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MeteoSchweiz Der volkswirtschaftliche Nutzen von Meteorologie in der Schweiz - Verkehr und Energie Schlussbericht 15. Juni 2011 1075_vonumet1_20110615.doc

Der volkswirtschaftliche Nutzen von Meteorologie in der ... · Im Auftrag des Bundesamtes für Meteorologie und Klimatologie (MeteoSchweiz) erarbei-tete econcept eine empirisch fundierte

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MeteoSchweiz

Der volkswirtschaftliche Nutzen von Meteorologie in der Schweiz - Verkehr und Energie

Schlussbericht 15. Juni 2011 1075_vonumet1_20110615.doc

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Erarbeitet durch

econcept AG, Gerechtigkeitsgasse 20, CH-8002 Zürich

www.econcept.ch / + 41 44 286 75 75

AutorInnen

Stephanie Bade, lic. oec. publ.

Stefan von Grünigen, MA in Wirtschaftswissenschaften UZH

Walter Ott, lic. oec. publ., Raumplaner ETH/NDS, dipl. El. Ing. ETH

Mitarbeit

Nicole Kaiser, BA in Politikwissenschaften

Maurus Häcki, BSc in Geographie

Begleitet durch

Thomas Frei, MeteoSchweiz

Saskia Willemse, MeteoSchweiz

Yngve Abrahamsen. KOF (Konjunkturforschungsstelle der ETH Zürich)

Dank

Das Bearbeitungsteam dankt den Interviewpartnern aus den untersuchten Branchen für ihre grosse

Auskunftsbereitschaft und ihre wertvollen Informationen und Anregungen, ohne die die Arbeit in dieser Art

nicht möglich gewesen wäre.

Dateiname: 1075_vonumet1_20110615.doc Speicherdatum: 15. Juni 2011

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/ I

Inhalt

Abstract i

Zusammenfassung ii

1 Einleitung 1

1.1 Ausganglage und Zielsetzungen 1

1.2 Der Anonymitätsgrad der präsentierten Ergebnisse 2

1.3 Berichtsaufbau 2

2 Grundlagen 5

2.1 Meteorologische Dienstleistungen in der Schweiz 5

2.2 Nutzenaspekte von meteorologischen Informationen 7

2.3 Analyserahmen 8

2.4 Referenzzustand 9

2.5 Entstehung der verschiedenen Nutzenaspekte 10

2.5.1 Wirtschaftlichkeit von Unternehmen 10

2.5.2 Ressourceneinsparungen bei staatlichen Leistungserbringenden 11

2.5.3 Schadensvermeidung 12

2.5.4 Individuelle Nutzen 13

2.6 Die verwendeten Messgrössen 14

2.7 Erhebungskonzept 16

3 Strassenverkehr 17

3.1 Meteorologische Informationen im Strassenverkehr 17

3.2 Analyserahmen und Akteure 17

3.3 Wirkungsmodell 20

3.4 Übersicht zu den Befragungen 20

3.5 Winterdienste auf National- und Kantonsstrassen 22

3.5.1 Interviewte Winterdienste 24

3.5.2 Arbeitsweise der Winterdienste – Aussagen der Interviewpartner 24

3.5.3 Verwendung von meteorologischen Informationen – Aussagen der

Interviewpartner 25

3.5.4 Wirkung auf den Einsatz öffentlicher Mittel – Aussagen der

Interviewpartner 26

3.5.5 Wirkung auf die Qualität der Leistungserbringung – Aussagen der

Interviewpartner 27

3.5.6 Strassenverkehrsunfälle auf schneebedeckter, pflotschiger oder

vereister Fahrbahn 27

3.5.7 Drittleister 31

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II / Inhalt

3.5.8 Würdigung 32

3.5.9 Quantitative Ergebnisse und Hochrechnung 32

3.6 Verkehrsmanagement 38

3.6.1 Verkehrsmanagement in der Schweiz 38

3.6.2 Arbeitsweise der nationalen Verkehrsmanagementzentrale und Einfluss

des Wetters – Aussagen der Interviewpartner 38

3.6.3 Verwendung von meteorologischen Informationen – Aussagen der

Interviewpartner 39

3.6.4 Wirkung auf den Einsatz öffentlicher Mittel – Aussagen der

Interviewpartner 39

3.6.5 Wirkung auf die Qualität der Leistungserbringung – Aussagen der

Interviewpartner 40

3.6.6 Würdigung 40

3.7 Gütertransportunternehmungen 40

3.7.1 Die Gütertransportbranche in der Schweiz 40

3.7.2 Interviewte Transportunternehmen 42

3.7.3 Transportunternehmen mit Schwerpunkt Stückgut 42

3.7.4 Treibstofftransporte (Logistikeinheiten grosser Öl- und

Energieunternehmen) 45

3.7.5 Lebensmitteltransporte (Logistikeinheiten grosser

Lebensmittelkonzerne) 47

3.7.6 Bautransporte 53

3.8 Öffentlicher Strassenverkehr 55

3.8.1 Der Öffentlicher Strassenverkehr in der Schweiz 55

3.8.2 Interviewte ÖV-Unternehmen 58

3.8.3 Die Arbeitsweise der ÖV-Anbieter und der Einfluss des Wetters –

Aussagen der Interviewpartner 58

3.8.4 Verwendung von meteorologischen Informationen – Aussagen der

Interviewpartner 59

3.8.5 Wirkung auf die Wirtschaftlichkeit – Aussagen der Interviewpartner 59

3.8.6 Wirkung auf die Qualität der Leistungserbringung – Aussagen der

Interviewpartner 60

3.8.7 Würdigung 61

3.8.8 Quantitative Ergebnisse und Hochrechnung 62

3.9 Zusammenfassung Strassenverkehr 63

3.10 Vergleich mit internationalen Studien 66

4 Schienenverkehr 71

4.1 Meteorologische Informationen im Schienenverkehr 71

4.2 Analyserahmen und Akteure 72

4.3 Wirkungsmodell 73

4.4 Der Schienenverkehr in der Schweiz 75

4.5 Übersicht zu den Befragungen 78

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/ III

4.6 Eisenbahnkonzerne und -unternehmen mit eigener Infrastruktur 79

4.6.1 Arbeitsweise und der Einfluss des Wetters – Aussagen der befragten

Unternehmen 79

4.6.2 Verwendung von meteorologischen Informationen – Aussagen der

befragten Unternehmen 80

4.6.3 Wirkung auf die Wirtschaftlichkeit – Aussagen der befragten

Unternehmen 82

4.6.4 Wirkung auf die Qualität der Leistungserbringung – Aussagen der

befragten Unternehmen 82

4.7 Eisenbahnverkehrsunternehmen ohne eigene Infrastruktur 83

4.7.1 Arbeitsweise und der Einfluss des Wetters – Aussagen des befragten

Unternehmens 83

4.7.2 Verwendung von meteorologischen Informationen – Aussagen des

befragten Unternehmens 83

4.8 Kombinierter Verkehr 84

4.8.1 Arbeitsweise und der Einfluss des Wetters – Aussagen des befragten

Unternehmens 84

4.8.2 Verwendung von meteorologischen Informationen – Aussagen des

befragten Unternehmens 84

4.8.3 Wirkung auf die Wirtschaftlichkeit – Aussagen des befragten

Unternehmens 84

4.8.4 Wirkung auf die Qualität der Leistungserbringung – Aussagen des

befragten Unternehmens 85

4.9 Schadensvermeidung durch meteorologische Information 85

4.10 Würdigung 85

4.11 Zusammenfassung 87

4.12 Vergleich mit internationalen Studien 89

5 Aviatik 91

5.1 Meteorologische Informationen in der Aviatik 92

5.2 Analyserahmen und Akteure 93

5.2.1 Airlines 93

5.2.2 Flugsicherung 94

5.2.3 Landesflughäfen 95

5.2.4 Übersicht über die Akteure 95

5.3 Wirkungsmodell 96

5.4 Flugsicherung Skyguide 98

5.4.1 Verwendung von meteorologischen Informationen 98

5.4.2 Wirkung auf die Qualität der Leistungserbringung – Aussagen von

Skyguide 100

5.4.3 Wirkung auf die Wirtschaftlichkeit – Aussagen von Skyguide 102

5.5 Airlines 102

5.5.1 Verwendung von meteorologischen Informationen 102

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IV / Inhalt

5.5.2 Relevante meteorologische Aspekte 103

5.5.3 Referenzzustand und Analyseansatz 104

5.5.4 Aussagen der befragten Unternehmen zur Wirkung auf die

Wirtschaftlichkeit 106

5.5.5 Aussagen der befragten Unternehmen zur Wirkung auf die Qualität der

Leistungserbringung 109

5.5.6 Würdigung der Aussagen 110

5.6 Quantitatives Modell «TAF Zürich» 111

5.6.1 Modellbeschreibung 111

5.6.2 Wirtschaftlicher Nutzen des TAF 114

5.6.3 Datengrundlage 115

5.6.4 Resultate 117

5.7 Landesflughäfen 121

5.7.1 Verwendung von meteorologischen Informationen 121

5.7.2 Wirkung auf die Wirtschaftlichkeit - Aussagen der Akteure 121

5.7.3 Wirkung auf die Qualität der Leistungserbringung - Aussagen der

Akteure 123

5.7.4 Würdigung der Resultate 123

5.7.5 Hub-Funktion des Flughafens Zürich 124

5.8 Hochrechnungen 126

5.8.1 Airlines 126

5.8.2 Quantitatives Modell «TAF Zürich» 126

5.8.3 Landesflughäfen 128

5.9 Zusammenfassung 129

5.9.1 Staatsausgaben und Wertschöpfung 129

5.9.2 Schadenskosten 130

5.9.3 Individuelle Reisezeiten 131

5.10 Vergleich mit internationalen Studien 131

6 Elektrizitätswirtschaft 135

6.1 Meteorologische Informationen in der Elektrizitätswirtschaft 135

6.2 Analyserahmen und Akteure 135

6.3 Wirkungsmodell 137

6.4 Energieversorgungsunternehmen (EVU) 139

6.4.1 Relevante meteorologische Aspekte 142

6.4.2 Verwendung von meteorologischen Informationen 143

6.4.3 Aussagen der befragten Unternehmen zur Wirkung auf die

Wirtschaftlichkeit 146

6.4.4 Aussagen der befragten Unternehmen zur Wirkung auf die Qualität der

Leistungserbringung 150

6.4.5 Würdigung der Resultate aus der Befragung der EVU 151

6.4.6 Hochrechnung 153

6.5 Nationale Netzgesellschaft Swissgrid 157

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/ V

6.5.1 Aussagen zur Verwendung und zum Nutzen von meteorologischen

Informationen 157

6.6 Schadensmanagement 158

6.6.1 Nutzen von meteorologischen Informationen - Aussagen der befragten

Akteure 159

6.7 Zusammenfassung 159

6.7.1 Staatsausgaben 160

6.7.2 Wertschöpfung 160

6.7.3 Schadenskosten 161

6.8 Vergleich mit internationalen Studien 161

7 Der volkswirtschaftliche Nutzen der Meteorologie in der

Schweiz – Verkehr und Energie 165

7.1 Der Nutzen der Meteorologie 165

7.2 Kosten-Nutzen-Überlegungen 168

Anhang 169

A-1 Strassenwetter-Produkte 169

A-2 Verwendete statistische Daten 173

A-3 Referenzzustand Aviatik 175

Quellenverzeichnis 177

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/ i

Abstract

Im Auftrag des Bundesamtes für Meteorologie und Klimatologie (MeteoSchweiz) erarbei-

tete econcept eine empirisch fundierte Studie zum volkswirtschaftlichen Nutzen von me-

teorologischen Informationen in der Schweiz.

Wie in anderen Gebieten staatlich subventionierter Leistungserbringung besteht auch bei

meteorologischen Informationen ein politisches und verwaltungsökonomisches Bedürfnis,

ihren volkswirtschaftlichen Nutzen auszuweisen oder mindestens abzuschätzen. In der

vorliegenden Studie wurde der Nutzen von meteorologischen Informationen in den Berei-

chen Strassenverkehr, Schienenverkehr, Aviatik und Elektrizitätswirtschaft analysiert. Sie

ist die erste empirisch fundierte Arbeit zu dieser Fragestellung in der Schweiz.

In rund 50 Interviews, ergänzt durch umfangreiche Recherchen, wurden die Verwendung

von meteorologischen Informationen und die Einschätzungen der Nutzenden über die

Wirkungen dieser Informationen auf die Messgrössen Staatsausgaben, Wertschöpfung,

Schadenskosten und individuelle Reisekosten erhoben. Im Bereich der Aviatik wurde

zusätzlich ein quantitatives Entscheidungsmodell konstruiert und angewendet. Die Er-

gebnisse wurden anschliessend auf die Wirtschaftsbereiche Energie und Verkehr hoch-

gerechnet.

Die resultierenden volkswirtschaftlichen Nutzen von meteorologischen Dienstleistungen

in den Wirtschaftsbereichen Energie und Verkehr betragen rund 93 bis 113 Mio. CHF pro

Jahr. Rund 6-13 Mio. CHF pro Jahr des in dieser Studie quantifizierten Nutzens resultie-

ren im Energiebereich und 86-100 Mio. CHF pro Jahr im Verkehrsbereich. Dabei ist je-

doch zu beachten, dass die hier quantifizierten Nutzen sowohl für die untersuchten Wirt-

schaftsbereiche, wie auch für die Gesamtwirtschaft nur eine Minimalschätzung darstellen:

— Ein relevanter Teil der Nutzen meteorologischer Dienstleistungen in den untersuchten

Wirtschaftsbereichen konnte nicht quantifiziert werden.

— Die quantitative Analyse in der Aviatik beschränkt sich auf nur eine der erbrachten

meteorologischen Dienstleistungen in der Schweiz (Flughafenwetterprognose).

— Die individuelle Verwendung von meteorologischen Informationen durch Private und

deren Nutzen wurde nicht berücksichtigt.

— Alle Nutzen meteorologischer Informationen ausserhalb der Wirtschaftsbereiche

Energie und Verkehr wurden nicht erfasst.

Die Ergebnisse der vorliegenden Studie lassen deshalb den Schluss zu, dass der volks-

wirtschaftliche Gesamtnutzen der Meteorologie deutlich über den ausgewiesenen Nutzen

von 93 bis 113 Mio. CHF pro Jahr liegt und die Kosten von MeteoSchweiz von 80 Mio.

CHF pro Jahr deutlich übersteigen. Diese Feststellung gilt umso mehr, als MeteoSchweiz

neben den meteorologischen Dienstleistungen auch noch klimatologische Dienstleistun-

gen erbringt, deren volkswirtschaftlicher Nutzen hier ausgeklammert wurde.

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ii / Zusammenfassung

Zusammenfassung

Im Auftrag des Bundesamtes für Meteorologie und Klimatologie (MeteoSchweiz) erarbei-

tete econcept eine empirisch fundierte Studie zum volkswirtschaftlichen Nutzen von me-

teorologischen Informationen in der Schweiz.

Ausgangslage und Fragestellung

Wie in anderen Gebieten der staatlich (teil-)finanzierten Leistungserbringung besteht

auch bei meteorologischen Informationen ein politisches und verwaltungsökonomisches

Bedürfnis, ihre volkswirtschaftlichen Nutzen auszuweisen. Seit mehreren Jahrzehnten

wird deshalb vor allem in den USA mit unterschiedlichen Methoden versucht, die Bedeu-

tung von Wetterdiensten auf volkswirtschaftlicher Ebene zu erfassen. Aufgrund der Kom-

plexität der Thematik werden in der Regel die Auswirkungen von meteorologischen In-

formationen bei einzelnen Wirtschaftsbereichen oder Branchen betrachtet. Eine Übertra-

gung dieser Resultate auf die Schweiz ist kaum möglich, da sich sowohl die Wirtschafts-

bereiche bezüglich Struktur, Technologie und volkswirtschaftlicher Bedeutung als auch

die Rahmenbedingungen in den USA und in der Schweiz teilweise stark unterscheiden.

In der vorliegenden Studie wird erstmals versucht, empirisch fundierte Daten zu den ge-

samtwirtschaftlichen Nutzen von Wetterdiensten für die Schweiz vorzunehmen. Anhand

von Fallbeispielen in den Bereichen Strassenverkehr, Schienenverkehr, Aviatik und

Elektrizitätswirtschaft, welche anschliessend hochgerechnet werden, leistet diese Arbeit

einen relevanten Beitrag zur Quantifizierung von volkswirtschaftlichen Nutzen der Meteo-

rologie in der Schweiz. Ausserdem konnte im Rahmen dieser Studie bisher fehlendes

Wissen über die konkrete Verwendung von meteorologischen Informationen generiert

werden, was Voraussetzung für aussagekräftige Ergebnisse und weitere Untersuchungen

ist.

Meteorologische Informationen werden in der Schweiz von verschiedenen Anbietern zur

Verfügung gestellt und teilweise kommerziell vertrieben. Die Anteile der verschiedenen

Anbieter an den ermittelten volkswirtschaftlichen Nutzen der Meteorologie wurden im

Rahmen dieser Studie nicht ermittelt.

Ergebnisse

In den Wirtschaftsbereichen Verkehr und Energie betragen die quantifizierbaren volks-

wirtschaftlichen Nutzen der Meteorologie mindestens 93 bis 113 Mio. CHF pro Jahr (vgl.

Tabelle 1). Aufgrund des begrenzten Analyserahmens und der Vielzahl von nicht quanti-

fizierbaren Effekten ist dieser Wert als Minimalwert für die tatsächlichen Nutzen von me-

teorologischen Informationen in diesen Wirtschaftsbereichen zu verstehen.

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/ iii

Wirtschaftsbereich / Branche Quantifizierbarer Nutzen pro Jahr

Strassenverkehr 66-80 Mio. CHF/a

Schienenverkehr 0.3-0.4 Mio. CHF/a

Verkehr

Aviatik 20 Mio. CHF/a

Energie Elektrizitätswirtschaft 6-13 Mio. CHF/a

Summe 93-113 Mio. CHF/a

Tabelle 1: Quantifizierbarer Teil der volkswirtschaftlichen Nutzen meteorologischer Informationen in den Wirtschaftsbereichen Verkehr und Energie in der Schweiz. Diese Werte sind aufgrund des be-grenzten Analyserahmens und der Vielzahl von nicht quantifizierbaren Effekten als Minimalwert für die tatsächlichen Nutzen von meteorologischen Informationen zu verstehen.

Figur 1 zeigt zusätzlich die Aufteilung des quantifizierbaren Teils der Nutzen auf die ver-

schiedenen untersuchten Branchen. Zu beachten ist, dass der nicht untersuchte oder

nicht quantifizierte Anteil der verschiedenen Branchen unterschiedlich gross ist und sich

die relativen Anteile nur auf die quantifizierten Nutzen dieser Studie beziehen.

Aviatik19.5%

Schienenverkehr0.3%

Elektrizitätswirtschaft9.2%

Strassenverkehr71.0%

Strassenverkehr

Schienenverkehr

Aviatik

Elektrizitätswirtschaft

econcept

Figur 1: Aufteilung des quantifizierbaren Teils der volkswirtschaftlichen Nutzen auf die vier untersuchten Branchen (die Graphik basiert auf den Durchschnittswerten der einzelnen Branchen).

Aus folgenden Gründen sind die ausgewiesenen Nutzen nur ein Teil des Gesamtnutzens

der Meteorologie:

— Nicht quantifizierbare Nutzen: Im Rahmen dieser Studie wurden in allen untersuch-

ten Branchen Nutzen gefunden, die aufgrund fehlender Datengrundlagen nicht quan-

tifiziert werden konnten. Dies betrifft einerseits die durch die Verwendung von meteo-

rologischen Informationen vermiedenen Schadens- und Unfallkosten sowie die Sen-

kung von Reisezeitkosten. Die Aussagen der befragten Akteure zeigen, dass diese

Nutzen existieren und in einem relevanten Umfang vorhanden sind.

Ausserdem beschränkt sich die quantitative Analyse in der Aviatik auf nur eine der

erbrachten meteorologischen Dienstleistungen in der Schweiz (Flughafenwetterprog-

nose), weil bei den anderen Dienstleistungen keine quantitativen Aussagen möglich

waren.

Daher stellen die quantifizierten volkswirtschaftlichen Nutzen eine Minimalschätzung dar.

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iv / Zusammenfassung

— Nicht berücksichtige individuelle Verwendung meteorologischer Informationen:

Die Nutzen aus der individuellen Verwendung von meteorologischen Informationen

durch Privatpersonen werden in der vorliegenden Studie nicht ermittelt. Individuen

nutzen meteorologische Informationen als Konsumgut, zum Beispiel indem sie bei ih-

rer Verkehrsmittelwahl im Alltag oder bei der Freizeitgestaltung das Wetter berück-

sichtigen. Das breite Interesse an meteorologischen Informationen deutet darauf hin,

dass die Nutzen aus der individuellen Verwendung von meteorologischen Informatio-

nen beträchtlich sind.

— Nicht berücksichtige Wirtschaftsbereiche: Die Nutzen von meteorologischen In-

formationen in den übrigen hier nicht untersuchten Wirtschaftsbereichen werden nicht

erfasst. Zumindest für die Bereiche Tourismus, Landwirtschaft, Bauwirtschaft, Versi-

cherungen und Freizeit (Kultur, Sport, Unterhaltung) weisen die vorhandenen Unter-

suchungen darauf hin, dass meteorologische Informationen Nutzen generieren.

— Nicht berücksichtige Teile in den untersuchten Wirtschaftsbereichen: Zusätzlich

wurden auch innerhalb der untersuchten Wirtschaftsbereiche einzelne Teilbereiche

aus der Untersuchung ausgeschlossen. Dies betrifft beispielsweise die nicht-

gewerbliche Fliegerei oder die Energieversorgungsunternehmen ausserhalb der

Elektrizitätswirtschaft (z.B. Erdgasversorger).

Folgerung: Die hier ausgewiesenen und quantifizierten Nutzen stellen sowohl für die

untersuchten Wirtschaftsbereiche im einzelnen, als auch für die Gesamtwirtschaft nur

einen Teil des gesamtwirtschaftlichen Nutzens meteorologischer Informationen dar. Sie

entsprechen daher einer Minimalschätzung für den resultierenden Nutzen der meteorolo-

gischen Informationen in der Schweiz. Zudem werden beim Bundesamt für Meteorologie

und Klimatologie neben den meteorologischen Dienstleistungen auch viele klimatologi-

sche Dienstleistungen erbracht, welche in den Betrachtungen dieser Studie vollständig

ausgeschlossen waren.

Kosten-Nutzen-Überlegung

MeteoSchweiz weist ein Jahresbudget von rund 80 Mio. CHF auf, davon sind etwa 44

Mio. CHF direkte Bundesbeiträge. Die hier quantifizierten volkswirtschaftlichen Nutzen in

den betrachteten Wirtschaftsbereichen von rund 93 bis 113 Mio. CHF pro Jahr sind be-

reits grösser als das Jahresbudget von MeteoSchweiz. Bei dieser Kosten-Nutzen-

Überlegungen ist allerdings Folgendes zu beachten:

— Ein Teil des im Rahmen der vorliegenden Studie quantifizierten volkswirtschaftlichen

Nutzens wird durch andere Anbieter meteorologischer Produkte generiert, die zwar

meistens Daten von MeteoSchweiz beziehen, diese jedoch teilweise mit weiteren Da-

ten kombinieren oder weiterverarbeiten.

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/ v

— Nicht nur die Produktion meteorologischer Produkte verursacht Kosten, sondern auch

ihre Verwendung in den Unternehmen und staatliche Stellen.1

Die Kosten der übrigen Produzenten von meteorologischen Informationen sowie die Kos-

ten, die bei der Nutzung von meteorologischen Informationen anfallen, müssen bei einer

vollständigen Kosten-Nutzen-Analyse berücksichtigt werden. Im Rahmen der vorliegen-

den Studie wurden sie nicht erhoben.

Die diversen hier nicht quantifizierten Nutzen führen zum Schluss, dass der volkswirt-

schaftliche Gesamtnutzen der Meteorologie deutlich über den hier ausgewiesenen Nut-

zen liegt. Daher dürften auch die volkswirtschaftlichen Nutzen von MeteoSchweiz deut-

lich höher sein als die durch MeteoSchweiz verursachten Kosten. Dies umso mehr, als

MeteoSchweiz neben den meteorologischen Dienstleistungen auch noch viele klimatolo-

gische Dienstleistungen erbringt, deren volkswirtschaftlicher Nutzen in der vorliegenden

Studie bewusst ausgeklammert wurde.

Methodik

Für die Untersuchung des volkswirtschaftlichen Nutzens wurden die Messgrössen

Staatsausgaben, Wertschöpfung, Schadenskosten und individuelle Reisekosten verwen-

det. Dabei wurde die Verwendung von meteorologischen Informationen durch Unterneh-

men und Infrastrukturbetreiber untersucht, nicht jedoch die Verwendung durch Privatper-

sonen (vgl. Figur 3).

Um den volkswirtschaftlichen Nutzen zu erheben, wurde ein präskriptiver Decision-

Making-Ansatz angewendet (vgl. hierzu Katz, Murphy 1997, Gunasekara 2004 sowie

Infras 2008). Der Decision-Making-Ansatz basiert auf der Annahme, dass meteorologi-

sche Informationen gewisse Entscheidungen beeinflussen können. Der Nutzen der mete-

orologischen Informationen, gemessen an den eingangs erwähnten Messgrössen, ent-

spricht dabei dem Unterschied zwischen der Situation mit und ohne meteorologische

Informationen. Die ermittelten Ergebnisse gelten jeweils ceteris paribus, d.h. unter sonst

gleich bleibenden Umständen.

Insgesamt wurden 46 Gespräche unterschiedlicher Länge mit 59 Interviewpartnern aus

verschiedenen Akteurgruppen geführt. Dabei wurde einerseits erhoben, bei welchen Tä-

tigkeiten und wie meteorologische Informationen einen entscheidenden Einfluss haben.

Anderseits wurden die interviewten Akteure gebeten, die Effekte von meteorologischen

Informationen auf die Wirtschaftlichkeit bzw. auf die Kosten der Leistungserbringung so-

wie auf die Qualität der erbrachten Leistungen abzuschätzen. Die Aussagen der einzel-

nen Akteure wurden plausibilisiert und innerhalb der Branche hochgerechnet. Auf der

Basis bestehender internationaler Arbeiten (Leight et al. 1995) wurde für die Airlines zu-

sätzlich ein quantitatives Entscheidungsmodell konstruiert, mit dem ein Teilnutzen von

meteorologischen Informationen für Fluggesellschaften erhoben werden konnte.

1 Beispiel: Weiterverarbeitung der meteorologischen Informationen innerhalb der Unternehmen verursacht Personalkosten.

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vi / Zusammenfassung

Aufgrund der Hochrechnung von Fallbeispielen auf ganze Branchen oder Gruppen von

staatlichen Leistungserbringenden bestehen beträchtliche Unsicherheitsbereiche. Dies

trifft insbesondere auf Bereiche zu, bei denen die Anzahl durchgeführter Interviews in

Relation zur Diversität und Grösse der Branche relativ gering ist (beispielsweise bei den

Strassentransportunternehmen).

econcept

Figur 2: Meteorologische Informationen führen zu Ressourceneinsparungen, zusätzlichen Erträgen, Scha-densvermeidung und individuellen Nutzen (in Anlehnung an INFRAS (2008)). Die gestrichelten Li-nien bezeichnen Wirkungszusammenhänge, die ausserhalb des hier geltenden Analyserahmens liegen und die hier nicht erfasst werden.

METEOROLOGISCHE INFORMATIONEN

Info

rmat

ione

n al

s

PR

OD

UK

TIO

NS

TER

In

form

atio

nen

als

K

ON

SU

MG

ÜTE

R

UNTERNEHMEN

Beispiele Verkehr:

- Routenplanung

- Anpassung Trans-portmittel

Beispiel Energie: - Lastprognose

PRIVATE

- Reiseplanung

- Anpassung Transport-mittel

NU

TZE

NA

SP

EK

TE

INFRASTRUKTUR-BETREIBER

(Staat oder Unterneh-men, i.d.R. in staatli-

chem Auftrag) - Gewährleistung funk-

tionsfähige Infra-struktur

- Gewährleistung eines optimalen Betriebes der Infrastruktur (Si-cherheit, Auslastung, Spitzenlastmanage-ment)

RESSOUREN & ERTRÄGE - Steigerung der Wirtschaft-

lichkeit von Unternehmen.

- Ressourceneinsparungen bei staatlichen Stellen

SCHADENSVERMEIDUNG - bei öffentlicher und privater

Infrastruktur und Betriebs-mitteln.

- Reduktion Unfall- und Gesundheitsschäden.

INDIVIDUELLER NUTZEN - Zeitersparnis.

- Mehr Bedürfnisbefriedigung und Wohlbefinden.

ME

SS

GR

ÖS

SE

N

WERTSCHÖPFUNG

SCHADENSKOSTEN

UNFALLKOSTEN

GESUNDHEITSKOSTEN

REISEKOSTEN

STAATSAUSGABEN

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/ 1

1 Einleitung

1.1 Ausganglage und Zielsetzungen

Wie auch in anderen Gebieten der staatlich (teil-)finanzierten bzw. subventionierten Leis-

tungserbringung besteht auch bei Wetter- und Klimadiensten ein Bedürfnis, ihren volks-

wirtschaftlichen Nutzen auszuweisen. Seit mehreren Jahrzehnten wird denn auch vor

allem in den USA versucht, mittels verschiedener Methoden die Bedeutung von Wetter-

und Klimadiensten auf volkswirtschaftlicher und gesamtgesellschaftlicher Ebene zu er-

fassen. Aufgrund der Weite und Komplexität der Thematik werden in der Regel jeweils

einzelne Wirtschaftsbereiche oder -branchen betrachtet. Der Fokus liegt oftmals auf den

Bereichen Landwirtschaft, Energie, Transport, Luftfahrt und Tourismus. Ziel dieser For-

schung ist der Aufbau erweiterter Kenntnisse der nationalen Wetterdienste über die Ver-

wendung und den Nutzen ihrer Produkte, um langfristig den volkswirtschaftlichen Ge-

samtnutzen maximieren zu können.

Für die Schweiz wurden bisher noch keine empirischen Arbeiten zu diesem Thema

durchgeführt. Mit der Machbarkeitsstudie «Volkswirtschaftliche Bedeutung der Wetter-

dienste in der Schweiz» aus dem Jahr 2008 wurde jedoch ein erster Schritt getätigt.

Grundlage dieser Machbarkeitsstudie war die einschlägige internationale Literatur der

letzten Jahrzehnte.

In einem ersten Schritt wurden die verschiedenen Methoden, welche in den untersuchten

empirischen Arbeiten verwendet wurden, analysiert und bewertet. In einem zweiten

Schritt wurden die Resultate der Studien, aufgegliedert nach Wirtschaftsbranchen und

Nutzergruppen, aufgelistet. Mit dem dritten Schritt wurde schliesslich versucht, die Er-

gebnisse der untersuchten Studien mittels Hochrechnung auf die Schweiz zu übertragen.

Zurecht wurde aber auf einige grundlegende Probleme bei der Übertragung von Studien

aus dem Ausland auf die Schweiz hingewiesen. So beziehen sich die untersuchten Stu-

dien oft auf die USA. Viele Wirtschaftsbereiche oder -branchen in den USA (und auch in

anderen Ländern) unterscheiden sich aber stark von jenen in der Schweiz, unter ande-

rem bezüglich Struktur, Technologie und volkswirtschaftlicher Bedeutung. So ist bei-

spielsweise die US-amerikanische Landwirtschaft nur schwer mit jener der Schweiz ver-

gleichbar. Die Betriebe sind deutlich grösser, wodurch andere Technologien und Bewirt-

schaftungsformen eingesetzt werden, und die Landwirtschaft hat in den USA eine deut-

lich grössere Bedeutung als in der Schweiz. In der Schweiz hat hingegen beispielsweise

die Wasserkraft innerhalb der Energiebranche eine viel höhere Bedeutung als in vielen

anderen Ländern.

Da sich also Ergebnisse aus dem Ausland nur bedingt auf die Schweiz übertragen las-

sen, sollten bei der Betrachtung der hiesigen Situation spezifisch für die Schweiz Daten

erhoben werden. Da sich aber der volkswirtschaftliche Nutzen aus einer Vielzahl von

Einzelnutzen verschiedener Akteure zusammensetzt, ist seine Erfassung komplex und

aufwendig. In der erwähnten Machbarkeitsstudie wird deshalb die Empfehlung abgege-

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2 / 1 Einleitung

ben, in Rahmen einer Hauptstudie in verschiedenen Branchen der Schweiz Fallstudien

durchzuführen und die so gewonnenen Ergebnisse anschliessend auf die gesamten

Branchen hochzurechnen. Dieser Vorschlag erlaubt, bisher fehlendes Wissen über die

konkrete Verwendung von meteorologischer Information in den verschiedenen Wirt-

schaftsbranchen zu generieren, was die Vorraussetzung für aussagekräftige und an-

schauliche Ergebnisse ist.

Mit der Erhebung von Fallbeispielen in vier Branchen (Strassenverkehr, Schienenver-

kehr, Aviatik und Elektrizitätswirtschaft) und der anschliessenden Hochrechnung der Er-

gebnisse leistet diese Arbeit deswegen einen relevanten Beitrag zur Quantifizierung des

volkswirtschaftlichen Nutzens der Meteorologie in der Schweiz.

Meteorologische Informationen werden in der Schweiz von verschiedenen Anbietern zur

Verfügung gestellt und kommerziell vertrieben. Die Anteile dieser verschiedenen Anbieter

am volkswirtschaftlichen Nutzen der Meteorologie wurden im Rahmen dieser Studie nicht

ermittelt. Insbesondere wurde nicht erhoben, wie gross der volkswirtschaftliche Nutzen

des Bundesamtes für Meteorologie MeteoSchweiz ist.

1.2 Der Anonymitätsgrad der präsentierten Ergebnisse

Im Bericht werden die Analysen und Ergebnisse mit unterschiedlichen Graden der Ano-

nymisierung der befragten Unternehmen, staatlichen Stellen und Experten dargestellt.

Grundsätzlich wurden die Analysen und Ergebnisse wann immer möglich anonymisiert.

Bei einigen Unternehmen, die innerhalb ihrer Branchen stark dominant sind oder sogar

eine Monopolstellung inne haben2, war aber eine Anonymisierung nicht in sinnvoller Wei-

se möglich. Deswegen werden die Namen in diesen Fällen mit Einverständnis der Betrof-

fenen explizit genannt.

1.3 Berichtsaufbau

Der Bericht gliedert sich wie folgt:

— In Kapitel 2 liefert einige Informationen zur Meteorologie in der Schweiz und zum

Begriff des volkswirtschaftlichen Nutzens.

— Kapitel 3 behandelt den Strassenverkehr mit den Winterdiensten auf den National-

und Kantonstrassen, dem Verkehrsmanagement, den Gütertransportunternehmen

und dem öffentlichen Strassenverkehr.

— Kapitel 4 befasst sich mit dem Schienenverkehr, wobei Eisenbahnkonzernen und -

unternehmen mit und ohne eigene Infrastruktur sowie der kombinierte Verkehr be-

trachtet werden.

2 zum Beispiel die Bahnunternehmen SBB, BLS, RhB oder die Flugsicherung Skyguide

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— Kapitel 5 behandelt den Bereich Aviatik, in dem vor allem Airlines, die Flugsicherung

und die Landesflughäfen betrachtet werden.

— Kapitel 6 dreht sich um die Elektrizitätswirtschaft, wobei Energieversorgungsunter-

nehmen und Swissgrid behandelt werden.

— Kapitel 7 schliesslich fasst die Ergebnisse der vorangehenden Kapitel zusammen.

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/ 5

2 Grundlagen

2.1 Meteorologische Dienstleistungen in der Schweiz

Auf dem Schweizer Meteomarkt steht wie in den meisten Ländern ein nationaler Wetter-

dienst im Zentrum: MeteoSchweiz. MeteoSchweiz ist ein Bundesamt (Bundesamt für

Meteorologie und Klimatologie) und ist angegliedert an das Eidgenössische Departement

des Innern. MeteoSchweiz ist einerseits zu Leistungen gemäss dem staatlich definierten

Grundauftrag verpflichtet. Diese umfassen die Sicherstellung und Wartung der Basisinf-

rastruktur sowie die Lieferung von Basisdaten und -Produkten. Neben dem Grundauftrag

erbringt MeteoSchweiz aber auch marktliche Leistungen in Form von spezialisierten Pro-

dukten und Dienstleistungen, welche verkauft werden. MeteoSchweiz steht somit in di-

rekter Konkurrenz mit den sieben privaten Anbietern.

Die sieben privaten Anbieter sind in den letzten 25 Jahren entstanden. Die Entstehung

und die Existenz von privaten Anbietern wurden durch technologische Forschritte in der

Informationstechnologie und durch die Liberalisierung der meteorologischen Märkte in

den Achtziger-Jahren ermöglicht. Etablieren konnten sich die privaten Firmen insbeson-

dere im Medienbereich in der Deutschschweiz, mit Wetterprognosen für Tageszeitungen,

Radio, Fernsehsendungen und Online-Portale im Inland und im nahen Ausland. Die pri-

vaten Anbieter stehen aber nicht nur bezüglich entgeltlicher Leistungen mit Mete-

oSchweiz in Konkurrenz. Grosse Firmen wie Meteomedia betreiben eigene Messnetze

und erheben somit selber Daten. Daneben konkurrieren kleinere Firmen im Bereich For-

schung und Entwicklung sowie bei der Zusammenarbeit mit öffentlichen Institutionen mit

MeteoSchweiz.

Unternehmen # Mitarbeiter Einnahmen [CHF] Spezialgebiete

MeteoSchweiz 270 – Dienstleistungserlöse: ca. 34 Mio.

– Bundessubventionen: ca. 44 Mio.

Erbringt das ganze Spektrum von meteorologischen Dienstleistungen. Der aktuelle Leistungsauftrag teilt die gesetzlichen Aufgaben auf 5 Produktgruppen auf: 1. Wettervorhersagen und Warnungen 2. Flugwetter 3. Meteorologische Daten 4. Klimainformationen 5. Erweiterte Dienstleistungen

Meteomedia 100 20 Mio. Medienbereich D und Ö, Unwetterwarnungen

MeteoNews 30 3 Mio. Medienbereich CH und F

Meteotest 25 3 Mio. Software, Medien & Schadstoffprognosen

SF Meteo 14 nicht bekannt Medienbereich deutschsprachige Schweiz

Meteodat 6 nicht bekannt Ausbildung, Hydrologie, Klimatologie & Risikomanage-ment

Meteoblue nicht bekannt nicht bekannt Computeranimationen

Meteoradar nicht bekannt nicht bekannt Nowcasting, Radarinterpretation. Kurzfristige Vorhersa-gen und Warnungen

Tabelle 2: Akteure auf dem Schweizer Meteo-Markt (Zahlen aus dem Jahr 2007. Quelle: EFK 2008)

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6 / 2 Grundlagen

Im Gegensatz zu den übrigen Anbietern werden SF Meteo und MeteoSchweiz als Erbrin-

ger von meteorologischen Dienstleistungen teilweise durch Bundesgelder finanziert. Me-

teoSchweiz war eines der ersten Bundesämter, welches als FLAG-Amt3 ausgestaltet wur-

de. Das Bundesamt verfügt als FLAG-Amt über ein Globalbudget, mit welchem es die

gesetzlich festgelegten Leistungsaufträge erfüllen muss. Mit den Erträgen aus dem Ver-

kauf von marktlichen Leistungen deckte MeteoSchweiz im Jahr 2007 44 Prozent des Ge-

samtaufwandes von rund 80 Millionen Franken. Für den verbleibenden Teil kommt je-

weils der Bund auf. Das heisst, zu etwa 56 Prozent wurde MeteoSchweiz im Jahr 2007

durch den Bund finanziert.

3 FLAG: Führung mit Leistungsauftrag und Globalbudget

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/ 7

2.2 Nutzenaspekte von meteorologischen Informationen

«Volkswirtschaftlicher Nutzen von meteorologischen Informationen»

econcept

Figur 3: Meteorologische Information führt zu Ressourceneinsparungen, zusätzlichen Erträgen, Schadens-vermeidung und individuellen Nutzen (in Anlehnung an INFRAS (2008)). Die gestrichelten Linien bezeichnen Wirkungszusammenhänge, die ausserhalb des Analyserahmens liegen, vgl. Kapitel 2.3.

METEOROLOGISCHE INFORMATIONEN

Info

rmat

ione

n al

s

PR

OD

UK

TIO

NS

TER

In

form

atio

nen

als

K

ON

SU

MG

ÜTE

R

UNTERNEHMEN

Beispiele Verkehr:

- Routenplanung

- Anpassung Trans-portmittel

Beispiel Energie: - Lastprognose

PRIVATE

- Reiseplanung

- Anpassung Transport-mittel

NU

TZE

NA

SP

EK

TE

INFRASTRUKTUR-BETREIBER

(Staat oder Unternehmen, i.d.R. in staatlichem

Auftrag) - Gewährleistung funkti-

onsfähige Infrastruktur

- Gewährleistung eines optimalen Betriebes der Infrastruktur (Sicherheit, Auslastung, Spitzen-lastmanagement)

RESSOUREN & ERTRÄGE - Steigerung der Wirtschaft-

lichkeit von Unternehmen.

- Ressourceneinsparungen bei staatlichen Stellen

SCHADENSVERMEIDUNG - bei öffentlicher und privater

Infrastruktur und Betriebs-mitteln.

- Reduktion Unfall- und Gesundheitsschäden.

INDIVIDUELLER NUTZEN - Zeitersparnis.

- Mehr Bedürfnisbefriedigung und Wohlbefinden.

ME

SS

GR

ÖS

SE

N

WERTSCHÖPFUNG

SCHADENSKOSTEN

UNFALLKOSTEN

GESUNDHEITSKOSTEN

REISEKOSTEN

STAATSAUSGABEN

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8 / 2 Grundlagen

Figur 3 zeigt, wie der volkswirtschaftliche Nutzen von meteorologischen Informationen

entsteht: Meteorologischen Informationen, seien dies allgemein zugängliche Wettervor-

hersagen, marktlich gehandelte Spezialprodukte oder andere Informationen wie Messda-

ten oder Warnungen, werden von Unternehmen, privaten Personen und dem Staat ge-

nutzt. Die Unternehmen und der Staat verwenden die Informationen in der Regel als Pro-

duktionsgüter, indem meteorologischen Informationen in ihren Leistungserbringungspro-

zess mit einfliessen. Die Privaten nutzen meteorologische Informationen als Konsumgut,

welches ihnen einen Nutzen stiftet, zum Beispiel indem sie bei ihrer Verkehrsmittelwahl

im Alltag und bei Reisen das Wetter berücksichtigen und so sicherer und schneller ans

Ziel gelangen.

Durch die Verwendung von meteorologischen Informationen als Produktions- oder Kon-

sumgut entsteht volkswirtschaftlicher Nutzen, der sich aus ganz unterschiedlichen Nut-

zenaspekten zusammensetzt:

— Steigerung der Wirtschaftlichkeit von Unternehmen, die zu positiven Wertschöp-

fungseffekten führen können.

— Ressourceneinsparungen staatlicher Leistungserbringender, die zu tieferen

Staatsausgaben und allenfalls ebenfalls zu positiven Wertschöpfungseffekten führen .

— Schadensvermeidung bei Infrastruktur und Betriebsmitteln sowie Vermeidung von

Gesundheits- und Personenschäden.

— Individueller Nutzen in Form von Zeitersparnissen oder zusätzlicher Bedürfnisbefrie-

digung.

Im Kapitel 2.5 gehen wir auf jeden Nutzenaspekt kurz ein.

2.3 Analyserahmen

Zu Beginn der Studie wurde gemeinsam mit den Auftraggebenden festgelegt, den Analy-

serahmen auf Unternehmen und den Staat zu beschränken und individuelle Nutzen aus

der Studie auszuklammern. Im Studienverlauf hat sich aber schnell gezeigt, dass insbe-

sondere im Verkehrsbereich meteorologische Informationen in vielen Fällen eine Effekti-

vitäts- oder Qualitätsverbesserung staatlicher und / oder privater Dienstleistungen bewir-

ken, deren Nutzniesser der motorisierte Individualverkehr (MIV) sowie Fahrgäste und

Passagiere von Transportunternehmen sind, da sich ihre individuellen Reisezeiten ver-

kürzen. Ausserdem werden durch gut funktionierende Verkehrssysteme auch weitere

Reisekosten wie zum Beispiel Taxikosten oder verspätungsbedingte Übernachtungskos-

ten verhindert. Die individuellen Reisekosten nicht zu berücksichtigen, würde zu einer

deutlichen Unterschätzung der positiven Wirkung von meteorologischer Information füh-

ren. Zudem wäre es nicht sinnvoll, diese individuellen Zeitkostenersparnisse während der

im Rahmen des Projektes durchgeführten Befragungen bei Unternehmen und staatlichen

Stellen nicht mitzuerheben. Da bei den Unternehmen und staatlichen Stellen die Ursache

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/ 9

höherer oder tieferer Reisekosten liegt, können Fahrzeuglenker sowie Fahrgäste und

Passagiere hierzu nicht selbst Auskunft geben.

Bei der im Rahmen des vorliegenden Projektes durchgeführten Analyse werden folglich

nicht eigentlich individuelle Nutzen ausgeblendet, sondern vielmehr die individuelle Ver-

wendung von meteorologischen Prognosen.

2.4 Referenzzustand

Heute beobachten wir eine bestimmte Nutzung von meteorologischen Prognosen sowie

bestimmte Zustände der Messgrössen Wertschöpfung, Staatsausgaben, Schadens-, Un-

fall und Gesundheitskosten sowie Reisezeitkosten. Um aber die Wirkung und den Nutzen

der Wetterinformation abschätzen zu können, sind zwei Beobachtungspunkte notwendig

(vgl. Figur 4). Die tatsächlich empirische Beobachtung zweier Nutzungs-Zustände und

deren Vergleich (unter Kontrolle aller anderen wichtigen Einflussfaktoren, d.h. «ceteris

paribus») ist bei der vorliegenden Fragestellung nicht möglich. Deswegen muss ein hypo-

thetischer Referenzzustand definiert werden.

«Nutzenbeurteilung am Beispiel von Wertschöpfungseffekten»

econcept

Figur 4: Relation zwischen meteorologischen Informationen und Wertschöpfung.

Für das vorliegende Projekt verwenden wir grundsätzlich den hypothetischen Referenz-

zustand «keine Nutzung von meteorologischen Prognosen» und vergleichen diesen mit

der heutigen Nutzung von meteorologischen Prognosen. Wie sich im Verlauf der Studie

gezeigt hat, kann dieser Referenzzustand im Bereich der Aviatik nicht verwendet werden,

da aufgrund der essentiellen Bedeutung der Meteorologie für die Fliegerei mit dem Refe-

renzzustand «keine Nutzung von meteorologischen Prognosen» keine zweckmässige

Keine Nutzung

Heutige Nutzung

Verbesserte Nutzung

meteorologische Informationen

∆ Nutzung Nutzung ∆

Wer

tsch

öpfu

ng

Wertschöpfung

Wer

tsch

öpfu

ng

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10 / 2 Grundlagen

«ceteris paribus» Analyse möglich wäre. Deshalb wurde durch MeteoSchweiz ein hypo-

thetischer Referenzzustand definiert, der im Vergleich zu heute schlechtere meteorologi-

sche Informationen beschreibt und eine «ceteris paribus» Analyse ermöglicht. Da dieser

Referenzzustand anhand von spezifischen Flugwetterprodukten definiert ist, findet sich

seine ausführliche Beschreibung im Kapitel 5.

2.5 Entstehung der verschiedenen Nutzenaspekte

2.5.1 Wirtschaftlichkeit von Unternehmen

Mit dem vorliegen Projekt wollen wir untersuchen, ob meteorologische Informationen in

den analysierten Branchen zu wirtschaftlichen Effizienzgewinnen führen, die einen positi-

ven Wertschöpfungseffekt bewirken.

«Einfluss von meteorologischen Informationen auf die Effizienz von Unternehmen»

econcept

Figur 5: Wirkungskette: Wirkung von meteorologischen Informationen auf die Wertschöpfung (1) Mit den Infrastrukturbetreibern sind Unternehmen gemeint, die (meist mit staatlichem Leis-

tungsauftrag) durch Unterhalt und Management die Kapazität Schienennetzes sowie des Luft-raumes beeinflussen (Verkehrsbereich) oder die Stabilität des Stromnetzes gewährleisten (E-nergiebereich).

Wirtschaftlichkeit (wirtschaftliche Effizienz) ist definiert durch das Verhältnis von Ertrag

und Aufwand. Gelingt es einem Unternehmen, bei gleichem Aufwand den Ertrag zu erhö-

hen, steigt seine Wirtschaftlichkeit und es steigert seinen Beitrag an die gesamtwirt-

schaftliche Wertschöpfung. Damit dies zu einer Erhöhung der gesamtwirtschaftlichen

Wertschöpfung führt, darf die Ertragssteigerung nicht zulasten anderer Unternehmen

gehen, sonst handelt es sich um reine Umverteilungseffekte zwischen sich konkurrenzie-

renden Unternehmen. Bei allen im Rahmen dieses Berichtes festgestellten Effizienzstei-

gerungen, die durch meteorologische Informationen bedingt sind, muss also der Nach-

weis erbracht werden, dass es sich nicht um reine Umverteilungseffekte handelt.

Qualität staatlicher Leistungen

Meteorologische Informationen

Wert-schöpfung

Wirtschaft-lichkeit von

Unternehmen

Qualität der Infrastruktur-betreiber(1)

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/ 11

Auch eine Aufwandssenkung bei gleichem Ertrag erhöht die Wirtschaftlichkeit eines Un-

ternehmens. In diesem Fall werden personelle oder materielle Ressourcen frei, die an

anderen Stellen der Volkswirtschaft produktiv eingesetzt werden können und so zusätzli-

che Wertschöpfung generieren. Aufwandssenkungen können bei einem Unternehmen

allerdings auch dadurch entstehen, dass Kosten innerhalb der Wertschöpfungskette auf

vor- oder nachgelagerte Betriebe oder auch auf die Endabnehmer verschoben werden.

Deswegen ist auch hier jeweils zu prüfen, ob es sich um wertschöpfungswirksame Effi-

zienzsteigerungen handelt, oder um Umverteilungseffekte.

Figur 5 zeigt die im Rahmen des Projekts untersuchte Wirkungskette, die zu Wirtschaft-

lichkeitsgewinnen bei Unternehmen und dadurch auch zu zusätzlicher Wertschöpfung

führen kann.

Einerseits können Unternehmen meteorologische Informationen direkt als Produktionsgut

nutzen und damit ihre Wirtschaftlichkeit steigern, sei dies durch Aufwandssenkungen

oder durch Ertragssteigerungen. Andererseits können meteorologische Informationen von

staatlichen Leistungserbringenden und von Infrastrukturbetreiber genutzt werden, welche

die Rahmenbedingungen für die Unternehmen beeinflussen und damit ebenfalls die Wirt-

schaftlichkeit der Unternehmen erhöhen können. So führt zum Beispiel ein besserer Win-

terdienst zu besseren Strassenverhältnissen und so zu weniger Stauzeiten, wodurch

Strassentransportunternehmen in kürzerer Zeit mit geringerem Risiko ihr Ziel erreichen

und damit wirtschaftlicher sind. Auch beeinflussen die Betreiber der Bahnnetze die Wirt-

schaftlichkeit von Bahnunternehmen ohne eigene Infrastruktur. Ähnliche Effekte sind

auch in der Elektrizitätswirtschaft und in der Aviatik zu erwarten.

2.5.2 Ressourceneinsparungen bei staatlichen Leistungserbringenden

Wie bei Unternehmen wollen wir auch bei staatlichen Leistungserbringenden untersu-

chen, ob meteorologische Informationen zu Effizienzgewinnen führen, die Staatsausga-

ben senken und allenfalls auch positive Wertschöpfungseffekte nach sich ziehen.

Bei staatlichen Leistungserbringenden lässt sich die Effizienz nicht mit dem Verhältnis

von Ertrag und Aufwand messen, da staatliche Dienstleistungen in der Regel keine Er-

träge über den Verkauf von Waren und Dienstleistungen generieren, sondern aufwands-

orientiert über Steuern finanziert werden.

Um den Einfluss von meteorologischen Prognosen auf die Effizienz von staatlichen Leis-

tungserbringenden zu beurteilen, betrachten wir deswegen nicht das Verhältnis von Er-

trag und Aufwand, sondern den Aufwand (Ressourceneinsatz) bei einem gegebenen

Leistungsniveau.

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12 / 2 Grundlagen

«Einfluss von meteorologischen Informationen auf den Ressourceneinsatz staatli-cher Leistungserbringender»

econcept

Figur 6: Wirkungskette: Wirkung von meteorologischen Informationen auf die Staatsausgaben und die Wertschöpfung.

Figur 6 zeigt die untersuchte Wirkungskette. Die Nutzung von meteorologischen Informa-

tionen kann bei staatlichen Stellen zu Einsparung von Ressourcen führen. Dies senkt in

jedem Fall die Staatsausgaben. Werden durch die Staatsausgabensenkung Ressourcen

frei, entsteht zusätzliche Wertschöpfung. Die Betrachtung von Ressourceneinsparungen

bei gleichem Leistungsniveau stellt sicher, dass die zusätzliche Wertschöpfung nicht

durch Leistungsverluste oder zusätzliche Aufwendungen bei anderen staatlichen Stellen

oder privaten vermindert oder eliminiert wird.4 Ausserdem ist (wie auch bei den oben

diskutierten Wirtschaftlichkeitsgewinnen von Unternehmen) zu beachten, dass nur dann

Wertschöpfungseffekte entstehen, wenn es sich um «echte» Ressourceneinsparungen

handelt, und nicht um Kostenverschiebungen auf andere staatliche Stellen oder Private.

2.5.3 Schadensvermeidung

Nebst dem, dass meteorologische Informationen die Wirtschaftlichkeit von Unternehmen

und den Ressourceneinsatz bei staatlichen Stellen beeinflussen können, ist anzuneh-

men, dass sie in vielen Bereichen ebenfalls das Schadensrisiko und damit auch die

durchschnittlichen jährlichen Schadenskosten senken.

Anhand von Figur 7 ist die Wirkungskette ersichtlich: Einerseits beeinflussen meteorolo-

gische Informationen die Qualität staatlicher Stellen positiv.5 Andererseits steigern sie die

Qualität von Infrastrukturbetreibern, die der Privatwirtschaft zuzurechnen sind, wie Bahn-

unternehmen, die Flugsicherung, die Landesflughäfen oder auch die Betreiberinnen der

Stromnetze. Die bessere Pflege bzw. die bessere Bewirtschaftung der Infrastruktur kann

das Unfallrisiko in den jeweiligen Bereichen senken, was wiederum tiefere durchschnittli-

che Unfall- oder Vorfallzahlen pro Jahr und tiefere Schadenskosten zur Folge hat. Gleich-

zeitig wirken meteorologische Informationen auch auf die Qualität der Leistungserbrin-

gung anderer Unternehmen wie Strassentransporteure, Personenverkehrsunternehmen,

Fluggesellschaften oder Stromproduzenten. Auch diese Akteure können durch an das

Wetter angepasstes Verhalten das Unfall- und Schadensrisiko senken. Dabei ist anzu-

merken, dass einige Akteure primär auf das Wetter selbst, nicht auf die verfügbaren me-

4 Beispiel: Eine Ressourceneinsparung beim Strassenwinterdienst bei tieferem Leistungsniveau spart zwar Winterdienstkos-

ten, führt aber im Winter zu schlechteren Strassenverhältnissen und zu zusätzlichen Unfällen, die mit hoher Wahrschein-

lichkeit volkswirtschaftliche Kosten in Form von Schadens- und Polizeikosten verursachen.

5 Staatliche Stellen sind vor allem im Strassenverkehr relevant: Strassendienste, Verkehrsmanagement.

Meteorologische

Informationen

Staatsausgaben

Ressourceneinsatz für

staatliche Leistungen

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teorologischen Informationen reagieren. Darauf gehen wir aber bei der Beschreibung der

Befragungsergebnisse im Detail ein.

«Einfluss von meteorologischen Informationen auf die Schadenskosten»

econcept

Figur 7: Wirkungskette: Wirkung von meteorologischen Prognosen auf die Schadenskosten.

(1) Mit den Infrastrukturbetreibern sind Unternehmen gemeint, die (meist mit staatlichem Leis-tungsauftrag) durch Unterhalt und Management die Kapazität Schienennetzes sowie des Luftrau-mes beeinflussen (Verkehrsbereich) oder die Stabilität des Stromnetzes gewährleisten (Energie-bereich).

2.5.4 Individuelle Nutzen

Im Verkehrs- und Transportbereich können meteorologische Informationen nicht nur zur

Steigerung der Wirtschaftlichkeit, zu Ressourceneinsparungen und zur Senkung von Un-

fallhäufigkeiten führen, sondern auch zur Reduktion von individuellen Reisezeiten, wobei

der Einfluss von meteorologischen Informationen auf die Reisezeit in der Regel durch ein

Zusammenspiel mehrere Effekte entsteht (Figur 8).

Meteorologische Informationen beeinflussen einerseits die Qualität von staatlichen Leis-

tungserbringenden bzw. von Infrastrukturbetreibern (beispielsweise die Winterdienste auf

den Nationalstrassen bzw. der Landesflughäfen). Der Zustand der Infrastruktur beein-

flusst die Reisezeiten für den Individualverkehr, aber auch die Qualität, die Transportun-

ternehmen anbieten können, die das Strassen- oder Schienennetz oder den Flughafen

nutzen. Aus dem Zusammenspiel von Staat, Infrastrukturbetreibern und Unternehmen

ergeben sich schliesslich die Reisezeiten und somit auch die Reisekosten des Individual-

verkehrs und der Fahrgäste und Passagiere. Auch die individuelle Verkehrsmittelwahl

und die Wahl der Reiserouten beeinflussen die Reisezeitkosten, dieser Wirkungskanal

liegt jedoch ausserhalb des Analyserahmens.

Grundsätzlich muss bei den individuellen Reisezeitkosten beachtet werden, dass diese

nicht immer reale monetäre Auswirkungen haben. Während im Flug- und Schienenver-

kehr Verspätungen ab einem gewissen Ausmass durch die Transportanbieter entschädigt

werden und allenfalls auch durch Verspätungen entstandene Übernachtungskosten ver-

gütet werden müssen, ist dies bei Autofahrern und Passagieren des öffentlichen Stras-

senverkehrs in der Regel nicht der Fall. In diesen Fällen könne die Reisezeitkosten mit

Qualität der staatli-chen Leistungs-

erbringung

Meteorologi-sche Informa-

tionen

Schadens-kosten

Schadens-risiko

Qualität Leistungs-erbringung bei Unternehmen

Qualität der Infrastrukturbetrei-

ber(1)

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14 / 2 Grundlagen

Ansätzen bewertet werden, die im Rahmen anderer Forschungsarbeiten ermittelt wurden

und die vor allem im Verkehrsbereich mittlerweile auch bereits in Normen6 festgelegt

sind, die normalerweise dazu verwendet werden, eine einheitliche Bewertungspraxis bei

Verkehrsinfrastrukturprojekten zu gewährleisten.

«Einfluss von meteorologischen Informationen auf die Reisezeitkosten»

econcept

Figur 8: Wirkungskette: Wirkung von meteorologischer Information auf die Reisezeitkosten.

(1) Mit den Infrastrukturbetreibern sind private Unternehmen gemeint, die (meist mit staatlichem Leistungsauftrag) durch Unterhalt und Management die Kapazität Schienennetzes sowie des Luftraumes beeinflussen (Verkehrsbereich) oder die Stabilität des Stromnetzes gewährleisten (Energiebereich).

(2) Die individuelle Verkehrsmittelwahl und die Antizipation der Reisezeit werden aus der Analyse ausgeklammert.

2.6 Die verwendeten Messgrössen

Für die Quantifizierung des volkswirtschaftlichen Nutzens verwenden wir die Messgrös-

sen Staatsausgaben, Wertschöpfung, Schadenskosten und Reisekosten. Diese sind im

Rahmen dieses Berichtes wie folgt definiert:

— Staatsausgaben umfassen alle Ausgaben staatlicher Stellen sowie Subventionen

(insbesondere Finanzhilfen und Abgeltungen). Einsparungen bei staatlichen Stellen

sowie die Reduktion von Subventionen führen zur Senkung der Staatsausgaben.

6 VSS-Normen SN 641 820 (Grundnorm), SN 641 822 (Zeitkosten im Personenverkehr), SN 641 823 Kosten-Nutzen-

Analysen im Strassenverkehr (Zeitkosten im Güterverkehr).

Qualität der staatli-chen Leistungs-

erbringung

Meteorologi-sche Informa-

tionen

Individuelle Ver-kehrsmittelwahl & Wahl Reiseroute(2)

Reisekosten

Reisezeiten

Qualität Leistungs-erbringung bei Unternehmen

Qualität der Infrastrukturbetrei-

ber(1)

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— Die Wertschöpfung eines Unternehmens entspricht seinem Produktionswert abzüg-

lich der Vorleistungen7. Durch eine höhere Produktion bei gleichen Vorleistungen

oder durch eine Senkung der notwendigen Vorleistungen bei gleicher Produktion

steigt die Wertschöpfung (bei gleichen Marktpreisen). In den durchgeführten Analy-

sen wurde meist in einem ersten Schritt der Einfluss von meteorologischen Informati-

onen auf die Wirtschaftlichkeit8 eines Unternehmens betrachtet, um in einem zweiten

Schritt auf Wertschöpfungseffekte zu schliessen. Die Erhöhung der Wirtschaftlichkeit9

führt unter folgenden Umständen zu einem positiven Wertschöpfungseffekt:

– Die Verringerung des notwendigen Ressourceneinsatzes (Aufwand) bei gleichem

Ertrag und Produktionswert sowie gleichen Vorleistungen setzt Ressourcen frei,

die anderorts produktiv eingesetzt werden können und so zusätzliche Wertschöp-

fung generieren.

– Die Erhöhung des Ertrages und damit des Produktionswertes bei gleichbleiben-

dem Verbrauch von Vorleistungen führt zu einer Wertschöpfungssteigerung beim

betrachteten Unternehmen. Auf gesamtvolkswirtschaftlicher Ebene entsteht lang-

fristig nur dann ein positiver Wertschöpfungseffekt, wenn nicht gleichzeitig der

Produktionswert anderer Unternehmen sinkt, entweder durch strukturelle Verän-

derungen (Umverteilung von Ressourcen) oder Verschiebung der Marktanteile

(Umverteilung von Erträgen).

— Schadenskosten umfassen Sach- und Personenschäden, wobei in der vorliegenden

Studie durch Unfälle oder Naturereignisses verursachte Sach- und Personenschäden

im Vordergrund stehen. Inwiefern sich Sach- und Personenschäden in den anderen

betrachteten Messgrössen (insbesondere Staatsausgaben und Wertschöpfung) nie-

derschlagen, ist situationsabhängig und nicht auf einfache Weise abzuleiten. Deswe-

gen werden Schadenkosten als eigene Nutzenmessgrösse aufgeführt, die nicht mit

Staatsausgaben, Wertschöpfung oder individuellen Reisekosten aufaddiert werden

kann.

— Individuelle Reisekosten umfassen Zeit- und Fahrtkosten sowie weitere Kosten, die

im Falle blockierter Verkehrswege oder verpasster Anschlussreisemöglichkeiten ent-

stehen.

Wichtig für die Interpretation der Resultate ist die Addierbarkeit der verschiedenen Mess-

grössen: Vermiedenen Staatsausgaben und zusätzliche Wertschöpfung dürfen aufaddiert

werden. Vermiedene Schadens- und Reisekosten dürfen jedoch weder miteinander noch

mit vermiedenen Staatsausgaben und zusätzlicher Wertschöpfung addiert werden, da

ihre Wirkung auf die übrigen betrachteten Messgrössen nicht eindeutig ist.

7 im Produktionsprozess verbrauchten, verarbeiteten oder umgewandelten Waren und Dienstleistungen

8 Wirtschaftlichkeit = Ertrag/Aufwand

9 Wirtschaftlichkeit = Ertrag/Aufwand

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16 / 2 Grundlagen

2.7 Erhebungskonzept

Um den volkswirtschaftlichen Nutzen in den betrachteten Wirtschaftsbereichen zu erhe-

ben, wurde ein präskriptiver Decision-Making-Ansatz gewählt. INFRAS (2008) beschrei-

ben die Methode in ihrer Vorstudie zum vorliegenden Projekt wie folgt:

«Die Decision-Making Ansätze basieren auf dem Grundgedanken, dass der Nutzen

der Wetterprognose sich aus dem Einfluss der Information auf Entscheidungen bei

wettersensiblen Tätigkeiten ergibt (Katz, Murphy 1997). Der Einfluss besteht darin,

dass Wetterdienstinformationen die Unsicherheiten in einem Entscheidungsprozess

verringern. Entsprechend fliessen die Wetterinformationen in die Modelle als Input-

faktoren eines Produktions- bzw. Entscheidungsprozesses ein. Dabei werden die

Entscheidungsalternativen identifiziert und die Bedeutung der Wetterdienstinformati-

onen im Entscheidungsprozess modelliert. Der Nutzen der Wetterinformationen er-

gibt sich sodann aus dem veränderten Output mit Information gegenüber dem Output

ohne diese Information. In den meisten Fällen besteht der Nutzen in vermiedenen

Kosten.

….

