21
Amorphe FestkɆrper DOI: 10.1002/ange.200504193 Der Weg zur Struktur amorpher Festkörper – eine Studie am Beispiel der Keramik Si 3 B 3 N 7 Martin Jansen,* J. Christian SchɆn und Leo van Wɒllen Angewandte Chemie StichwɆrter: Amorphe Materialien · Computer- chemie · StrukturaufklȨrung · Strukturmodellierung M. Jansen et al. AufsȨtze 4350 www.angewandte.de # 2006 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Angew. Chem. 2006, 118, 4350 – 4370

Der Weg zur Struktur amorpher Festkörper – eine Studie am Beispiel der Keramik Si3B3N7

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Der Weg zur Struktur amorpher Festkörper – eine Studie am Beispiel der Keramik Si3B3N7

Amorphe Festk�rperDOI: 10.1002/ange.200504193

Der Weg zur Struktur amorpher Festk�rper –eine Studie am Beispiel der Keramik Si3B3N7

Martin Jansen,* J. Christian Sch�n und Leo van W�llen

AngewandteChemie

Stichw�rter:Amorphe Materialien · Computer-chemie · Strukturaufkl$rung ·Strukturmodellierung

M. Jansen et al.Aufs�tze

4350 www.angewandte.de 2006 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Angew. Chem. 2006, 118, 4350 – 4370

Page 2: Der Weg zur Struktur amorpher Festkörper – eine Studie am Beispiel der Keramik Si3B3N7

1. Einf�hrung

1.1. Konzepte

Unter den Zustnden der kondensierten Materie geh�rendie als „amorph“ klassifizierten zu den am wenigsten gutverstandenen, und die Beschftigung mit ihnen ist immernoch eine wissenschaftliche Herausforderung.[1–6] Ein Groß-teil der konzeptionellen, experimentellen und theoretischenProbleme, die mit dieser Stoffklasse verbunden sind, ist ihrerthermodynamischen Metastabilitt geschuldet. F0r jede festechemische Verbindung existiert eine Reihe von kristallinenPolymorphen. Einige davon sind unter geeigneten Randbe-dingungen thermodynamisch, die restlichen nur bei hinrei-chend tiefen Temperaturen kinetisch stabil.[7–9] F0r gleichechemische Zusammensetzungen kann man allerdings prak-tisch unendlich viele „amorphe“ Atomkonfigurationen er-zeugen, die zu unterschiedlichen metastabilen Zustnden desSystems beitragen. Folgerichtig zeigen Verbindungen, beidenen man zu verschiedenen amorphen Strukturen Zuganghat – ein wohlbekanntes Beispiel ist amorphes Eis[10, 11] –durchaus unterschiedliche makroskopische Eigenschaften,abhngig vom Syntheseweg und den Einzelheiten der Vor-behandlung. Die unterschiedlichen Eigenschaften spiegelndamit die Vorgeschichte der Verbindung wider.

Diese Merkmale amorpher Stoffe sind auch die wesent-lichen Gr0nde f0r die Schwierigkeiten beim Versuch einerumfassenden und klaren Klassifizierung. Die Zuordnungs-kriterien der bislang g0ltigen Einteilungen beruhen aufThermodynamik, Struktur oder chemischer Zusammenset-zung,[2, 3, 5] decken in den meisten Fllen jedoch nur Teilas-pekte ab. Wir bevorzugen dagegen eine einheitliche Defini-tion, die einerseits alle Phnomene nichtkristalliner Festk�r-per erfasst und uns andererseits eine feinere Differenzierungdieser Phnomene erm�glicht.

Wesentliche Merkmale f0r einamorphes Material oder ein Glas sinddie Abwesenheit von Translations-fernordnung sowie eine grundstzlicheTendenz, mit der Zeit die Struktur zundern. Daraus ergibt sich die M�g-lichkeit, den amorphen Zustand vonanderen Zustnden der Materie ineiner zweidimensionalen Darstellung

mit den Koordinaten „Grad der statischen Fehlordnung“ und„Grad der dynamischen Fehlordnung“ zu separieren (Ab-bildung 1). Dieses Diagramm ist durch eine Linie in zweiBereiche unterteilt, die die global ergodischen Systeme[12] vonden nichtergodischen trennt. Nat0rlich kann man dieseGrenze nicht absolut festlegen, denn ob ein chemischesSystem ergodisch erscheint oder nicht, hngt einerseits vonder Zeitspanne ab, die ein Beobachter aufwenden mag oderkann, um der Evolution eines gegebenen Materials nachzu-gehen, andererseits von den herrschenden ußeren Bedin-gungen wie Temperatur und Druck.[8] Die Darstellung erfasstden Bereich der m�glichen dynamischen Phnomene voll-stndig, einschließlich des Dbergangs zu ergodischem Ver-halten, und trennt amorphe Verbindungen von Stoffen, diestrukturelle Periodizitt zeigen. Außerdem lassen sich indieser Beschreibung alle Aspekte der Chemie und Physiknichtperiodischer Stoffe unterbringen, wie sie sonst unter denBegriffen Glas, ungeordnetes Netzwerk, metallisches Glasoder amorpher Feststoff zusammengefasst werden – denherk�mmlichen Sammelbegriffen also, die sich auf unter-schiedliche Herstellungsmethoden, auf spezielle strukturelleoder physikalische Eigenschaften und auf die chemischeNatur der Verbindung beziehen.

