren achten auf Organisationsprozesse und weisen darauf hin, wenn sie außer Balance geraten oder ihreFunktionsfähigkeit einbüßen.Hofnarren sprechen aus, was manchmal jeder andere schon weiß, und sagen ihrem Herrscher, was ihm sonst keiner zusagen wagt. Auch und gerade wenn es ihm nicht passen wird. Auch und gerade wenn ­ es ihn selbst betrifft.Hofnarren greifen deeskalierend ein, wenn die Gemüter hochkochen und verhindern das Einsteigen in Eskalationsspiralen.Hofnarren tun dies manchmal durch Fokussierung der Aufmerksamkeit auf sich selbst, indem sie den gemeinsamen Feind fürdie Streithähne darstellen, gegenüber welchem sogar diese koalieren können.Hofnarren laden ein zur Selbstreflexion und zur Reflexion über den Status Quo.Hofnarren laden ein zum Perspektivenwechsel und wirken durch die Darstellung verschiedener Betrachtungsweisenobjektivierend.Hofnarren bieten eine langfristige Sparringspartnerschaft, die gezeichnet ist durch Loyalität und Integrität.

3 Die Voraussetzungen für die Dienstleistungserbringung

Was nicht unerwähnt bleiben darf, sind die notwendigen Voraussetzungen dafür, das Dienstleistungsangebot der InternenRevision vollumfänglich erbringen zu können. Einige liegen in der Umwelt (also in externen Voraussetzungen) und einigeliegen in der Person des Revisors selbst (also in internen Voraussetzungen).

3.1 Externe Voraussetzungen

Die externen Voraussetzungen sind sicherlich wohl bekannt. Der Klassiker ist selbstverständlich die Unabhängigkeit.Hofnarren standen früher außerhalb der ständischen Ordnung und der gesellschaftlichen Normen. Sie waren unabhängig vomRest des Hofstaates. Heutzutage würde man sagen, Hofnarren haben damals keinerlei operative Aufgaben übernommen unddiese übernehmen Revisoren auch heute nicht.

Durch die Institution des Hofnarrentums und die damit verbundene Rolle haben Revisoren grundsätzlich eine offizielleErlaubnis zur Kritik. Auch und gerade dann, wenn keiner danach fragt. Auch und gerade dann, wenn es ungelegen kommtoder jetzt im Moment nicht der richtige Zeitpunkt ist. Auch und gerade dann, wenn die Lösungsoptionen auf den ersten Blickvollkommen verrückt erscheinen. Auch und gerade dann, wenn der Revisor seinen Job auf s Spiel setzt. Alle Hofnarrenhoffen, dass sich der Herrscher zu gegebener Zeit auch an diese Erlaubnis erinnert.

Hofnarren benötigen Zugang und müssen sich frei bewegen dürfen. Wenn sie beispielsweise den Thronsaal nicht betretendürfen (außer wenn er leer ist), bei wichtigen Besprechungen nicht dabei sein dürfen und nur das Herrscherhaus mit ihrenSpäßen unterhalten sollen, dann wird es für den Hofnarren schwierig, seine eigentliche Aufgabe zu erfüllen. Etwas, das engdamit in Verbindung steht, ist das uneingeschränkte Informationsrecht.

3.2 Interne Voraussetzungen

3.2.1 Entscheiden

Hofnarren selbst entscheiden nur in ihren eigenen Belangen (beispielsweise, ob und wie sie agieren), aber niemals für oderüber andere. Letztendlich treffen sie ihre Äußerungen alle immer nur unter Vorbehalt. Der Herrscher kann den Hofnarrenimmer überstimmen und sich anders verhalten. Was Hofnarren tatsächlich liefern, ist immer nur ein Angebot, etwas zu tun.Hofnarren können nichts erzwingen. Das Angebot wird erst dann verpflichtend, wenn der Herrscher zustimmt. Er entscheidetüber das Angebot. Er muss es nicht annehmen und er kann es ablehnen.

Es ist also nicht schlimm, wenn sich Hofnarren im besten Wissen und Gewissen ins Zeug gelegt haben und dann kommthinterher der Herrscher und sagt: Das will ich nicht! Das kann er machen, das ist kein Problem, genau deshalb ist er derHerrscher. Der Hofnarr muss deswegen nicht hadern. Seine fehlende Entscheidungsgewalt muss er akzeptieren.