Im Unterschied zu den präskriptiven bzw. normativen Decision-making Models geht

der deskriptive Ansatz nicht von einem Verhalten nach normativen Prinzipien wie

Gewinnmaximierung oder Verlustminimierung, sondern vom effektiven Verhalten aus.

(Free-bairn/Zillman 2002). Der Einfluss der Wetterinformationen auf Entscheidungen

wird über verschiedene Methoden, namentlich Befragungen bei Wirtschaftssubjekten,

Experimenten oder Regressionsanalysen auf Basis von Sekundärdaten gewonnen.

Die Ergebnisse werden dann in einem Nutzenmodell ökonometrisch eingebracht

(Gunasekara 2004).»

Für das vorliegende Projekt wurden insgesamt 46 Gespräche unterschiedliche Länge

mit 59 Interviewpartnern aus verschiedenen Akteurgruppen geführt. Einerseits wurde

die Verwendung von meteorologischen Informationen in den verschiedenen betrach-

teten Wirtschaftsbranchen (z.B. Elektrizitätserzeugung oder Güterbeförderung im

Strassenverkehr) und Bereichen staatlicher Leistungserbringung (z.B. Strassendiens-

te) erhoben. Anderseits wurden die interviewten Akteure gebeten, die Effekte von meteo-

rologischen Informationen auf die Wirtschaftlichkeit (bzw. bei staatliche Unternehmen die

Kosten der Leistungserbringung) sowie auf die Qualität der erbrachten Leistungen abzu-

schätzen. Dies konnten und wollten jeweils nicht alle Akteure abschätzen. Im Bereich

Aviatik wurde deswegen zusätzlich auf Basis bestehender internationaler Arbeiten (Leight

et al. 1995, ) ein quantitatives Modell erstellt, mit dem ein Teilnutzen von meteorologi-

schen Informationen für Fluggesellschaften erhoben werden konnte.

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3 Strassenverkehr

3.1 Meteorologische Informationen im Strassenverkehr

Eine Reihe von Wetterereignissen wirkt sich auf den Strassenverkehr aus. Da die vorlie-

gende Studie den Nutzen von meteorologischen Vorhersagen erfassen soll, interessieren

vor allem Wetterereignisse, deren Auswirkungen im Strassenverkehr durch Wetterprog-

nosen gemildert werden können. Zudem liegt der Fokus der Studie auf Wetterereignis-

sen, die mehrmals pro Jahr oder pro Winterhalbjahr auftreten und nicht auf Extremereig-

nissen, wie Orkane oder Überschwemmungen, die im langjährigen Mittel nur alle paar

Jahre vorkommen. Aus diesem Grund wird vor allem der Nutzen von Prognosen für die

folgenden Wetterereignisse betrachtet:

— Schnee, der zu Glätte und zur Schliessung von Alpenpässen führen kann.

— Frost in Kombination mit Niederschlag oder Feuchtigkeit, was zu Bildung von Eis-

bzw. Reifglätte auf den Strassen führt.

— Starkregen, der zu Wasserglätte führt.

Drei Schweizer Anbieter von Wetterinformationen bieten Strassenwetterprodukte an, die

die oben aufgelisteten Wetterereignisse prognostizieren: MeteoSchweiz, Meteomedia

sowie Meteotest. Die Angebote lassen sich grob im zwei Kategorien unterteilen: Stras-

senwetterprognosen und spezifische Unwetterwarnungen für den Strassenverkehr. Die

Strassenwetterprognosen enthalten einerseits meteorologische Parameter wie Bewöl-

kung, Lufttemperatur, Bodentemperatur, Taupunkt, Wind, Niederschlagsmenge, Nieder-

schlagsart und Schneefallgrenze. Andererseits werden teilweise auch Gefahrenindikato-

ren zum Strassenzustand wie Reifglätte, gefrierende Nässe, Glatteisregen, Schneeglätte

und Bodenfrost geliefert. Die Produkte sind meist in unterschiedlicher zeitlicher und

räumlicher Auflösung erhältlich, was sich auch in unterschiedlichen Preisen nieder-

schlägt. Unwetterwarnungen sind einerseits in frei zugänglichen Gefahrenkarten ersicht-

lich, andererseits können Warnungen per E-Mail oder SMS abonniert werden.

3.2 Analyserahmen und Akteure

Im Strassenverkehrsbereich wurden einerseits staatliche Stellen in die Analyse einbezo-

gen, die für den betrieblichen Strassenunterhalt und das Verkehrsmanagement zuständig

sind und damit die Verfügbarkeit, Sicherheit und Kapazität der Strassen massgeblich

beeinflussen. Andererseits wurden auch Akteure einbezogen, die das Strassennetz nut-

zen. Obwohl der Fokus des Projektes auf der gewerblichen Nutzung des Strassennetzes

lag, war auch der motorisierte Individualverkehr Teil der Analyse (siehe Figur Wirkungs-

modell auf Seite 19). Auch wenn nicht die Nutzung meteorologischer Information durch

den Individualverkehr selbst betrachtet wurde, fällt ein grosser Teil des Nutzens, den

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18 / 3 Strassenverkehr

Verkehrsmanager und Strassendienste bewirken, beim motorisierten Individualverkehr in

Form von vermiedenen Staustunden an. Der Individualverkehr wurde also insofern be-

trachtet, als dass er von den Dienstleistungen des Verkehrsmanagements und der Stras-

sendienste profitiert. Die direkte Verwendung von meteorologischer Information durch

den Individualverkehr (beispielsweise zur optimalen Reiseplanung) wurde jedoch aus der

Analyse ausgeklammert. Somit wurden die folgenden Akteure in die Analyse einbezogen:

— Strassendienste der National- und Kantonsstrassen: Winterdienst, Vorbeugung und

Bekämpfung von Glätte sowie Schneeräumung. Kommunale Strassendienste konnten

aus Aufwandgründen nicht in die Analyse eingeschlossen werden.

— Nationale Verkehrsmanagementzentrale Emmenbrücke (VM-CH): Seit 1. Januar 2008

hat die nationale Verkehrsmanagement-Zentrale in Emmenbrücke die Verantwortung

für das Verkehrsmanagement auf den Nationalstrassen übernommen. Durch Informa-

tion, Lenkung und (Um-)Leitung der Verkehrsteilnehmenden soll ein möglichst flüssi-

ger Verkehr auf den schweizerischen Nationalstrassen erreicht werden.

— Gütertransportunternehmen mit folgenden Tätigkeitsschwerpunkten in der Schweiz:

– Stückguttransporte mit Lieferfristen

– Stückguttransporte mit Lieferfenstern (Just-in-time-Systeme)

– Bautransporte10 (Boden, Aushub und Belagsmischgut)

– Winterdienst im Auftragsverhältnis

— Öffentlicher Personenverkehr Strasse

— Individueller Personenverkehr, sofern dieser durch die anderen Akteure beeinflusst

wird. Beim individuellen Personenverkehr wurden jedoch im Gegensatz zu den ande-

ren genannten Akteuren keine empirischen Erhebungen durchgeführt.

10 Sowohl der Baubetrieb als auch die Deponierung von Aushub sind stark wetterabhängig, weswegen Bautransportfirmen

sehr kurzfristig durch die Baufirmen aufgeboten werden.

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/ 19

«Die untersuchten Wirkungen von meteorologischer Information im Strassenverkehr»

econcept

Figur 9: Wirkungsmodell Strassenverkehr

Meteorologie Wertschöpfung

Staatsausgaben

Qualität Verkehrsmanagement

Ressourceneinsatzim

Strassendienst

WirtschaftlichkeitTransport-

unternehmen

Schadenswahr-scheinlichkeit

QualitätStrassendienst

Ressourceneinsatzim

Verkehrsmanagement

Reisekosten

Verhalten Verkehrsteil-nehmende

StauzeitenIndividueller

Personenverkehr

StauzeitenTransport-

unternehmen

Schadenskosten

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20 / 3 Strassenverkehr

3.3 Wirkungsmodell

In Figur 9 sind die Wirkungen von meteorologischen Prognosen im Strassenverkehr dar-

gestellt.

In der oberen Hälfte der Figur sind die volkswirtschaftlichen Wirkungen der Meteorologie

dargestellt, die über die Wirkungskanäle Qualität von öffentlichen Leistungserbringern

und Verhalten der Verkehrsteilnehmenden entsteht. Die Qualität der Strassendienste und

des Verkehrsmanagements wirken sich auf den Zustand der Strassenoberfläche und auf

den Verkehrsfluss aus. Beides beeinflusst einerseits die Schadenswahrscheinlichkeit und

damit die volkswirtschaftliche Nutzendimension Schadenskosten. Andererseits entstehen

je nach Strassenzustand und Verkehrsfluss mehr oder weniger Staus. Dies betrifft so-

wohl den Individualverkehr wie auch die kommerziellen Transportunternehmen. Die durch

Stau verursachten zusätzlichen Reisezeiten des Individualverkehrs wirken auf die volks-

wirtschaftliche Nutzendimension der Reisekosten. Die Stauzeiten von Transportunter-

nehmen wirken einerseits auf die Reisekosten ihrer Passagiere, andererseits erhöht der

Stau die Transportkosten und reduziert damit die Wertschöpfung der Transportbranche.

In der unteren Hälfte der Figur sind die Wirkungen der Meteorologie auf die Wirtschaft-

lichkeit von Transportunternehmen und auf den Ressourceneinsatz bei Strassendiensten

und beim Verkehrsmanagement11 dargestellt. Durch meteorologische Informationen kön-

nen diese Akteure ihre Arbeitsabläufe den meteorologischen Gegebenheiten anpassen.

Führt dies zu einer Steigerung der Wirtschaftlichkeit bzw. zu Ressourceneinsparungen

steigt die Wertschöpfung bzw. sinken die Staatsausgaben.

3.4 Übersicht zu den Befragungen

Tabelle 3 zeigt die betrachteten Akteurgruppen und die Anzahl der innerhalb der Gruppe

befragten staatlichen Leistungserbringenden bzw. Unternehmen. Einerseits werden mit

der nationalen Verkehrsmanagementzentrale und den nationalen und kantonalen Stras-

sendiensten staatliche Leistungserbringende betrachtet, die einen wesentlichen Einfluss

auf das Funktionieren der Strasseninfrastruktur haben. Bei den Strassendiensten steht

dabei der Winterdienst im Fokus. Andererseits werden mit Logistik- und Gütertransport-

unternehmen die Nutzerinnen der Strasseninfrastruktur in die Untersuchung einbezogen.

Die Anzahl der Güter- und Personentransportunternehmen wurde der Betriebszählung

des BFS entnommen. Dabei ist eine Eigenheit der Transportbranche zu beachten: Viele

Fahrzeugflotten grosser Logistikunternehmen bestehen teilweise oder sogar vollständig

aus Fahrzeugen von selbständigen Kleinunternehmern, die ein oder mehrere LKW besit-

11 Bei den staatlichen Leistungserbringenden verwenden wir den Begriff der Wirtschaftlichkeit nicht, da dem Ressourcenein-

satz keine Erträge, sondern ein Leistungsauftrag gegenüber steht.

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/ 21

zen und häufig beinahe ausschliesslich für das betreffende Logistikunternehmen tätig

sind. Auch Personentransportunternehmen arbeiten häufig mit Subunternehmern zu-

sammen, die entweder einzelne Linien oder Netze selbständig betreiben, oder aber mit

den eigenen Fahrzeugen vollständig in die Strukturen des Hauptunternehmers eingebun-

den sind. Ein Beispiel sind Postautounternehmer. Aus diesem Grund erscheinen in der

Betriebszählung relativ viele Klein- und wenige mittlere und grosse Betriebe. Die Kleinbe-

triebe sind jedoch häufig in eine grössere, übergeordnete Struktur eingebunden.

Akteurgruppe Anzahl Unternehmen / staatliche

Leistungserbringende in der Schweiz

Anzahl befragte Unternehmen / staatliche Leistungserbringende in

der Schweiz

Nationale Verkehrsmanagementzentrale

1 1

Nationale Strassendienste 11 5

Kantonale Strassendienste 26 4

Gütertransportunternehmen mit mehr als 9 Mitarbeitenden

646 5

Logistikeinheiten grosser Unternehmen (Lebensmittel und Treibstoffe)

Nicht eruierbar 4

Personentransportunternehmen mit mehr als 9 Mitarbeitenden

115 4

Tabelle 3: Übersicht zu den im Bereich Strassenverkehr befragten Unternehmen bzw. staatlichen Leistungs-erbringenden. Quellen: Betriebszählung BFS 2008, Astra Faktenblatt 4 ohne Datum.

Folgende Punkte waren für die Auswahl der befragten nationalen und kantonalen Stras-

sendienste ausschlaggebend:

— Auswahl von Strassendiensten mit und ohne Nutzung der Strassenwetterprodukte

von MeteoSchweiz

— Auswahl von Strassendiensten aus klimatisch unterschiedlichen geographischen Re-

gionen (Mittelland, Voralpen und Alpen)

Die Auswahl der Gütertransportunternehmen sollte ursprünglich auf Basis der Betriebs-

zählung des BFS erfolgen. Wie oben beschrieben lässt aber die Anzahl Mitarbeitende

keinen Rückschluss auf die tatsächlich durch das Unternehmen disponierte Anzahl Fahr-

zeuge zu. Deswegen erfolgte die Auswahl einerseits auf der Basis von Empfehlungen

eines Branchenkenners12, andererseits wurden auch Unternehmen befragt, die für eines

der betrachteten Nationalstrassengebiete Winterdienst leisten. Mit den Logistikeinheiten

grosser Unternehmen im Lebensmittel und Treibstoffbereich wurden zudem Just-in-time-

Systeme in die Analyse einbezogen.

Bei den Personentransportunternehmen wurden in Absprache mit den Auftraggebenden

in erster Linie Unternehmen aus dem Raum Zürich oder der näheren Umgebung kontak-

tiert.

12 Werner Schlegel, Verkehrsplaner.

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22 / 3 Strassenverkehr

3.5 Winterdienste auf National- und Kantonsstrassen

Jede öffentliche Strasse in der Schweiz ist einer der drei staatlichen Ebenen zugeordnet,

die entsprechend die Verantwortung für den Strassenunterhalt trägt. Insgesamt umfasst

das Strassennetz in der Schweiz 71’384 km (Tabelle 4). 72% (ca. 52’000 km) sind Ge-

meindestrassen, 25% (ca. 18’000 km) Kantonsstrasse und nur etwa 2.5% (ca. 1’800 km)

Nationalstrassen.

Strassentyp Strassenkilometer in der Schweiz [km]

Anteil am Strassennetz gesamt

Nationalstrassen 1'789 3%

Kantonsstrassen 18'050 25%

Gemeindestrassen 51'615 72%

TOTAL 71'454 100%

Tabelle 4: Strasseninfrastruktur 2008. Quellen: Bundesamt für Strassen und Bundesamt für Statistik, Mobili-tät und Verkehr, frei zugängliche Datentabelle, 2010.

Das Verkehrsaufkommen wird nur auf einem Teil des Strassenetzes gemessen. An ins-

gesamt 453 Zählstellen auf den Nationalstrassen und stark frequentierten Kantonsstras-

sen wird die Anzahl Fahrzeuge pro Tag (24h) erhoben. Dabei erreichen die Autobahnen

rund um die grossen Städte 60’000 bis 100’000 Fahrzeuge/24h, während die Kantons-

strassen bei 5’000 bis maximal 40’000 Fahrzeuge/24h liegen. Bei den Gemeindestrassen

ist nochmals von einem deutlichen tieferem durchschnittlichen Tagesverkehr auszuge-

hen.

Nationalstrassen

Das Nationalstrassennetz umfasst Autobahnen und Autostrassen von nationaler Bedeu-

tung. Der betriebliche Unterhalt liegt in der Verantwortung des Bundes. Dieser pflegt die

Strassen jedoch nicht selbst, sondern hat Leistungsvereinbarungen mit 11 Gebietseinhei-

ten abgeschlossen.

Einige dieser 11 Gebietseinheiten haben aus der kantonalen Verwaltung ausgegliederte

Institutionen geschaffen, die den Winterdienst kantonsübergreifend betreiben: «Unité

territoriale II» für die Kantone Genf, Fribourg und Vaud, «Naionalstrassengebiet VI» für

die Kantone Thurgau, St. Gallen, Glarus und die beiden Appenzell, «NSNW AG» für die

Kantone Aargau, Basel-Land und Solothurn, «UTIX» für die Kantone Neuenburg, Jura

und den Berner Jura (l’Arc Jurassien), «Zentras» für die Kantone Luzern, Zug, Obwalden

und Nidwalden sowie das «Amt für den Betrieb Nationalstrassen» im Kanton Uri für die

Gotthardstrecke (Tabelle 5).

Bei einigen anderen Gebietseinheiten hingegen ist der Unterhalt von National- und Kan-

tonsstrassen nach wie vor beim kantonalen Tiefbauamt, beim kantonalen Strasse-

ninspektorat oder beim kantonalen Unterhaltsdienst angesiedelt.

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/ 23

Gebietseinheit Zuständige Organisation Gebiete Länge [km]

I Tiefbauamt Kt. Bern Kt. BE 201

II Unité territoriale II ut2.ch

Kt. GE, FR, VD 317

III Dienststelle Strassen und Flussbau (Departement für Verkehr Bau und Umwelt)

Kt. VS 104

IV Ufficio dei servizi di manuntenzione stradale dell’unità territoriale (integriert in Verwaltung TI)

Kt. TI 137

V Tiefbauamt Kt. Graubünden Kt. GR 162

VI «Nationalstrassengebiet VI» nsgvi.ch

Kt. TG, SG, GL, AI, AR 199

VII Kein effektiver Zusammenschluss, Zuständigkeit bei Strasseninspekto-rat ZH Kt. ZH und Unterhaltsdienst Kt. SH

Kt. ZH, SH 165

VIII «NSNW AG» nsnw.ch

Kt. AG, BL, SO (die einzige Aktiengesellschaft) 173

IX UTIX (integriert in Verwaltung NE)

Kt. NE, JU, BE (nur Berner Jura, A16) ca. 70

X «Zentras» Zentras.ch

Kt. LU, ZG, OW, NW 135

XI «Amt für Betrieb Nationalstrassen» des Kantons Uri

Kt. UR, SZ (NW, TI) A2 zwischen Airolo - Küssnacht - Beckenried und Gotthardpass

119

Tabelle 5: Gebietseinheiten, mit denen der Bund Leistungsvereinbarungen für den betrieblichen Strassenun-terhalt abgeschlossen hat. Quellen: Astra (2007): Faktenblatt NFA 4 – Betrieblicher Unterhalt der Nationalstrassen. Bundesamt für Strassen und Bundesamt für Statistik, Mobilität und Verkehr, frei zugängliche Datentabelle, 2010.

Der betriebliche Unterhalt der Nationalstrassen umfasst neben dem Winterdienst auch

andere Reinigungsarbeiten, die Pflege von Grünstreifen sowie die Pflege und den Unter-

halt der elektromechanischen Installationen und die Überprüfung von Schutz- und Si-

cherheitseinrichtungen wie z.B. Lawinenschutz, Steinschlagnetze, Dämme, Leitplanken

und Fluchtstollen.

In den verbindlichen Qualitätsstandards des Bundesamtes für Strassen (ASTRA) ist für

den Winterdienst die «Schwarzräumung» als Ziel vorgegeben, d.h. die völlige Befreiung

der Autobahn von Schnee und Eis. Gefordert wird auch, dass die Winterdienste spätes-

tens 30 Minuten nach der Alarmierung ihre Arbeit aufnehmen können.

Kantonsstrassen

Die genaue Definition von Kantonsstrassen obliegt den Kantonen, der Kanton Aargau

zum Bespiel definiert Kantonsstrassen folgendermassen: «Kantonsstrassen dienen der

Verbindung von Kantonsteilen untereinander, mit anderen Kantonen und mit dem Aus-

land.» (§ 83 Ziffer 1 BauG). Die Verantwortung für den betrieblichen Unterhalt der Kan-

tonsstrassen liegt bei kantonalen Stellen, in der Regel dem Tiefbauamt oder dem Stras-

seninspektorat.

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24 / 3 Strassenverkehr

Die Durchführung der Räumung ist von Kanton zu Kanton unterschiedlich organisiert. In

der Regel ist aber der Kanton in Gebiete aufgeteilt, die jeweils von einem Werkhof aus

geräumt werden. Die Auslösung der Räumung erfolgt entweder durch eine zentrale Stelle

(z.B. Kanton Luzern) oder dezentral durch die Werkhöfe selbst.

3.5.1 Interviewte Winterdienste

Insgesamt wurden fünf Nationalstrassen-Winterdienste und vier kantonale Winterdienste

in die Studie einbezogen:

— Drei kantonsübergreifende Gebietseinheiten für den Unterhalt der Nationalstrassen

— Zwei integrierte Winterdienste: Nationalstrassen- und Kantonsstrassen-Winterdienst

unter einem gemeinsamen organisatorischen Dach. Das Einsatzgebiet des kantona-

len Winterdienstes entspricht dem des Nationalstrassen-Winterdienstes.

— Zwei kantonale Winterdienste, von denen jedoch einer analog zum Nationalstrassen-

Winterdienst organisiert ist, der im selben Gebiet tätig ist.

Die Informationen wurden in sechs ein- bis zweieinhalbstündigen Gesprächen erhoben,

an denen in der Regel der Leiter der für den Strassenunterhalt des jeweiligen Gebietes

zuständigen Abteilung sowie teilweise Einsatz- und/oder Werkhofleiter teilgenommen

haben.

3.5.2 Arbeitsweise der Winterdienste – Aussagen der Interviewpartner

Alle befragten Winterdienste haben in ihren Einsatzgebieten mehrere Werkhöfe und teil-

weise zusätzliche Stützpunkte, die einem Werkhof angeschlossen sind, aber als separate

Standorte für Personal und Material dienen. Die dezentrale Verteilung über das Einsatz-

gebiet verringert die Anfahrtszeiten zu den Arbeitsorten und erlaubt schnell am Einsatzort

zu sein. Je nach Gebietseinheit oder Kanton haben die Werkhöfe unterschiedlich viel

Autonomie bezüglich ihrer Personal- und Arbeitsplanung.

Bei fast allen befragten Winterdiensten liegt die Verantwortung für die Auslösung der

Winterdiensteinsätze bei den Werkhofleitern bzw. deren Stellvertretern, die ausserhalb

der normalen Arbeitszeiten in der Regel im Wochenrhythmus Pikettdienst leisten und

auch nachts und am Wochenende für die Einsatzauslösung verantwortlich sind. Die

diensthabenden Einsatzleiter beobachten selbstverständlich das Wetter nicht während 24

Stunden: Entweder wird anhand der Prognosen antizipiert, wann ausserhalb der Arbeits-

zeit die Situation überprüft werden muss, oder die Einsatzleiter sehen in kritischen Näch-

ten Kontrollfahrten vor und lassen sich bei Bedarf durch die Kontrollfahrer wecken. Bei

einem der betrachteten Winterdienste wird die Verantwortung abends und am Wochen-

ende an die Kantonspolizei abgegeben. In einem anderen Fall übernimmt während der

Randzeiten eine Zentrale die Einsatzleitung für den gesamten Kanton, jedoch nur, wenn

aufgrund der Wetterprognosen kein Einsatz zu erwarten ist. Nur einer der nationalen und

einer der kantonalen Winterdienste lösen die Winterdiensteinsätze ausschliesslich über

eine Zentrale aus, welche im 24h-Stundenbetrieb arbeitet.

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Die Mehrheit der in unserer Studie einbezogenen Strassendienste arbeitet im Winter-

dienst sehr stark mit Drittleistern zusammen. Die Anteile der Drittleister liegen bezogen

auf die Anzahl einsetzbarer Fahrzeuge je nach Winterdienst zwischen 20% und 90%. Die

Drittleister sind in der Regel Transportunternehmen, die im Sommer Bautransporte fah-

ren und im Winter ihre LKW dank der Winterdiensteinsätze besser auslasten können.

Dabei werden in der Regel langfristige Verträge abgeschlossen, die eine Bereitstellungs-

pauschale und zusätzlich eine Vergütung der effektiven Einsatzzeit umfassen. Die Streu-

er und Pflüge verbleiben in der Regel im Eigentum des Kantons bzw. der Gebietseinheit.

3.5.3 Verwendung von meteorologischen Informationen – Aussagen der

Interviewpartner

Verwendete Produkte

Alle fünf nationalen und vier kantonalen Strassendienste, die interviewt wurden, verwen-

den in ihrer Arbeit regelmässig und gezielt meteorologische Informationen. Die National-

strassendienste verwenden mit einer Ausnahme alle ein Glatteisfrühwarnsystem. Dieses

besteht aus Messstationen, die auf den Strecken installiert sind und verschiedene Para-

meter wie Oberflächentemperatur, Feuchtigkeit und Restsalzgehalt messen. Ein Natio-

nalstrassen-Winterdienst und ein kantonaler Strassendienst verwenden Thermal Maps.

Dieses Verfahren beruht auf einer klimatischen Erfassung der Strassenabschnitte. Dabei

wird die Abkühlungsrate der Strassenabschnitte bei verschiedenen Wetterlagen erhoben.

Im täglichen Dienst werden die für ausgewählte Referenzstationen erstellten Nachtprog-

nosen auf das gesamte Streckennetz übertragen. Die Oberflächentemperaturen werden

graphisch auf einer Strassenkarte dargestellt. Die meisten kantonalen Strassendienste

verfügen über kein Messnetz.

Des Weiteren verwenden alle Winterdienste frei zugängliche Wetterprognosen, wobei

diese vor allem über das Internet bezogen werden. Die Mehrheit verwendet ausserdem

kostenpflichtige Wetterprognosen von MeteoSchweiz oder anderen Anbietern, entweder

Lokalprognosen oder spezifische Strassenwetterprognosen, die auch Angaben über die

Strassentemperatur, die Bewölkung und den Strassenzustand enthalten. Von einer Ge-

bietseinheit werden nur elektronische Gratisprodukte genutzt, aber bei Bedarf die kos-

tenpflichtige telefonische Beratung durch MeteoSchweiz in Anspruch genommen.

Verwendungszwecke

Die meteorologischen Informationen werden bei den meisten Winterdiensten in erster

Linie durch die diensthabenden Einsatzleiter genutzt. In einem Kanton lösen nicht die

Einsatzleiter selbst Kontrollfahrten aus, sondern die Kontrollfahrer entscheiden selbst, ob

und wann sie Kontrollfahrten durchführen. Dementsprechend verwenden sie auch selbst

gezielt Wetterprognosen, um die Notwendigkeit und den optimalen Zeitpunkt für die Kon-

trollfahrten zu bestimmen.

Bei den meisten befragten Winterdiensten werden meteorologische Informationen in ers-

ter Linie für die folgenden Punkte verwendet:

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26 / 3 Strassenverkehr

— Die Winterdienste mit Glatteisfrühwarnsystem lösen ihre Einsätze gemäss den

Warnmeldungen des Systems aus, wobei aber die korrekte Interpretation der Warn-

meldungen (Stufensystem) vor dem Hintergrund der verfügbaren meteorologischen

Informationen zentral ist.

— Die diensthabenden Einsatzleiter können dank den Wetterprognosen antizipieren,

wann in der Nacht und am Wochenende die Wettersituation beobachtet werden muss

und wann Einsätze notwendig sein werden. Nur so sind durchgehende Pikettdienste

des Einsatzleiters von einer Woche möglich, ohne dass seine notwendigen Ruhezei-

ten unterschritten werden.

— Dank den Wetterprognosen können die Zeitpunkte für Kontrollfahrten optimal den

meteorologischen Gegebenheiten angepasst werden. Kontrollfahrten sind insbeson-

dere bei den Winterdiensten ohne Glatteiswarnsystem sehr wichtig.

Für folgende Punkte werden meteorologische Informationen nur bei einigen Winterdiens-

ten verwendet:

— Bei einer zentralisierten Einsatzauslösung spielt die genaue lokale meteorologische

Information eine grosse Rolle, da der Blick aus dem Fenster nicht bis in alle Einsatz-

gebiete reicht.

— Bei einem der betrachteten Winterdienste spielen Wetterprognosen auch bei der Ein-

teilung der Pikettdienste eine Rolle. Bei den meisten Winterdiensten wird der Pikett-

dienst allerdings zu langfristig geplant, als dass sich meteorologische Informationen

systematisch einbeziehen liessen. Die Mitarbeitenden können allerdings meist auf

Wunsch frei nehmen, wenn mit hoher Wahrscheinlichkeit keine Einsätze notwendig

sein werden.

3.5.4 Wirkung auf den Einsatz öffentlicher Mittel – Aussagen der Interviewpartner

Um die Wirkung von meteorologischen Informationen auf den Einsatz öffentlicher Mittel

abzuschätzen, wurden die Interviewpartner gebeten sich eine Situation vorzustellen, in

denen sie keinerlei Wetterprognosen mehr haben, aber beliebige zusätzliche finanzielle

Mittel, um die heutige Qualität des Winterdienstes soweit als möglich auch ohne Wetter-

prognosen wieder herzustellen. Dabei wurde die Annahme getroffen, dass die Glatteis-

frühwarnsysteme weiterhin zur Verfügung stehen, da wir in erster Linie an den Nutzen

der durch meteorologische Anbieter erstellten Dienstleistungen interessiert sind.

Nicht alle der interviewten Winterdienste wollten sich zu diesem Gedankenexperiment

äussern. Fünf der sechs Gesprächspartner waren aber bereit Aussagen darüber zu ma-

chen, wie in diesem Fall der Winterdienst aussehen würde, und wie viel mehr er im Ver-

gleich zum heutigen System Kosten würde. Dabei lassen sich die Aussagen und ge-

schätzten Kosten in drei Gruppen aufteilen:

— Zwei Gesprächspartner von Nationalstrassengebieten waren der Meinung, dass ihre

Winterdienste ohne Wetterprognosen zusätzliches Personal für die Winterdienstein-

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sätze und auch für andere Arbeiten benötigen würden. Dies nicht aufgrund zusätzli-

cher Einsatzzeiten, aber aufgrund der viel schlechteren Planbarkeit der Einsätze. Bei-

de kamen bei den Folgekosten zu einer ganz ähnlichen Grössenordnung: Es wurden

5'100 und 7'000 CHF pro Jahr und Kilometer Streckennetz geschätzt.

— Zwei andere Gesprächspartner (von National- und Kantonsstrassendiensten) sahen

den Mehraufwand ohne Wetterprognosen eher bei der zusätzlich notwendigen Beo-

bachtung von Wetter und Strassen, wozu zusätzliche Einsatzleiter und/oder zusätzli-

che Kontrollfahrer und Fahrzeuge notwendig wären. Der zusätzliche Aufwand pro

Jahr und Streckenkilometer wurde auf 870 bzw. 820 CHF geschätzt.

— Einer der Winterdienste, der aufgrund der topographischen Gegebenheiten heute

bereits sehr stark auf Kontrollfahrten abstützt, hat den Mehraufwand eines Winter-

dienstes ohne Wetterprognosen vor allem bei zusätzlichen Einsatzstunden der bereits

vorhandenen Kontrollfahrer gesehen. Der Mehraufwand beliefe sich hypothetisch auf

rund 200 CHF pro Jahr und Kilometer Streckennetz.

Zusätzlich waren mehrere Interviewpartner der Meinung, dass die heutige Qualität der

Winterdienste ohne Wetterprognosen nicht vollständig erreichbar wäre.

3.5.5 Wirkung auf die Qualität der Leistungserbringung – Aussagen der

Interviewpartner

Viele Interviewpartner waren der Meinung, dass auch mit Mehrausgaben die heutige

Qualität der Winterdienste ohne Wetterprognosen nicht erreichbar wäre, dass also häufi-

ger Schnee und Eis auf den Strassen vorhanden wären. Ebenfalls wurde die Frage ge-

stellt wie die Situation wäre, wenn keine zusätzlichen Mittel verfügbar wären. Hier waren

sich nun alle Interviewpartner darin einig, dass die Qualität spürbar zurückgehen würde.

Allerdings sahen sie sich nicht in der Lage, diesen Qualitätsrückgang zu quantifizieren.

Unterschiedlich waren die Einschätzungen der Folgen eines Qualitätsrückgangs. In den

alpinen Regionen sind die Autofahrenden ohnehin an Schnee und Eis gewöhnt und kön-

nen in der Regel damit umgehen. In den Voralpen, im Mittelland und auf den Transitstre-

cken führt Glätte regelmässig zu Unfällen, die wiederum zu Staus führen. Die Staufolgen

eines Unfalls hängen aber wiederum stark vom Verkehrsaufkommen ab. Während auf

manchen Kantonsstrassen eine unfallbedingte Teilsperrungen kaum relevante Auswir-

kungen hat, führt sie auf Strassen, die nahe an ihrer Kapazitätsgrenze betrieben werden,

zu grossen Wartezeiten von denen sehr viele Fahrzeuge betroffen sind.

3.5.6 Strassenverkehrsunfälle auf schneebedeckter, pflotschiger oder vereister

Fahrbahn

Der Winterdienst auf den Schweizer Nationalstrassen hat sich in den vergangenen Jahr-

zehnten verändert. Die Ansprüche haben sich erhöht: Heute ist auf den Nationalstrassen

die Schwarzräumung als Ziel vorgeben. Parallel hat der technische Fortschritt dazu ge-

führt, dass Strassenglätte immer besser vorhergesagt werden kann.

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28 / 3 Strassenverkehr

Trotzdem konnten wir in unseren Befragungen unterschiedliche Philosophien bei der

Glättebekämpfung ausmachen: In einem der im Rahmen der Studie befragten Kantonen

werden seit 1998 lokale Prognosen systematisch genutzt und seit 2002 wird in diesem

Kanton bei National- und Kantonsstrassen auf eine konsequente Prophylaxe-Strategie

gesetzt, die seit der Neuorganisation der Strassendienste auf den Nationalstrassen 2008

im gesamten zugehörigen Nationalstrassengebiet umgesetzt wird.

In anderen an der Studie teilnehmenden Nationalstrassengebieten werden gemäss unse-

ren Erhebungen Wetterprognosen weniger systematisch zur Glättevorhersage eingesetzt

und teilweise wird die Prophylaxe auch deutlich weniger in den Vordergrund gestellt. Aus

diesem Grund haben wir anhand der Statistik der Strassenverkehrsunfälle der BFS ana-

lysiert, ob sich in den Kantonen, die als Kerngebiete der befragten Nationalstrassenge-

biete die heutige Winterdienstphilosophie massgeblich prägen, die Anzahl verunfallter

Personenwagen auf eisiger, pflotschiger13 oder schneebedeckter Fahrbahn in den letzten

34 Jahren unterschiedlich entwickelt haben.

Als Datengrundlage dient die Statistik der Strassenverkehrsunfälle des Bundesamtes für

Statistik der Jahre 1975 bis 2009, die alle Strassenverkehrsunfälle mit Personenschäden

auf Schweizer Strassen erfasst. Die Erhebung wurde 1992 einer Revision unterzogen,

wodurch einige Variablen nicht durchgängig vorhanden sind. Deswegen konnte nicht

nach National-, Kantons- und Gemeindestrassen differenziert werden.

Für den Kantonsvergleich werden folgende Annahmen getroffen:

— Annahme 1: Klima, Wetter, Verkehrsaufkommen sowie technischer Fortschritt bei

den Autos und bei der Strasseninfrastruktur (Signalisation, Entschärfung Gefahren-

stellen etc.) haben sich in allen Kantonen gleichermassen verändert.

— Annahme 2: Die Anteile der Anzahl verunfallter Personenwagen, die National-, Kan-

tons- und Gemeindestrassen zugerechnet werden, sind in den vergangenen 19 Jah-

ren annähernd konstant geblieben. Unter dieser Annahme gelten Aussagen, die auf

der Auswertung von Unfällen in allen Strassenkategorien basieren, auch für die Nati-

onalstrassen.

Die erste Annahme stufen wir aufgrund des langen Analysezeitraums von 34 Jahren und

der grossen Analyseregionen (drei grosse Kantone mit Städten, Agglomerationen und

ländlichen Gebieten) als vertretbar ein. Die zweite Annahme wird durch Tabelle 58 und

Tabelle 59 im Anhang gestützt. Diese zeigen zwar nicht für die Strassenkategorie (Natio-

nal-, Kantons- und Gemeindestrassen), wohl aber für die Strassenart (Autobahn, Auto-

strasse, Hauptstrasse, Nebenstrasse, andere Strasse), dass sich die Anteile der Unfälle,

die auf die verschiedenen Strassenarten entfallen, seit 1992 nur geringfügig verändert

haben.

13 Dieser Begriff wird in der Unfallstatistik des BFS verwendet.

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Veränderung Anzahl verunfallte Personenwagen pro Jahr auf National-, Kantons- und Gemeindestrassen

Region Strassenzustand Trend Trendwert

Standardisierter(1) Trendwert

(95%-Konfidenzintervall)

Alle nicht nachweisbar +/-0 +/-0

schneebedeckt/pflotschig/vereist abwärts -29 -0.051

(-0.088 bis -.0014)

CH

trocken/feucht/nass nicht nachweisbar +/-0 +/-0

Alle aufwärts 5 0.041

(0.001 bis 0.081)

schneebedeckt/pflotschig/vereist abwärts -2 -0.055

(-0.093 bis -0.018)

Kanton 1 Prophylaxe als Ziel für die National-strassen stark verankert

trocken/feucht/nass aufwärts 7 0.055

(0.018 bis 0.092)

Alle aufwärts 23 0.065

(0.031 bis 0.100)

schneebedeckt/pflotschig/vereist abwärts -3 -0.044

(-0.084 bis -0.005)

Kanton 2 Prophylaxe als Ziel für die National-strassen verankert

trocken/feucht/nass aufwärts 26 0.069

(0.036 bis 0.103)

Alle aufwärts 7 0.052

(0.015 bis 0.091)

schneebedeckt/pflotschig/vereist nicht nachweisbar +/-0 +/-0

Kanton 3 Prophylaxe als Ziel für die National-strassen wenig verankert trocken/feucht/nass aufwärts 7

0.057 (0.021 bis 0.094)

Tabelle 6: Trend in Veränderung der Anzahl verunfallter Personenwagen pro Jahr, berechnet auf Basis der Jahre 1975 bis 2009. Die standardisierten Variablen ermöglichen die Vergleiche zwischen unter-schiedlich grossen Regionen mit unterschiedlichen Verkehrsaufkommen. Nicht berücksichtigt wurden die Strassenzustände ölig, verschmutzt, Rollsplitt/Sand und schadhafte Fahrbahn. (1) Standardisierter Wert z=(x-µ)/σ2, wobei µ der Mittelwert und σ2 die Varianz von x ist. Lesebeispiel 1: In der Schweiz ist die Anzahl verunfallter PW auf schneebedeckter, pflotschiger oder vereister Fahrbahn zwischen 1975 und 2009 pro Jahr durchschnittlich um 29 zurückgegan-gen. Lesebeispiel 2: Anhand der standardisierten Koeffizienten ist ersichtlich, dass relativ zum Verkehrsaufkommen die Anzahl verunfallter Personenwagen auf schneebedeckter, pflotschiger oder vereister Fahrbahn im Kanton 1 etwas stärker zurückgegangen ist als im Kanton 2.

In der ganzen Schweiz ist die Anzahl verunfallter Personenwagen auf schneebedeckter,

pflotschiger oder vereister Fahrbahn seit 1975 durchschnittlich um 29 Fahrzeuge pro Jahr

zurückgegangen, während bei der Gesamtzahl der Unfälle und bei Unfällen auf trocke-

ner, feuchter oder nasser Fahrbahn kein Trend14 erkennbar ist (Tabelle 6). Dieser Rück-

gang könnte grundsätzlich auch an klimatischen Veränderungen oder am technischen

Fortschritt liegen, weswegen der Vergleich zwischen verschiedenen Regionen aussage-

kräftiger ist als die Entwicklung über die Zeit.

Tabelle 6 zeigt die Entwicklung der Unfallzahlen in drei Kantonen, deren Nationalstras-

sendienste gemäss den geführten Interviews unterschiedliche Winterdienststrategien

verfolgen. Die Unterschiede liegen in der Verankerung der Prophylaxe als Qualitätsziel,

14 «Kein Trend» bedeutet, dass die Anzahl verunfallter Personenwagen sich im betrachteten Zeitraum nicht in eine klare

Richtung entwickelt hat.

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30 / 3 Strassenverkehr

bestehen also darin, wie stark das Ziel im Vordergrund steht, wann immer möglich, be-

reits die Glättebildung zu verhindern. Im Kanton 1 wurde seit Anfang der 90er Jahre

Technik und Organisation konsequent in Richtung Prophylaxe weiterentwickelt. In den

Kantonen 2 und 3 kann dies nicht belegt werden; es ist jedoch davon auszugehen, dass

sich die grundsätzlichen Winterdienststrategien eher in Richtung verstärkter als in Rich-

tung verminderter Prophylaxe verändert haben.

Anhand der standardisierten Werte in Tabelle 6 lassen sich die Entwicklungen im Unfall-

geschehen zwischen den Kantonen und auch zwischen den verschiedenen Fahrbahnzu-

ständen vergleichen.

In allen drei betrachteten Kantonen hat die Anzahl verunfallter Personenwagen zuge-

nommen, während in der Schweiz insgesamt keine Veränderung zu beobachten ist. Dies

könnte daran liegen, dass es ich um drei Kantone mit grossen Agglomerationen handelt,

in denen das Verkehrsaufkommen in den vergangenen Jahren besonders stark zuge-

nommen hat.

Zwischen den Kantonen 1 und 2 sind keine signifikanten Unterschiede in der Entwicklung

der Anzahl verunfallter Personenwagen erkennbar, weder auf schneebedeckter, pflot-

schiger oder eisiger Fahrbahn noch auf trockener, feuchter oder nasser Fahrbahn. (Alle

Konfidenzintervalle der standardisierten Werte überschneiden sich deutlich.) Hier sind

also keine Unterschiede in der Entwicklung der Effektivität der Winterdienste erkennbar.

Beim Vergleich zwischen dem Kanton 3 und den anderen beiden Kantonen zeigt sich

folgendes:

— Eine Abnahme in der Anzahl verunfallter Personenwagen auf schneebedeckter, pflot-

schiger oder vereister Fahrbahn ist im Kanton 3 im Gegensatz zu den Kantonen 1

und 2 nicht ersichtlich.

— Die Entwicklung der Gesamtzahl der Unfälle unterscheidet sich nicht signifikant von

den anderen beiden Kantonen.

Daraus lässt sich einerseits schliessen, dass die Winterdienste, die stärker auf Prophyla-

xe setzten, tatsächlich ein besseres Ergebnis erzielen als Winterdienste, die nicht auf

Prophylaxe setzten, und damit einen Rückgang der Anzahl Unfälle auf schneebedeckter,

pflotschiger oder eisiger Fahrbahn erzielen. Andererseits scheint sich dieses Ergebnis

aber nicht auf die Entwicklung der Gesamtzahl der Unfälle durchzuschlagen, die in allen

drei Kantonen gleich verlaufen ist. Dafür gibt es mehrere Erklärungsansätze:

1 Verlagerungseffekt: Es geschehen weniger Unfälle auf schneebedeckter, pflotschiger

oder eisiger Fahrbahn, da die Fahrbahnen kaum mehr schneebedeckt, pflotschig o-

der eisig sind, dafür aber mehr Unfälle auf trockener, feuchter oder nasser Fahrbahn.

2 Unterschiede in der Zunahme des Verkehrsaufkommens oder im technischen Fort-

schritt bei der Strasseninfrastruktur bewirken, dass der unfallmindernde Effekt eines

besseren Winterdienstes überlagert wird.

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/ 31

Den ersten Erklärungsansatz können wir als einzigen Grund ausschliessen, da nachge-

wiesen worden ist (Abay 2005), dass das Unfallrisiko auf schneebedeckter, pflotschiger

oder eisiger Fahrbahn höher ist als auf salznasser Fahrbahn. Folglich deuten die Ergeb-

nisse darauf hin, dass sich neben dem Winterdienst noch andere Faktoren in den Kanto-

nen unterschiedlich entwickelt haben. Damit ist jedoch Annahme 1 verletzt, wodurch

auch der Kantonsvergleich bezüglich der Unfälle auf schneebedeckter, pflotschiger und

nasser Fahrbahn an Validität verliert.

Die vorliegende Auswertung von Unfalldaten führt also auf kein eindeutiges Ergebnis. Die

Auswertungen zeigen, dass der Einbezug weiterer Variablen und damit die Zusammen-

stellung eines neuen Datensatzes aus verschiedenen Datenquellen notwendig wäre, um

den offenen Fragen mithilfe eines multivariaten Ansatzes auf den Grund zu gehen. Im

vorliegenden Projekt lag die Konstruktion eines solchen neuen Datensatzes ausserhalb

des Projektrahmens; hier ist jedoch Raum für weitere Forschung.

3.5.7 Drittleister

Die in den obigen Kapiteln mehrmals erwähnten Drittleister im Bereich Winterdienst sind

auf den National- und Kantonsstrassen in der Regel Bautransportunternehmer, deren

Fahrzeuge sich für den Winterdienst eignen und im Winter weniger ausgelastet sind als

in den wärmeren Monaten. Bautransporte werden ausführlich in Kapitel 3.7.6 behandelt,

die Aussagen im Bereich Winterdienst werden hier aber zusammengefasst und an-

schliessend in Kapitel 3.5.9 hochgerechnet:

Die mit den Drittleistern vereinbarten Reaktionszeiten im Falle einer Alarmierung sind

sehr kurz. In der Regel sind die Drittleister verpflichtet, innerhalb von 30 Minuten auf den

ihnen zugewiesenen Streckenabschnitten zu sein, andernfalls müssen häufig «Strafge-

bühren» gezahlt werden. Dies bedeutet, dass die für den Winterdienst ausgerüsteten

Fahrzeuge sich zum Zeitpunkt der Alarmierung bereits einsatzbereit beim Drittleister auf

dem Platz befinden müssen. Die Drittleister können die Fahrzeuge entweder während der

ganzen Winterdienstsaison von November bis März für die Winterdiensteinsätze bereit-

halten, oder aber zwischendurch trotzdem für anderes einsetzen, wenn gemäss Wetter-

prognosen keine Alarmierung zu erwarten ist. Gemäss den beiden Interviews, die wir mit

Drittleistern geführt haben, kommt beides vor.15

Der befragte Bautransportunternehmer, welcher die für den Winterdienst ausgerüsteten

Fahrzeuge auch für anderes einsetzt, geht davon aus, dass die für den Winterdienst ein-

gesetzten Fahrzeuge ohne Wetterprognosen während der Wintermonate die Hälfte jedes

Arbeitstages nicht für andere Einsätze verwendet werden könnten. Bei unverändertem

Umsatz, Kosten16 von 500 CHF pro Fahrzeug und Fahrer pro Tag, sechs für den Winter-

dienst genutzten LKW und fünf Wintermonaten17 à 20 Arbeitstagen ergeben sich im Ver-

15 Die Interviews wurden mit zwei Drittleistern im gleichen Nationalstrassengebiet geführt, also mit zwei Drittleistern, die pro

Winterdienstsaison ähnlich häufig alarmiert werden.

16 Selbstkosten, gemäss Angaben der Interviewpartner.

17 Die Winterdienstsaison dauert von November bis März, vgl. auch Kapitel 3.5.

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32 / 3 Strassenverkehr

gleich zu einer Situation mit Prognosen Kosten für unproduktive Betriebsmittel von rund

150'000 CHF pro Jahr.

3.5.8 Würdigung

Die zum Winterdienst erhobenen Informationen ergeben insgesamt ein konsistentes Bild.

Die Aussagen zu Organisation, Arbeitsprozessen und Nutzung von meteorologischen

Informationen sind bei allen dezentral organisierten Winterdiensten relativ homogen, wo-

bei die Mehrheit der befragten Winterdienste eine stark dezentrale Organisation aufweist.

Die zentral organisierten Winterdienste funktionieren grundsätzlich anders und machen

zur Nutzung von meteorologischer Information deswegen auch anderen Aussagen.

Die Aussagen zur Wirkung von meteorologischen Informationen auf den Einsatz öffentli-

cher Mittel sind zwar unterschiedlich, aber liegen in sehr ähnlichen Bereichen, sofern sie

auch ähnlich begründet wurden. Deswegen stufen wir die Ergebnisse als ein gutes Mass

für die Grössenordnung der Mehrkosten eines Winterdienstes ohne Wetterprognosen ein.

Auch die Angaben zur Wirkung von meteorologischen Informationen auf die Qualität der

Leistungserbringung sind homogen: Ohne Wetterprognosen würde Glätte auf den Stras-

sen häufiger vorkommen als heute. Die hypothetischen Folgen wären vor allem bei stark

befahrenen Strassen zusätzliche Unfälle und zusätzlicher Stau. Unsere Auswertung der

Statistik der Strassenverkehrsunfälle widerlegt diese Hypothese nicht, kann sie aber nicht

abschliessend be-stätigen. Auch ist keine Quantifizierung der Anzahl zusätzlicher Unfälle

möglich.

Die Angaben der Drittleister sind plausibel, ergeben aber kein konsistentes Bild. Bei den

Drittleistern werden meteorologische Informationen offensichtlich sehr unterschiedlich

genutzt, abhängig von der konkreten Organisation und den Arbeitsprozessen. Dies ist bei

der Hochrechnung der quantitativen Ergebnisse zu berücksichtigen.

3.5.9 Quantitative Ergebnisse und Hochrechnung

Winterdienstausgaben der öffentlichen Hand

Tabelle 7 fasst zusammen, wie sich das Fehlen meteorologischer Prognosen auf den

Betriebsaufwand der befragten Winterdienste auswirken würde. Dabei wird zwischen den

verschiedenen Auswirkungen im täglichen Betrieb differenziert, die von den Winterdiens-

ten angegeben wurden und die zu unterschiedlichen Mehrkosten pro Strassenkilometer

führen.18 Von den neun befragten Winterdiensten waren nur sieben bereit, den Nutzen

der Wetterprognosen monetär abzuschätzen, die übrigen zwei haben dies als nicht mög-

lich beurteilt. Diese sieben befragten Winterdienste rechnen insgesamt mit Mehrausga-

ben in der Grössenordnung von 4.64 Mio. CHF/a, müssten sie den Winterdienst in der

heutigen Qualität ohne Wetterprognosen leisten. Dabei wurde aber von mehreren ein-

18 Die Unterschiede in den Mehrkosten pro Strassenkilometer lassen sich nicht systematisch mit Eigenschaften (z.B. Ausrich-

tung auf Prophylaxe, Organisationsstrukturen) der Winterdienste verbinden. Dabei ist auch anzumerken, dass zwar alle

Winterdienste nach den gleichen Qualitätsstandards arbeiten und diese auch erfüllen, eine Messung der Ergebnisqualität

aber fehlt.

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/ 33

schränkend bemerkt, dass das heutige Qualitätsniveau ohne Wetterprognosen nur nähe-

rungsweise erreichbar wäre.

Auswirkungen fehlender Wetterprognosen auf den Aufwand der 7 befragten Winterdienste mit Quantifizierung

Auswirkung:

Anzahl von der Auswirkung betrof-fene Winterdienste Nationalstrassen

Anzahl von der Auswirkung betrof-fene Winterdienste Kantonsstrassen

Ø Kosten pro Strassenkilometer

pro Jahr [CHF/km]

Kosten gesamt pro Jahr

[CHF/a]

Höherer Personalbedarf wegen schlechterer Plan-barkeit der Einsätze

2 0 6'400 1.85 Mio.

Höherer Ressourcenbedarf (Personal und Fahrzeuge) wegen zusätzlich notwen-diger Strecken- und Wet-terbeobachtung

1 2 840 2.48 Mio.

Zusätzliche Einsatzstunden für Kontrollfahrten ohne Notwendigkeit von zusätz-lichem Personal

1 1 200 0.315 Mio.

Summe National- und Kantonsstrassen 4.64 Mio.

Summe Nationalstrassen 2.00 Mio.

Summe Kantonsstrassen 2.64 Mio.

Tabelle 7: Hypothetische monetäre Auswirkungen des Fehlens von meteorologischen Prognosen auf die Ausgaben der öffentlichen Hand für den Winterdienst auf National- und Kantonsstrassen bei den sieben befragten Winterdiensten, die monetäre Abschätzungen gemacht haben. Zwei der neun befragten Winterdienste haben monetäre Abschätzungen als nicht möglich beurteilt.

Die Hochrechnung der erhobenen Ergebnisse erfolgt anhand der Strassenkilometer, wel-

che durch die befragten und die nicht befragten Winterdienste gepflegt werden. Dies ist

zulässig, wenn wir davon ausgehen, dass die Gruppe der befragten Winterdienste sich

bezüglich eingesetzter Technik, Organisation und Topographie des zu betreuenden Ge-

bietes nicht systematisch von der Gruppe der nicht befragten Winterdienste unterschei-

det. Aufgrund der getroffenen Auswahl halten wir diese Annahme für zulässig. Tabelle 8

zeigt die Anzahl National- und Kantonsstrassenkilometer in der Schweiz sowie die Anzahl

der von den im Rahmen der vorliegenden Studie befragten Winterdiensten betreuten

Strassenkilometer: Die durchgeführten Befragungen decken 43% des Nationalstrassen-

und 26% des Kantonstrassennetzes ab. Angaben zu den quantitativen Auswirkungen von

fehlenden Wetterprognosen haben allerdings nur sieben der neun befragten Winterdiens-

te gemacht, so dass für 36% des Nationalstrassennetzes und 24% des Kantonsstrassen-

netzes Quantifizierungen der Auswirkungen von fehlenden Wetterprognosen vorliegen.

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34 / 3 Strassenverkehr

Strassentyp Strassenkilometer in der Schweiz

[km]

Strassenkilometer der 7 befragten Winterdienste, welche monetäre Abschätzungen gemacht haben

[km]

Strassenkilometer der 2 befragten Winterdienste, welche keine

monetäre Abschätzungen gemacht haben [km]

Anzahl Anteil Anzahl Anteil

Nationalstrassen 1'789 628 36% 119 7%

Kantonsstrassen 18'050 4'243 24% 518 3%

Tabelle 8: Strassenkilometer National- und Kantonsstrassen gesamt und Strassenkilometer der befragten Winterdiensten. Quelle: Bundesamt für Strassen und Bundesamt für Statistik, Themenbereich Mobilität und Verkehr, 2010.

Beim Übertrag der erhobenen Ergebnisse auf die nicht befragten Winterdienste und die

zwei befragten Winterdienste ohne Quantifizierungen muss eine Annahme darüber ge-

troffen werden, bei welchem Anteil der nicht befragten Winterdienste die drei verschiede-

nen möglichen Auswirkungen eintreten (vgl. nochmals Tabelle 7). Aufgrund der geringen

Fallzahlen kann die bei den befragten Winterdiensten aufgetretene Verteilung zwar als

ein Hinweis dienen, lässt aber keine eindeutigen Schlüsse zu. Deswegen wurden ver-

schiedene Szenarien berechnet (Tabelle 9): Der obere Teil der Tabelle zeigt, wie viel

höher der Aufwand der nicht befragten Winterdienste und der zwei befragten Winter-

dienste ohne Quantifizierungen wäre, wenn je bei einem Drittel eine der drei möglichen

Auswirkungen auftreten würde. Der untere Teil zeigt hingegen die Extreme, welche auf-

treten würden, wenn jeweils bei allen nicht befragten Winterdiensten dieselbe der drei

möglichen Auswirkungen gültig wäre.

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Auswirkungen fehlender Wetterprognosen auf den Aufwand der nicht befragten Winterdienste und der zwei befragten Winterdienste ohne Quantifizierung

Nationalstrassen Kantonsstrassen Annahme: Je ein Drittel der nicht befragten Winterdiens-te…

Rechnung Ergebnis [CHF/a] Rechnung Ergebnis [CHF/a]

… benötigt mehr Personal wegen schlechterer Planbarkeit der Einsätze

1/3 * 1'161 km * 6'400 CHF/km

2.48 Mio. 1/3 * 13'807 km *

6'400 CHF/km 29.45 Mio.

… benötigt mehr Ressourcen wegen zusätzlich notwendiger Strecken- und Wetterbeobach-tungen

1/3 * 1'161 km * 840 CHF/km

0.33 Mio. 1/3 * 13'807 km *

840 CHF/km 3.87 Mio.

… benötigt mehr Einsatzstunden für Kontrollfahrten, aber keine zusätzlichen Anstellungen

1/3 * 1'161 km * 200 CHF/km

0.08 Mio. 1/3 * 13'807 km *

200 CHF/km 0.92 Mio.

SUMME 2.88 Mio. 34.24 Mio.

Annahme: Alle nicht befragten Winterdienste…

… benötigen mehr Personal wegen schlechterer Planbarkeit der Einsätze

1'161 km * 6'400 CHF/km

7.43 Mio. 13'807 km * 6'400

CHF/km 88.36 Mio.

… benötigen mehr Ressourcen wegen zusätzlich notwendiger Strecken- und Wetterbeobach-tungen

1'161 km * 840 CHF/km

0.98 Mio. 13'807 km * 840

CHF/km 11.6 Mio.

… benötigen mehr Einsatzstun-den für Kontrollfahrten, aber keine zusätzlichen Anstellungen

1'161 km * 200 CHF/km

0.23 Mio. 13'807 km * 200

CHF/km 2.76 Mio.

SUMME Summieren würde zu Doppelzählungen führen

Tabelle 9: Hypothetische monetäre Auswirkungen des Fehlens von meteorologischen Prognosen auf die Ausgaben der öffentlichen Hand für den Winterdienst auf National- und Kantonsstrassen bei den nicht befragten Winterdiensten und den zwei befragten Winterdiensten ohne Quantifi-zierung. Die Angaben der befragten Winterdienste werden auf die nicht befragten Winterdienste übertragen.

Wo der tatsächliche Mehraufwand der nicht befragten Winterdienste und der zwei befrag-

ten Winterdienste ohne Quantifizierungen tatsächlich liegen würde, lässt sich nicht mit

Sicherheit sagen, es ist aber wahrscheinlicher, dass unterschiedliche Auswirkungen auf-

treten würden. Wir halten deswegen die Je-ein-Drittel-Variante für am plausibelsten.

Tabelle 10 zeigt schliesslich die Auswirkungen fehlender Wetterprognosen auf die Natio-

nal- und Kantonsstrassenwinterdienste der ganzen Schweiz.

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36 / 3 Strassenverkehr

Auswirkungen fehlender Wetterprognosen auf den Aufwand der Winterdienste [Mio. CHF/a]

Nationalstrassen Kantonsstrassen SUMME

Befragte Winterdienste 2.00 2.64 4.64

Nicht befragte Winterdienste(1) 2.88 34.24 37.12

Möglicher Wertebereich 0.23 bis 7.43 2.76 bis 88.36 2.99 bis 95.79

SUMME(1) 4.88 36.88 41.76

Möglicher Wertebereich 2.23 bis 9.43 5.4 bis 91 7.63 bis 100.43

Tabelle 10: Auswirkungen fehlender Wetterprognosen auf die Ausgaben der öffentlichen Hand für den Stras-senwinterdienst. Die Angaben verstehen sich als plausible Grössenordnungen. Die möglichen Wertebereiche sind sehr gross, plausibel sind jedoch Werte von ca. 40 bis 50% des oberen Ran-des des Wertebereichs (vgl. auch Tabelle 9 und zugehörigen Text). (1) Plausibelster Wert

Wirtschaftlichkeit der Drittleiser im Winterdienst

Dank Wetterprognosen sind die Winterdiensteinsätze für die Drittleister antizipierbar.

Dies ermöglicht ihnen, die für den Winterdienst ausgerüsteten Fahrzeuge während der

Winterdienstsaison trotz der kurzen vereinbarten Reaktionszeiten von 30 Minuten auch

für andere Arbeiten einzusetzen. Gemäss den in den Interviews gemachten Aussagen,

müssten die für den Winterdienst ausgerüsteten Fahrzeuge während der Winterdienst-

saison jeweils morgens an Ort behalten werden und könnten nicht für andere Arbeiten

eingesetzt werden, obwohl allenfalls kein Winterdiensteinsatz notwendig sein wird.

Dadurch ergeben sich bei fehlenden Wetterprognosen Kosten für unproduktive Betriebs-

mittel von rund 12'500 CHF pro Jahr für ein für den Winterdienst ausgerüstetes Fahr-

zeug, wenn von folgenden Annahmen ausgegangen wird:

— Fünf Monate pro Jahr mit Winterdienstbereitschaft

— Ein Tageskostensatz von 500 CHF pro Fahrzeug und Fahrer

— Ca. 10 Arbeitstage19 ohne Winterdiensteinsatz pro Monat

Es existieren keine Statistiken zur Anzahl eingesetzter Winterdienstfahrzeuge in der

Schweiz. Anhand der Angaben der neun interviewten Winterdienste können wir die Men-

ge jedoch ungefähr abschätzen (Tabelle 11): In der Schweiz sind insgesamt ca. 780 bis

910 Fahrzeuge von Drittleistern für den Winterdienst auf den National- und Kantonsstras-

sen ausgerüstet.

19 An den Wochenenden finden zwar Winterdiensteinsätze, aber keine anderen Arbeiten statt, somit könnten die Fahrzeuge

potentiell an 20 Tagen pro Monat für andere Arbeiten eingesetzt werden. Die tatsächliche Anzahl Einsätze an Werktagen

ist sehr variabel. Wir gehen bei der Hochrechung von der Hälfte der Werktage aus.

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Angaben aus Interviews und Länge Strassennetz Abschätzung: Anzahl Fahrzeuge im Winterdienst, gesamt und von Drittleistern

Nationalstrassen Nationalstrassen

Durchschnittliche Anzahl Fahrzeuge pro km 0.15 Anzahl Fahrzeuge im Winterdienst gesamt 270

Durchschnittlicher Anteil Drittleister 45% davon Drittleister wenn 45%-Anteil schweizweit

120

Tiefster Anteil Drittleister 20% davon Drittleister wenn 30%-Anteil schweizweit

80

Länge Nationalstrassennetz CH 1'789

Kantonsstrassen Kantonsstrassen

Durchschnittliche Anzahl Fahrzeuge pro km 0.055 Anzahl Fahrzeuge im Winterdienst gesamt 990

Durchschnittlicher Anteil Drittleister 80% davon Drittleister wenn 80%-Anteil schweizweit

790

Tiefster Anteil Drittleister 60% davon Drittleister wenn 70%-Anteil schweizweit

700

Länge Kantonsstrassennetz CH 18'050

Tabelle 11: Abschätzung der Anzahl Fahrzeuge im Winterdienst anhand der Angaben von sechs der neun interviewten Winterdienste. Bei den übrigen war die Anzahl Fahrzeuge und/oder der Anteil der Drittleister aufgrund der dezentralen Organisation nicht verfügbar. Quellen: Interviews und Bun-desamt für Strassen und Bundesamt für Statistik, Themenbereich Mobilität und Verkehr, 2010.

Aufgrund der durchgeführten Interviews können wir nicht davon ausgehen, dass alle

Drittleister ihre Fahrzeuge während der Winterdienstsaison für andere Arbeiten einpla-

nen, sofern aufgrund der Wetterprognose nicht von einem Einsatz auszugehen ist. Da die

Antizipation der Einsätze auf Basis der Prognosen nicht trivial ist und die nationalen und

kantonalen Winterdienste von ihren Drittleistern eine hohe Zuverlässigkeit einfordern,

entscheiden sich einige Drittleister lieber dafür, ihre für den Winterdienst ausgerüsteten

Fahrzeuge permanent einsatzbereit zu halten.

Wir verfügen über keine statistische Basis, anhand derer die Anteile der Drittleister be-

rechnet werden könnten, welche Wetterprognosen zur Antizipation der Winterdienstein-

sätze verwenden und aufgrund der Prognosen ihre für den Winterdienst ausgerüsteten

Fahrzeuge auch für andere Arbeiten einplanen. Für die Hochrechung verwenden wir

deswegen Werte zwischen 25% und 75%, welche einen grossen Unsicherheitsbereich

widerspiegeln.

Dank Wetterprognosen vermiedener Aufwand für unproduktive Betriebsmittel [Mio. CHF/a]

Anteil Drittleister, die Wetterprognosen zur Antizipation der Einsätze verwenden Anzahl Fahrzeuge von Drittleistern 25% 50% 75%

780 2.4 4.9 7.3

910 2.8 5.7 8.5

Tabelle 12: Dank Wetterprognosen vermiedener Aufwand von unproduktiven Betriebsmitteln bei den Dritt-leistern im Winterdienst auf den National- und Kantonsstrassen.

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38 / 3 Strassenverkehr

Tabelle 12 zeigt die Abschätzung der bei den Drittleistern dank Wetterprognosen vermie-

denen Aufwendungen für unproduktive Betriebsmittel. Aufgrund der oben beschriebenen

verschiedenen Unsicherheiten ergibt sich ein grosser Wertebereich von 2.4 bis 8.5 Mio.

CHF/a, wobei alle Werte innerhalb des Bereiches gleichermassen plausibel sind.

3.6 Verkehrsmanagement

3.6.1 Verkehrsmanagement in der Schweiz

Bis vor kurzem war das Verkehrsmanagement auf National- und Kantonsstrassen eine

Aufgabe der Kantone. Um die Koordination des Verkehrsmanagements auf den National-

strassen zu vereinfachen, wurde eine nationale Verkehrsmanagementzentrale eingerich-

tet, die am 1. Februar 2008 den Betrieb aufgenommen hat. Diese ist zuständig für alle

Nationalstrassen erster und zweiter Klasse sowie auch für einige kantonale Autobahnen.