[*] Prof. Dr. M. Jansen, Priv.-Doz. Dr. J. C. Sch/n,Priv.-Doz. Dr. L. van W2llen[+]

Max-Planck Institut f2r Festk/rperforschungHeisenbergstraße 1, 70569 Stuttgart (Deutschland)Fax: (+49)711-689-1502E-mail: [email protected]

[+] neue Adresse:Institut f2r Physikalische ChemieWestf$lische Wilhelms-Universit$t M2nsterCorrensstraße 30/36, 48149 M2nster (Deutschland)

Si3B3N7 ist die Basisverbindung einer neuen Klasse amorpher Kera-miken aus Si, B, N und C mit einem einzigartigen Eigenschaftsspek-trum. Es bildet ein ungeordnetes Netzwerk, in dem die konstituieren-den Elemente �berwiegend kovalent aneinander gebunden sind. Wiebei Quarzglas ist die Zusammensetzung von a-Si3B3N7 nahezu st�-chiometrisch. Da alle drei konstituierenden Elemente als Aufatome f�rstrukturempfindliche Sonden fungieren k�nnen, wurde Si3B3N7 alsGrundlage f�r systematische Strukturuntersuchungen herangezogen,wobei insbesondere die Verfahren f�r die Strukturbestimmung beifesten Stoffen ohne Translationssymmetrie erprobt und verbessertwerden sollten. Allerdings kann aus experimentellen Ergebnissen nichtdie komplette amorphe Struktur abgeleitet werden, weshalb sie durchComputersimulationen �berpr�ft und erg2nzt werden m�ssen. Dazuwurden f�nf Familien von Strukturmodellen erzeugt und mit den ex-perimentellen Ergebnissen verglichen. Nur solche Modelle korrelier-ten gut mit dem Experiment, die bei ihrer Generierung so nahe wiem�glich dem tats2chlichen Syntheseweg folgten.

Aus dem Inhalt

1. Einf�hrung 4351

2. Experimentelle Ans�tze zurBestimmung charakteristischerStrukturmerkmale in Si3B3N7 4353

3. Theorie 4361

4. Zusammenfassung undSchlussfolgerung 4367

Amorphe Festk(rperAngewandte

Chemie

4351Angew. Chem. 2006, 118, 4350 – 4370 2006 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

Page 3: Der Weg zur Struktur amorpher Festkörper – eine Studie am Beispiel der Keramik Si3B3N7

Aus theoretischer Sicht ist die Struktur der Energieland-schaft,[13–21] d.h. der Hyperflche der potentiellen Energie0ber dem Raum aller Atomkonfigurationen des Systems(dem so genannten Konfigurationsraum) der Schl0ssel zumVerstndnis der statischen und dynamischen Eigenschafteneiner amorphen Verbindung. Die vollstndige Energieland-schaft eines chemischen Systems schließt sowohl amorphe alsauch kristalline Bereiche ein, die jeweils durch eine großeZahl an Konfigurationen reprsentiert werden. In diesemAufsatz liegt das Augenmerk auf dem Teil der Landschaft vonSi3B3N7, der die amorphen Zustnde enthlt.

1.2. Das Problem der Strukturbestimmung amorpher Stoffe

Da die Anordnung der Atome im Raum die Eigenschaf-ten eines festen Materials wesentlich bestimmt, ist dieKenntnis seiner mikroskopischen Struktur eine unabdingbareVoraussetzung f0r alle Versuche, seine Eigenschaften zuverstehen und gezielt zu optimieren. Wir sehen in derSchwierigkeit, die Strukturen amorpher Verbindungen zu

bestimmen, einen wesentlichen Grund, dassdiese Stoffklasse nicht immer die ihr geb0h-rende Beachtung gefunden hat.

Zwar liefern Experimente durchauswertvolle Strukturinformationen; diese blei-ben jedoch diffus, weil viele unterschiedlicheAtomanordnungen mit diesen Daten inner-halb der experimentellen Fehlergrenzen inEinklang gebracht werden k�nnen. EinenAusweg b�ten Strukturmodellierungen mittheoretischen Methoden. Wenn man sichjedoch ausschließlich auf die Theorie st0tzte,m0sste man Modelle entwickeln, die dentatschlichen Syntheseweg imitieren, z. B.Abk0hlung einer Schmelze, druckinduzierteAmorphisierung, Atomstrahl- oder Dampf-kondensation oder das Sol-Gel-Verfahren,um nur einige zu nennen. Sieht man von demunwahrscheinlichen Fall ab, dass all dieseverschiedenen Wege zu strukturidentischenamorphen Prparaten f0hren (d.h., wenn dieDetails des Herstellungsweges f0r die Struk-tur des amorphen Zustands unwichtig sind),

ist man mit der gegenwrtig unl�sbaren Aufgabe konfron-tiert, den Syntheseweg in der Simulation genau zu reprodu-zieren.

Es ist also offensichtlich notwendig, das Experiment mitder theoretischen Modellierung der amorphen Verbindung zukombinieren. Im Prinzip k�nnen amorphe Atomkonfigura-tionen einer Verbindung mithilfe moderner Computertech-niken unter Einbeziehung experimenteller Daten (auch ohnedabei auf den tatschlichen Syntheseweg Bezug zu nehmen)generiert werden. Allerdings werden auf diesem Wege un-zhlige plausible L�sungen erzeugt, und es gibt keinen di-rekten Weg, eines der simulierten Strukturmodelle einerrealen Probe zuzuordnen. Auch jede experimentelle Methodezur Strukturaufklrung („Struktursonde“) liefert nur eineTeilinformation. Da sich mit den jeweiligen analytischenVerfahren ganz unterschiedliche Aspekte der Struktur auf-klren lassen, ist es schwierig, die Ergebnisse zu korrelierenund ein komplettes, konsistentes Strukturmodell zu erzeugen.