3.2.2 Beobachten

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Eine der wichtigsten internen Voraussetzungen (und diese macht einen wirklich guten Hofnarren aus), ist die Fähigkeit zubeobachten. Der Hofnarr hat die schwierige Aufgabe, bisher Ungesehenes durch seine Beobachtungen zu erkennen. Alsodas, wofür bisher alle Anderen blind waren; das, was man nicht sieht, weil es schon immer so war; das, was den Keimgrößerer Chancen oder Risiken in sich birgt.

3.2.3 Trennung von Beobachtung und Wertung

Die Fähigkeit zur objektiven Beobachtung, also zur Trennung von Beobachtung und Bewertung, ist dem Hofnarren in dieWiege gelegt. Wohlgemerkt: Kleine Kinder können das sehr gut. Erwachsene hingegen werden ihr Leben lang daraufkonditioniert, die reine Beobachtung mit der Bewertung zu koppeln. Wenn jemand eigene Erfahrungen gemacht hat und dieseErfahrungen nutzt, baut er die Wertung in aller Regel gleich mit ein. Dadurch ist der Blick getrübt.

In seinem Buch über investigativen Journalismus(1) schreibt Prof. Johannes Ludwig, dass für den absolut offenen Blick seinerAnsicht nach eine spezifische innere Einstellung von Neugier, Misstrauen und Respektlosigkeit notwendig ist, um eine aktiveRolle auszuüben. Um Beobachtungsergebnisse zu erzielen, die möglichst wertfrei sind, muss zunächst auf die reineBeobachtung fokussiert werden.

Somit ist die permanente Frage erforderlich, ob nicht schon eine Wertung mit eingebaut wird:

Warum erscheint uns etwas so und nicht anders?Was sind die Ursachen dieser Situation?Unter welchen Bedingungen ist es eher so und nicht anders?Unter welchen Bedingungen ist es ganz anders, aber niemals so?Wofür tut jemand etwas?Revisoren haben zusätzlich die Aufgabe, gedanklich frei und alert zu sein und sich nicht in eine bestimmte Situation oder dasaktuelle Klima oder die Kultur des das haben wir schon immer so gemacht einsaugen und assimilieren zu lassen. Revisorenmüssen in der Lage sein, Dinge von außen zu betrachten und das Bestehende aktiv zu hinterfragen. Damit sind vor allembestehende Verhaltensweisen und Kulturen gemeint. Sei es die Kultur der Entscheidungsfindung oder die allgemeineKommunikationskultur. Je offener und ungetrübter der Blick des Revisors ist, umso leichter erkennt er Wiederholungen in dem,was er sieht. Wenn er Muster erkennt, kann er sich fragen, was sie zukünftig bewirken werden. Wo lauern darin die Chancenund wo die Risiken?

3.2.4 Andere Perspektiven einnehmen

Eine weitere interne Voraussetzung ist die Bereitschaft, die Perspektive aktiv wechseln zu wollen. In die Mokassins desAnderen zu schlüpfen, aus den Mokassins des Anderen die Welt zu betrachten und seine Sichtweise kennenzulernen undzwar für jede einzelne Rolle.

3.2.5 Aussprechen von Ex-kommuniziertem

Praktisch alle Revisoren haben die Erfahrung gemacht, dass es nicht so einfach ist, das auszusprechen, was bisher nichtkommuniziert bzw., nach Gunther Schmidt, ex-kommuniziert (2) war; besonders, wenn man es der betroffenen Person direktins Gesicht sagt und nicht nur einen schriftlichen Bericht beim Herrscher abgibt und sich dann schnell davon macht. Revisorenhaben gelernt, dass gewünschte und ungewünschte Kritik leichter verdaulich ist, wenn sie in kleineren Häppchen (etwaRandbemerkungen) geliefert, gesichtswahrend präsentiert und mit Metaphern oder Humor geschmückt wird.