Insgesamt umfasst das Zuständigkeitsgebiet 1'700 Strassenkilometer.

Ziel des Verkehrsmanagements ist, den Verkehr «fliessen zu lassen». Dies wird durch

informieren, lenken und (um)leiten erreicht. Dazu arbeitet die nationale Verkehrsmana-

gementzentrale die folgenden Stellen eng zusammen:

— die Kantonspolizeicorps

— die Grenzwachcorps

— die für die Verkehrsmeldungen zuständige Viasuisse

— die elf Gebietseinheiten für den betrieblichen Nationalstrassenunterhalt

— die fünf für den baulichen Unterhalt zuständigen Astrafilialen

3.6.2 Arbeitsweise der nationalen Verkehrsmanagementzentrale und Einfluss des

Wetters – Aussagen der Interviewpartner

Die folgenden Punkte gehören zu den Aufgaben der nationalen Verkehrsmanagement-

zentrale:

— Erstellung und Umsetzung von Verkehrsmanagementplänen gemeinsam mit den Kan-

tonen

— Koordination und Weiterleitung von Verkehrsmeldungen und Umleitungsempfehlun-

gen

— Weiterleitung und Verbreitung von Verkehrsinformationen

— Koordination der Baustellen (Festlegung der angesichts der Verkehrsmengen mögli-

chen Bau- und Sperrzeiten sowie der Anzahl sperrbarer Spuren)

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— Bewirtschaftung des Informationssystems zu Baustellen auf den Nationalstrassen

(truckinfo.ch)

— Bewirtschaftung der Stauräume für Lastwagen

Um diese Aufgaben jederzeit zu erfüllen, arbeitet die Verkehrsmanagementzentrale im

24-Stundenbetrieb. Informationen über die Situation auf den Strassen erhält sie über die

300 fest installierten Verkehrsdatenzähler, welche die Geschwindigkeit und die Anzahl

Fahrzeuge pro Minute (nach Fahrzeugkategorien) automatisch messen, sowie über rund

400 Kameras.

Die grössten Handlungsoptionen hat die Verkehrsmanagementzentrale beim Schwerver-

kehr, den sie bei Stauereignissen in die verschiedenen Warteräume, die sich entlang der

Nord-Südachse über die ganze Schweiz verteilen, einweisen kann. Dies geschieht zum

Beispiel bei Verkehrsüberlastung am Gotthard und bei Rückstau an den Grenzkontroll-

punkten bzw. bei der Zollabfertigung. Den individuellen Personenverkehr hingegen kann

sie nur begrenzt steuern. Hier steht die Lenkung durch Verkehrsinformationen und die

Umleitungssignalisation bei Unfallereignissen und Stau im Vordergrund.

Wetter beeinflusst die Arbeit der Verkehrsmanagementzentrale insofern, als dass der

Strassenzustand und die Sichtverhältnisse den Verkehrsfluss beeinflussen.

3.6.3 Verwendung von meteorologischen Informationen – Aussagen der

Interviewpartner

Die Verkehrsmanagementzentrale verwendet MeteoSoft20, frei zugänglich Wetterprogno-

sen im Internet sowie Fernseh- und Radionachrichten. Insbesondere interessieren die

Temperaturen sowie Niederschlags- und Schneemengen. Die meteorologischen Informa-

tionen helfen den Mitarbeitenden, die aktuelle Situation auf den Strassen und die Ent-

wicklung des Verkehrsflusses besser einzuschätzen. Konkrete Aktivitäten werden aber

durch meteorologische Informationen nicht ausgelöst, mit einer Ausnahme: Da bei star-

kem Schneefall die Gefahr besteht, dass LKW die Steigung auf den Gotthardrampen

nicht mehr bewältigen können, werden die LKW frühzeitig in die Warteräume gewiesen

und die nicht-permanenten Warteräume eingerichtet, um eine Überfüllung einzelner War-

teräume zu vermeiden.

Hier ist anzumerken, dass Winterreifen und Kettenobligatorien im der Kompetenz der

kantonalen Polizeicorps liegen.

3.6.4 Wirkung auf den Einsatz öffentlicher Mittel – Aussagen der Interviewpartner

Im Rahmen der Verkehrsmanagementarbeiten lässt sich nicht feststellen, dass meteoro-

logische Informationen bei den zuständigen Stellen zu effizienteren Abläufen führen wür-

den oder dass dank meteorologischer Informationen Ressourcen eingespart werden

könnten.

20 Software, in die diverse meteorologische Informationen und Prognosen integriert sind, vgl. auch Kapitel A-1 im Anhang.

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40 / 3 Strassenverkehr

3.6.5 Wirkung auf die Qualität der Leistungserbringung – Aussagen der

Interviewpartner

Meteorologische Information verbessert die Leistungen der Verkehrsmanagementzentra-

le, da besser antizipiert werden kann, wann es wetterbedingt notwendig wird, den

Schwerverkehr in die Warteräume einzuweisen und die nicht-permanenten Warteräume

einzurichten. Damit kann vermieden werden, dass LKW bei starkem Schneefall auf den

Gotthardrampen aufgrund durchdrehender Reifen «liegen bleiben».

Eine Quantifizierung der Staustunden, die damit dank meteorologischer Information ver-

mieden werden können, war jedoch nicht möglich.

3.6.6 Würdigung

Die Organisation und Prozesse in der Verkehrsmanagementzentrale wurden uns im In-

terview sehr ausführlich und verständlich dargelegt. Die zu Wetter und meteorologischen

Informationen gemachten Aussagen erscheinen uns plausibel und nachvollziehbar.

Meteorologische Informationen führen bei der Verkehrsmanagementzentrale anders als

bei den Strassendiensten nicht zu einem tieferen Ressourceneinsatz. Sie sind für die

Mitarbeitenden vor allem Zusatzinformationen, die ihnen helfen, die aktuelle Situation auf

den Strassen und die weitere Verkehrsentwicklung besser einzuschätzen. Dadurch kön-

nen potentielle Stauereignisse besser antizipiert und entsprechende Massnahmen für

den Schwerverkehr ergriffen werden, was in der Regel bedeutet, dass der Schwerverkehr

in den dafür vorgesehenen Warteräumen zurückgehalten wird. Dies wird beispielsweise

bei sehr starkem Schneefall auf den Gotthardrampen gemacht. Je früher Verkehrsprob-

leme erkannt werden, desto eher werden LKW-Staus auf den Nationalstrassen und die

Überfüllung von einzelnen Warteräumen verhindert. Eine Quantifizierung der damit dank

meteorologischen Informationen vermiedenen Staustunden war allerdings nicht möglich.

3.7 Gütertransportunternehmungen

3.7.1 Die Gütertransportbranche in der Schweiz

Tabelle 13 zeigt die Struktur der Logistik- und Transportbranche in der Schweiz. Insge-

samt weist die Betriebszählung 2008 (Vollerhebung) 4’330 Unternehmen im Bereich «Gü-

terbeförderung im Strassenverkehr» (NOGA-Code 494100) aus. Diese Kategorie umfasst

nebst sämtlichen Tätigkeiten der Güterbeförderung auf der Strasse auch die Vermietung

von LKW mit Fahrern und ausserdem die Güterbeförderung «mit von Menschen oder

Tieren gezogenen Fahrzeugen», wobei davon auszugehen ist, dass deren Anzahl ver-

nachlässigbar ist, zumal Post- und (Velo-)kurierdienstleistungen nicht enthalten sind.

85% der in dieser Kategorie registrierten Unternehmen sind Mikro-Unternehmen mit we-

niger als neun Beschäftigten. Weitere 13% sind Kleinunternehmen mit 10-49 Beschäftig-

ten. In nur 2% der Unternehmen arbeiten 50 Beschäftigte oder mehr. Sie stellen aller-

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dings 36% der im Bereich «Güterbeförderung im Strassenverkehr» vorhandenen Stellen-

prozente.

Unternehmen Vollzeitäquivalente

Anzahl Anteil Anzahl Anteil

Mikro (bis 9 Mitarbeitende) 3'684 85% 8'699 28%

Kleine (10-49 Mitarbeitende) 557 13% 11'243 36%

Mittlere (50-249 Mitarbeitende) 85 2% 8'288 26%

Grosse (ab 250 Mitarbeitende) 4 0% 3'180 10%

Total 4'330 100% 31'410 100%

Tabelle 13: Struktur der Transportbranche (Güter) auf der Strasse in der Schweiz. Quelle: BFS Betriebszäh-lung 2008, NOGA-Code 494100 «Güterbeförderung im Strassenverkehr». Diese Kategorie umfasst sämtliche Tätigkeiten der Güterbeförderung im Strassenverkehr ein-schliesslich LKW-Vermietung mit Fahrer und Güterbeförderung mit von Menschen oder Tieren ge-zogenen Fahrzeugen. Nicht enthalten sind Post- und Kurierdienste.

Leider existieren keinen Angaben zur Verkehrleistung (Tonnenkilometer) der einzelnen

Unternehmen. Aber anhand der in den einzelnen Grössenkategorien vorhanden Stellen

(Vollzeitäquivalente) ist davon auszugehen, dass die Mikro-Unternehmen maximal ein

Drittel der Verkehrsleistung liefern. Ein weiters Drittel wird durch Kleinunternehmen und

das letzte Drittel durch mittlere und grosse generiert.

Innerhalb des Branchencodes «Güterbeförderung im Strassenverkehr» finden sich sehr

unterschiedliche Unternehmen:

— Spezialisierte Logistikunternehmen mit Schwerpunkt Stückgut: Diese Unterneh-

men bieten ihren Kunden vor allem Stückguttransporte an, d.h. Transporte von Palet-

ten, Kisten, Fässern, Maschinenteilen und ähnlichem, deren Gewicht zwischen 30 kg

und 4 t liegt. Diese Unternehmen verfügen in der Regel über einen eigenen Fahr-

zeugpark, die Kapazitäten können aber mit Vertragsfahrern und bei Spitzenlasten mit

Subunternehmen ergänzt werden.

— Logistikeinheiten grosser Konzerne, welche rechtlich eigenständig sind: Insbe-

sondere bei Lebensmittel- und Treibstoffkonzernen, aber auch anderen Unternehmen

mit hohen Warenumschlägen, bildet die Logistik eine Zentrale und ergebnisrelevante

betriebswirtschaftliche Einheit. Sofern die Logistikeinheiten rechtlich eigenständig

sind, erscheinen sie in der Betriebszählung unter dem Code «Güterbeförderung».

Andernfalls sind die Unternehmen entsprechend ihrer Haupttätigkeit klassifiziert.

— Kleine Transportunternehmen und Vertragsfahrer ohne eigene logistische Pla-

nung. Diese führen für Logistikunternehmen (oder Logistikeinheiten von Unterneh-

men) Warentransporte aus, disponieren aber nicht selbst.

— Bautransportunternehmen. Diese verfügen über einen anderen Fahrzeugpark als

die übrige Branche, der vor allem Kipper und Fahrmischer umfasst. Interessant ist

diese Gruppe, da verschiedene Arbeiten im Baubereich witterungssensibel sind, wo-

durch Bautransportunternehmen witterungsbedingte Auslastungsschwankungen erle-

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42 / 3 Strassenverkehr

ben. Im Winter betreiben manche in diesem Bereich tätige Unternehmen mit ihren

Fahrzeugen auch Winterdienst, der ebenfalls witterungsabhängig ist.

Wichtige Rahmenbedingungen für die Branche sind das Nacht- und Sonntagsfahrverbot,

die LSVA (Leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe) sowie das Arbeitsgesetz, wel-

ches die Pausen- und Ruhezeiten der Chaffeure regelt. Fahrzeuge mit über 3.5 t Ge-

samtgewicht dürfen zwischen 22 Uhr abends und 5 Uhr morgens sowie an Sonn- und

Feiertagen nicht fahren. Ausnahmen existieren beispielsweise für Frischprodukte. Eben-

so sind diese Fahrzeuge LSVA-pflichtig, wobei sich die LSVA nach der zurückgelegten

Strecke sowie nach dem zulässigen Gesamtgewicht und der Emmissionskategorie des

Fahrzeuges bemisst. Die Bemessung nach dem zulässigen und nicht nach dem effekti-

ven Gesamtgewicht hat dazu geführt, dass heute Leerfahrten und die Wahl überdimensi-

onierter Fahrzeuge wann immer möglich vermieden werden.

3.7.2 Interviewte Transportunternehmen

Im Hinblick auf die Nutzung von meteorologischer Information ist von Bedeutung, wie viel

Spielraum die Unternehmen bzgl. der Routenwahl und des Abhol- und Liefertermins ha-

ben.21 Aus diesem Grund wurden ausschliesslich Unternehmen mit eigener logistischer

Planung in die Analyse einbezogen. Insgesamt wurden 10 Interviews geführt:

— Drei Interviews mit Unternehmen, die Transportdienstleistungen vorwiegend im

Stückgutbereich und teilweise auch im Kombiverkehr anbieten.

— Drei Interviews im Lebensmittelbereich, zwei Gespräche mit Logistikeinheiten gros-

ser Lebensmittelkonzerne, ein Gespräch mit einem Lebensmittelverteilzentrum.

— Zwei Interviews mit Bautransportunternehmen, die in einer der betrachteten Gebiets-

einheiten für Nationalstrassen Winterdienst leisten.

— Zwei Interviews mit den Logistikeinheiten grosser Öl- und Energiekonzerne.

Die Interviews haben gezeigt, dass diese verschiedenen Arten von Transportunterneh-

men unterschiedlich funktionieren und deswegen auch unterschiedlich von Wetterprog-

nosen profitieren. Aus diesem Grund stellen wir in den folgenden Kapiteln die Ergebnisse

zu den vier Gruppen separat dar.

3.7.3 Transportunternehmen mit Schwerpunkt Stückgut

Arbeitsweise und Einfluss des Wetters

Die Transportunternehmen bieten ihren Kunden Strassentransporte und teilweise auch

Kombiverkehrstransporte an, wobei zwischen dem Laden und Entladen der Waren häufig

weniger als 24h liegen. Typischerweise wird am Nachmittag geladen und anderntags im

Laufe des Vormittags ausgeliefert. Die Arbeit der Dispositionsabteilungen ist aufgrund

21 In den Interviews hat sich gezeigt, dass Wetterprognosen bei den Anbietern von Kombiverkehr keinen Einfluss auf die

Wahl des Verkehrsmittels haben, ausser in lang anhaltenden Extremsituationen. Die Kapazitäten der Bahn sind zu starr,

als das kurzfristig aufgrund von Wetterprognosen ein Wechsel von der Strasse auf die Schiene möglich wäre.

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des starken Wettbewerbs und der Rahmenbedingungen (insbesondere LSVA) erfolgsent-

scheidend für das Transportunternehmen. Ziel der Disponenten ist eine optimale Auslas-

tung der Fahrzeuge, die Vermeidung von Leerfahrten und die Einhaltung der vereinbar-

ten Liefertermine, wobei gleichzeitig auch auf die Einhaltung von Pausen und Ruhezeiten

der Chauffeure zu achten ist.

Das Wetter ist für die Transportunternehmen vor allem insofern relevant, als dass es den

Verkehrsfluss auf den Strassen prägt. Bei starkem Regen, Frost oder Schneefall sind die

Strassenverhältnisse schlechter. Der Verkehr bewegt sich langsamer und Unfälle kom-

men häufiger vor, die vermehrt zu Stau führen. Des Weiteren müssen bei Schnee das

eigene Gelände geräumt und bei Frost die Lastwagendächer enteist werden, damit im

Verkehr keine Eisplatten von den Dächern fallen. Auch können einige kälteempfindliche

Waren nachts nicht in den Lastwagen verbleiben und Lager müssen temperiert werden.

Verwendung von meteorologischen Informationen

Zwei der befragten Unternehmen haben angegeben, dass meteorologische Informationen

gar nicht genutzt, also folglich auch bei der Disposition der Fahrzeuge nicht berücksich-

tigt werden. Das dritte Unternehmen nutzt ebenfalls nur wenig meteorologische Informa-

tionen, relevant sind nur Schneefall und Kälte. Die Disponenten hören Radio und/oder

nutzen Gratisangebote im Internet. Bei Schnee erfolgt die Planung der Touren «konser-

vativer», d.h. die Disponenten sehen weniger Lade- und Abladestationen und längere

Fahrzeiten vor. Nebst den Disponenten nutzen vor allem die Fuhrparkleiter Schneeprog-

nosen, da sie für die Räumung der Fuhrparkareale zuständig sind. Auch Kälte spielt eine

Rolle, da viele Waren frostempfindlich sind und bei tiefen Temperaturen nicht in unge-

heizten Räumen zwischengelagert werden können.

Wirkung auf die Wirtschaftlichkeit

Hier können wir uns nur auf die Aussagen des einen der drei befragten Unternehmen

stützen, welches meteorologische Informationen tatsächlich nutzt. Grundsätzlich er-

scheint es dem Interviewpartner nicht möglich, ohne Wetterprognosen den gleichen Ge-

winn zu erzielen wie heute mit der Verwendung von Wetterprognosen. Dies allerdings

nicht wegen längerer Fahrzeiten ohne Prognosen: Der Transport der Waren benötigt bei

schlechten Strassenverhältnissen mehr Zeit, unabhängig davon, ob die schlechteren

Strassenverhältnisse prognostiziert waren oder nicht. Jedoch wäre ohne Wetterprogno-

sen die Planungssicherheit sehr viel geringer, es müsste mehr umdisponiert werden und

vereinbarte Liefertermine könnten häufiger als heute nicht eingehalten werden. Trotzdem

war es nicht möglich, die betriebswirtschaftlichen Auswirkungen von Wetterprognosen

gemeinsam mit dem Unternehmen zu quantifizieren. Dies aus den folgenden Gründen:

— Der Umgang mit Auslastungsschwankungen ist eine Kernkompetenz und Grundauf-

gabe der Disponenten. Überraschender Schneefall bringt den Disponenten zwar mehr

Aufwand als vorhersehbarer Schneefall, aber dies schlägt sich nicht zwingend in fi-

nanziellem Zusatzaufwand nieder.

— Das befragte Unternehmen ist sehr dezentral organisiert, wodurch es nicht möglich

war, allgemein gültige Aussagen zum Umgang mit Schnee zu machen.

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44 / 3 Strassenverkehr

— Die Kosten von Verspätungen, die durch eine nicht witterungsgerechte Disposition

entstehen, tragen in der Regel nicht das Transportunternehmen, sondern die Kunden.

— Der Umgang mit Schnee unterscheidet sich stark zwischen den verschiedenen Regi-

onen. Was im Mittelland zu Problemen führt, ist in den Alpen Alltag.

Wirkung auf die Qualität der Transportleistung

Das eine der drei befragten Unternehmen, welches Wetterprognosen nutzt, hat angege-

ben, dass es ohne Wetterprognosen an Tagen mit Schneefall nicht gleich pünktlich sein

könnte wie an Tagen ohne Schneefall. Die finanziellen Auswirkungen von Verspätungen

werden aber in aller Regel nicht von den Transportunternehmen selbst getragen, sondern

von den belieferten Unternehmen, sofern Lagerbewirtschaftungen oder Just-in-Time-

Systeme betroffen sind, bei denen aufgrund verspäteter Lieferungen Leerstände oder

Leerläufe entstehen. Dies kommt aufgrund des intensiven Wettbewerbs in der Branche

heute selten vor. Würden Wetterprognosen aber grundsätzlich fehlen, würden alle Trans-

portunternehmen bei schlechter Witterung überrascht und wären dann weniger pünktlich.

Die volkswirtschaftlichen Effekte, die das Fehlen von Wetterprognosen auf die Kunden

der Transporteure hätte, können wir im Rahmen dieser Studie bei denjenigen Transpor-

teuren abschätzen, die eng in eine Unternehmens- oder Konzernstruktur eingebunden

sind und deswegen sehr homogene Kunden haben. Dies ist bei Treibstoff- und Lebens-

mitteltransporten der Fall, welche in den folgenden Kapiteln beschrieben werden.

Würdigung

Meteorologische Informationen scheinen nur von einem Teil der Transportunternehmen

genutzt zu werden. Hier scheint der Handlungsspielraum ausschlaggebend zu sein: Nur

wenn aufgrund von Wetterprognosen tatsächlich Handlungen möglich sind, welche die

negativen Effekte von winterlichen Strassenverhältnissen auf den Dispositionsaufwand,

die Fahrzeiten und die Pünktlichkeit der Fahrzeuge mildern, lohnt sich der gezielte Ein-

satz von meteorologischer Information. Welche Unternehmenseigenschaften für die Exis-

tenz von Handlungsspielräumen ausschlaggebend sind, konnten wir im Rahmen unserer

Studie nicht eruieren.

Leider konnte das befragte Logistikunternehmen, welches Wetterprognosen verwendet,

ihren Nutzen nicht quantifizieren oder monetär bewerten. Ein wesentlicher Grund hierfür

ist, dass der Umgang mit unvorhergesehenen Ereignissen wie kurzfristigen Aufträgen,

Stau durch Verkehrsunfälle, Pannen, Verzögerungen beim Be- und Entladen etc. einen

wesentlichen Teil der Arbeit eines Logistikunternehmens ausmacht. Flexibilität gehört

zum Geschäftskonzept. Wetterereignisse sind nur eine Störung von vielen, mit welcher

im Rahmen der normalen Arbeitsprozesse umgegangen wird. Gleichzeitig spielt das Wet-

ter eine untergeordnete Rolle. Wichtiger ist das Verkehrsaufkommen und der Stau, wel-

cher nur an wenigen Tagen im Jahr durch winterliche Strassenverhältnisse verursacht

wird. Wesentlicher sind Baustellen, Unfälle und vor allem Verkehrsüberlastung, die von

Pendler- und Ferienzeiten abhängig ist.

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Zwar lässt sich, auch aufgrund der Angaben der Gütertransportunternehmen aus den

Bereichen Lebensmittel- und Treibstofflogistik, davon ausgehen, dass die Nutzung von

meteorologischer Information die Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit der Gütertransporte

an wenigen Tagen im Jahr erhöhen kann. Dieser Nutzen fällt aber nicht bei den Trans-

portunternehmen selbst, sondern bei ihren Kunden an, so dass auch nur diese den Nut-

zen quantifizieren könnten. Eine Befragung der Kunden von Transportunternehmen war

im Rahmen der vorliegenden Studie nicht möglich. Die Ergebnisse im Bereich Lebensmit-

teltransport deuten aber darauf hin, dass auch hier die Nutzen eher gering sein dürften,

da Wetter und damit auch Wetterprognosen eben nur an wenigen Tagen im Jahr eine

relevante Rolle spielen. Deswegen scheinen sich auch aus dem Verzicht auf die Nutzung

von meteorologischen Informationen für die Logistikunternehmen keine komparativen

Nachteile zu ergeben.

3.7.4 Treibstofftransporte (Logistikeinheiten grosser Öl- und Energieunternehmen)

Arbeitsweise und Einfluss des Wetters

Die beiden befragten Logistikeinheiten sind in der Schweiz verantwortlich für die Beliefe-

rung der Tankstellen zweier grosser Erdöl- und Energieunternehmen.22 Die Tankstellen

werden teilweise auf Bestellung, teilweise nach einem festen Plan beliefert. Die Treibstof-

fe werden in den Tanklagern und Raffinerien geladen und anschliessend an die Tankstel-

len ausgeliefert. Da die Tankstellen sehr lange Öffnungszeiten haben und nicht just-in-

time beliefert werden (auch wenn die Tanks natürlich bei einem möglichst tiefen Stand

wieder aufgefüllt werden), bestehen bei den Lieferzeitpunkten im Vergleich zu anderen

Logistikunternehmen relativ grosse Spielräume.

Beide befragten Logistikeinheiten arbeiten ausschliesslich mit Vertragsfahrern, wobei

Verträge nicht unbedingt nur mit einzelnen Fahrern, sondern auch mit Transportunter-

nehmen abgeschlossen werden. Dabei liegt die Disposition vollständig bei den befragten

Unternehmen. Die Vergütung der Vertragsfahrer erfolgt beim einen Unternehmen ent-

sprechend der gelieferten Menge und der Distanz. Das andere Unternehmen wollte hier-

zu keine Angaben machen. Es ist jedoch in allen Transportbereichen sehr üblich, dass

Vertragsfahrer nicht gemäss der effektiven Fahrzeit oder den effektiv gefahrenen Kilome-

tern bezahlt, sondern die Preise anhand von Ladegewicht und Distanz vereinbart werden.

Starker Regen, Frost und Schneefall führen bei den Treibstofftransporteuren zu den glei-

chen Problemen und Mehrarbeiten wie bei den Stückguttransporteuren. Auch hier ist das

Hauptproblem nicht das Wetter selbst, sondern seine Auswirkungen auf das Strassen-

netz. Bei den Treibstofftransporteuren spielt zusätzlich, stärker als bei den übrigen be-

trachteten Transportunternehmen, die Sicherheit eine Rolle. Da Treibstoffe Gefahrengü-

ter sind, kann es vorkommen, dass bei sehr schlechten Strassenverhältnissen aus Si-

cherheitsgründen Lieferungen ausgesetzt werden.

22 Der Grosshandel erfolgt in der Regel über die Flussschifffahrt, Pipelines und die Schiene.

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46 / 3 Strassenverkehr

Verwendung von meteorologischen Informationen

Beide befragten Logistikeinheiten verwenden meteorologische Informationen. Die Dispo-

nenten und Vertragsfahrer nutzen die gratis in Internet und Radio verfügbaren Schnee-

prognosen und Strassenzustandsmeldungen. Dies vor allem für die folgenden Zwecke:

— Antizipation der Erreichbarkeit von Tankstellen in alpinen Regionen: Passschliessun-

gen oder Strassensperrungen können dazu führen, dass Tankstellen nicht beliefert

werden können und somit schlimmstenfalls keinen Treibstoff mehr verkaufen können.

Auch möchten die Unternehmen vermeiden, dass ihre LKW wegen Passsperrungen

in Tälern eingeschlossen werden und Zwangspausen einlegen müssen.

— Bei Schneefall sehen die Disponenten weniger Lieferungen pro Tag vor, da mit länge-

ren Fahrzeiten gerechnet wird. Bei den Tankstellen müssen zwar keine Lieferzeit-

fenster eingehalten werden, aber das Arbeitsgesetz beschränkt die maximal zulässi-

ge Arbeitszeit der Fahrer.

— Die Fahrer können sich auf den Schnee einstellen und entsprechend ausrüsten, z.B.

mit Handschuhen für die Montage von Ketten.

— Eines der Unternehmen gab ausserdem an, dass bei extrem schlechten Wetterbedin-

gungen wie z.B. Schneestürmen Fahrten ausgesetzt würden, um Unfälle mit dem Ge-

fahrengut Treibstoff zu vermeiden.

Wirkung auf die Wirtschaftlichkeit

Im Gegensatz zum Transportunternehmer mit Schwerpunkt Stückgut waren die beiden

interviewten Logistikeinheiten von Öl- und Energieunternehmen nicht der Meinung, dass

Wetterprognosen ihre Wirtschaftlichkeit erhöhen. Nach Aussagen der beiden befragten

Logistikeinheiten können dank den Wetterprognosen weder bei der Disposition noch

beim Warentransport Kosten gespart werden. Die Disponenten hätten zwar bei nicht vor-

hersehbaren Schneefällen etwas mehr Arbeit mit dem Umdisponieren, aber Umdisponie-

ren sei ohnehin eine ihrer Hauptaufgaben und die zusätzliche Arbeit schlüge sich nicht in

finanziellem Mehraufwand nieder. Die etwas schlechtere Planbarkeit der Lieferungen

habe ebenfalls keine Auswirkungen. Zudem würde sich das Fehlen von meteorologischer

Information auf alle Öl- und Energieunternehmen auswirken, so dass die ohnehin gerin-

gen Effekte schliesslich wettbewerbsneutral wären (was aber für die gesamte Branche

Mehrkosten nicht ausschliesst).

Wirkung auf die Qualität der Transportleistung

Einer der befragten Treibstofftransporteure war der Ansicht, dass ohne Wetterprognosen

mehr Leerstände bei den belieferten Tankstellen auftreten würden. Ausgehend von fünf

schweren und fünf leichten Schneetagen pro Jahr gilt für diese Logistikeinheit, dass das

Fehlen von Wetterprognosen für den Öl- und Energiekonzern in einem durchschnittlichen

Geschäftsjahr zusätzliche Leerstände und damit verbundene finanzielle Einbussen von

rund 40'000 bis 60'000 CHF verursachen würde. Die Anfälligkeit auf Leerstände hängt

vermutlich von den Standorten der Tankstellen und von der Ausgestaltung des Beliefe-

rungssystems ab und ist nicht bei allen Öl- und Energiekonzernen gleich hoch.

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Würdigung

Die Aussagen der Treibstofftransporteure sind grundsätzlich ähnlich wie die der Stück-

guttransporteure. Meteorologische Informationen scheinen allerdings etwas mehr genutzt

zu werden, da die Treibstofftransporteure wegen ihrer Tankstellennetze stärker in peri-

pheren Regionen tätig sind und deswegen Strassenwetterprognosen für die alpinen Re-

gionen auch stärker nutzen. Dies um zu vermeiden, dass LKW bei starkem Schneefall in

Tälern eingeschlossen werden oder dass Leerstände entstehen, wenn Täler nicht mehr

erreichbar sind. Auch werden die Liefertouren grundsätzlich konservativer disponiert,

wenn grossflächig starke Schneefälle angesagt sind, da sich die Fahrzeiten verlängern

und Umdisponieren zu zusätzlichem Aufwand führt. Wie auch die Stückguttransporteure

konnten die Treibstofftransporteure diese Effekte nicht quantifizieren: Auch hier ist der

flexible Umgang mit unvorhergesehenen Ereignissen Teil des normalen Arbeitsprozesses

(vgl. nochmals 3.7.3, Würdigung).

Ob die Fahrzeiten durch eine optimal auf die Witterungsverhältnisse abgestimmte Dispo-

sition verkürzt werden könnten, bleibt unklar, da in der Regel wenig Spielraum bei Liefer-

zeitpunkt und Streckenwahl bestehen. Hierzu haben wir von den verschiedenen Güter-

transportunternehmen aus den verschiedenen Bereichen unterschiedliche Aussagen

erhalten. In jedem Fall sind die Treibstofftransportunternehmen durch die längeren Fahr-

zeiten aber nur insofern tangiert, als dass die Fahrer das Arbeitszeitgesetz einhalten

müssen und an Tagen mit grossen Verkehrseinschränkungen nur eine geringere Trans-

portleistung möglich ist. Da die Treibstofftransportunternehmen keine eigenen Fahrer

beschäftigen und ausschliesslich mit Subunternehmern und Vertragsfahrern arbeiten,

deren Leistungen nach Distanz und transportierter Menge abgerechnet werden, tragen

sie die finanziellen Folgen der längeren Fahrzeiten nicht.

Die Vermeidung von Leerständen schafft für die einzelnen Unternehmen zwar komparati-

ve Vorteile gegenüber den anderen Unternehmen. Da aber die Kunden in aller Regel auf

andere Tankstellen ausweichen können, führt dies jedoch nur zu Umverteilungseffekten

zwischen den konkurrenzierenden Unternehmen, nicht zu Effekten auf gesamtvolkswirt-

schaftlicher Ebene.

3.7.5 Lebensmitteltransporte (Logistikeinheiten grosser Lebensmittelkonzerne)

Arbeitsweise und Einfluss des Wetters

Beide interviewten Logistikeinheiten betreiben für die Lebensmittelkonzerne, zu denen

sie gehören bzw. denen sie nahestehen, die Feinverteilung von Lebensmitteln, das heisst

sie transportieren Lebensmittel von den Verteilzentren zu den Detailhändlern. Eines der

Unternehmen transportiert vorwiegend haltbare Food und Non-Food-Produkte, das ande-

re Unternehmen vorwiegend Frischprodukte. Beide Logistikeinheiten transportieren die

Ware nicht nur, sondern administrieren auch das Bestellwesen.

Die Waren werden nicht nach einem festen Plan, sondern auf Bestellungen geliefert.

Zwar ändern sich die Lieferorte kaum, aber die Bestellmengen können erheblich variie-

ren. Beim Food- und Non-Food-Produkte-Transporteur erfolgt die Bestellung jeweils a-

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48 / 3 Strassenverkehr

bends, wird über Nacht verarbeitet und anderntags bei einem Verteilzentrum oder einem

Lager abgeholt und ausgeliefert. Der Frischprodukte-Transporteur bietet unterschiedliche

Lieferfristen an, die je nach Produkt und Kunde zwischen 4 Stunden und 3 Tagen liegen.

Eine der betrachteten Logistikeinheiten arbeitet ausschliesslich mit Vertragsfahrern, die

andere verfügt nur über sehr wenige Vertragsfahrer, setzt aber externe Transportunter-

nehmen ein, um Spitzenlasten abzudecken. Erwähnenswert ist auch, dass Frischproduk-

tetransporte nicht dem Nachtfahrverbot unterliegen, weswegen diese Transporte bereits

zwischen 2:00 Uhr und 4:00 Uhr morgens die Verteilzentren oder Lager verlassen.

Das Wetter spielt hier ebenfalls hauptsächlich aufgrund der Auswirkungen auf den Stras-

senzustand und den Verkehrsfluss eine Rolle. Daneben müssen selbstverständlich auch

Areale geräumt und Fahrzeuge enteist werden. Ein Einfluss auf die Fahrzeugwahl ist nur

sehr begrenzt gegeben: Frischprodukte werden sommers wie winters in Kühlfahrzeugen

transportiert, da sie in einem sehr engen Temperaturbereich gehalten werden müssen.

Für andere Lebensmittel genügen normalerweise Isothermfahrzeuge. Bei extremer Hitze

(deutlich über 30 Grad während der Auslieferzeiten) muss auf Kühlfahrzeuge umgestellt

werden, aber dies ist in der Schweiz sehr selten der Fall.

Verwendung von meteorologischen Informationen

Die beiden betrachteten Logistikeinheiten von grossen Lebensmittelkonzernen nutzen frei

zugängliche Wetterprognosen und Strassenzustandsmeldungen via Radio und Internet.

Relevant sind mit Schnee, Glätte und Unwetter wiederum diejenigen Wetterphänomene,

welche typischerweise zu Verkehrsbehinderungen führen. Die Disponenten nutzen die

Prognosen, um die Fahrzeiten besser antizipieren zu können. Wenn mit Verkehrsbehin-

derungen zu rechnen ist, werden die Fahrer morgens früher aufgeboten und/oder die

Touren konservativer geplant. Für die Fahrer sind vor allem die aktuellen Strassenzu-

standsmeldungen relevant.

Bei Temperaturen deutlich über 30 Grad während der Auslieferzeiten muss von Isotherm-

fahrzeugen auf Fahrzeuge mit Kühlaggregat umgestellt werden. Dies ist aber in der

Schweiz sehr selten der Fall.

Wirkung auf die Wirtschaftlichkeit

Bei den Lebensmitteltransporteuren erhielten wir zum betriebswirtschaftlichen Nutzen

unterschiedliche Aussagen: Durch den einen Interviewpartner wurde die Meinung vertre-

ten, die Verwendung von Wetterprognosen habe keine betriebswirtschaftlichen Effekte.

Die Wetterprognose erspare den Disponenten zwar die Mehrarbeit des Umdisponierens

wegen längerer Fahrzeiten bei Glätte und Schnee, aber der Personalaufwand sei auf-

grund der Prognosen nicht geringer.

Der andere Interviewpartner war ebenfalls der Ansicht, dass die Kosten der Disposition

dank den Wetterprognosen nicht geringer sind. Allerdings könne durch eine optimal auf

das Wetter abgestimmte Disposition eine halbe bis maximal eine Stunde Fahrzeit pro

Fahrer pro Tag und dadurch in geringem Umfang Fahrkosten gespart werden. Dies aller-

dings nur an Tagen mit grossflächigen und anhaltenden Schneefällen. Laut den Erfah-

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rungen des Interviewpartners verursachen Schnee und Eis an fünf bis zehn Tagen im

Jahr grossflächig auftretende Verkehrsprobleme, aufgrund derer eine konservativere

Disposition notwendig ist. Bei 200 Fahrzeugen pro Tag, fünf bis zehn Schneetagen pro

Jahr und ausgehend von einem Stundenansatz23 von 100 CHF vermeiden Wetterprogno-

sen bei der betreffenden Logistikeinheit Kosten von rund 50'000 bis 200'000 CHF pro

Jahr.

Wirkung auf die Qualität der Transportleistung

Beide befragten Lebensmitteltransporteure waren der Ansicht, dass ihre LKW ohne Wet-

terprognosen vor allem an Tagen mit Eis- oder Schneeglätte weniger pünktlich wären, da

die längeren Fahrzeiten nicht von Anfang an bei der Disposition berücksichtigt werden

könnten. Bei grossflächigen Schneefällen im Mittelland könne man davon ausgehen,

dass alle LKW eine bis maximal zwei Stunden verspätet wären.

Bei einem der befragten Unternehmen haben wir zusätzlich die Möglichkeit erhalten, mit

einem Verteilzentrum zu sprechen. Interviews mit Detailhandelsfilialen kamen leider nicht

zustande. Vom Verteilzentrum haben wir jedoch Auskünfte darüber erhalten, welche Fol-

gen verspätete LKW für das Verteilzentrum haben.

Aufgrund der logistischen Organisation des betrachteten Verteilzentrums können Verspä-

tungen einen Mehraufwand verursachen. Ob eine Verspätung Mehraufwand verursacht

ist einerseits von der Dauer der Verspätung und andererseits vom Zeitpunkt der Verspä-

tung abhängig. Gemäss den Aussagen des Interviewpartners sind etwa 30 bis 50 LKW

pro Tag im Warenausgang und etwa 15 bis 20 LKW pro Tag im Wareneingang verspä-

tungskritisch, d.h. bei diesen LKW führt eine relevante Verspätung zu Mehraufwand.

Bei einzelnen, angekündigten und somit planbaren Verspätungen entsteht im Warenaus-

gang ein Mehraufwand durch zusätzliches Handling von rund 30 CHF pro LKW24. Bei

mehreren verspäteten LKW entstehen zusätzlich Leerläufe, die ebenfalls rund 30 CHF

pro LKW kosten. Der Zusatzaufwand beträgt im Warenausgang demnach 60 CHF pro

LKW, wenn mehrere LKW verspätet sind. Im Wareneingang entstehen Leerlaufzeiten von

rund 30 Minuten pro LKW, was ebenfalls Kosten von rund 30 CHF pro LKW entspricht.

Bei einer Vielzahl von Verspätungen im gleichen Zeitfenster kommt ausserdem ein Ma-

nagementaufwand dazu, da standardisierte Abläufe nicht mehr funktionieren.

Gemäss den Aussagen des Interviewpartners weisen an unvorhergesehenen Schneeta-

gen etwa 7 bis 12 LKW pro Tag im Warenausgang eine relevante Verspätung aus, was

rund einem Viertel aller verspätungskritischen LKW im Warenausgang entspricht. Eine

Grössenordnung des Zusatzaufwandes lässt sich abschätzen, indem man annimmt, dass

im Wareneingang auch ein Viertel aller verspätungskritischen LKW eine relevante Ver-

spätung ausweisen. Das Fehlen der Wetterprognosen würde so im betrachteten Verteil-

zentrum25 bei 7 bis 12 LKW pro Tag im Warenausgang und bei 4 bis 5 LKW pro Tag im

23 Gemäss Angaben der Interviewpartner.

24 Wir gehen bei dieser Berechung von Personalkosten von 60 CHF/h aus.

25 Grosses Verteilzentrum mit rund 60-80 LKW-Fahrten pro Tag im Wareneingang und rund 90-120 LKW-Fahrten pro Tag im

Warenausgang.

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50 / 3 Strassenverkehr

Wareneingang Kosten von 60 CHF resp. 30 CHF pro LKW auslösen. Insgesamt würde

das Fehlen der Wetterprognosen zu zusätzlichen Kosten pro Schneetag von 540 bis 870

CHF führen, wobei aber die zusätzlichen Managementkosten nicht berücksichtigt sind.

Gehen wir von fünf bis zehn Schnee- und/oder Glättetagen im Mittelland aus, ergeben

sich Aufwendungen von 2’700 bis 8’700 CHF pro Jahr, die dank Wetterprognosen ver-

mieden werden können.

Würdigung

Bei den beiden interviewten Logistikeinheiten von Lebensmittelkonzernen werden Wet-

terprognosen zwar in gleicher Weise genutzt, ihr Nutzen wurde jedoch sehr unterschied-

lich beurteilt, obwohl beide Interviewpartner der Meinung waren, dass die von ihren Lo-

gistikeinheiten disponierten LKW an Tagen mit winterlichen Strassenverhältnissen ohne

Wetterprognosen weniger pünktlich wären.

Nach Meinung der einen interviewten Logistikeinheit wirken sich längere Fahrzeiten und

vermehrte Verspätungen nicht auf den Aufwand oder den Ertrag aus. Diese Meinung

hängt vermutlich unter anderem auch mit dem Vergütungssystem der LKW-Fahrer zu-

sammen. Subunternehmer und Vertragsfahrer tragen die Kosten zusätzlicher Fahrzeiten

selbst. Bei den angestellten Fahrern hängt die Vergütung von den vereinbarten Arbeits-

bedingungen ab. Die andere Logistikeinheit hat die bei den Fahrern entstehenden Kosten

berücksichtigt und gleichzeitig auch die Auswirkungen von Verspätungen bei den Verteil-

zentren als wesentlich aufwandsrelevanter beurteilt, wodurch sie den Nutzen von meteo-

rologischen Informationen als viel höher einstuft.

Insgesamt beurteilen wir es als plausibel, dass das Fehlen von Wetterprognosen zu einer

den Witterungsverhältnissen weniger angepassten Disposition und zu längeren Fahrzei-

ten und auch Verspätungen führt. Dabei halten wir es für zulässig, die längeren Fahrzei-

ten mit höheren Transportkosten gleichzusetzen, auch wenn diese je nach Vergütungs-

system nicht oder nur teilweise abgegolten werden und dementsprechend auch nur teil-

weise im BIP als Wertschöpfungseffekte messbar sind. Bei der Messbarkeit des Effekts

spielt auch eine Rolle, wie Subunternehmer und Vertragsfahrer die Fahrzeiten abrech-

nen. Die unterschiedliche Beurteilung der Effekte von Verspätungen bei den Verteilzent-

ren können wir nicht erklären. Wir gehen jedoch davon aus, dass die Grösse und Menge

der Verteilzentren, die eingesetzte Technik, die Be- und Entladezeiten sowie die Grösse

der vorgesehenen Zeitfenster pro LKW eine Rolle spielen.

Quantitative Ergebnisse und Hochrechnung

Bei einem der betrachteten Unternehmen konnte ein Teil des Nutzens von meteorologi-

scher Information monetär bewertet werden: Das Fehlen von Wetterprognosen bewirkt

eine schlechter auf die Verkehrssituation abgestimmte Disposition, verlängert dadurch

die Fahrzeiten und führt zu mehr verspäteten LKW. Dies verursacht höhere Transport-

kosten und Mehraufwand bei den Verteilzentren, die für jeden LKW bestimmte Be- und

Entladezeiten eingeplant haben.

Beim betrachteten Unternehmen handelt es sich um einen Grossverteiler. Konkret wurde

die Logistik zum Transport einer einzelnen Warengruppe betrachtet. Das Unternehmen

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betreibt hierfür mehrere Verteilzentren unterschiedlicher Grösse, wobei wir nur beim

Hauptzentrum Informationen eingeholt haben, von dem aus alle Waren entweder direkt in

die Filialen oder aber mit der Bahn in die regionalen Verteilzentren transportiert werden,

von denen aus sie wiederum mit LKW weiterverteilt werden.

In einem ersten Schritt berechnen wir deswegen die ungefähre Anzahl Lastwagen, die

alle Verteilzentren zusammen für den Transport dieser Warengruppe einsetzen. Die

Rechnungsschritte sind in Tabelle 14 dargestellt. Insgesamt benötigt der betrachtete

Grossverteiler jeden Tag ca. 200 - 265 LKW für den Transport der untersuchten Waren-

gruppe.

Anzahl LKW pro Tag Wareneingang 60 - 80

Anzahl LKW pro Tag Warenausgang 90 - 120

Anteil Waren mit LKW-Transport ab Warenausgang 0.65

Anteil Waren mit Schienentransport ab Warenausgang zur späteren Feinverteilung mit LKW 0.35

Benötigte LKW pro Tag zur Feinverteilung (Abschätzung, ungefährer Wert) 50 - 65

Anzahl LKW Warenverteilung gesamt pro Tag (Abschätzung, ungefährer Wert) 140 - 185

LKW Wareneingang und Warenverteilung gesamt pro Tag (Abschätzung, ungefährer Wert)

200 - 265

Tabelle 14: Transport und Verteilung der untersuchten Warengruppe. Angaben eines Verteilzentrums hochge-rechnet auf das Gesamtunternehmen (Abschätzungen).

Die Ergebnisse werden nicht von der untersuchten Warengruppe auf andere Warengrup-

pen übertragen. Einerseits, weil der betrachtete Grossverteiler angegeben hat, dass die

Logistik der anderen Warengruppen (z.B. von Frischprodukten) anders organisiert ist.

Andererseits hat die interviewte Logistikeinheit des anderen Lebensmittelkonzerns, der

Frischprodukte herstellt und vertreibt, den Nutzen von meteorologischen Informationen

völlig anders beurteilt als die Logistikeinheit des Grossverteilers.

In einem nächsten Schritt wurden die zwei durch den Grossverteiler genannten Effekte

von fehlenden Wetterprognosen monetär quantifiziert:

— die zusätzlichen Fahrzeiten

— die zusätzlich anfallenden Arbeiten in den Verteilzentren bzw. die durch Wartezeiten

entstehenden Leerläufe

Tabelle 15 und Tabelle 16 zeigen die Rechenschritte sowie die Ergebnisse. Ausgehend

von fünf bis zehn Tagen pro Jahr mit winterlichen Strassenverhältnissen entstehen beim

betrachteten Grossverteiler im Bereich der untersuchten Warengruppe zusätzliche Trans-

portkosten von 50'000 bis 265'000 CHF und zusätzliche Kosten in den Verteilzentren von

2'700 bis 8'700 CHF.

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52 / 3 Strassenverkehr

Zusätzliche Fahrzeit pro LKW [h] bei fehlenden Wetterprognosen an Tagen mit winterlichen Strassenverhältnissen

0.5 - 1

Stundensatz für einen LKW mit Fahrer [CHF/h] 100

Zusätzlicher Aufwand bei fehlenden Wetterprognosen pro Tag mit winterlichen Strassenver-hältnissen [CHF]

10'000 - 26'500

Zusätzlicher Aufwand gesamt bei fehlenden Wetterprognosen pro Jahr bei fünf Tagen mit winterlichen Strassenverhältnissen [CHF]

50'000 - 132'500

Zusätzlicher Aufwand gesamt bei fehlenden Wetterprognosen pro Jahr bei zehn Tagen mit winterlichen Strassenverhältnissen [CHF]

100'000 - 265'000

Tabelle 15: Bei fehlenden Wetterprognosen zusätzlicher Aufwand beim befragten Grossverteiler für die Verteilung der untersuchten Warengruppe durch nicht an winterliche Strassenverhältnisse an-gepasste Disposition.

Verspätete LKW im Wareneingang bei fehlenden Wetterprognosen an Tagen mit winterlichen Strassenverhältnissen

4-5

Kosten pro verspätetem LKW im Wareneingang [CHF] 30

Verspätete LKW im Warenausgang bei fehlenden Wetterprognosen an Tagen mit winterlichen Strassenverhältnissen

7-12

Kosten pro verspätetem LKW im Warenausgang [CHF] 60

Zusätzlicher Aufwand bei fehlenden Wetterprognosen pro Tag mit winterlichen Strassenverhältnis-sen gesamt [CHF]

540 - 870

Zusätzlicher Aufwand gesamt bei fehlenden Wetterprognosen pro Jahr bei fünf Tagen mit winterli-chen Strassenverhältnissen [CHF]

2’700 – 4’350

Zusätzlicher Aufwand gesamt bei fehlenden Wetterprognosen pro Jahr bei zehn Tagen mit winter-lichen Strassenverhältnissen [CHF]

5'400 – 8'700

Tabelle 16: Bei fehlenden Wetterprognosen zusätzlicher Aufwand für die Verteilung der untersuchten Wa-rengruppe durch nicht optimale Arbeitsprozesse in den Verteilzentren des befragten Grossver-teilers. Angaben eines Verteilzentrums auf das Gesamtunternehmen hochgerechnet.

In einem letzten Schritt werden die Ergebnisse, die wir für den betrachteten Grossvertei-

ler berechnet haben, anhand des Umsatzes auf vier weitere Schweizer Grossverteiler

übertragen. Eine Hochrechnung, welche die Unterschiedlichkeit der Grossverteiler be-

züglich ihrer Verteilsysteme berücksichtigt, war aufgrund der beschränkten Datenlage

nicht möglich.26 Da aber die Branche in starkem Wettbewerb steht, ist von ähnlichen Lo-

gistikkosten und deswegen auch von ähnlichen Logistiksystemen auszugehen. Wir gehen

deswegen davon aus, dass die Hochrechung eine korrekte Grössenordnung angibt.

26 Um die Unterschiedlichkeit der Verteilsysteme zu berücksichtigen, hätten bei jedem Grossverteiler Erhebungen durchge-

führt werden müssen.

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Dank Wetterprognosen verhinderter Aufwand Für den Transport der untersuchten

Warengruppe bewegte LKW pro

Tag (Abschätzung)

Warentransport auf der Strasse

Logistik in den Verteilzentren

Summe

Befragter Grossverteiler

200 - 265 50'000 - 265'000 2’700 - 8'700 52'700 - 273'700

Vier weitere Gross-verteiler in der Schweiz

215 - 285 53'500 - 284'000 2'900 - 9'400 56'400 - 293'400

Summe 415 - 550 103'500 - 549'000 5'600 - 18'100 109'100 - 567'100

Tabelle 17: Verhinderter Aufwand dank einer an Tagen mit winterlichen Strassenverhältnissen optimal an die Witterungsverhältnisse angepassten Disposition. Die Hochrechnung der täglichen Menge beweg-ter Lastwagen und der dank Wetterprognosen verhinderten Aufwendungen erfolgt anhand der Umsätze der Grossverteiler in den Supermärkten (ohne Fachgeschäfte, Tankstellenshops und Convenience Stores). Annahmen: 5 bis 10 Tage mit stark winterlichen Strassenverhältnissen. Verwendete Stundensät-ze 60 CHF (Person) und 100 CHF (Person und Fahrzeug).

Tabelle 17 zeigt die entsprechenden Resultate: Im Bereich der untersuchten Warengrup-

pe würde das Fehlen von Wetterprognosen bei den fünf Grossverteilern zu Mehraufwen-

dungen in der Grössenordnung von 109'100 bis 567'100 CHF pro Jahr führen.

Die im Endresultat berücksichtigten Grossverteiler Migros, Coop, Denner, Aldi Schweiz

und Volg-Läden decken gemeinsam einen Grossteil des Schweizer Lebensmitteldetail-

handels ab. Im Verhältnis zu ihrem gemeinsamen Umsatz von 31.5 Milliarden CHF er-

scheint auch der obere Wert unserer Schätzung des wertschöpfungsrelevanten Nutzens

von Wetterprognosen von 567'100 CHF als marginal. Diese geringe Relevanz im Wert-

schöpfungsprozess dürfte auch bei anderen Logistikern und Transporteuren der Grund

dafür sein, weswegen ihnen die monetäre Bewertung des betriebswirtschaftlichen Nut-

zens von Wetterprognosen so schwer fällt.

3.7.6 Bautransporte

Arbeitsweise und Einfluss des Wetters

Bei den Bautransporten ist weniger der Einfluss der Witterungsverhältnisse auf die Fahr-

zeiten relevant als vielmehr die stark durch das Wetter beeinflusste Nachfrage. Boden27

darf nur bei trockener Witterung abgeschürft werden. Aushub28 kann bei Niederschlägen

nicht zur Wiederverwendung verdichtet werden. Ebenso kann Strassenbelag bei Nieder-

schlägen nicht ausgebracht werden, wodurch bei feuchter Witterung auch kein Belags-

mischgut transportiert wird.

Insgesamt verläuft die Auftragsvergabe unter anderem aufgrund der Wetterabhängigkeit

bei den Bautransporten sehr kurzfristig. Anfragen treffen sehr häufig erst ein bis zwei

Stunden vor Arbeitsbeginn bei den Bautransportunternehmen ein.

27 bis 1m Tiefe

28 mehr als 1m Tiefe

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54 / 3 Strassenverkehr

Durch die Kurzfristigkeit und Wetterabhängigkeit entstehen zwangsläufig Auslastungs-

schwankungen. Bei ungenügender Auslastung muss Überzeit eingezogen werden oder

die Zeit wird für Reinigungs- und Wartungsarbeiten an den Fahrzeugen genutzt. Im Win-

ter sind viele Bautransportunternehmen aufgrund der verminderten Bautätigkeit weniger

ausgelastet, was teilweise durch das Leisten von Winterdienst aufgefangen wird. Die

Unternehmer erhalten von den Gemeinden, dem Kanton oder der Nationalstrassenge-

bietseinheit eine Bereitstellungspauschale und eine Vergütung der effektiven Einsatzzeit.

Dafür müssen sie in der Regel bei Alarmierung innert 30 Minuten mit dem Fahrzeug auf

der ihnen zugewiesenen Strecke sein.

Verwendung von meteorologischen Informationen

Von den zwei interviewten Bautransportunternehmen haben wir unterschiedliche Aussa-

gen zur Verwendung von Wetterprognosen erhalten. Eines der befragten Unternehmen

verwendet regelmässig frei zugängliche Wetterprognosen im Internet, um die Auslastung

bei den Bautransporten und die Wahrscheinlichkeit von Winterdiensteinsätzen antizipie-

ren zu können. Deswegen informieren sich die Disponenten vor allem über die Nieder-

schlagsmenge, die Schneemenge und die Temperatur. Bei Regen oder Schnee finden

keine Belagsarbeiten statt. Deswegen nimmt das Unternehmen zusätzliche Aufträge an,

wenn Niederschläge prognostiziert sind und damit zu rechnen ist, dass Belagsarbeiten

ausgesetzt werden. Im Winter werden die für den Winterdienst ausgerüsteten Fahrzeuge

bei warmen Temperaturen für andere Arbeiten eingesetzt.

Die Aussagen des anderen interviewten Unternehmens waren völlig gegenteilig: Wetter-

prognosen werden nicht zur Ressourcenplanung verwendet. Die Wetterprognosen wer-

den als zu unsicher eingestuft, als dass die Ressourcenplanung sich an ihnen orientieren

könnte. Insbesondere beim Winterdienst geht der befragte Unternehmer kein Risiko ein

und hält die für den Winterdienst vorgesehenen Fahrzeuge jederzeit einsatzbereit. Die

einzige Anwendung von Wetterprognosen sei, dass bei Schneevorhersagen die Schnee-

pflüge bereits vor der Alarmierung durch den Winterdienst an die Fahrzeuge montiert

werden.

Wirkung auf die Wirtschaftlichkeit

Wie bei den Transportunternehmen mit Schwerpunkt Stückgut können wir uns auch bei

den Bautransportunternehmen bei der Frage nach dem betriebswirtschaftlichen Nutzen

von Wetterprognosen nur auf das eine der befragten Unternehmen abstützen, welches

Wetterprognosen tatsächlich nutzt. Bei diesem Unternehmen entsteht der betriebswirt-

schaftliche Nutzen der Wetterprognosen vor allem aufgrund der besseren Antizipierbar-

keit von Belagsarbeiten und von Winterdiensteinsätzen.

Eine Quantifizierung war nur bei den Winterdiensteinsätzen möglich:

Wirkung auf die Qualität der Transportleistung

Bei Bautransporten wirken sich meteorologische Informationen nicht auf die Qualität der

erbrachten Transportleistung aus. Im Gegensatz zu Stückgut- oder Lebensmitteltranspor-

ten ist die Wirkung von Wetterprognosen auf die Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit der

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Transporte nicht relevant: Bautransporte finden bei Schneefall oder starkem Regen oh-

nehin nicht statt.

Würdigung

Bautransportunternehmen werden durch das Wetter wesentlich stärker beeinflusst als

andere Gütertransportunternehmen. Einerseits, weil die Nachfrage nach Bautransporten

stark wetterabhängig ist: Im Tiefbau spielt Niederschlag das ganze Jahr über eine wichti-

ge Rolle, generell ist Frost relevant. Andererseits sind viele Bautransportunternehmen

auch im Winterdienst tätig, da vermehrt Winterdienst geleistet werden muss, wenn weni-

ger Arbeit auf den Baustellen vorhanden ist.

Trotzdem werden Wetterprognosen offenbar unterschiedlich stark genutzt. Dabei scheint

eine wichtige Rolle zu spielen, wie gut das Bautransportunternehmen in der Lage ist, die

Nachfrage nach Bautransporten und die Notwendigkeit von Winterdiensteinsätzen an-

hand der Prognosen abzuschätzen. Dies ist nicht trivial, wie wir auch von den Strassen-

winterdiensten gehört haben, und immer mit gewissen Unsicherheiten behaftet. Deswe-

gen ist für die Verwendung und den Nutzen von Wetterprognosen auch relevant, ob das

Unternehmen aufgrund der Prognosen falsch getroffene Entscheidungen korrigieren

kann, ohne dass ein grösserer finanzieller Schaden entsteht. Ist dies nicht möglich, wird

es seine Entscheidungen allenfalls lieber nicht auf Wetterprognosen abstützen.

Quantitative Ergebnisse und Hochrechnung

Da die quantitativen Ergebnisse den Bereich Winterdienst betreffen, werden Sie im Kapi-

tel «3.5 Winterdienst auf National- und Kantonsstrassen» behandelt und auch diesem

Bereich zugerechnet.

3.8 Öffentlicher Strassenverkehr

3.8.1 Der Öffentlicher Strassenverkehr in der Schweiz

Die Betriebszählung und das Schweizerische Unternehmens- und Betriebsregister unter-

scheiden bei den Personentransportunternehmen zwischen den Kategorien «Regional-

und Fernverkehr» und «Nahverkehr», wobei Nahverkehr jeglichen öffentlichen Verkehr

auf Schiene und Strasse umfasst, dessen Ausgangs- und Zielpunkt sich innerhalb eines

Stadtgebiets oder innerhalb eines die Nachbarstädte umfassenden Ballungsraums befin-

den.

Viele Unternehmen des öffentlichen Nahverkehrs verwenden sowohl Schienen- als auch

Strassenfahrzeuge. Deswegen ist der öffentliche Nahverkehr in der NOGA-Kategorie

«Personenbeförderung im Nahverkehr zu Lande (ohne Taxis)» zusammengefasst, die

Hoch- und Untergrundbahnen, Trams, Busse und Trolleybusse einschliesst.

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56 / 3 Strassenverkehr

Unternehmen Vollzeitäquivalente

Anzahl Anteil Anzahl Anteil

Mikro (bis 9 Mitarbeitende) 86 59% 290 3%

Kleine (10-49 Mitarbeitende) 30 21% 742 6%

Mittlere (50-249 Mitarbeitende) 19 13% 1'966 17%

Grosse (ab 250 Mitarbeitende) 10 7% 8'559 74%

Total 145 100% 11'557 100%

Tabelle 18: Struktur der Personentransportbranche im Nahverkehr zu Lande (ohne Taxis) in der Schweiz. Quelle: BFS Betriebszählung 2008, NOGA-Code 493100 «Personenbeförderung im Nahverkehr zu Lande (ohne Taxis)» Diese Kategorie umfasst Personenbeförderung auf Schiene und Strasse im Nahverkehr ein-schliesslich Hoch- und Untergrundbahnen, Trams, Busse und Trolleybusse sowie Zahnrad- und Seilbahnen usw., falls diese Teil von nach Fahrplan verkehrenden Orts- und Nahverkehrssyste-men sind. Nahverkehr ist definiert als der Verkehr, dessen Ausgangs- und Zielpunkt sich inner-halb eines Stadtgebiets oder innerhalb eines die Nachbarstädte umfassenden Ballungsraums be-finden.

Die Betriebszählung weist schweizweit 145 Unternehmen aus, die zu dieser Kategorie

gehören, wobei über die Hälfte Mikro-Unternehmen mit weniger als neun Beschäftigten

sind. Bei diesen dürfte es sich in der Regel um Anbieter einzelner Linien oder Bahnen

handeln, die im öffentlichen Nahverkehr eingebunden sind. Die in den meisten Schweizer

Städten vorhandenen städtischen Verkehrbetriebe beschäftigen deutlich mehr Personal.

Bernmobil beschäftig beispielsweise 763 Mitarbeitende, der Verkehrsbetriebe Zürich

2'398.

Tabelle 19 zeigt, dass nur sehr wenige Schweizer Städte Tramlinien betreiben, nämlich

nur Genf, Lausanne, Bern, Basel (Basel-Stadt und Umgebung Kt. Basel-Land) und Zü-

rich. Dabei verfügen die beiden Basel und Zürich klar über die grössten Streckennetze.

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Initialen Region

Unternehmen Strecken-Kilometer

Anzahl Linien

Fahrzeuge mit Führerstand &

Antrieb

Übrige Fahrzeuge

TPG Genève

Transports publics genevois

12 3 67 0

TSOL Lausanne

Tramway du sud-ouest lausannois SA

8 1 60 17

LO Lausanne

Métro Lausanne-Ouchy *) 3 2 Keine Angabe Keine Angabe

SVB Bern

BERNMOBIL 17 3 38 7

RBS Bern-Worb

Regionalverkehr Bern-Solothurn (Linie G)

10 1 9 0

BVB Basel

Basler Verkehrs-Betriebe 66 6 129 83

BLT Baselland

Baselland Transport AG

65 4 48 12

VBZ Zürich

Verkehrsbetriebe Zürich

109 13 225 105

Total 290 33 533 207

Tabelle 19: Tramnetze in der Schweiz – Stand 2005. Quelle: Verband öffentlicher Verkehr, Verzeichnis der Mitglieder 2007, in: Litra 2008

Unternehmen Vollzeitäquivalente

Anzahl Anteil Anzahl Anteil

Mikro (bis 9 Mitarbeitende) 82 59% 348 9%

Kleine (10-49 Mitarbeitende) 47 34% 1'084 29%

Mittlere (50-249 Mitarbeitende) 8 6% 911 24%

Grosse (ab 250 Mitarbeitende) 1 1% 1'378 37%

Total 138 100% 3'721 100%

Tabelle 20: Struktur der Personentransportbranche im Regional- und Fernverkehr auf der Strasse in der Schweiz. Quelle: BFS Betriebszählung 2008, NOGA-Code 493902 «Regelmässige Personenbe-förderung im Regional- und Fernverkehr». Diese Kategorie umfasst alle Personentransporte auf der Strasse ausserhalb des Nahverkehrs nach festem Fahrplan auf einem festen Streckennetz wie Postautos, andere Regional- und Li-nienbusse sowie Schulbusse. (Nahverkehr ist definiert als der Verkehr, dessen Ausgangs- und Zielpunkt sich innerhalb eines Stadtgebiets oder innerhalb eines die Nachbarstädte umfassenden Ballungsraums befindet.)

Tabelle 20 zeigt die Struktur innerhalb des Bereiches «Regelmässige Personenbeförde-

rung im Regional- und Fernverkehr» (NOGA-Code 493902), zu dem alle Unternehmen

mit festem Fahrplan und Streckennetz gehören wie Postautos, Regional- und Linienbus-

se, aber auch Schulbusse.

Im Bereich «Regelmässige Personenbeförderung im Regional- und Fernverkehr» existie-

ren 82 Micro-Unternehmen mit weniger als neun Beschäftigten, unter denen vermutlich

einige Schulbusse oder spezialisierte Fernverkehrsanbieter sein dürften. Sie stellen aber

nur 9% der in diesem Bereich vorhandenen Stellenprozente. Die übrigen 90% der 3’721

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58 / 3 Strassenverkehr

Vollzeitstellenäquivalente teilen sich zu ähnlichen Anteilen auf die kleinen, mittleren und

grossen Unternehmen auf, wobei aber Postauto als einziges Grossunternehmen deutlich

hervorsticht, das allein 37% der Stellenprozente in diesem Bereich stellt (Tabelle 20).

3.8.2 Interviewte ÖV-Unternehmen

Im Bereich öffentlicher Strassenverkehr wurden vier ÖV-Unternehmen betrachtet, von

denen zwei im Nahverkehr29 tätig sind und zwei Transportleistungen im Regional- und

Nahverkehr anbieten. Bei drei der betrachteten Unternehmen wurde ausschliesslich der

Busverkehr betrachtet, beim vierten auch der Tramverkehr. Ein Unternehmen war nur zu

einem sehr kurzen Interview bereit, in dem nur Angaben über die Verwendung von Wet-

terprognosen erhoben werden konnten.

3.8.3 Die Arbeitsweise der ÖV-Anbieter und der Einfluss des Wetters – Aussagen

der Interviewpartner

Die drei ausführlich betrachteten Unternehmen verfügen alle über eine zentrale Leitstelle,

die den Verkehr überwacht und die gegebenenfalls für das Störungs- und Krisenmana-

gement verantwortlich ist. Auch haben alle einen Teil ihrer Linien an Subunternehmen

vergeben. Je nach dem wie stark diese Linien mit dem restlichen Netz verknüpft sind und

je nach Unternehmen sind die Fahrzeuge der Subunternehmer an die zentrale Leitstelle

angebunden und voll im Fahrbetrieb integriert, oder aber die Subunternehmer verfügen

über eine eigene Leitstelle.