Unser Ansatz ist daher, zunchst m�glichst viele Struk-turdaten eines Materials experimentell zu ermitteln. DieseBefunde werden anschließend mit Ergebnissen theoretischer

Martin Jansen studierte Chemie an derJustus-Liebig-Universit�t Gießen und promo-vierte dort 1973. Nach der Habilitation1978 nahm er 1981 den Ruf auf einen Lehr-stuhl f)r anorganische Chemie an der Uni-versit�t Hannover an. 1987 wechselte er andie Universit�t Bonn. Seit 1998 ist er Mit-glied des wissenschaftlichen Rates der Max-Planck-Gesellschaft und Direktor am MPIf)r Festk3rperforschung Stuttgart. Zu seinenArbeitsgebieten geh3ren pr�parative Festk3r-perchemie, Kristallchemie, Materialfor-schung und Struktur-Eigenschafts-Beziehun-

gen bei Feststoffen. Martin Jansen ist Mitglied des Kuratoriums der Ange-wandten Chemie.

J. Christian Sch3n studierte Physik an derUniversit�t Bonn und am MIT, wo er 1982den MSc in mathematischer Physik und1988 den PhD in theoretischer Festk3rper-physik erhielt. Es folgte ein Postdoc-Aufent-halt bis Ende 1991 an der San Diego StateUniversity. Nach einem Gastaufenthalt ander Universit�t Odense war er Postdoc imFachbereich Physik an der Universit�t Ko-penhagen. Von 1993 bis 1999 forschte er ander Universit�t Bonn, wo er 1997 )ber Ener-gielandschaften von kristallinen und amor-phen Festk3rpern habilitierte. Seit 1999 ar-beitet er als wissenschaftlicher Mitarbeiteram MPI f)r Festk3rperforschung.

Abbildung 1. Einordnung von amorphen und weiteren Zust$nden der Materie in ein Diagramm mitden Koordinaten „Grad der dynamischen Unordnung“ und „Grad der statischen Unordnung“.

M. Jansen et al.Aufs�tze

4352 www.angewandte.de 2006 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Angew. Chem. 2006, 118, 4350 – 4370

Page 4: Der Weg zur Struktur amorpher Festkörper – eine Studie am Beispiel der Keramik Si3B3N7

Rechnungen vereint, um eine vollstndige Struktur einerbestimmten amorphen Verbindung zu erzeugen. Auf dertheoretischen Seite muss dazu eine Vielzahl von Strukturenerzeugt werden, aus denen dann durch Abgleich mit den ex-perimentellen Befunden derjenige Teil des Konfigurations-raumes selektiert wird, in dem sich die real untersuchte Ver-bindung befindet. Der Kreis schließt sich, wenn die Richtig-keit der erhaltenen Struktur dadurch belegt werden kann,dass sich die experimentell ermittelten Eigenschaften repro-duzieren lassen.

1.3. Die Fallstudie: Si3B3N7

Mitte der 1990er Jahre wurde der Sonderforschungsbe-reich 408 mit der allgemeinen Zielsetzung gegr0ndet, geeig-nete theoretische und experimentelle Methoden zu entwi-ckeln, die sich zur Aufklrung „amorpher Strukturen“ anor-ganischer, nichtmetallischer Feststoffe eignen. Eine beson-ders faszinierende Verbindung, die im Rahmen dieses Lang-zeitprojekts untersucht wurde, ist das amorphe Silicium-bornitrid a-Si3B3N7, das aus einem neuartigen, ungeordnetenNetzwerk von Silicium- und Boratomen besteht, die durchvorwiegend kovalente Bindungen 0ber Stickstoffatome mit-einander verbunden sind.[22–28] Die Entdeckung dieser Ver-bindung war grundlegend f0r die Erschließung einer neuenFamilie amorpher Keramiken f0r Hochtemperaturanwen-dungen im System Si/B/N/C.[22–32] Trotz ihres metastabilenCharakters zeigen solche ungeordneten anorganischenNetzwerke auch unter beachtlicher thermischer und mecha-nischer Belastung eine hohe Bestndigkeit. Gemessen an derKombination aller Eigenschaften, die f0r Hochtemperatur-anwendungen in Luft relevant sind, 0bertreffen sie diewohlbekannten kristallinen Keramiken SiC und Si3N4; bei-spielsweise zeigen a-Si3B3N7 sowie die verwandte kohlen-stoffhaltige Keramik a-SiBN3C bis T� 1900 K (� 1650 8C)bzw. bis T� 2150 K (� 1900 8C) keinen Massenverlust. Dieelastischen Konstanten dieser Materialien erreichen beacht-liche Werte (z. B. betrgt der Kompressionsmodul B vona-SiBN3C 200–300 GPa), und trotz ihrer niedrigen Dichte vonetwa 1.8–1.9 gcm�3 zeigen sie eine hohe Bruchfestig-keit.[23,26, 27]

Im Unterschied zu vielen anderen technologisch wichti-gen amorphen Materialien kann a-Si3B3N7 nicht 0ber den

konventionellen Weg der Glasbildung durch Abschreckenaus der Schmelze erzeugt werden, da a-Si3B3N7 wie auch seinebinren Komponenten BN und Si3N4 unter Atmosphren-druck inkongruent schmelzen. Auch gelingt es nicht, a-Si3B3N7 aus Gemengen feinteiliger Pulver von BN und Si3N4

durch Sintern herzustellen. Hingegen bietet die Sol-Gel-Synthese unter Verwendung von Einkomponentenvorstufenwie TADB [(SiCl3)NH(BCl2)

