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Der Stolz der Melchendorfer in St. Nikolaus

Die Kreuzigungsgruppe in der Melchendorfer St. Nikolauskirche von Hildegard Hendrichs aus dem 

Jahre 1949  Die Kreuzigungsgruppe wur-de nach dem 2. Weltkrieg von der bekannten Bildhauerin Hildegard Hendrichs für den Hauptaltar von St. Nikolaus geschaffen. Heute befindet sich das Kunstwerk nach der Kirchensanierung in den Jahren 1996/1997 im Seiten-schiff.

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Grußwort

Grußwort von Bischof Dr. Ulrich Neymeyr Die Katholische Kirche St. Nikolaus kann am 06. September 2015 ihren 300. Geburtstag feiern. Das ist auch für ein Kirchengebäude ein beachtliches Alter. In den 300 Jahren ihres Bestehens hat die St. Nikolaus vieles erlebt und vieles gesehen. Auch der 2. Weltkrieg hat seine Spuren an ihr hinterlassen. Umso schöner ist es, dass sie ihren 300. Geburtstag in festlichem Glanz begehen kann.

Ich danke allen, die sich für den Erhalt und die Pflege des Kirchengebäudes einsetzen. Sei es, dass Sie an vielen Stellen mit anpacken oder sei es, dass Sie mit ihrer Spende zum Erhalt des Kirchengebäudes beitragen. Sie tun dies zur Ehre Gottes, damit Gott in Melchendorf ein schönes und festliches Haus hat, welches die Melchendorfer für ihn errichtet haben und pflegen.

Gott selbst bedankt sich bei den Melchendorfern, indem er sie in sein Haus einlädt, um dort im persönlichen Gebet und in der gemeinsamen Feier des Gottesdienstes die Gemeinschaft mit dem dreifaltigen Gott zu erspüren und zu feiern. In der Feier der Sakramente hat sich das Leben vieler Melchendorfer auch ganz konkret mit dem Leben Gottes verknüpft.

So werde ich gerne am 06. September 2015 mit Ihnen den 300. Geburtstag der St. Nikolaus Kirche begehen.

Mit allen guten Segenswünschen.

Ihr Bischof + Ulrich Neymeyr

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Grußwort Grußwort von Pfarrer Wolfgang Hunold Liebe Mitglieder unserer Gemeinde, sehr geehrte Gäste aus nah und fern,

300 Jahre Sankt Nikolaus-Kirche in Erfurt-Melchendorf. Sehr beachtlich. Grund genug zum Dank und zum Feiern: „Großer Gott, wir loben dich!“ Wie oft mag es wohl gesungen worden sein in den Jahr-hunderten? Keiner von uns war bei der Grundsteinlegung im 18. Jahrhundert dabei. Ob sich das die Planer damals gut überlegt haben? Denn ganz billig war der Bau damals genauso wenig wie heute. Solides und schönes Bauen kostet eben auch.

Die Erbauer errichteten das Gotteshaus für seine bleibende Gegenwart. Sie wollten einen Ort, der auch für sie selbst immer offen steht. Das ist ihnen hervorragend gelungen.

Keine Statistik gibt freilich Auskunft über den Seelentrost, der in all den Jahren von dieser heiligen Stätte für seine Bewohner ausging. Und es waren oft schwere, leidvolle Zeiten.

Gut, dass unsere Kirche auch heute noch, besonders durch seine derzeitigen Nutzer, diese Strahlkraft besitzt und für neu Hinzukommende interessant und anziehend wirkt.

Aufgrund dieser Erfahrung gehe ich deshalb die Wette ein, dass zumindest in den nächsten 300 Jahren an dieser würdigen Stätte Sankt Nikolaus auch noch die Suchenden von übermorgen wirklich Gott finden können. Wetten, dass…

Da prägen wir dann auch eine neue Gedenkmünze. Das ist abgemacht. Ihr Pfarrer Wolfgang Hunold

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Grußwort

Grußwort von Pfarrer Arno Althaus Liebe Gemeinde,

in St. Nikolaus wird gern und oft gefeiert. 300 Jahre Kirche- das ist ein besonderer Grund, sein Herz zu Gott hin zu erheben und mit Freude und Dankbarkeit zu feiern.

Fast 30 Jahre durfte ich in diesem Gotteshaus die Eucharistie feiern, die frohe Botschaft verkünden und die Sakramente, die wirksamen Zeichen der Nähe Gottes spenden.

Die Kirche ist ein heiliger Ort! Sie birgt Schätze. Es sind nicht nur kulturhistorische Schätze, sondern vor allem Glaubensschätze.

Wenn Steine reden könnten, würden sie Geschichten erzählen von dem, was Christen bewegt hat, als sie die Kirche gebaut, vergrößert und umgestaltet haben.

Sie würden Geschichten erzählen, von Menschen, die hier gebetet, gefeiert, und gehofft haben, und sie würden etwas von dem Lebensge-fühl mitteilen der jeweiligen Epochen, vom Spätbarock über die Neoromantik bis zur Jetztzeit.

Hier spüren wir die unsichtbare Hand Gottes.

Und so wünsche ich Ihnen:

Ergreifen Sie die Hand Gottes und geben Sie seinen Segen weiter.

In Mitfreude Ihr Pfarrer Althaus

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Grußwort Grußwort der Pfarrerin der evangelischen Gustav-Adolf-Gemeinde

Liebe Nikolausgemeinde,

ich grüße Sie sehr herzlich vom Herrenberg aus der Gustav-Adolf-Kirche. Wir freuen uns mit Ihnen, dass Sie dieses große 300-jährige Jubiläum Ihrer Nikolauskirche in diesem Jahr feiern können.

Im Psalm 84 heißt es so schön: Wie lieblich sind mir deine Wohnungen, Herr Zebaoth. Meine Seele verlangt und sehnt sich nach den Vorhöfen des Herrn; mein Leib und meine Seele freuen sich in dem lebendigen Gott. Wohl denen, die in deinem Haus wohnen, die loben dich immerdar.

Was schon die Israeliten wussten, dass das Haus Gottes Menschen glücklich macht, wir können es mit unserer eigenen Glaubensgeschichte bestätigen. Der Tempel in Jerusalem war für die Israeliten der Ort der Nähe Gottes, dorthin pilgerte man, dort wurde gebetet, gesungen, geopfert, Gott gelobt.

Das Haus Gottes als Ort des Glücks." Lieblich sind mir deine Wohnungen" dichtete der Psalmbeter.

Mit unseren Kirchen verhält es sich ähnlich, sie sind Orte des Gottesdienstes, der Gegenwart Gottes, dort wird im Abendmahl und in der Eucharistie Gottes Gnade erfahren.

Wenn die Mauern der Nikolauskirche erzählen könnten, würden sie von den Schicksalen der Menschen erzählen, die in den letzten 300 Jahren dort ein und aus gegangen sind. Die Kirche birgt die Lebensgeschichten der Menschen, die Tränen, das Unglück, aber auch Glück und Hoffnung.

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Grußwort

Mit unserem Leben als Christen verbinden wir uns mit den Kirchen und mit den Kirchen verbinden sich Gemeinden, Menschen, Ereignisse, Erfahrungen und Erinnerungen.

Als ich Mitte der 80 er Jahre meinen Dienst im Ev. Kirchspiel Erfurt Südost begann, hatten wir außer der Gustav-Adolf-Kirche keinen Raum. Meine ersten "Großmütter", die ich auf dem Wiesenhügel für den späteren Großmütterkreis zu sammeln begann, mit ihnen traf ich mich eine ganze Weile im damaligen Schwesternheim im Schulzenweg. Wir konnten dort miteinander reden, beten, singen und Kaffeetrinken. Wir konnten dies tun im Schutz und im Schatten der Nikolauskirche.

Meine kleine Tochter ging in Ihren Kindergarten, sie ging gern und ich war froh, sie dort behütet zu wissen. Auch der Kindergarten steht im Schutz und im Schatten der Nikolauskirche.

Es gibt viele kleine und große Verbindungen zwischen unseren beiden Gemeinden, es gibt die festen Begegnungsmöglichkeiten wie Oster-montag oder den Weltgebetstag der Frauen, es gibt aber auch die vielen kleinen Bindungen zwischen den Menschen. Wir kennen uns, wir nehmen aneinander Anteil, wir freuen uns, wenn wir uns sehen. Es gibt auch einige Ehepaare, der eine gehört zu Ihnen, die andere zu uns.

Kirchen machen Freude, in ihnen erklingen Lieder, die von Gott erzählen.

Kirchen machen Freude, weil Menschen darin heiraten können und ihre Kinder zur Taufe bringen können. Kirchen machen Freude, weil sie uns ein Zuhause sein können. Kirchen machen uns sogar im Trauerfall Freude, weil sie uns an das größere Haus Gottes erinnern.

Ich wünsche Ihnen im Namen des Gemeindekirchenrates und im Namen des Ev. Kirchspiels Erfurt Südost eine gelingende Festwoche und glückliche Tage in der Nikolauskirche.