Zum Alltag aller ÖV-Unternehmen gehören Kapazitätsschwankungen und unvorhergese-

hene Ereignisse, die den Einsatz zusätzlicher Ressourcen erfordern. Dies wird einerseits

durch Teilzeitstellen aufgefangen, andererseits dadurch, dass Kundenberater30 und ein

grosser Teil des Innendienstpersonals ebenfalls in der Lage sind, Bus bzw. Tram zu fah-

ren.31

Das Wetter beeinflusst die ÖV-Unternehmen in zweifacher Weise. Einerseits sind sie, wie

auch die Gütertransportunternehmen, auf ein funktionierendes Strassennetz angewiesen.

Starker Regen, Frost und Schnee führen zu einem langsameren und unruhigerem Ver-

kehrsfluss und zu mehr Unfällen, die Verkehrsbehinderungen und Stau verursachen.

Dies kann dazu führen, dass sich Fahrzeuge verspäten oder Linien umgeleitet werden

müssen. Auch müssen die Chauffeure bei Niederschlag noch mehr als sonst auf Fuss-

gänger und Velofahrer achten, da diese durch Schirme und Kapuzen ein eingeschränktes

Sichtfeld haben.

Andererseits geben drei der vier befragten Unternehmen an, dass auch bei einigen im

ÖV verwendeten Fahrzeugen bei bestimmten Wetterereignissen Probleme auftreten.

29 Nahverkehr ist definiert als Verkehr, dessen Ausgangs- und Zielpunkt sich innerhalb eines Stadtgebiets oder innerhalb

eines die Nachbarstädte umfassenden Ballungsraums befindet.

30 Die Aufgaben der Kundenberater umfassen unter anderem Ticketverkauf, Fahrausweiskontrolle und Beratung der Kunden

bei Störungen.

31 Die Einsätze erfolgen nicht nur in Notfällen, sondern auch regelmässig, um die Fahrpraxis zu gewährleisten.

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Gelenkbusse können schon bei geringer Strassenglätte nicht mehr gefahren werden und

müssen gegen Busse ohne Gelenke ausgetauscht werden. In sehr starken Steigungen

müssen bei Schnee Ketten montiert werden. In diesen Fällen werden die betroffenen

Linien in der Regel geteilt, so dass die Fahrgäste dort, wo die Steigung beginnt, in die

Fahrzeuge mit Ketten umsteigen müssen. Tramfahrzeuge werden durch Schnee erst

ungefähr ab 10 cm Schneefall beeinträchtigt. Bei Frost in Kombination mit Feuchtigkeit

müssen aber die Fahrleitungen enteist werden und bei Regen in Kombination mit Laubfall

müssen die Schienen gereinigt werden.

3.8.4 Verwendung von meteorologischen Informationen – Aussagen der

Interviewpartner

Alle befragten ÖV- Unternehmen verwenden meteorologische Informationen. Die Leitstel-

len nutzten frei zugängliche Wetterprognosen im Internet. Dies zu folgenden Zwecken:

— In einem der befragten Unternehmen nimmt die Leitstelle die Arbeit morgens früher

auf, wenn schwierige Strassenverhältnisse erwartet werden. In einem anderen Unter-

nehmen wird im selben Fall das Personal der Leitstelle kurzfristig aufgestockt.

— Vor allem wenn Schneefall prognostiziert ist, werden teilweise bereits am Vortag or-

ganisatorische Massnahmen getroffen, damit genügend zusätzliches Personal aufge-

boten werden kann. Die Aufbietung selbst erfolgt aber erst bei einsetzendem Schnee-

fall.

— In Ausflugsregionen werden bei schönem Wetter zusätzliche Kapazitäten eingeplant,

um die durch Touristen verursachten Spitzenlasten abdecken zu können.

Bei zwei Unternehmen sind die Fahrer angehalten, ebenfalls Wetterprognosen zu nutzen:

— Die Fahrer sind verpflichtet, auch bei glatten oder schneebedeckten Strassen pünkt-

lich zur Arbeit zu erscheinen.

— In einem der betrachteten Unternehmen müssen die Fahrer bei Schneefall aus Si-

cherheitsgründen eine halbe Stunde früher zur Arbeit erscheinen, um die Fahrzeuge

aber auch sich selbst auf einen Schneetag mit erhöhten Anforderungen vorzuberei-

ten. Bei den Fahrzeugen müssen die im Fahrzeug integrierten Streugeräte vorbereitet

werden, damit vor der Hinterachse vom Führerstand aus gesplittet werden kann.

Eines der Unternehmen ist für das Salzen und Räumen von Tramtrassen und Haltestel-

lenflächen selbst verantwortlich. Aus diesem Grund werden Wetterprognosen auch von

der Abteilung Infrastruktur genutzt. Diese muss auch dafür sorgen, dass die Fahrleitun-

gen wenn nötig enteist werden.

3.8.5 Wirkung auf die Wirtschaftlichkeit – Aussagen der Interviewpartner

Zum betriebswirtschaftlichen Nutzen von Wetterprognosen haben wir nur von drei der

vier befragten Unternehmen Angaben erhalten, wobei die Aussagen unterschiedlich sind.

Einerseits wurde die Ansicht vertreten, die Wetterprognosen führten zu präventiven

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60 / 3 Strassenverkehr

Massnahmen und generierten deswegen eher einen Mehraufwand, dem aber ein positi-

ver Effekt auf die Pünktlichkeit entgegenstehe. Die Pünktlichkeit habe zwar einen lang-

fristigen Einfluss auf die Kundenfrequenzen, aber dieser sei schwierig abzuschätzen.

Andererseits wurde aber auch genau gegenteilig argumentiert: Die Wetterprognosen

würden den betrieblichen Aufwand senken, da einerseits nicht während der Betriebszei-

ten überraschend Gelenkbusse gegen wintertaugliche Fahrzeuge ausgetauscht werden

müssten und andererseits personelle Ressourcen effizienter eingesetzt werden könnten.

So werden beispielsweise an Schneetagen keine Fahrgastkontrollen durchgeführt, damit

die Kundenbetreuer als Fahrer zur Verfügung stehen und nicht weiteres Personal aus der

Freizeit heraus aufgeboten werden muss.

Nur eines der befragten Unternehmen sah sich in der Lage, die betriebswirtschaftlichen

Effekte grob zu quantifizieren. Um in Bezug auf die Pünktlichkeit und den Fahrgastkom-

fort (Auslastung der Fahrzeuge, Sitzplätze) eine optimale Qualität (d.h. kein Ausfall von

Leistungen, keine grösseren Verspätungen) auch ohne Antizipation wetterbedingter Stö-

rungen oder Nachfrageschwankungen permanent bieten zu können, müsste nach Ansicht

des Interviewpartners während der Wintermonate (November bis März) pro Betriebs-

standort wohl eine Person mehr zur Verfügung stehen, um während der Betriebszeiten

jederzeit Zusatzfahrten leisten zu können. Die Anzahl Betriebsstandorte (19 Standorte)

multipliziert mit der Anzahl Arbeitstage (125 Tage von November bis März), 18 Stunden

Betriebszeit und Arbeitskosten32 von rund 50 CHF/h ergibt rund 2.14 Mio. CHF Personal-

aufwand pro Jahr, die dank Wetterprognosen vermieden werden können. Dies entspricht

ungefähr 21 Vollzeitstellen33 oder etwa 8% des Personalbestandes 2009.

Die anderen beiden Unternehmen sahen sich nicht mit für sie vertretbarem Aufwand in

der Lage, eine realistische analoge Einschätzung vorzunehmen. Da das Unternehmen,

welches quantitative Wirkungen abschätzen konnte, eine deutlich dezentralere Organisa-

tionsstruktur aufweist als die anderen beiden, sind die Angaben dieses Unternehmens

nicht auf die anderen beiden übertragbar.

3.8.6 Wirkung auf die Qualität der Leistungserbringung – Aussagen der

Interviewpartner

Drei der vier befragten Unternehmen sind der Ansicht, dass Wetterprognosen die Qualität

des öffentlichen Verkehrs verbessern. Insbesondere bei Schneefall und Frost tragen prä-

ventiv eingeleitete Massnahmen wie der Austausch von Gelenkbussen durch andere

Fahrzeuge und das Enteisen von Fahrleitungen dazu bei, dass trotz schlechter Strassen-

verhältnisse eine hohe Pünktlichkeit erreicht wird. Auch können zusätzliche Fahrzeuge

für wetterbedingte Spitzenlasten eingeplant werden, so dass Wanderern und Ausflüglern

ein hoher Reisekomfort geboten werden kann. Keines der Unternehmen sah sich aber in

der Lage zu quantifizieren, wie viele Verspätungen oder Verspätungsminuten entstehen

32 Selbstkosten, gemäss Angaben der Interviewpartner.

33 Annahme: 42.5 Arbeitsstunden pro Woche, 5 Wochen Ferien.

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würden, stünden Wetterprognosen nicht zur Verfügung. Dies aus den folgenden Grün-

den:

— Je nachdem wo auf dem Streckennetz Probleme auftreten, haben diese ganz unter-

schiedliche Auswirkungen.

— Die Pünktlichkeit entsteht durch das Zusammenspiel verschiedener Faktoren wie

Adäquatheit der Planung der Leitstelle, effektiver Fahrplan (Fahrzeitreserve, Puffer-

zeiten an Endhaltestellen), Verhalten der Fahrer, Fahrtüchtigkeit der Fahrzeuge, aber

auch Verhalten der Fahrgäste und Verkehrsaufkommen des übrigen Strassenver-

kehrs. Den Befragten fällt es deswegen sehr schwer, den Effekt eines Faktors zu iso-

lieren.

— In städtischen Regionen hat der öffentliche Strassenverkehr einen sehr engen Takt

von 15 Minuten oder weniger, wodurch kaum relevante Verspätungen entstehen kön-

nen.

Das vierte Unternehmen vertrat die Ansicht, Wetterprognosen seien alles in allem wenig

relevant, da Verspätungen an Schnee- und Glättetagen nicht durch das Wetter selbst,

sondern durch die Probleme des Individualverkehrs mit Schnee und Glätte verursacht

seien. Schnee- und glättebedingten Staus könne man ohnehin nicht ausweichen, auch

wenn ihr Auftreten frühzeitig bekannt sei.

3.8.7 Würdigung

Bezüglich der Verwendung von meteorologischen Informationen ergibt sich für die vier

betrachteten ÖV-Unternehmen ein relativ konsistentes Bild: Sie nutzen Gratiswetterprog-

nosen im Internet. Im Winter werden bei angekündigtem Schneefall in der Regel am Vor-

tag oder früh morgens Vorbereitungen für die Schnee- und Glättebekämpfung getroffen

oder vorsorglich Fahrzeuge umdisponiert34. In Touristengebieten unterstützen Wetter-

prognosen die Antizipation der Fahrgastmenge und ermöglichen den gezielten Einsatz

von Zusatzbussen, was für die Reisenden einen erhöhten Komfort bringt. Auch bezüglich

des Unfallrisikos sind die Aussagen einheitlich: Entscheidend für das Unfallrisiko ist in

erster Linie der Strassenzustand, die aktuelle Aussentemperatur und die aktuellen Sicht-

verhältnisse, nicht die Wetterprognose.

Beim Nutzen der Wetterprognosen hingegen sind die Aussagen nicht konsistent. Nur drei

der vier Unternehmen sind der Meinung, dass Wetterinformationen die Zuverlässigkeit

und Pünktlichkeit des öffentlichen Verkehrs verbessern. Die unterschiedlichen Ansichten

scheinen dadurch bedingt zu sein, ob beim betreffenden Unternehmen Verspätungen bei

Schnee nur durch wetterbedingte Staus entstehen, oder ob auch Probleme mit den Fahr-

zeugen auftreten. Für Unternehmen, die weder Schienenfahrzeuge noch Gelenkbusse

verwenden, verursacht nicht der Schnee selbst Verspätungen, sondern die wetterbeding-

ten Verkehrsstaus.

34 z.B. normale Busse statt Gelenkbusse, zusätzliche Fahrzeuge bei Einsatz von Schneeketten und dadurch bedingte Stre-

ckenteilungen

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62 / 3 Strassenverkehr

Auch bei der Bewertung der betriebswirtschaftlichen Auswirkungen sind die Ansichten

unterschiedlich: Teilweise wird ein unmittelbarer Nutzen der Wetterprognosen dank effi-

zienteren betrieblichen Abläufen geortet, teilweise nur ein langfristiger positiver betriebs-

wirtschaftlicher Effekt dank der besseren Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit.35 Dabei sieht

eines der befragten Unternehmen sogar einen unmittelbar negativen betriebswirtschaftli-

chen Effekt der Wetterprognosen, da aufgrund der Wetterprognosen Präventivmassnah-

men durchgeführt werden, die ohne Wetterprognosen nicht durchgeführt werden würden.

Diese Diskrepanz in der Beurteilung des betriebswirtschaftlichen Nutzens können wir

nicht auflösen; soweit die Organisation und die Arbeitsprozesse der Unternehmen im

Rahmen des vorliegenden Projektes betrachtet werden konnten, haben wir keine Unter-

schiede festgestellt, die zu so unterschiedlichen Beurteilungen führen müssten.

3.8.8 Quantitative Ergebnisse und Hochrechnung

Von den ÖV-Unternehmen haben wir insgesamt nur wenig quantitative Angaben erhal-

ten. Nur im Bereich des betriebswirtschaftlichen Nutzens konnte eines der befragten Un-

ternehmen eine grobe Abschätzung vornehmen, die auf Basis der Aussagen der übrigen

Unternehmen plausibilisiert und korrigiert wurde (vgl. nochmals Kapitel 3.8.5 und 3.8.7):

Um die heutige Pünktlichkeit und den heutigen Fahrgastkomfort auch ohne Wetterprog-

nosen aufrechterhalten zu können, müsste rund 8% mehr Personal zur Verfügung ste-

hen, um bei Bedarf Zusatzfahrten durchführen zu können. Dies entspräche beim befrag-

ten Unternehmen einem personellen Mehraufwand von rund 2.14 Mio. CHF.

Beim befragten Unternehmen handelt es sich eigentlich um eine regional tätige Division

eines schweizweit tätigen Grossunternehmens. Wenn wir die Ergebnisse für die betrach-

tete Division auf das Gesamtunternehmen übertragen, ergibt sich ein betriebswirtschaftli-

cher Nutzen der Wetterprognosen von 25.34 Mio. CHF. Damit nehmen wir implizit an,

dass alle übrigen Divisionen gleich funktionieren wie die befragte Division, was aufgrund

der unterschiedlichen regionalen Gegebenheiten (Passagieraufkommen, Auslastungs-

schwankungen, Pendleraufkommen) nur bedingt stimmt. Dieser Ungenauigkeit und den

weiteren Unsicherheiten tragen wir mit einem Unsicherheitsbereich von 15% Rechnung:

Aufgrund der Befragungsergebnisse gehen wir davon aus, dass Wetterprognosen dem

Gesamtunternehmen einen betriebswirtschaftlichen Nutzen zwischen 21.5 bis 29.1 Mio.

CHF pro Jahr bringen.

Dieses Ergebnis kann nicht auf die anderen befragten Unternehmen übertragen werden,

da diese in dichter besiedelten Gebieten tätig und zentraler organisiert sind sowie einen

engeren Takt anbieten, der Zusatzfahrten in vielen Fällen überflüssig macht. Für eine

Hochrechnung der Ergebnisse auf weitere in der Studie nicht berücksichtigte Personen-

transportunternehmen fehlen die statistischen Grundlagen, da Organisationsstrukturen

und Takt eine wichtige Rolle spielen.

Den betriebswirtschaftlichen Nutzen im öffentlichen Verkehr weisen wir entsprechend

den Abgeltungszahlungen der öffentlichen Hand teilweise als Staatsausgaben aus, teils-

35 Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit erhöhen nach Meinung der Interviewpartner die Fahrgastzahlen.

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/ 63

weise als Wertschöpfungseffekt.36 Dementsprechend bewirken meteorologische Informa-

tionen im öffentlichen Verkehr Minderstaatsausgaben zwischen 10.8 und 14.6 Mio. CHF

pro Jahr und einen positiven Wertschöpfungseffekt in derselben Höhe.

3.9 Zusammenfassung Strassenverkehr

Tabelle 21 gibt eine Übersicht zu den im Bereich Strassenverkehr gewonnen Erkenntnis-

sen. Eine monetäre Quantifizierung des Nutzens von meteorologischen Informationen

war nur für die Nutzendimensionen Staatsausgaben und Wertschöpfung möglich, wobei

auch hier nur Teilaspekte monetär bewertet werden konnten. Die in der letzten Zeile an-

gegebene Summe der quantitativ fassbaren Effekte dürfte deswegen unter dem tatsächli-

chen Wert liegen. Gleichzeitig sind die quantitativen Ergebnisse aufgrund der verwende-

ten Methodik und der vorhandenen Unsicherheiten nur als Grössenordnung zu verstehen

und können auch ausserhalb der angegeben Wertebereiche liegen.

Staatsausgaben

Im Bereich Strassenverkehr wirken meteorologische Informationen über die Winterdiens-

te und über den öffentlichen Verkehr37 auf die Staatsausgaben. Winterdienste wie auch

ÖV-Anbieter müssten deutlich mehr Ressourcen aufwenden, wollten sie ohne meteorolo-

gische Informationen ihre Leistungen weiterhin in der heutigen Qualität zur Verfügung

stellen. Dank Wetterprognosen können dementsprechend Staatsausgaben in der Grös-

senordnung von rund 52.6 bis 56.4 Mio. CHF/a vermieden werden, vorausgesetzt ohne

Wetterprognosen müsste tatsächlich das gleiche Leistungsniveau erreicht werden wie mit

Wetterprognosen.

36 Gemäss dem Verband des öffentlichen Verkehrs sind die Anteile je rund 50%. Quelle: VÖV_Schriften_04 (2004).

37 Die Effekte von Wetterprognosen im öffentlichen Verkehr werden teils unter Staatsausgaben, teils unter Wertschöpfung

aufgeführt, da der öffentliche Verkehr teils durch die öffentliche Hand, teils durch die Erträge aus Billet- und Abonnement-

verkäufen finanziert wird.

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64 / 3 Strassenverkehr

Volkswirtschaftlicher Nutzen, welcher der Akteur/die Akteurgruppe durch die Verwendung von meteorologischen Informationen bewirkt

Nutzendimension [Mio. CHF/a]

Akteur(gruppe)

Vermiedene Staatsausgaben

Zusätzliche Wertschöpfung

Vermiedene Schadenskosten

Vermiedene individuelle Rei-sezeiten

Staatliche Leistungserbringende

Winterdienste auf Natio-nal- und Kantonsstrassen inkl. Drittleister

41.8 2.4 - 8.5 Nicht einschätzbar, nicht quantifizierbar

Nicht einschätzbar, nicht quantifizierbar

Nationales Verkehrsmanagement

Kein Effekt Kein Effekt Kein Effekt Nicht einschätzbar, nicht quantifizierbar

Gütertransportunternehmen

Stückguttransport Gering, nicht quantifizierbar

Kein Effekt

Logistik von Lebensmittel-grossverteilern (nur unter-suchte Warengruppe)

0.11 - 0.57 Kein Effekt

Treibstofftransporte Gering, nicht quantifizierbar

Gering, nicht quantifizierbar

Bautransporte Hoch, nicht quantifizierbar

Kein Effekt

Öffentlicher Strassenverkehr

In Agglomerationen und Städten

Hoch, nicht quantifizierbar

Hoch, nicht quantifizierbar

Kein Effekt Nicht einschätzbar, nicht quantifizierbar

Im peripheren Raum 10.8 - 14.6 10.8 - 14.6 Kein Effekt Hoch, nicht quantifizierbar

Summe der quantitativ fass-baren Effekte

52.6 - 56.4 13.3 - 23.7 - -

Tabelle 21: Übersicht zu den Ergebnissen im Bereich Strassenverkehr. Plausible Werte. Die Angaben zur Einschätzbarkeit und Quantifizierbarkeit beziehen sich immer auf die in der vorliegenden Studie angewendete Methodik.

In dieser Schätzung ist nur der Winterdienst auf den National- und Kantonstrassen, nicht

aber auf den Gemeindestrassen enthalten. Auch konnte nur ein Teil der Effekte beim

öffentlichen Strassenverkehr monetär quantifiziert werden. Die tatsächlich dank meteoro-

logischen Informationen vermiedenen Staatsausgaben im gesamten Strassenverkehr

dürften also in Wirklichkeit höher liegen als die im Rahmen der vorliegenden Studie er-

fassten 52.6 bis 56.4 Mio. CHF.

Wertschöpfung

Im Bereich Winterdienst vergeben die zuständigen staatlichen Stellen einen Teil der Ar-

beiten an Drittleister. Diese könnten ihre Winterdiensteinsätze ohne Wetterprognosen

weniger gut antizipieren und ihre Betriebsmittel weniger effizient einsetzen. Der wert-

schöpfungsrelevante Effekt liegt in der Grössenordnung von 2.4 bis 8.5 Mio. CHF/a.

Bei den Gütertransportunternehmen sind die Effekte von meteorologischen Informationen

auf die Wirtschaftlichkeit und damit auf die Wertschöpfung gering. Der Strassenzustand

und damit das Wetter ist für die Unternehmen zwar eine wichtige Rahmenbedingung, ihr

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Handlungsspielraum ist aber begrenzt. Gleichzeitig war eine Quantifizierung der Wirkung

von meteorologischen Prognosen im Bereich der Gütertransportunternehmen besonders

schwierig: Meteorologische Informationen verringern, optimal eingesetzt, in geringem

Masse die Transportdauer und erhöhen damit die Pünktlichkeit der Lieferungen. Dies hat

für die Transportunternehmen aber meist keine direkten finanziellen Folgen, einerseits

aufgrund der üblichen Vergütungssysteme der Fahrer, andererseits da vor allem die

Kunden von der besseren Pünktlichkeit profitieren. Ob bei den Kunden wertschöpfungs-

relevante Effekte entstehen, hängt davon ab, wie diese die Warenlieferungen in ihre Ar-

beitsprozesse integriert habe. Aus diesen Gründen sind meteorologische Informationen

für die interviewten Transportunternehmer ein wenig relevantes Thema. Die Ergebnisse

im Bereich Lebensmittellogistik stützen diese Aussagen: Bei den Grossverteilern konnten

wir bei der Warenlogistik einen wertschöpfungsrelevanten Effekt von maximal 0.57 Mio.

CHF/a feststellen, was angesichts eines Gesamtumsatzes der betrachteten Grossvertei-

ler von rund 31.5 Milliarden CHF/a ein relativ geringer Betrag ist.

Eine Ausnahme bei den Gütertransportunternehmen bilden Bautransporte: Bei diesen ist

die Nachfrage stark wetterabhängig, da die Baubranche selbst, insbesondere der Tief-

bau, stark wetterabhängig ist. Meteorologische Informationen sind deswegen ein wichti-

ges Element der Ressourcenplanung. Trotzdem war auch bei den Bautransporten mit

dem in der vorliegenden Studie gewählten Ansatz eine Quantifizierung des Nutzens nicht

möglich. Hier dürfte aber mit zusätzlichem Erhebungsaufwand mit hoher Wahrscheinlich-

keit eine quantitative Bewertung möglich sein.

Weitere relevante Wertschöpfungseffekte entstehen beim öffentlichen Verkehr, wobei nur

für den peripheren Raum eine Quantifizierung möglich war: Müsste im peripheren Raum

der öffentliche Verkehr ohne Wetterprognosen weiterhin in der heute vorhandenen Quali-

tät zur Verfügung stehen, müssten zusätzliche Ressourcen im Unfang von rund 10.8 bis

14.6 Mio. CHF eingesetzt werden.

Schadenskosten

Meteorologische Informationen führen zu einer besseren Qualität der Winterdienste. Dies

vermindert das Unfallrisiko auf den Strassen, da die Unfallwahrscheinlichkeit auf schnee-

bedeckter oder pflotschiger Fahrbahn wie auch auf glatter Fahrbahn höher ist als bei

anderen Strassenzuständen (Abay 2005). Die durchgeführten statistischen Auswertun-

gen konnten dies jedoch nicht in gleicher Weise nachweisen und dementsprechend war

auch eine Quantifizierung des Effektes nicht möglich.

Die Verwendung von meteorologischen Informationen durch Güter- oder Personentrans-

portunternehmen senkt die Schadenswahrscheinlichkeit hingegen nicht. Güter- wie auch

Personentransportunternehmen stellen den Betrieb bei schlechten Strassenverhältnissen

nicht aus Sicherheitsgründen ein, sondern nur dann, wenn der Betrieb massiv einge-

schränkt bzw. verlangsamt ist. Einzige Ausnahme bilden Treibstofftransporte. Diese wer-

den bei sehr schlechten Strassenverhältnissen nicht durchgeführt, da das Schadenspo-

tential von Unfällen mit Treibstofftransportern vergleichsweise hoch ist.

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66 / 3 Strassenverkehr

Individuelle Reisezeiten

Meteorologische Informationen beeinflussen die individuellen Reisezeiten über zwei Wir-

kungskanäle: Einerseits über die Winterdienstqualität, andererseits über die Qualität des

öffentlichen Verkehrs (vgl. auch die obigen Kapitel Staatsausgaben und Wertschöpfung).

Da wetterbedingte Strassenverkehrsstaus in der Regel durch Unfälle auf glatter Fahr-

bahn verursacht werden, haben wir versucht, die Effekte mittels der Statistik der Stras-

senverkehrsunfälle des Bundesamtes für Statistik zu quantifizieren. Mit den durchgeführ-

ten Auswertungen liess sich der erwartete Effekt jedoch weder nachweisen noch quantifi-

zieren. Aus diesem Grund liegen zu den dank meteorologischer Informationen eingespar-

ten Reisezeiten und Reisezeitkosten keine quantitativen Ergebnisse vor.

3.10 Vergleich mit internationalen Studien

Nutzen von meteorologischer Information wurde im Bereich Strassenverkehr bisher in

verschiedenen Studien erhoben. Einige dieser Studie verfolgen wie wir einen möglichsten

breiten Erhebungsansatz, andere fokussieren auf ein bestimmtes meteorologisches Pro-

dukt und wieder andere auf eine bestimmte Akteurgruppe. Gemeinsam ist den von uns

gesichteten Studien, dass Schnee und Eis als für den Strassenverkehr problematischste

Wetterphänomene im Vordergrund stehen.

Hautala und Leviänkangas (2007), Leviänkangas et al. (2007)

Leviänkangas et al. 2007 schätzen den Nutzen meteorologischer Dienstleistungen in

Kroatien. Als Grundlage dient Hautala und Leviänkangas (2007), die die Effektivität des

staatlichen Finnischen Institutes für Meteorologie bewerten. Im Bereich Strassenverkehr

stützen beide Studien stark auf Experteninterviews und Plausibilitätsüberlegungen ab,

wobei einige Ergebnisse für Finnland auf Kroatien übertragen werden:

Finnland [Mio. €/a] Kroatien [Mio. €/a]

Salzverbrauch des Strassenwinterdienstes (alle öffentlichen Strassen)

2 0.3

Reduktion der Schadenssumme von Strassen-verkehrsunfälle durch Radiomeldungen

9 - 18 3.1 - 6.2

Tabelle 22: Nutzen der heute verfügbaren meteorologischen Dienstleistungen in Finnland und Kroatien. Quel-len: Hautala und Leviänkangas 2007 sowie Leviänkangas et al. 2007.

Die von uns durchgeführte Studie weist im Winterdienst allein für den Nutzenaspekt

«Ressourceneinsatz» für die Schweiz ein Vielfaches der in Tabelle 22 aufgeführten Nut-

zen von meteorologischen Informationen aus: Unsere Studie betrachtet jedoch nicht den

Salzverbrauch, sondern personelle Ressourcen, die für den Winterdienst eingesetzt wer-

den. Die Ergebnisse unserer Studie sind deswegen nicht mit den Arbeiten von Hautala

und Leviänkangas (2007) sowie Leviänkangas et al. (2007) vergleichbar.

Im Bereich des Nutzenaspekts «Schadensvermeidung» betrachten Hautala und Leviän-

kangas (2007) sowie Leviänkangas et al. (2007) die Wirkung von Wetterprognosen,

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Warnmeldungen und Strassenzustandmeldungen über das Radio, die sich direkt an die

Strassennutzer/innen richten. Die Wirkung dieser Meldungen wurde nicht auf Basis empi-

rischer Erhebungen, sondern anhand von Expertengesprächen abgeschätzt.

Die individuelle Nutzung von meteorologischen Informationen, welche die Autofah-

rer/innen über das Radio erhalten, lag ausserhalb des Analyserahmens unserer Studie.

Die bei Strassentransportunternehmen durchgeführten Interviews können aber einen

Nutzen in der Grössenordnung, welche Hautala und Leviänkangas (2007) sowie Leviän-

kangas et al. (2007) angeben, für die Schweiz tendenziell nicht bestätigen.

The ministry of transport and energy of Denmark (2006)

Das Schwedische Ministerium für Transport und Energie hat 2006 den Nutzen des staat-

lichen meteorologischen Dienstes anhand mehrerer Verwendungsbereiche evaluiert,

darunter auch der Strassenwinterdienst. Dänemark verfügt, soweit dies anhand der Stu-

die ersichtlich war, über ein ähnliches Glatteiswarnsystem wie die meisten schweizeri-

schen Nationalstrassengebietseinheiten. Um dessen Nutzen zu erheben, wurde eine

Situation mit Messsystem und Prognosen einer Situation ohne Messsystem und ohne

Prognosen gegenübergestellt. Der Referenzzustand wurde also anders definiert als in

unserer Studie: Wir haben eine Situation mit Messsystem und mit Prognosen mit einer

Situation mit Messsystem und ohne Prognosen verglichen.

Die Dänische Studie kommt zu den folgenden Ergebnissen:

— Mit dem Glatteiswarnsystem sind die Dänischen Strassen weniger Stunden pro Jahr

vereist oder schneebedeckt, als sie dies ohne Glatteiswarnsystem wären. Da bei eis-

und schneefreien Strassen eine höhere Geschwindigkeit möglich ist als bei eis- oder

schneebedeckten Strassen, werden dem Glatteiswarnsystem Zeitersparnissen im

Wert von 76.57 Mio. DKK38 bzw. 15 Mio. CHF39 pro Jahr zugeschrieben. Dabei wur-

den bei Personenwagen Zeitkostenansätze von 59 DKK/h (11.5 CHF/h) für zusätzli-

che Fahrzeit und 89 DKK/h (17.4 CHF/h) für Stauzeiten eingesetzt. Die Zeitkostenan-

sätze für Güter- und Personentransportfahrzeugen liegen höher. Die effektiven Ta-

gesganglinien des Verkehrsaufkommens und die jeweils effektiv möglichen Fahrge-

schwindigkeiten wurden bei dieser Rechnung nicht berücksichtigt.

— Der Einfluss des Glatteiswarnsystems auf die Unfallzahlen konnte empirisch nicht

eindeutig bestimmt werden. Verschiedene Quellen deuten aber darauf hin, dass der

Einsatz von Glatteiswarnsystemen die Unfallzahlen tendenziell senkt.

— Der Einfluss des Glatteiswarnsystems auf den Salzverbrauch ist unklar.

— Das Glatteiswarnsystem senkt die Kosten für den Winterdienst um mindestens 18.72

Mio. DKK (3.7 Mio. CHF) pro Jahr. Diesem Wert liegt ein rein kostenbasierter Ansatz

zu Grunde: Es wird angenommen, dass die Winterdienste dank des Glatteiswarnsys-

38 bewertet zu Preisen 2006

39 Wechselkurs: 0.195 DKK/CHF. Ungefähres 3-Jahres Mittel. Aktueller Kurs April 2011: 0.173 DKK/CHF.

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68 / 3 Strassenverkehr

tems mindestens so viel finanzielle Mittel einsparen, wie sie für das System ausge-

ben.

NOAA (2002)

Laut NOAA (2002) würde eine Verbesserung der kurzfristigen Prognose von Eisbildung

und Nebel der Strassentransportbranche in den USA ermöglichen, durch bessere Pla-

nung und Routenwahl Unfallkosten von 29 Mio. USD40 zu verhindern.

Aufgrund der im Rahmen unserer Studie durchgeführten Interviews mit Transportunter-

nehmen, schliessen wir eine annähernd ähnliche Grössenordnung (unter Berücksichti-

gung des Grössenunterschiedes der Branche) für die Schweiz aus. Die Transportunter-

nehmen haben einen Zusammenhang von meteorologischer Information und Unfallrisiko

verneint, Ausnahme bildet lediglich der Gefahrenguttransport. Die unterschiedliche Be-

wertung dürfte durch die unterschiedlichen klimatischen und geographischen Gegeben-

heiten zustande kommen. Adams et al. 2004 schreiben:

«On average, 105 snow producing storm systems hit the lower 48 United States each

year, imposing substantial economic damages in terms of removal costs, lost retail trade,

lost wages, and lost tax revenue, delays in ground and air transportation, flood damage

during snowmelt, damage to crops and livestock, accidents, injuries, and loss of life due

to hazardous conditions.»

Die klimatischen Verhältnisse in der Schweiz sind nicht mit denjenigen in den USA ver-

gleichbar. Ebenfalls zu erwähnen sind die aufgrund der Kleinräumigkeit begrenzten Um-

fahrungsmöglichkeiten von Gefahrensituationen.

Fazit

Ein Vergleich der vorliegenden Studie mit internationalen Arbeiten zum Thema Nutzen

der Meteorologie im Strassenverkehr zeigt Folgendes:

— Die Ergebnisse können nicht verglichen werden, ohne dass der konkret gewählte

Untersuchungsgegenstand ebenfalls sorgfältig verglichen wird. Dies da die Wahl der

betrachteten meteorologischen Informationen, der betrachteten Nutzer/innen und des

betrachteten Verwendungsgebiet einen grossen Einfluss auf die Ergebnisse haben.

— Im Ländervergleich weist der Nutzen der Meteorologie für einen bestimmten Untersu-

chungsgegenstand nur dann eine ähnliche Grössenordnung auf, wenn sowohl das

Wetter als auch der Untersuchungsgegenstand ähnlich sind. Während zum Beispiel

in den USA Wetterprognosen in der Strassentransportbranche ein sehr grosses Nut-

zenpotential haben (NOAA 2002), kann dies für die Schweiz nicht bestätigt werden:

Einerseits ist das Schweizer Wetter sehr viel weniger geprägt durch Extremereignis-

se, andererseits sind die Transportwege sehr viel kürzer und der Spielraum für Alter-

nativrouten stark begrenzt.

Aufgrund beider aufgeführter Punkte liefert der Vergleich der vorliegenden Studie mit

anderen Arbeiten keine Aussagen über die Plausibilität der jeweiligen Ergebnisse. Auch

40 Zu Preisen von 2004.

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zeigt sich, dass Aussagen über den volkswirtschaftlichen Nutzen der Meteorologie nur

mit Vorsicht auf andere Länder übertragbar sind.

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4 Schienenverkehr

4.1 Meteorologische Informationen im Schienenverkehr

Der Bahnverkehr ist grundsätzlich weniger wettersensibel als der Strassenverkehr.

Trotzdem können verschiedenen Wetterereignisse zu Störungen führen oder zusätzliche

Arbeiten verursachen41:

— Schnee:42

– Bei Schnee besteht bei ungeheizten Weichen43 die Möglichkeit, dass sie beim

Verstellen ihre Endlage nicht vollständig erreichen. Bei starkem Schneefall wird

auf das Stellen mancher Weichen verzichtet, um keine vollständige Streckenblo-

ckierung zu riskieren. Dadurch wird das Netz sehr viel unflexibler und anfälliger

für Verspätungen.

– Ebenso können Schnee und Eis die Kupplungen moderner Personenverkehr-

Zugkompositionen verstopfen. Dies führt vor allem bei Flügelkonzepten zu Prob-

lemen: Im Flügelkonzept werden Züge aus verschiedenen Richtungen an Knoten-

punkten zu einem einzigen Zug zusammengefasst, welcher dann mit einem Lok-

führer weiterfährt. Bei intakten Kupplungen dauert das Zusammenfügen nur weni-

ge Sekunden, funktioniert es jedoch nicht, entstehen Verspätungen, die vor allem

im dichten Regionalverkehrsfahrplan Problem bereiten.

– An Güterverkehrswagons können die Leitungsanschlüsse vereisen, so dass Prob-

leme beim Rangieren entstehen.

– Auch bei stehenden Zügen kann Schnee Störungen verursachen. Im Winter wer-

den die Züge aus technischen und Komfortgründen in der Nacht geheizt. Dazu

müssen die Stromabnehmer die Fahrleitungen berühren. Wenn grosse Schnee-

mengen oder nasser, schwerer Schnee auf die Stromabnehmer fällt, werden die-

se heruntergedrückt. Dadurch kühlen die Züge aus, was den Komfort für die Fahr-

gäste beeinträchtigt. Im ungünstigsten Fall kann ein Lichtbogen entstehen, wel-

cher die Fahrleitungen durchtrennen kann.

– Vor allem bei Güterzügen kann Schnee bzw. Nässe insbesondere im Zusammen-

hang mit Laub durch die verminderte Adhäsion dazu führen, dass sie Schwierig-

keiten haben Steigungen zu überwinden oder in Steigungen anzufahren.

41 Die Auflistung basiert hauptsächlich auf den in den durchgeführten Interviews gemachten Aussagen. Informationen zu den

Interviewpartnern folgen in Kapitel 4.5.

42 Wie in Kapitel 4.2 beschrieben werden Lawinen aus der Analyse ausgeklammert.

43 Je nach Infrastrukturunternehmen besitzt ein Teil der Weichen noch keine Heizung. Auch kann es in Einzelfällen vorkom-

men, dass die Weicheheizung nicht rechtzeitig eingeschaltet wird, sofern die Einschaltung nicht automatisiert ist.

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72 / 4 Schienenverkehr

– Schnee kann auch Streckenunterbrüche und im alpinen Raum in sehr seltenen

Fällen Entgleisungen verursachen. Allerdings müssen massive Schneeverwehun-

gen, Lawinenkegel oder ähnliches auf den Schienen liegen.

— Starker Regen:

– Starker Regen kann zu Über- oder Unterspülungen von Gleisen führen.

– Regen, vor allem in Verbindung mit Laub oder Staub, vermindert die Schienenad-

häsion. Dies kann bei Güterzügen zu Problemen mit Steigungen führen (analog

zu Schnee).

— Niederschlag im Allgemeinen und Nebel: Bei Regen, Schnee und Nebel die Sicht

für die Lokführer schlechter. Ein Teil der Unternehmen haben angegeben, dass die

Lokführer bei sehr schlechter Sicht langsamer fahren. Die übrigen waren hingegen

der Meinung, die Sicht habe keinen Einfluss, da die Lokführer ohnehin wissen müs-

sen, wo sie Signale zu erwarten haben.

— Sturm: Sturm kann Bäume, Äste oder andere Gegenstände auf die Gleise wehen,

wodurch Streckenblockierungen entstehen. Auch können die Fahrleitungen beschä-

digt werden.

— Blitzschlag: Blitzeinschläge in die elektrischen Anlagen verursachen Kurzschlüsse,

Stromunterbrüche und dadurch Unterbrüche im Zugsverkehr. Dies kommt mit mindes-

tens 20 Ereignissen pro Jahr relativ häufig vor.

Anders als für den Strassenverkehr werden für den Schienenverkehr von öffentlichen und

privaten meteorologische Dienstleistern in der Regel keine standardisierten Spezialpro-

dukte («Schienenwetter») angeboten. Wenn Bahnunternehmen kostenpflichtige meteoro-

logische Dienstleistungen beziehen, handelt es sich in der Regel um Wetterprognosen,

die eine höhere geographische und/oder zeitliche Auflösung haben als die im Internet

gratis verfügbaren Produkte und allenfalls auch detaillierte Angaben zu Niederschlägen,

insbesondere zu Schneemengen enthalten. In den alpinen Regionen spielt auch das La-

winenbulletin des Schweizerischen Instituts für Schnee- und Lawinenforschung eine

wichtige Rolle, das sich seinerseits teilweise auf meteorologischen Informationen ab-

stützt.

4.2 Analyserahmen und Akteure

In der heute üblichen Organisation von Eisenbahnkonzernen sind in Regel die Erbrin-

gung der Verkehrsleistung und der Betrieb der Schieneninfrastruktur getrennt. Die beiden

Bereiche sind entweder in verschiedenen Unternehmenseinheiten oder in unabhängige

Unternehmen angesiedelt. In eine weitere Einheit ausgelagert ist in der Regel der Unter-

halt der Bahnhofsgelände, da hier im Gegensatz zu den Gleisbereichen kein spezifisch

bahntechnisch geschultes Personal benötigt wird.

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Wir haben in unserer Analyse Betreiberinnen von Schieneninfrastruktur sowie Eisen-

bahnverkehrsunternehmen im Güter- und Personenverkehr betrachtet, darunter sowohl

national wie auch europäisch tätige Unternehmen. Berücksichtigt wurden dabei frei zu-

gängliche wie auch kostenpflichtige meteorologische Informationsprodukte, nicht aber

Lawinenprognosen. Extremereignisse wurden grundsätzlich bei der Analyse im Bereich

Schienenverkehr nicht berücksichtigt: Der Fokus der Studie sollte klar auf den häufigen

und alltäglichen Gebrauch von meteorologischer Information gelegt werden. Für die Ana-

lyse der Verwendung und des Nutzens von meteorologischen Informationen während

Krisenereignissen wären ein anderes Vorgehen und eine andere Auswahl von Interview-

partner notwendig gewesen, da relevante Krisenereignisse mehrere Jahre in der Vergan-

genheit liegen können und gleichzeitig nicht nur die Bahnen, sondern auch kommunale

und kantonale Krisenstäbe sowie Polizei- und/oder Feuerwehrkorps etc. eine Rolle spie-

len.

4.3 Wirkungsmodell

Figur 10 zeigt das Wirkungsmodell im Schienenverkehr, welches als Grundlage für die

Analyse und die Auswahl der Interviewpartner gedient hat. Meteorologische Information

kann die Qualität des Netzbetriebes und das Verhalten der Eisenbahnverkehrsunterneh-

men beeinflussen, wobei sich in der Analyse gezeigt hat, dass dies für die Eisenbahnver-

kehrsunternehmen nur bedingt stimmt. Beides hat wiederum Einfluss auf die Schadens-

wahrscheinlichkeit sowie auf die Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit von Personen- und

Güterzügen. In dem Masse, in dem Meteorologie die Schadenswahrscheinlichkeit senkt

und die Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit verbessert, entstehen volkswirtschaftliche Nut-

zen in Form vermiedener Personen- und Sachschäden sowie geringerer Rei-

se(zeit)kosten. Die verbesserte Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit hat auch einen Effekt

auf die Wertschöpfung: Bei mangelnder Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit gehen dem

öffentlichen Verkehr langfristig Passagiere und damit auch Erträge verloren.

Nebst dem indirekten Effekt auf die Wertschöpfung über die Zuverlässigkeit und Pünkt-

lichkeit kann meteorologische Information die Wirtschaftlichkeit von Infrastruktur- und

Eisenbahnverkehrsunternehmen auch direkt verändern, indem der notwendige Ressour-

ceneinsatz und/oder der mögliche Ertrag beeinflusst wird. Da alle Bahnkonzerne oder

-unternehmen in der Schweiz durch den Staat teilfinanziert werden, wirkt sich dies so-

wohl auf die Staatsausgaben wie auch auf die Wertschöpfung aus.

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«Die untersuchten Wirkungen von meteorologischer Information im Schienenverkehr»

Meteorologie Wertschöpfung

Staatsausgaben

Qualität Netzbetrieb

Wirtschaftlichkeitder

Infrastrukturunternehmen

Schadenswahr-scheinlichkeit

ReisekostenVerhalten

Eisenbahnverkehrs-unternehmen

Zuverlässigkeit & Pünktlichkeit

der Züge

Schadenskosten

Wirtschaftlichkeitder Eisenbahnverkehrs-

unternehmen

econcept

Figur 10: Wirkungsmodell Schienenverkehr

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4.4 Der Schienenverkehr in der Schweiz

Im Schienenverkehr können Unternehmen mit den folgenden Tätigkeiten unterschieden

werde:

— Personentransport auf der Schiene (Eisenbahnverkehrsunternehmen)

— Gütertransport auf der Schiene (Eisenbahnverkehrsunternehmen)

— Bereitstellung und Betrieb von Schieneninfrastruktur (Infrastrukturunternehmen/-

einheiten)

Vielfach sind alle drei Tätigkeiten in einem Konzern zusammengefasst, wobei aber in der

Regel jeder der drei Bereiche in eigenständigen Unternehmenseinheiten oder auch selb-

ständigen Tochterunternehmen angesiedelt ist. Auch existieren reine Eisenbahnver-

kehrsunternehmen, die keine eigene Schieneninfrastruktur besitzen.

Unternehmen Vollzeitäquivalente

Anzahl Anteil Anzahl Anteil

Micro (bis 9 Mitarbeitende) 5 25% 20 0%

Kleine (10-49 Mitarbeitende) 5 25% 107 2%

Mittlere (50-249 Mitarbeitende) 8 40% 1'029 20%

Grosse (ab 250 Mitarbeitende) 2 10% 3'920 77%

Total 20 100% 5'076 100%

Tabelle 23: Struktur der Gütertransportbranche auf der Schiene. Unternehmen mit und ohne Infrastruktur. Quelle: BFS Betriebszählung 2008, NOGA-Code 492000 «Güterbeförderung im Eisenbahnver-kehr». Diese Kategorie umfasst alle Arten von Güterbeförderung auf der Schiene einschliesslich Postsendungen von in- und ausländischen Anbietern.

Unternehmen Vollzeitäquivalente

Anzahl Anteil Anzahl Anteil

Micro (bis 9 Mitarbeitende) 4 24% 12 0%

Kleine (10-49 Mitarbeitende) 4 24% 119 0%

Mittlere (50-249 Mitarbeitende) 5 29% 592 2%

Grosse (ab 250 Mitarbeitende) 4 24% 23'914 97%

Total 17 100% 24'637 100%

Tabelle 24: Struktur der Personentransportbranche im Fernverkehr auf der Schiene. Unternehmen mit und ohne Infrastruktur. Quelle: BFS Betriebszählung 2008, NOGA-Code 491000 «Personenbeförde-rung im Eisenbahnfernverkehr». Diese Kategorie umfasst Personenbeförderung einschliesslich mitgeführter Gegenstände (Fahrzeuge, Gepäck, Tiere) auf der Schiene ohne Nahverkehr. Nah-verkehr ist definiert als der Verkehr, dessen Ausgangs- und Zielpunkt sich innerhalb eines Stadt-gebiets oder innerhalb eines die Nachbarstädte umfassenden Ballungsraums befindet.

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76

Tabelle 23 und Tabelle 24 zeigen die Struktur der Branchen «Gütertransport auf der

Schiene» und «Personentransport im Fernverkehr auf der Schiene» in der Schweiz, wo-

bei die Tabellen Unternehmen mit und ohne Infrastruktur enthalten. Zwar existieren mehr

Gütertransportunternehmen als Personentransportunternehmen, jedoch zeigt ein Blick

auf die Vollzeitäquivalente, dass die «Big Player» in der Gütertransportbranche wesent-

lich kleiner sind als bei den Personentransportunternehmen, trotzdem aber ebenso domi-

nierend.

Bei Tabelle 23 und Tabelle 24 ist zu beachten, dass die Unternehmen in der Betriebszäh-

lung jeweils entsprechend ihrer Haupttätigkeit codiert werden. Die RhB beispielsweise

transportiert auch Güter auf der Schiene, ihre Haupttätigkeit ist aber der Personenver-

kehr. Auch ist sie kein Konzern, sondern ein Unternehmen mit mehreren Geschäftsberei-

chen. Folglich wird sie in der Betriebszählung der Personentransportbranche zugeordnet.

Bei der BLS hingegen ist der Güterverkehr innerhalb des BLS-Konzerns im Tochterunter-

nehmen BLS Cargo ausgegliedert. Dementsprechend taucht der BLS-Konzern sowohl als

Personentransportunternehmen als auch als Gütertransportunternehmen in der Betriebs-

zählung auf.

Figur 11 liefert einen Überblick zu den Eisenbahn-Infrastrukturunternehmen in der

Schweiz. Das grösste Netzt betreibt die SBB, gefolgt von der vor allem im Grossraum

Bern und im Alpenverkehr tätigen BLS und der RhB. Daneben existiert noch eine Vielzahl

meist regional tätiger, kleinerer Bahnen mit eigener Schieneninfrastruktur.

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/ 77

Figur 11: Eisenbahnschienennetz Schweiz. Quelle: Informationsdienst für den öffentlichen Verkehr. .litra.ch/Allgemeine_Daten.html, August 2010.

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78 / 4 Schienenverkehr

Von den drei grossen Schweizer Bahnkonzernen SBB, BLS und RhB ist die RhB als

Schmalspurbahn ausschliesslich auf ihrem eigenen Netz tätig. Die Eisenbahnverkehrsun-

ternehmen der SBB und der BLS fahren auch auf Schienennetzen, die nicht ihren eige-

nen Infrastruktureinheiten gehören. Besonders für die BLS ist der europäische alpenque-

rende Güterverkehr ein wichtiges Tätigkeitsfeld. Generell betreiben SBB und die BLS

sowohl interregionalen Fernverkehr wie auch regionale Verbindungen, während das

Kerngeschäft der RhB die Erschliessung des Kantons Graubünden ist. Bei der Zusam-

mensetzung der Verkehrserträge widerspiegelt sich diese unterschiedliche Ausrichtung:

Während die BLS rund die Hälfte ihrer Verkehrserträge (ohne Bus und Schiff) mit dem

Gütertransport erzielt, trägt der Gütertransport bei SBB und RhB mit 26% bzw. 17% ver-

gleichsweise wenig zum Gesamtertrag bei (Tabelle 25).

SBB BLS RhB

Mio. CHF Anteil(1) Mio. CHF Anteil(1) Mio. CHF Anteil(1)

Personenverkehr 2’587.2 74% 124.8 42% 90.5 72%

Güterverkehr 890.3 26% 145.5 49% 21.1 17%

Autoreiseverkehr - 26.3 9% 13.7 11%

Tabelle 25: Erträge der Bahnunternehmen 2009 ohne Bus und Schiff. Quellen: Geschäftsberichte SBB, BLS, RhB 2009. (1) Anteil an Verkehrserträgen

4.5 Übersicht zu den Befragungen

Tabelle 26 zeigt die betrachteten Akteurgruppen Personentransport, Gütertransport und

Betrieb Schieneninfrastruktur und die Anzahl der innerhalb der Gruppe befragten Unter-

nehmen.

Akteurgruppe Anzahl Unternehmen Anzahl befragte Unternehmen(1)

Personentransport 17 3

Gütertransport 20 3

Betrieb Schieneninfrastruktur 63 3

Tabelle 26: Übersicht zu den im Bereich Strassenverkehr befragten Unternehmen bzw. staatlichen Leistungs-erbringende. Quellen: Betriebszählung BFS 2008. (1) Insgesamt wurden 7 Interviews geführt, wobei aber einige Interviewpartner zu mehreren Berei-chen (Personenverkehr, Güterverkehr, Eisenbahn-Infrastruktur) Auskünfte geben konnten.

Wie oben beschrieben sind alle drei Akteurgruppen stark von den drei grossen SBB, BLS

und RhB dominiert. Diese drei Unternehmen wurden alle in die Analyse mit einbezogen.

Zusätzlich wurden zwei Gütertransportunternehmen ohne eigene Infrastruktur betrachtet.

Insgesamt wurden so sieben Gespräche geführt, die sich auf die zwei Eisenbahnkonzer-

ne SBB und BLS sowie auf zwei Eisenbahnverkehrsunternehmen, darunter auch die

RhB, aufteilen. Von den zwei Eisenbahnverkehrsunternehmen besitzt nur die RhB ein

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/ 79

eigenes Schienennetz. Zusätzlich wurde ein Unternehmen in die Analyse einbezogen,

welches als Operator von Bahntransporten im kombinierten europäischen Verkehr tätig

ist.44

4.6 Eisenbahnkonzerne und -unternehmen mit eigener Infrastruktur

4.6.1 Arbeitsweise und der Einfluss des Wetters – Aussagen der befragten

Unternehmen

Die betrachten Bahnkonzerne/-unternehmen SBB, BLS und RhB betreiben alle ein eige-

nes Netz und sind sowohl im Personen- als auch im Güterverkehr tätig. Der Personen-

verkehr beschränkt sich dabei weitgehend auf die Schweiz, SBB und BLS bieten in Ko-

operationen mit anderen europäischen Anbietern jedoch auch Gütertransportleistungen

im europäischen Raum an. Die RhB fährt als Schmalspurbahn ausschliesslich auf ihrem

eigenen Netz, die SBB und die BLS nutzen den freien Netzzugang.

Alle drei Bahnbetreiber sind unterschiedlich organisiert. Gemeinsamkeiten sind jedoch

die im Folgenden beschriebenen Stellen, auch wenn sie innerhalb des Unternehmens

nicht zwingend in der gleichen Organisationseinheit angesiedelt sind:

— Betrieb / Leitstelle: Der Betrieb auf dem Schienennetz wird durch eine zentrale und

je nach Grösse des Netzes zusätzlich durch regionale Leitstellen gesteuert. Die Leit-

stellen werden entweder im 24h-Betrieb oder mit nächtlichen Unterbrüchen von rund

4h betrieben. Sie koordinieren den laufenden Betrieb und müssen gegebenenfalls auf

Störungen reagieren und die entsprechend zuständigen Stellen aufbieten.

— Infrastruktur: Hier sind in der Regel eine oder mehrere Abteilungen angesiedelt, die

für den baulichen und betrieblichen Unterhalt des Schienennetzes zuständig sind,

wobei dies auch Fahrleitungen und elektrische Anlagen einschliesst. Diese sind für

die Beseitigung wetterbedingter Störungen und auch für den Winterdienst zuständig.

Die Infrastrukturmannschaften sind an dezentralen Standorten angesiedelt. Die für

die Standorte zuständigen Bahnmeister tragen die Verantwortung für die Einsatzpla-

nung und -durchführung. Die ausserplanmässigen Einsätze zur Behebung von Stö-

rungen oder für den Winterdienst werden durch die zentrale Leitstelle oder im Falle

der SBB aufgrund der Grösse des Streckennetzes durch regionale Störungsmanager

ausgelöst. Bei der SBB gibt die Leitstelle allerdings verbindliche Bereitschaftsgrade

für die Winterdienstmannschaften aus, um im gesamten Netz denselben Qualitäts-

standard zu erreichen.

44 Operatoren bieten Transportdienstleistungen von der Abholung bis zur Lieferung von Waren mit allen verbundenen Tätig-

keiten an, wobei sie ja nach Bedarf auf die Dienstleistungen verschiedener anderer Unternehmen zugreifen. Operatoren

von Bahntransporten im kombinierten Verkehr organisieren den Transport zwischen den Verladeterminals, wo Waren von

Strassentransportfahrzeugen auf Bahnwagons umgeladen werden.

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80 / 4 Schienenverkehr

Die auf den Gleisen tätigen Arbeiter der Infrastrukturabteilungen arbeiten nicht im

24h-Betrieb. Wenn Einsätze in der Nacht notwendig sind, müssen die Arbeiter aus

dem Pikett oder dem freiwilligen Bereitschaftsdienst aufgeboten werden. Am nachfol-

genden Tag werden die Dienstzeiten reduziert, damit die notwenigen Ruhezeiten ein-

gehalten werden können. Die Bahnmeisterbezirke arbeiten teilweise im 24h-Betrieb,

teilweise werden die Bahnmeister ausserhalb der normalen Arbeitszeiten im Bedarfs-

fall von der Leitstelle aus dem Pikett aufgeboten.

Für die Bahnen ist das Wetter vor allem insofern relevant, als dass es Störungen und

damit Verspätungen im normalen Betrieb verursachen kann (vgl. die Auflistung in Kapitel

4.1). Nur zwei Eisenbahnverkehrsunternehmen konnten den Anteil der wetterbedingten

Störungen basierend auf statistischen Erhebungen angeben: 2% bzw. 10% aller Störun-

gen waren in den letzten Jahren wetterbedingt. Die Interviewpartner, die den Anteil auf

Basis ihrer subjektiven Erfahrungswerte angaben, haben höhere Werte genannt. Dies

mag daran liegen, dass gemäss der Statistik eines der befragten Unternehmen rund 15%

aller Verspätungsminuten wetterbedingten Störungen zugeordnet wurden. Folglich sind

wetterbedingte Störungen selten, verursachen aber einen überproportionalen Anteil der

Verspätungsminuten.

In den Touristenregionen kann besonders attraktives Wetter zusätzlich zu Kapazitäts-

engpässen führen. Die Eisenbahnverkehrsunternehmung versucht in der Regel, diese zu

antizipieren und soweit möglich mit zusätzlichem Rollmaterial aufzufangen.

4.6.2 Verwendung von meteorologischen Informationen – Aussagen der befragten

Unternehmen

Normaler Betrieb

Alle drei betrachteten Bahnkonzerne/-unternehmen verwenden in ihren betrieblichen Pro-

zessen regelmässig meteorologische Informationen. Dabei handelt es sich in zwei Fällen

ausschliesslich um gratis verfügbare Wetterprognose-Produkte, im dritten Fall auch um

kostenpflichtige Prognosen. Bei allen Unternehmen liegt das Hauptinteresse auf der

Prognose von Schneeniederschlagsmengen.

Die SBB verwendet meteorologische Informationen vor allem für den Winterdienst, um

Bereitschaftsgrade festzulegen. Diese dienen in erster Linie als Informations- und Quali-

tätssicherungsinstrument gegenüber den regionalen Störungsmanagern, welche den

effektiven Zeitpunkt der Winterdiensteinsätze festlegen und das Personal entsprechend

einteilen. Die Personalkapazitäten werden aufgrund der Wetterprognosen nicht variiert,

das vorhandene Personal kann sich jedoch dank der Prognosen frühzeitig an die Ein-

satzorte begeben.

Bei der BLS werden meteorologische Informationen vor allem dazu verwendet, präventi-

ve Massnahmen gegen schneebedingte Behinderungen zu ergreifen: Auf den Kupplun-

gen der Züge muss ein Schneeschutz montiert werden und der Kontrollrhythmus für die

stehenden Züge wird erhöht. Die Schneeräumung wird hingegen nicht aufgrund von Wet-

terprognosen, sondern aufgrund von Meldungen durch Lokführer, Streckenwärter und

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/ 81

Fahrdienstleiter ausgelöst, folglich also aufgrund der aktuellen Situation auf den Stre-

cken.

Beim Winterdienst gilt es zu beachten, dass eine eigentliche Räumung des Streckennet-

zes in den nicht-alpinen Regionen mit Pflügen allenfalls morgens notwendig sein kann,

dies ist jedoch selten der Fall. Geringe Schneemengen werden durch den Zugsverkehr

verwirbelt. Den ganzen Tag über müssen aber nicht geheizte Weichen sowie Bahnüber-

gänge gereinigt und/oder enteist werden. Im alpinen Raum auf Bergstrecken, besonders

wenn während der Nacht längere Fahrpausen vorkommen, müssen morgens die Stre-

cken mit einem Pflug geräumt werden. Bei grossen Schneemengen oder Schneeverwe-

hungen werden Schneeschleudern eingesetzt.

Von allen betrachteten Akteuren im Schienenverkehr sind meteorologische Informationen

für die RhB am relevantesten. Aufgrund der topographischen Gegebenheiten des Kan-

tons Graubünden muss sie bei weitem am meisten Schnee auf ihrem Schienennetz räu-

men und ist das einzige der befragten Unternehmen, welches regelmässig nicht nur Pflü-

ge, sondern auch Schneeschleudern einsetzt. Dementsprechend verwendet die RhB die

Prognosen, um ihr Personal rechtzeitig für die Schneeräumeinsätze einzuteilen oder über

eine wahrscheinliche Aufbietung zu informieren. Schneeprognosen werden auch als Ba-

sis für den Entscheid zu künstlichen Lawinenauslösungen oder Streckensperrungen he-

rangezogen.

Touristische Nutzung der Bahnen

Die beiden stark touristisch genutzten Bahnen BLS und RhB haben beide angegeben,

dass für die Disposition der Züge und die Ausgestaltung der Kapazitäten der Kalender

grundsätzlich wichtiger ist als meteorologische Informationen. Während der Tourismus-

saison und der Ferienzeiten werden die Kapazitäten grundsätzlich hochgefahren. Zusätz-

lich werden die Kapazitäten bei sehr guten Schneebedingungen nochmals leicht angeho-

ben, wobei aber nach Aussage beider Unternehmen die Pistenberichte entscheidender

sind als die Wetteraussichten. Relevant sind die Wetterprognosen vor allem bei extrem

schönem Wetter ausserhalb der der normalen Saison, wenn die Kapazitäten bereits auf

Nebensaison eingestellt sind, aber schönes Wetter sehr viele Tagesausflügler mit sich

bringt.

Extremereignisse

Gemäss der Aussagen aller befragten Bahnkonzerne/-unternehmen steigt in durch Na-

turereignisse ausgelösten Extremsituationen wie Überschwemmungen, Erdrutschen oder

hoher Lawinengefahr der Stellenwert der Wetterprognosen stark an. Einerseits aus Si-

cherheitsgründen, andererseits weil in solchen Situationen die noch zu erwartende Dauer

das Ausnahmezustandes relevant ist für die Personalplanung. Allerdings kommen in die-

sen Fällen mit kommunalen oder kantonalen Krisenstäben weitere Akteure hinzu, wo-

durch die Beurteilung der Bedeutung von meteorologischen Prognosen deutlich komple-

xer wird. Auch beruht die Beurteilung von Lawinen- oder Überschwemmungssituationen

auf einer Vielzahl von Indikatoren, von denen meteorologische Informationen nur ein Teil

sind. Wie schon in Kapitel 4.2 dargestellt, wird aus diesen Gründen im Rahmen des vor-

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82 / 4 Schienenverkehr

liegenden Projektes die volkswirtschaftliche Bedeutung von meteorologischen Informati-

onen im Verkehr im Zusammenhang mit Lawinen, Überschwemmungen und Erdrutschen

nicht behandelt und deswegen auch in den folgenden Kapiteln nicht wieder aufgenom-

men.

4.6.3 Wirkung auf die Wirtschaftlichkeit – Aussagen der befragten Unternehmen

Über die Auswirkung von meteorologischen Informationen auf die Wirtschaftlichkeit ha-

ben wir unterschiedliche Aussagen erhalten.

SBB und BLS waren der Meinung, dass ein betriebswirtschaftlicher Nutzen vorhanden

sei, dieser aber als marginal eingestuft werden muss. Würden meteorologische Informa-

tionen fehlen, wäre dies aus Sicht des einen Unternehmens mit minimalen Anpassungen

der betrieblichen Abläufe zu bewältigen, die für das Betriebsergebnis kaum relevant sei-

en. Das andere Unternehmen sah sich nicht in der Lage einzuschätzen, wie viele zusätz-

lichen Ressourcen durch das Fehlen der Wetterprognosen benötigt würden, war aber der

Ansicht, dass das Fehlen nicht im Betriebsergebnis, sondern eher bei der Qualität spür-

bar wäre (vgl. Kapitel 4.6.4).

Anders wurde das Fehlen von Wetterprognosen durch die RhB Infrastruktur bewertet, die

wie oben beschrieben aufgrund der topographischen Gegebenheiten ungleich stärker als

BLS und SBB mit Schnee konfrontiert ist. Die Strecken der RhB liessen sich ohne Wet-

terprognosen nur mit einem deutlichen höheren Aufwand so zuverlässig offen halten wie

dies heute der Fall ist. Der zusätzliche Aufwand wäre vor allem durch Falschauslösungen

von Winterdiensteinsätzen bedingt, die heute weitgehend vermieden werden können. Die

Mehraufwendungen ohne verlässliche Prognosen werden von den Verantwortlichen sehr

grob auf CHF 0.25 Mio. geschätzt, wenn die Strecken gemäss dem heute vorhandenen

Standard offen gehalten werden sollen.

4.6.4 Wirkung auf die Qualität der Leistungserbringung – Aussagen der befragten

Unternehmen

Auch zur Wirkung der meteorologischen Informationen auf die Qualität der Leistungs-

erbringung waren die Angaben unterschiedlich.

Bei der RhB wäre ohne Wetterprognosen und ohne den Einsatz zusätzlicher Mittel von

einem spürbaren Qualitätsrückgang auszugehen, da die rechtzeitige Schneeräumung je

nach Wetterverhältnissen und Schneemengen für die Offenhaltung der Strecken relevant

ist. Auch ist das Netz der RhB überwiegend eingleisig, so dass sich Verzögerungen deut-

lich stärker auswirken als auf den zweigleisigen Strecken von SBB und BLS.

Die Auswirkungen bei der SBB und der BLS wären deutlich geringer. Der eine Konzern

sieht kaum Auswirkungen, der andere geht von einer Zunahme von Verspätungen an

Tagen mit starkem Schneefall in der Grössenordnung von 3 bis 10 Minuten aus.

Keines der drei Unternehmen konnte die hypothetische Zunahme von Verspätungsminu-

ten oder die Zunahme der Anzahl verspäteter Züge quantifizieren.