[22]] einen vielversprechendenZugang. Durch Verwendung von Monomeren wie TADB, dieMetalloid-Kationen im gew0nschten Verhltnis 0ber eineStickstoffbr0cke verkn0pft enthalten, vermeidet man Kon-zentrationsschwankungen im prkeramischen Polymer alsFolge der unterschiedlichen Aminolysegeschwindigkeitenzweier unabhngiger Bor- und Siliciumquellen.[26,27] Die Pe-ripherie des Molek0ls ist vollstndig durch Chloratomefunktionalisiert, was eine einfache Polymerisation durchAminolyse und anschließende Polykondensation der als In-termediate auftretenden Amide und Imide erm�glicht (Ab-bildung 2). Der Herstellungsweg von a-Si3B3N7 umfasst alsodie Stufen Aminolyse von TADB, Polykondensation zu Oli-gomeren und Polymeren und schließlich Pyrolyse in N2-At-mosphre zur eigentlichen Keramik.[22,23, 26,33]

Die resultierende Keramik a-Si3B3N7 ist ein luftunemp-findliches weißes Pulver, dessen thermische Zersetzung unterStickstoffentwicklung bei 1650 8C beginnt und bei 1750 8Crasch fortschreitet. In Beugungsexperimenten wurden wedermit R�ntgenstrahlung (Synchrotron) noch mit Neutronenoder Elektronen Bragg-Reflexe beobachtet. Die chemischeZusammensetzung stimmt innerhalb der Fehlergrenzenmehrerer Analysemethoden mit der Formel Si3B3N7 0berein,und es werden keine Schwankungen in der Zusammenset-zung bei verschiedenen Synthesechargen beobachtet. DesWeiteren wurden keine lateralen Inhomogenitten bis hin-unter zu Aufl�sungen von 1 mm (EDX, WDX) bzw. 1 nm(EFTEM) beobachtet.[34]

Unsere Untersuchungen waren zum Teil durch denWunsch motiviert, diese neue, vielversprechende Klasse ke-ramischer Stoffe besser zu verstehen. Die strker treibendeKraft war jedoch, a-Si3B3N7 f0r eine Fallstudie zu nutzen, inder die verf0gbaren Methoden f0r die Analyse der Mikro-strukturen amorpher Stoffe erprobt und verbessert werdensollten. Das System diente uns in diesem Sinne quasi als eine„Drosophila“ f0r Festk�rperforschung. Nur durch die Kom-bination von Experiment und Theorie war es m�glich, einkonsistentes Strukturmodell f0r a-Si3B3N7 zu erarbeiten.

Leo van W)llen erhielt 1989 das Diplom ander Universit�t M)nster und promoviertedort 1993 bei Prof. M)ller-Warmuth. Nacheinem Postdoc-Aufenthalt (1994–1996) ander University of California in Santa Barbarabei Prof. Eckert und Prof. Ford setzte er1996 seine Forschungsarbeiten an der Uni-versit�t M)nster und von 1998 bis 2003 amMPI f)r Festk3rperforschung in Stuttgartfort. 2002 habilitierte er sich in physikali-scher Chemie an der Universit�t M)nster,wo er sich seit 2003 mit neuen Festk3rper-NMR-Strategien zur Charakterisierung struk-tureller und dynamischer Aspekte anorgani-scher Festk3rper befasst.

Abbildung 2. Synthese von a-Si3B3N7 ausgehend von TADB.

Amorphe Festk(rperAngewandte

Chemie

4353Angew. Chem. 2006, 118, 4350 – 4370 2006 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.angewandte.de

Page 5: Der Weg zur Struktur amorpher Festkörper – eine Studie am Beispiel der Keramik Si3B3N7

2. Experimentelle Ans�tze zur Bestimmung charak-teristischer Strukturmerkmale in Si3B3N7

2.1. Experimentelle Methoden

Wegen der fehlenden translatorischen Periodizitt amor-pher Festk�rper eignen sich die klassischen Beugungsme-thoden nicht dazu, die gesamte dreidimensionale Strukturdieser Materialien in einem einzigen Experiment aufzukl-ren. Daher ist es notwendig, m�glichst viele alternativeStruktursonden einzubeziehen, will man die unterschiedli-chen strukturellen Aspekte der amorphen Materialien erfas-sen. Eine erfolgreiche Strategie zur Strukturaufklrungamorpher Festk�rper beginnt mit der Aufteilung des kom-plexen Problems in die drei Kategorien kurzreichweitigeOrdnung (1–2 N), mittelreichweitige Ordnung (2–8 N) undlangreichweitige Ordnung (> 8 N).[35] Innerhalb der jeweili-gen Kategorie gilt es dann, m�glichst viele verschiedene ex-perimentelle Methoden einzusetzen, da die immanente Ver-teilung von Bindungslngen und -winkeln hufig breite, sich0berlagernde Signale zur Folge hat. Diese sind naturgemßeiner Dekonvolution nur schwer zugnglich, weshalb eineeindeutige Interpretation schwierig ist. Nur die Kombinationder verschiedenen experimentellen Methoden innerhalbeiner gegebenen Kategorie, die 0berlappende und sich er-gnzende Informationen liefern, ebnet den Weg zu einer er-folgreichen Beschreibung der Struktur amorpher Festk�rper.