Ihre Pfarrerin Susanne Sydow

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Grußwort Grußwort von Ortsteilbürgermeister Wolfgang Albold Liebe St. Nikolausgemeinde, für viele Generationen war die Melchendorfer St. Nikolauskirche das Zentrum des Ortes. Und sie ist es immer noch. In der nun dreihundertjährigen Geschichte hat der Kirchbau eine wechselvolle Entwicklung genommen -aufgebaut, abgetragen, neu aufgebaut, im Krieg stark beschädigt, mühevoll restauriert-und trotzdem blieb das Gotteshaus ein Symbol für Beständigkeit. Diese Beständigkeit sticht heraus angesichts der massiven Veränderungen in unserem Ortsteil, die sich am stärksten im Entstehen der Plattenbauten zeigten. Die St. Niko-lauskirche hat maßgeblich dazu beigetragen, dass Melchendorf trotz der vielen neuen Hochhäuser auch seinen Charakter als historisch gewachsener Ort behalten hat.

Kirchen sind für die Menschen etwas Besonderes. Als Kunstwerke und architektonische Zeugen der Vergangenheit strahlen sie in die Region hinaus. Sie sind Orte der Stille und der Begegnung. Nicht selten boten Kirchen Flüchtlingen als letzter Zufluchtsort Asyl. So gesehen sind sie ein Ort der „Wahren Menschlichkeit“, des gegenseitigen Vertrauens, der Ordnung und Sicherheit und sie geben Verzweifelten Hoffnung und Zu-versicht.

Vor diesem Hintergrund ist die Kirche nicht nur für Christen, sondern auch für die weltliche Gemeinde von besonderer Bedeutung. Dass die St. Nikolaus- Kirche nun den 300. Jahrestag ihrer Erbauung feiert ist für alle Melchendorfer ein Grund zur Freude.

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Grußwort Die Kirche ist als Kern unseres Ortsteils Treffpunkt für Alt und Jung.

In ihren Fenstern kann man Geschichte lesen und die Gedanken schweifen lassen. Die historische Rekonstruktion des Gemäuers und des Deckengewölbes geben einen Eindruck von der Geschichte Melchendorfs als früheres sogenanntes Küchendorf des Erzbischofs von Mainz. Aber die Kirche steht auch für lebendige Gegenwart. Auch zukünftig wünsche ich den Gottesdiensten und allen außer-kirchlichen Veranstaltungen zahlreiche Besucher und der Kirchge-meinde ein interessantes und abwechslungsreiches Gemeindeleben. Wolfgang Albold Ortsteilbürgermeister Melchendorf

Melchendorf grüßt die St. Nikolausgemeinde

Foto: Marco Kneise/ Thüringer Allgemeine

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Ökumene

Freude am Glauben Von Reinhard Müller

Für evangelische und katholische Christen ist es eine Tatsache, dass in den letzten drei Jahrhunderten bei all den gesellschaftlichen Veränder-ungen -die Mainzer Herrschaft -Reichsdeputationshauptschluss -Kaiserreich- -Nazizeit -DDR-Diktatur -offene Gesellschaft heute durch engagierte Mitarbeit als glaubenstreue und selbstbewusste Christen wir, zwar durch manches getrennt, jedoch geeint sind im Glauben an den einen und dreifaltigen Herrn und Gott. Ist es nicht ein Zeichen echter Schwesterlich- und Brüderlichkeit, wenn die katholischen Christen von St. Nikolaus nach der Bombardierung ihrer Kirche am 17. März 1945 in der Gustav-Adolf-Kirche ihre Gottesdienste halten durften? Nach fast einem Jahr wurde am 24.März 1946 durch Domprobst Dr. Freusberg die katholische Kirche St. Nikolaus wieder geweiht. Gerade, da wir wissen, dass wir in einer Diaspora unseres Bistums leben, sind wir in den letzten Jahrzehnten im Rahmen der Ökumene immer auf der Suche nach Gemeinsamkeit im Alltag unserer Kirchgemeinden.

Einige Beispiele sollen das verdeutlichen:

Seit über 20 Jahren wird von Frauen beider Gemeinden der Weltgebetstag der Frauen organisiert und besucht. Beinahe ebenso lange feiern beide Gemeinden einen ökumenischen Gottesdienst am Ostermontag mit regelmäßigem Standortwechsel.

Seit ca. 15 Jahren gibt es auch eine kontinuierliche Zusammenarbeit zwischen der Gustaf-Adolf-Gemeinde und unseren Kindergarten St. Nikolaus einschließlich einen Segnungsgottesdienst. Durch eine Stiftung, gegründet von Frank und Waltraud Ziegenfuß, findet durch eine finanzielle Organisation und Teilnahme der beiden Konfessionen des Kirchspiels Süd-Ost und der Pfarrgemeinde St. Nikolaus eine Bibelwoche statt.

Das Wichtigste ist, dass bei all diesen gemeinsamen Unternehmungen Verständnis, Respekt und christliches Miteinander wachsen zur Ehre Gottes und zur Freude der Menschen.

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Grußwort

Grüße aus der Filialgemeinde St. Maria „Rosenkranzkönigin“ Vieselbach

Liebe Gemeinde St. Nikolaus!

Vor 300 Jahren wurde der Neubau Ihrer Pfarrkirche St. Nikolaus fertig-gestellt und geweiht. Gerade nach so einem langen Zeitraum ist jedes Jubiläum immer eine gute Gelegenheit gemeinsam auf vergangene Jahre zurückzublicken, fröhlich zu feiern und auch dankbar zu sein.

Wir, Ihre Filialgemeinde Vieselbach, konnten vor knapp zwei Jahren gemeinsam mit Ihnen aus Melchendorf unser 60jähriges Kirchweihfest begehen. Wir wissen was es bedeutet, einen besonderen Anlass für ein besonderes Fest zu haben und dieses zu gestalten. Das sind Gele-genheiten, die unsere beiden Gemeinden verbinden.

Deshalb freuen wir uns sehr, auch ein Teil dieses Jubiläums zu sein.

Wir gratulieren ganz herzlich zum 300jährigen Bestehen und wünschen von ganzem Herzen eine fröhliche und gelungene Woche des Feierns und der Begegnung.

Wir freuen uns darauf!

Im Namen der Filialgemeinde Vieselbach

Dr. Dirk Humann /Sprecher Filialgemeinderat

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Wie alles begann!

Die ersten Melchendorfer waren Slawen! Von Otto Göldner

Den Beleg dazu finden wir in einer Urkunde aus dem Jahre 1157. In dieser Urkunde ist davon die Rede, dass auch „…unsere Slawen sclavi nostri in Dittelstedt, Daberstedt und Melchendorf dieselbe Zollfreiheit (im Handel mit Erfurt) haben sollen, wie Hochheim, Bindersleben und Ilversgehoven, die schon immer dem bischöflichen Tische dienten.“

Dazu muss man wissen, dass die Slawen im 6. Jahrhundert in mehreren Siedlungswellen zwischen Ostsee und Erzgebirge von Osten her bis an die Saale vordrangen und vereinzelt im 11. Jahrhundert bis vor die Tore Erfurts gelangten. Es war eine friedliche Landnahme, kamen sie doch in ein Gebiet, dass zu jener Zeit nur wenig besiedelt war. Dabei handelte es sich vorwiegend um sorbische Stammesverbände, die von ihren deutschen Nachbarn als Wenden bezeichnet wurden.

Aus dem Bericht eines fränkischen Chronisten namens Fredegar, um das Jahr 631, haben wir Kenntnis, dass die „Surbi“ und „Lusici“ wirtschaftlich beachtlich entwickelt waren. Sie waren tüchtige Ackerbauern, verstanden etwas von Pferde-, Rinder-, Schaf- und Schweinezucht und betrieben einen ausgedehnten Handel mit Keramik, Vieh, Getreide, Salz sowie mit Erzeug-nissen des Drechsel- und Böttcherhandwerks.

Die Melchendorfer Geschichte ist eng mit der Erfurter Stadtgeschichte verknüpft.

Im Jahre 1985 ist ein Buch im St. Benno Verlag erschienen, herausgegeben von Franz Peter Sonntag, dass über „Die Briefe des Winfried Bonifatius 642-754“ berichtet.

In einem dieser Briefe, schrieb Bonifatius im Jahre 742 an den neuen Papst Zacharias, folgendes (Ausschnitt):

„Wir müssen auch Eurer Väterlichkeit mitteilen, dass wir durch Gottes Gnade für die Völker Germaniens, die einigermaßen aufge-

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Wie alles begann! rüttelt und zurechtgewiesen sind, drei Bischöfe bestellt und die Provinz in drei Sprengel eingeteilt haben. Und jetzt bitten und wünschen wir, dass die drei Orte, in denen sie bestellt und eingesetzt sind, durch Urkunden Eurer Machtfülle bestätigt und gesichert werden.

Ein Bischofssitz, so haben wir bestimmt, soll in der Burg sein, die Würzburg heißt und der zweite in der Stadt, die Buraburg (bei Fritzlar) heißt, der dritte an einer Stelle, die Erfurt heißt, diese war ehedem eine Stadt ackerbautreibender Heiden.“

Im April 743 wurden die drei Bischofssitze bestätigt. Die beiden Bistümer, Buraburg und Erfurt hatten jedoch keinen Bestand und wurden wenige Zeit später dem Bistum Mainz unterstellt. Um das Jahr 1000 erlangten die Mainzer Erzbischöfe auch die weltliche Herrschaft über Erfurt.