3.2.6 Wertekonformes Verhalten

Die Fähigkeit, Ex-kommuniziertes tatsächlich aussprechen zu können, ist eine interne Voraussetzung für den Beruf desRevisors und das erfordert Einiges. Hier kommt es auf die Werte jedes Einzelnen an. Also nicht nur auf die formale externeUnabhängigkeit, sondern insbesondere auf die eigene interne Unabhängigkeit.

Wo machen wir (noch) mit?Wann und wo erheben wir unsere Stimme?Wann und wo ziehen wir es vor zu schweigen?Wenn die Hofnarren wirklich Einfluss haben und der Herrscher sich nicht nur anhört, was die zu sagen haben, sondern auchhin und wieder aufgrund ihrer Aussagen handelt, dann sind wertekonformes Verhalten und Integrität sehr gefordert. Dannmüssen die Hofnarren aufpassen, dass sie diese Einflussmöglichkeit auf den Herrscher nicht durch ihre Funktion als Hofnarrzu eigenen Zwecken ausnutzen. Das wäre durchaus menschlich und ist eine der vielen Gefahren dieser Funktion.

Hier ist vollkommene Loyalität gegenüber dem Herrscher erforderlich. Mit Loyalität ist selbstverständlich nicht gemeint, dassHofnarren ins Ja-Sager-tum verfallen. Vielmehr bieten sie dem Herrscher eine gute Beziehung an. Eine gute Beziehung,

die gekennzeichnet ist durch Aufrichtigkeit,bei der es durchaus zu Meinungsverschiedenheiten kommen kann,bei welcher der Hofnarr durchaus anderer Auffassung sein kann,bei welcher der Hofnarr unterschiedliche Wertesysteme vertreten kann,die aber getragen wird durch einen gegenseitigen Austausch und gemeinsam gelöste Konflikte.Die Fähigkeit, sich wertekonform und integer zu verhalten, ist hierbei ebenfalls eine interne Voraussetzung. Bei dieser Bilanz

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(vgl. Tabelle 1) fällt auf, dass es auch einiges gibt, das Hofnarren zu erfüllen haben.

4 Die volle Entfaltung der Wirkkraft

Ist es damit schon getan? Können Hofnarren bei Vorliegen der externen und internen Voraussetzungen ihre Wirkkraft immervoll entfalten? Dies darf bezweifelt werden.

Anschaulich gemacht werden kann dies durch den Vergleich mit einem Koch. Ein Koch benötigt ebenfalls bestimmteVoraussetzungen. Er braucht als externe Voraussetzungen einen Herd, Kochutensilien und gute Zutaten. Dann benötigt er alsinterne Voraussetzungen die Kenntnis guter Rezepte und das Geschick, diese in leckere Mahlzeiten umzusetzen. Damit kanner seine Wirkkraft voll entfalten. Er kann über die Zeit seine Fertigkeiten weiter verbessern und sich vielleicht zum Sternekochweiterentwickeln und dann leckere Eigenkreationen auftischen. Revisoren können ihre Wirkkraft nicht so leicht voll entfalten.Um in diesem Bild zu bleiben, ist es bei diesem Beruf nicht damit getan, etwas zu kochen, d. h. etwas zu wissen. Revisorenbenötigen immer noch jemanden, der ihre Mahlzeiten isst bzw. ihre Informationen aufnimmt und schluckt. Es ist vielleichtschon vermessen, wenn Revisoren erwarten, dass sich dieser jemand dann noch über das Essen freut oder zumindest aufisst,wenn es zäh ist, er ordentlich zu kauen hat und das Ganze auch noch bitter schmeckt. Das liegt daran, dass Revisorenzumindest in Deutschland einen Beruf ausüben, der besonderen Restriktionen unterliegt.

4.1 Restriktionen

Auch bei optimalen eigenen Voraussetzungen und optimaler Ausübung des Berufes hindern diese Restriktionen der Revisordaran, seine Wirkkraft voll zu entfalten.

4.1.1 Einsatz und Auftrag

Die Möglichkeit der Entfaltung der Wirkkraft eines Hofnarren ist sehr stark von der Nachfrage seines Herrschers abhängig. DerHerrscher wird die Dienstleistung des Hofnarren nur dann nachfragen und uns optimal einsetzen, wenn er ein Interesse daranhat, zu erfahren, was wirklich los ist. Dann wird er den Hofnarren in seiner Arbeit unterstützen. Dann erhält der Hofnarr dierichtigen Aufträge. Also die Aufträge, die ans Eingemachte gehen.