Das Repertoire an mikroskopischen Hilfsmitteln, die zurCharakterisierung amorpher Festk�rper zur Verf0gungstehen, lsst sich in drei Gruppen aufteilen (siehe Tabelle 1):lokale Sonden, Interferenzmethoden und direkt abbildendeMethoden. Zu den hufig eingesetzten Vertretern der lokalen

Sonden zhlen IR-Spektroskopie, Raman-Spektroskopie,XPS, XANES, EELS und NMR-Spektroskopie. Interferenz-methoden unter Verwendung von Neutronen, Elektronenoder Photonen (R�ntgenstrahlen) k�nnen genutzt werden,um Paarkorrelationsfunktionen (pair correlation function,PCF) zu generieren, aus denen sich charakteristische Ab-stnde ermitteln lassen. Direkt abbildende Methoden – zudenen beispielsweise die Rasterkraftmikroskopie,[36] die

Rasterelektronenmikroskopie oder auch die Transmissions-elektronenmikroskopie zhlen – haben sich in den letztenJahren zu vielversprechenden mikroskopischen Hilfsmittelnf0r die Aufklrung struktureller Aspekte amorpher Festk�r-per bis hinunter in den Sub-Nanometerbereich oder gar biszur atomaren Aufl�sung entwickelt.[37] In den folgenden Ab-schnitten soll nun die Gesamtheit der experimentellen Be-funde zu Si3B3N7 bei Verwendung der in Tabelle 1 aufge-f0hrten experimentellen Sonden dargelegt werden.

2.2. Experimentelle Befunde und Strategie

Gemß der in Abschnitt 2.1 beschriebenen Vorgehens-weise zur strukturellen Charakterisierung amorpher Fest-k�rper besteht der erste Schritt in einer Evaluation derkurzreichweitigen Ordnung (1–2 N). F0r den hier vorge-stellten Fall des Si3B3N7 konnte eine Reihe von komplemen-tren und 0berlappenden Methoden wie NMR-Spektrosko-pie, XANES und Streumethoden eingesetzt werden. In einemzweiten Schritt gilt es dann, die mittelreichweitige Ordnungdes Materials unter Verwendung von dipolaren Festk�rper-NMR-Methoden und Paarkorrelationsfunktionen (aus dendiversen Streumethoden) aufzuklren. Die in diesem Schrittzusammengetragenen Informationen beziehen sich auf dieNetzwerkkonnektivitt, d.h. auf die Verkn0pfung der dasNetzwerk konstituierenden Polyeder – die im ersten Schrittidentifiziert wurden – zum ausgedehnten dreidimensionalenNetzwerk. In einem letzten Schritt steht dann die langreich-weitige Ordnung im Vordergrund. F0r Si3B3N7 wurden dabeielektronenmikroskopische Verfahren eingesetzt, um einenEinblick in die Strukturmerkmale auf einer Lngenskala> 8 N zu erhalten, darunter Homogenitt und Phasentren-nung.

2.2.1. Kurzreichweitige Ordnung

Die Aufklrung der kurzreichweitigen Ordnung inSi3B3N7 erfolgte unter Verwendung von XANES, Streume-thoden und Festk�rper-NMR-Spektroskopie. In Abbil-dung 3a ist das B-K-XANES-Spektrum f0r die Titelverbin-dung den entsprechenden Spektren f0r hexagonales (h-BN)und kubisches Bornitrid (c-BN) gegen0bergestellt.[38,39]

Whrend das Spektrum von h-BN von einer starken 1s!p*-Resonanz bei 191.8 eV und einem Dublett um 198 eV (1s!s*-Resonanzen) dominiert wird, fehlt die 1s!p*-Resonanzim Spektrum von c-BN. Bei c-BN steht dagegen die starke B-1s!s*-Resonanz bei 198 eV im Vordergrund. Ein Vergleichdieser Spektren mit jenem von Si3B3N7, das sich durch einestarke 1s!p*-Resonanz auszeichnet, erlaubt die Schlussfol-gerung, dass die Boratome in Si3B3N7 in planaren BN3-Um-gebungen, analog der Borumgebung in h-BN, anzutreffensind. Das Si-K-XANES-Spektrum von Si3B3N7 findet sich inAbbildung 3b, zusammen mit den entsprechenden Spektrenf0r a-Si3N4 und b-Si3N4.

[40] Das breite Signal um 1844 eV kanndabei dem Si-1s!3p-Dbergang zugeordnet werden. DieQhnlichkeit dieses Spektrums mit den Spektren der Refe-renzverbindungen a- und b-Si3N4 (z. B. im Ort des erstenPeaks) legt die Vermutung nahe, dass die Siliciumatome in

Tabelle 1: Sonden f2r die Untersuchung struktureller Aspekte amorpherFestk/rper.[a]

lokaleSonden

Interferenzverfahren direkte Abbildungs-methoden

IR Paarkorrelationsfunktionen aus R/nt-gen-, Neutronen- und Elektronen-streuexperimenten

SEMRaman AFM

NMR TEMEELS EXAFSXANESXPS

[a] IR (Infrarotspektroskopie); SEM (Rastersondenmikroskopie); AFM(Rasterkraftmikroskopie); NMR (Kern-Resonanzspektroskopie); TEM(Transmissionselektronenmikroskopie); EELS (electron energy lossspectroscopy); EXAFS (extended X-Ray absorption fine structure);XANES (X-ray absorption near edge spectroscopy); XPS (R/ntgenpho-toelektronenspektroskopie).