Melchendorf gehörte zu den Küchendörfern des Mainzer Erz-bischofs! Die „sclavi nostri“ waren Leibeigene, standen unter seinem Schutz, leisteten Frondienste und hatten wie die anderen „Küchen-dörfler“ die Aufgabe, die Beamten der Mainzer Verwaltung in Erfurt mit Nahrungsmitteln zu versorgen.

Unterm Bischofstab ließ es sich gut leben!

Als Ausgleich dazu wurde ihnen Zollfreiheit im Handel mit der Stadt Erfurt gewährt.

Besonders vorteilhaft erwies sich das Privileg des steuerfreien Bierbrauens. Das Bier war billig, in den Gaststuben war das Kartenspielen erlaubt, man war raus aus der Stadt, war ungestört und so wurden die Erfurter „Küchendörfer“, wohl auch Melchendorf, zum beliebten Ausflugsziel der „Städter“ aus Erfurt.

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Bauer im Mittelalter

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Wie alles begann!

Der Heilige Nikolaus ist der Schutzpatron und Nothelfer, u. a. der Wanderer, Seeleute, Studenten, Kaufleute, Bäcker, Leineweber, Advokaten, Apotheker,

der Gefangenen, Tuchmacher, Schüler, Kinder, Mädchen, stillenden Mütter, Bierbrauer

und Narren.

Die Kirche in Melchendorf ist eine St. Nikolauskirche

Historiker führen es darauf zurück, dass sich im 12. und 13. Jahrhundert, Flamen und Holländer als Kolonisten in unserer Gegend, wohl auch in Melchendorf ange-siedelt haben.

In unsere Gegend kamen die Holländer und Flamen offenbar als friedliche Siedler. Sie verehrten den Heiligen Nikolaus und als Migrationsgeschenk wurde auch in unserer Heimat wie in Melchendorf der heilige Nikolaus zum Schutzpatron zahlreicher Kirchgemeinden.

Bei der Kolonisierung weiter östlich in den sorbischen Siedlungsgebieten wird es dagegen nicht immer so friedlich zugegangen sein.

Im Jahre 1108 wurde vom Bistum Magdeburg ausgehend, mit folgendem Aufruf für die Kolonisation slawischer Siedlungsgebiete östlich der Elbe-Saale-Linie geworben:

„Die Heiden sind zwar die schlechtesten Menschen, aber ihr Land ist sehr gut an Fleisch, an Honig, an Mehl, an Vögeln. Wenn es gut bebaut wird, ist es mit solch einem Überfluss aller Erträgnisse gesegnet, dass kein Land mit ihm verglichen werden kann. Deswegen, Sachsen, Franken, Lothringer, Flamen, ihr berühmten Weltbezwinger, auf! Hier könnt ihr Euer Seelenheil erwerben und, wenn es euch gefällt, noch das beste Siedelland dazu!“

Die eroberten Gebiete wurden vorrangig von bäuerlichen Kolonisten aus Gebieten mit hoher Bevölkerungsdichte besiedelt. Sie legten Sümpfe trocken, kultivierten das Land und führten die Dreifelderwirtschaft ein.

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Der Heilige Nikolaus an der Außenfassade der Melchendorfer Kirche

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Das katholische Dorf

Vier Kreuze in Melchendorf …erinnern noch heute an frühere „Flur-Bitt-Prozessionen“

Von Bernhard Wand

So lautete am 15. April 1982 im „Thüringer Tageblatt“ ein heimat-kundlicher Beitrag über Melchendorf. In diesem Zeitungsbeitrag werden wir daran erinnert, dass Melchendorf ein ausgesprochen katholisches Bauerdorf in einer protestantischen Umgebung war.

Charakteristisch für katholische Ansiedlungen, wir kennen das aus dem Eichsfeld und noch ausgeprägter in Bayern, sind neben liebevoll ge-schmückten Kirchen, vor allem auch Bildstöcke und Wegekreuze.

In Melchendorf wurden von alters her jährlich am 24. April Flur- Bitt-Prozes-sionen abgehalten. Dabei zogen Pfarrer und Gemeinde singend in die Feldflur der näheren Umgebung, wo man gemeinsam um das Gedeihen der Feldfrüchte betete.

An bestimmten Haltepunkten des Prozessionsweges standen in Mel-chendorf schlichte Holzkreuze, von denen noch zwei gut erhalten sind. Ein Kreuz steht in Richtung Drosselberg „An der Kohlröde“ und das zweite im Kinderartengelände „An der Waidwäsche“.

Drei Kreuze wurden laut Eintrag vom 25.08.1923 im Bistumsarchiv von ei-nem Herrn Rosenstengel gespendet.

Anlässlich unseres diesjährigen Kirchenbaujubiläums werden drei Kreuze erneuert und am 03.09. 2015 in einer feierlichen Prozession gesegnet.

Mögen sie uns immer daran erinnern, dass Melchendorf eine lange christliche Tradition hat, in einem heute vorherrschend atheistisch geprägten Umfeld.

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Heut noch erhalten, das Kreuz „An der Kohlröde“

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Das katholische Dorf

Außer der jährlichen Flur-Bitt-Prozessionen gab es in Melchendorf noch zwei zusätzliche Dorfprozessionen. Einmal am Nachmittag eines jeden 2. Osterfeiertages und als besonderen Höhepunkt am 10. Tag nach Pfingsten zum Fronleichnamsfest die Fronleichnamsprozession.

Alle diese drei Prozessionen wurden 1933 laut Verfügung des dama-ligen Kulturministers kurzerhand verboten. Nur die Fronleichnamspro-zession war noch gestattet, allerdings nur im kircheneigenen Gelände.

Nach dem Zusammenbruch des dritten Reiches wird zum Fronleichnamsfest alljährlich nach alter Tradition der Leib Christi wieder in einer feierlichen Prozession durch das Dorf getragen. An drei Altären finden Anbetungen statt.

Heute beteiligen sich an der Fronleichnamsprozession in Melchendorf bis zu 220 Gläubige, auch aus anderen Gemeinden. Anschließend kommt es im Gemeindezentrum von St. Nikolaus zu einer geselligen Begegnung.

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Fronleichnamsprozession 2015 in Erfurt-Melchendorf

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Das katholische Dorf

Der gerettete Bildstock Von Otto Göldner

Im Pfarrgarten des Gemeindezentrums steht ein 3m hoher, wunderschö-ner Bildstock aus der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Sein ursprünglicher Standort lag auf halber Höhe zum „Großen Herrenberg“ an einem früheren Feldweg nach Dittelstedt. Es handelt sich hierbei um einen Nischenbildstock. Einstmals vorhandene „religiöse Relief-darstellungen“ waren in der Nazizeit herausgeschlagen worden.

Gegen Ende der 1970ziger Jahre begannen am „Großen Herrenberg“ die Erschließungsarbeiten für das dort geplante Wohngebiet. 20 Jahre später wurde der inzwi-schen vereinsamte, hinter Gestrüpp und Gebüsch verborgene Bildstock von Bauleuten wiederentdeckt und drohte zusammen mit gewöhnlichem Bauschutt „entsorgt“ zu werden.

Die Erfurter Stadtverwal-tung setzte die Pfarrge-meinde von Melchendorf davon in Kenntnis und sorgte nach einvernehm-licher Absprache mit Dieter Heinemann dafür, dass der Bildstock in Melchendorf vor das katholische Pfarrhaus transportiert und dort abgelegt wurde.

Nach einigen Ausbesserungsarbeiten, nunmehr auf festem Beton-sockel, hat dieses alt-ehrwürdige Glaubenszeugnis neben der Mauer-begrenzung im Pfarrgarten vor dem katholischen Gemeindezentrum seinen würdigen Platz gefunden.

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Bildstock im Pfarrgarten des Gemeindezentrums St. Nikolaus

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300 Jahre Kirchbaugeschichte von St. Nikolaus

Mittelpunkt der Pfarrgemeinde Von Bernhard Wand und Otto Göldner

Neubau der Kirche St. Nikolaus im Jahre 1715

In den Chroniken wird von einem Kirchenneubau um 1715 berichtet. Die alte Kirche war baufällig geworden. Die Grundsteinlegung erfolgte am 6. Mai 1715 durch Weihbischof Johann Jacob Senft aus Erfurt und die Altarweihe am 08.November 1724 durch Weihbischof Joachim Hahn.

Kirchenumbau im Jahre 1897

Die Kirche von 1715 war nach 82 Jahren inzwischen auch wieder baufällig geworden. Der Verputz war von den Wänden teilweise abgefallen. Das Dach war undicht und die südliche Seitenmauer war 20 cm aus dem Lot geraten und drohte umzustürzen.

Vor allem galt es, so wird uns berichtet, einem besonderen Übelstand Herr zu werden. An drei Seiten im Kircheninnenraum existierten zwei übereinander liegende Emporen. Auf der unteren hielten sich während des Gottesdienstes die Männer auf, aber auf der oberen die jungen Leute. Gleich nach der Schulentlassung zogen die jungen Burschen auf die obere Empore und konnten dort, weil ohne Aufsicht, ungehindert allerlei „derben Unfug“ treiben. Vor allem dieser Übelstand war entscheidend für den Entschluss des Melchendorfer Gemeinderates, im August 1889 dem Antrag von Herrn Pfarrer Busch für einen grundlegenden Umbau der katholischen Kirche in Melchendorf zuzustimmen.