Damit ist gemeint, dass der Herrscher vom Hofnarr nicht nur den Spaßmacher und Schönredner einfordert, sonderndenjenigen, der hinter die Kulissen schaut und das System gesamthaft betrachtet.

Dieser Herrscher gibt sich nicht mit allzu positiver Berichterstattung zufrieden und interessiert sich nicht für Kleinigkeiten. Erwill wissen, ob etwas insgesamt im Argen liegt oder zu größeren Problemen führen kann. Er will wirklich wissen, was los ist.Es interessiert ihn und er fragt bei dem Hofnarren nach. Der Hofnarr arbeitet sozusagen auf Bestellung.

Doch Interesse allein genügt noch nicht. Der Herrscher muss noch eine weitere Voraussetzung erfüllen. Der optimale Einsatzdes Hofnarren geht nämlich besonders bei den Aufträgen, die ans Eingemachte gehen oft mit kritischen Rückmeldungeneinher.

4.1.2 Kritikfähigkeit

Damit die kritischen Rückmeldungen des Hofnarren beim Herrscher ankommen und er diese aufnehmen und verdauen kann,muss der Herrscher kritikfähig sein. Dies bedeutet nicht, dass er behauptet, kritikfähig zu sein, sondern dass er sich auch soverhält und handelt; dass er zunächst zuhören kann; dass er für ihn neue Perspektiven einnehmen kann; dass erDiskussionen zulässt. Ideal wäre, wenn der Herrscher schlechte Nachrichten als wertvolle Hinweise auffassen könnte.

Hofnarren sind in ihrem langfristigen Beziehungsangebot dem Herrscher gegenüber kontextabhängig. D. h. sie können ihreWirkkraft so weit entfalten, wie es der gegebene Kontext erlaubt. Die groben Brocken wenigstens mundgerecht zu zerkleinernund das Ganze etwas zu versüßen oder auf die Essbarkeit zu achten, ist weiterhin Aufgabe des Hofnarren. Seinkommunikatives Fingerspitzengefühl hilft ihm, den Herrscher nicht zu überfordern, aber dennoch an den wichtigen Themendran zu bleiben.

Hieraus entsteht eine große Herausforderung: Der Hofnarr will, dass sein Kopf möglichst auf seinem Hals bleibt! DieAusübung seines Berufes war noch nie ungefährlich. Im schlimmsten Falle mussten Hofnarren früher Fehler also die falscheEinschätzung der Kritikfähigkeit des Herrschers mit ihrem Leben bezahlen. Heutzutage droht nur die Arbeitslosigkeit.

Damit der Herrscher auch ja nicht vergisst, dass Hofnarren eigentlich dazu da sind, Kritik zu üben, und damit er ihnen (falls erdies einmal vergessen sollte), nicht den Kopf abschlagen lässt, haben sie sich früher als kleine Erinnerungshilfe lustige bunteKappen aufgesetzt. Also etwas, was sonst keiner auf dem Kopf hatte, damit der Herrscher seinen Hofnarren auch erkennt. DieNarrenkappe ist ein auffälliges Erinnerungsmerkmal und ruft dem Gegenüber zu, dass der Überbringer der Botschaft nichtautomatisch der Übeltäter bzw. der Schuldige ist.

4.2 Umgang mit Kontextbedingungen

Wenn der Herrscher die Informationen des Hofnarren als wertvolle Hinweise auffassen will, bewegt sich der Hofnarr bezüglichder Kontextbedingungen im optimalen Bereich. Was aber, wenn der Hofnarr in einem Kontext agiert, der nicht optimal ist? Ober will oder nicht: Manche Herrscher wollen oder können nur selektiv zuhören. Manche Herrscher haben eine einseitige

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Wahrnehmung entwickelt und sehen und hören nur das, was sie tatsächlich hören wollen: Manche nur das Gute, manche nurdas Schlechte oder nur das, was gegen bestimmte Personen oder Bereiche gerichtet ist.