M. Jansen et al.Aufs�tze

4354 www.angewandte.de 2006 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Angew. Chem. 2006, 118, 4350 – 4370

Page 6: Der Weg zur Struktur amorpher Festkörper – eine Studie am Beispiel der Keramik Si3B3N7

Si3B3N7 im Wesentlichen in Form von SiN4-Umgebungenvorliegen. Abbildung 3c zeigt die N-K-XANES-Spektren vonSi3B3N7, h-BN und a-Si3N4. Das Signal bei 402–404 eV in a-Si3N4 und h-BN entstammt einem 1s!p*-Dbergang, wh-rend das Signal bei 406 bzw. 408 eV seinen Ursprung in einem1s!s*-Dbergang hat. Das Spektrum von Si3B3N7 lsst sich alsDberlagerung der Spektren f0r a-Si3N4 und h-BN auffassenund weist somit auf eine Koexistenz unterschiedlicher, an-nhernd trigonal-planarer NB3�xSix-Umgebungen hin (0�x� 3). Eine wichtige Schlussfolgerung aus den XANES-Un-tersuchungen ist also das Vorliegen von trigonal-planarenBN3-Umgebungen und tetraedrischen SiN4-Umgebungen alsden beiden wesentlichen Konstituenten des anorganischenNetzwerkes in a-Si3B3N7.

Weitere experimentelle Hinweise auf das Vorliegen dieserNetzwerkpolyeder ergeben sich aus der Analyse der ausNeutronen-,[41, 42] Elektronen-[34] und R�ntgenstreuexperi-menten (Synchroton-Strahlung)[41] erhaltenen Paarkorrela-tionsfunktionen. Diese sind in Abbildung 4 zusammenge-stellt; die Peakmaxima, die f0r die Analyse der kurzreich-weitigen Ordnung maßgeblich sind, finden sich in Tabelle 2.

Abbildung 3. a) B-K-XANES-Spektren von Si3B3N7, h-BN und c-BN;[38, 39]

b) Si-K-XANES-Spektren von Si3B3N7, a-Si3N4 und b-Si3N4;[40] c) N-K-

XANES-Spektrum von Si3B3N7, a-Si3N4 und h-BN.Abbildung 4. Paarkorrelationsfunktionen aus Neutronenstreuung(a),[41, 42] Elektronenstreuung (b)[34] und R/ntgenstreuung (c).[41]

Hierbei ist Qmax(Neutronen)=50 O�1, Qmax(Elektronen)=30 O�1 undQmax(R/ntgen)=24 O�1. Qmax ist der maximale Impuls2bertrag.

Amorphe Festk(rperAngewandte

Chemie

4355Angew. Chem. 2006, 118, 4350 – 4370 2006 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.angewandte.de

Page 7: Der Weg zur Struktur amorpher Festkörper – eine Studie am Beispiel der Keramik Si3B3N7

Zieht man alle m�glichen Element-Element-Bindungen inSi3B3N7 (d.h. Si-Si, Si-B, Si-N, B-B, B-N, N-N) in Betracht, solsst sich das erste Maximum in der PCF nur mit einer B-N-Bindung in trigonal-planarer BN3-Umgebung vereinbaren.Die B-N-Bindungslnge in h-BN betrgt 1.45 N, wohingegenin tetraedrischer BN4-Umgebung (c-BN) ein Wert von 1.56 Nbeobachtet wird. Entsprechend lsst sich das zweite Peak-maximum der PCF Si-N-Bindungen in tetraedrischen SiN4-Einheiten zuordnen. Aufgrund der eindeutigen Zuordnunglassen sich aus den PCFs 0ber diese einfache Analyse hin-ausgehend die Koordinationszahlen f0r Si und B ermitteln.F0r die Zahl der Stickstoffnachbarn der Silicium- und Bor-atome in Si3B3N7 erhlt man so Werte um 3.7–3.8 bzw. 2.8–2.9.Die Streuexperimente st0tzen somit eindeutig die obige An-nahme von BN3- und SiN4-Umgebungen als Grundpolyederdes Netzwerkes in a-Si3B3N7.

Als weitere unabhngige Sonde wurde hochaufl�sendeMAS-NMR-Spektroskopie (MAS=Magic Angle Spinning)an Si3B3N7 eingesetzt, um die obigen Befunde zu untermau-ern und das Vorhandensein weiterer lokaler Spezies zupr0fen. In einem MAS-NMR-Experiment gelingt es, dieje-nigen internen Wechselwirkungen, deren Orientierungsab-hngigkeiten mit dem zweiten Legendre-Polynom(P2(cosb)= 0.5(3cos2b�1)) skalieren – dazu zhlen die che-mische Verschiebung, homo- und heteronucleare Dipol-wechselwirkungen und die Quadrupolwechselwirkung ersterOrdnung –, durch eine schnelle Probenrotation um den ma-gischen Winkel (54.78 relativ zum Magnetfeld) auszumitteln.Abbildung 5 zeigt die 11B-, 15N- und 29Si-MAS-NMR-Spek-tren f0r Si3B3N7. F0r die Spin-1=2-Kerne 15N und 29Si bildet derisotrope Teil des Tensors der chemischen Verschiebung dieeinzig verbleibende Messgr�ße. Die beobachtete isotropechemische Verschiebung f0r die 29Si-Kerne in Si3B3N7

(�45.5 ppm)[44] legt das Vorhandensein von ausschließlichtetraedrisch von Stickstoffatomen umgebenen Siliciumato-men nahe (vgl. diso

29Si (a-Si3N4)=�46 und �48 ppm)[43, 44] undst0tzt eindeutig die Befunde der oben genannten Experi-mente. F0r den Erhalt eines 15N-MAS-NMR-Spektrums mitakzeptablem Signal-zu-Rausch-Verhltnis erwies sich dieVerwendung einer zu 100 % mit dem Isotop 15N angerei-cherten Probe als notwendig. Das Spektrum (Abbildung 5)lsst ein leicht asymmetrisches, breites und unstrukturiertesSignal um 59 ppm mit einer Halbwertsbreite von ca. 38 ppmerkennen. Der Bereich der chemischen Verschiebung decktden typischen Verschiebungsbereich sowohl f0r 14,15N in h-BNum 63 ppm[45,46] als auch f0r a-Si3N4 um 30 ppm[47] ab. Dieslegt das Auftreten gemischter NB3�xSix-Umgebungen nahe;eine Dekonvolution des Signals in die Einzelbeitrge der

verschiedenen Baueinheiten erscheint hingegen wenig sinn-voll.