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/ 83

4.7 Eisenbahnverkehrsunternehmen ohne eigene Infrastruktur

4.7.1 Arbeitsweise und der Einfluss des Wetters – Aussagen des befragten

Unternehmens

Nebst den Eisenbahnverkehrsunternehmen mit eigener Infrastruktur wurde auch ein Eis-

bahnverkehrsunternehmen ohne eigene Infrastruktur in die Analyse mit einbezogen, wel-

ches Gütertransportdienstleistungen in der Schweiz und im grenznahen Ausland anbie-

tet. Das Unternehmen hat kein eigenes Rollmaterial, sondern kauft dieses inklusive Per-

sonal bei anderen Bahnverkehrsunternehmen ein. Sein Kerngeschäft ist dementspre-

chend die Disposition. Der Einzelwagenladungsverkehr bewegt sich dabei in einem rela-

tiv starren, fahrplanähnlichem System, da die einzelnen Wagen oder Kompositionen von

verschiedenen Versendern an den Sammelbahnhöfen zusammengefasst werden müs-

sen. Beim Ganzzugsverkehr kann etwas besser auch auf spontane Kundenwünsche ein-

gegangen werden. Grundsätzlich hat aber der getaktete Personenverkehr immer Vorrang

vor dem Güterverkehr.

Obwohl es keine eigene Infrastruktur besitzt, wird das Unternehmen ebenfalls durch die

in Kapitel 4.1 aufgeführten Wetterereignisse beeinträchtigt. Besonders häufig müssen

Massnahmen wegen durch Laubfall und Nässe reduzierter Adhäsion ergriffen werden. In

diesen Fällen werden zusätzliche Loks eingesetzt, entweder auf der ganzen Strecke oder

punktuell bei Steigungen. An vier bis fünf Tagen pro Jahr treten Probleme wegen

Schneefall auf: Mit Schnee gefüllte oder gefrorene Weichen verursachen Verspätungen

und vereiste Leitungsanschlüsse machen Probleme beim Rangieren. Ein bis zweimal pro

Jahr führen Stürme zu beschädigten Fahrleitungen oder anderen Einschränkungen.

Insgesamt ist das Wetter beim befragten Gütertransportunternehmen ohne eigene Infra-

struktur für schätzungsweise 20 bis 25% aller auftretenden Störungen verantwortlich.

4.7.2 Verwendung von meteorologischen Informationen – Aussagen des befragten

Unternehmens

Obwohl das Wetter die Arbeit des befragten Unternehmens relativ stark beeinflusst, ver-

wendet es keine meteorologischen Informationen. Zum einen seien Wetterereignisse und

Störungen zu wenig stark an einander gebunden: Schnee und Stürme können, müssen

jedoch nicht zu Behinderungen führen. Dies hängt einerseits von der genauen Ausprä-

gung und dem Ort des Auftretens ab, andererseits vom Verhalten der Infrastrukturbetrei-

ber. Aus diesem Grund lohnen sich Präventivmassnahmen und die Nutzung meteorologi-

scher Informationen nicht.

Die durch Laub verursachten Adhäsionsprobleme lassen sich auf Basis der Wetterprog-

nosen allein ohnehin nicht antizipieren, so dass auch hier der Zusammenhang von Wet-

tervorhersage und Störung nicht direkt gegeben ist.

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84 / 4 Schienenverkehr

4.8 Kombinierter Verkehr

4.8.1 Arbeitsweise und der Einfluss des Wetters – Aussagen des befragten

Unternehmens

Das befragte Unternehmen ist als Operator im kombinierten europäischen Verkehr tätig.

Beim kombinierten Verkehr wird der Hauptlauf zwischen den Verladeterminals, in denen

Waren von LKW auf Eisenahnwagons umgeladen werden, auf der Schiene durchgeführt.

Der Vor- und Nachlauf vom Versender zum Quellterminal und vom Zielterminal zum

Empfänger wird über die Strasse durchgeführt. Dies lohnt sich vor allem für Distanzen im

europäischen Raum, teilweise aber auch für kürzere Strecken, wenn mit dem so genann-

ten «Nachtsprung» die Waren trotz Nachtfahrverbot der LKW weitertransportiert werden

können.

Das von uns interviewte Unternehmen betreibt einerseits eigene Terminals, auch in der

Schweiz, und bietet andererseits Transportdienstleistungen von Terminal zu Terminal an,

wobei der eigentliche Transport wiederum an Eisenbahnverkehrsunternehmen ausgela-

gert wird. Die Kunden sind in der Regel ebenfalls Transportunternehmungen, die ihrer-

seits für die Anlieferung an den Quell- und die Abholung der Waren vom Zielterminal

verantwortlich sind.

Wetterereignisse sind für rund 10% aller Störungen des normalen Betriebes verantwort-

lich, wobei Schnee und Sturm die häufigsten Störungsverursacher sind. Seltener sind

Überschwemmungen und Erdrutsche. Diese Zahlen beziehen sich auf den gesamten

europäischen Raum, schliessen also auch Stürme an Nordsee- und Atlantik ein, wo Wa-

ren von Schiffen auf die Schiene verladen werden.

4.8.2 Verwendung von meteorologischen Informationen – Aussagen des befragten

Unternehmens

Das befragte Unternehmen verwendet frei zugängliche Wetterprognosen. Diese werden

aber in erster Linie dazu verwendet, die Kunden in Newslettern darauf hinzuweisen, dass

wetterbedingte Störungen auftreten könnten. Des Weiteren können sich die Disponenten

dank der Prognosen auf eventuelle wetterbedingte Schwierigkeiten einstellen, proaktive

Massnahmen werden aber nicht ergriffen.

4.8.3 Wirkung auf die Wirtschaftlichkeit – Aussagen des befragten Unternehmens

Wie auch beim anderen befragte Gütertransportunternehmen werden auf Basis von Wet-

terprognosen keine proaktiven Massnahmen ergriffen, sondern es wird erst gehandelt,

wenn die Störungen tatsächlich auftreten. Der Grund ist auch hier, dass Wetterprognosen

und Störungen sowie Wetterereignisse und Störungen nicht deutlich genug miteinander

verknüpft sind. Auch wenn ein Orkan vorausgesagt ist, bleibt unklar, ob und wo genau

Streckenblockierungen auftreten und wie schnell diese wieder behoben sein werden.

Ebenso kann Schnee zu Behinderungen führen, muss aber nicht. Hinzu kommt auch hier,

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/ 85

dass die Infrastrukturbetreibenden einen wesentlichen Einfluss auf die Dauer der Störung

haben. Aus diesem Grund haben meteorologische Informationen keinen Einfluss auf die

Wirtschaftlichkeit des befragten Unternehmens.

4.8.4 Wirkung auf die Qualität der Leistungserbringung – Aussagen des befragten

Unternehmens

Die Verwendung von Wetterprognosen beeinflusst die Qualität der Leistungserbringung

des befragten Unternehmens nur insofern, als dass die Kunden frühzeitig über mögliche

Störungen informiert werden. Da wie unter 4.8.3 beschrieben aus betriebswirtschaftlichen

Gründen bei wetterbedingten Störungen nur reaktiv und nicht proaktiv gehandelt wird,

wirkt sich die Verwendung von Wetterprognosen nicht weiter auf die Qualität der Leis-

tungserbringung aus.

4.9 Schadensvermeidung durch meteorologische Information

Von allen befragten Eisenbahnverkehrsunternehmen und -Infrastrukturunternehmen hat

nur die RhB angeben, dass Wetterprognosen helfen, dass Unfallrisiko gering zu halten.

Ohne Prognosen könnten die Lokführer weniger gut vor Lawinen und Murgängen gewarnt

werden. Zusätzlich würden tendenziell mehr Entgleisungen durch das Auffahren in

Schneeverwehungen auftreten. Eine Quantifizierung der durch heute durch Wetterprog-

nosen vermiedenen Schäden war jedoch nicht möglich.

4.10 Würdigung

Die Interviews mit den verschiedenen Unternehmen haben gezeigt, dass für die Erfas-

sung des Nutzens von meteorologischen Informationen zwischen Bahnen in verschiede-

nen geographischen Lagen unterschieden werden muss: Verwendung und Nutzen von

Wetterprognosen unterscheidet sich deutlich zwischen alpinen und nicht-alpinen Regio-

nen. In beiden Fällen sind es jedoch in erster Linie die Infrastrukturabteilungen bzw.

-betreiberinnen, welche meteorologische Informationen nutzen. Für die Eisenbahnver-

kehrsunternehmen im Personen- oder Güterverkehr lohnt sich die Auslösung von (Prä-

ventiv-)Massnahmen aufgrund von Wetterprognosen in der Regel nicht.

Nicht-alpine Regionen

Der Grossteil des Schweizer Schienennetzes liegt in nicht-alpinen Regionen. Mit einer

Ausnahme nutzen alle im nicht-alpinen Raum tätigen Eisenbahnverkehrs- und Infrastruk-

turunternehmen meteorologische Informationen, meist in Form von frei zugänglichen

Prognosen im Internet. In einem Fall ist ein kostenpflichtiges Produkt abonniert. Die

volkswirtschaftlichen Nutzen müssen in nicht-alpinen Regionen aber als gering eingestuft

werden:

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86 / 4 Schienenverkehr

— Für den Personen- und Gütertransport werden Wetterprognosen zwar durch die

Disponenten und die Leitstellen genutzt. Entweder werden aber aus betriebswirt-

schaftlichen Gründen keine proaktiven Massnahmen aufgrund der Wetterprognosen

ergriffen, oder aber die betrieblichen Abläufe könnten mit minimalem zusätzlichen

Aufwand an eine Situation ohne Prognosen angepasst werden. Über die resultieren-

den Qualitätseinbussen sind sich die Unternehmen nicht einig, in jedem Fall sind die-

se aber gering. Die Meinungen reichen von «keine Auswirkungen» bis zu häufigeren

Verspätungen an Tagen mit grossflächigem, sehr starkem Schneefall von drei bis

zehn Minuten.

— Im Infrastrukturbereich ist der Nutzen der meteorologischen Information ebenfalls

gering. Bei Unwettern und Stürmen sind die Wetterprognosen und die Notwendigkeit

der Einsätze nicht eng genug verknüpft: Es ist zum Beispiel nicht vorhersehbar, ob

und wo genau im Falle von Unwettern Bäume auf die Schiene fallen. Im Bereich des

Winterdienstes hängt der Nutzen der Prognosen von der konkreten Arbeitsweise der

Unternehmen ab. Unternehmen, welche die Winterdiensteinsätze ohnehin nur auf-

grund der Situation auf den Strecken auslösen, welche so gut wie rund um die Uhr

von Lokführer und Streckenwärtern gemeldet werden kann, ziehen keinen Nutzen aus

den Wetterprognosen. Unternehmen, welche die Wetterprognosen nutzen, um das

Personal in Bereitschaft zu versetzten, haben einen Nutzen, aber auch bei diesen

Unternehmen erfolgt der effektive Einsatz aufgrund der Situationen auf den Strecken.

Da das betreffende Personal nicht ausschliesslich für den Winterdienst eingesetzt

wird, konnte der Nutzen der frühzeitigen Bereitschaftsauslösung vom betreffenden

Bahnunternehmen nicht quantifiziert werden.

Insgesamt lässt sich sagen, dass das Bahnsystem in den nicht-alpinen Regionen der

Schweiz sehr viel weniger sensibel auf Schnee, Eis, Starkregen und Stürme reagiert als

das Strassennetz. Gleichzeitig ist, ausser bei Schnee, sehr schwierig vorauszusehen, ob

und wo genau Störungen des Fahrbetriebes auftreten. Deswegen ist plausibel, dass auf

Wetterprognosen abgestütztes Handeln zur Verhinderung des Auftretens von wetterbe-

dingten Störungen nicht notwendig oder nicht möglich ist.

Alpine Regionen, insbesondere Bergstrecken

Anders als in den nicht-alpinen Regionen haben Wetterprognosen für Bahnen, die alpine

Landschaften und insbesondre Bergstrecken bedienen, einen grösseren Nutzen. Dies ist

durch die Topographie, die grösseren Schneemengen und die stärkeren Winde bedingt,

welche dazu führen, dass zur Offenhaltung der Strecken vor dem ersten Zug sehr häufig

die Räumung mit Pflügen oder Schneeschleudern notwendig ist. Von den im Rahmen

dieser Studie befragten Unternehmen gilt dies nur für die RhB. Zusätzlich ist während der

Nacht nicht wie auf den Strecken anderer Bahnen ohnehin regelmässig Personal unter-

wegs, welches die Schneesituation melden könnte. Die Planung der Räumungseinsätze

erfolgt deswegen auf Basis der prognostizierten Schneemengen.

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4.11 Zusammenfassung

Tabelle 27 fasst die Ergebnisse für den Bereich Schienenverkehr zusammen. Für die

Verwendung und den Nutzen von meteorologischen Informationen ist einerseits ent-

scheidend, ob ein Bahnunternehmen eine eigenen Schieneninfrastruktur besitzt, da wet-

terbedingte Betriebsstörungen zum Grossenteil die Schieneninfrastruktur und nicht das

Rollmaterial betreffen.45 Andererseits ist entscheidend, wie stark das Bahnunternehmen

mit grossen Schneemengen und allenfalls Lawinen konfrontiert ist. Dies hängt in der

Schweiz davon ab, ob es im alpinen oder nicht alpinen Raum tätig ist.

Volkswirtschaftlicher Nutzen, welcher der Akteur/die Akteurgruppe durch die

Verwendung von meteorologischen Informationen bewirkt

Nutzendimension [Mio. CHF/a]

Akteur(gruppe)

Vermiedene Staatsausgaben

Zusätzliche Wertschöpfung

Vermiedene Schadenskosten

Vermiedene individuelle Rei-sezeiten

Eisenbahnkonzerne- & unter-nehmen mit eigener Infrastruk-tur

Nicht-alpine Regionen Gering, nicht quantifizierbar

Gering, nicht quantifizierbar

Kein Effekt Nicht einschätzbar, nicht quantifizierbar

Alpine Regionen 0.14 - 0.18 0.17 - 0.22 Nicht einschätzbar, nicht quantifizierbar

Hoch, nicht quanti-fizierbar

Eisenbahnverkehrsunternehmen ohne eigene Infrastruktur

Kein Effekt Kein Effekt Kein Effekt Nicht einschätzbar, nicht quantifizierbar

Kombinierter Verkehr Kein Effekt Kein Effekt

Summe der quantitativ fass-baren Effekte

0.14 - 0.18 0.17 - 0.22 - -

Tabelle 27: Übersicht zu den Ergebnissen im Bereich Schienenverkehr während des normalen Fahrbetriebes. Die Ergebnisse gelten nicht während meteorologischer Extremereignisse wie grossflächige Erd-rutsch- oder Lawinengefahrgefahr sowie Überschwemmungssituationen Die Angaben zur Ein-schätzbarkeit und Quantifizierbarkeit beziehen sich immer auf die in der vorliegenden Studie an-gewendete Methodik.

Staatsausgaben und Wertschöpfung

In nicht-alpinen Regionen hat meteorologische Information keinen Einfluss auf die Wirt-

schaftlichkeit von Bahnkonzernen oder -unternehmen und damit auch keine Auswirkun-

gen auf die Ausgaben der öffentlichen Hand oder auf die Wertschöpfung. Bei der im alpi-

nen Raum tätigen RhB lässt sich hingegen feststellen, dass der Betriebsaufwand durch

das Fehlen von meteorologischer Information im Vergleich zu heute sehr grob geschätzt

um ca. 0.25 Mio. CHF/a steigen würde, sollten alle Strecken gemäss dem heutigen Stan-

dard offen gehalten werden. Dies ist im Verhältnis zum gesamten Betriebsaufwand der

RhB von rund 300 Mio. CHF/s relativ wenig.

45 Zwar muss das Rollmaterial bei Frost und Schneefall teilweise anders gewartet werden, jedoch kann dies im Winter stan-

dardmässig und ohne die Hilfe von meteorologischen Informationen in die betrieblichen Abläufe integriert werden. Schnee-

räumen oder das Heizen von Weichen ist hingegen erst im Ereignisfall möglich. Werden trockene Weichen geheizt, trock-

net das Schmiermittel aus und die Weichen verklemmen.

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88 / 4 Schienenverkehr

Die RhB ist nicht die einzige Bahn im alpinen Raum. Nebst dem von ihr befahrenen Stre-

ckennetz, das 384 Streckenkilometer umfasst, liegen in der Schweiz noch mindestens

418 weitere Bahnstreckenkilometer in ähnlichen Höhenlagen wie das Netz der RhB, die

von mehreren kleineren Bahnunternehmen befahren werden.46 Die Angaben der RhB

lassen sich jedoch nicht eins zu eins auf andere alpine Bahnen übertragen47, da der für

die Offenhaltung notwendige Aufwand nicht nur von der Höhenlage und der Streckenlän-

ge abhängt, sondern auch vom lokalen Gelände und Klima: Die Exponiertheit der Strecke

und die Windverhältnisse spielen für die Kosten der Offenhaltung eine wesentliche Rolle.

Bei der RhB fällt beispielsweise die Berninastrecke von St. Moritz nach Tirano überpro-

portional stark ins Gewicht, da dort wegen Schneeverwehungen deutlich mehr Schleu-

dereinsätze notwendig sind als auf dem übrigen Netz. Wir verzichten deswegen auf eine

detaillierte Hochrechnung der Angaben der RhB auf andere im alpinen Raum tätigen

Bahnunternehmen. Wiederum sehr grob lässt sich anhand der Streckenkilometer jedoch

sagen, dass die Offenhaltung im gesamten alpinen Raum inkl. RhB-Streckennetz ohne

Wetterprognosen zusätzlich rund 0.3 bis 0.4 Mio. CHF pro Jahr kosten dürfte. In jedem

Fall sind die Effekte aber alles in allem relativ klein.

Aufgrund der teilstaatlichen Finanzierung der Bahnen führen die bei Bahnen dank Wet-

terprognosen eingesparten Ressourcen (vgl. 4.6.3) einerseits zu Wertschöpfungseffek-

ten, andererseits zu tieferen Staatsausgaben. Die vermiedenen Staatsausgaben können

auf Basis des Anteils der staatlichen Finanzierung bestimmt werden. Die RhB finanziert

sich zu ca. 45% aus Mitteln der öffentlichen Hand.48 Unter der Annahme, dass die Finan-

zierungsanteile bei den übrigen im alpinen Raum tätigen Bahnen ähnlich sind, Somit

müsste die öffentliche Hand rund ca. 135'000 bis 180'000 CHF/a mehr für die Finanzie-

rung der Bahnen ausgeben, um ohne meteorologische Informationen dasselbe Leis-

tungsniveau zu erhalten. Gleichzeitig wäre die Wertschöpfung der alpinen Bahnen um ca.

165'000 bis 220'000 CHF/a geringer.

Schadenskosten

Bei Bahnstrecken im Mittelland und in den Voralpen beeinflussen Wetterprognosen we-

der die Eintretenswahrscheinlichkeit von Personen- oder Sachschäden noch die erwarte-

ten Schadenshöhen. In alpinen Regionen senken Wetterprognosen in Kombination mit

Lawinenprognosen die Wahrscheinlichkeit, auf Schneeverwehungen oder kleinere Lawi-

nenkegel aufzufahren, da Strecken rechtzeitig gesperrt und Lawinen gegebenenfalls ge-

sprengt werden können. Eine Quantifizierung von durch meteorologische Information

vermiedenen Schäden war aber nicht möglich, da derartige Unfälle so selten vorkommen,

dass Erfahrungswerte fehlen, auf Basis derer haltbare quantitative Abschätzungen mög-

lich gewesen wären.

46 MGB, MOB; TPC, TPF, CJ

47 Diese Ansicht wurde auch von der RhB vertreten.

48 Geschäftsbericht 2009, Mittelwert der Jahre 2008 und 2009.

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/ 89

Individuelle Reisezeiten

Meteorologische Informationen verbessern die Pünktlichkeit der Bahnen: Im Mittelland

und den Voralpen nur an einigen wenigen Tagen mit sehr starken Schneefällen und in

geringem Masse, in den Alpen an mehrerer Tage im Winter und deutlicher, wobei hier

auch Zugsausfälle ohne Prognosen häufiger wären. Eine Quantifizierung dieser durch

meteorologische Informationen vermiedenen Verspätungsminuten war jedoch nicht mög-

lich, da eine Schätzung der Anzahl zusätzlich auftretender Verspätungen von allen be-

fragten Bahnunternehmen als rein spekulativ und damit nicht zulässig beurteilt wurde.

Einerseits führt Schneefall je nach lokaler Schneemenge und Schneekonsistenz zu ganz

unterschiedlichen Störungen, andererseits kommen viele betriebliche Faktoren hinzu,

durch die Verspätungen entweder aufgeholt oder verstärkt werden können.

4.12 Vergleich mit internationalen Studien

Es konnten vergleichsweise wenige Studien gefunden werden, die den Nutzen von mete-

orologischen Informationsprodukten im Schienenverkehrsbereich analysieren. Im Fol-

genden werden zwei neuere Studien beschrieben.

Hautala und Leviänkangas (2007), Leviänkangas et al. (2007)

Leviänkangas et al. 2007 bewerten den Nutzen meteorologischer Informationen für den

Schienenverkehr in Kroatien, indem die Resultate von Hautala und Leviankängas (2007)

für den finnischen Schienenverkehr auf Kroatien umgerechnet werden. So wird für Finn-

land der potentielle Nutzen von meteorologischen Informationen im Schienenverkehr mit

0.5 Mio. € pro Jahr bewertet, in Kroatien mit 0.15 Mio. € pro Jahr. Der Nutzen entsteht

durch vermiedene Verspätungsminuten, wobei die Bewertung nach Angaben der Autoren

als «Best Guess» zu verstehen ist. Auf Basis früherer Studien wurde geschätzt, dass

20% aller Verspätungen «irgendwie mit dem Wetter zusammenhängen» und von diesen

im besten Fall etwa die Hälfte dank meteorologischen Informationen verhindert werden

könnte.

In der Schweiz liegt der Anteil der wetterbedingten Störungen bei ca. 2% bis 10%. Auch

wenn dies nicht direkt abgefragt wurde, unterstützen die im Rahmen dieser Studie zu-

sammengetragenen Aussagen der Vertreter/innen von Eisenbahnverkehrsunternehmen

und Schieneninfrastrukturbetreiberinnen die These nicht, dass die Hälfte dieser wetter-

bedingten Störungen zu verhindern wäre. Inwiefern sich aber der heutige Einsatz von

meteorologischen Informationen in Finnland und Kroatien von dem in der Schweiz unter-

scheidet, wurde im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht ermittelt.

Rossetti (2007)

Der Autor analysiert den Zusammenhang von Wetter und Eisenbahnunfällen und

-vorfällen in den USA: Zwischen 2005 und 2010 habe sich in den USA ca. 40'000 Unfäl-

le/Vorfälle ereignet, von denen knapp 2.2% (861) wetterbedingt waren. Anhand dieser

Unfälle zeigt der Autor Verbesserungsmöglichkeiten in der Nutzung von meteorologi-

schen Informationen im Schienenverkehr der USA auf und plädiert dafür, dass meteoro-

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90 / 4 Schienenverkehr

logische Informationsprodukte entwickelt werden, die auf die Bedürfnisse des Schienen-

verkehrs ausgerichtet sind.

Die Vertreter/innen von Schweizer Eisenbahnverkehrsunternehmen und Schieneninfra-

strukturbetreiberinnen haben in den von uns geführten Interviews weder Wetter als eine

relevante Unfallursache eingestuft, noch einen Zusammenhang zwischen Sicherheit und

Wetter oder Sicherheit und meteorologischen Informationen bestätigt. Somit kommt un-

sere Studie zu anderen Schlüssen als Rossetti (2007). Die in unserer Studie im Vergleich

zu Rossetti (2007) völlig andere Bewertung des Zusammenhangs von Wetter, meteorolo-

gischer Information und Sicherheit können wir nicht erklären. Es ist jedoch anzunehmen,

dass klimatische Unterschiede zwischen der Schweiz und den USA eine Rolle spielen.

Die USA sind im Gegensatz zur Schweiz relativ häufig von Schneestürmen, Tornados

oder Hurrikans betroffen, die ein hohes Schadenspotential besitzen. Gleichzeitig sind die

US-amerikanischen Distanzen eher mit europäischen als mit schweizerischen Massstä-

ben vergleichbar. Ebenso könnten Unterschiede im baulichen und betrieblichen Unterhalt

der Schienennetze und beim Rollmaterial zusätzliche erklärende Faktoren für die unter-

schiedliche Bewertung des Zusammenhags zwischen Wetter und Unfällen sein.

Fazit

Bei der Sichtung der Literatur konnten keine Studien aus dem internationalen Raum ge-

funden werden, die für die Schweiz relevant wären. Die Aussagen von Hautala und Levi-

änkangas (2007) sowie Leviänkangas et al. (2007) basieren nur auch sehr groben Ab-

schätzungen. Die betrachtete Studie von Rossetti (2007) liefert empirisch fundierte Aus-

sagen zu den USA, diese lassen sich aber nicht auf die Schweiz übertragen. Zu unter-

schiedlich sind geographische Gegebenheiten, Wetter sowie mit hoher Wahrscheinlich-

keit auch Schienennetz und Bahnbetrieb, wobei letzteres im Rahmen der vorliegenden

Studie nicht überprüft wurde.

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/ 91

5 Aviatik

Die Aviatik ist eine komplex organisierter Branche, in welchem die einzelnen Akteure,

auch über die Landesgrenzen hinaus, stark vernetzt und voneinander abhängig sind.

Ausserdem weist die Aviatik aus Sicherheitsüberlegungen und aufgrund zahlreicher in-

ternationaler Abkommen eine hohe Regulierungsdichte auf. Bei den Flugwetterinformati-

onen spiegelt sich diese Situation in den komplexen Informations- und Finanzströmen

wider, die aufgrund von meteorologischen Dienstleistungen fliessen. Wie Figur 12 zeigt,

verlaufen die Finanzströme dabei nicht deckungsgleich mit den Informationsströmen.

«Finanz- und Dienstleistungsströme in der Aviatik»

Dienstleistungsströme

Finanzströme

Passagiere

Flughäfen Airlines

Flugsicherung BAZL

Privater Flugverkehr

Flugunfalluntersuchung

MeteoSchweiz

econcept

Figur 12: Übersicht über die Finanz- und Dienstleistungsströme in der Aviatik. Bei den Flugwetterinformati-onen spiegelt sich die komplexe Organisation und die hohe Regelungsdichte der Aviatik in den In-formations- und Finanzströmen wider, die aufgrund von meteorologischen Dienstleistungen flies-sen.

MeteoSchweiz stellt die Kosten zur Bereitstellung von meteorologischen Informationen

für den gewerblichen Flugverkehr zu hundert Prozent der Flugsicherung in Rechnung.

Diese Kosten belaufen sich auf rund 20 Millionen CHF pro Jahr (Skyguide 2011). Die

Flugsicherung gibt die Kosten an die Flughäfen und die Airlines weiter, welche diese

schliesslich auf die Passagiere abwälzen.

Meteorologische Informationen, welche MeteoSchweiz für den privaten Flugverkehr be-

reitstellt, werden zum grössten Teil durch das Bundesamt für Zivilluftfahrt (BAZL) ent-

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92 / 5 Aviatik

schädigt, der private Flugverkehr bezieht einzig einige kostenpflichtige Dienstleistungen

direkt von MeteoSchweiz. Die Dienstleistungen für die Flugunfalluntersuchungsbehörde

(Büro für Flugunfalluntersuchung) werden nach Aufwand direkt verrechnet.

5.1 Meteorologische Informationen in der Aviatik

In der heutigen Praxis produziert jedes Land für sein Hoheitsgebiet Flugwetterinformatio-

nen («hoheitliche Flugwetterprodukte») und stellt diese allen anderen Ländern zur Nut-

zung zur Verfügung. So entsteht, ohne finanzielle Ausgleichszahlungen, ein weltweites

Netz von Flugwetterinformationen. Die hoheitlichen Flugwetterprodukte sind von der In-

ternational Civil Aviation Organisation (ICAO) klar definiert und müssen so den entspre-

chenden Standards folgen. Zu diesen Produkten gehören insbesondere:

— Aktuelle Wettermeldungen und Wettervorhersagen für Flughäfen und Luftraum

— Warnungen vor gefährlichen Wettererscheinungen

— Individuelle Beratung der interessierten Kreise, insbesondere der Flugzeugbesatzun-

gen und der Flugsicherung

Für die hoheitlichen Flugwetterprodukte hat MeteoSchweiz einen gesetzlich festgelegten

Leistungsauftrag und ist somit die einzige Anbieterin in der Schweiz. Sie liefert Informati-

onen an die Flugsicherung Skyguide, die Flughäfen und die Airlines. Daneben liefert sie

Informationen für den privaten Flugverkehr und archiviert die Daten des Flugwetters zur

Unfallaufklärung.

Im Rahmen der Single European Sky Initiative der EU wird möglicherweise auch in der

Schweiz die Bereitstellung von hoheitlichen Flugwetterinformationen einem geregelten

Wettbewerb unterstellt. Deshalb ist MeteoSchweiz schon heute, auch im Aviatikbereich,

einem indirekten Wettbewerbsdruck ausgesetzt.

Nebst den hoheitlichen Flugwetterprodukten nutzen die Akteure in der Aviatik weitere

meteorologische Informationen:

— Allgemeine Wetterberichte und Prognosen aus verschiedensten frei verfügbaren

Quellen, hauptsächlich im Internet

— Informationen von spezialisierten Datenprovidern und kostenpflichtigen Meteo-

Portalen im Internet

— Informationen der WAFC (World Area Forecast Centres) in London und Washington.

Diese erstellen und verbreiten unter der Aufsicht der ICAO globale meteorologische

Informationen für die Aviatik, insbesondere zu Wind, Temperaturen und zu signifikan-

ten Wetterereignissen. Die Informationen der WAFC werden teilweise von Meteo-

Schweiz aufbereitet und in der Schweiz vertrieben.

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5.2 Analyserahmen und Akteure

Die Analyse der Aviatik im Rahmen der vorliegenden Studie beschränkt sich auf den ge-

werblichen Linien- und Charterflugverkehr schweizerischer Unternehmen. Ausländische

Unternehmen werden nicht berücksichtigt, da die Auswirkungen auf die schweizerische

Volkswirtschaft im Vordergrund stehen. Die wichtigsten Akteure sind dabei einerseits die

Airlines und die Flughäfen sowie andererseits die Flugsicherung (Air Traffic Control,

ATC), welche für das Management des Luftraumes zuständig ist. Staatliche Behörden

sind ebenfalls relevante Akteure. Dazu zählen in der Schweiz das Bundesamt für Zivilluft-

fahrt (BAZL) als nationaler Regulator sowie das Büro für Flugunfalluntersuchung (BFU)

als unabhängige Unfalluntersuchungsbehörde. Der nicht-gewerbliche Teil des zivilen

Flugverkehrs sowie der militärische Flugverkehr werden in dieser Studie nicht berück-

sichtigt. Auch wenn Flüge mit Helikoptern rund 21% aller gewerblichen Flugbewegungen

ausmachen (BFS 2010) werden Helikopterflüge und Helikopterunternehmen in dieser

Studie nicht berücksichtigt, da die volkswirtschaftliche Bedeutung vergleichsweise gering

ist. Dies zeigt sich beispielsweise daran, dass nur 0.2% der Passagiere mit Helikoptern

transportiert werden (BFS 2010). Ebenfalls aufgrund der volkswirtschaftlich geringen

Bedeutung werden gewerbliche Flüge ausserhalb des Linien- und Charterflugverkehrs

(z.B. Foto- oder Rettungsflüge mit Flächenflugzeugen) in der vorliegenden Studie nicht

berücksichtigt.

In der Schweiz gibt es drei Landesflughäfen (Zürich, Genf und Basel-Mulhouse49), zehn

Regionalflugplätze sowie fünf zivil mitbenutzte Militärflugfelder (BFS 2010). Des Weiteren

existieren 46 Flugfelder, welche in erster Linie für den privaten Luftverkehr sowie zur

Ausbildung genutzt werden. Daneben gibt es 23 Heliports sowie einige Gebirgslandeplät-

ze (über 1100 Meter) für Helikopter und Flächenflugzeuge. Rund 95% der direkten Wert-

schöpfung aus der Luftfahrt entsteht auf den Landesflughäfen (INFRAS 2006). Die drei

Landesflughäfen haben ausserdem im Jahr 2009 etwa 99% aller Passagiere (gewerbli-

cher Flugverkehr, ohne Helikopter, ohne Transitpassagiere) befördert, wobei knapp 60%

dieser Passagiere den Flughafen Zürich und 30% den Flughafen Genf benutzten (BFS

2010). Aus diesen Gründen berücksichtigt die vorliegende Studie zur Nutzenerfassung

einzig die drei Landesflughäfen.

5.2.1 Airlines

Im Jahr 2009 waren 86 aktive Flugbetriebe von Schweizer Unternehmen registriert, da-

von waren 11 Flugbetriebe im Linien- und Charterfluggeschäft tätig (BFS 2010). Auf den

schweizerischen Flughäfen wurden 2009 im gewerblichen Flugverkehr rund 37 Millionen

Passagiere (ohne Transitpassagiere) transportiert und rund 400’000 Flugbewegungen

durchgeführt. Schweizer Fluggesellschaften führten dabei knapp die Hälfte aller Bewe-

49 Der Flughafen Basel-Mulhouse befindet sich auf französischem Territorium und bezieht deshalb die Flugwetterdienstleis-

tungen nicht von MeteoSchweiz sondern von Météo-France (vgl. Kapitel 5.1).

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94 / 5 Aviatik

gungen aus und haben etwas mehr als die Hälfte der Passagiere transportiert. Die Swiss

ist die wichtigste Airline in der Schweiz und führte 2009 37% aller Bewegungen und 75%

der Bewegungen schweizerischer Fluggesellschaften durch (BFS 2010). Die Airlines las-

sen sich weiter hinsichtlich ihres Betriebskonzeptes differenzieren: Netzwerk-Carrier ver-

fügen über ein dichtes Streckennetz und über einen oder mehrere Hubs (Netzwerkkno-

ten). Dadurch haben Netzwerk-Carrier typischerweise viele Umsteigepassagiere und

können ein breites Dienstleistungsangebot anbieten. Im Gegensatz dazu fliegen Point-to-

Point-Carrier hauptsächlich von einem Punkt zum anderen, ohne Umsteigemöglichkeiten

innerhalb des gleichen Unternehmens.

5.2.2 Flugsicherung

Die Flugsicherung in der Schweiz wird durch das Unternehmen Skyguide im Auftrag des

Bundes durchgeführt. Skyguide ist eine nicht gewinnorientierte Aktiengesellschaft, die

nahezu vollständig im Besitz des Bundes ist. Als einziges Unternehmen in Europa betreut

Skyguide sowohl den zivilen als auch den militärischen Luftverkehr. Skyguide finanziert

sich vollständig durch Gebühren, welche sie für ihre Dienstleistungen erhebt. Die Zu-

ständigkeitsbereiche der nationalen Flugsicherungen in Europa sind funktional eingeteilt.

Wie Figur 13 zeigt, liegt insgesamt etwa 40% des Zuständigkeitsbereiches von Skyguide

im angrenzenden Ausland.

«Luftraum in der Zuständigkeit von Skyguide»

Figur 13: Luftraum in der Zuständigkeit von Skyguide (Beige und Blau). Quelle: Homepage Skyguide

Skyguide kontrolliert pro Jahr ungefähr 1.15 Millionen Flüge; im Jahr 2009 waren 62%

davon Transitflüge. Die Aufgabe von Skyguide ist es, alle Flüge möglichst sicher und

pünktlich abzuwickeln. Die Leistungen von Skyguide werden laufend gemessen und aus-

gewertet. Trotz des regulierten Marktes steht das Unternehmen in einer indirekten Kon-

kurrenzsituation und wird neben den Kosten für die Flugsicherung vor allem an der

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Pünktlichkeit der Flüge gemessen. 2010 wurden rund 96% aller Flüge durch Skyguide

pünktlich50 abgefertigt.

5.2.3 Landesflughäfen

Die direkte wirtschaftliches Bedeutung («Economic Impact») der Landesflughafen lässt

sich an der Beschäftigung und an der Wertschöpfung der Unternehmen auf den Flughä-

fen messen. Die drei Landesflughäfen wiesen im Jahr 2004 eine Beschäftigung von rund

30’000 Vollzeitäquivalenten (VZÄ) aus und generierten eine direkte Wertschöpfung (Um-

satz minus Vorleistungen) von rund 4.8 Milliarden CHF (Infras 2006). Die direkt mit dem

Flugbetrieb zusammenhängenden Produktionsbereiche («Airline-related») machten dabei

den grössten Anteil aus (vgl. Tabelle 28 und Tabelle 29).

VZÄ Total VZÄ Airport-related VZÄ Airline-related VZÄ Retail, Gastro

Flughafen Zürich 18’010 (20’140) 2’970 (3’780) 11’950 (13’710) 3’090 (2’650)

Flughafen Genf 6’600 1’940 3’630 1’030

Flughafen Basel-Mulhouse 4’830 6'20 3’840 370

Tabelle 28: Beschäftigungszahlen der Landesflughäfen im Jahr 2004, in Vollzeitäquivalenten. Aktualisierung der Daten für das Jahr 2008 in den Klammern. Quellen: Infras 2006, Infras 2009.

Direkte Wertschöpfung Total

Direkte Wertschöpfung Airport-related

Direkte Wertschöpfung Airline-related

Direkte Wertschöpfung Retail, Gasto

Flughafen Zürich 3’081 (5’100) 800 (1’540) 1’969 (3’110) 312 (450)

Flughafen Genf 1’059 481 455 123

Flughafen Basel-Mulhouse 652 118 496 38

Tabelle 29: Direkte Wertschöpfung der Landesflughäfen im Jahr 2004, in Mio. CHF. Aktualisierung der Daten für das Jahr 2008 in den Klammern. Quellen: Infras 2006, Infras 2009

Die wirtschaftliche Bedeutung ist aber keineswegs mit dem volkswirtschaftlichen Nutzen

gleichzusetzen. Volkswirtschaftlich relevant ist nur der durch den Flughafen generierte

Zusatznutzen, d.h. ein Vergleich des volkswirtschaftlichen Nutzens in einem Szenario mit

Flughafen gegenüber einem Szenario ohne Flughafen.

5.2.4 Übersicht über die Akteure

Tabelle 30 zeigt einen Überblick über die berücksichtigten Akteure. Bei den Airlines wur-

de ein Netzwerk-Carrier und ein Point-to-Point Carrier ausgewählt. Zusammen wickeln

die beiden Unternehmen rund 40% aller Flugbewegungen im Linien- und Charterverkehr

ab.

50 Die Pünktlichkeit wird im Zusammenhang mit der Leistung von Flugsicherungsunternehmen basierend auf dem Flugplan

und nicht auf dem Flugfahrplan berechnet. Der Flugplan wird von der Flugbesatzung offiziell eingereicht und berücksich-

tigt die aktuelle Situation im Luftraum (Kapazität, Wetter, Verfügbarkeit der Flughäfen usw.). Deshalb kann der Flugplan

erheblich vom durch die Airlines publizierten Fahrplan abweichen.

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96 / 5 Aviatik

Anzahl schweizerische Unter-nehmen / Akteure

Anzahl befragte Unternehmen / Akteure

Airlines im Linien- und Charterverkehr 11 2

Flugsicherung 1 1

Flugunfalluntersuchungsbehörde 1 1

Landesflughäfen 3 1

Tabelle 30: Übersicht über die befragten Akteure in der Aviatik. Bei den Airlines wurde sowohl ein Netzwerk-Carrier und als auch ein Point-to-Point Carrier ausgewählt. Zusammen wickeln die beiden Unter-nehmen rund 40% aller Flugbewegungen im Linien- und Charterverkehr ab.

5.3 Wirkungsmodell

Der Nutzen der Meteorologie in der Aviatik fällt in erster Linie als zusätzliche Wertschöp-

fung bei den Airlines und den Landesflughäfen, sowie in Form von vermiedenen Verspä-

tungskosten bei den Reisenden an. Zusätzlich besteht ein Nutzen in der Vermeidung von

Unfällen im Flugverkehr und auf den Flughäfen. Im Rahmen dieser Untersuchung konn-

ten hingegen keine Hinweise zur Wirkung von meteorologischen Informationen auf den

Ressourceneinsatz für staatliche Tätigkeiten sowie auf den Einfluss auf die Wirtschaft-

lichkeit der Flugsicherung gefunden werden. Figur 14 stellt den Wirkungsmechanismus

von meteorologischen Informationen im Detail dar.

Folgende Wirkungen von meteorologischen Informationen lassen sich in der Aviatik un-

terscheiden:

— Wirkungen auf die Qualität der Leistungserbringung

— Wirkungen auf die Wirtschaftlichkeit der Akteure

Die Wirkung der Qualität der Leistungserbringung einzelner Akteure auf die Qualität des

Gesamtsystems lässt sich nicht isolieren. Die Qualität des Gesamtsystems hat aber zwei-

fellos einen Einfluss auf die Schadenswahrscheinlichkeit und auf das Ausmass der Ver-

spätungen im Luftverkehr.

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«Die Wirkung von meteorologischen Informationen in der Aviatik»

Meteorologie

Qualität derFlughafeninfrastruktur

Wertschöpfung

Staatsausgaben

Qualität derFlugsicherung

WirtschaftlichkeitFlugsicherung

Qualität derkommerziellen

Aviatik

individuelleReisezeitkosten

WirtschaftlichkeitAirlines

Verspätungenim Flugverkehr

WirtschaftlichkeitFlughafenbetreiberin

Qualitätstaatlicher

Regulierung

Ressourceneinsatzfür staatlicheRegulierung

Schadenswahr-scheinlichkeit

Schadenskosten

econcept

Figur 14: Wirkungsmodell Aviatik

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98 / 5 Aviatik

5.4 Flugsicherung Skyguide

5.4.1 Verwendung von meteorologischen Informationen

Die maximal verfügbare Kapazität im Luftraum und an den Flughäfen wird nur unter op-

timalen meteorologischen Bedingungen erreicht. Weicht das Wetter von diesen Bedin-

gungen ab, sinkt die Kapazität sowohl im Luftraum wie auch an den Flughäfen. Der Ein-

fluss des Wetters auf die Kapazität ist in den tieferen Schichten des Luftraumes und bei

den An- und Abflügen besonders ausgeprägt. Der obere Luftraum (Transitbereich) ist

hingegen weniger stark betroffen. Die Flugsicherung definiert für jeden Zeitpunkt im

Flugbetrieb eine bestimmte Anzahl von Transit-, An- und Abflügen pro Stunde (Durch-

satz). Je schlechter die Wetterverhältnisse sind, desto kleiner ist der Durchsatz.

Basierend auf den angemeldeten Flugbewegungen wird bereits am Vortag der optimale

Durchsatz durch Simulationen des Flugbetriebes berechet. Die Flugsicherung meldet

diesen anschliessend an die Central Flow Management Unit (CFMU) von Eurocontrol.

Die CFMU teilt, basierend auf den Angaben aller europäischen Flugsicherungen, den

Airlines Zeitfenster (Slots) für ihre geplanten Flugbewegungen zu. Diese Berechnung

basiert auf einer hypothetischen Schönwettersituation und berücksichtigt meteorologi-

sche Einflüsse nicht. Tritt schlechtes Wetter ein, müssen die einzelnen Flugüberwa-

chungsorganisationen darauf reagieren. In der Praxis geschieht dies durch eine Anpas-

sung der Ab- und Anflugverfahren und durch die Veränderung des Durchsatzes.

Für jeden Flughafen existieren verschiedene An- und Abflugverfahren, welche auf die

unterschiedlichen Wettersituationen ausgerichtet sind (vgl. Figur 15 für ein Beispiel). Die

Verfahren unterscheiden sich sowohl geographisch (verwendete Piste, Anflug- / Abflug-

richtung, verwendete Warteräume) als auch technisch (verwendetes Instrumentenlande-

verfahren, benötigte Ausrüstung der Flugzeuge). Der Wechsel von einem zum anderen

Verfahren ist immer mit einem grossen Aufwand verbunden und reduziert, zumindest

zeitweise, die Kapazität des Flughafens deutlich. Meteorologische Prognosen werden

verwendet, um vorausschauend das richtige An- und Abflugverfahren zu planen und die

Airlines entsprechend frühzeitig zu informieren. Diese «Weichenstellung» geschieht noch

bevor der Flugverkehr morgens beginnt. Wird die «Weiche» aufgrund fehlender oder

falscher Prognosen nicht richtig gestellt, entstehen sofort Verspätungen von 30 bis 60

Minuten, die sich über den ganzen Tag weiterziehen können.

In einem Service-Level-Agreement zwischen Skyguide und MeteoSchweiz ist geregelt,

welche meteorologischen Informationen im Bereich der Flugsicherung verwendet werden.

Dies sind in erster Linie die hoheitlichen Flugwetterprodukte nach ICAO-Standard sowie

berechnete Prognosen aus numerischen Modellen und Messdaten. Ausserdem wird im

Einzelfall von Skyguide telefonisch Beratung in Anspruch genommen.

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«An- und Abflugrouten am Flughafen Zürich»

Figur 15: An- und Abflugrouten für den Flughafen Zürich (Quelle: Homepage Skyguide).

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100 / 5 Aviatik

5.4.2 Wirkung auf die Qualität der Leistungserbringung – Aussagen von Skyguide

Meteorologische Informationen haben eine Wirkung auf die Qualität der Leistungserbrin-

gung. Dabei lassen sich folgende Wirkungsmechanismen differenzieren:

Optimales Kapazitätsmanagement

Meteorologische Informationen helfen der Flugsicherung, sich auf kapazitätsreduzierende

Störungen des Flugbetriebes rechtzeitig und adäquat vorzubereiten und diese möglichst

effizient abzuwickeln. Je genauer das Ausmass, die Dauer und der Zeitpunkt der wetter-

bedingten Störung im Voraus bekannt sind, desto besser sind die von der Flugsicherung

verfügten Massnahmen den effektiven meteorologischen Bedingungen angepasst. Damit

wird sichergestellt, dass die unter den vorherrschenden Bedingungen grösstmöglichste

Kapazität erreicht wird. An zwei Beispielen lässt sich dies illustrieren:

— Wenn die Flugsicherung den Durchsatz bei den Flughäfen zu früh oder zu stark

senkt, resultiert daraus eine künstliche Kapazitätsreduktion. Weil sich die Airlines auf

den verfügten, tiefen Durchsatz eingestellt haben und die Flugbewegungen entspre-

chend angepasst sind, führt auch eine kurzfristige Erhöhung des verfügten Durchsat-

zes nur verzögert zur Erhöhung der Anzahl An- und Abflüge.

— Wenn der verfügte Durchsatz zu hoch ist, muss die Flugsicherung, sobald das Ereig-

nis eintritt, kurzfristig Massnahmen ergreifen, um die Sicherheit nicht zu gefährden.

Die dadurch ausgelösten kurzfristigen Änderungen können zu einer massiven Stö-

rung des Flugbetriebes führen.

Ähnliche Effekte treten auch im Zusammenhang mit der Anpassung von An- und Abflug-

verfahren auf. Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass der Flugverkehr nur träge

auf Änderungen der Rahmenbedingungen reagieren kann. Dank der Verwendung von

meteorologischen Informationen lassen sich wetterbedingte Störungen antizipieren. Da-

durch ist eine vorausschauende Steuerung des Systems möglich, was unnötige Kapazi-

tätsverluste verhindert.

Weil der publizierte Fahrplan der Airlines auf eine Situation ohne meteorologische Stö-

rungen ausgerichtet ist, führen wetterbedingte Störungen in der Regel zu zusätzlichen

Verspätungen und / oder zu Ausfall von Flügen. Die Kosten von Verspätungen fallen aber

typischerweise bei den Kunden der Flugsicherung (Airlines) an. Die Flugsicherung ver-

liert nur Einnahmen (Gebühren), wenn Flüge gar nicht durchgeführt oder auf einen aus-

ländischen Flughafen umgeleitet werden.

Die Flugsicherung Skyguide schätzt, dass aufgrund der beschriebenen Effekte ohne me-

teorologische Informationen die Kapazität der Flughäfen in der Schweiz im Jahresdurch-

schnitt rund 30% tiefer wäre als heute. Konkret heisst dies, dass nur noch etwa 70% der

heutigen Ab- und Anflüge durchgeführt werden könnten. Die Auswirkungen auf den obe-

ren Luftraum (Transitkapazität) lassen sich nicht abschätzen, der Effekt ist aber wahr-

scheinlich weniger ausgeprägt, da der Wettereinfluss dort generell kleiner ist. Es ist da-

von auszugehen, dass die Airlines die Dichte der Flugfahrpläne der tieferen Kapazität

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des Luftraumes anpassen würden. Insofern ist wahrscheinlich eher von einer Reduzie-

rung der Flugbewegungen als von einem tieferen Pünktlichkeitsniveau auszugehen.

Erhöhung der Sicherheit

Die Verwendung von meteorologischen Informationen durch die Flugsicherung führt zu

einem höheren Sicherheitsniveau in der Aviatik. Diese Aussage stützt sich auf zwei Ar-

gumente:

— Meteorologische Informationen verbessern die Entscheidungsgrundlage der Lotsin-

nen und Lotsen und führen so zu besseren Entscheidungen («better informed decisi-

ons»). Ohne meteorologische Informationen wäre der Flugbetrieb öfter in einem Si-

cherheits-Grenzbereich, in dem Unfälle wahrscheinlicher sind.

— Gleichzeitig reduzieren meteorologische Informationen den Stress der Lotsinnen und

Lotsen, weil weniger unerwartete Situationen auftreten. Dies wirkt sich positiv auf das

Sicherheitsniveau aus.

Trotz diesen positiven Wirkungen auf die Sicherheit muss bedacht werden, dass ohne

meteorologische Informationen die Sicherheitsmargen erhöht würden und dass sich die

Akteure ohne meteorologische Informationen möglicherweise auch vorsichtiger verhalten

würden. Die befragten Akteure schätzen aber die positive Wirkung von meteorologischen

Informationen auf die Sicherheit als sehr relevant ein. Eine Quantifizierung des Effektes

ist aber nicht möglich. Die Schadenswahrscheinlichkeit ist von so vielen verschiedenen

Faktoren abhängig, dass sich die Wirkung von meteorologischen Informationen nicht

isoliert analysieren lässt. Ausserdem sind, gemessen an den Flugbewegungen, Unfälle in

der kommerziellen Aviatik sehr seltene Ereignisse, was die statistische Auswertung von

Unfallereignissen äusserst problematisch macht.

Optimierungspotential

Gemäss den Einschätzungen von Skyguide werden meteorologische Informationen im

Bereich der Flugsicherung heute nicht zweckmässig genug verwendet:

— In der Planung der Kapazität, die später als Basis für die Slot-Zuteilung dient, werden

meteorologische Informationen nicht berücksichtigt. Dies führt dazu, dass anschlies-

send viele kurzfristige Korrekturen nötig sind.

— Die Nutzer/innen von meteorologischen Informationen bei der Flugsicherung sind in

der Regel nicht an meteorologischen Informationen an sich, sondern an den Auswir-

kungen des Wetters auf die Kapazität interessiert. Wetterinformationen sollten daher

automatisch in Kapazitätsinformationen umgesetzt werden, bevor sie den Nut-

zer/innen zur Verfügung gestellt werden. Dies würde den Nutzer/innen die Interpreta-

tion von Wetterinformationen ersparen und zusätzlich zu einer konstanteren Umset-

zung von Wetterinformationen in Kapazitätsinformationen führen. Die heute durch die

Regulierung vorgegebenen Flugwetterprodukte sind aber für eine solche Weiterver-

arbeitung nicht gut geeignet.

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— Sowohl die Flugsicherung als auch die Airlines machen sich Gedanken über die Ka-

pazität im Luftraum und an den Flughäfen. Die Berechungsmethoden und die ver-

wendeten Informationen sind aber sehr unterschiedlich, was dazu führt, dass die bei-

den Akteure oft unterschiedliche Erwartungen über die Kapazitätsentwicklung haben.

Dies kann zu Problemen und Unstimmigkeiten führen.

Gemäss den Aussagen von Skyguide könnte durch eine bessere Verwendung von mete-

orologischen Informationen die verfügbare Kapazität im Luftraum der Schweiz und an

den Flughäfen um bis zu 10% erhöht werden.

5.4.3 Wirkung auf die Wirtschaftlichkeit – Aussagen von Skyguide

Meteorologische Informationen wirken im Bereich der Flugsicherung vor allem auf die

Qualität der Leistungserbringung und nicht auf die Wirtschaftlichkeit der Flugsicherung an

sich. Aufgrund der Gebührenstruktur von Skyguide und der Marktregulierung führt eine

schlechtere Leistungsqualität auch nicht zwangsläufig zu einer tieferen Wirtschaftlichkeit.

Es lässt sich aber festhalten, dass die Flugsicherungserträge von Skyguide bei einer

tieferen Kapazität auf den schweizerischen Flughäfen sinken würden. Die Erträge aus

dem Flugsicherungsgeschäft von heute rund 350 Millionen CHF (Skyguide 2011) würden

aber nicht parallel zur Anzahl An- und Abflügen sinken, weil sich die Anzahl der Transit-

flüge nicht so stark verändern würde. Ausserdem ist völlig unklar, wie sich die Kosten-

struktur der Flugsicherung verändern würde. Es gibt demnach keine stichhaltigen Argu-

mente für oder gegen einen positiven Effekt von Wetterinformationen auf die Wirtschaft-

lichkeit der Flugsicherung.

5.5 Airlines

5.5.1 Verwendung von meteorologischen Informationen

Meteorologische Informationen spielen im Alltag der Mitarbeiter/innen von Airlines eine

wichtige Rolle, da die betrieblichen Abläufe einer Airline stark von meteorologischen

Phänomenen beeinflusst werden. Dies gilt nicht nur in besonders anspruchsvollen Wet-

tersituationen, sondern auch in der täglichen Arbeit. Bei den Airlines lassen sich folgende

Primärnutzer von meteorologischen Informationen identifizieren:

— Einsatzleitstelle (ELS): Hauptaufgabe der ELS ist die Disposition und die Überwa-

chung der Flugzeuge. Dabei müssen der publizierte Fahrplan, die effektive Auslas-

tung, die verfügbare Kapazität sowie viele weitere Faktoren berücksichtigt werden.

Die ELS verfügt über die Flugzeuge, solange diese am Boden sind und entscheidet,

ob ein Flug durchgeführt wird oder nicht. Die ELS ist auch, in Zusammenarbeit mit

anderen Akteuren innerhalb der Airline, für das Management von Ausnahmesituatio-

nen («Irregularity Handling») zuständig und trifft dazu die nötigen operationellen Ent-

scheidungen.

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— Flight Dispatch (FD): Hauptaufgabe des FD ist die Erstellung von Flugplänen (Rou-

tenselektion, Berechnung von Treibstoffmenge und Abfluggewicht, usw.), die den ge-

setzlichen Rahmenbedingungen51 und den internen Sicherheitsweisungen entspre-

chen. Der Flugplan wird unter anderem aufgrund der aktuellen und der erwarteten

Wettersituation am Ausgangsflughafen, am Zielflughafen, an den Ausweichflughäfen

und entlang der Route festgelegt. Nebst meteorologischen Informationen fliessen

weitere Faktoren wie die Ausrüstung und der technische Zustand52 der Flugzeuge

sowie Lande- und Überflugsrechte in die Entscheidungen ein. Das FD ist überdies für

die Koordination mit Skyguide, für die saisonale Routendefinition und für das Mana-

gement der Überflugbewilligungen zuständig.

— Cockpit-Crew: Sobald die Türen des Flugzeuges geschlossen sind, hat die Cockpit-

Crew (Pilot/in und Co-Pilot/in) die Hoheit über das Flugzeug und ist für alle Entschei-

dungen verantwortlich.

Die genaue betriebliche Organisation der genannten Funktionen ist je nach Airline unter-

schiedlich. Bei kleineren Unternehmen werden Funktionen des FD und der ELS zusam-

mengefasst und durch die gleiche Abteilung bearbeitet. Die technischen Rahmenbedin-

gungen, beispielsweise die Möglichkeit der Kommunikation zwischen ELS und Cockpit-

Crew, beeinflussen überdies, welche Aufgaben von den einzelnen Mitarbeiter/innen

übernommen werden.

5.5.2 Relevante meteorologische Aspekte

Die Meteorologie ist für jede Airline absolut zentral. Dies hat sich in den letzten Jahrzehn-

ten trotz technischem Fortschritt nicht wesentlich verändert, insbesondere weil die Kom-

plexität und damit die Anfälligkeit des ganzen Systems im selben Mass zugenommen

haben wie die technischen Möglichkeiten zum Umgang mit dem Wetter. Für die Airlines

sind insbesondere folgende meteorologischen Aspekte relevant:

— «Upper-Air Winds» (UAW). Richtung und Stärke der Winde in den höheren Luft-

schichten haben einen massiven Einfluss auf Reisezeit und den Treibstoffverbrauch.

Bei Überseeflügen kann dies zu Unterschieden in der Reisezeit von bis zu einer

Stunde führen. Aufgrund der Prognose der UAW wird die optimale Flugroute berech-

net und die mögliche Zuladung sowie die nötige Treibstoffmenge definiert.

— Prognose der Wettersituation auf allen relevanten Punkten entlang der Route, insbe-

sondere auf den Ausweich- und Zielflughäfen. Entscheidend ist, ob ein Flughafen

zum Zeitpunkt der möglichen Benutzung (d.h. in einer Zeitdauer von bis zu 14h) an-

51 Die gesetzlichen Rahmenbedingungen werden durch schweizerisches Recht (Luftfahrtgesetz, Luftfahrtverordnung) und

durch internationales Recht (Abkommen über die internationale Zivilluftfahrt, bilaterale Luftverkehrsabkommen) definiert.

Die für die Airlines betriebsrechtlich relevanten Grundlagen sind grösstenteils in der EU-OPS geregelt. Dieses europäische

Regelwerk, welches von der Schweiz übernommen worden ist, beschreibt detailliert die technischen und organisatorischen

Vorgaben, an die sich die Airlines, beispielsweise bei der Routenplanung, halten müssen. Interne Sicherheitsanweisungen

können strenger sein als die EU-OPS, dürfen dieser aber nicht widersprechen.

52 Wenn einzelne Systeme nicht funktionieren, kann ein Flugzeug unter bestimmten Umständen nicht eingesetzt werden.

Beispielsweise führt eine defekte Enteisungsanlage dazu, dass das Flugzeug für Flüge in kalte Regionen nicht eingesetzt

werden kann. Flüge in wärmere Gebiete können aber, unter Umständen, noch möglich sein.

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geflogen werden könnte oder nicht. Um eine Route fliegen zu können, muss das

Flugzeug in jedem Moment Ausweichflughäfen zur Verfügung haben, welche bei-

spielsweise bei einem technischen Problem angeflogen werden könnten. Gibt es kei-

ne Wetterprognose zu einem bestimmten Flughafen, kann dieser nicht in die Planung

aufgenommen und muss als geschlossen betrachtet werden.

— Detaillierte meteorologische Informationen über den Wetterzustand am Abflugort

(Luftdruck, Temperatur, Niederschläge, Bodenwind, Taupunkt, Eisglätte, usw.). Diese

sind für die Sicherheit sowie für die Startleistung des Flugzeuges (max. mögliches

Abfluggewicht) entscheidend. Ausserdem bestimmen meteorologische Grössen, ob

ein Deicing und/oder ein Antiicing53 vor dem Start nötig ist oder nicht.

— Besondere Wetterereignisse («significant weather») wie beispielsweise Wirbelstürme,

Nebel, Schnee oder Vereisungsgefahr.

— Saisonale Entwicklungen (klimatologische Informationen) zur Vorplanung der Routen.

Für die Planung der Flüge werden vor allem die hoheitlichen Flugwetterprodukte nach

ICAO-Standard und Informationen der WAFC verwendet. Allenfalls fliessen auch andere

meteorologische Informationen ein. Die Airlines dürfen sich aber, aus rechtlichen Grün-

den, bei der Planung eines Fluges nur auf bestimmte Flugwetterprodukte abstützen, un-

abhängig davon, ob weitere, möglicherweise bessere Informationen verfügbar sind. Viele

meteorologische Informationen fliessen direkt in die Routenplanungssoftware der Airlines

ein und werden von der Software bei der Auswahl der optimalen Route automatisch be-

rücksichtigt.

Die Cockpit-Crews verwenden, ergänzend zu den hoheitlichen Flugwetterprodukten, je

nach Bedarf andere Wetterinformationsquellen (TV, Zeitungen, Internet usw.).

5.5.3 Referenzzustand und Analyseansatz

Wie in Kapitel 2.4 beschrieben, verwendet die vorliegende Studie zur Messung des Nut-

zens von meteorologischen Informationen den Vergleich zwischen der heutigen Nutzung

und einer hypothetischen Referenzsituation ohne meteorologische Informationen. Dies

erwies sich, aufgrund der ersten Gesprächen mit den Akteuren, im Bereich der Airlines

als nicht zweckmässig. Ohne meteorologische Informationen wäre ein Flugbetrieb in der

Art wie er heute durchgeführt wird schlicht unvorstellbar. Der Referenzzustand «keine

Wetterinformationen» würde zu einem völlig neuen und unbekannten Betriebskonzept für

Airlines führen. Daher ist eine «ceteris paribus» Analyse mit dem Referenzzustandes

«keine Wetterinformationen» nicht zweckmässig. Um dennoch eine Aussage zum Nutzen

von meteorologischen Informationen machen zu können, wurde ein zusätzlicher Refe-

renzzustand und ein zusätzlicher Analyseansatz eingeführt:

53 Ein Flugzeug muss aus Sicherheitsgründen (Gewicht, Aerodynamik) vor dem Start von Eis und Schnee befreit werden.

Dieser Vorgang wird als Deicing bezeichnet. Im Unterschied dazu bezeichnet der Begriff Antiicing technische Massnahmen

am Flugzeug (z.B. das Heizen von stark exponierten Teilen) die das Vereisen des Flugzeuges verhindern.

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— Zusätzlicher Analyseansatz «quantitatives Modell»: Der im Rahmen dieser Studie

allgemein verwendete semi-quantitativer Ansatz mit Hochrechnung mehrerer Fallbei-

spiele wurde für die Nutzenanalyse im Bereich der Airlines mit einem, auf einem for-

malen Entscheidungsmodell basierenden, quantitativen Ansatz ergänzt.

— Zusätzlicher Referenzzustand «schlechte Qualität»: Nebst dem Referenzzustand

«keine Wetterinformationen» wurde ein zusätzlicher Zustand mit schlechterer Qualität

der meteorologischen Information als Referenz verwendet (Referenzzustand

«schlechte Qualität»). Das Qualitätsniveau wurde dabei so gewählt, dass ein Flugbe-

trieb im heutigen Sinn noch möglich ist. Der Referenzzustand «schlechte Qualität»

wurde von den Flugwetterspezialisten bei MeteoSchweiz genau beschrieben und den

Airlines in schriftlicher Form vor den Interviews zur Verfügung gestellt (siehe Anhang

A-3). Dieser Referenzzustand ermöglicht eine Erfassung aller Nutzenkomponenten,

das Ausmass des Nutzes wird aber systematisch unterschätzt. Letzteres weil der Nut-

zen nicht als Differenz zwischen dem Nutzenniveau ohne Wetterinformationen und

dem aktuellen Nutzenniveau gemessen wird, sondern als Differenz zwischen dem

Nutzenniveau mit schlechteren Wetterinformationen und dem aktuellen Nutzenni-

veau.

Verwendete Ansatz-Referenz-Kombinationen

Tabelle 31 zeigt die im Rahmen dieser Studie verwendeten Ansatz-Referenz-

Kombinationen:

— Wie im Kapitel 5.4 beschrieben geht die Flugsicherung bei fehlenden meteorologi-

schen Informationen (Referenzzustand «keine Wetterinformationen») von einem Ka-

pazitätsrückgang im unteren Luftraum der Schweiz um etwa 30% aus. Basierend auf

diesen Aussagen wurden die Airlines gefragt, welche Auswirkungen eine solche Ka-

pazitätsreduktion für sie haben würde. Da eine tiefere Luftraumkapazität das Be-

triebskonzept der Airlines nicht grundsätzlich in Frage stellt, konnten die Airlines die

Folgen beschreiben. Die Konzentration auf den Kapazitätsaspekt blendet jedoch alle

anderen Nutzenkomponenten aus.

— Parallel dazu wurden die Airlines mit einer Qualitätsreduktion der meteorologischen

Information konfrontiert (hierfür wurde der Referenzzustand «schlechte Qualität»

verwendet) und nach den Auswirkungen dieser hypothetischen Situation gefragt. Im

Gegensatz zur vorgängig beschriebenen Kapazitätsreduktion umfasst die Qualitäts-

reduktion mehr Nutzenkomponenten, das Ausmass des Nutzens wird aber unter-

schätzt.

— Das quantitative Modell «TAF Zürich» verwendet den Referenzzustand «keine Wet-

terinformationen», umfasst also das ganze Ausmass des Nutzens, konzentriert sich

aber auf eine Teilmenge der meteorologischen Informationen. Dies ermöglicht relativ

präzise, quantitative Aussagen zum Nutzen der Flughafenwetterprognose am Flugha-

fen Zürich. Alle anderen Nutzenkomponenten werden ausgeblendet.

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Referenzzustand: keine meteorologischen Informationen verfügbar

Referenzzustand: schlechtere Qualität der meteorologischen Informationen

semi-quantitativer Ansatz: Hochrechnung von Fallbeispielen

Kapazitätsreduktion Qualitätsreduktion

quantitativer Ansatz: formales Entscheidungsmodell

Quantitatives Modell «TAF Zürich»

Tabelle 31: Im Rahmen der vorliegenden Studie im Kapitel Aviatik verwendete Kombinationen von Referenz-zuständen und Ansätzen.