Der vom Architekten Bingener erarbeitete Bauplan wurde mit einer kleinen Änderung am Frontgiebel genehmigt. Die Kosten wurden mit 21500 Reichsmark veranschlagt.

Durch Wiederverwendung alter Materialien konnte die ursprüngliche Bausumme auf 19 000 Reichsmark verringert werden.

Am 9. Mai 1898 stimmte das Paderborner „Generalvicariat“ den Melchendorfern Plänen zur örtlichen Pfarrkircherweiterung zu.

Im Erläuterungsbericht zum Bauvorhaben ist vermerkt, dass die alte Kirche durch zwei Kreuzschiffe nach beiden Seiten zu erweitern war. Das Hauptschiff sollte um 2,26 m verlängert werden.

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300 Jahre Kirchbaugeschichte von St. Nikolaus Laut Beschluss der Melchendorfer Gemeindevertretung vom 8. Sep-tember 1898 war vorgesehen, die Umbaukosten von 19000 Reichsmark mit Hilfe eines Darlehens zu begleichen.

Am Geld schieden sich die Geister! Das oben genannte Darlehen sollte durch Gemeindeumlagen, Einkommen-, Gewerbe-, Grund- und Gebäudesteuern getilgt werden. Die jährliche Tilgungsrate sollte 1200 Reichsmark betragen.

Doch die Zeiten hatten sich geändert! Unter der Mainzer Herr-schaft, wie beim Neubau der Kirche im Jahre 1715, war es für die politische Gemeinde noch selbstverständlich, die Baukosten zu übernehmen.

Inzwischen gehörten Melchendorf wie die Stadt Erfurt seit 1802 zu Preußen und die staatlichen Landesbehörden waren nicht bereit, sich an den Baukosten zu beteiligen. Es war ein schwieriger Weg bis zum Beginn der Bauarbeiten.

Die Melchendorfer Katholiken ließen sich nicht unterkriegen! Sie ergriffen selbst die Initiative und spendeten reichlich, so dass am 08.06.1904 die Kirche St. Nikolaus im neuen Glanz von Bischof Wilhelm Schneider geweiht werden konnte.

1938 wurde Melchendorf in das Stadtgebiet von Erfurt eingemeindet. In einem Vertrag vom 2. April 1942 zwischen dem damaligen Oberbürger-meister der Stadt Erfurt und Kirchenvorstand von St. Nikolaus wurden Pfarrhaus und Kirchengrundstück der katholischen Kirchgemeinde unentgeltlich, lasten-und hypothekenfrei überschrieben.

Zerstörung und Wiederaufbau 1945 bis 1946

Kurz vor Ende des zweiten Weltkrieges wurde am 17. März 1945 die Kirche in Melchendorf zerstört.

Dazu finden wir in Orts- und Kirchenchronik von Pfarrer Overhamm folgenden Eintrag:

„Je näher das Ende des Krieges kam, desto mehr wurden durch die Luftangriffe auf Erfurt Leben und Eigentum der Bewohner unserer Gemeinden gefährdet. Am 17.03.1945, dem Samstag vor Passionssonntag, wurde am hellen Tage, mittags zwischen 13:00 und 14:00 Uhr, bei starker Bewölkung, offenbar irrtümlich von zwei Wellen feindlicher Flugzeuge, die aus Sachsen nach Westen

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300 Jahre Kirchbaugeschichte von St. Nikolaus zurück flogen, je ein Bombenteppich zuerst auf Dittelstedt und etwa 10 Minuten später auf Melchendorf abgeworfen. Man sprach von 200 bis 300 Bomben.

Während in Melchendorf die meisten Bomben ins Freie fielen, war die Verheerung in Dittelstedt sehr erheblich. Viele Häuser wurden ganz oder teilweise zerstört. Die Zahl der Toten belief sich auf über 70, darunter 15 Katholiken. Die Dittelstedter Kirche hatte nur viel Dachschaden und zer-brochene Fensterscheiben zu beklagen, so dass sie zum Gottesdienst weiter verwendbar blieb.

Dagegen erhielt die Pfarrkirche in Melchendorf einen Volltreffer in den Turm, der in sich zusammenbrach, die östliche Wand hinter dem Hochaltar herausriss und den ganzen Altarraum sowie die Sakristei unter den Schuttmassen begrub. Für den Nordflügel des Seitenschiffes bestand Einsturzgefahr. Der Tabernakel war zwischen Schuttmassen eingeklemmt. Alle Fenster waren beschädigt.“

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Die Melchendorfer Kirche mit dem 34m hohen Turm und der barocken Turmhaube vor ihrer Zerstörung am 17.03.1945.

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300 Jahre Kirchbaugeschichte von St. Nikolaus

Der schwere Anfang! Am 11. April 1945 erfolgte die Besetzung durch amerikanische Truppen. Der Krieg war damit für unsere Region beendet. In der uns vorliegenden Chronik hat Herr Pfarrer Overhamm die Geschehnisse aus diesen schweren Tagen in beeindruckender Weise niedergeschrieben. Leider würde dies den Rahmen unserer Festschrift sprengen, so dass wir uns wieder auf die Baugeschichte von St. Nikolaus konzentrieren wollen.

An dieser Stelle soll aus der Ortschronik noch einmal Pfarrer Overhamm zu Wort kommen:

„Die Reparaturarbeiten an der Pfarrkirche wurden durch die Erfurter Baufirma Dr. Karl Fleckner ausgeführt. Wegen Mangel an Arbeitskräften gingen sie nur langsam voran. Das Chor der Kirche wurde rechteckig ausgebaut, die Wand hinter dem nördlichen Seitenalter nach Abstützen des Deckengewölbes bis auf die Grundmauern abgetragen und neu aufgeführt. Die Bruchsteine des zerstörten Turmes wurden wieder verwendet. Manche Fuhre der Pferdebauern aus der Gemeinde musste gemacht werden, um die notwendigen Baumaterialien herbeizu- schaffen.“

An anderer Stelle ist folgendes vermerkt:

„Weil bei dem chronischen Mangel an Baumaterialien weder Schiefer, Dachziegeln, noch Dachpappe beschafft werden konn-ten, musste das Dach provisorisch mit Pappstreifen abgedichtet werden. Diese wurden anschließend mit Teer bestrichen, eine sehr schwierige und schmutzige Arbeit.“

Im Jahre 1901 hatten die evangelischen Christen auf dem Herrenberg ihr eigenes Gotteshaus, die Gustaf-Adolf-Kirche, erhalten. Diese für jedermann auf dem „Großen Herrenberg“ weit sichtbare Kirche, blieb zum Glück bis Kriegsende von größeren Zerstörungen verschont. Dagegen konnten in der katholischen Kirche St. Nikolaus von Mel-chendorf nach ihrer Zerstörung am 17. März keine Gottesdienste mehr abgehalten werden. So war die katholische Kirchgemeinde von Herzen dankbar, dass sie die evangelische Gustav- Adolf-Kirche für ihre Gottesdienste nutzen durfte.

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300 Jahre Kirchbaugeschichte von St. Nikolaus Allerdings traten Anfang 1946 Ereignisse ein, die es der katholischen Kirchgemeinde von Melchendorf auf Dauer unmöglich machten, ihre Gottesdienste weiterhin in der Gustav-Adolf- Kirche zu feiern.

Wir waren inzwischen sowjetisch besetzt und Pfarrer Overhamm hatte Anlass, in der Melchendorfer Orts- und Pfarrchronik folgendes zu doku-mentieren:

„Die Gottesdienste in der evangelischen Gustav-Adolf-Kirche wurden immer untragbarer, weil diese Kirche, einsam auf der Bergeshöhe gelegen, von den Besatzungstruppen ständig aufgebrochen, verunreinigt und ausgeplündert und schließlich mit der Zeit ganz unbrauchbar wurde. Anfang Februar 1946 wurden deshalb die Gottesdienste im evangelischen Berg-kirchlein eingestellt und etwa vier Wochen nur in Dittelstedt gehalten, bis Anfang März der linke Seitenaltar der Pfarrkirche in Melchendorf wieder in Gebrauch genommen werden konnte.“

Es war also Eile geboten. Ungefähr ein Jahr nach dem Bomben-einschlag war am 24.März 1946, dem 3. Fastensonntag, der Hochaltar fertiggestellt, so dass die Kirche in Melchendorf von Herrn Domprobst Dr. Freusberg neu geweiht werden konnte.

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Die 1901 erbaute evangelische Gustav-Adolf-Kirche, bis in die siebziger Jahre weit ins Land auf dem Herrenberg bei Erfurt sichtbar

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300 Jahre Kirchbaugeschichte von St. Nikolaus Zusammenfassend muss vermerkt werden, dass sämtliche Bauarbeiten unter den Bedingungen der Nachkriegszeit bis in die 1980zigerJahre hinein mehr oder weniger provisorischen Charakter besaßen und sich auf Instandsetzung der Elektrik, Dacharbeiten, Ausmalung und Einbau neuer Fenster und die notwendigsten Reparaturen beschränkten.

Melchendorf verändert sich!

Obwohl sich die städtische Bebauung über die Jahre hinweg immer näher an die dörfliche Ortsgrenze von Melchendorf herangeschoben hatte, blieb Melchendorf bis Ende der 1970ziger Jahre das, was es im-mer schon war, nämlich ein idyllischer Dorfflecken, umgeben von Feld und Flur hinter Wiesenhügel und Herrenberg.