Die Gehirnforschung bestätigt, dass der Mensch von all den Sinneseindrücken, die auf uns einwirken, nur eine geringe Mengebewusst wahrnehmen kann. Auch der Herrscher nimmt nicht alles wahr, was ihm angeboten wird. Auch er blendet vieles aus.

Dann stellt sich für den Hofnarren natürlich die Frage, wie er mit dieser Situation umgehen soll.

4.2.1 Andere ändern

Die meisten Menschen würden spontan den Herrscher ändern wollen. Wie wir kognitiv wissen, kann man andere Menschenaber nicht ändern und schon gar keinen Herrscher! Auch die Kommunikationstheorie bestätigt, dass wir jemand anderen nichtdazu bringen können, etwas genau so zu verstehen, wie wir es gerne hätten. Was tut der Hofnarr also, wenn der Herrscherbestimmte Dinge nicht sehen will? Welche Handlungsmöglichkeiten bestehen? Soll er es sein lassen? Sollen er wirklich nurSpäße machen? Wären dazu nicht fahrende Musikanten oder Komiker besser geeignet? Soll er es aufgeben, seineInformationen vermitteln zu wollen? Gilt für ihn dann der Spruch: Wes Brot ich ess, des Lied ich sing ?

4.2.2 Das eigene Verhalten

Jedes Verhalten hat eben seinen Preis. Selbst wenn sich der Hofnarr gegen die blutige Nase entscheidet, kann auch reinesZusehen und fehlendes Eingreifen sehr schmerzhalft sein und einen sehr hohen Preis fordern; besonders dann, wenn ihnhinterher Selbstzweifel quälen. Wäre es nicht weiterhin seine Aufgabe, einzugreifen? Müssten er es nicht trotz des hohenPreises tun? Wie stünde es um seine Loyalität gegenüber der Sache und dem Herrscher?

Manche Hofnarren leiden, wenn sie beobachten und erkennen, wie es mit ihrem Herrscherhaus bergab geht, welche Gefahrenvon Innen und auch von Außen lauern, es aber nicht ansprechen können oder dürfen, oder es nicht gehört wird. Dann istnichts schlimmer, als vom Hofnarr zum reinen Spaßmacher degradiert zu werden, dahin zu vegetieren und abzustumpfen; deneigenen klaren Blick durch den Herrscher und die herrschende Kultur eintrüben zu lassen und selbst blinde Flecke zuentwickeln.

Sicher hat jeder gute Gründe, sich so zu verhalten, wie er es tut. Jeder wägt ab, welchen Preis er zu zahlen bereit ist. Unddieser Preis ist für jede Person ein anderer. Man sollte sich immer fragen, ob man dem Ziel dient oder nicht und welchen Preisdas hat. Jedes Verhalten ist möglich aber keines ist ohne Preis.

Wichtig ist, dass man sich über seine Werte klar ist und bewusste Entscheidungen über das eigene Verhalten und dieKonsequenzen der darin enthaltenen Preise trifft. Man sollte sich fragen: Wie erreicht man die optimale Kooperation unterdiesen Kontextbedingungen? Wobei zu dieser optimalen Kooperation nicht nur einer gehört, sondern alle.

4.2.3 Was vom Herrscher erwartet wird

Hofnarren könnten zunächst einmal die Perspektive wechseln und eine andere Seite betrachten: Die des Herrschers.

Hierzu sei noch einmal auf die Koch-Metapher verwiesen. Der Herrscher hat eine Dauerbestellung aufgegeben und erhältregelmäßig Essen geliefert. Fast immer ist es zäh und bitter. Und dann gibt es noch jemanden, der unbedingt möchte, dass eres aufisst! Wer bestellt etwas, das ihm aller Voraussicht nach nicht schmecken wird, beispielsweise weil es zäh oder bitter ist?Wer isst dann noch auf? Wer würde diese Dauerbestellung nicht irgendwann abändern?