Die parallele Verwendung der beschriebenen Methoden ermöglicht eine differenzierte

Analyse und eine Annäherung an den tatsächlichen Nutzen aus verschiedenen Perspek-

tiven.

5.5.4 Aussagen der befragten Unternehmen zur Wirkung auf die Wirtschaftlichkeit

Meteorologische Informationen wirken über verschiedene Kanäle auf die Wirtschaftlich-

keit der Airlines.

Routenplanung

Durch den Einsatz von Windprognosen ist es möglich, die Flugdauer und den Treibstoff-

verbrauch auf verschiedenen Routen genau54 zu prognostizieren, dadurch kann die er-

tragsoptimale Route ausgewählt werden. In erster Linie geschieht dies über die Minimie-

rung des Treibstoffverbrauchs, indem die mitzunehmende Treibstoffmenge der erwarte-

ten Flugdauer angepasst wird. Der wirtschaftliche Effekt ist bei Langstreckenflügen be-

sonders gross, da zum Transport einer zusätzlichen Tonne Treibstoff auf einem Lang-

streckenflug bis zu 250kg Treibstoff nötig sind. Zusätzlich kann, bei entsprechender

Nachfrage und geringerer Betankung, mehr Fracht mitgenommen werden.

Meteorologische Prognosen sind eine zwingende Voraussetzung für die Routenplanung

an sich, da ohne Prognosen über die Verfügbarkeit der (Ausweich-) Flughäfen zum Zeit-

punkt der eventuellen Nutzung kein Flug geplant werden kann. Die berücksichtigten Airli-

nes sind sich einig, dass ohne Prognosen über den Wetterzustand entlang der Route und

im Zielgebiet keine Flüge unter den aktuellen Bedingungen (erwartetes Sicherheitsni-

veau, Sicherheitsbestimmungen) durchgeführt werden könnten. Diese Aussage wurde

vom Büro für Flugunfalluntersuchung und von der Flugsicherung bestätigt.

Mit schlechteren meteorologischen Informationen, so wie sie im Referenzzustand

«schlechte Qualität» beschrieben sind, wäre eine Routenplanung unter den aktuellen

Bedingungen möglich. Schon heute gibt es weltweit gesehen sehr unterschiedliche Prog-

nosequalitäten im Bereich der Flughafenwettervorhersagen. Solange die Prognosen nicht

völlig falsch sind, können die Airlines damit umgehen. Sie müssten aber bei schlechteren

meteorologischen Informationen konservativer planen, d.h. mehr Treibstoff mitnehmen55.

54 Die Prognose der Flugdauer ist heute sehr präzise, der Fehler bei einem 6-stündigen Flug liegt unter 5 Minuten. Ohne

meteorologische Informationen wäre der Fehler, gemäss den Aussagen der befragten Akteure, im Bereich von Stunden.

55 Die Auswirkungen auf den Flugbetrieb sind unterschiedlich, je nach dem, ob eine meteorologische Prognose zu positiv

oder zu negativ ist. Bei zu negativen Prognosen (das Wetter ist besser als erwartet) wird unnötigerweise zusätzlicher

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Auch die unpräziseren Prognosen der Upper Air Winds würden eine konservativere Pla-

nung erfordern, weil die Flugdauer weniger genau prognostiziert werden könnte. Nebst

den höheren Treibstoffkosten, könnten die schlechteren meteorologischen Informationen

zu Ertragsausfällen führen, wenn wegen des zusätzlichen Treibstoffs weniger Fracht

und/oder weniger Passagiere mitgenommen werden könnten. Eine Quantifizierung der

zusätzlichen Kosten und der Ertragsausfälle ist aber nicht möglich.

Verspätungskosten

Zwischen 2005 und 2009 machten wetterbedingte Verspätungen 39-46% aller Flughafen-

Verspätungen aus (Eurocontrol 2010). Durch die Nutzung von Wetterinformationen kann

ein Teil der wetterbedingten Verspätungen vermieden werden (vgl. Kapitel 5.4). Die Airli-

nes haben aber nur beschränkt die Möglichkeit, auf die Entstehung von Verspätungen

einzuwirken, da das Management des Luftraums durch die Flugsicherung durchgeführt

wird. Trotzdem tragen die Airlines und die Kunden der Airlines den grössten Teil der Kos-

ten von Verspätungen.

Durch Verspätungen entstehen bei den Airlines taktische und strategische Kosten (vgl.

Eurocontrol 2004): Die taktischen Kosten umfassen alle direkt durch die Verspätung aus-

gelösten Kosten wie beispielsweise der zusätzlich verbrauchte Treibstoff durch Wartezei-

ten in der Luft und am Boden, die zusätzlich benötigten Personal- und Flugzeugstunden,

die Betreuung und Kompensation von verspäteten Passagieren sowie der Verlust an Re-

putation. Strategische Kosten hingegen entstehen durch die vorausschauende Berück-

sichtigung von Verspätungen in der Planung beispielsweise durch die Einführung von

Pufferzeiten.

Die Höhe der Verspätungskosten ist von verschiedensten, sich gegenseitig beeinflussen-

den, Faktoren abhängig. Aus diesem Grund konnte keine der befragten Unternehmungen

eine Aussage zur Höhe von Verspätungskosten machen. Generell lassen sich aus den

Aussagen der Akteure folgende Thesen aufstellen:

— Bei einem Netzwerk-Carrier entstehen höhere Kosten als bei einem Punkt-zu-Punkt-

Carrier.

— Je grösser der Anteil an Umsteigepassagieren auf einem Flug ist, desto grösser sind

die Kosten einer Verspätung.

— Flughäfen mit Nachtflugverbot generieren höhere Verspätungskosten als Flughäfen

ohne Nachtflugverbot. Mit Nachtflugverbot können Verspätungen dazu führen, dass

Reserve-Treibstoff mitgenommen, um auf mögliche Verzögerungen durch das schlechte Wetter vorbereitet zu sein. Der

Transport des zusätzlichen Gewichtes führt direkt zu Mehrkosten. Bei zu positiven Prognosen (das Wetter ist schlechter

als erwartet) wird kein zusätzlicher Treibstoff mitgenommen, auch wenn dies möglicherweise nötig wäre. Es entstehen da-

bei für die Airline keine direkten Kosten, solange das Gesamtsystem auf eine solche Fehlplanung reagieren kann (z.B.

durch eine prioritäre Abfertigung von Flugzeugen ohne genügende Reserve durch die Flugsicherung). Sind aber viele Flü-

ge gleichzeitig betroffen, kann das Gesamtsystem nicht mehr reagieren und es entstehen zusätzliche Kosten, beispiels-

weise durch das Umleiten von Flügen auf andere Flughäfen. Ausserdem nimmt das Sicherheitsniveau ab. Aus diesen

Gründen ist anzunehmen, dass, falls die Airlines und die Piloten um die schlechtere Qualität der meteorologischen Infor-

mationen wüssten, die Planung im Durchschnitt konservativer würde und im Vergleich zu heute häufiger zusätzliche Treib-

stoffreserven mitgenommen würden.

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die letzten Flüge nicht oder nur mit einer geringen Auslastung durchgeführt werden

können. Passagiere müssen in diesem Fall in Hotels untergebracht werden, was zu

erheblichen Zusatzkosten führen kann.

— Je komplexer die Flugverbindungen, desto höher die Kosten, welche durch Verspä-

tungen ausgelöst werden.

Es existiert keine, in der Airline-Branche allgemein akzeptierte, Kostenschätzung für eine

Verspätungsminute. Eurocontrol geht davon aus, dass jede Verspätungsminute (bei Ver-

spätungen von über 15 Minuten) im Durchschnitt 72 Euro taktische Kosten bei den Airli-

nes verursacht (Eurocontrol 2004). Die tatsächlichen Kosten sind aber je nach Airline und

je nach Flugverbindung und Tageszeit sehr unterschiedlich.

Irregularity Handling

Wetterphänomene führen nicht nur zu Verspätungen, sondern können auch zu anderen

Problemen wie beispielsweise Umleitungen, Flugabbrüche, Annullierungen oder unge-

wollten Tankstops führen. Der Umgang mit diesen Ausnahmesituationen wird als «Irregu-

larity Handling» bezeichnet. Meteorologische Informationen können die Kosten beim «Ir-

regularity Handling» reduzieren. Dies lässt sich am besten an zwei Beispielen illustrieren:

— Beispiel Nebel: Wenn die Airline genau weiss, wann sich der Nebel am Zielflughafen

auflöst, kann das Flugzeug am Ausgangsflughafen warten statt umzukehren oder ei-

ne Zwischenlandung (Tankstopp) einlegen zu müssen.

— Beispiel Schneefall: Wenn die Airline weiss, dass es am Morgen und gegen Abend

stark schneit aber über Mittag weniger, können die Flüge über Mittag konzentriert

durchgeführt werden, was die Anzahl annullierter Flüge reduziert.

Generell gilt: Je besser die Airline über das kommende Wetter informiert ist, desto kleiner

sind die Kosten, die durch «Irregularity Handling» auftreten. Eine Schätzung der durch

die meteorologischen Informationen induzierte Kostenersparnis ist aber in keinem Fall

möglich.

Netzwerkeffekte

Die in den vorherigen Kapiteln beschriebenen Effekte gelten sowohl für Netzwerk- als

auch für Point-to-Point-Carrier. Ein Teil des Nutzens von meteorologischen Informationen

entsteht aber nur durch die spezifischen Organisationsstrukturen der Netzwerk-Carrier. In

der Schweiz betrifft dies insbesondere die Airline Swiss.

Für die Swiss ist der Flughafen Zürich das wichtigste Drehkreuz (Hub) im Streckennetz.

Passagiere fliegen mit Zubringer-Flügen nach Zürich und steigen dort in grössere Flug-

zeuge um, die sie zu den Enddestinationen bringen. Diese «Hub-and-Spokes» genannte

Strategie ermöglicht den Einsatz von grösseren, wirtschaftlicheren Flugzeugen und führt

zu Kostenersparnissen durch die Bündelung der Leistungen am Boden. Langstreckenflü-

ge lassen sich so viel wirtschaftlicher durchführen und somit günstiger anbieten. Rund

65% der gesamten Verkehrsleistung im Luftverkehr werden nach dem «Hub-and-

Spokes» System abgewickelt (DBR 2006). In Europa zählen London-Heathrow, Paris

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CDG, Frankfurt, Amsterdam und Madrid zu den grossen Hubs (Mega-Hubs). Daneben

gibt es eine Reihe von Sekundär-Hubs, die sowohl als Zubringerflughafen für Mega-Hubs

als auch als eigenständiger Hub fungieren. Der Flughafen Zürich ist ein klassischer Se-

kundär-Hub. Gemäss den Aussagen der betroffenen Akteure können Langstreckenver-

bindungen ab Zürich nur angeboten werden, weil die Passagiere mit bis zu 30 verschie-

denen Zubringerflügen (Mittel- und Kurzstrecke) nach Zürich geflogen werden. Der

schweizerische Markt ist alleine zu klein, um die Langstreckenflüge zu füllen. Ab Zürich

könnten ohne Umsteigepassagiere nur etwa zwei bis drei Langstreckenverbindungen

angeboten werden.

Damit ein Flughafen eine Hub-Funktion wahrnehmen kann, müssen folgende Vorausset-

zungen erfüllt sein:

— Ein Netzwerk-Carrier muss den Flughafen als Hub verwenden (strategischer Ent-

scheid der Airline)

— Der Flughafen muss genügend Kapazität für alle Zubringer-Flüge aufweisen

— Der Flughafen muss sehr zuverlässig sein, da Probleme (Verspätungen, Annullierun-

gen usw.) am Hub zu hohen Kosten für den Netzwerk-Carrier führen

Der Flughafen Zürich erfüllt diese Voraussetzungen in der aktuellen Situation und kann

deshalb auch als Hub verwendet werden. Die im Referenzzustand «schlechte Qualität»

definierte Qualitätsreduktion würde aber, gemäss den Aussagen der betroffenen Airline,

die Zuverlässigkeit des Flughafens so stark beeinträchtigen, dass dieser nicht mehr als

Hub verwendet werden könnte. Diese Aussage stützt sich darauf, dass in Zürich die Wet-

tersituation, insbesondere im Herbst und Winter (Nebel, Schnee), oft relativ kritisch ist.

Dieser Standortnachteil kann aber unter anderem durch gute meteorologische Prognosen

verkleinert werden. Insofern sind, gemäss den Aussagen, vor allem die lokalen Flugwet-

terprodukte (Flughafenwetterzustand und Flughafenwetterprognose) entscheidend für die

Eignung von Zürich als Hub.

Eine massive Kapazitätsreduktion würde, gemäss den Aussagen, dazu führen, dass die

Langstreckenflüge zu wenig ausgelastet und somit nicht wirtschaftlich betrieben werden

könnten. Somit ist, trotz unterschiedlicher Wirkungsmechanismen, der Effekt der Kapazi-

tätsreduktion und der Qualitätsreduktion identisch: Die Hub-Funktion würde auf andere

Flughäfen verlagert (z.B. München oder Frankfurt im Fall der Swiss).

5.5.5 Aussagen der befragten Unternehmen zur Wirkung auf die Qualität der

Leistungserbringung

Unfallwahrscheinlichkeit

Die Verwendung von meteorologischen Informationen führt zu besseren Entscheidungen,

zu weniger kritischen Situationen und zu einem kleineren Stressniveau bei der Flugzeug-

besatzung und beim Bodenpersonal. Insgesamt lassen die Aussagen der Airlines den

Schluss zu, dass das Sicherheitsniveau dank meteorologischen Informationen höher ist.

Diese Aussagen wurden durch das Büro für Flugunfalluntersuchung bestätigt. Die be-

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rücksichtigten Akteure waren aber nicht in der Lage, die Wirkung auf die Unfallwahr-

scheinlichkeit abzuschätzen.

Verspätungen

Der Zusammengang zwischen meteorologischer Information und Verspätungen wurde

ausführlich im Kapitel 5.4 beschrieben.

5.5.6 Würdigung der Aussagen

Alle berücksichtigten Akteure sind sich in der Einschätzung der Wirkung von meteorolo-

gischen Informationen grundsätzlich einig. Meteorologische Informationen sind eine not-

wendige Voraussetzung für den Betrieb jeder Airline. Wären diese Informationen in einer

schlechteren Qualität als heute verfügbar, hätte dies einen wesentlichen Einfluss auf die

Wirtschaftlichkeit der Airlines und auf das Sicherheitsniveau des Flugverkehrs. Eine

Quantifizierung der Effekte ist durch die Akteure nicht oder nur sehr beschränkt möglich.

Dies ist nachvollziehbar, da meteorologische Informationen in fast allen Bereichen der

Airlines eine zentrale Rolle spielen und verschiedenste wirtschaftlichkeitsrelevante Fakto-

ren beeinflussen. Ausserdem hat sich für die Airlines die Frage nie gestellt, ob meteoro-

logische Informationen verwendet werden sollen oder nicht; es fehlen daher die Grundla-

gen, um diese Frage quantitativ zu beantworten. Für jeden Teilaspekt müsste ein quanti-

tatives Modell entwickelt werden. Für den Teilaspekt des Einflusses der Flughafenwetter-

prognose auf Treibstoff- und Ausweichkosten am Flughafen Zürich wurde im Rahmen der

vorliegenden Studie ein solches Modell entwickelt (vgl. Kapitel 5.6).

Gesamtwirtschaftlicher Effekt von Verspätungen

Weniger Verspätungen führen nicht nur zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit einzelner

Airlines, sondern haben auch einen positiven Effekt auf die Wirtschaftlichkeit des Ge-

samtsystems Luftfahrt und auf die Reisezeit der Passagiere. Eine Quantifizierung dieser

Effekte ist aber nicht möglich.

Der Flughafen Zürich als Hub

Da die Swiss als einziger Netzwerk-Carrier am Flughafen Zürich rund 60% der Flugbe-

wegungen abwickelt, hätte eine Verlagerung der Hub-Funktion ins Ausland eine zweifa-

che Wirkung:

— Wirkung auf die Wirtschaftlichkeit der Airline: Es kann davon ausgegangen werden,

dass die Verlagerung der Hub-Funktion einen wesentlichen Einfluss auf die Swiss

hätte. Ein mögliches Szenario wäre die Überführung der Langstreckenverbindungen

in die Lufthansa und die Weiterführung einer «geschrumpften» Swiss als Point-to-

Point Carrier mit Basis Zürich. Dies ist aber nur eine Hypothese, die tatsächlichen

Auswirkungen auf das Unternehmen sind offen und von vielen unternehmensinternen

Faktoren abhängig. Eine volkswirtschaftliche Bewertung des Effektes kann im Rah-

men dieser Studie deshalb nicht durchgeführt werden.

— Wirkung auf den Flughafen Zürich sowie auf die Standortattraktivität der Region Zü-

rich und der Schweiz: Diese Thematik wird im Kapitel 5.7.5 analysiert.

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5.6 Quantitatives Modell «TAF Zürich»

Um eine quantitative Aussage über den Nutzen der Meteorologie im Bereich der Aviatik

machen zu können, wurde im Rahmen dieser Studie für die Flughafenwetterprognose

(Terminal Aerodrome Forecast, TAF) am Flughafen Zürich ein quantitatives Nutzenmo-

dell entwickelt. Das im Folgenden beschriebene Modell basiert auf den Arbeiten von

Leigh, Drake und Thampapillai aus dem Jahr 1995 (Leigh 1995 sowie Leigh et al. 1995).

Diese Arbeiten analysieren den wirtschaftlichen Nutzen des TAF am Beispiel der Flugge-

sellschaft Qantas am Flughafens Sydney. Für europäische Flughäfen existiert, gemäss

unserem Wissen, keine vergleichbare Studie. Da sich die organisatorischen, geographi-

schen und meteorologischen Bedingungen in Zürich wesentlich von denjenigen in Syd-

ney unterscheiden, musste die Methodik von Leigh et al. erweitert und an die lokalen

Verhältnisse angepasst werden, insbesondere wurde das tatsächliche Entscheidungs-

verhalten der Nutzer/innen des Flughafens Zürich (Airlines resp. Pilot/innen) durch Be-

fragungen ermittelt und modelliert. Bei der Anpassung wurden wir durch die im Rahmen

dieser Studie berücksichtigten Akteure unterstützt.

Da das hier entwickelte quantitative Modell nur den wirtschaftlichen Effekt eines einzel-

nen Flugwetterproduktes (TAF) berücksichtigt, ist der ausgewiesene Nutzen nur ein Teil

des Gesamtnutzens der Meteorologie im Bereich der Aviatik. Die Wahl des TAF als Un-

tersuchungsgegenstand basiert auf folgenden Überlegungen:

— Die Bereitstellung des TAF ist eine Kernaufgabe von MeteoSchweiz im Bereich des

Flugwetters.

— Das TAF lässt sich nicht einfach durch Informationen aus dem Ausland kompensie-

ren, da für die Prognose lokal verfügbare Messstationen nötig sind. MeteoSchweiz

unterhält zu diesem Zweck am Flughafen Zürich ein intensives Mess- und Beobach-

tungssystem.

— Der Nutzen des TAF lässt sich, im Vergleich zu anderen Nutzenkomponenten in der

Aviatik, gut isolieren.

— Durch die bei MeteoSchweiz verfügbare Verifikation der TAF-Prognosen ist eine gute

Datenbasis für Analysen vorhanden.

5.6.1 Modellbeschreibung

Das Modell berücksichtigt nur Flüge nach Zürich («inbound») und modelliert das Ent-

scheidungsverhalten der Airlines unter unterschiedlichen Bedingungen. Bei der Flugpla-

nung hat das erwartete Wetter am Zielflughafen einen entscheidenden Einfluss auf die

mitgenommene Menge Treibstoff. Wird ungünstiges Wetter erwartet, nehmen die Airlines

tendenziell mehr Treibstoff mit, um auf mögliche Probleme (mehrfacher Abbruch der Lan-

dung, Warteschleifen, Verspätungen usw.) besser reagieren zu können. Diese zusätzli-

che Menge Treibstoff wird hier als Schlechtwetterreserve bezeichnet. Die Schlechtwetter-

reserve wird einerseits aus Sicherheitsgründen mitgenommen, andererseits aber auch

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112 / 5 Aviatik

um wirtschaftlichen Schäden vorzubeugen. Hat ein Flugzeug zu wenig Reserve mitge-

nommen, muss der Flug möglicherweise abgebrochen oder auf einen anderen Flughafen

umgeleitet werden, was in jedem Fall zu zusätzlichen Kosten führen würde. In diesem

Sinn kann die Mitnahme der zusätzlichen Schlechtwetterreserve als Versicherung be-

trachtet werden. Die «Versicherungsprämie» ist in diesem Fall gleich den Kosten des

zusätzlich verbrauchten Treibstoffes, der für den Transport der Reserve nötig ist.56

Entscheidungsverhalten der Airline

Vor dem Start entscheidet die Airline (Flight Dispatch und Cockpit-Crew), ob eine zusätz-

liche Schlechtwetterreserve mitgenommen werden soll oder nicht. Die Entscheidung der

Airline lässt sich in einem Entscheidungsbaum (Figur 16) darstellen:

1. Die Airline entscheidet basierend auf der TAF-Wetterprognose, ob eine

Schlechtwetterreserve mitgenommen werden soll oder nicht. Die Schlechtwetter-

reserve wird nur mitgenommen, wenn das TAF ungünstiges Wetter prognostiziert.

2. Bei der Ankunft in Zürich können zwei verschiedene Wetterzustände eintreten:

Das Wetter ist ungünstig (z.B. Gewitter, Schnee, Nebel, schlechte Sicht) oder das

Wetter ist günstig (keine negativen Wettereinflüsse). Die Wahrscheinlichkeit des

Eintretens der beiden Varianten ist unabhängig vom Entscheid der Airline.

3. Ist das Wetter günstig kann in jedem Fall gelandet werden, egal ob die Reserve

mitgenommen wurde oder nicht. Ist das Wetter ungünstig wird die Cockpit-Crew

trotzdem eine Landung versuchen, was manchmal klappt und manchmal nicht.

Wenn das Landen nicht klappt, muss auf einen Ausweichflughafen gelandet wer-

den. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Landung am Zielflughafen gelingt, hängt

davon ab, ob die Schlechtwetterreserve mitgenommen wurde oder nicht. Mit

Schlechtwetterreserve ist die Wahrscheinlichkeit landen zu können p; ohne

Schlechtwetterreserve ist die Wahrscheinlichkeit q.

56 Die Kosten der Reserve selbst sind nicht Teil der Versicherungsprämie, da die Reserve nicht zwingend verbraucht wird.

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«Entscheidungsbaum Modell TAF Zürich»

Reserve mitgenommen

Reserve nicht mitgenommen

Wetterungünstig

Wettergünstig

Wetterungünstig

Wettergünstig

Landen

1-pp

LandenAusweichenLanden

1-qq

AusweichenLanden

SchlechtwetterReserve

ja nein

econcept

Figur 16: Entscheidungsbaum der Airlines: p ist die Wahrscheinlichkeit, dass bei erwartet ungünstigem Wetter gelandet werden kann und q die Wahrscheinlichkeit, dass bei unerwartet ungünstigem Wetter gelandet werden kann.

Kostenfolgen

Für die Airline können folgende Kosten entstehen:

— Kosten D: Muss der Flug auf dem Ausweichflughafen landen, entstehen zusätzliche

Kosten im Umfang von D.

— Kosten C2: Das Mitführen der Schlechtwetterreserve verursacht zusätzliche Kosten

im Umfang von C2.

Wie Tabelle 32 zeigt, sind die Kostenfolgen für die Airline von ihrer Entscheidung

(Schlechtwetterreserve mitnehmen oder nicht) und vom tatsächlichen Wetter (günstig

oder ungünstig) abhängig. Die Kosten C1 und L lassen sich aus den Kosten C2 und D

sowie den Wahrscheinlichkeiten p und q ableiten. Dabei gelten folgende Zusammenhän-

ge:

C1 = C2 + (1-p) × D (1)

L = (1-q) × D (2)

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Schlechtwetterreserve mitgenommen

Schlechtwetterreserve nicht mitgenommen

Tatsächliches Wetter ungünstig C1 L

Tatsächliches Wetter günstig C2 0

Tabelle 32: Die Kostenfolgen für die Airline von ihrer Entscheidung (Schlechtwetterreserve mitnehmen oder nicht) und vom tatsächlichen Wetter (günstig oder ungünstig) abhängig.

Relative Frequenzen

Im Modell ist die Entscheidung der Airline nur von der Wetterprognose abhängig: Wird

ungünstiges Wetter prognostiziert nimmt die Airline die Schlechtwetterreserve mit, an-

sonsten nicht.

Die Kombination von Prognose (TAF) und tatsächlichem Wetter mit jeweils zwei Ausprä-

gungen resultiert in vier verschiedenen Kombinationsmöglichkeiten. Die relativen Fre-

quenzen (f11, f21, f12, f22) dieser Kombinationen lassen sich in einer Kontingenztabelle

(Tabelle 33) darstellen.

Prognose:

Wetter ungünstig Prognose: Wetter günstig

Total

Tatsächliches Wetter ungünstig

f11

f21 f01

Tatsächliches Wetter günstig

f12 f22 f02

Total f10 f20 1

Tabelle 33: Kontingenztabelle der relativen Frequenzen der vier Kombinationsmöglichkeiten

5.6.2 Wirtschaftlicher Nutzen des TAF

Der wirtschaftliche Nutzen des TAF für die Airline wird als Differenz zwischen den erwar-

teten Kosten mit TAF (ECMIT) und den erwarteten Kosten ohne TAF (ECOHNE) definiert.

Erwartete Kosten mit TAF

Die erwarteten Kosten mit TAF für die Airline ergeben sich aus der Multiplikation der Kos-

tenfolgen (Tabelle 32) mit der Kontingenztabelle (Tabelle 33).

ECMIT = f11×C1 + f12×C2 + f21×L (3)

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Erwartete Kosten ohne TAF

Fehlt das TAF, kennen die Airlines das erwartete Wetter in Zürich nicht und müssen sich

entsprechend vorsichtig verhalten und immer eine Schlechtwetterreserve mitnehmen.

Ausserdem erfordern die internationalen Regeln, dass in einem solchen Fall nicht nur ein

Ausweichflughafen, sondern zwei Ausweichflughäfen in die Planung aufgenommen wer-

den müssen57, was die Mitnahme von zusätzlichem Treibstoff erfordert. Das Mitführen

des zusätzlichen Treibstoffes für den zweiten Ausweichflughafen führt zu zusätzlichen

Kosten im Umfang von A. Die erwarteten Kosten ohne TAF sind demnach:

ECOHNE = f01×C1 + f02×C2 + A (4)

Wirtschaftlicher Nutzen des TAF

Der wirtschaftliche Nutzen des TAF (EV) ist somit die Differenz zwischen Gleichung (4)

und Gleichung (3):

EV = ECOHNE - ECMIT (5)

Da sich die Kostenfolgen je nach Dauer des Fluges und je nach verwendetem Flugzeug-

typ unterscheiden, wird EV für jede «inbound»-Flugverbindung (resp. für eine Gruppe

ähnlicher Flugverbindungen) einzeln ermittelt. Anhand der Anzahl Landungen in Zürich

pro Jahr kann daraus der Gesamtnutzen des TAF für die Airline berechnet werden.

5.6.3 Datengrundlage

Daten der Airlines

Die beiden im Rahmen der Studie berücksichtigten Airlines lieferten Schätzungen der

verschiedenen betrieblichen Kostenfolgen, des Treibstoffpreises sowie der Wahrschein-

lichkeiten p und q. Ausserdem standen uns detaillierte Angaben zum Fahrplan und zur

Frequenz der Landungen in Zürich zur Verfügung. Die Flugverbindungen wurden nach

der Flugdauer in bis zu vier verschiedene Kategorien pro Airline eingeteilt. In jeder Kate-

gorie wurden anschliessend, anhand eines in dieser Kategorie verwendeten Flugzeug-

typs, die betrieblichen Kostenfolgen durch die Airline geschätzt. Die direkt von der Flug-

dauer abhängigen Kostenkomponenten (Treibstoffkosten) wurden innerhalb der Katego-

rie zusätzlich mit der effektiven Flugdauer skaliert, um eine grössere Genauigkeit zu er-

reichen.

Die Wahrscheinlichkeiten, trotz ungünstigem Wetter landen zu können, wurden von den

befragten Akteuren auf p=0.9999 (erwartet ungünstig) und q=0.9984 (unerwartet ungüns-

tig) geschätzt. Diese Angaben basieren auf folgenden Überlegungen:

57 Wir vernachlässigen in diesem Modell die Möglichkeit der Airlines, eine Planung ohne Ausweichflughafen aber mit zusätz-

licher Zeitreserve durchzuführen. Dieses «ADNAR» genannte Spezial-Verfahren kommt nur bei Flügen unter 6 Stunden

und bei gewissen meteorologischen Bedingungen zur Anwendung. Aus den Daten der Airlines hat sich gezeigt, dass der

wirtschaftliche Unterschied zwischen ADNAR-Verfahren und Standard-Verfahren, relativ zu den anderen Effekten, klein ist.

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116 / 5 Aviatik

— Erwartet ungünstiges Wetter: In diesem Fall kommt es praktisch nie zu einer Diversion,

weil die Airlines gut vorbereitet sind und die Schlechtwetterreserve, beispielsweise für

längere Warteschlaufen, verwenden können.

— Unerwartet ungünstiges Wetter: Auch in diesem Fall haben die Airlines einige Optionen,

da sie in jedem Fall, auch ohne explizite Schlechtwetterreserve, Reservetreibstoff dabei

haben und diese einsetzen können. Ausserdem kann die Cockpit-Crew mit einem

«Commitment to Land», d.h. mit der Bekundung in jedem Fall in Zürich landen zu wollen,

auch die für die Benutzung des Ausweichflughafens vorgesehene Reserve verwenden.

Erst wenn das Wetter sehr viel schlechter als erwartet ist, steigt die Wahrscheinlichkeit

für eine Ausweichlandung deutlich an.

Setzt man die Werte für p und q in das Modell ein, sind die Anzahl der Ausweichlandungen

im Modell und in der Realität in der gleichen Grössenordnung. Dies Verifikation bestätigt die

Angaben der befragten Akteure zu den Wahrscheinlichkeiten p und q.

Um der Bedeutung des Treibstoffpreises Rechnung zu tragen, wurde in einer Szenarioanaly-

se (siehe Kapitel 5.6.4) der Effekt von unterschiedlichen Treibstoffpreisen auf den Nutzen

des TAF analysiert. Im Basisszenario gehen wir von einem Treibstoffpreis von 1.08 CHF / kg

aus.

Meteorologische Daten

Die meteorologischen Daten basieren auf der Überprüfung der TAF-Prognosen (TAF-

Verifikation) zwischen dem 1. April 2008 und dem 31. März 2010, welche von Meteo-

Schweiz im Rahmen des Qualitätsmanagements standardmässig durchgeführt wird. Weil

die TAF-Verifikation auf einzelnen meteorologischen Parametern beruht und die zur Ver-

fügung stehende Datengrundlage keine kombinierten Auswertungen zuliess, basieren die

meteorologischen Inputs auf der TAF-Verifikation des Parameters «Sicht»58. Die Wahl

der Sicht als Leitparameter ist meteorologisch begründet, weil verschiedenste Wetter-

phänomene einen Einfluss auf die Sicht haben. Ausserdem ist die aktuelle Prognosequa-

lität für diesen Parameter schlechter als für andere, was das Resultat der Schätzung be-

lastbarer macht. Tabelle 34 zeigt die aus der TAF-Verifikation ermittelten relativen Fre-

quenzen.

58 Eine Kombination der Auswertungsresultate von verschiedenen Einzelparametern ist nicht möglich, da diese nicht unab-

hängig sind.

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Prognose: Wetter ungünstig

Prognose: Wetter günstig

Total

Tatsächliches Wetter ungünstig

0.0796 0.0493 0.1289

Tatsächliches Wetter günstig

0.1266 0.7444 0.8711

Total 0.2062 0.7938 1.0000

Tabelle 34: Kontingenztabelle mit den durch die TAF-Verifikation ermittelten relativen Frequenzen

5.6.4 Resultate

Tabelle 35 fasst die Resultate des quantitativen Modells für die zwei berücksichtigten

Airlines zusammen. Die Berechnung basiert auf einem Treibstoffpreis von 1.08 CHF / kg

und den Angaben der Airlines zum aktuellen Flugfahrplan.

Airline 1

(Netzwerk-Carrier) Airline 2

(Point-to-Point-Carrier)

Flüge bis 6 h Dauer 4.77 Mio. CHF/a 0.287 Mio. CHF/a

Flüge ab 6 h Dauer 8.42 Mio. CHF/a Keine Flüge

Total 13.19 Mio. CHF/a 0.287 Mio. CHF/a

Tabelle 35: Nutzen des TAF am Flughafen Zürich für die beiden berücksichtigten Airlines (Mio. CHF pro Jahr). Die Berechnungen basieren auf einem Treibstoffpreis von 1.08 CHF / kg und auf den Angaben der Airlines zum aktuellen Flugfahrplan.

Die Auswertung des Nutzens pro Landung zeigt eindeutig, dass der Nutzen des TAF mit

der Flugdauer überproportional zunimmt (vgl. Figur 17).

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«Nutzen pro Landung nach Flugdauer»

CHF 73CHF 195

CHF 961

CHF 1'780

0

500

1000

1500

2000

bis 3h bis 6h bis 10h ab 10h

econcept

Figur 17: Nutzen (CHF) des TAF pro Landung nach Flugdauer (Durchschnittswert für die beiden berück-sichtigten Airlines). Der Nutzen nimmt überproportional mit der Flugdauer zu.

Folgende Resultate konnten durch die Auswertung des quantitativen Modells somit bes-

tätigt werden:

— Die Verfügbarkeit des TAF am Flughafen Zürich führt zu einem relevanten wirtschaft-

lichen Effekt bei den Airlines, der für alle analysierten Flugverbindungen positiv ist.

— Der positive wirtschaftliche Effekt ist bei Langstreckenflügen besonders ausgeprägt,

da die Treibstoffkosten hier besonders ins Gewicht fallen.

Szenarien

Das Modell basiert einerseits auf Datenauswertungen (Flugfahrpläne, TAF-Verifikation)

und andererseits auf Einschätzungen der befragten Akteure. Folgende Parameter wurden

hinsichtlich ihres Einflusses auf das Endresultat und auf die Varianz der Angaben der

Airlines überprüft.

Modellparameter Varianz bei den Angaben der Akteure

Einfluss auf den Nutzen

1 Kostenfolgen einer Ausweichlandung gross klein

2 Wahrscheinlichkeiten p und q klein gross

3 Umfang der Schlechtwetterreserve klein gross

4 Umfang der Treibstoffreserve für den zweiten Ausweichflughafen mittel mittel

5 Verbrauch mittel gross

Tabelle 36: Einschätzung der von den Akteuren geschätzten Modellparametern hinsichtlich ihres Einflusses auf das Endresultat und hinsichtlich der Varianz der Angaben der Akteure.

Basierend auf dieser Einschätzung (vgl. Tabelle 36) wurde ein Minimal- resp. ein Maxi-

malszenario definiert, welches die nutzenminimierende resp. die nutzenmaximierende

Kombination der Parameter 1, 4 und 5 enthält. Die im Szenario «plausibel» verwendeten

Werte reflektieren die unserer Meinung nach plausibelste Parameterkombination. Die

nachfolgende Tabelle fasst die so erhaltenen Resultate zusammen:

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«minimal» «plausibel» «maximal»

Airline 1 10.27 Mio. CHF/a 13.19 Mio. CHF/a 15.70 Mio. CHF/a

Airline 2 0.285 Mio. CHF/a 0.287 Mio. CHF/a 0.288 Mio. CHF/a

Tabelle 37: Nutzen des TAF am Flughafen Zürich (Mio. CHF pro Jahr). Szenarienanalyse für Airline 1 und Airline 2.

Nebst den durch die Akteure geschätzten Modellparametern sind der Treibstoffpreis und

die Prognosequalität für das Endresultat sehr relevant.

Veränderung des Treibstoffpreises

Der Preis des verwendeten Treibstoffes (Kerosin / «Jet Fuel A1») ist eng mit dem Erdöl-

preis verknüpft und weist deshalb eine grosse Varianz auf (vgl. Figur 18). Nebst dem

Erdölpreis sind auch Kursschwankungen für den effektiv zu bezahlenden Preis entschei-

dend. Der dieser Studie zugrundeliegende Preis von 1.08 CHF/kg basiert einerseits auf

den Einschätzungen der befragten Akteure und andererseits auf dem aktuellen (April

2011) Preis gemäss IATA-Preisbarometer59 für Europa. Die Angaben der Airlines decken

sich in etwa mit dem von der IATA publizierten Preis.

«Treibstoffpreisentwicklung 1990-2010»

0

50

100

150

200

250

300

350

400

450

1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003 2004 2005 2006 2007 2008 2009 2010

econcept

Figur 18: Indexierte Treibstoffpreise (1990=100) für «Jet Fuel A1» zwischen 1990 und 2010. Quelle: EIA.

Tabelle 38 zeigt die Auswirkungen von möglichen Schwankungen des Treibstoffpreises

auf den ausgewiesenen Nutzen des TAF am Flughafen Zürich. Die Berechungen basie-

ren auf dem Szenario «plausibel». Die Preisveränderung um -20% resp. um +40% ent-

sprechen etwa den stärksten Preisausschlägen in den letzen 5 Jahren.

59 «International Air Transport Association» (http://www.iata.org, 15.4.2011)

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Treibstoffpreis «minus 20%» Treibstoffpreis «aktuell» Treibstoffpreis «plus 40%»

Treibstoffpreis 0.86 CHF/kg 1.08 CHF/kg 1.51 CHF/kg

Nutzen Airline 1 10.53 Mio. CHF/a 13.19 Mio. CHF/a 18.52 Mio. CHF/a

Nutzen Airline 2 0.228 Mio. CHF/a 0.287 Mio. CHF/a 0.405 Mio. CHF/a

Tabelle 38: Analyse des Treibstoffpreiseffektes auf den Nutzen des TAF am Flughafen Zürich, basierend auf dem Szenario «plausibel»

Viele Analysten gehen davon aus, dass der Erdölpreis und somit auch der Treibstoffpreis

in Zukunft steigen werden (vgl. z.B. EIA 2010). Dies würde zu einer Erhöhung des Nut-

zens der Meteorologie führen. Dieser Entwicklung steht aber die Tendenz zu effizienteren

Flugzeugen entgegen. Welcher Effekt stärker ist, lässt sich nicht im Rahmen dieser Un-

tersuchung klären. Das Ziel der vorliegenden Studie ist, den aktuellen Nutzen der Meteo-

rologie abzuschätzen. Aus diesem Grund gehen wir im Folgenden von einem Treibstoff-

preis von 1.08 CHF / kg aus.

Veränderung der Prognosequalität

Eine Veränderung der meteorologischen Prognosequalität hat einen Einfluss auf den

Nutzen des TAF. Die Simulation verschiedener Prognosequalitäten zeigte folgende Re-

sultate:

— Resultat 1: Steigt der Anteil der «zu negativen» Prognosen, sinkt der Nutzen für die

Airlines.

— Resultat 2: Steigt der Anteil der «zu positiven» Prognosen, steigt der Nutzen für die

Airlines.

— Resultat 3: Die Wirkung von «zu negativen» Prognosen auf den Gesamtnutzen ist

stärker als die Wirkung von «zu positiven» Prognosen.

Das erste Resultat ist intuitiv verständlich. Der Grund für das zweite Resultat liegt in der

folgenden Eigenschaft des Modells: Das hier vorgestellte Modell dient zur Analyse des

aktuellen Nutzens, es berücksichtigt deshalb den Zusammenhang zwischen der Wahr-

scheinlichkeit q und dem Anteil der «zu positiven» Prognosen nicht. Es ist aber anzu-

nehmen, dass die Wahrscheinlichkeit q mit dem Anteil der «zu positiven» Prognosen

sinkt, was einen negativen Effekt auf den Nutzen hätte. Je nach Stärke dieses Effektes

ist nicht auszuschliessen, dass Resultat 2 und Resultat 1 identisch sind.

Durch die Erweiterung des Modells mit einer dynamischen Komponente, liessen sich die

oben beschriebenen dynamischen Effekte (Zusammenhang zwischen der Wahrschein-

lichkeit q und dem Anteil der «zu positiven» Prognosen) ebenfalls modellieren und so die

Wirkung einer Verschlechterung oder einer Verbesserung der meteorologischen Dienst-

leistungen auf den Nutzen abschätzen. So könnte beispielsweise die Frage beantwortet

werden, wie viel zusätzlicher Nutzen eine Verbesserung der TAF Qualität generieren

würde.

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5.7 Landesflughäfen

Nebst der Flugsicherung und den Airlines sind die Landesflughäfen die dritte untersuchte

Akteurgruppe im Bereich Aviatik.

5.7.1 Verwendung von meteorologischen Informationen

Die Landesflughäfen verwenden meteorologische Informationen zur Optimierung der

betrieblichen Abläufe und zur Sicherstellung eines zuverlässigen und sicheren Flugha-

fenbetriebes. Meteorologische Informationen werden dabei durch verschiedene Stellen

innerhalb der Flughafenorganisation verwendet (Betriebsaufsicht, Winterdienst, Anbieter

von Deicing/Antiicing usw.). Generell können zwei Verwendungszwecke unterschieden

werden:

— Auslösen von Warnungen: Starkwinde beeinträchtigen den Flugbetrieb und können

ein Sicherheitsrisiko für die Mitarbeiter/innen am Boden darstellen. Das Gleiche gilt

für Blitzeinschläge in stehende Flugzeuge: Diese können zu schweren Unfällen füh-

ren, wenn Personen zum Zeitpunkt des Einschlages am Flugzeug tätig sind. Meteoro-

logische Informationen werden deshalb genutzt, um bei Starkwinden und bei Blitzge-

fahr die Mitarbeiter/innen zu warnen. Im Fall von erwarteten Blitzschlägen auf dem

Flughafengelände wird ein sogenannter «Handling-Stopp» ausgesprochen, d.h. in

dieser Zeit werden keine Flugzeuge am Boden abgefertigt, das Landen und Starten

ist aber weiterhin erlaubt.

— Rechtzeitiges und zweckmässiges Aufbieten von Ressourcen: Dies betrifft vor allem

den Winterdienst, der für die Schneeräumung und für die Flächenenteisung60 zustän-

dig ist.

Welche meteorologischen Informationen konkret verwendet werden, ist je nach Verwen-

dungszweck und Flughafen unterschiedlich.

5.7.2 Wirkung auf die Wirtschaftlichkeit - Aussagen der Akteure

Die volkswirtschaftlich relevanten Auswirkungen von meteorologischen Informationen in

Bezug auf die Wirtschaftlichkeit der Landesflughäfen sind insbesondere im Winterdienst

gross. Bei der übrigen Nutzung von meteorologischen Informationen sind die Effekte vor

allem im Bereich der Sicherheit anzusiedeln (vgl. Kapitel 5.7.3).

Winterdienst am Flughafen

Einen relevanten Effekt auf die Wirtschaftlichkeit des Flughafens entfalten meteorologi-

sche Informationen im Bereich des Winterdienstes. Der Winterdienst sichert die Verfüg-

barkeit der Betriebsflächen des Flughafens im Winter und ermöglicht so einen sicheren

und zuverlässigen Flughafenbetrieb. Die Tätigkeit im Winterdienst ist in der Regel mit

einer Doppelfunktion verbunden, vergleichbar mit der Betriebsfeuerwehr. Alle Mitarbei-

60 Der Begriff Flächenenteisung wird für die Enteisung von Bodenflächen verwendet. Die Enteisung von Flugzeugen wird als

Deicing bezeichnet.

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ter/innen des Winterdienstes üben eine «reguläre» Tätigkeit am Flughafen aus und wer-

den bei Bedarf zum Einsatz im Winterdienst aufgeboten. Ausserhalb der normalen Be-

triebszeiten wird mit einer Pikettorganisation sichergestellt, dass die nötigen personellen

Ressourcen auf Abruf bereit sind. Nebst den eigenen Mitarbeiter/innen unterstützen am

untersuchten Landesflughafen auch externe Dienstleister den Winterdienst.

Durch meteorologische Prognosen können die für die Einsatzart (Flächenenteisung,

Schneeräumung, kombinierter Einsatz) adäquaten Ressourcen in der richtigen Menge

rechtzeitig aufgeboten werden. Dies betrifft insbesondere die Einsätze in der Nacht, aus-

serhalb der Betriebszeiten des Flughafens. Ausserhalb der Betriebszeiten muss mit einer

Vorlaufzeit von 1.5 Stunden vor dem Einsatzbeginn gerechnet werden. Ohne meteorolo-

gische Informationen müssten daher entweder im Winter ständig Ressourcen auf dem

Flughafen bereitstehen, um im Bedarfsfall aktiv zu werden, oder man nähme an Schnee-

tagen zusätzliche Betriebsstörungen in Kauf, weil die Ressourcen erst aufgeboten wür-

den, sobald das störende Ereignis (z.B. Schnee, Eisglätte) auftritt.

Da der Druck auf den Flughafen, einen reibungslosen Betrieb sicherzustellen von allen

Seiten gross ist, gehen die Verantwortlichen des berücksichtigten Landesflughafens da-

von aus, dass ohne meteorologische Informationen ein grösserer Aufwand für den Win-

terdienst betrieben und nicht zusätzliche Betriebsstörungen in Kauf genommen würden.

Der zusätzliche Aufwand, der ohne meteorologische Informationen betrieben werden

müsste, würde im Winterdienst zu folgenden Effekten führen:

— Es gäbe bedeutend mehr Einsätze als heute, weil mehr präventiv gearbeitet würde.

Beispielsweise würde in vielen Situationen im Winter präventiv Enteisungsmittel aus-

gebracht, um das gefährliche Vereisen der für den Flugbetrieb kritischen Flächen

(Pisten, Rollwege, Standplätze) zu verhindern. Diese Einsätze können heute dank der

Verwendung von meteorologischen Prognosen weitgehend vermieden werden. Die

Verantwortlichen des Winterdienstes gehen davon aus, dass es ohne meteorologi-

sche Informationen zu rund dreimal mehr Einsatzstunden als heute kommen würde.

— Durch die zusätzlichen Einsatzstunden müsste der Personalbestand des Winterdiens-

tes aufgestockt werden. Man bräuchte, gemäss den Aussagen der Akteure, etwa 1/3

mehr eigenes Personal, um einen Schichtbetrieb während den Wintermonaten auf-

bauen zu können. Dies weil statt heute zwei, drei Personen pro Funktion nötig wären.

Weil das «eigene» Personal immer eine Doppelfunktion hat und der Winterdienst nur

ergänzend zur eigentlichen Tätigkeit am Flughafen ausgeübt wird, müssten dadurch

aber nicht unbedingt im selben Umfang zusätzliche Personen eingestellt werden; ein

Teil der zusätzlichen Einsatzstunden würde in Überzeit geleistet. Es entstünden aber

in jedem Fall Mehrkosten durch die Ausbildung und Ausrüstung der zusätzlichen Mit-

arbeiter/innen.

Die zusätzlich benötigten Ressourcen wären vor allem Personalressourcen und Ressour-

cen für Betriebsmittel (Enteiserflüssigkeit, Treibstoff). Der Maschinenpark hingegen

müsste nicht wesentlich ausgebaut werden, da sich die Spitzenbelastung, auf die der

Maschinenpark heute ausgerichtet ist, ohne meteorologische Informationen nicht erhö-

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hen würde. Weil für diese Studie keine betriebsinternen Kostenansätze der Flughäfen

verfügbar waren, lassen die Aussagen der befragten Akteure direkt keine quantitative

Nutzenschätzung zu. Eine Schätzung des Nutzens, basierend auf verfügbaren Kostenan-

sätzen anderer Quellen, ist in Kapitel 5.7.4 enthalten.

5.7.3 Wirkung auf die Qualität der Leistungserbringung - Aussagen der Akteure

Verspätungen und Betriebsunterbrüche

Das Fehlen von meteorologischen Informationen würde, ausser an Tagen die Winter-

dienst erfordern, nicht generell zu relevant mehr Verspätungen oder zu zusätzlichen Be-

triebsunterbrüchen führen.

An den Tagen, die Winterdienst erfordern (ca. 20-30 pro Jahr) ist hingegen davon auszu-

gehen, dass es zu längeren Verspätungen als heute kommen würde. Dies auch unter der

im Abschnitt 5.7.2 beschriebenen Annahme, dass der Winterdienst aufgestockt würde.

Ohne meteorologische Informationen zum Verlauf des Ereignisses kann das Aufgebot

und der Einsatz weniger optimal an die tatsächlichen Gegebenheiten angepasst werden.

Dadurch würden die Verspätungen an den «Winterdienst-Tagen» länger als heute. Die

Akteure gehen aber davon aus, dass die Verspätungen nicht zu zusätzlichen Ausfällen

von Flügen führen würden. Grob geschätzt könnten die Verspätungen an «schlimmen»

Tagen statt durchschnittlich 30 Minuten neu 1-2 Stunden betragen. Diese Schätzung

lässt sich aber nicht überprüfen, da die effektiven Verspätungen vom Verhalten aller Ak-

teure (Airlines, andere Flughäfen, Flugsicherung) abhängig sind und es somit nicht mög-

lich ist, den Effekt von meteorologischen Informationen isoliert zu quantifizieren.

Schadenswahrscheinlichkeit

Gemäss den Aussagen, würde das Sicherheitsniveau beim Betrieb des Flughafens ohne

meteorologische Informationen sinken. Dies betrifft vor allem die Blitzwarnungen und den

bodengebundenen Verkehr:

— Bei fehlenden Blitz-Prognosen würde der «Handling-Stopp» erst verfügt, sobald die

ersten Anzeichen für Blitze sichtbar wären.

— Durch die fehlende Wetterprognose würde es wahrscheinlich vermehrt zu Strassen-

unfällen auf dem Flughafen kommen, weil einerseits die Qualität des Winterdienstes

tendenziell sinken würde und weil andererseits die Verkehrsteilnehmenden weniger

gut informiert und somit weniger vorsichtig wären.

5.7.4 Würdigung der Resultate

Die Aussagen der verschiedenen Akteure am berücksichtigten Flughafen sind in sich

stimmig und ergeben ein klares Bild der Situation. Allerdings lassen sich die Resultate

nur bedingt auf die anderen Landesflughäfen übertragen, weil sich die Flughäfen hin-

sichtlich ihrer Infrastruktur und den Bedürfnissen der Kunden erheblich unterscheiden.

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124 / 5 Aviatik

Winterdienst am Flughafen

Uns liegen keine genauen Zahlen zu den Kosten des Winterdienstes an den Landesflug-

häfen vor. Beim berücksichtigten Flughafen wurden in den letzen 5 Jahren im Durch-

schnitt etwa 10’600 Stunden Winterdienst pro Jahr geleistet, davon etwa 7’800 Stunden

im Einsatz und der Rest als Bereitschaftszeit. Folgt man den Angaben der Winterdienste,

müssten ohne meteorologische Informationen dreimal mehr Einsatzstunden als heute

geleistet werden, was einem Zusatzaufwand von rund 15’600 Stunden61 pro Jahr ent-

sprechen würde. Es liegen uns keine Angaben zu den variablen betrieblichen Kosten

(Aufwand für Person und Maschine) pro Einsatzstunde vor. Ausgehend von den Angaben

anderer, ebenfalls im Winterdienst tätigen Akteuren und den durch das ASTRA62 publi-

zierten Einsatzkosten im Winterdienst gehen wir für eine grobe Schätzung der Zusatzkos-

ten von einem Ansatz von 90.00 CHF pro Stunde und Person (inkl. Gerätschaften) aus.

Damit wäre der Nutzen aus der Verwendung von meteorologischen Informationen im

Winterdienst des berücksichtigten Flughafens rund CHF 1.4 Mio. pro Jahr. Diese Kosten-

schätzung enthält keine Kosten für die Aus- und Weiterbildung der zusätzlich benötigten

Mitarbeiter/innen und berücksichtigt nur die Veränderung der Einsatzzeit.

Weitere Effekte

Die Nutzung von meteorologischen Informationen durch die Flughäfen reduziert wahr-

scheinlich Verspätungen der Flüge und dadurch die Reisezeitkosten der Passagiere so-

wie die Verspätungskosten für die Airlines. Eine Quantifizierung dieses Effektes ist aber

aufgrund der vorliegenden Untersuchungsresultate nicht möglich.

Ebenfalls positiv wirken sich meteorologische Informationen auf die betriebliche Sicher-

heit der Landesflughäfen aus. Ob und wie viele Unfälle aber tatsächlich verhindert wer-

den können, lässt sich nicht quantifizieren.

5.7.5 Hub-Funktion des Flughafens Zürich

Die Aussagen der berücksichtigten Akteure im Bereich Airlines, Landesflughäfen und

Flugsicherung lassen den Schluss zu, dass ein Fehlen von meteorologischen Informatio-

nen den Betrieb des Flughafens Zürich als Hub in Frage stellen würde. Insbesondere die

interviewten Airlines konnten plausibel darlegen, dass gute meteorologische Informatio-

nen eine nötige Voraussetzung für die Hub-Funktion des Flughafens Zürich sind (siehe

auch Kapitel 5.5).

Der Flughafen Zürich hat zweifelsohne eine grosse wirtschaftliche Bedeutung: Er bietet

eine Beschäftigung von rund 20'000 Vollzeitäquivalenten an und generiert eine direkte

Wertschöpfung von 5.1 Milliarden CHF pro Jahr (Infras 2009). Basierend auf den durch

die Netzwerk-Carrier generierten Passagierzahlen, würde der Verlust der Hub-Funktion

eine Reduktion der wirtschaftlichen Bedeutung des Flughafens Zürich in der Grössenord-

nung von 20-40% (1.02 – 2.04 Mrd. CHF direkte Wertschöpfung, 4000-8000 Vollzeitäqui-

valenten) auslösen. Diese Reduktion der wirtschaftlichen Bedeutung ist aber nicht dem

61 Heute werden 7’800 Stunden pro Jahr geleistet, neu wären es 23’400. Die Differenz beträgt 15’600 Stunden pro Jahr

62 Bundesamt für Strassen (ASTRA)

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/ 125

volkswirtschaftlichen Nutzen der Hub-Funktion gleichzusetzen, da die freigewordenen

Ressourcen innerhalb der Volkswirtschaft für andere Tätigkeiten eingesetzt werden kön-

nen. Volkswirtschaftlich relevant ist nur der durch die Hub-Funktion des Flughafens gene-

rierte Zusatznutzen, d.h. ein Vergleich des volkswirtschaftlichen Nutzens in einem Szena-

rio mit Hub gegenüber einem Szenario ohne Hub. Eine solche volkswirtschaftliche Kos-

ten-Nutzen-Analyse liegt für den Flughafen Zürich nicht vor und lässt sich im Rahmen

dieser Studie auch nicht erarbeiten. Aufgrund der verfügbaren Erkenntnisse lassen sich

aber mögliche volkswirtschaftlich relevante Folgen des Verlusts der Hub-Funktion be-

schreiben:

— Die kleinere Anzahl von Direktflügen reduziert den persönlichen Nutzen der Airline-

Passagiere, da diese längere Reisezeiten und zusätzliche Zwischenstopps in Kauf

nehmen müssen.

— Als kleine Volkswirtschaft mit starker internationalen Verflechtung und einer bedeu-

tenden Exportwirtschaft profitiert die Schweiz besonders von der grenzüberschreiten-

den Arbeitsteilung. Gute Verkehrsverbindungen, hierzu zählt auch die Verfügbarkeit

von Direktflügen zu aussereuropäischen Destinationen, erleichtern eine funktionie-

rende Arbeitsteilung und sind für die Schweiz deshalb wichtig. Insbesondere im Hin-

blick auf die Direktinvestitionen ausländischer Unternehmen in der Schweiz ist die

Anzahl von Direktverbindungen von und nach Zürich wichtig, da diese Unternehmen

beim Investitionsentscheid stark auf die verkehrstechnische Erschliessung achten

(Schips 2005). Für den OECD-Raum lässt sich ein Zusammengang zwischen Direkt-

investitionen und der Verfügbarkeit von Interkontinentalflügen statistisch nachweisen

(Graf et al. 2000).

— Geschäftlich genutzte Flugverbindungen werden insbesondere von hoch- und

höchstqualifizierten Mitarbeiter/innen in Anspruch genommen. Dies führt dazu, dass

der Zugang zu guten Flugverbindungen bei der Ansiedlung von Head Offices beson-

ders wichtig ist (Laesser und Wittmer 2006). Ähnliche Überlegungen können auch in

Bezug auf die Bedeutung von Direktflugverbindungen für die Finanzbranche gemacht

werden. Eine Beziehung zwischen der Wirtschaftsstruktur und der Angebotsverände-

rung von Flugverbindungen über die Zeit konnte aber nicht nachgewiesen werden

(Laesser und Wittmer 2006).

— Durch die Hub-Funktion des Flughafens Zürich werden wesentlich mehr Flüge

durchgeführt als dies ohne Hub der Fall wäre, was die durch den Flugverkehr verur-

sachten volkswirtschaftlichen Kosten (z.B. Fluglärm) erhöht.

Basierend auf den verfügbaren Informationen lässt sich die Frage nach den volkswirt-

schaftlichen Auswirkungen der Hub-Funktion nicht umfassend beantworten. Es ist aber

davon auszugehen, dass sich die Verfügbarkeit von direkten Interkontinentalflügen posi-

tiv auf die Ansiedlung von multinationalen Unternehmen, (regionalen) Head Offices aus-

ländischer Firmen und international ausgerichteten Schweizer Unternehmen auswirkt und

dass sich dadurch auch die Mitarbeiter/innen dieser Unternehmen tendenziell im Gross-

raum Zürich niederlassen. Unter der Annahme, dass dies relativ wertschöpfungsintensive

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126 / 5 Aviatik

und überdurchschnittlich produktive Unternehmen resp. Unternehmensbereiche sowie

überdurchschnittlich produktive Mitarbeiter/innen sind, kann von einem positiven Effekt

der Hub-Funktion auf die Durchschnittsproduktivität ausgegangen werden. Diesem po-

tenziellen volkswirtschaftlichen Nutzen sind aber die zusätzlichen volkswirtschaftlichen

Kosten eines Hub-Flughafens, im Vergleich zu einem reinen Zubringerflughafen, entge-

genzusetzten. Zur Klärung des Netto-Effekts wären weitgehende Untersuchungen der

Kosten- und Nutzenaspekte nötig. Es kann davon ausgegangen werden, dass sowohl bei

der Bewertung der Kosten als auch bei der Bewertung des Nutzens grosse Interpretati-

onsspielräume vorhanden sind.

5.8 Hochrechnungen

5.8.1 Airlines

Meteorologische Informationen haben eine bedeutende Wirkung auf die Wirtschaftlichkeit

der Airlines. Ausserdem wirken meteorologische Informationen auf die Pünktlichkeit der

Flüge und dadurch zusätzlich auf die individuellen Reisezeitkosten der Passagiere63. Die

berücksichtigten Airlines konnten aber die Wirkung meteorologischer Informationen we-

der auf die Wirtschaftlichkeit noch auf die Pünktlichkeit der Flüge quantifizieren. Somit ist

eine Hochrechnung des Nutzens aus den geführten Interviews in diesem Bereich nicht

möglich, auch wenn ein Nutzen zweifelsfrei vorhanden ist.

5.8.2 Quantitatives Modell «TAF Zürich»

In einem ersten Schritt wurden die Resultate der Airline 1 und Airline 2 auf den gesamten

Flugverkehr von schweizerischen Unternehmen am Flughafen Zürich hochgerechnet.

Dies bildete die Grundlage für die weitere Hochrechung auf alle Landesflughäfen.

Die direkt aus dem Modell stammenden Resultate basieren auf den aktuellen

(2010/2011) Flugfahrplänen der Airline 1 und 2. Auf Basis der beiden Flugpläne wurde

der durchschnittliche Nutzen pro Landung für die Fluggesellschaften berechnet (vgl. Ka-

pitel 5.6). Um den Nutzen des TAF auch für die restlichen Flüge von schweizerischen

Airlines am Flughafen Zürich und an den anderen Landesflughäfen zu schätzen, wurden

die für die beiden Airlines ermittelten Werte mithilfe der Verkehrszahlen 2009 (BFS 2010)

auf den gesamten Flughafen Zürich und auf die anderen Landesflughäfen hochgerech-

net. Damit wurde implizit die Annahme getroffen, dass die Kosten pro Landung im Jahr

2009 und 2010 gleich waren.

Die beiden Airlines, deren Flugfahrpläne in das Modell eingespeist wurden, machen am

Flughafen Zürich über 95% aller Landungen schweizerischer Unternehmen im Charter-

und Linienverkehr aus. Der ermittelte Wert für den Flughafen Zürich ist demnach zu über

63 Verspätungen führen auch bei den Airlines zu Kosten, diese sind in den Wirtschaftlichkeitsüberlegungen bereits enthalten.

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/ 127

95% direkt durch das Modell gestützt64. Für die Flughäfen Genf und Basel hingegen exis-

tiert kein vergleichbares Modell zur Schätzung des Nutzens des TAF. Die für diese Flug-

häfen ermittelten Werte basieren deshalb auf der Hochrechung des Nutzens am Flugha-

fen Zürich.

Zu den Flughäfen Genf und Basel werden im Vergleich zu Zürich weniger Langstrecken-

flüge durchgeführt, wie aus der durchschnittlichen Flugdistanz ersichtlich ist (vgl. Tabelle

39). Bei der Hochrechnung des für den Flughafen Zürich ermittelten Nutzens auf alle

Landesflughäfen wurde dies berücksichtigt, da der Nutzen pro Landung bei Langstre-

ckenflügen wesentlich höher ist als bei Kurz- und Mittelstreckenflügen.

Flughafen Zürich Flughafen Genf Flughafen Basel

Durchschnittliche Flugdistanz (km) 1’451 1’016 721

Anzahl Landungen schweizerischer Unternehmen 65'779 23'373 8'253

Tabelle 39: Durchschnittliche Flugdistanz (km) und Anzahl Landungen schweizerischer Unternehmen im Li-nien- oder Charterverkehr an den drei Landesflughäfen im Jahr 2009. Quelle: BFS 2010.

Für die Schätzung des Nutzens für schweizerische Airlines an den Flughäfen Genf und

Basel wurde deshalb der Nutzen pro Landung mit der durchschnittlichen Flugdistanz des

jeweiligen Flughafens gewichtet. Die aus der Hochrechnung gewonnenen Werte für die

im Kapitel 5.6.4 definierten Szenarien «minimal», «plausibel» und «maximal» sind in

Tabelle 40 ersichtlich.

«minimal» «plausibel» «maximal»

Flughafen Zürich 10.75 Mio. CHF/a 13.81 Mio. CHF/a 16.50 Mio. CHF/a

Flughafen Genf 2.67 Mio. CHF/a 3.44 Mio. CHF/a 4.11 Mio. CHF/a

Flughafen Basel 0.67 Mio. CHF/a 0.86 Mio. CHF/a 1.03 Mio. CHF/a

Alle Landesflughäfen 14.09 Mio. CHF/a 18.10 Mio. CHF/a 21.64 Mio. CHF/a

Tabelle 40: Hochrechnung des wirtschaftlichen Nutzens des TAF für die schweizerischen Airlines an allen Landesflughäfen (Mio. CHF pro Jahr). Die Hochrechung basiert auf der Anzahl Landungen von schweizerischen Unternehmen im Linien- und Charterflugverkehr im Jahr 2009 und der durch-schnittlichen Flugdistanz der Landesflughäfen.

Vergleicht man die Anzahl Landungen mit der Verteilung des Nutzens, stellt man fest,

dass am Flughafen Zürich überproportional viel Nutzen anfällt (Figur 19). Dies ist eine

Folge der Unterschiede im Destinationsportfolio der drei Landesflughäfen.

64 Für die restlichen Landungen (<5%) wurde ein plausibler Wert (basierend auf den Kurz- und Mittelstreckenflügen) einge-

setzt.

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128 / 5 Aviatik

«Überproportionaler Nutzen des TAF am Flughafen Zürich»

0%

20%

40%

60%

80%

100%

Anzahl Landungen 2009 Wirtschaftlicher Nutzen TAF für Airline

Fughafen Basel

Fughafen Genf

Fughafen Zürich

econcept

Figur 19: Über ¾ des wirtschaftlichen Nutzens des TAF für die schweizerischen Airlines fällt am Flughafen Zürich an. Dies entspricht einem überproportionalen Anteil und ist in der grösseren Bedeutung von Langstrecken am Flughafen Zürich begründet.