Das sollte sich ändern. Damals in den 1970ziger Jahren konnte man in der Zeitung Sätze lesen, wie: „Mit dem auf dem VIII. Parteitag beschlossenen Wohnungsbauprogramm wurden in der Stadt Erfurt neue Maßstäbe gesetzt, gilt es doch die Wohnungsfrage als soziales Problem zu lösen.“ Die Beschlüsse waren gefasst und in „Verwirklichung des Wohnungsbauprogramms“ entstanden auf dem Herrenberg und Wiesenhügel, später auch auf dem Drosselberg die weithin sichtbaren „Plattenbauten“. Vorbei war es nun mit der Feld-und Flur-Idylle. Das „alte“ Melchendorf, im Wesentlichen nur noch erkennbar in Umgebung des Schulzenweges, gehörte nun zum großstädtischen Raum von Erfurt.

Seelsorger und „Baulöwe“! In dieser bewegten Zeit übernahm am 05.09.1983 Pfarrer Arno Althaus die katholische Pfarrei in Melchendorf.

Der richtige Mann am richtigen Ort! Pfarrer Althaus brauchte natürlich keine Parteitagsbeschlüsse. Er krempelte selbst die Ärmel hoch, begeisterte seine Gemeinde und Schritt für Schritt begann sich die Melchendorfer Pfarrgemeinde zu verändern. Er selbst war sich nicht zu schade, so erzählt man sich heute noch, im „Blaumann“ vor der Melchendorfer Kirche die Straße zu kehren

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300 Jahre Kirchbaugeschichte von St. Nikolaus

Infolge des Bevölkerungszuwachses in den neu entstandenen Wohn-gebieten auf Herrenberg, Wiesenhügel und Drosselberg wurde St. Nikolaus in Melchendorf zur größten Pfarrgemeinde in Erfurt.

Es waren vor allem zwei Aufgaben zu meistern. Als erstes sollte ein neues Gemeindezentrum entstehen, als zweites galt es, die Kirche von Grund auf zu sanieren und in Teilen zu erneuern.

Ein neues Gemeindezentrum entsteht!

Im April 1988 erfolgte in Beisein von Bischof Dr. Joachim Wanke die Grundsteinlegung für das neue katholische Gemeindezentrum.

Unser Bischof wünschte sich damals:

„Das Gemeindezentrum möge inmitten der wachsenden „Neuen Großstadt Melchendorf“ ein einladendes, offenes Haus werden, in dem man sich wohl fühlt, in dem alle Suchenden über ihren Weg als Christen nachdenken können.“

Der Wunsch des Bischofs ist in überreichem Maße in Erfüllung gegan-gen. Heute freuen wir uns dankbar über unser Gemeindezentrum, es ist gastfreundlich, hell und modern.

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Gemeindezentrum in Melchendorf, fertiggestellt im Jahre 1992

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300 Jahre Kirchbaugeschichte von St. Nikolaus

Ein Jahr nach der Eröffnung des Gemeindezentrums ging man im Jahre 1993 daran, das Gotteshaus von Grund auf zu sanieren und den Kirchenraum neu zu gestalten.

Die Grundsanierung war eine komplexe Aufgabe! In der Nach-kriegszeit hatten Bau- und Instandhaltungsmaßnahmen zur Erhaltung des Gotteshauses vielfach den Charakter von Notreparaturen.

Nun begann man mit einer dauerhafte Sanierung! Dachstuhl, Dachdeckung, Drainage und Heizung wurden erneuert. Die Innenausstattung wurde modernisiert. Die Kirche wurde neu ausgemalt, der Altarraum neu gestaltet. Bei der Farbgebung orientierte man sich an alten Farbrestbefunden. Am meisten beeindruckt noch heute immer wieder das große Chorfenster von Tobias Kammerer aus Rottweil.

Am 7. September 1997 war es soweit!

Bischof Dr. Joachim Wanke konnte in der überfüllten Kirche den neuen Altar einweihen und das von Grund auf erneuerte Gotteshaus der Kirchgemeinde St. Nikolaus übergeben.

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Bischof Dr. Joachim Wanke am 7. September 1997 zur Altarweihe und Übergabe der neu sanierten Kirche in Melchendorf.

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300 Jahre Kirchbaugeschichte von St. Nikolaus Die Kirchsanierung kostete 1,9 Millionen DM. Diese Geldsumme wurde vom Bistum Erfurt, der Melchendorfer Pfarrgemeinde, Privatleuten und zu einem großen Teil mit 800 000 DM vom Bonifatiuswerk, dem Hilfs-werk Deutscher Katholiken, aufgebracht. 146 000 DM steuerten private Spender bei. Die Eigenleistungen der Pfarrgemeindemitglieder wurden mit 100 000 DM beziffert. Einfach großartig!

Ein Datum, das man nie vergisst!

In seiner Rückschau auf das Jahr 1997 schreibt der Kirchenvorstand von St. Nikolaus:

„Der Höhepunkt des vergangenen Jahres war die feierliche Wiedereröffnung unserer Kirche am 7.September 1997. Mit einer Festwoche bereitete sich die Pfarrgemeinde darauf vor.“

Über die Ehrenamtlichen steht folgendes geschrieben:

„Viele fleißige Helfer trans-portierten bei der Kirchen-sanierung Sage und Schrei-be insgesamt 308 Kubik-meter Erdaushub. Das ist die Menge von 9500 vollbeladen Schubkarren.“ Auf dem nebenstehenden Bild sehen wir Pfarrer Arno Althaus, wie er gerade die Menge von einem 9500stel der berech-neten Gesamtaushubmasse wegfährt. Belohnt wurden die vielen ehrenamtlichen Helfer, es waren 70 an der Zahl, mit einem zünftigen Thüringer Abendessen im Gemein-zentrum bei Bratwurst und Bier!

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Pfarrer Arno Althaus mit Schubkarre

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300 Jahre Kirchbaugeschichte von St. Nikolaus

St. Nikolaus „gestern!“

St. Nikolaus heute!

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Altarraum von St. Nikolaus vor der Renovierung 1997

Altarraum von St. Nikolaus nach der Renovierung mit dem neuen Chorfenster von Tobias Kammerer aus Rottweil

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Glocken

Zwei Glocken für St. Nikolaus Von Otto Göldner

Zwei Glocken für den Krieg! Wenn heute das Dreiergeläut von St. Nikolaus in Melchendorf erklingt, denkt kaum jemand daran, dass dies nicht immer so war. Im 2. Welt-krieg, am 22.07.1942, musste auch die Melchendorfer Gemeinde zwei Glocken für die Kriegswirtschaft abgeben. Übrig blieb eine Glocke und die Kirchgemeinde musste sich zum Sonntags- und Festgeläut mit einem vereinsamt einstimmigen Glockenklang zufrieden geben.

Nach dem Bombenangriff ! Als am 17. März 1945 der barocke Kirchturm durch eine Bomben-volltreffer zerstört wurde, blieb die als Einzelstück in der Melchen-dorfer St. Nikolaus-Kirche verbliebene Glocke unversehrt. Sie wurde zwar in die Tiefe gerissen, konnte aber später im August 1946 nach Fertigstellung des Dachreiters von den Zimmerleuten wieder aufge-hängt werden.

Dittelstedt hat geholfen!

Die Orts- und Gemeindechronik weiß darüber folgendes zu berichten:

Um die Glocke zum Läuten zu bringen, musste aber ein Glocken-antrieb beschafft werden. Durch Entgegenkommen des Kirchen-vorstandes der Dittelstedter Filialgemeinde, die infolge der Kriegsabgabe auch nur eine Glocke behalten durfte, aber über zwei Antriebsmotoren verfügte, wurde einer derselben bis auf weiteres der Melchendorfer Pfarrkirche überlassen. Nach längeren, mühevollen Versuchen der Fachleute wurde der An-triebsmotor der Melchendorfer Glocke angepasst. Endlich konn-te nun auch wieder im Pfarrort nach langer Unterbrechung die Glocke wieder zum Gottesdienst rufen und zum Angelus läuten.

Spenden! Im Jahre 1971 wurde von Angehörigen der Familie Schwade für An-schaffung einer neuen Orgel 10 000 Mark (Ost) gespendet. Nach reiflicher Überlegung, so wird in der Chronik berichtet, wurde dieser Vorschlag abgeändert. Man hatte es vorgezogen, diesen Geldbetrag für die Anschaffung von zwei neuen Glocken zu verwenden. Durch eine zweite Spende vom Ehepaar Hermann und Maria Hartmann er-

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Glocken höhte sich die Geldsumme auf insgesamt 13 000 Mark (Ost), so dass bei der Glockengießerei Schilling in Apolda zur Komplettierung des ursprünglichen Dreiergeläuts die Anfertigung von zwei Glocken in Auftrag gegeben werden konnte.

Am 26. Dezember 1971 wurden die beiden neuen Glocken von Herrn Dechant Wokittel geweiht und am 29. Dezember mit Hilfe  der „Melchendorfer LPG-Mannschaft“ an der Ostseite der Kirche mit dem Flaschenzug auf den Turm hinaufgezogen.