Mit den Ergebnissen des Hofnarren muss der Herrscher erst einmal umgehen können. Das fordert dem Herrscher viel ab.Was verlangt der Hofnarr von seinem Herrscher? Er müsste den Beteuerungen, dass die bittere Kost hilft, Glauben schenkenund aufessen. Das bedeutet: Er müsste sich seiner Rolle bewusst sein, dass auch er einer Sache dient, die größer ist als erselbst. Er müsste sich im Dienste dieser großen Sache auch selbst zurücknehmen können. Ist das nicht sehr viel verlangt?Gibt es solche Menschen und Herrscher überhaupt? Verlangt der Hofnarr zu viel? Oder hat er Verständnis dafür, dass esKontextbedingungen gibt, die es ihm nicht immer erlauben, seine volle Wirkkraft zu entfalten? Hat der Hofnarr Verständnisdafür, dass das Interesse des Herrschers nicht überwältigend ist? Hat er Verständnis dafür, dass er nicht immer den vollenZugang haben wird? Hat er Verständnis dafür, dass er nicht immer den Auftrag bekommt, den er sich wünscht? Manchmal istder Interne Revisor eben doch mehr der Spaßmacher, der nur an der Oberfläche kratzt und den Hofstaat unterhält.

5 Die Sinnfrage

Wofür machen Revisoren das alles? Wofür nehmen Revisoren eine Arbeit in Kauf, bei der sie alleine ihren Beruf nicht zurvollen Perfektion bringen können? Bei der sie von der spezifischen Nachfrage ihres Angebots so stark von anderenabhängen? Bei der sie immer von den Kontextbedingungen eingeschränkt werden? Bei der sie alleine nicht die bestenLösungen erreichen können? Wofür nehmen Revisoren eine Arbeit auf sich, die ihnen viel abringt: Revisoren müssen vielessowohl innerlich mit sich selbst ausmachen als auch mit ihrem Herrscher austragen.

Auch wenn nicht alle Revisoren den optimalen Kontextbedingungen unterliegen, üben sie ihren Beruf aus, wohl wissend, dasssie nur das Zweitbeste erreichen können. Und dafür müssen sie ziemlich gefestigt sein. Wieso gibt es trotzdem vieleRevisoren, die ihre Funktion gerne und auch sehr gut ausüben? Weil es eine Leidenschaft werden kann, Unsichtbaressichtbar zu machen!

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6 Fazit

Bei der Diskussion der Erfolgsfaktoren der Internen Revision liegt der Fokus oft auf den externen Rahmenbedingungen. Dervorliegende Beitrag zeigt, dass für die erfolgreiche Revisionstätigkeit neben externen auch interne Voraussetzungen zuerfüllen sind. Gerade diese internen Voraussetzungen stellen an jeden Internen Revisor sehr hohe persönlicheAnforderungen. Zusätzlich unterliegen Interne Revisoren den Restriktionen der bestehenden Kontextbedingungen.

Um in diesem schwierigen Anforderungsumfeld zu bestehen, kann es hilfreich sein, verschiedene Perspektiven einzunehmenund sich bewusst zu machen, dass jedes Verhalten seinen Preis hat. Es gilt herauszufinden, wie unter den gegebenenKontextbedingungen eine optimale Kooperation erreicht werden kann. Auch wenn die optimale Wunschlösung am schönstenwäre, kann auch mit dem Erreichen der zweitbesten Lösung noch viel Gutes bewirkt und Schlechtes verhindert werden. Auchdieses nur Zweitbeste kann dem Internen Revisor noch genug Sinn geben.

AutorenSilvia Puhani, CIA, ist Inhaberin der Wirtschaftsmediation Puhani.

Weiterführende LiteraturSchmidt, Gunther, Einführung in die hypnosystemische Therapie und ­Beratung, 2. Aufl., Heidelberg 2008.Ludwig, Johannes, Investigativer Journalismus, 2. Aufl., Konstanz 2007.

Fußnoten:

(1) Ludwig, Johannes: Investigativer Journalismus, 2. Aufl., Konstnaz 2007.(2) Schmidt, Gunther, Einführung in die hypnosystemische Therapie und Beratung, Carl-Auer-Verlag, 2. Auflage 2008, S. 45.

puhani

Bildunterschrift: Tabelle 1: Externe und interne Voraussetzungen

Quelle: Risk, Compliance & Audit, Heft 03/2012, S. 41-46

ISSN: 1867-8122

Ressort: Audit

Dokumentnummer: rcua0320124146

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