5.8.3 Landesflughäfen

Basierend auf den vorliegenden Erkenntnissen aus Kapitel 5.7 lassen sich bei den Lan-

desflughäfen nur für den Teilaspekt «Winterdienst» quantitative Aussagen zum volkswirt-

schaftlichen Nutzen machen. Der direkte Nutzen von meteorologischen Informationen im

Winterdienst am berücksichtigten Flughafen ist etwa 1.4 Mio. CHF pro Jahr. Da bei den

anderen Landesflughäfen keine Befragungen gemacht worden sind, wird dieser Nutzen

als Minimalnutzen bezeichnet. Da jedoch nicht davon auszugehen ist, dass an den ande-

ren Landesflughäfen kein Nutzen durch meteorologische Informationen im Winterdienst

generiert wird, wurde die Nutzenschätzung für den berücksichtigten Flughafen anhand

der Flugbewegungen auf die anderen Landesflughäfen hochgerechnet. Dieses Szenario

wird als «maximal» bezeichnet, da die anderen Landesflughäfen im Vergleich zum be-

rücksichtigten Flughafen eine weniger komplizierte Betriebsstruktur aufweisen und da-

durch wahrscheinlich weniger von den meteorologischen Informationen im Winterdienst

profitieren können. Um dieser Tatsache Rechnung zu tragen, wurde im Szenario «plausi-

bel» der volkswirtschaftliche Nutzen von meteorologischen Informationen im Winterdienst

mit einem subjektiven Komplexitätsfaktor gewichtet. Dieser Faktor ist für den berücksich-

tigten Flughafen 1.0 und für die anderen Landesflughäfen 0.5. Tabelle 41 weist den so

hochgerechneten volkswirtschaftlichen Nutzen von meteorologischen Informationen im

Winterdienst für die Szenarien «minimal», «plausibel» und «maximal» aus.

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«minimal» «plausibel» «maximal»

Nutzen von meteorologischen Informationen im Winterdienst

1.40 Mio. CHF/a 1.93 Mio. CHF/a 2.45 Mio. CHF/a

Tabelle 41: Nutzen von meteorologischen Informationen für den Winterdienst in Mio. CHF pro Jahr für alle drei Landesflughäfen. Das Szenario «minimal» umfasst nur den berücksichtigten Flughafen und geht bei den anderen von keinem Nutzen aus. In den Szenarien «plausibel» und «maximal» wur-de der Nutzen für alle Landesflughäfen anhand der Flugbewegungen hochgerechnet. Das Szena-rio «plausibel» berücksichtigt ausserdem die Komplexität der einzelnen Flughäfen, indem der Nut-zen von meteorologischen Informationen durch einen subjektiven Komplexitätsfaktor gewichtet wurde.

5.9 Zusammenfassung

Die Ergebnisse der vorliegenden Studie im Bereich Aviatik lassen sich folgendermassen

zusammenfassen:

Vermiedene Staatsausgaben

Zusätzliche Wertschöpfung

Vermiedene Schadenskosten

Vermiedene individuelle Reisezeiten

Flugsicherung Kein Effekt hoch, nicht quantifizierbar

hoch, nicht quantifizierbar

Airlines 18.10 Mio. CHF/a nicht einschätzbar, nicht quantifizierbar

hoch, nicht quantifizierbar

Landesflughäfen 1.93 Mio. CHF/a gering, nicht quantifizierbar

gering, nicht quantifizierbar

Summe der quantifi-zierbaren Effekte

20.03 Mio. CHF/a

Tabelle 42: Volkswirtschaftlicher Nutzen von meteorologischen Informationen in der Aviatik, Zusammenfas-sung aller Resultate des Kapitels. Bei den quantitativen Angaben werden die plausibelsten Werte ausgewiesen.

5.9.1 Staatsausgaben und Wertschöpfung

In der vorliegenden Untersuchung konnten keine Anhaltspunkte gefunden werden, dass

meteorologische Informationen auf die Höhe der Staatsausgaben in der Aviatik einen

wesentlichen Einfluss haben. Meteorologische Informationen haben jedoch eine Wirkung

auf die Wirtschaftlichkeit der meisten Akteure in der Aviatik:

— Bei den Airlines ist die positive Wirkung meteorologischer Informationen auf die Wirt-

schaftlichkeit sehr ausgeprägt. Der Nutzen entsteht insbesondere bei der Optimie-

rung der Routenplanung, bei der Vermeidung von unnötigen Treibstoffreserven, beim

«Irregularity Handling» und bei der Vermeidung von taktischen und strategischen

Verspätungskosten. Aufgrund der Komplexität des Systems und weil die Frage für die

Airlines an sich nicht relevant ist, waren die berücksichtigten Unternehmen nicht in

der Lage, das Ausmass des Nutzens quantitativ abzuschätzen. Die qualitative Argu-

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130 / 5 Aviatik

mentation lässt aber einen hohen Nutzen vermuten. Flughafenwetterprognosen (TAF)

sind für die Airlines ein sehr wichtiges Arbeitsinstrument. Der Gesamtnutzen der me-

teorologischen Informationen ist für die Airlines mindestens so gross wie der wirt-

schaftliche Nutzen des TAF. Für den Fall des Flughafens Zürich konnte der Nutzen

des TAF durch die Modellierung des Entscheidungsverhaltens der Airlines auf 10.75

bis 16.50 Mio. CHF pro Jahr geschätzt werden. Basierend auf den Landungen im

Jahr 2009 und einem distanzgewichteten Nutzen pro Landung erfolgte die Hochrech-

nung des Nutzens auf die übrigen Landesflughäfen. Der so ermittelte Gesamtnutzen

für alle Flughäfen liegt zwischen 14.09 und 21.64 Mio. CHF pro Jahr. Der plausibelste

Wert ist 18.10 Mio. CHF pro Jahr.

— Bei den Landesflughäfen ist die positive Wirkung auf die Wirtschaftlichkeit im Teilbe-

reich «Winterdienst» ebenfalls ausgeprägt. Dank meteorologischen Informationen

können die Winterdiensteinsätze effizienter geplant und durchgeführt werden. Durch

die Fallanalyse bei einem Landesflughafen konnte der Nutzen im Bereich des Winter-

dienstes für alle Landesflughäfen auf 1.4 bis 2.45 Mio. CHF pro Jahr geschätzt wer-

den. Der plausibelste Wert liegt bei 1.93 Mio. CHF pro Jahr.

— Für die Flugsicherung hingegen ist der Einfluss von meteorologischen Informationen

auf die Wirtschaftlichkeit nicht relevant. Dies liegt insbesondere an der Bemessungs-

grundlage der Gebühren.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass sich der durch diese Studie quantifizierbare

Nutzen von meteorologischen Informationen im Hinblick auf die Wirtschaftlichkeit auf

15.49 bis 24.09 Mio. CHF pro Jahr beläuft. Der plausibelste Wert ist 20.03 Mio. CHF pro

Jahr (Tabelle 43).

«minimal» «plausibel» «maximal»

Modell TAF 14.09 Mio. CHF/a 18.10 Mio. CHF/a 21.64 Mio. CHF/a

Winterdienst 1.40 Mio. CHF/a 1.93 Mio. CHF/a 2.45 Mio. CHF/a

Total 15.49 Mio. CHF/a 20.03 Mio. CHF/a 24.09 Mio. CHF/a

Tabelle 43: Volkswirtschaftlicher Nutzen der Wirtschaftlichkeitssteigerungen, die durch die Verwendung von meteorologischen Informationen in der Aviatik ausgelöst werden.

5.9.2 Schadenskosten

Meteorologische Informationen beeinflussen in allen Bereichen der Aviatik (Airlines,

Flughäfen, Flugsicherung) die Sicherheit des Flugbetriebes. Insbesondere führen meteo-

rologische Informationen dazu, dass die beteiligten Personen wie beispielsweise Pi-

lot/innen oder Fluglotsen/Fluglotsinnen, besser auf meteorologische Schwierigkeiten vor-

bereitet sind und dass es daher seltener zu Stresssituationen kommt. Weil Unfälle häufig

in Stresssituationen geschehen, ist davon auszugehen, dass die Unfallwahrscheinlichkeit

durch die Nutzung von meteorologischen Informationen tendenziell sinkt. Diese Aussage

wurde durch die beteiligten Akteure mehrheitlich gestützt. Einige Akteure gehen hinge-

gen davon aus, dass sich das Sicherheitsniveau nicht wesentlich ändern würde, weil sich

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/ 131

die betroffenen Personen und Unternehmen vorsichtiger verhalten und beispielsweise

grössere Sicherheitsmargen einplanen würden. Dies hätte unter Umständen eine Erhö-

hung der Betriebskosten für die Airlines zu Folge.

5.9.3 Individuelle Reisezeiten

Es muss bei den individuellen Reisezeiten davon ausgegangen werden, dass diese mit

schlechteren oder nicht verfügbaren meteorologischen Informationen steigen würden.

Ähnlich wie bei den Schadenskosten kann der tatsächliche Nutzen aber nicht aufgrund

der im Rahmen dieser Studie durchgeführten Erhebungen quantifiziert werden. Es kann

aber davon ausgegangen werden, dass der Nutzen im Bereich der individuellen Reisezei-

ten, aufgrund der vielen betroffenen Passagiere, eine wesentliche Nutzenkomponente

darstellt.

5.10 Vergleich mit internationalen Studien

Die international verfügbare Literatur zum volkswirtschaftlichen Nutzen der Meteorologie

im Aviatikbereich kann grob in zwei Kategorien eingeteilt werden: Einerseits existieren

generische Studien zum Nutzen der Meteorologie, innerhalb derer die Aviatik als Branche

gesamthaft analysiert wird. Andererseits entstanden in den letzen Jahren einige Studien,

die sich mit einem Teilbereich der Verwendung von meteorologischen Informationen

auseinandersetzten. Letztere sind oft sehr spezifische Analysen eines bestimmten mete-

orologischen Produktes oder eines bestimmten Problemfeldes (z.B. Verspätungen).

Generische Studien zum Nutzen der Meteorologie

Hautala und Leviäkangas (2007) sowie Leviäkangas und Hautala (2009)65 schätzen den

Nutzen der finnischen Meteorologie in der Aviatik auf 54 Mio. Euro pro Jahr. Davon ent-

fällt der grösste Teil des Nutzens (46 Mio. Euro pro Jahr) auf die Verhinderung von Flug-

unfällen. Bei den Flughäfen schätzen die Autoren den Nutzen der Meteorologie auf 3

Mio. Euro pro Jahr und bei den Airlines (Treibstoffeinsparungen) auf 4 Mio. Euro pro

Jahr. Die Resultate basieren in erster Linie auf der Skalierung von Resultaten ausländi-

scher Studien (beispielsweise Praino und Treinish 2005, Anaman et al. 1997 oder Leigh

1995) auf finnische Grössenverhältnisse.

Die Schätzung der verhinderten Schadenskosten basieren Hautala und Leviäkangas auf

der Annahme, dass die Abnahme wetterbedingter Unfälle in den letzten 40 Jahren zu

einem Drittel auf die Verwendung von meteorologischen Informationen zurückzuführen

ist. Daraus schliessen sie, dass dank meteorologischen Informationen alle 2 Jahre ein

gravierender Flugunfall verhindert werden konnte. Diese Resultate liessen sich durch die

im Rahmen unserer Studie durchgeführten Untersuchungen und Gespräche jedoch nicht

bestätigen.

65 Leviäkangas und Hautala (2009) ist die englischsprachige Zusammenfassung von der nur auf Finnisch verfügbaren Publi-

kation Hautala und Leviäkangas (2007). Leviäkangas und Hautala (2009) enthält keine detaillierten Angaben zum Vorge-

hen der Autoren.

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132 / 5 Aviatik

Die von Leviäkangas et al. (2007) durchgeführte Untersuchung zum Nutzen des kroati-

schen meteorologischen Dienstes schätzt den Nutzen im Bereich der Aviatik auf 6 Mio.

Euro pro Jahr (1 Mio. Treibstoffeinsparungen, 5 Mio. verhinderte Schadenskosten). Die

Resultate basieren mehrheitlich auf einer Anpassung der finnischen Studie von Hautala

und Leviäkangas auf die kroatischen Verhältnisse.

Spezifische Studien zum Nutzen der Meteorologie in der Aviatik

Im Folgenden werden exemplarisch einige interessante internationale Studien beschrie-

ben, die Teilaspekte der Aviatik im Bezug auf die Verwendung und den Nutzen von me-

teorologischen Informationen analysieren. Diese Untersuchungen stützen sich mehr oder

weniger ausschliesslich auf aufwändige quantitative Analysen und numerische Modelle.

— Leigh (1995) sowie Leigh, Drake und Thampapillai (1995) analysieren den Nutzen

des TAF für die internationalen Flüge der Fluggesellschaft Qantas am Flughafen

Sydney. Der Wert des TAF wurde von den Autoren auf mindestens 6.9 Mio. AUD1995

pro Jahr geschätzt (entspricht 10.20 Mio. AUD201066

resp. 9.67 Mio. CHF2010). Eine

sehr grobe Schätzung der Autoren geht von einem Nutzen von 24.18 Mio. CHF2010 für

alle Airlines im Jahr 1995 aus67. Korrigiert man diesen Wert mit der Entwicklung der

Passagierzahlen der internationalen Flüge am Flughafen Sydney68 ergibt sich ein

Nutzen von 31.84 Mio. CHF2010 pro Jahr für alle internationalen Flüge am Flughafen

Sydney im Jahr 201069. Die Arbeiten von Leigh, Drake und Thampapillai bildeten die

Grundlage des quantitativen Modells «TAF Zürich». Ein direkter Vergleich der Resul-

tate ist jedoch nicht möglich, da einerseits die betrieblichen und meteorologischen

Voraussetzungen in Sydney und in Zürich sehr unterschiedlich sind und andererseits

weil zwischen den Studien 15 Jahre liegen, in denen sich die technischen und be-

trieblichen Bedingungen in der Aviatik und in der Meteorologie wesentlich verändert

haben.

— Klein, Kavoussi und Lee (2009) berechneten anhand einer Computersimulation die

Auswirkungen der wetterbedingten Flug-Verspätungen in den USA im Jahr 2000.

Durch eine Monetarisierung der Verspätungen (53 US$ pro Minute resp. 10’000 US$

pro Flug) schätzen die Autoren, dass für die Airlines in den USA durch wetterbeding-

ten Verspätungen Kosten im Umfang von 330 bis 450 US$ pro Jahr entstehen.

— Eine andere Studie aus den USA schätzt die Gesamtkosten von wetterbedingten Ver-

spätungen in den USA im Jahr 2000 auf 4.2 Milliarden US$. Davon wären schät-

zungsweise 1.3 Milliarden US$ (30%) durch perfekte Prognosen vermeidbar (Treinish

und Praino 2005).

66 Quelle: Reserve Bank of Australia

67 Gemäss Leigh, Drake und Thampapillai (1995) führte Qantas 1994 rund 40% aller internationalen Flüge nach Australien

durch. Unter der Annahme, dass dies auch für den Flughafen Sydney zutreffend ist, ergibt sich ein Nutzen von 24.18 Mio.

CHF2010 für alle internationalen Flüge zum Flughafen Sydney.

68 Quelle: Flughafen Sydney, Historic Traffic Data, www.sydneyairport.com.au/SACL/Historical-Traffic.html (21.4.2011).

69 Basierend auf der Entwicklung der historischen Daten 2000 bis 2009 wurde das Passagieraufkommen aus internationalen

Flügen für die Jahre 2010 und 1995 auf 10.8 resp. 8.2 Mio. PAX/a geschätzt.

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— Eine Untersuchung von Allan, Gaddy und Evans (2001) analysiert die Einführung

eines integrierten Wettersystems («Integrated Terminal Weather System», ITWS) für

die New Yorker Flughäfen. Das ITWS soll gemäss den Autoren durch verhinderte

Verspätungen jährliche Einsparungen von rund 150 Mio. US$ einbringen.

Fazit

Die Analyse von internationalen Studien im Umfeld der Aviatik zeigt das aus den Befra-

gungen bekannte Bild: Das Gesamtsystem Aviatik ist so kompliziert, dass, trotz teilweise

sehr grossem Aufwand, nur einzelne Teilaspekte des Nutzens der Meteorologie quantita-

tiv analysiert werden können.

Es ist ausserdem anzumerken, dass die vorliegenden Resultate aus dem Ausland nicht

generell auf die Schweiz skalierbar sind, da die meteorologischen, geographischen und

betriebswirtschaftlichen Rahmenbedingungen sehr unterschiedlich sind. Dies gilt insbe-

sondere für die Aviatik, die in der Schweiz und in Europa viel kleinräumiger organisiert ist

als beispielsweise in den USA oder in Australien. Wenn auch die Resultate der hier prä-

sentierten ausländischen Studien nicht direkt auf die Schweiz übertragbar sind, so kön-

nen die verwendeten Methoden durchaus als Grundlage für Studien in der Schweiz ver-

wendet werden. Dies wurde beispielsweise im Rahmen der vorliegenden Studie mit dem

quantitativen Modell «TAF Zürich» erfolgreich gemacht.

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/ 135

6 Elektrizitätswirtschaft

Meteorologische Phänomene beeinflussen alle Akteure der Elektrizitätswirtschaft, weil

sowohl die Produktion, der Verbrauch als auch der Transport von Strom wesentlich von

meteorologischen Grössen abhängig sind. Überdies spielt die Elektrizitätswirtschaft bei

der Regulierung von Flüssen und Seen eine gewisse Rolle, da die Stauanlagen zur

Stromerzeugung auch für diesen Zweck eingesetzt werden können.

Durch den Zubau von Produktionskapazitäten im Bereich der erneuerbaren Energien,

insbesondere bei Wind und Photovoltaik, nimmt die Bedeutung des Wetters für die Elekt-

rizitätswirtschaft tendenziell zu und damit auch die Bedeutung von meteorologischen

Informationen für die Elektrizitätswirtschaft.

6.1 Meteorologische Informationen in der Elektrizitätswirtschaft

Das Ausmass der Verwendung und der genutzte Detaillierungsgrad von meteorologi-

schen Informationen sind innerhalb der Elektrizitätswirtschaft sehr unterschiedlich. Insge-

samt lässt sich aber sagen, dass vor allem folgende Informationen genutzt werden:

— Kurzfristige Prognosen von meteorologischen Grössen wie Temperatur, Niederschlä-

ge, Windgeschwindigkeit, Windrichtung und Globalstrahlung für die nächsten Tage.

— Mittelfristige Prognosen der genannten Parameter bis zu zwei Wochen.

— Einschätzung der langfristigen meteorologischen Entwicklung in einzelnen Gebieten,

insbesondere hinsichtlich der Art und Menge von Niederschlägen (Schnee oder Re-

gen) und der damit verbundenen Entwicklung der Gletscher und Abflussregimes.

Die Schweiz ist durch die zentrale geographische Lage, durch die Verfügbarkeit von rela-

tiv grossen Produktions- und Speicherkapazitäten im Bereich der Wasserkraft sowie

durch den länderübergreifenden Elektrizitätsmarkt eng mit Europa verknüpft. Im Gegen-

satz zu anderen Branchen sind daher auch meteorologische Informationen über das eu-

ropäische Ausland von Bedeutung für schweizerische Unternehmen. Dies gilt insbeson-

dere für die grossen Energiemärkte Deutschland, Italien und Frankreich.

6.2 Analyserahmen und Akteure

Der Analyserahmen der vorliegenden Studie umfasst in erster Linie Energieversorgungs-

unternehmen (EVU) in der Schweiz. Um eine möglichst komplette Analyse vornehmen zu

können, wurden die EVU sowohl hinsichtlich ihrer Grösse als auch hinsichtlich ihres Tä-

tigkeitsbereiches ausgewählt. Insbesondere umfasst die vorliegende Studie die folgenden

Tätigkeitsbereiche von Energieversorgungsunternehmen:

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136 / 6 Elektrizitätswirtschaft

— Stromproduktion aus Speicher- und Pumpspeicherkraftwerken

— Stromproduktion aus Flusskraftwerken

— Stromproduktion aus Photovoltaik- und Windkraftanlagen

— Stromhandel zum preisoptimalen Einsatz der eigenen Assets (Kraftwerke, Speicher-

kapazitäten, langfristige Liefer- und Abnahmeverträge). Dieser Handel wird auch als

«Asset-based Trading» bezeichnet.

— Handel mit auf dem Strompreis aufgebauten Finanzgeschäften (Strom-Derivate70) zur

Erzielung einer Handelsmarge

— Stromvertrieb und Betrieb der eigenen Versorgungsnetze

Insgesamt wurden drei grosse Stromverbundunternehmen mit mehr als 10’000 GWh

Produktion pro Jahr, sowie drei mittelgrosse, vor allem regional tätige EVU befragt. Er-

gänzend wurden die nationale Netzbetreiberin Swissgrid und weitere Akteure71 berück-

sichtigt.

Anzahl Unternehmen/Akteure in der Schweiz

Anzahl befragte Unterneh-men/Akteure in der Schweiz

Grosse Stromverbundunternehmen 3 3

Regionale Energieversorgungsunternehmen ca. 23 3

Netzbetreibergesellschaften 1 1

Weitere Akteure - 2

Tabelle 44: Übersicht über die befragten Akteure der Elektrizitätswirtschaft. Quelle: «Der Schweizer Stromku-chen», avenirsuisse 2010.

Die grossen Stromverbundunternehmen weisen ein sehr differenziertes Produktionsport-

folio im In- und Ausland auf und sind sowohl im Asset-based Trading wie auch im Handel

mit Strom-Derivaten tätig. Sie liefern einen grossen Teil des produzierten Stroms nicht

direkt an Endverbraucher, sondern sie beliefern andere, meist kleinere EVU.

Die Gruppe der mittelgrossen, regionalen EVU ist ausgesprochen heterogen. Die produ-

zierte Strommenge ist unter 10’000 GWh pro Jahr und das Produktionsportfolio ist in der

Regel weniger differenziert. Ausserdem wird in dieser Gruppe der Stromhandel haupt-

sächlich zur Deckung des Bedarfs der eigenen Kunden und zum Verkauf von Überkapa-

zität getätigt.

70 Derivate sind abgeleitete Finanzgeschäfte, deren Wert durch den Preis des zugrundeliegenden Produktes beeinflusst wird.

Bei Strom-Derivaten ist das zugrundeliegende Produkt immer Strom. Derivate sind meistens Termingeschäfte, beispiels-

weise Futures, Forwards, Optionen oder Swaps. Bei der Erfüllung von Strom-Derivaten wird aber nicht das zugrundelie-

gende Produkt geliefert, sondern in der Regel ein finanzieller Ausgleich getätigt.

71 Eine staatliche Stelle, sie sich mit Schadensmanagement befasst und ein Dienstleister in der Elektrizitätsbranche.

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6.3 Wirkungsmodell

Der Nutzen der Meteorologie in der Elektrizitätswirtschaft fällt in erster Linie als zusätzli-

che Wertschöpfung bei den Elektrizitätsversorgungsunternehmen an. Daneben besteht

der Nutzen der Meteorologie aus der Vermeidung von Schäden wie beispielsweise Über-

schwemmungen oder Stromausfällen. Im Rahmen dieser Untersuchung konnten hinge-

gen keine stichhaltigen Hinweise zur Wirkung von meteorologischen Informationen auf

die Wirtschaftlichkeit der nationalen Netzbetreiberin gefunden werden (vgl. Kapitel 6.5).

Figur 20 stellt die Wirkung von meteorologischen Informationen im Detail dar. Es lassen

sich in der Elektrizitätswirtschaft folgende Wirkungsmechanismen unterscheiden:

— Wirkungen auf die Qualität der Leistungserbringung. Die Qualität der Leistungs-

erbringung aller Akteure hat einen Einfluss auf die Schadenswahrscheinlichkeit und

somit letztlich auf die Schadenskosten.

— Wirkungen auf die Wirtschaftlichkeit der Akteure

— Wirkungen auf den Ressourceneinsatz bei der staatlichen Schadensvorsorge. Unter

staatlicher Schadensvorsorge versteht man in diesem Zusammenhang die Bemühun-

gen staatlicher Stellen, durch geeignete Präventions- und Notfallmassnahmen das

Eintreten von Schaden zu verhindern und / oder die Folgen eines Schadenereignis-

ses zu minimieren.

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138 / 6 Elektrizitätswirtschaft

« Die Wirkung von meteorologischen Informationen in der Elektrizitätswirtschaft»

Meteorologie

Wertschöpfung

Staatsausgaben

Qualität Netzbetrieb

WirtschaftlichkeitNetzbetreiberin

WirtschaftlichkeitElekrtizitäts-unternehmen

Schadenswahr-scheinlichkeit

Qualitätstaatliche

Schadensvorsorge

Ressourceneinsatzfür staatliche

Schadensvorsorge

Schadenskosten

Qualität Kraftwerksbetrieb

econcept

Figur 20: Wirkungsmodell Elektrizitätswirtschaft

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6.4 Energieversorgungsunternehmen (EVU)

Die Produktion, der Transport und der Vertrieb von Strom weisen einige Besonderheiten

auf, welche im Zusammenhang mit der Nutzung von meteorologischen Informationen

relevant sind:

— Strom lässt sich nicht lagern, d.h. es muss zu jeder Zeit gleichviel Strom produziert

werden wie verbraucht wird. Dies wird als Gleichgewicht der Ein- und Ausspeisungen

im Stromnetz bezeichnet. Zusätzlich muss zur gleichen Zeit die nötige Transportka-

pazität im Stromnetz vorhanden sein.

— Strom wird im Tages- und Jahresverlauf sehr unregelmässig nachgefragt.

— Die Schweiz ist eine Regelzone (RZ). Das heisst, dass innerhalb der Schweiz ein

Gleichgewicht von Ein- und Ausspeisungen im Stromnetz sichergestellt werden muss.

Stromlieferungen zwischen EVU werden im Normalfall nach einem Fahrplan durchge-

führt, welcher am Vortag definiert wird. Um die Abweichungen zwischen dem Fahr-

plan und der tatsächlich nachgefragten resp. produzierten Strommenge auszuglei-

chen und so Verbrauch und Produktion im Gleichgewicht zu halten, wird seitens des

Netzbetreibers Regelleistung72 eingesetzt.

— Innerhalb der Regelzone Schweiz gibt es rund 130 aktive Bilanzgruppen (BG)73. Eine

BG umfasst eine beliebige Anzahl von Händlern, Erzeugern, Lieferanten und End-

verbrauchern. Alle Einspeise- resp. Entnahmestellen in der Schweiz müssen einer

BG zugeordnet sein. Die BG ist dafür verantwortlich, dass innerhalb der Gruppe mög-

lichst jederzeit ein Gleichgewicht zwischen Ein- und Ausspeisungen sichergestellt

wird.

— Das Höchstspannungsnetz in der Schweiz wird von der nationalen Netzbetreiberin

Swissgrid betrieben. Diese erstellt aus den Meldungen der Bilanzgruppen den Fahr-

plan für den nächsten Tag. Um Abweichungen vom Fahrplan abzufangen und das

System stabil zu halten, kann Swissgrid auf Regelleistung zurückgreifen. Diese soge-

nannte Systemdienstleistung wird von Swissgrid ausgelöst, aber von EVU zur Verfü-

gung gestellt, welche über flexible Produktionskapazitäten verfügen (z.B. Speicher-

kraftwerke).

72 Die Differenz zwischen Fahrplan und «Ist» auf dem Abrechnungsmarkt wird als Ausgleichsenergie bezeichnet. Regelleis-

tung (unpräzise auch Regelenergie genannt) ist die, für die Stabilisierung des Netzes durch den Netzbetreiber benötigte

Leistung auf dem Beschaffungsmarkt. Die Begriffe Regelenergie, Regelleistung und Ausgleichsenergie werden in Gesprä-

chen oft unpräzise verwendet, was zu Verwirrungen führen kann.

73 Quelle: http://www.swissgrid.ch, «Liste der aktiven Bilanzgruppen» (18.03.2011).

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Stromhandel

Strom kann, bei genügend Transportkapazität, innerhalb des europäischen Verbundsys-

tems gehandelt werden. Der Stromhandel kann hinsichtlich der Fristigkeit differenziert

werden (vgl. Tabelle 45).

Bezeichnung Fristigkeit

Intra-Day Bis 15 Minuten vor der Lieferung

Spot (auch Day-Ahead) Bis am Tag vor der Lieferung

Terminkontrakte Tage bis Jahre vor der Lieferung

Post Scheduling Am Tag nach der Lieferung

Tabelle 45: Stromhandel nach Fristigkeit. Der schweizerische Stromhandel wird teilweise über die European Energy Exchange (EEX) abgewickelt.

Eine Besonderheit im Strommarkt ist das «Post Scheduling», d.h. der Handel am Tag

nach der Lieferung. Dieser Mechanismus wird angewendet, wenn zur selben Zeit zwei

Handelspartner den jeweiligen Fahrplan in unterschiedlicher Richtung nicht einhalten

können. Statt das beide Ausgleichsenergiezahlungen an Swissgrid leisten müssen (der

eine für eine zu hohe Ausspeisung, der andere für eine zu hohe Einspeisung ins Netz),

kann im Nachhinein ein Handelsgeschäft abgewickelt werden. In der Schweiz bietet die

Firma OMPEX eine entsprechende Handelsplattform an.

Produktionstechnologien und Kraftwerkstypen

Im Rahmen dieser Studie werden Produktionstechnologien berücksichtigt, welche direkt

oder indirekt von meteorologischen Grössen abhängig sind. Diese sind in Tabelle 46 zu-

sammengefasst.

Produktionstechnologie Relevante Kraftwerkstypen Produktion in der Schweiz im Jahr 2008 (GWh)

Speicherkraftwerke 20’873 Wasserkraft

Laufwasserkraftwerke 16’686

Wind Windkraftwerke 19

Sonne Photovoltaikanlagen 34

Kernkraftwerke 26’132 Thermische Energie74

Konventionell-thermische Kraftwerke 14

Tabelle 46: Kraftwerkstypen und Stromproduktion in der Schweiz im Jahr 2008 aus Produktionstechnologien, die von meteorologischen Grössen direkt oder indirekt abhängig sind. Quelle: Schweizerische Elektrizitätsstatistik 2009 (BFE 2010).

Entscheidend für die Relevanz einer Produktionstechnologie ist nebst der produzierten

Menge Strom vor allem die maximale Leistung (Erzeugungskapazität) der Kraftwerke. Bei

Laufwasserkraftwerken (LKW), Windkraft- und Photovoltaikanlagen (PV) sind die variab-

len Kosten der Produktion gering. Ist die Leistung dieser Produktionskapazitäten relativ

zu den anderen Kraftwerkstypen bedeutsam, dann können diese Kraftwerke unter opti-

malen Produktionsbedingungen einen massgeblichen Einfluss auf den Marktpreis aus-

74 Die Leistung von thermischen Kraftwerken ist auch von der Kühlleistung abhängig. Diese wird bei flusswassergekühlten

Kraftwerken von der Wassertemperatur und bei luftgekühlten Kraftwerken von der Lufttemperatur beeinflusst.

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üben. Produktionsanlagen mit tiefen variablen Kosten werden sonst als Grundlast-

Kraftwerke eingesetzt, welche bei Lastschwankungen erst als letzte vom Netz genommen

werden. Im Gegensatz zu konventionellen thermischen Grundlastkraftwerken schwankt

die Produktion von LKW, Wind-, und PV-Anlagen mit den Wetterverhältnissen und erhöht

die Volatilität des Leistungsangebotes. Sie werden aber mindestens bisher bei einem

Leistungsüberangebot nicht hinuntergeregelt, weil sie tiefe variable Produktionskosten

aufweisen. Dabei sind die im Ausland installierten Erzeugungskapazitäten für schweizeri-

sche EVU besonders wichtig, da für die Preisentwicklung die europäische Gesamtsituati-

on mitentscheidend ist.

Exemplarisch zeigen Tabelle 47 und Tabelle 48 die Erzeugungskapazität und die Stro-

merzeugung für verschiedene Kraftwerkstypen in Deutschland und der Schweiz. Wind-

kraftwerke und Photovoltaikanlagen weisen, im Vergleich zu anderen Technologien, rela-

tiv zur erzeugten Strommenge ein hohes Leistungsangebot auf (vergleichsweise tiefe

Jahresnutzungsdauer der Höchstleistung), was insbesondere in Deutschland aus der

Statistik ersichtlich ist. Dies bedeutet, dass Wind- und Photovoltaikanlagen unter optima-

len meteorologischen Umständen, trotz geringem Anteil an der Gesamtproduktion, zeit-

weise sehr viel Strom produzieren. In solchen Situationen beeinflussen diese Kraftwerke

den Strompreis erheblich, da sie dann eine grosse Menge Strom einspeisen. Die regula-

torischen Bedingungen in Deutschland verschärfen dabei die resultierende Problematik:

Durch eine gesetzlich vorgeschriebene Abnahmeverpflichtung können Wind- und Solar-

stromproduzenten, unabhängig von der aktuellen Nachfrage, eine beliebige Menge Wind-

und Solarstrom ins Netz einspeisen. Dies führt dazu, dass bei guten Produktionsbedin-

gungen (viel Wind, viel Sonne) und relativ geringer Stromnachfrage die Strompreise (auf

der Grosshandelsstufe) zum Teil massiv sinken. Daraus kann gefolgert werden, dass

meteorologische Informationen für die Stromproduzenten und Händler zur Abschätzung

des zukünftigen Strompreises und zur Optimierung des Einsatzes der Produktionskapazi-

täten wichtig sind und daher potenziell einen wirtschaftlichen Nutzen für EVU generieren.

Produktionstechnologie Kraftwerkstypen Stromerzeugungskapazität in Deutschland 2009 (GW)

Bruttostromerzeugung in Deutschland 2009 (TWh)

Wasserkraft Wasserkraftwerke 10.3 24.7

Wind Windkraftwerke 25.8 38.6

Sonne Photovoltaikanlagen 9.8 6.6

Kernkraftwerke 21.5 134.9 Thermische Energie

Konventionell-thermische Kraftwerke

79.7 341.9

Tabelle 47: Stromerzeugungskapazität in GW und Stromerzeugung in TWh/a verschiedener Kraftwerkstypen in Deutschland im Jahr 2009. Quelle: Gesamtausgabe der Energiedaten, Datensammlung des BMWi (BMWi 2011).

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Produktionstechnologie Kraftwerkstypen Stromerzeugungskapazität in der Schweiz 2008 (GW)

Stromerzeugung in der Schweiz 2008 (TWh)

Wasserkraft Wasserkraftwerke 7.7 37.5

Thermische Energie Kernkraftwerke 3.2 26.1

Weitere Konventionell-thermische Kraftwerke, Windkraftwerke, Photo-voltaikanlagen

0.4 0.07

Tabelle 48: Stromerzeugungskapazität in GW und Stromerzeugung in TWh/a verschiedener Kraftwerkstypen in der Schweiz im Jahr 2008. In der Schweiz machen, im Gegensatz zu Deutschland, Windkraft-werke und Photovoltaikanlagen nur einen marginalen Anteil der Gesamtleistung aus. Deshalb sind für die erzeugte Strommenge aus diesen Produktionstechnologien, resp. den daraus entstehen-den Einfluss auf den Strompreis, vor allem die meteorologischen Gegebenheiten in Deutschland relevant. Quelle: Schweizerische Elektrizitätsstatistik 2009 (BFE 2010).

6.4.1 Relevante meteorologische Aspekte

Aufgrund der geführten Interviews lässt sich festhalten, dass verschiedene meteorologi-

sche Aspekte einen relevanten Einfluss auf berücksichtigten EVU haben75. Tabelle 49

zeigt eine Übersicht über diese relevanten Aspekte.

Meteorologischer Aspekt Relevantes geographisches Gebiet Auswirkung auf die schweizerischen EVU

Vertriebsgebiet des EVU Last (Stromverbrauch) im Vertriebsgebiet

Produktionsstandort KKW Maximal mögliche Produktion von Kern-kraftwerken (aufgrund der Kühlleistung)

Temperatur

Europa (insbesondere Deutschland und Frankreich)

Strompreis und Strompreiserwartungen

Vertriebsgebiet des EVU Last (Stromverbrauch) im Vertriebsgebiet Globalstrahlung (Bewölkung, Helligkeit) Produktionsstandort Photovoltaik

(Schweiz oder Ausland) Produktionspotenzial Photovoltaik, Strom-preis und Strompreiserwartungen

Niederschläge (Menge und Form des Niederschlages)

Einzugsgebiet Wasserkraftstandorte (Schweiz oder Ausland)

Produktionspotenzial Wasserkraft, Strom-preis und Strompreiserwartungen

Wind Vor allem Nord-Deutschland und Dänemark (Standorte grosser Wind-kraftanlagen)

Produktionspotenzial Windkraftanlagen, Strompreis und Strompreiserwartungen

Tabelle 49: Relevante meteorologische Aspekte für Elektrizitätsversorgungsunternehmen, gemäss Angaben der Interviewpartner.

Auf der Produktionsseite ist in der Schweiz vor allem die Menge und Form der Nieder-

schläge relevant, da etwa 60% des produzierten Stromes aus Wasserkraftwerken stammt

(BFS 2010). Im angrenzenden Ausland, insbesondere in Deutschland, sind auf der Pro-

duktionsseite zusätzlich Wind und Sonneneinstrahlung wichtig, da dort relevante Produk-

tionskapazitäten in den Bereichen Windenergie und Photovoltaik vorhanden sind.

Für die Höhe des Stromverbrauchs sind nebst anderen, wetterunabhängigen Faktoren

die Temperatur und die Helligkeit massgeblich. Dies gilt nicht nur für die Schweiz son-

dern für alle massgeblichen Länder. Aufgrund des hohen Anteils von Elektroheizungen

75 Die vorliegende Studie berücksichtigt nur EVU, die eigene Produktionskapazitäten aufweisen. Die meisten im Rahmen

dieser Studie analysierten Nutzen von meteorologischen Informationen treten bei den übrigen EVU (Verteilwerken) nicht

oder nur in einem sehr geringen Ausmass auf.

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reagiert insbesondere die Stromnachfrage in Frankreich stark auf Temperaturverände-

rungen.

Tabelle 49 zeigt, dass meteorologische Einflüsse sowohl auf die Stromnachfrage wie

auch auf das Stromangebot wirken und somit auch immer den Marktpreis beeinflussen.

Die Wirkungsrichtung ist aber keineswegs eindeutig. Beispielsweise führen höhere Tem-

peraturen im Winter zu einem tieferen Stromverbrauch (kleinerer Heizbedarf) und somit

tendenziell zu tieferen Strompreisen. Im Sommer hingegen führen höhere Temperaturen

zu einem höheren Stromverbrauch und zu höheren Strompreisen (grösserer Kühlbedarf).

Nicht nur die Wirkungsrichtung sondern auch die Relevanz meteorologischer Grössen ist

nicht absolut sondern relativ zur aktuellen Situation. Es gibt Situationen, bei welchen das

Wetter äusserst wichtig ist (z.B. im Herbst, wenn Speicherseen fast voll sind) und Situati-

onen, bei denen das Wetter praktisch keine Rolle spielt. Der Einfluss des Wetters hat in

den letzten Jahren tendenziell zugenommen, da Produktionskapazitäten im Bereich der

erneuerbaren Energien hinzugefügt worden sind. In Deutschland alleine sind dies etwa

20 GW Windkraft und 6 GW Photovoltaik (BAU 2010).

In diesem Abschnitt wurde gezeigt, dass meteorologische Phänomene eine relevante

Wirkung auf Stromangebot und Stromnachfrage ausüben können und dass die EVU sich

dieser Wirkung bewusst sind. Damit ist aber der Nutzen von meteorologischen Informati-

onen noch nicht erwiesen. Vielmehr ist zu analysieren, welche meteorologischen Infor-

mationen von den EVU verwendet werden und welche Effekte aus der Verwendung die-

ser Informationen bei den EVU entstehen.

6.4.2 Verwendung von meteorologischen Informationen

Alle interviewten EVU verwenden meteorologische Informationen in der einen oder ande-

ren Form zur Optimierung der Betriebsabläufe und zur Steigerung der Wirtschaftlichkeit.

Das Ausmass und die Systematik der Verwendung sind dabei von Unternehmen zu Un-

ternehmen aber sehr unterschiedlich. Folgende Faktoren beeinflussen die Verwendung

von meteorologischen Informationen und die eingesetzten Produkte massgeblich:

— Funktion und Ausbildung der direkten Nutzer/innen: Verfügen die Personen innerhalb

des Unternehmens über meteorologisches Know-how, so werden tendenziell mehr

rein meteorologische Informationen eingesetzt. Gibt es kein internes Know-how wer-

den vor allem Informationen von Datenprovidern eingesetzt, die meteorologische In-

formationen in einer aufbereiteten Form anbieten.

— Grösse und Ausrichtung des Unternehmens: Grössere Unternehmen tendieren dazu,

mehr Informationen zu verwenden und diese systematischer einzusetzen als kleinere.

In Unternehmen, die Handel mit Strom-Derivaten betreiben, werden meteorologische

Informationen stärker verwendet als in anderen Unternehmen.

— Verfügbarkeit einer ständigen Überwachung und Produktionsbegleitung im Unter-

nehmen. Ist die Leitstelle oder eine ähnliche Abteilung während 24 Stunden und sie-

ben Tage in der Woche besetzt, kann besser und schneller auf Veränderungen rea-

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144 / 6 Elektrizitätswirtschaft

giert werden und die Abhängigkeit von genauen meteorologischen Prognosen nimmt

ab.

Allgemein werden meteorologische Informationen heute mehr verwendet als noch vor

einigen Jahren und die Verwendung wird in Zukunft tendenziell zunehmen. Diese Ein-

schätzung beruht auf zwei Argumenten: Einerseits führt die staatliche Förderung und der

dadurch ausgelöste Ausbau von Produktionskapazitäten bei erneuerbaren Energien zu

einer höheren Abhängigkeit von meteorologischen Einflussgrössen. Andererseits verlangt

die Entkopplung von Netzbetreibern und EVU im Zuge der Deregulierung des schweizeri-

schen Energiemarktes genauere Prognosen der Stromnachfrage und des Stromangebo-

tes. Die nationale Netzbetreiberin Swissgrid schafft organisatorische und finanzielle An-

reize, um die Marktteilnehmer zu genaueren Fahrplanmeldungen zu motivieren. So wer-

den beispielsweise die Daten zum Stromverbrauch von Swissgrid nicht mehr in Echtzeit

zur Verfügung gestellt, sondern erst am folgenden Tag bekannt gegeben. Dadurch wird

ein Ausgleich von Fehlprognosen (Nachregulierung) innerhalb der Bilanzgruppen er-

schwert. Zusätzlich hat Swissgrid ab Mitte 2009 die Ausgleichsenergie wesentlich ver-

teuert, indem sie die entsprechenden Umrechnungsfaktoren («Alpha-Faktoren») ange-

passt hat (Swissgrid 2009).

Verwendete meteorologische Produkte

Die verschiedenen EVU verwenden unterschiedliche meteorologische Produkte, je nach

den Bedürfnissen der Nutzer/innen innerhalb des Unternehmens. Diese Produkte sind:

— Kostenpflichtige Informationen von spezialisierten Datenprovidern für die Energiewirt-

schaft wie beispielsweise das Produkt «PointCarbon» der Firma Reuters oder das

«Energieservice-Portal» der Firma Meteomedia. Diese Produkte enthalten einerseits

rein meteorologische Informationen wie Temperaturprognosen oder Niederschlags-

prognosen in einer für die Nutzer/innen verständlichen Form (Graphiken, Diagramme

usw.). Andererseits enthalten sie aber auch aggregierte und durch Analyse-Teams in-

terpretierte Angaben zu Preisen, Preiserwartungen, Stromnachfrage und Stromange-

bot in welchen meteorologische Informationen nur einen Teil von mehreren Inputfak-

toren darstellen.

— Teilweise frei verfügbare Informationen wie globale Wettermodelle (ECMWF76-Modell,

GFS77), regionale Wettermodelle, Wetterprognosen, Wetterportale im Internet und

Radarbilder. Je nach Unternehmen werden bis zu 10 verschiedene, frei verfügbare

Quellen parallel verwendet.

— Kostenpflichtige individuelle Beratung, beispielsweise per Telefon, durch unterneh-

mensexterne Meteorologen/innen im Bedarfsfall

76 Das «European Centre for Medium-Range Weather Forecasts» ist eine internationale Organisation mit Sitz in Grossbritan-

nien und wird von 34 Ländern, darunter auch die Schweiz, finanziell und materiell (beispielsweise mit Messdaten) unter-

stützt. Das ECMWF produziert ein numerisches Modell zur mittelfristigen Wetterprognose (Quelle: MeteoSchweiz, persön-

liche Kommunikation) welches frei im Internet verfügbar ist.

77 Das «Global Forecast System» ist ein numerisches Modell zur globalen Wetterprognose. GFS wird von der «National

Oceantic and Atmospheric Administration» (NOAA) in den USA betrieben und ist frei im Internet verfügbar (Quelle:

http://www.noaa.gov (13.03.2011)).

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— Kostenpflichtige Wettermodelle wie beispielsweise das COSMO-Modell von Meteo-

Schweiz

— Messdaten (eigene Messungen der EVU und Messdaten des Messdatennetzes von

MeteoSchweiz)

— Kostenpflichtige und kostenlose Produkte, welche meteorologische Informationen

kombiniert mit anderen Informationen enthalten, aber nicht spezifisch für die Ener-

giewirtschaft konzipiert sind (z.B. Zu- und Abflussprognosen von Gewässern).

— Nebst den bewusst verwendeten meteorologischen Informationen werden Informatio-

nen auch unbewusst verwendet, insbesondere durch die lokalen Kraftwerksbetreiber.

Generell lässt sich sagen, dass in allen interviewten Unternehmen meteorologische In-

formationen verwendet werden. Die Verwendung scheint aber generell noch wenig sys-

tematisch und folgt eher den Vorlieben und Bedürfnissen der Nutzer/innen und nicht ei-

ner klar definierten Unternehmensstrategie. Die meisten Gesprächsteilnehmenden gehen

davon aus, dass in der Verwendung von meteorologischen Informationen noch viel unge-

nutztes Potential liegt, insbesondere im Bereich der Produktionsprognose. Man kann also

davon ausgehen, dass die Nutzung von meteorologischen Informationen in Zukunft zu-

nimmt und dass die Nutzung professionalisiert wird.

Die EVU sind im Kern nicht an Wetterinformationen interessiert, sondern sie möchten

wissen, welche Auswirkungen das Wetter auf ihre betriebliche Tätigkeit und auf das Ver-

halten der Mitbewerber hat bzw. in Zukunft haben wird. Hierzu sind in den berücksichtig-

ten EVU zwei Strategien feststellbar: Die einen Unternehmen bauen Stellen oder Abtei-

lungen mit eigenem meteorologischem Know-how auf und beziehen meteorologische

«Rohdaten» auf dem Markt oder von frei verfügbaren Quellen. Andere Unternehmen la-

gern das meteorologische Know-how aus und greifen auf Anbieter zurück, die meteorolo-

gische Informationen mit Spezialwissen aus der Energiewirtschaft kombinieren und ferti-

ge Entscheidungsinstrumente zur Verfügung stellen.

Optimierung mit meteorologischen Informationen

Alle interviewten Unternehmen verwenden meteorologische Informationen als Unterstüt-

zung bei der Erstellung von Produktions-, Preis- und Lastprognosen. Mit einer Produkti-

onsprognose schätzen die EVU die in den nächsten Stunden bis Tagen zu erwartende

Produktion ab. Bei Wasser-, Wind- und Solarkraftwerken spielen hierfür meteorologische

Informationen eine entschiedene Rolle. Es wird zwischen Produktionserwartung und Pro-

duktionspotenzial unterschieden. Als Produktionserwartung wird die Strommenge be-

zeichnet, welche auf alle Fälle produziert werden wird, als Produktionspotenzial die

Strommenge, welche bei Bedarf produziert werden kann.

Die EVU müssen im Voraus möglichst genau wissen, wie viel Strom ihre Kunden nach-

fragen resp. konsumieren werden. Hierfür benötigen die EVU eine Lastprognose für das

eigene Vertriebsgebiet, welche unter anderem auf meteorologischen Informationen wie

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Temperatur und Globalstrahlung basiert. Die Lastprognose wird je nach EVU inhouse

erstellt oder bei spezialisierten Anbietern zugekauft.

Nicht zuletzt sind meteorologische Informationen ein wichtiger Bestandteil der kurzfristi-

gen Preisprognose für die nächsten Tage, da meteorologische Grössen sowohl die Nach-

frage wie auch das Angebot in der Schweiz und in Europa beeinflussen.

Aufgrund der Preis-, Produktions- und Lastprognose optimieren die EVU täglich den Ein-

satz des Kraftwerkportfolios. Eine erwartete Nachfrage kann beispielsweise, je nach

Preis, entweder durch eigene Produktion oder durch Zukaufen von Strom auf dem freien

Markt gedeckt werden.

6.4.3 Aussagen der befragten Unternehmen zur Wirkung auf die Wirtschaftlichkeit

Meteorologische Informationen beeinflussen in verschiedener Weise die Wirtschaftlich-

keit von Elektrizitätsversorgungsunternehmen. Gemäss den Aussagen der berücksichtig-

ten EVU lassen sich die Wirkungen wie folgt differenzieren.

Minimierung von Fahrplanabweichungen

Meteorologische Informationen verbessern die Zuverlässigkeit der Lastprognosen, wel-

che von den EVU oder von externen Dienstleistern erstellt werden. Lastprognosen kön-

nen auch ohne meteorologische Daten, basierend auf den historischen Verbrauchszahlen

vergleichbarer Tage, erstellt werden. Gemäss Schätzungen der berücksichtigten EVU

wäre die durchschnittliche Abweichung bei den Lastprognosen ohne meteorologische

Informationen aber um 1 bis 3 Prozentpunkte schlechter als heute. Diese Schätzung

wurde durch einen unabhängigen Dienstleister bestätigt, der Lastprognosen erstellt.

Durch eine schlechtere Lastprognose können weniger präzise Fahrplanmeldungen an

Swissgrid gemacht werden, was zu grösseren Fahrplanabweichungen führen kann. Dies

hat zur Folge, dass die EVU durch das Einsetzen von flexibler Produktion- oder Pumpka-

pazität, respektive durch den Verkauf oder den Kauf von Strom über den Intraday-Handel

die Abweichung nachregeln müssen. Gelingt dies nicht, beispielsweise weil keine flexib-

len Produktionskapazitäten vorhanden sind oder weil die Abweichung vom Fahrplan nicht

beobachtet werden kann, wird Ausgleichsenergie von Swissgrid bezogen. Sowohl die

Nachregelung als auch der Bezug von Ausgleichsenergie von Swissgrid führen zu höhe-

ren Kosten, die sich negativ auf die Wirtschaftlichkeit der EVU auswirken:

— Der Bezug von Ausgleichsenergie von Swissgrid ist rund 30% teurer als der entspre-

chende Spot-Preis.

— Durch die Nachregelung werden vorhandene Produktionspotentiale (z.B. gespeicher-

tes Wasser) unter Umständen zu früh eingesetzt und stehen somit nicht mehr zur

Spitzenlastproduktion zur Verfügung.

— Im Intraday-Handel entstehen im Vergleich zum Spot-Handel hohe administrative

Kosten, da dieser nicht über standardisierte Plattformen, sondern häufig per Telefon

abgewickelt wird.

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— Kurzfristig verfügbare Produktionsanlagen sind häufig kostenintensiver als andere

Anlagen (z.B. ist ein Ölkraftwerk pro produzierte Stromeinheit teurer als ein Kohle-

kraftwerk). Dies gilt aber für Speicherkraftwerke in der Schweiz nicht in jedem Fall.

Eine Quantifizierung dieser Nutzen ist aber für die EVU nicht oder nur ungenau möglich.

Die berücksichtigten EVU begründen dies wie folgt:

— Meteorologische Informationen unterstützen viele Entscheidungen, sie sind aber in

der Regel nur eine von mehreren Grundlagen im Entscheidungsprozess. Es ist des-

halb sehr schwierig, den Effekt der meteorologischen Informationen zu isolieren.

— Das Ausmass der Regelmöglichkeiten innerhalb der Bilanzgruppe ist stark von der

Auslastung der Produktionsanlagen und vom verfügbaren Produktionsportfolio ab-

hängig.

— Das Ausmass der Ausgleichsmöglichkeiten und die Höhe der Kosten im Intraday-

Handel ist abhängig von der Marktsituation in der Regelzone (RZ) Schweiz und in der

eigenen Bilanzgruppe (BG). Sowohl in der RZ als auch in der BG kann, unabhängig

voneinander, ein Überangebot oder eine Übernachfrage vorherrschen. Sind RZ und

BG nicht in derselben Marktsituation, ist die Nachregelung relativ einfach und günstig;

herrscht aber sowohl in der RZ wie in der BG die gleiche Marktsituation, ist es

schwierig einen Handelspartner zu finden und die Preise sind entsprechend hoch.

— Fehler in der Prognose können sich gegenseitig aufheben oder verstärken. Wenn

sowohl die Produktions- als auch die Lastprognose falsch sind, die Richtung der Feh-

ler aber entgegengesetzt, so ist der Effekt der falschen Prognose klein; ist aber die

Richtung der Fehler gleich, addieren sich die Fehler.

— Das Ausmass des «Post-Schedulings» ist stark abhängig vom Verhalten der anderen

Marktteilnehmer. Das «Post-Scheduling» kann, gemäss Aussagen eines Interview-

partners, je nach Situation bis zu 50% der Regel- und Ausgleichsenergie abfangen.

Trotz dieser Schwierigkeiten haben drei der sechs befragten EVU Schätzungen zum

Ausmass des Nutzens von meteorologischen Informationen hinsichtlich der Minimierung

von Fahrplanabweichungen gemacht. Ein Stromverbundunternehmen schätzt den Nutzen

von meteorologischen Informationen für sich auf etwa eine halbe Million CHF pro Jahr.

Ein mittelgrosses, regionales EVU schätzt den Nutzen auf 3000 € pro Tag78, aber nur in

den Wintermonaten. Dies würde einem durchschnittlichen Nutzen von rund 360'000 CHF

pro Jahr entsprechen79. Ein weiteres mittelgrosses EVU schätzt, dass durch den zusätzli-

chen administrativen Aufwand im Intraday-Handel eine zusätzliche 100%-Stelle im Un-

ternehmen geschaffen werden müsste. Eine grobe Schätzung des Nutzens über alle EVU

in der Schweiz ist im Kapitel 6.4.6 enthalten.

78 Die Schätzung kam zustande, indem das Unternehmen die Prognosequalität für den Parameter Temperatur mit oder ohne

meteorologische Informationen abgeschätzt hat. Diese Temperaturdifferenz wurde anschliessend durch das Unternehmen

grob in eine Last-Differenz umgerechnet. Durch Multiplizieren der daraus resultierenden Strommenge mit einer geschätz-

ten Preisdifferenz zwischen Ausgleichs- und Spotenergiepreis schätzte das Unternehmen den Effekt auf etwa 3000 € pro

Tag im Winter.

79 Angenommener CHF/€ Kurs: 1.3.

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Minimierung von Speicherverlusten

Die Speicherstrategien80 von Stauseen basieren in der Regel auf historischen Zuflussda-

ten und nicht auf meteorologischen Prognosen. Sind die Speicherseen aber fast voll,

spielen Niederschlagsprognosen eine wichtige Rolle, um den Überlauf des Sees und

somit den Verlust von Wasser für die Stromproduktion zu verhindern. Werden starke

Niederschläge erwartet, so kann der Pegelstand durch präventive Produktion reduziert

und die zusätzlichen Wassermassen gespeichert werden. Auch wenn der präventiv pro-

duzierte Strom zu einem ungünstigen Zeitpunkt verkauft werden muss, ist dies besser als

Wasser ungenutzt überfliessen zu lassen. Die Vermeidung von solchen Überläufen hat

eine positive Wirkung auf die Wirtschaftlichkeit der EVU.

Ob und wann eine solche Situation eintritt, ist von Speichersee zu Speichersee sehr un-

terschiedlich. Entscheidend ist das Verhältnis zwischen Einzugsgebiet und Fassungs-

vermögen einerseits und zwischen Abfluss bei voller Produktion und maximal möglichem

Zufluss andererseits. Bei kleineren Speicheranlagen und/oder relativ grossen Einzugsge-

bieten kann bereits ein heftiges Gewitter den See zum Überlaufen bringen, bei anderen

Anlagen kommt diese Situation praktisch nie vor. Einige Seen erreichen nur einmal pro

Jahr, typischerweise im Herbst, das maximale Stauniveau, andere Seen werden mehr-

mals pro Jahr gefüllt.

Jede Stauanlage hat einen «grünen Bereich» zwischen dem maximalen und dem mini-

malen Pegelstand, in dem die Produktion möglich aber nicht zwingend ist. In diesem Be-

reich sind Preise und Preiserwartungen für die Produktion entscheidend. Ausserhalb des

«grünen Bereichs» sind andere Faktoren ausschlaggebend. Die Grösse des «grünen

Bereichs» ist sowohl von anlage- und unternehmensspezifischen Faktoren als auch von

der anzuwendenden Gesetzgebung (Restwassermengen) und den Konzessionsbestim-

mungen abhängig.

Wetterprognosen werden in den verschiedenen EVU unterschiedlich systematisch zur

Prävention von Überläufen verwendet. Häufig wird bei kritischen Situationen das Wetter

laufend beobachtet, sei es lokal durch die Kraftwerksbetreiber oder in der Leitstelle mit

Hilfe von Niederschlagsradarbildern.

Die Aussagen der EVU lassen sich wie folgt zusammenfassen: Es kann Situationen ge-

ben, wo meteorologische Informationen eine präventive Produktion auslösen und somit

zur Verhinderung von Verlusten durch überlaufendes Wasser beitragen. Wie hoch dieser

Nutzen für die EVU konkret ist, konnte jedoch keines der berücksichtigten Unternehmen

abschätzen. Einerseits sind die finanziellen Auswirkungen je nach Marktsituation (Ange-

bot, Nachfrage, Marktpreis) völlig unterschiedlich und lassen deshalb keine allgemeinen

Aussagen zu. Andererseits können die befragten Unternehmen nur begrenzt oder gar

nicht abschätzen, wie viel Überlauf sich durch meteorologische Informationen überhaupt

vermeiden lässt. Dies liegt insbesondere daran, dass bei fehlenden Wetterprognosen

andere Instrumente verwendet würden, die meteorologische Informationen, zumindest

80 Die Speicherstrategie eines Stausees definiert, welcher Pegelstand im zeitlichen Verlauf wann erreicht werden soll.

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teilweise, ersetzen können (z.B. Zuflussmessungen in Echtzeit, Persistenzprognosen81,

Wetterbeobachtung durch Kraftwerkspersonal, persönliche Erfahrung des Kraftwerkper-

sonals).

Planung von Unterhaltsarbeiten

Durch meteorologische Prognosen lassen sich Unterhaltsarbeiten bei Flusswasserkraft-

werken so legen, dass möglichst wenig Wasser ungenutzt abgeleitet werden muss. Kon-

kret betrifft dies kurze Unterhaltsarbeiten während einiger Tage an einzelnen Turbinen.

Während dieser Zeit kann das Kraftwerk nur einen Teil der normalen Wassermenge ver-

arbeiten. Fallen diese Revisionsarbeiten in einen Zeitraum mit Niedrigwasser und ohne

nennenswerte Niederschläge ist der Verlust für das EVU kleiner als sonst. Ein befragtes

EVU schätzt den durch die Nutzung von meteorologischen Prognosen entstandenen Nut-

zen für drei kleine bis mittlere Flusswasserkraftwerke gemeinsam auf etwa 100’000 CHF

pro Jahr.

Preisoptimaler Einsatz von Produktionspotentialen

Laut den Aussagen einiger EVU entsteht ein weiterer betriebswirtschaftlicher Nutzen von

meteorologischen Informationen daraus, dass dank Wetterprognosen ein grösserer Anteil

der Produktion der Speicherkraftwerke zu höheren Preisen, d.h. wenn die Nachfrage

gross ist, verkauft werden kann als ohne meteorologische Informationen. Somit ist der

durchschnittliche Erlös pro verkaufte Stromeinheit höher.

Um die vorhandenen Produktionspotentiale möglichst preisoptimal einsetzen zu können,

wird die Produktion, soweit dies technisch und organisatorisch möglich ist, anhand von

Preisprognosen geplant. Meteorologische Informationen verbessern die Preisprognose

und können somit dazu beitragen, die Produktionspotentiale preisoptimal einzusetzen.

Konkret bedeutet dies beispielsweise, dass die EVU mit dem Verwenden des gespeicher-

ten Wassers zuwarten, wenn eine Kältewelle im Winter erwartet wird, da diese die Preise

tendenziell steigen lässt.

Stromhandel

Ob sich das allgemeine Fehlen von meteorologischen Informationen im Zusammenhang

mit dem Stromhandel negativ auf die Wirtschaftlichkeit der schweizerischen EVU auswir-

ken würde, ist nicht klar. Insbesondere die Akteure, die sich intensiv mit der Frage des

Stromhandels auseinandersetzten, stellen den positiven Effekt von meteorologischen

Informationen aus folgenden Gründen in Frage:

— Der Strommarkt ist kompetitiv: Entscheidend ist daher nicht die absolute Informati-

onsqualität, sondern über welche Informationen das EVU relativ zu den Mitbewerbern

verfügt. Falls es generell keine meteorologischen Informationen gäbe, würden alle

Marktteilnehmer über schlechtere Preismodelle verfügen; relativ zueinander wären

die Modelle aber nach wie vor gleich gut und die Erträge deshalb nicht wesentlich

anders als heute.

81 Bei der Persistenzprognose wird davon ausgegangen, dass sich das Wetter nicht verändert, sondern so bleibt wie es

aktuell ist.

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150 / 6 Elektrizitätswirtschaft

— Ohne meteorologische Informationen würden die Preise die tatsächlichen Gegeben-

heiten im Markt weniger gut widerspiegeln und Angebot und Nachfrage müssten viel

kurzfristiger ausgeglichen werden als heute. Davon könnten jene Unternehmen profi-

tieren, welche – relativ zu den anderen Marktteilnehmenden – über ein flexibles Pro-

duktionsportfolio verfügen (z.B. Speicher- und Pumpspeicherkraftwerke). Schweizer

EVU haben einen vergleichsweise hohen Anteil an Speicher- und Pumpspeicher-

kraftwerken. Unter Umständen würde also das Fehlen von meteorologischen Informa-

tionen zu einem positiven Effekt auf die Wirtschaftlichkeit schweizerischer EVU füh-

ren, auch wenn die gesamtwirtschaftlichen Effekte, mindestens auf europäischer

Ebene, negativ wären.

Weitere Effekte auf die Wirtschaftlichkeit

Einige EVU erwähnten noch weitere Effekte von meteorologischen Informationen auf die

Wirtschaftlichkeit, ohne diese quantifizieren zu können:

— Meteorologische Gutachten werden zur Abschätzung des Produktionspotentials bei

Kraftwerkserneuerungen oder Neubauten verwendet. Dies betrifft insbesondere

Windkraftwerke, Wasserkraftwerke (Zuflusserwartungen, Wirkung von Klimaverände-

rungen) und Kernkraftwerke (Kühlpotential).

— Durch meteorologische Prognosen kann die Nachfrage zuverlässiger prognostiziert

werden. Ohne diese Informationen könnte unerwartet eine grosse Last auftreten, wel-

che nur durch sehr teure, kurzfristig verfügbare Kraftwerke (z.B. Ölkraftwerke) be-

dient werden kann.

6.4.4 Aussagen der befragten Unternehmen zur Wirkung auf die Qualität der

Leistungserbringung

Meteorologische Informationen können im Bereich der EVU nicht nur die Wirtschaftlich-

keit beeinflussen, sondern sie wirken sich auch auf die Qualität der Leistungserbringung

aus. Dies betrifft einerseits die Versorgungssicherheit in der Schweiz und die Sicherheit

der schweizerischen Anlagen zur Stromerzeugung und zum Stromtransport und anderer-

seits die Verhinderung von Überschwemmungsschäden durch den Einsatz von Stauanla-

gen zum Abflussmanagement im Krisenfall.

Versorgungssicherheit

Durch meteorologische Informationen können Angebot und Nachfrage besser prognosti-

ziert werden, was sich stabilisierend auf den Strommarkt auswirkt. Sowohl die Wahr-

scheinlichkeit einer Fehlplanung als auch das Ausmass der Fehlplanung nähme ohne

meteorologische Prognosen zu. Dadurch wäre es schwieriger, das permanente Gleich-

gewicht der Ein- und Ausspeisungen im Stromnetz sicherzustellen. Dies würde sich ne-

gativ auf die Versorgungssicherheit auswirken und das Risiko von ungeplanten Lastab-

würfen oder von Stromausfällen erhöhen.

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Sicherheit der Stauanlagen und der Versorgungsnetze

Die EVU verwenden, aufgrund gesetzlicher Bestimmungen, meteorologische Informatio-

nen bei der Überwachung ihrer Stauanlagen. Im Bereich der Übertragungsnetze werden

meteorologische Informationen von den EVU aber kaum eingesetzt.

Verhinderung von Schäden durch Überschwemmungen

Die EVU verwenden meteorologische Prognosen nicht gezielt zur Verhinderung von

Schäden durch Überschwemmungen. Solange die Konzessionsbestimmungen eingehal-

ten werden, besteht für die EVU auch keine Schadensersatzpflicht. Meteorologische In-

formationen entfalten in diesem Bereich dennoch einen volkswirtschaftlichen Nutzen

durch ihren Einsatz im Schadensmanagement sowie in der Schadensprävention durch

die zuständigen öffentlichen Behörden (siehe Abschnitt 6.6).

6.4.5 Würdigung der Resultate aus der Befragung der EVU

Meteorologische Informationen beeinflussen zweifellos die Wirtschaftlichkeit und die

Qualität der Leistungserbringung der EVU. Ob dies einen volkswirtschaftlich relevanten

Effekt auslöst, muss im Einzelnen geklärt werden. Andererseits können aber, auch wenn

für die EVU kein unternehmerischer Nutzen respektive keine unternehmerischen Kosten

entstehen, ein volkswirtschaftlicher Nutzen beziehungsweise volkswirtschaftliche Kosten

durch meteorologische Informationen ausgelöst werden.