Gegen 17:00 Uhr am 29. Dezember endlich ertönten die neuen Glocken zum ersten Mal und das Melchendorfer Geläut konnte zwei Tage später in der Silvesternacht nach 30 Jähriger Zwangspause wieder im Dreiklang das Neue Jahr 1972 begrüßen.

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Die „Melchendorfer LPG-Mannschaft“ bei der Arbeit

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Klingende Kirche

„opus 10“- die neue Orgel Von Agnes Rudersdorf

Die Gemeinde hat lange darauf warten müssen: Natürlich hatte Melchendorf schon in frühen Jahren eine Orgel und diese, solide erbaut vom einem Thüringer Orgelbaumeister, namens Theodor Kühn aus Schmiedefeld, erfreute bereits im 19. Jahrhundert die Melchendorfer St. Nikolaus-Gemeinde.

Diese altehrwürdige Orgel tat ihre guten Dienste bis zu dem verhängnisvollen Bombenangriff am 17.März 1945. Die Orgel selbst wurde zwar nicht getroffen, aber durch die furchtbare Staubentwicklung infolge des Bombeneinschlages im vorderen Kirchenschiff, wurde ihre Klangqualität dauerhaft in Mitleidenschaft gezogen. Zu jener Zeit hatte die Kirche auch noch eine Kohleheizung und der unvermeidbare Kohlenstaub in den Wintermonaten tat sein Übriges, so dass die Orgel zur Gewährleistung ihrer Bespielbarkeit in immer kürzer werdenden Intervallen gereinigt und wohl auch ständig umfangreicheren Repara-turarbeiten unterzogen werden musste. Manche Register ließen sich gar nicht mehr reparieren.

In Vorbereitung der Kirchenrenovierung Anfang bis Mitte der 1990ger Jahre wurde die Orgel sorgsam ausgebaut, vorher jedoch begutachtet von Orgelfachleuten, die angeführt von Sylvio von Kessel, zu dem Schluss kamen, dass eine Reparatur die Gemeinde teurer zu stehen käme, als die Anschaffung einer neuen Orgel.

Dazu fehlte das Geld, so dass als preiswerte Zwischenlösung, ersatzweise ein elektronisches Instrument angeschafft wurde. Dieses Provisorium sollte etwa 10 Jahre andauern. Aber so richtig konnte sich keiner mit dieser Zwischenlösung an-freunden. Doch Werner Maschke und die Organistin Birgit Müller hatten die Idee, einen Verein der

„Freunde und Förderer der Kirchenmusik der Pfarrgemeinde St. Nikolaus in Erfurt-Melchendorf e.V.“

zu gründen, mit dem Ziel, Geld für die Anschaffung einer neuen Orgel zu sammeln. Dieser Verein wurde auch tatsächlich im Oktober 1996 von acht Chormitgliedern des St. Nikolaus-Kirchenchores gegründet.

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Klingende Kirche Ohne Moos nichts los! Besonders aktiv beim Geldsammeln war der Bastelkreis der Gemein-de-Senioren. Sie veranstalteten unter anderem jährlich Weih-nachtsbasare, auf denen sie ihre „kleinen“ Kunstwerke verkauften und den Gelderlös spendeten. Auch der Kirchenchor tat sein Bestes.

Und außerdem: „Da gab es doch noch die Orgelpfeifen von der alten ausgebauten Orgel, wohlverwahrt, jedoch für ein späteres Orgelspiel kaum noch zu gebrauchen. Am besten wäre es, wenn die Orgelpfeifen zugunsten der neuen Orgel versteigern würden!“ Auch das brachte was ein!

Irgendwann hatte man das Geld zusammen! Die Pfarrgemeinde hatte überreich gespendet, Herr Pfarrer Althaus zeigte sich großzügig, der Kirchenvorstand tat was er konnte, irgendwann war alles in „trockenen Tüchern“ und dem Orgelneubau in St. Nikolaus stand nichts mehr im Wege.

Endlich war es soweit und am 13. Dezember 2009 erklang die neue Orgel „opus 10“ zum Lobe Gottes und zur Freude der Gemeinde.

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Die alten Orgelpfeifen zur Versteigerung vor dem Pfarrhaus im Hof des Gemeindezentrums aufgereiht.

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Klingende Kirche

Unsere Orgel in St. Nikolaus ist was ganz besonderes!

Dazu lassen wir den Orgelbaumeister Bernhard Kutter am besten selbst zu Wort kommen (gekürzt):

„Thüringen ist bekannt für seine vielfältige Orgellandschaft. Als Region in der Mitte Europas gab es insbesondere im 18. und 19. Jahrhundert rege Wechselbeziehungen zwischen den verschie-denen Orgelbaustilen.

Aus den letzten 50 Jahren ist mir in Thüringen kein Orgelbau bekannt, in dem das stilistische Gedankengut des französischen Großmeisters Aristide Cavaille-Colls verwirklicht worden wäre.

„opus 10“ ist meine Jubiläumsorgel, die in Thüringen einen außergewöhnlichen Platz in meinem eigenen bisherigen Schaffen einnimmt.

Im Geiste Cavaille-Colls gestaltet, will diese Orgel aber keine Stilkopie im üblichen Sinne sein. Da das Phänomen Orgel immer eine "Symbiose" von Raum und Instrument darstellt, ist es erforderlich, den Klang zu transformieren.

Im Verlauf der Intonation habe ich persönlich eine wachsende Freude bei der klanglichen Modellierung erfahren.

Möge diese neue Orgel zum Lobe Gottes und zu Freude der Menschen reichlich er-klingen!“

Bernhard Kutter/ Orgelbaumeister

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Orgelbaumeister Bernhard Kutter beim Einbau seiner Orgel „opus 10“

in Melchendorf St. Nikolaus

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Klingende Kirche

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„opus 10“, die neue Orgel in St. Nikolaus

Birgit Müller beim Orgelspiel an der Orgel „opus 10

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Singende Gemeinde

Ein „Ja!“ für den Kirchenchor Von Agnes Rudersdorf

Alles begann im Jahre 1920!

Man schreibt das Jahr 1926 und in der Kirchenchronik findet man einen Bericht, dass in jenem Jahr bereits das 6. Stiftungsfest gefeiert werden konnte.

Einige Namen bekannter Organisten und Chorleiter sind in Erinnerung geblieben, wie Studienrat Karl Weidenhaun und der Musiklehrer Johannes Kusch. Bei Johannes Kusch bekam Birgit Poltermann, unsere heutige Organistin und Chorleiterin als 8 jähriges Mädchen ihren ersten Klavierunterricht.

Mehrere Jahre später, allerdings nicht sehr lange, hatte man in St. Nikolaus keinen Organisten und das Orgelspiel unterblieb.

Zunächst blicken wir wieder zurück in das Jahr 1969. Im Februar desselben Jahres hatte Frau Birgit Müller, geb. Poltermann nach vierjährigem Studium an der evangelischen Kirchen-Musikschule Halle ihre B-Prüfung als Organistin und Chorleiterin bestanden und hatte natürlich den Wunsch in ihrer Heimatpfarrei eine Anstellung zu bekommen.

Kein Geld für solchen „Luxus“? Nach Aussage des damaligen Pfarrers Overhamm war die Gemeinde Melchendorf in großer Geldnot und konnte sich keine Organistin und Chorleiterin leisten. Pfarrer Eckard von der St. Georg-Gemeinde bekam „Wind davon“ und die junge Kirchenmusikabsolventin Birgit Müller bekam dort eine Anstellung als Organistin und gründete darüber hinaus in der St. Georggemeinde einen Kirchenchor.

Anfang der 1970er Jahre hat dann Herr Jochen Nußbaum das Orgelspiel in Melchendorf übernommen und von 1985 bis 1987 leitete Frau Johanna Arenhövel, spätere Landtagsabgeordnete in Thüringen, den Kirchenchor in St. Nikolaus.

Ein lang gehegter Wunsch ging in Erfüllung!

Am 01.Januar 1988 wechselte Frau Birgit Müller als Organistin und Chorleiterin zu ihrer Heimatgemeinde St. Nikolaus in Melchendorf.

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Singende Gemeinde

Bis zum heutigen Tag trägt Birgit Müller in unserer St. Nikolaus-Gemeinde die musikalische Hauptverantwortung als Organistin und Chorleiterin. Mit Herrn Nußbaum herrscht ein gutes Miteinander. Der Sonntagsgottesdienst, die Festgottesdienste an Feiertagen, diverse Konzerte, Hochzeiten, Beerdigungen, Taufen, Jubiläen, sowie Rundfunkgottesdienste und vieles mehr, das alles wird die vielen Jahre im Einklang mit ihrer Familie bis zum heutigen Tag gemeistert.

Chorleiterin mit „Leib und Seele“! Viele Mitglieder aus der Gemeinde St. Nikolaus haben oft Jahre oder auch kürzere Zeit seit 1988 im Kirchenchor mitgesungen. Jeden Dienstag, außer der Ferienzeit, wird regelmäßig in der Chorprobe fleißig geübt. Mit viel Freude und Verständnis für Familie und Beruf der Sänger und Sängerinnen leitet

Frau Birgit Müller mit großem Können, Sachverstand, Vertrauen und Geduld die

Chorarbeit in der Gemeinde St. Nikolaus

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Kirchenchor St. Nikolaus in der Klosterkirche in Münsterschwarzach/Franken

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Haus der kleinen Forscher

Der Katholische Kindergarten von St. Nikolaus

Von Claudia- Maria Maruschke Der Anfang!