Sind die Spektren f0r die Spin-1=2-Kerne 15N und 29Si nochallein durch die isotrope chemische Verschiebung geprgt, sofindet sich in den MAS-NMR-Spektren des Spin-3=2-Kerns 11Bin Si3B3N7 eine starke Dominanz der Quadrupolwechselwir-kung zweiter Ordnung, der einzigen Wechselwirkung, die mitdem vierten Legendre-Polynom skaliert und somit durch denMAS-Prozess nicht vollstndig ausgemittelt wird. Eine Si-mulation der erhaltenen MAS-Linienform (unteres Spektrumin Abbildung 5c) liefert eine isotrope chemische Verschie-bung diso = 30.4 ppm, eine QuadrupolkopplungskonstanteCQ = 2.9 MHz sowie einen Asymmetrieparameter hQ = 0.1.Auch hier stimmen die erhaltenen Werte exzellent mit den f0rh-BN publizierten 0berein (diso = 30.4 ppm, CQ = 2.9 MHz,hQ = 0).[46,48] Allerdings kann die Gegenwart tetraedrisch vonStickstoffatomen koordinierter Boratome (BN4-Umgebun-

Tabelle 2: Positionen der ersten Maxima in den Paarkorrelationsfunk-tionen, die mit den jeweiligen Streumethoden erhalten wurden.

Streuverfahren erstes Peakmaximum [O] zweites Peakmaximum [O]

Elektronen 1.44 1.72R/ntgen 1.41 1.71R/ntgen 11B[a] 1.40 1.72Neutronen 1.45 1.72

[a] Si311B3N7-Probe.

Abbildung 5. MAS-NMR-Spektren von Si3B3N7.[44] a) 29Si; b) 15N; c) 11B.

Das untere Spektrum in (c) ist eine Simulation des 11B-MAS-NMR-Spektrums unter Verwendung der im Text gegebenen Parameter.

M. Jansen et al.Aufs�tze

4356 www.angewandte.de 2006 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Angew. Chem. 2006, 118, 4350 – 4370

Page 8: Der Weg zur Struktur amorpher Festkörper – eine Studie am Beispiel der Keramik Si3B3N7

gen) nach dem MAS-Experiment nicht gnzlich ausge-schlossen werden, da das 11B-Signal einer solchen Spezies(einzelnes Signal um 0–5 ppm) stark mit der quadrupolarverbreiterten Linie der BN3-Umgebungen 0berlagert und sichso einer eindeutigen Identifizierung entziehen k�nnte. DiesesHindernis lsst sich mithilfe von Techniken 0berwinden, diein der Lage sind, das vierte Legendre-Polynom auszumitteln.Unter den Strategien, die zu diesem Zweck entwickeltwurden – Dynamic Angle Spinning (DAS),[49,50] Double Ro-tation (DOR)[51,52] oder Multiquanten-MAS (MQMAS)[53–57]

–, hat sich die MQMAS-Spektroskopie wegen ihrer einfachenImplementierung und Handhabbarkeit durchgesetzt.

Bei der MQMAS-Spektroskopie wird die Evolution einerMultiquantenkohrenz mit der Evolution einer beobachtba-ren Einquantenkohrenz in einem zweidimensionalen NMR-Experiment unter den Bedingungen schneller MAS korre-liert. So gelingt die Trennung der isotropen chemischen Ver-schiebung und der quadrupolar verbreiterten Linienform.Abbildung 6 enthlt das so aufgenommene 11B-MQMAS-

NMR-Spektrum f0r Si3B3N7. Das untere Spektrum parallelzur F2-Achse reprsentiert das konventionelle MAS-NMR-Spektrum, die Projektion auf die F1-Achse (senkrechteAchse) das isotrope Spektrum; in dieser Projektion ist diequadrupolare Verbreiterung effektiv eliminiert. Die Tatsache,dass diese Projektion nun lediglich ein Signal erkennen lsst,besttigt die alleinige Prsenz einer trigonal-planar koordi-nierten Borspezies in Si3B3N7. Dar0ber hinaus liefern diekombinierten Ergebnisse der Streuexperimente und derMAS-NMR-Experimente einen tieferen Einblick in die Ver-teilung lokaler Spannungen innerhalb des amorphen Netz-werkes. Da die Streuexperimente durchweg scharfe Maximain den jeweiligen Paarkorrelationsfunktionen erkennenlassen, was mit einer relativ engen Verteilung von Bin-dungslngen innerhalb des amorphen Netzwerkes einhergeht,muss die extrem große Linienbreite der 29Si-MAS-NMR-Spektren ihren Ursprung notwendigerweise in einer weitenVerteilung der N-Si-N-Bindungswinkel haben. Zusammenmit der eher geringen Linienverbreiterung in den 11B-(MQ)MAS-NMR-Spektren – zur0ckzuf0hren auf die Rigi-

ditt der BN3-Einheiten – lassen diese Befunde daraufschließen, dass sich ein Großteil der lokalen Deformationen,die einem amorphen Netzwerk zu eigen sind, in den SiN4-Tetraedern akkumuliert.