Am eindeutigsten ist die Sachlage bei der Minimierung von Wasserüberläufen. Diese

führen direkt zu volkswirtschaftlich relevanten Ressourceneinsparungen, da das Wasser

keinen Nutzen generiert, wenn es ungebraucht überfliesst.

Fahrplanabweichungen haben zwei Effekte zur Folge: Einerseits führen sie aufgrund der

nötigen Nachregulierung zu zusätzlichem Aufwand bei den EVU und andererseits bewir-

ken Fahrplanabweichungen einen höheren Konsum von Systemdienstleistungen und

können das Ausfallrisiko erhöhen. Unter der Annahme, dass die Preiszuschläge für Aus-

gleichsenergie den zusätzlichen Kosten für das Netzmanagement und die Bereitstellung

der Systemdienstleistungen entsprechen, kann die Reduzierung beider Effekte als Res-

sourceneinsparungen interpretiert werden. Gleiches gilt auch für die «weiteren Effekte»

von meteorologischen Informationen, die im Wesentlichen die Betriebskosten der EVU

reduzieren.

Wenn meteorologische Informationen genutzt werden, um Preisprognosen zu erstellen,

sind die volkswirtschaftlichen Auswirkungen weniger eindeutig. Verlässliche Preisprogno-

sen führen prinzipiell dazu, dass die Preiserwartungen die zukünftigen Knappheiten im

Markt korrekt aufzeigen. Dies hat unterschiedliche Effekte auf die Spot- und Intraday-

Preise:

— Die Spot-Preise werden volatiler, da sie auf erwartete Wettersituationen reagieren.

Ohne meteorologische Informationen würden die Preise keine Reaktion auf zukünfti-

ge Wetterereignisse zeigen und wären somit stabiler.

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152 / 6 Elektrizitätswirtschaft

— Die Intraday-Preise werden weniger volatil, da die für den Spot-Preis ausschlagge-

bende Nachfrage-Angebots-Kombination häufiger zutrifft als ohne meteorologische

Informationen. Ausserdem sinkt das Volumen des Intraday-Handels, da weniger kurz-

fristig gehandelt werden muss.

Für den Halter eines flexibel einsetzbaren Produktionspotentials, beispielsweise eines

gefüllten Speichersees, haben die beiden Effekte gegensätzliche Auswirkungen. Einer-

seits kann das vorhandene Potential auf dem Spot-Markt unter Berücksichtigung der er-

höhten Volatilität preisoptimaler eingesetzt werden, andererseits ist die Gewinnmarge im

Intraday-Handel durch die weniger starken Schwankungen kleiner. Es lässt sich daher

aus der vorliegenden Untersuchung nicht schliessen, welcher Effekt für die schweizeri-

schen EVU überwiegt. Es lässt sich aber festhalten, dass eine präzise Preisprognose zu

einem stabileren, weniger nervösen Markt mit insgesamt weniger heftigen Preisaus-

schlägen nach oben oder nach unten führt. Dies kann einen volkswirtschaftlich positiven

Effekt haben, da ein stabiler und berechenbarer Markt das Risiko von unerwarteten Über-

oder Unterkapazitäten reduziert. Dadurch sinkt das Risiko von Ausfällen oder von uner-

warteten Lastabwürfen, was insgesamt zu Ressourceneinsparungen führt.

«Nutzen von meteorologischen Informationen bei den EVU»

Meteorologische Informationen

Planung Unterhalt

PräventiveProduktion

LastprognoseProduktions-

prognose

wenigerWasserüberläufe

weniger Fahrplanabweichungen

Ressourceneinsparungen

wenigerAufwand

wenigerAusgleich

tiefere Kosten für Stabilität

Preisprognose

volatilererSpot-Preis

wenigervolatiler

Intraday-Preis

stabilererMarkt

Gesamteffektunklar

weitereEffekte

wenigerAufwand

wenigerAusfälle

econcept

Figur 21: Volkswirtschaftlich relevanter Nutzen von meteorologischen Informationen bei EVU

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Beim Handel mit Finanzprodukten (Strom-Derivaten), der durch die EVU betrieben wird,

ist der volkswirtschaftliche Nutzen von meteorologischen Informationen nicht belegt, da in

diesem Bereich nur die relative Verfügbarkeit und Qualität von meteorologischen Infor-

mationen entscheidend ist. Das allgemeine Fehlen von meteorologischen Informationen

hätte in diesem Zusammenhang mit grosser Wahrscheinlichkeit keinen volkswirtschaftlich

relevanten Effekt.

6.4.6 Hochrechnung

Basierend auf den quantitativen Aussagen der berücksichtigten EVU lässt sich der Nut-

zen von meteorologischen Informationen für den Teilbereich «Minimierung von Fahrplan-

abweichungen» hochrechnen. Wir verwenden hierfür die Angabe der EVU, wonach die

Lastprognose ohne Wetterinformationen im Jahresdurchschnitt 1-3 Prozentpunkte

schlechter wäre als heute.

Ist die Lastprognose zu tief, bezieht das EVU die zusätzlich benötigte Energie als Aus-

gleichsenergie über Swissgrid, ist die Lastprognose hingegen zu hoch, muss das EVU

die überschüssige Energie als Ausgleichsenergie über Swissgrid absetzen. In diesem

Szenario gehen wir davon aus, dass die EVU keine Möglichkeit zur Nachregelung haben.

Dies trifft für kleinere und mittlere EVU in der Regel zu, da die geplante Stromproduktion

in der Regel nicht laufend angepasst wird (z.B. keine «24h/7Tage Überwachung»). Auch

für grössere EVU wird die Nachregelung immer schwieriger: Im Rahmen des neuen Bi-

lanzgruppensystems in der Schweiz sind die effektiven Verbrauchszahlen für die EVU

bewusst nicht mehr in Echtzeit verfügbar, sondern erst am Folgetag, was eine aktive

Nachregelung erschwert oder verunmöglicht. Die Nachregelungsmöglichkeiten der EVU

wurden bewusst reduziert, um diese zu präziseren Lastprognosen zu motivieren. Präzise

Lastprognosen helfen das Gesamtsystem stabiler zu machen, was sowohl gesamtwirt-

schaftlich (Ausfallsicherheit) als auch für die EVU (tiefere Kosten für Netzregulierung)

positiv ist. Die relativ neue Möglichkeit, durch nachträgliche Kontrakte zwischen Bezü-

gern und Lieferanten von Ausgleichsenergie die Kosten zu senken («post-scheduling»)

wurde hingegen in die Hochrechnung integriert.

Die konkreten finanziellen Auswirkungen der schlechteren Prognose auf die EVU sind

davon abhängig, in welchem Zustand sich die Bilanzgruppe relativ zur Regelzone befin-

det, d.h. ob die Ausgleichsenergie stabilisierend oder destabilisierend wirkt. In jedem Fall

ist das EVU aber finanziell schlechter gestellt, als wenn es die korrekten Mengen Strom

auf dem Spotmarkt gekauft oder verkauft hätte. Tabelle 50 zeigt die Ausgleichsenergie-

kosten als Zu- resp. Abschlag vom Spotpreis in den vier möglichen Zustands-

Kombinationen von Regelzone und Bilanzgruppe. Die Werte für die Korrekturfaktoren α1

bis α4 sind von Swissgrid wie folgt festgelegt worden (Swissgrid 2009 und Swissgrid

2011): α1= α4 = 1.3, α2 = α3 = 0.7. Überdies wird in Tabelle 50 von einem durchschnittli-

chen Regelarbeitskosten-Zuschlag (RAZuschlag) resp. Regelarbeitskosten-Abschlag (RAAb-

schlag) von jeweils +/-20% ausgegangen (OPMPEX 2011).

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154 / 6 Elektrizitätswirtschaft

Regelzone (RZ)

«short» (Unterdeckung) «long»(Überdeckung)

«short» (Unterdeckung)

EVU bezieht Energie und zahlt: (BG wirkt destabilisierend)

PSpot × RAZuschlag × α1 PSpot × 1.2 × 1.3

Zuschlag: 56% auf PSpot

EVU bezieht Energie und zahlt: (BG wirkt stabilisierend)

PSpot × α4 PSpot × 1.3

Zuschlag: 30% auf PSpot

Bila

nzgr

uppe

(BG

)

«long» (Überdeckung)

EVU liefert Energie und erhält: (BG wirkt stabilisierend)

PSpot × α2

PSpot × 0.7

Abschlag: 30% auf PSpot

EVU liefert Energie und erhält: (BG wirkt destabilisierend)

PSpot × RAAbschlag × α3 PSpot × 0.8 × 0.7

Abschlag: 44% auf PSpot

Tabelle 50: Ausgleichsenergiekosten in der Schweiz. Die Werte für die Korrekturfaktoren α1 bis α4 sind von Swissgrid festgelegt worden. Der durchschnittliche Regelarbeitskosten-Zuschlag (RAZuschlag) resp. Regelarbeitskosten-Abschlag (RAAbschlag) ist +/- 20%. Der Preis PSpot bezeichnet den jeweiligen Day-Ahead-Preis (SwissIX Preis). Quellen: Swissgrid 2009, Swissgrid 2011 und OPMPEX 2011.

Zur Hochrechung treffen wir folgende Annahmen:

— Annahme 1: Der Prognosefehler ist über die Zeit uniform verteilt, d.h. in 50% der Zeit

führt der Prognosefehler zu einer Unterdeckung in der BG und in 50% der Zeit zu ei-

ner Überdeckung.

— Annahme 2: Der Zustand der RZ ist unabhängig vom Zustand der BG.

Diese Annahmen lassen eine Hochrechung des Nutzens der meteorologischen Informati-

onen zu. Zur Bestimmung der Ausgleichsenergiezu- und Abschläge wurden die von

Swissgrid veröffentlichten Ausgleichsenergiekosten für jede Viertelstunde im Jahr 2010

ausgewertet (vgl. Tabelle 51). Zusätzlich wurden alle Viertelstunden im Jahr 2010 in zwei

Gruppen aufgeteilt, je nach dem ob in dieser Viertelstunde die Regelzone Schweiz

«short» oder «long» war.

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Preise für Ausgleichsenergie (ct/kWh), Mittelwerte

RZ short RZ long

Anteil Viertelstunden im Jahr 2010

BG long BG short BG long BG short RZ short RZ long

Januar 2010 3.97 9.24 2.57 6.07 74% 26%

Februar 2010 4.13 9.33 2.87 6.72 66% 34%

März 2010 4.31 9.94 2.76 6.93 60% 40%

April 2010 3.40 8.16 2.43 5.89 49% 51%

Mai 2010 3.07 7.31 2.18 5.16 66% 34%

Juni 2010 3.16 8.08 2.02 4.81 77% 23%

Juli 2010 3.42 8.07 2.26 5.30 69% 31%

August 2010 2.99 6.94 1.93 4.65 62% 38%

September 2010 3.50 8.27 2.38 5.53 63% 37%

Oktober 2010 4.17 10.06 3.04 7.38 71% 29%

November 2010 4.15 9.75 2.64 6.64 61% 39%

Dezember 2010 4.46 10.68 3.21 7.69 70% 30%

Jan.-Dez. 2010 3.73 8.82 2.52 6.06 66% 34%

Tabelle 51: Auswertung der Ausgleichsenergiepreise in Eurocent pro Kilowattstunde und des Zustandes der Regelzone Schweiz für das Jahr 2010.

Basierend auf den Daten aus Tabelle 51 lässt sich einerseits die Verteilung des Regelzo-

nenzustandes ableiten (während 66% der Zeit «short», während 34% der Zeit «long»)

und andererseits lässt sich, basierend auf den prozentualen Zu- resp. Abschlägen aus

Tabelle 50, ein durchschnittlicher Preiszuschlag/Preisabschlag berechnen. Tabelle 52

zeigt diese Berechnung.

RZ short RZ long

BG long BG short BG long BG short

Durchschnittlicher Preis für Ausgleichsenergie im Jahr 2010 (€ / MWh)

37.28 €/MWh

88.20 €/MWh

25.25 €/MWh

60.64 €/MWh

Durchschnittlicher Preis für Ausgleichsenergie im Jahr 2010 (CHF / MWh)

48.46 CHF/MWh

114.66 CHF/MWh

32.82 CHF/MWh

78.83 CHF/MWh

Zuschlag resp. Abschlag % (vgl. Tabelle 50) 30% 56% 44% 30%

Zuschlag resp. Abschlag im Jahr 2010 (CHF / MWh) 11.18 CHF/MWh

41.16 CHF/MWh

10.03 CHF/MWh

18.19 CHF/MWh

Aus den Preisen bei BG «long» und BG «short» gemittelter Zuschlag resp. Abschlag im Jahr 2010 (CHF / MWh)

26.17 CHF/MWh 14.11 CHF/MWh

Anteil Regelzonenzustand im Jahr 2010 66% 33%

Gewichteter durchschnittlicher Zuschlag resp. Ab-schlag im Jahr 2010 (CHF / MWh)

22.03 CHF/MWh

Tabelle 52: Berechung des gewichteten durchschnittlichen Zuschlag resp. Abschlag für Ausgleichsenergie im Jahr 2010 in CHF pro MWh (Annahme: 1 Euro = 1.3 CHF).

Gemäss den Angaben der berücksichtigten EVU lassen sich durchschnittlich etwa 50%

der Ausgleichsenergieflüsse durch nachträgliche Kontrakte («post-scheduling») auffan-

gen und lösen somit keine Ausgleichsenergiezahlungen über Swissgrid aus. Für die fol-

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gende Hochrechnung gehen wir von einem Gesamtstromverbrauch in der Schweiz von

57’500 GWh pro Jahr aus (BFE 2010).

Szenario «1%» Szenario «2%» Szenario «3%»

Verbrauch Schweiz im Jahr 2009 (GWh) 57’000 57’000 57’000

Zusätzlicher Prognosefehler (Prozentpunkte) ohne mete-orologische Informationen

1% 2% 3%

Durchschnittlicher Anteil «post-scheduling» 50% 50% 50%

Zusätzlicher Prognosefehler (GWh) ohne meteorologi-sche Informationen im Jahr 2009

288 575 863

Gewichteter durchschnittlicher Zuschlag resp. Abschlag im Jahr 2010 (CHF / MWh)

22.03 22.03 22.03

Jährlicher Nutzen meteorologischer Information im Bezug auf die Minimierung von Fahrplanabweichun-gen bei den EVU

6.33 Mio. CHF/a 12.66 Mio. CHF/a 19.00 Mio. CHF/a

Tabelle 53: Hochrechnung des jährlichen Nutzens von meteorologischen Informationen im Bezug auf die Minimierung von Fahrplanabweichungen bei den EVU. Quellen: BFE 2010, Interviews mit EVU, eigene Berechnungen. Der plausibelste Wert liegt unserer Meinung nach zwischen 6.33 und 12.66 Mio. CHF pro Jahr (vgl. nachfolgenden Text).

Die Resultate aus der Tabelle 53 konnten anhand der Aussagen der beiden EVU, welche

für den Nutzen von meteorologischen Informationen im Bezug auf die Minimierung der

Fahrplanabweichungen eine quantitative Aussage gemacht haben, plausibilisiert werden.

Zu diesem Zweck wurden die beiden Angaben (500’000 resp. 360’000 CHF/Jahr), an-

hand der durch die beiden EVU in der Schweiz vertriebenen Strommenge, auf den Ge-

samtverbrauch der Schweiz hochgerechnet. Die so gewonnenen Resultate liegen in ei-

nem Fall mit 7.1 Mio. CHF pro Jahr zwischen dem Szenario «1%» und dem Szenario

«2%» und in einem Fall mit 3.5 Mio. CHF pro Jahr deutlich unter dem Szenario «1%».

Dies erweitert den Nutzenbereich auf 3.5 bis 19 Mio. CHF pro Jahr.

Der unterste Wert der Hochrechung (3.5 Mio. CHF/a) basiert auf den Angaben eines

Stromverbundunternehmens. Grosse EVU können mit Prognosefehlern tendenziell bes-

ser umgehen als kleinere EVU. Wir gehen daher davon aus, dass der unterste Wert der

Hochrechnung weniger plausibel ist. Ebenso gehen wir davon aus, dass das Szenario

«3%» den effektiven Nutzen überschätzt, da die Mehrheit der befragten Unternehmen

den zusätzlichen Prognosefehler auf ein bis zwei Prozentpunkte schätzte. Der plausible

Wert für den Nutzen der meteorologischen Informationen im Bereich der Minimierung von

Fahrplanabweichungen liegt unserer Meinung nach deshalb zwischen 6.33 und 12.66

Mio. CHF pro Jahr. Dieser Nutzen wird mit den tendenziell steigenden Strompreisen

wahrscheinlich in Zukunft grösser sein.

Der in diesem Kapitel hochgerechnete Nutzen von meteorologischen Informationen ent-

spricht nur einem Teil des Gesamtnutzens meteorologischer Informationen für die EVU.

Die 6.33 und 12.66 Mio. CHF pro Jahr sind deshalb als Minimalnutzen zu betrachten.

Daneben gibt es in der Elektrizitätswirtschaft noch andere volkswirtschaftliche Nutzen

von meteorologischen Informationen. Auf diese wird in den folgenden Kapitel eingegan-

gen.

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6.5 Nationale Netzgesellschaft Swissgrid

Die nationale Netzgesellschaft Swissgrid ist verantwortlich für den sicheren, zuverlässi-

gen und wirtschaftlichen Betrieb des schweizerischen Höchstspannungsnetzes. Überdies

nimmt sie Aufgaben bei der Koordination und der Abrechnung im europäischen Ver-

bundsnetz ENTSO-E wahr. Der Stromtransport im schweizerischen Höchstspannungs-

netz geschieht überwiegend durch freistehende Übertragungsleitungen, welche mehrheit-

lich ungeschützt der Witterung ausgesetzt sind. Der Stromtransport wird daher durch

folgende meteorologischen Grössen und Ereignisse beeinflusst:

Meteorologische Grössen und Ereignisse Einfluss auf den Stromtransport

Temperatur Transportkapazität der Leitungen: – Je belasteter die Leitungen, desto höher sind die Transportver-

luste und die Leiterseiltemperatur. – Die Leitungen dürfen nicht zu warm werden, weil sonst die me-

chanische Festigkeit kleiner wird und die Leitungen zu stark durchhängen.

Beide Effekte haben zur Folge, dass die zulässige Transportkapazität mit steigender Umgebungstemperatur um bis zu 30% sinkt. Zusätzlich beeinflusst die Temperatur den Stromverbrauch und somit die benötigte Transportkapazität.

Wind, Sonneneinstrahlung, Niederschläge Einfluss auf die Stromproduktion und dadurch auf die benötigte Transportkapazität

Vereisungen, Gewitter (Blitze), Lawinennieder-gänge, Starkwinde

Können zu Leitungsausfällen führen.

Tabelle 54: Relevante meteorologische Grössen und Ereignisse für den Stromtransport im Höchstspannungs-netz in der Schweiz (Quelle: Interview Swissgrid)

6.5.1 Aussagen zur Verwendung und zum Nutzen von meteorologischen

Informationen

Aktuell werden von Swissgrid nur Temperaturmessdaten und Temperaturprognosen sys-

tematisch verwendet. Die Mitarbeiter/innen benützen im Bedarfsfall zusätzlich allgemein

verfügbare meteorologische Informationen.

Auch wenn meteorologische Grössen einen wesentlichen Einfluss auf die Tätigkeit von

Swissgrid haben, werden Wetterinformationen kaum systematisch verwendet, weil sich

das Netzmanagement nur sehr schlecht auf meteorologische Ereignisse vorbereiten

kann. Anders gesagt sind die Auswirkungen von einem erwarteten oder von einem uner-

warteten Ereignis ähnlich. Swissgrid kann sich aber trotzdem vorstellen, dass in Zukunft

Blitzortungs- und Niederschlagsradardaten direkt im Leitsystem sichtbar gemacht wer-

den. Dies würde die Fehlersuche bei einem Leitungsausfall erheblich vereinfachen.

Swissgrid erstellt, ähnlich wie die EVU, auch Last- und Produktionsprognosen. Diese

werden aber vor allem zur langfristigen Planung des Transportbedarfs verwendet und

deshalb spielen meteorologische Prognosen dabei keine Rolle.

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158 / 6 Elektrizitätswirtschaft

Wirkung auf die Wirtschaftlichkeit von Swissgrid

Die Wirtschaftlichkeit von Swissgrid wird durch die Verwendung von meteorologischen

Informationen nicht in einem relevanten Ausmass beeinflusst.

Wirkung auf die Qualität der Leistungserbringung

Der zuverlässige und sichere Betrieb des Höchstspannungsnetzes in der Schweiz wird

immer komplexer, insbesondere weil die Anzahl der Marktteilnehmer aufgrund der Libe-

ralisierung zunimmt und weil durch den vermehrten Einsatz von Wind- und Solarenergie

die Produktionsschwankungen zunehmen. Für den reibungslosen Betrieb des Höchst-

spannungsnetzes ist die Leiterseiltemperatur eine wichtige Komponente, da sie die

Transportkapazität wesentlich beeinflusst. Prognosen der Temperatur auf Leiterhöhe

können daher die Qualität der Leistungserbringung erhöhen und werden von Swissgrid

auch entsprechend eingesetzt. Die effektive Leiterseiltemperatur ist aber von sehr vielen

Faktoren abhängig (Aussentemperatur, Ausrichtung und Beschaffenheit der Leitung,

Windgeschwindigkeit, Luftfeuchtigkeit usw.), so dass die Temperaturprognosen nur er-

gänzend zur Echtzeitüberwachung mit Sensoren eingesetzt werden. Eine quantitative

Aussage über den Nutzen von meteorologischen Informationen kann aufgrund dieser

Informationen nicht gemacht werden. Es muss aber angenommen werden, dass der Nut-

zen, relativ zu anderen Einflussgrössen, klein ist.

6.6 Schadensmanagement

Wie in Kapitel 6.4.4 beschrieben, verwenden Elektrizitätsversorgungsunternehmen (EVU)

meteorologische Informationen nicht gezielt und direkt zur Verhinderung von Schäden

durch Überschwemmungen. Die EVU stellen aber mit ihren Stauanlagen Infrastruktur zur

Verfügung, welche im Ereignisfall zur Verhinderung von Schäden eingesetzt werden

kann.

Die Rahmenbedingungen und die Pflichten der EVU im Zusammenhang mit Über-

schwemmungen sind in den Konzessionen für die einzelnen Wasserkraftwerke definiert.

Im Regelfall führen die EVU die von den Behörden verfügte Massnahme (z.B. Erhöhung

oder Reduzierung der Abflussmenge) operativ durch. Je nach Konzessionsbedingungen

erhalten die EVU Entschädigungen, wenn sie Wasser ungenutzt abfliessen lassen müs-

sen.

Staatliche Stellen verwenden meteorologische Informationen gezielt zur Verbesserung

des Schadensmanagements im Ereignisfall. Dabei ist insbesondere die Seeregulierung

relevant: Durch das Rückhalten von Wasser im Seebecken können weiter flussabwärts

Überschwemmungen verhindert oder reduziert werden. Wird jedoch zu viel Wasser im

See zurückgehalten, kann dies zu einem See-Hochwasser mit massiven Schäden führen.

In dieser Situation ist es entscheidend zu wissen, wie sich die Niederschläge entwickeln

werden. Bei Flusswasserkraftwerken hingegen ist die Rückhaltekapazität zu klein, als

dass diese zum pro-aktiven Schadensmanagement eingesetzt werden könnten.

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/ 159

Ausserdem vereinfachen und präzisieren meteorologische Informationen die tägliche

Lagebeurteilung im Krisenfall durch die zuständigen Behörden und ermöglichen so eine

adäquate Information der Bevölkerung.

6.6.1 Nutzen von meteorologischen Informationen - Aussagen der befragten

Akteure

Ein System zum Krisenmanagement bei Starkniederschlägen und drohenden Über-

schwemmungen wäre auch ohne meteorologische Information denkbar, aber es wäre

schlechter. Meteorologische Prognosen ermöglichen insbesondere ein pro-aktives Scha-

densmanagement im Ereignisfall. Dies lässt sich am Beispiel der Hochwasserereignisse

2005 und 2007 im Kanton Zürich zeigen.

Beispiel Hochwasserereignisse 2005 und 2007 im Kanton Zürich

Ohne meteorologische Informationen wäre es sowohl 2005 als auch 2007 zu keiner Re-

gulierung des Zürichsees gekommen, d.h. man hätte die Abflussmenge nicht reduziert.

Dies weil man ohne meteorologische Modellprognosen nicht gewusst hätte, wie viel Nie-

derschlag noch zu erwarten ist. Die Behörden hätten deshalb Reservekapazität im See

geschaffen, um ein mögliches See-Hochwasser zu verhindern. Dank den Niederschlags-

prognosen wussten die Behörden aber, dass die noch zu erwartende Menge Wasser

klein ist. Gemäss den Aussagen der befragten Akteure ist es wahrscheinlich, dass ohne

Seeregulierung sowohl 2005 im Limmattal als auch 2007 im Kanton Aargau (Region Döt-

tingen und Klingnau) die Schäden durch Überschwemmungen bedeutend grösser gewe-

sen wären.

Eine konkrete Schätzung der durch den Einsatz von meteorologischen Informationen

verhinderten Schäden ist aber nicht möglich, da sich der Effekt von einzelnen Massnah-

men oder Informationen nicht isolieren lässt. Ausserdem ist eine finanzielle Schätzung

äusserst schwierig, da bis heute keine Risikokarte für das betroffene Gebiet existiert.

Dies erklärt auch, wieso keine wissenschaftlichen Untersuchungen zum Einfluss von me-

teorologischen Prognosen auf die Schadenssumme von Hochwasserereignissen existie-

ren. Diese Frage müsste im Rahmen einer unabhängigen Studie geklärt werden.

6.7 Zusammenfassung

Die Ergebnisse der vorliegenden Studie im Bereich Elektrizitätswirtschaft lassen sich

folgendermassen zusammenfassen:

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160 / 6 Elektrizitätswirtschaft

Vermiedene Staatsausgaben

Zusätzliche Wertschöpfung

Vermiedene Schadenskosten

Energieversorgungsunternehmen

6.33 - 12.66 Mio. CHF/a nicht einschätzbar, nicht quantifizierbar

Nationale Netzgesellschaft

Kein Effekt gering, nicht quantifizierbar

Schadensmanagement nicht einschätzbar, nicht quantifizierbar

hoch, nicht quantifizierbar

Summe der quantifizierbaren Effekte

6.33 - 12.66 Mio. CHF/a

Tabelle 55: Volkswirtschaftlicher Nutzen von meteorologischen Informationen in der Elektrizitätswirtschaft, Zusammenfassung aller Resultate des Kapitels. Bei den quantitativen Angaben werden die plau-sibelsten Werte ausgewiesen.

6.7.1 Staatsausgaben

Es konnten keine Anhaltspunkte gefunden werden, dass meteorologische Informationen

im Bereich der Elektrizitätswirtschaft auf die Höhe der Staatsausgaben einen wesentli-

chen Einfluss ausüben. Zwar verursacht die Nutzung meteorologischer Informationen

zusätzliche Aufwendungen (z.B. Personalressourcen zur Interpretation der Wettermodel-

le), dafür senken die dadurch vermiedenen Schadenskosten wiederum die Staatsausga-

ben (vgl. auch Kapitel 6.7.3).

6.7.2 Wertschöpfung

Die Zunahme der Wertschöpfung durch die Nutzung von meteorologischen Informationen

wird im Bereich der Elektrizitätswirtschaft vor allem durch die Erhöhung der Wirtschaft-

lichkeit bei den Elektrizitätsversorgungsunternehmen erzielt. Diese resultiert insbesonde-

re in den folgenden Teilbereichen:

— Minimierung von Fahrplanabweichungen

— Minimierung von Speicherverlusten

— Optimale Planung von Unterhaltsarbeiten

— Preisoptimaler Einsatz von Produktionspotentialen

Für den Teilbereich «Minimierung von Fahrplanabweichungen» wurde der Nutzen von

meteorologischen Informationen, bei den aktuellen Strompreisen, auf 6.3 bis 12.7 Mio.

CHF pro Jahr geschätzt. Mit tendenziell steigenden Strompreisen ist davon auszugehen,

dass dieser Nutzen in Zukunft eher grösser wird.

Für die anderen Teilbereiche konnten keine quantitativen Schätzungen gemacht werden,

da die berücksichtigten Unternehmen die Wirkungen von meteorologischen Informationen

nicht isolieren konnten. Es ist aber davon auszugehen, dass die Verwendung und somit

auch der Nutzen von meteorologischen Informationen durch den Ausbau der Produkti-

onskapazitäten bei den neuen erneuerbaren Energien (Wind, Sonne) in Europa tenden-

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/ 161

ziell zunehmen werden. Einerseits hat das Wetter einen grösseren Einfluss auf die Pro-

duktionsmenge und andererseits nimmt die Bedeutung von regelbaren Kapazitäten zu.

Letzteres kann für die schweizerischen Produzenten, die über dafür geeignete Anlagen

verfügen, Marktvorteile mit sich bringen.

6.7.3 Schadenskosten

Schäden durch Überschwemmungen

Die Akteure der Elektrizitätswirtschaft verwenden meteorologische Informationen nicht

gezielt und direkt zur Verhinderung von Schäden durch Überschwemmungen. Die EVU

stellen aber mit ihren Stauanlagen eine Infrastruktur zur Verfügung, welche im Ereignis-

fall zur Verhinderung von Schäden eingesetzt werden kann. Die Schadenvorsorge und

das Schadensmanagement werden durch die zuständigen Behörden (Bund, Kantone)

geplant und koordiniert. Die EVU führen die von den Behörden verfügten Massnahmen

(z.B. Erhöhung oder Reduzierung der Abflussmenge) operativ durch.

Die Nutzung von meteorologischen Informationen verbessert sowohl Schadensvorsorge

als auch das Schadensmanagement. Meteorologische Prognosen lassen insbesondere

pro-aktive Seeregulierungen zu, was Schäden durch Überschwemmungen flussabwärts

verhindern kann. Zur Quantifizierung der durch die Nutzung von meteorologischen Infor-

mationen verhinderten Schäden wären weitergehende Untersuchungen zu den einzelnen

Hochwasserereignissen nötig, was jedoch ausserhalb des Rahmens der vorliegenden

Studie liegt. Es ist aber davon auszugehen, dass ein wesentlicher Nutzen im Bereich der

Schadensverhinderung bei Hochwasser vorhanden ist.

Schäden durch Stromausfälle

Meteorologische Informationen erleichtern die Abschätzung des zukünftigen Strom-

verbrauchs und der zukünftigen Stromproduktion und erleichtern so die Abstimmung von

Ein- und Ausspeisungen bzw. von Produktion und Nachfrage im Stromnetz. Diese Ab-

stimmung ist Voraussetzung für die Stabilität und Zuverlässigkeit der Stromversorgung.

Mit der zunehmenden Bedeutung der neuen erneuerbaren Energien (Wind, Sonne), de-

ren Produktion stärker von meteorologischen Parametern abhängig ist, nimmt auch die

Bedeutung von meteorologischen Prognosen zur Sicherstellung der Netzstabilität zu.

Auch hier konnten im Rahmen der vorliegenden Studien keine quantitativen Aussagen

zum Nutzen gemacht werden. Es ist aber davon auszugehen, dass ein Nutzen vorhanden

ist.

6.8 Vergleich mit internationalen Studien

Auch im Elektrizitätsbereich lässt sich die international verfügbare Literatur in generische

Studien zum Nutzen der Meteorologie und spezifische Studien zu einzelnen Teilberei-

chen der Verwendung von meteorologischen Informationen differenzieren. Beim Ver-

gleich mit internationaler Literatur muss aber beachtet werden, dass die Elektrizitätswirt-

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162 / 6 Elektrizitätswirtschaft

schaft in der Schweiz einige Besonderheiten aufweist, die das Übertragen von Resultaten

erschweren. Dies sind insbesondere:

— Hoher Anteil der Wasserkraft an der Gesamtstromproduktion.

— Relativ viele Speicherkraftwerke. Dadurch kurzfristig verfügbare Stromproduktionspo-

tentiale, die höhere Preise ermöglichen.

— Fossil-thermische Kraftwerke (Öl, Kohle) haben für die inländische Produktion in der

Schweiz praktisch keine Bedeutung.

Generische Studien zum Nutzen der Meteorologie

Die generischen Studien zum Nutzen der Meteorologie werden meist durch nationale

meteorologische Dienste erarbeitet und bieten einen groben Überblick über den volks-

wirtschaftlichen Nutzen der Meteorologie.

— Hautala und Leviäkangas (2007) schätzen den Nutzen der finnischen Meteorologie im

Bereich Energie auf 10 Mio. Euro pro Jahr. Davon entfällt jedoch die Hälfte auf die

Optimierung der Torfproduktion zur Energiegewinnung, eine Technologie, die in der

Schweiz keine Bedeutung hat. Die Autoren schätzen den Nutzen von meteorologi-

schen Informationen im Bereich Stromausfälle und Netzsicherheit auf 2 Mio. Euro pro

Jahr. Einerseits weil durch Vorsichtsmassnahmen lokale Stromausfälle verhindert

werden können und andererseits weil meteorologische Informationen helfen, mögli-

che Fehlerquellen (Blitzschlag, Sturmschäden usw.) schneller geographisch einzu-

grenzen. Im Bereich der Produktionsprognosen schätzen die Autoren den Nutzen auf

3 Mio. Euro pro Jahr.

— Die von Leviäkangas et al. (2007) durchgeführte Untersuchung zum Nutzen des kroa-

tischen meteorologischen Dienstes schätzt den Nutzen im Bereich der Energiegewin-

nung auf 2 Mio. Euro pro Jahr.

Spezifische Studien zum Nutzen der Meteorologie

Im Folgenden werden exemplarisch einige interessante internationale Studien beschrie-

ben, die Teilaspekte der Elektrizitätsproduktion in Bezug auf die Verwendung und den

Nutzen von meteorologischen Informationen analysieren.

— Teisberg, Weiher und Khotanzad (2005) untersuchten den Nutzen von 24h-

Temperaturvorhersagen beim Kraftwerkseinsatz zur Elektrizitätsgewinnung in den

USA. Ihre Publikation ist eine Erweiterung von Hobbs et al. (1999) und basiert auf ei-

ner Simulation von verschiedenen Kraftwerkportfolios in den USA. Es wird davon

ausgegangen, dass kurzfristig verfügbare Produktionseinheiten (z.B. Gaskraftwerk

ohne Kraft-Wärme-Kopplung) höhere Produktionskosten aufweisen als Einheiten mit

einer langen Vorlaufzeit (z.B. Kohlekraftwerke). Dies hat zur Folge, dass die Produk-

tionskosten mit steigendem Lastprognosefehler ebenfalls steigen, wie folgende Bei-

spiele illustrieren:

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– Sind die Lastprognosen zu tief, werden weniger Produktionseinheiten als nötig

hochgefahren. Die unerwartet hohe Last kann anschliessend nur durch kurzfristig

verfügbare Einheiten gedeckt werden, die relativ teurer sind.

– Sind die Lastprognosen hingegen zu hoch, werden Produktionseinheiten mit lan-

ger Vorlaufzeit unnötigerweise hochgefahren. Die dabei entstehenden Kosten wä-

ren durch bessere Lastprognosen vermeidbar.

Teisberg, Weiher und Khotanzad kommen zum Schluss, dass die Stromerzeuger in

den USA pro Jahr 166 Mio. USD2005 durch die Nutzung von 24h-

Temperaturvorhersagen einsparen. Die von den Autoren geltend gemachten Einspa-

rungen treffen vor allem auf den Produktionsanlagenmix und die Bewirtschaftungs-

weise der Kraftwerkskapazitäten in den USA zu. In der Schweiz laufen die Grundlast-

kraftwerke (KKW und Laufwasserkraftwerke) durch und werden nicht in Abhängigkeit

der Last hoch- und runtergefahren. Ausserdem ist die Produktion aus fossil-

thermischen Anlagen in der Schweiz, im Gegensatz zu den USA, praktisch irrelevant.

Deshalb lassen sich die Resultate der Studie nicht auf die Schweiz übertragen.

— Roulston et al. (2003) kommen zum Schluss, dass mittelfristige Wetterprognosen

einen erheblichen wirtschaftlichen Einfluss auf die Windkraftwerkbetreiber haben. Für

die lokale Stromproduktion hat die Windkraft in der Schweiz im Moment keine rele-

vante Bedeutung. Ob sich die Resultate von Roulston et al. auf schweizerische Ver-

hältnisse übertragen liessen, kann somit erst geklärt werden, wenn in der Schweiz die

Windkraftproduktion eine gewisse Bedeutung erlangt hat. Es ist aber wahrscheinlich,

dass auch in der Schweiz durch die Verwendung von mittelfristige Wetterprognosen

die Wirtschaftlichkeit von Windkraftanlagen erhöht werden kann.

— Hamlet et al. (2002) untersuchten den Nutzen von verbesserten langfristigen Abfluss-

prognosen im Einzugsgebiet des Columbia Rivers (Nordwesten der USA). Insbeson-

dere in Jahren mit überdurchschnittlichem Abfluss konnten wesentliche Nutzen der

verbesserten Prognosemethode festgestellt werden. Die Autoren schätzen den Nut-

zen der meteorologischen Informationen auf 153 Mio. USD2002 pro Jahr. Das Ein-

zugsgebiet des Columbia Rivers ist rund 16-mal so gross wie die Schweiz und die

hydrologischen Bedingungen sind nicht vergleichbar. Auf eine Skalierung der Resul-

tate von Hamlet et al. auf die Schweiz muss deshalb ebenfalls verzichtet werden.

Fazit

Die Analyse der international verfügbaren Literatur im Bereich der Elektrizitätswirtschaft

lässt den Schluss zu, dass ein wissenschaftliches und ökonomisches Interesse an der

Forschung zum Thema vorhanden ist. Die internationalen Studien bestätigen das Resul-

tat, dass meteorologische Informationen eine wirtschaftlich relevante Wirkung in dieser

Branche ausüben können. Es muss aber betont werden, dass sich insbesondere die aus

den USA stammenden Untersuchungen nicht auf die Schweiz skalieren lassen. Die ein-

gesetzten Produktionstechnologien (vgl. die oben beschriebenen Besonderheiten der

schweizerischen Elektrizitätswirtschaft) sowie die geographischen Gegebenheiten sind

hierfür zu unterschiedlich.

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7 Der volkswirtschaftliche Nutzen der Meteorologie in der Schweiz – Verkehr und Energie

7.1 Der Nutzen der Meteorologie

Mit der vorliegenden Studie wurde der Nutzen von meteorologischen Informationen in

den Wirtschaftsbereichen Verkehr und Energie analysiert, wobei im Bereich Energie der

Fokus auf der Elektrizitätswirtschaft lag. Dabei wurden die Nutzendimensionen

Staatsausgaben, Wertschöpfung, Schadenskosten und individuelle Reisekosten betrach-

tet. Mit einer Vielzahl von Interviews, ergänzt durch umfangreiche Recherchen, wurde die

Verwendung von meteorologischen Informationen und die Einschätzungen der Nutzen-

den über deren Effekte auf die betrachteten Nutzendimensionen erhoben. Für die Airlines

wurde zusätzlich ein quantitatives Entscheidungsmodell konstruiert. In den vorangehen-

den Berichtskapiteln werden das Vorgehen und die Ergebnisse für jede untersuchte

Branche detailliert beschrieben.

Tabelle 56 gibt eine Übersicht zu den Ergebnissen in allen Branchen und für die vier be-

trachteten Nutzendimensionen. Bei der Interpretation der Ergebnisse ist Folgendes zu

beachten:

— Die unter den vier Nutzendimensionen aufgeführten Ergebnisse gelten jeweils ceteris

paribus. Sie geben die ohne meteorologische Informationen82 zusätzlich notwendigen

Staatsausgaben bzw. verlorene Wertschöpfung an, unter der Vorraussetzung, dass

(annähernd) dasselbe Leistungsniveau erreicht wird. Die zusätzlich zu erwartenden

Schadenskosten und Reisezeitkosten hingegen gelten unter der Vorraussetzung,

dass für die Leistungserbringung keine zusätzlichen Ressourcen eingesetzt werden.

— Von den vier Nutzendimensionen lassen sich nur Staatsausgaben und Wertschöp-

fung addieren.

— In jedem Wirtschaftsbereich konnten nur eine begrenzte Anzahl von Akteuren und

Anwendungsbereichen meteorologischer Informationen betrachtet werden. Der mit

der vorliegenden Studie erhobene Nutzen der Meteorologie für die Wirtschaftsberei-

che Verkehr und Elektrizitätswirtschaft ist also nur als Teil des Gesamtnutzens und

insofern als ein Minimum zu verstehen.

— Aufgrund der angewendeten Methodik des Hochrechnens von Fallbeispielen auf gan-

ze Branchen oder Gruppen von staatlichen Leistungserbringenden bestehen ziemlich

grosse Unsicherheitsbereiche. Dies trifft insbesondere auf die Strassentransportun-

ternehmen zu, bei denen die Anzahl durchgeführten Interviews in Relation zur Diver-

sität und Grösse der Branche relativ gering ist.

82 Im Bereich Aviatik wurde teilweise als Referenzzustand schlechtere meteorologische Informationen verwendet.

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166 / 7 Der volkswirtschaftliche Nutzen der Meteorologie in der Schweiz – Verkehr und Energie

— Die adäquate Interpretation von meteorologischen Informationen durch die Akteure ist

je nach Verwendung anspruchsvoll und aufwendig. Wird der im Rahmen dieser Stu-

die erhobene Nutzen den Kosten der Meteorologie gegenüber gestellt, müssen auch

die bei den Akteuren anfallenden Kosten berücksichtigt werden.

Alles in allem vermeiden meteorologische Informationen Staatsausgaben in der Grös-

senordnung von mindestens 52.7 bis 56.6 Mio. CHF/a, wobei dieser Betrag ausschliess-

lich auf den Verkehrbereich zurückgeht und zu grossen Teilen durch die Verwendung von

Wetterprognosen im Strassenwinterdienst und im öffentlichen Strassenverkehr entsteht.

Ein kleiner Teil entsteht im öffentlichen Schienenverkehr im alpinen Raum. Im öffentli-

chen Verkehr sowie beim Schadensmanagement im Bereich Elektrizitätswirtschaft beste-

hen weitere staatsausgabenrelevante Nutzen, die im Rahmend er vorliegenden Studie

jedoch nicht quantifiziert werden konnten.

Nebst den vermiedenen Staatsausgaben konnte ein wertschöpfungsrelevanter Nutzen

von meteorologischen Informationen in der Grössenordnung von 39.8 bis 56.7 Mio.

CHF/a identifiziert werden. Dieser entsteht vor allem im öffentlichen Strassenverkehr

und bei den Airlines. Kleinere Anteile entstehen bei als Drittleister im Winterdienst83 täti-

gen Transportunternehmen, beim Flughafenwinterdienst sowie beim öffentlichen Schie-

nenverkehr im alpinen Raum. Ein weiterer relevanter Anteil entsteht im Bereich Elektrizi-

tätswirtschaft bei den Energieversorgungsunternehmen. Weitere wertschöpfungsrelevan-

te Effekte von meteorologischen Informationen konnten zwar identifiziert aber nicht quan-

tifiziert werden. Relevant dürften diese Effekte vor allem im Bereich öffentlicher Verkehr

und bei den Bautransportunternehmen sein.

In den Nutzendimensionen Schadenskosten und individuelle Reisezeitkosten konnten

aus unterschiedlichen Gründen84 in den verschiedenen Wirtschaftsbereichen keine Effek-

te von meteorologischen Informationen quantifiziert und monetär bewertet werden. Even-

tuell relevante Nutzen bestehen bei den Strassenwinterdiensten, im öffentlichen Verkehr

auf Strasse und Schiene, bei der Flugsicherung und bei den Airlines sowie im Scha-

densmanagement der Elektrizitätswirtschaft.

Insgesamt weist die vorliegende Studie einen quantifizierbaren volkswirtschaftlichen Nut-

zen der Meteorologie in den Wirtschaftsbereichen Verkehr und Energie in der Grössen-

ordnung von rund 93 bis 113 Mio. CHF/a aus. Aufgrund des begrenzten Analyserahmens

und der Vielzahl von nicht quantifizierbaren Effekten ist dieser Wert als Minimalwert für

den tatsächlichen Nutzen von meteorologischen Informationen in diesen Wirtschaftsbe-

reichen zu verstehen.

83 nur National- und Kantonsstrassen

84 Die Betrachtung der individuellen Reisekosten innerhalb der vorliegenden Studie war ursprünglich nicht vorgesehen. Da

sich aber bei den ersten Interviews im Strassenverkehrsbereich gezeigt hat, dass die Akteure diese Nutzendimension als

relevant erachten, wurde sie nachträglich noch in das Projekt aufgenommen. Im weiteren Projektverlauf hat sich jedoch

gezeigt, dass mit den insgesamt zur Verfügung stehenden Mitteln eine Quantifizierung dieser Nutzendimension nicht mög-

lich sein würde. Mit einem entsprechenden Mehraufwand wäre dies aber mit hoher Wahrscheinlichkeit zumindest teilweise

möglich.

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Volkswirtschaftlicher Nutzen, welcher der Akteur/die Akteurgruppe durch die Verwendung von meteorologischen Informationen bewirkt

Nutzendimension [Mio. CHF/a]

Akteur(-gruppe)

Vermiedene Staatsausgaben

Zusätzliche Wertschöpfung

Vermiedene Schadenskosten

Vermiedene individuelle Reisekosten

STRASSENVERKEHR 52.6 - 56.4 13.3 - 23.7 - -

Winterdienste (National- & Kantonsstrassen inkl. Dritt-leister)

41.8 2.4 - 8.5 Nicht einschätzbar, nicht quantifizierbar

Nicht einschätzbar, nicht quantifizierbar

Nationales Verkehrsmanagement

Kein Effekt Kein Effekt Kein Effekt Nicht einschätzbar, nicht quantifizierbar

Gütertransportunternehmen

Stückguttransport Gering, nicht quantifizierbar

Kein Effekt

Lebensmittelgrossvertei-lern (nur eine Warengrp.)

0.11 - 0.57 Kein Effekt

Treibstofftransporte Gering, nicht quantifizierbar

Gering, nicht quan-tifizierbar

Bautransporte Hoch, nicht quantifizierbar

Kein Effekt

Öffentlicher Strassenverkehr

In Agglomerationen und Städten

Hoch, nicht quantifizierbar

Hoch, nicht quantifizierbar

Kein Effekt Nicht einschätzbar, nicht quantifizierbar

Im peripheren Raum 10.8 - 14.6 10.8 - 14.6 Kein Effekt Hoch, nicht quantifizierbar

SCHIENENVERKEHR 0.14 - 0.18 0.17 - 0.22 - -

Eisenbahnunternehmen mit eigener Infrastruktur

Nicht-alpine Regionen Gering, nicht quan-tifizierbar

Gering, nicht quan-tifizierbar

Kein Effekt Nicht einschätzbar, nicht quantifizierbar

Alpine Regionen 0.14 - 0.18 0.17 - 0.22 Nicht einschätzbar, nicht quantifizierbar

Hoch, nicht quantifizierbar

Eisenbahnverkehrsunternehmen ohne eigene Infrastruktur

Kein Effekt Kein Effekt Kein Effekt Nicht einschätzbar, nicht quantifizierbar

Kombinierter Verkehr Kein Effekt Kein Effekt

AVIATIK 20.03 - -

Flugsicherung Kein Effekt Hoch, nicht quantifizierbar

Hoch, nicht quantifizierbar

Airlines 18.10(1) Nicht einschätzbar, nicht quantifizierbar

Hoch, nicht quantifizierbar

Landesflughäfen 1.93 Gering, nicht quantifizierbar

Gering, nicht quantifizierbar

ELEKTRIZITÄTSWIRSCHAFT - 6.3 - 12.7 -

Energieversorgungs-unternehmen

6.3 - 12.7 Nicht einschätzbar, nicht quantifizierbar

Nationale Netzgesellschaft Kein Effekt Gering, nicht quan-tifizierbar

Schadensmanagement Nicht einschätzbar, nicht quantifizierbar

Hoch, nicht quanti-fizierbar

Summe aller quantitativ fass-baren Effekte

52.7 - 56.6 39.8 - 56.7 - -

Tabelle 56: Der volkswirtschaftliche Nutzen der Meteorologie – Verkehr und Elektrizitätswirtschaft. Plausible Werte. Durchgestrichene Zellen weisen darauf hin, dass die Nutzendimensionen beim entspre-chenden Akteur nicht relevant sind. (1) Nutzen TAF-Zürich ankommende Flüge.

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168 / 7 Der volkswirtschaftliche Nutzen der Meteorologie in der Schweiz – Verkehr und Energie

7.2 Kosten-Nutzen-Überlegungen

Das Bundesamt für Meteorologie MeteoSchweiz weist ein Jahresbudget von rund 80 Mio.

CHF auf. Der im Rahmen der vorliegenden Studie quantifizierte volkswirtschaftliche Nut-

zen in den betrachteten Wirtschaftsbereichen von rund 93 bis 113 Mio. CHF/a allein ist

also bereits grösser als das Jahresbudget von MeteoSchweiz. Bei Kosten-Nutzen-

Überlegungen ist allerdings Folgendes zu beachten:

— Ein Teil des im Rahmen der vorliegenden Studie quantifizierten volkswirtschaftlichen

Nutzens wird durch andere Anbieter meteorologischer Produkte generiert, die zwar

meist Daten von MeteoSchweiz beziehen, diese jedoch teilweise mit Wetterdaten zu-

sätzlicher Messstationen, anderer nationaler Wetterdienste oder weiteren Daten aus

anderen Bereichen85 kombinieren.

— Nicht nur die Produktion meteorologischer Produkte verursacht Kosten, sondern auch

ihre Verwendung in den Unternehmen und staatliche Stellen.

Sowohl die Kosten der übrigen Produzenten von meteorologischen Produkten wie auch

die Kosten, die bei den Nutzer/innen anfallen, müssen bei einer Kosten-Nutzen-Analyse

der Meteorologie in der Schweiz ebenfalls berücksichtigt werden. Beides wurde aber im

Rahmen der vorliegenden Studie nicht erhoben. Aufgrund des begrenzten Analyserah-

mens der vorliegenden Studie und der Vielzahl von nicht quantifizierbaren Nutzen lässt

sich jedoch schliessen, dass der volkswirtschaftliche Gesamtnutzen der Meteorologie

summiert über alle Bereiche der Volkswirtschaft ein Vielfaches des hier für die Wirt-

schaftsbereiche Verkehr und Energie ausgewiesenen Nutzens von 93 bis 113 Mio.

CHF/a sein dürfte. Somit übersteigt der Nutzen des schweizerischen staatlichen Wetter-

dienstes MeteoSchweiz mit hoher Wahrscheinlichkeit seine Kosten deutlich.

85 (z.B. Verkehrsaufkommen, Zeitreihen der interessierenden Grösse)

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Anhang

A-1 Strassenwetter-Produkte

Bei den Strassenwetterprognosen werden je nach Produkt Angaben zu verschiedenen

Parametern (wie z.B. Bodentemperaturen oder Niederschlagsmenge) an den Kunden

verschickt, in der Regel ein- bis zweimal pro Tag. Die räumliche wie die zeitliche Auflö-

sung sind dabei sehr unterschiedlich und variieren mit dem Preis. Die räumliche Auflö-

sung reicht von ortsgenauen Prognosen bis zu grob unterteilten Regionen, in welchen

mehrere Kantone zusammengefasst werden. Die zeitliche Auflösung sind Intervalle von

in der Regel 3 oder 6 Stunden. Üblicherweise sind die Informationen in tabellarischer

Form dargestellt und werden per Fax oder E-Mail übermittelt. MeteoSchweiz bietet aber

auch die Möglichkeit an, alle Produkte über ein Programm («MeteoSoft») zu beziehen.

Zudem arbeitet MeteoSchweiz mit der Firma Boschung zusammen, welche eine eigene

Software mit dem Namen SWIS («Strassenzustands- und Wetter-Informationssystem»)

betreibt, die grafische Darstellungen der Wetterprognosen erlaubt. Preislich gibt es im

Bereich der Strassenwetterprognosen sehr grosse Unterschiede, die Kosten für Stras-

senwetterprognosen reichen von 360 CHF pro Halbjahr bis 5’500 CHF pro Strassen-

dienstsaison (entspricht 5 Monaten).

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170 / A-1 Strassenwetter-Produkte

Unternehmen Produkte Informationen Form Preis

Regionale Strassenwetter- prognose

Bewölkung Lufttemperatur Bodentemperatur Taupunkt Windstärke und -richtung Niederschlagsmenge Niederschlagsart Schneefallgrenze Strassenzustand

Tabellarisch; Per Fax, E-Mail oder online bzw. über MeteoSoft oder SWIS, mit unter-schiedlicher räumli-cher und zeitlicher Auflösung.

760 bis 5’500 CHF (pro Saison)

Wetter für Strasse, Bau und Unterhalt

Minimum- / Maximumtemperatur Himmelsbedeckung Niederschlagsmenge Schneefallgrenze Mögl. Strassengefahren (Glatteis, Schneeglätte, Eisglätte, Reifglätte, Nebel)

Tabellarisch; Per Fax, E-Mail, online oder über MeteoSoft.

360 CHF(für 6 Monate).

Strassenzustands-prognose

Dreimal täglich aufdatierte Text-prognose zum vorausgesagten Strassenzustand in den kommen-den 18-24 Stunden

In Textform, online oder per Mail

Kostenlos, per Mail 50 CHF pro Saison

Meteosoft System Aktuelle Niederschlagsradarbilder auf Strassenkarte überlagert Radarvorhersagen bis 2 h Bild aktuelle Schneefallgrenze Lokale Niederschlagsprognose 2h Messdaten SMN-Netz Aktuelle Warnmeldungen

Online Datenabruf mit Serversoftware oder übers Internet

CHF 740 pro Jahr und Arbeitsplatz

MeteoSchweiz

Strassenwetter-Gefahreninfo

Warnmeldungen 1–2 Stunden im voraus für Kleinregionen bei Nass-schnee > 5 cm (Alpen >20 cm), Schneeglätte > 1 cm, Glatteis durch vereisenden Regen oder Nebelregen, verbreitet auftretende Eisglätte

In Textform; Per E-Mail, Fax, SMS oder online

Kostenlos bis -.60 CHF je Meldung (je nach Form und Produkt)

Unwetterwarnungen Detaillierte Warnumeldungen im Falle von Schneefall > 10/15 cm in den Niederungen; >50/100 cm in den Bergen; Vereisender Regen in drei Stufen sowie Sturm- und Gewitterwarnungen

In Textform Per E-Mail, Fax, SMS oder online

Kostenlos, allenfalls Übermittlungskosten

Radarbilder Aktuelles Niederschlagsradar Online Kostenlos

Winterdienst-Wettervorhersagen

Gefahrenparameter:

Reifglätte Gefrierende Nässe Glatteisregen Schneeglätte Bodenfrost Wetterparameter:

Neuschneemenge Schneefallgrenze Niederschlagsmenge Höchst- / Tiefsttemperatur Bodentemperatur Mittelwind Windrichtung

Tabellarisch; Per E-Mail oder Fax

499 Euro (E-Mail) bzw. 529 Euro (Fax) pro Saison

Meteomedia

Radarbilder Aktuelles Niederschlagsradar Niederschlagsradar-Vorhersage

Online Kostenlos

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Unwetterwarnungen Detaillierte Warnmeldungen: Schneefall / Vereisender Regen/ Strassenglätte / Starkregen / Gewitter Niederschlagssummenkarten kurz- und mittelfristig

Textform Per E-Mail

Kostenlos Von 250 bis 607 Euro pro Jahr und Arbeitsplatz

Meteotest Meteomail Professional: Prognosen für Stras-se, Bau und Unterhalt

Temperaturen (Max./Min.) Luftfeuchtigkeit Luftdruckverlauf Bewölkungsgrad Niederschlagsverlauf Niederschlagsmenge Windverhältnisse Schneefallgrenze/Nullgradgrenze

Tabellarisch, Per E-Mail oder Fax

Preis auf Anfrage

SF Meteo Wetter-Alarm Warnungen bei Wetterphänome-nen mit Schadenspotential: Sturm/ Starkschneefall/ Starkre-gen/ Grossflächige Glätte/ Gewit-ter und Hagel

Textform Per SMS

Kostenlos

Tabelle 57: Relevante Strassenwetterprodukte der führenden Schweizer Meteo-Unternehmen. Stand: Sommer 2010. Quelle: Homepages der verschiedenen Anbieter. SWIS: Strassenwetterinformationssystem der Firma Boschung, die auch Glatteiswarnsysteme vertreibt.

Unwetterwarnungen

Auch im Bereich der Unwetterwarnungen gibt es Unterschiede zwischen den Angeboten.

Meteotest ist in diesem Bereich nicht tätig, Meteomedia aber macht MeteoSchweiz den in

der Produktgruppe 1 festgesetzten Warnauftrag streitig. Beide Unternehmen bieten einen

kostenlosen Warnservice an. Dieser besteht in beiden Fällen aus einer Karte mit relativ

grob eingeteilten Gebieten, die anhand einer Gefahrenskala klassiert werden. Im kosten-

pflichtigen Angebot hat MeteoSchweiz ein spezialisiertes Produkt namens «Strassenwet-

ter-Gefahreninfo», bei welchem kurzfristige Warnungen (sprich ca. 2 Stunden vor dem

Eintreten) für Strassenbenutzer versendet werden. Meteomedia bietet dagegen keine

spezialisierten Warnungen für den Strassenverkehr an, sondern wartet im kostenpflichti-

gen Bereich mit einer umfassenden Unwetterzentrale auf.

Für den Strassendienst genutzte MeteoSchweiz-Produkte

Die Nationalstrassendienste, welche bei MeteoSchweiz Kunde sind, nutzen in der Regel

die relativ teure «Regionale Strassenwetterprognose» (vgl. auch Kapitel 3.1), die sie über

die die Software SWIS (Strassenwetter-Informationssystem) der Firma Boschung, über

die Software MeteoSoft (der Firmen MeteoSoft, MeteoRadar und MeteoSchweiz) oder als

Fax oder E-Mail in tabellarischer Form beziehen.

Die kantonalen Strassendienste, welche bei MeteoSchweiz Kunde sind, nutzen in der

Regel das im Vergleich zum Produkt «Regionale Strassenwetterprognose» günstigere

Produkt «Wetter für Strasse, Bau und Unterhalt» (vgl. auch Kapitel 3.1). Dieses erhalten

sie entweder als Fax oder E-Mail in tabellarischer Form oder über die Software Meteo-

Soft.

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172 / A-1 Strassenwetter-Produkte

Kleine bis mittlere Gemeinden beziehen in der Regel keine Strassenwetterprodukte von

MeteoSchweiz, nach Meinung von MeteoSchweiz zum grossen Teil aus Kostengründen.

Ausserdem wird teilweise die Auslösung zur Räumung mit dem kantonalen Strassen-

dienst koordiniert. Grössere Gemeinden oder Städte beziehen das Produkt «Wetter für

Strasse, Bau und Unterhalt» (vgl. auch Kapitel 3.1) als Fax oder E-Mail in tabellarischer

Form oder über die Software MeteoSoft.

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/ 173

A-2 Verwendete statistische Daten

A-2.1 Strassenverkehrsunfälle

Anzahl Autobahn Autostrasse Hauptstrasse Nebenstrasse Andere Strasse

Total

1992 3'045 282 15'039 8'419 380 27'165

1993 2'803 359 13'941 8'158 351 25'612

1994 2'957 321 13'952 8'568 357 26'155

1995 3'156 322 13'327 8'145 294 25'244

1996 2'584 287 12'062 7'971 277 23'181

1997 2'768 294 12'229 7'939 220 23'450

1998 3'141 276 12'918 8'143 281 24'759

1999 3'574 319 13'403 8'316 269 25'881

2000 3'505 313 13'599 8'182 308 25'907

2001 3'699 331 13'512 8'377 318 26'237

2002 3'549 277 13'492 7'992 340 25'650

2003 3'177 292 13'449 7'945 332 25'195

2004 3'184 312 12'896 7'273 351 24'016

2005 2'657 256 12'168 7'629 321 23'031

2006 2'715 254 11'935 7'429 372 22'705

2007 2'905 285 12'197 7'248 331 22'966

2008 2'647 206 11'134 6'916 383 21'286

2009 2'656 277 10'489 6'727 333 20'482

Mittelwert 3'040 292 12'875 7'854 323 24'385

Standardabweichung 297 26 879 434 33 1'551

Tabelle 58: Verkehrsunfälle mit Personenwagen. Quelle: Bundesamt für Statistik: Statistik der Strassenver-kehrsunfälle.

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174 / A-2 Verwendete statistische Daten

Prozent Autobahn Autostrasse Hauptstrasse Nebenstrasse Andere Stras-se

Total

1992 11% 1% 55% 31% 1% 100%

1993 11% 1% 54% 32% 1% 100%

1994 11% 1% 53% 33% 1% 100%

1995 13% 1% 53% 32% 1% 100%

1996 11% 1% 52% 34% 1% 100%

1997 12% 1% 52% 34% 1% 100%

1998 13% 1% 52% 33% 1% 100%

1999 14% 1% 52% 32% 1% 100%

2000 14% 1% 52% 32% 1% 100%

2001 14% 1% 51% 32% 1% 100%

2002 14% 1% 53% 31% 1% 100%

2003 13% 1% 53% 32% 1% 100%

2004 13% 1% 54% 30% 1% 100%

2005 12% 1% 53% 33% 1% 100%

2006 12% 1% 53% 33% 2% 100%

2007 13% 1% 53% 32% 1% 100%

2008 12% 1% 52% 32% 2% 100%

2009 13% 1% 51% 33% 2% 100%

Mittelwert 12% 1% 53% 32% 1% 100%

Standardabweichung (Prozentpunkte)

0.82% 0.09% 0.76% 0.80% 0.17% 0.00%

Tabelle 59: Verkehrsunfälle mit Personenwagen, Anteile der verschiedenen Strassenarten. Quelle: Bundes-amt für Statistik: Statistik der Strassenverkehrsunfälle.

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A-3 Referenzzustand Aviatik

A-3.1 Schnee und schlechte Sicht

A-3.1.1 Effektiv eingetroffenes / beobachtetes Wetter

170525Z 1706/1812 22008G25KT 2500 –SN SCT008 BKN014 TEMPO 1706/1711 0600

+SN VV006 BECMG 1711/1713 25006KT 8000 NSW SCT015 BKN028 BECMG

1715/1717 32004KT 9999 SCT018 BKN030 TEMPO 1719/1812 3000 SHSN BKN014=

A-3.1.2 TAF mit heutiger Qualität

170525Z 1706/1812 20006KT 3000 –SN SCT010 BKN020 TEMPO 1706/1710 1000 SN

VV008 TEMPO 1706/1710 27012G25KT 1500 BLSN BKN010 BECMG 1710/1713

28008KT 9999 NSW BNK030 PROB40 TEMPO 1718/1812 3000 SHSN BKN013=

A-3.1.3 TAF mit schlechterer Qualität

170525Z 1706/1812 20004KT NSW SCT010 BKN020 TEMPO 1706/1820 5000 SN

PROB30 TEMPO 1706/1715 27012G25KT 1500 SHSN BKN010 BECMG 1715/1718

28008KT 8000 NSW BNK040 PROB30 TEMPO 1718/1812 5000 SN BKN015=

A-3.2 Nebel

A-3.2.1 Effektiv eingetroffenes / beobachtetes Wetter

170525Z 1718/1824 VRB02KT CAVOK BECMG 1722/1724 8000 MIFG NSC BECMG

1724/1802 5000 BECMG 1802/1804 0400 FG VV002 BECMG 1809/1810 2904KT 0800

BKN002 BCMG 1810/1812 9999 FEW008 BECMG 1812/1814 CAVOK

A-3.2.2 TAF mit heutiger Qualität

170525Z 1718/1824 VRB02KT CAVOK BECMG 1722/1724 8000 MIFG NSC BECMG

1724/1802 5000 BECMG 1802/1804 1000 BCFG TEMPO 1804/1810 0200 FG VV002

BECMG 1810/1812 30003KT 1500 BKN002 BCMG 1812/1814 9999 SCT006 BECMG

1814/1816 CAVOK

A-3.2.3 TAF mit schlechterer Qualität

170525Z 1718/1824 VRB02KT CAVOK BECMG 1722/1724 8000 MIFG NSC PROB40

TEMPO 1802/1810 1000 BCFG BECMG 1810/1814 CAVOK

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176 / A-3 Referenzzustand Aviatik

A-3.3 TAF mit Gewitter

A-3.3.1 Effektiv eingetroffenes / beobachtetes Wetter

170525Z 1706/1812 VRB02KT CAVOK BECMG 1712/1714 25004KT FEW020 SCT100

BECMG 1714/1716 26008KT 6000 SHRA BKN020 TEMPO 1716/1720 26012G25KT

1000 +TSRA BKN020CB BECMG 1720/1722 VRB03KT CAVOK

A-3.3.2 TAF mit heutiger Qualität:

170525Z 1706/1812 VRB02KT CAVOK PROB40 TEMPO1715/1722 27006KT 8000

SHRA BKN020 PROB30 TEMPO 1715/1722 26012G25KT 5000 TS BKN020CB BECMG

1722/1724 VRB03KT CAVOK

A-3.3.3 TAF mit schlechterer Qualität:

170525Z 1706/1812 VRB02KT CAVOK

A-3.4 Upper Air Winds

Auf Langstreckenflügen müssen aufgrund einer schlechteren Prognosequalität 15% mehr

Head- oder Rückenwindkomponenten als prognostiziert erwartet werden.

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