Frau Thekla Eisenhuth vermachte, um ihre alleinstehende pflege-bedürftige Tochter nach ihrem Tod versorgt zu wissen, ihr ganzes Grundstück mit Gehöft der Katholischen Kirchgemeinde St Nikolaus in Erfurt-Melchendorf. Ihren Wunsch, eine Schwesternstation mit ambu-lanter Krankenpflege und einer Kinderverwahrschule entstehen zu lassen, trug sie dem damaligen Pfarrer Franz Otto vor. So wurden am 27. Oktober 1928 drei Vinzentiner-innen aus dem Fuldaer Mutterhaus nach Melchendorf zur Arbeit gesandt. Am 30. Oktober 1928 eröffnete im Schulzenweg 8 der neue Kinder-garten. 45 Kinder meldeten sich gleich am ersten Tag.

Während der schweren Zeit des NS-Regimes wurde den Ordens-schwestern der Kindergarten ent-zogen (1941-1945). Am 17. März 1945 zerstörten amerikanische Bom-ben dreiviertel des Anwesens. Im Mai 1945 fanden die Ordensschwestern zwei geeignete Räume in der Haarbergstraße für die Kinder. Den Wiederaufbau für ein Altenheim und einen Kindergarten förderten alle Melchendorfer nach dem Kriegsende.

So zog der Kindergarten im September 1946 in eine renovierte Scheune, in den Schulzenweg 13, um. Zuerst gab es nur einen großen Raum. Später kamen Garderobe, Waschraum, Toiletten und eine offene Kinderhalle hinzu. Eine Muttergottesgrotte ist uns bis zum heutigen Tage im Garten erhalten geblieben. Herr Clemens Albert hat diese nach dem Zweiten Weltkrieg erbaut. In russischer Gefangenschaft, dem Verhungern nahe, versprach er der Mutter Gottes, im Falle seines Überlebens Gutes für die Kirche zu tun. Sein Ansinnen wurde erhört,

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Haus der kleinen Forscher denn er kam zur Arbeit in die Gefangenen-Küche und entkam dadurch dem Hungertod. Dank seines Überlebens baute er im Oktober 1968 einen weiteren Gruppenraum an die ausgebaute Scheune. Die Schwestern sorgten sich bis etwa Ende der Sechzigerjahre um das Wohl der Kinder. Von 1978 bis 1983 gelang es den beiden diensthabenden Erzieherinnen den großen Raum aus Nachkriegszeiten völlig zu modernisieren.

Im Januar 1986 wurde das Schwesternhaus mit Altenheim aufgelöst.

Um mit den Vorbereitungen für einen Ersatzneubau zu beginnen, wurden außer einem Birnbaum alle Obstbäume am 22. November 1986 gefällt. Das Richtfest konnte am 08. April 1988 gefeiert werden. Fast ein Jahr später, am 07. Mai 1989, wurde der neue Kindergarten „St. Niko-laus“ (An der Waidwäsche 4) durch Bischof Wanke eröffnet.

54 Kinder zogen nun in drei Gruppenräume ein. Zunächst in alters-homogene und ab September 1990 in altersgenmischte Gruppen von zweieinhalb Jahren bis zum Schuleintritt. 2001 bekamen alle Erzie-herinnen die staatliche Anerkennung. Da wir uns als katholische Einrichtung dem Gedanken an die Schöpfung verpflichtet fühlen geben wir den Kindern die Möglichkeit den christli-

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Kindergarten St. Nikolaus in Erfurt-Melchendorf

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Haus der kleinen Forscher chen Glauben und die Naturwissenschaften kennen zu lernen. Wir gestalten regelmäßig einen Erntedank-, Advents- und einen Fasten-zeitgottesdienst für die Gemeinde und einen Programmpunkt zum Gemeindefest. Der Karnevalsclub lädt uns zu unserer großen Freude Faschingsdienstagvormittags zu sich in das Gemeindezentrum ein. Am 19. Juli 2012 wurde der Einrichtung das Zertifikat „Haus der kleinen Forscher“ überreicht und 2014 bis 2016 verlängert. Jetzt beteiligen wir uns seit zwei Jahren an dem bundesweiten Projekt “Kinderplanet“. Es geht um die Erhaltung unseres Planeten für die nächsten Generationen.

Insekten sind wichtig!

Ohne Insekten gäbe es kein Leben auf der Erde. Sie sichern den Fortbestand allen Lebens auf unserer Erde. Ohne

diese kleinen Helfer müssten wir auf viele Früchte verzichten – nie mehr Erdbeeren im Frühjahr und natürlich auch keinen Honig.

Im Juni 2014 erhielten wir als einziger Kindergarten Thüringens die Auszeichnung des Imkerverbandes „Thüringer

Bienenfreunde“. Der Grund dafür ist, dass wir den Kreislauf der Natur leben mit einer Kräuterspirale, einem Gemüsegarten, den die Kinder bebauen und den Obstbäumen, Blumenbeeten samt Komposthaufen und mehreren Insektenhotels (gebaut durch die Kinder). In unserem kleinen Kinder-restaurant kochen wir mit unseren Ernteprodukten oder bereiten Marmeladen und Kuchen für alle. Ernteüberschüsse bringen die Kinder regelmäßig nach dem Erntedankfest in die Suppenküche. So konnten wir durch den Verkauf unserer selbst gemachten Marmeladen auch einem Kindergarten in Halle/Saale nach der großen Flut helfen.

Jeder kann teilen, auch die Kleinen!

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Das fröhliche Dorf

„…so zwitschern schon die Jungen!“

Am Jahresanfang ist Karneval in Melchendorf!

Das Gemeindezentrum war fertig. Man schrieb das Jahr 1993. In einer fröhlichen Runde wurde der weitreichende Beschluss gefasst:

„Wir gründen in der Pfarrgemeinde Melchendorf einen Faschingsclub und nennen ihn FCSN (Faschingsclub

St. Nikolaus)!

Seit dieser Zeit gibt es bei St. Nikolaus Gemeindefasching, Senio-renfasching, Kinderfasching, und einen Rosenmontagsball. Seit 1998 nimmt der FCSN am Erfurter Karnevalsumzug mit einem eigenen Festwagen teil. Aber am 11.11. beginnt auch hier in Melchendorf die Karnevalssaison im Gemeindezentrum:

Hier ist immer was los!

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Fasching im Gemeindezentrum St. Nikolaus

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Junge Leute zum Fest

Königin-Luise -Gymnasium

Wir freuen uns, dass wir am 04. September in der Melchendorfer St. Nikolauskirche in der Festwoche zum 300 jährigen Jubiläum auftreten dürfen. Wir bringen die „Gospelmesse“ des österreichischen Komponisten Lorenz Maierhofer zu Gehör. Diese besteht aus klanglich attraktiven geistlichen Stücken. Weitere ausgewählte Stücke für Gesang und Bläser von den Musiklehrern bzw. Band runden das Programm ab.

Es wird ein Fest!

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Zwei gute Seelen in der Gemeinde Maria Heinemann, ist ein Glücksfall für die Melchen-dorfer Pfarrgemeinde.

Anfang der 1990ger Jahre über-nahm Maria Heinemann die Arbeit im Pfarrbüro.

Auch wer zum ersten Mal das Pfarr-büro betritt, stellt fest: Hier herrscht Ordnung!

Was wohl die Meisten an Maria Heinemann schätzen, ist neben ihrer Fachkompetenz ihr Frohsinn, und nicht zuletzt, ihre Freude am fröhlichen Witz.

Dieter Heinemann, der Ehemann von Maria Heine-mann, übernahm die Hausmei-sterstelle in St. Nikolaus.

Kaum war das Gemeindezentrum 1992 fertig, begann die grundle-gende Kirchensanierung. Der Kindergarten kam dazu. Seine Aufgaben wurden immer umfang-reicher.

Ohne Dieter Heinemann wäre in der St. Nikolaus-Gemeinde nichts so geworden, wie es heute ist.

Alles ist modern, sauber in einem vorbildlichen Zustand!

Von Agnes Rudersdorf und Otto Göldner

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Auch das war ein Melchendorfer

Aloys Nordmann –  ein junger Katholik! Mit Textauszügen aus dem Thüringer Tageblatt vom 11. 09. 1982 Von Agnes Rudersdorf 

 

Aloys Nordmann verlebte mit seinen Eltern und vier Geschwistern, drei Brüdern und einer Schwester, ab dem zehnten Lebensjahr seine Kindheit in der Haarbergstraße 50, in Melchendorf. Durch das frühe Kennenlernen des ersten politischen Gefangenlagers der Erfurter Nationalsozialisten in der Feldstraße, wo die Familie vorher wohnte, bildete sich bei den Eltern und auch bei den Kindern heftiger Widerstand gegen das verhasste Regime heraus. Trotz aller Anfeindungen in Beruf und Schule blieb die Familie ihren christlichen Überzeugungen treu. Doch die drei ältesten Söhne Gerhard, Aloys und Rudolf mußten in den Krieg ziehen. Der 25jährige Gerhard wurde als vermisst gemeldet, Rudolf fiel mit knapp 19 Jahren in der Sowjetunion und Aloys erlitt schwere Verwundungen. Im Lazarett erfuhr Aloys von dem großen Familienunglück und der von Bomben zerstörten Heimat.

Aus seiner Einstellung machte er keinen Hehl und bekannte vor seinen Kameraden: „…wenn sich jemand fände, der den Führer erschießt, so wäre ein 70-Millionen-Volk gerettet, und er würde als großer Mann in die Geschichte eingehen. Man müsse sich über je-den Fliegeralarm freuen, da er ein Schritt näher zum Frieden sei.“

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Auch das war ein Melchendorfer U

Und er ergänzte seinen Standpunkt: „…während seiner ganzen Soldatenzeit habe er noch keinen Schuß gegen den Feind abgegeben. Man solle lieber türmen, als sich erschießen lassen, es wäre ja doch alles umsonst.“

Er wurde denunziert. Es kam zum Prozess. Drei von den „Kameraden“ beschworen seine Aussage und Aloys wurde zum Tode verurteilt.

Seine letzten Worte, bevor Aloys Nordmann am 20. Oktober 1944 in Spandau standrechtlich erschossen wurde, waren:

„Ihr Mörder und Verbrecher, vielleicht steht ihr in acht bis zehn Wochen an derselben Stelle, wo ich heute stehe. Es lebe Christus der König und seine Gerechtigkeit.“

Die Familie Nordmann konnte den Leichnam ihr-es hingerichteten Sohnes im Oktober 1945 auf den Friedhof in Melchendorf überführen.

Sein Grab befindet sich an der Ostseite des Friedhofes.

Die Grabstätte ziert ein großes geschnitztes Holz-kreuz von der bekannten Bildhauerin Hildegard Hendrichs.

Auf dem Kreuz kann man die Aufschrift lesen:

„Christus als Sieger und König“ 

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Grabstätte von Aloys Nordmann aus Melchendorf

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Melchendorfer Anekdoten Der Hebbelritt

Früher hatte eine Zeitlang Alwin Kleebauer den Gemeinde- Ziegenbock. Der Hebbelbock war den ganzen Tag auf Weide (Der Garten am Schöntal). Eines Tages entschloss sich, die auch damals schon übermütige Schuljugend, den Bock zu reiten. Der Bock wurde in eine Ecke getrieben, und nacheinander gab sich jeder vergebliche Mühe, den Bock zu reiten. Nachdem jeder seinen Stoß oder Sturz abbekommen hatte, wurde das Unternehmen erfolglos abgebrochen. Da Kleebauers gerade mit Feldarbeit beschäftigt waren, wurde keiner der Übeltäter gesehen. Als Alwin Kleebauer abends seinen Hebbel-bock holen wollte, war der scheu und verschüchtert, was sonst nie seine Art war, außerdem war er von dem Ritt auch erheblich verletzt. Da Alwin Kleebauer gleich die Schuljugend ver-dächtigte, ging er sofort zum Lehrer Schade, um ihm die Sache zu melden. Am anderen Morgen ließ der Lehrer Schade, ohne ein Wort der Erklärung zu sagen, alle Jungen der Reihe nach vorkommen und beroch sie. Einige davon mußten vorn stehen bleiben, die anderen durften sich wieder auf ihre Plätze setzen. Dann holte er seinen Stock und verprügelte die vorn gebliebenen Jungen der Reihe nach durch. Im Anschluss fragte er die Prügelknaben, ob einer vielleicht nicht wüsste, weshalb er die Prügel bekommen habe, oder eventuell einer über-rochen worden ist. Es hat sich aber keiner gemeldet.

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Melchendorfer Anekdoten Der Spuk in der Steingasse

Von Adalbert Sänger, Gondolfstraße 19, 6362 Wöllstadt II, und Heinrich Durwitz, Linden

Bei Poltermanns, (Schäfchen) war in den 20er Jahren ein junges Mädchen zu Besuch. Mehrere Melchendorfer Burschen machten dem Mädchen den Hof, das sich bereits für Josef Eisenhut (Gastwirtschaft) entschieden hatte. Das Mädchen nahm an den kath. Gruppenstunden teil, und Josef durfte es anschließend nach Hause bringen. Dadurch wurde der Neid der Verschmähten noch erhöht, und einige Burschen entschlossen sich, ihn vor dem Mädchen gehörig zu blamieren. An einem Gruppenabend stellten sie sich, mit einem weißen Betttuch verkleidet, in der Nische hinter unseren Garten und warteten auf Josef und das Mädchen. Doch die Gruppenstunde hatte sich etwas ver-längert, und gemächlichen Schrittes kam „Ede“ Poltermann gelaufen. Als er das Gespenst sah, ging er darauf zu und sagte seelenruhig: „He, war beste du-e.“ Das Gespenst antwortete: „Ech bän der bi-ese Geist, o wäll dich mätnahme.“ Ede antwortete drauf: „Awer erscht wäll ech mi Ombru-ct asse.“

Als dann aber Josef und seine Freundin das Gespenst sahen, sind sie schreiend wieder ins Dorf zurückgerannt. Ganz Melchendorf soll aus dem Schlaf geschrien worden sein.

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Melchendorfer Anekdoten

Rosalie (Rosaule) Kleebauer: Von Adalbert Sänger, Gondolfstraße 19, 6362 Wöllstadt II

Rosaule war eine biedere Bauersfrau, die sich durch ihr gottloses Mundwerk in Melchendorf großen Respekt verschaffte. Wegen ihrer spitzen Zunge vermieden es Melchendörfer, mit ihr anzubinden. Rosaule Kleebauer war eine Expertin in der Gänsezucht. Ihre Kenntnisse über Daunen, Bettfedern, Gänsekrankheiten und alles, was mit Gänsen in Verbindung stand, fanden weit über die Grenzen Melchendorfs Anerkennung. Erwähnenswert ist noch, dass in Melchen-dorf bis in die 1930er Jahre die Gänsehaltung rege betrieben wurde. Rosaule Kleebauer betrieb die Gänsezucht nicht nur gewerbsmäßig, ihr war die Gänsezucht buchstäblich ans Herz gewachsen. Sie war eine Frau, die ihre Gefühle nur wenigen Leuten offenbarte. Nur zu besonderen Anlässen, in vertrauten Kreisen trug sie folgende Verse vor:

„Von allen Tieren, die Gott schuf, genießt die Gans den guten Ruf,

in ihrem kurzen Erdenleben den Menschen sehr viel Freud zu geben.

Eine gut gebratene Gans ist auch noch heute bei Gott, ein Stückchen Lebensfreude,

wer gar noch Daunen in der Decke hat dabei, der hat der Lebensfreuden zwei.“

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Sonntag 17:00 Uhr Eröffnungskonzert an der Orgel in der Kath. Kirche St. Nikolaus, Erfurt-Melchendorf, Schulzenweg 5 Es spielt: Konzertorganist Marcel Rode aus Nürnberg

30.08.2015

Dienstag 19:00 Uhr Festvortrag im Gemeindezentrum St. Nikolaus, Erfurt-Melchendorf, Schulzenweg 5

„Die Mainzer Küchendörfer“ Referent: Pfarrer Marcellus Klaus, St. Lorenz/Erfurt

01.09.2015

Mittwoch 16:00 Uhr Spiele-Nachmittag im Kindergarten, Erfurt-Melchendorf, An der Waidwäsche 4

19:00 Uhr Spiele-Abend für Jung und Alt im Gemeindezentrum St. Nikolaus, Erfurt-Melchendorf, Schulzenweg 5 Spielleitung: Frau Maruschke

02.09.2015

Donnerstag 15:00 Uhr Prozession und Segnung der Flurkreuze Prozessionsbeginn im Katholischen Kindergarten, Erfurt- Melchendorf, An der Waidwäsche 4

03.09.2015

Freitag 19:00 Uhr Gospelmesse für Jugend und Stadtjugend Konzert des Königin- Luisen- Gymnasiums Erfurt in der Kath. Kirche St. Nikolaus, Erfurt-Melchendorf, Schulzenweg 5 Leitung: Klaus Dettenbach und Eberhard Luschnitz

04.09.2015

Samstag Brunnenfest im Oberdorf „Alt Melchendorf“ 11:00 Uhr Beginn 14:00 Uhr Festumzug Veranstalter: Traditionsverein „Alt Melchendorf“ Kath. Kirchgemeinde St. Nikolaus Erfurt- Melchendorf

05.09.2015

Sonntag 14:00 Uhr St Nikolaus-Kirche in Erfurt-Melchendorf

Pontifikalamt mit

Bischof Dr. Ulrich Neymeyr

06.09.2015

Anschließend Begegnung im Gemeindezentrum St. Nikolaus

300 Jahre Kath. Kirche St. Nikolaus in Erfurt-Melchendorf Festwoche 30.08. bis 06.09.2015

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Erfurt und seine Kur- Mainzer Küchendörferim 17. und 18.Jahrhundert

Impressum: Herausgeber: Pfarrgemeinde St. Nikolaus Schulzenweg 5 99097 Erfurt-Melchendorf Pfarrer Wolfgang Hunold Redaktion Otto Göldner, Bernhard Wand, Reinhard Müller, Agnes Rudersdorf Dieter Heinemann, Fotos Dieter Heinemann, Pfarrarchiv Layout und Satz Otto Göldner Druck Christophorus Dienstleistungen gGmbH Bahnhofsallee 5 99098 Erfurt-Vieselbach