2.2.2.Mittelreichweitige Ordnung

Die Kombination der Ergebnisse der unterschiedlichenlokalen Struktursonden identifiziert trigonal-planare BN3-und tetraedrische SiN4-Umgebungen als die beiden netz-werkbildenden Polyeder des dreidimensionalen Netzwerkesvon a-Si3B3N7. Der logische nchste Schritt in der struktu-rellen Charakterisierung ist die Untersuchung der Verkn0p-fung dieser lokalen Polyeder zu einem ausgedehnten dreidi-mensionalen Netzwerk. Der Aufklrung dieser mittelreich-weitigen Ordnung haben wir uns dabei auf zwei Wegen ge-nhert: Ein Weg basiert auf der Analyse der Paarkorrela-tionsfunktionen hin zu h�heren Abstnden (2–5 N). Wie ausAbbildung 4 ersichtlich, zeigen die Paarkorrelationsfunktio-nen dezidierte Maxima im Bereich von 2.5–3.0 sowie 4.3 N.Die Maxima bei 2.49 und 2.9 N, die sich in der aus Neutro-nendaten erhaltenen PCF klar unterscheiden lassen, k�nnenals typische Signaturen benachbarter Stickstoffatome in BN3-bzw. SiN4-Umgebungen gewertet werden. WeitergehendeInformationen sind aus den PCFs jedoch nicht ohne weitereserhltlich, da der Nachteil der Methode, die fehlende Ele-mentselektivitt, eine starke Dberlagerung der Signaturenunterschiedlicher partieller Paarkorrelationsfunktionen nachsich zieht. Dies lsst sich jedoch mittlerweile zumindest teil-weise umgehen, indem man unter Isotopen-Kontrastvariationarbeitet, einer Technik, die sich die unterschiedlichen Streu-lngen bl zweier Isotope eines Elementes (z. B. bl(

14N)=9.37 T 10�15 m, bl(

15N)= 6.44 T 10�15 m) zunutze macht. Be-funde f0r Si3B3N7 unter Verwendung der Kontrastvariationf0r Stickstoff sind in Abbildung 7 zusammengestellt. Bildetman die Fourier-Transformierte der Differenzintensittenzweier Proben mit unterschiedlicher Isotopenkonzentration(Si3

11B3N7 und Si311B3

15N7), so lassen sich die Paarkorrela-tionsfunktionen von Atompaaren ohne Stickstoffbeteiligungherausfiltern.[41,42] Die deutlich verringerte Intensitt desMaximums um 2.74 N in der Differenzfunktion (Abbil-dung 7) liefert somit einen klaren Beleg f0r den Beitrag einesAtompaares, an dem Stickstoff nicht beteiligt ist. Dies deutet

Abbildung 6. 11B-MQMAS-NMR-Spektrum von Si3B3N7. In der isotro-pen Projektion in F1 (vertikale Achse) wird nur ein Signal, das der tri-gonal koordinierten Boratome, beobachtet.

Abbildung 7. Fourier-Transformierte DDN(R) der Differenzfunktionerster Ordnung DN(Q) zwischen den Neutronenmessungen f2rSi3

11B3N7 und Si311B3

15N7. Indem die Differenz der Intensit$ten f2rSi3

11B3N7 und Si311B3

15N7 gebildet wird, f2hrt die Fourier-Transformati-on zu einer PCF, die nur Abst$nde unter Beteiligung des substituiertenElements (hier: Stickstoff) enth$lt.[41]

Amorphe Festk(rperAngewandte

Chemie

4357Angew. Chem. 2006, 118, 4350 – 4370 2006 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.angewandte.de

Page 9: Der Weg zur Struktur amorpher Festkörper – eine Studie am Beispiel der Keramik Si3B3N7

auf eine Si-B-Korrelation hin, was als erster Hinweis auf eineSi-N-B-Verkn0pfung gewertet werden kann.

Der Nachweis einer solchen Verkn0pfung sowie derenQuantifizierung lsst sich mithilfe der Festk�rper(FK)-NMR-Spektroskopie f0hren. In diesem Lngenbereich sind es diemagnetischen Dipolwechselwirkungen, charakterisiert durchdie Dipolkopplungskonstante [Gl. (1)], die sich zur Analyse

D ¼ gI gSm0

4p �h2p r3

ð1Þ

struktureller Aspekte nutzen lassen. Hierbei bezeichnen gI

und gS die gyromagnetischen Verhltnisse f0r die beiden be-teiligten Kernsorten, und r entspricht deren Abstand. ImAllgemeinen ben�tigt man die Informationen 0ber die ma-gnetische Dipolkopplung unter den hochaufl�senden Bedin-gungen der MAS-NMR-Spektroskopie. Da diese Informa-tionen im MAS-Experiment jedoch eliminiert sind, ist esnotwendig, die heteronucleare Dipolkopplung durch Ver-wendung moderner Pulstechniken wie Rotational EchoDouble Resonance (REDOR)[58–63] oder Rotational EchoAdiabatic Passage Double Resonance (REAPDOR)[64–66]

selektiv wieder einzuf0hren. All diesen Methoden ist dieManipulation der Dipolwechselwirkungen durch rotorsyn-chronisierte Radiofrequenzimpulse gemeinsam; das allge-meine Prinzip ist in Abbildung 8 anhand der REDOR-Se-quenz nher erlutert. Im Fall eines isolierten Zweispinsys-tems lsst sich durch Analyse der REDOR-Evolutionskurvengemß Gleichung (2) der Kernverbindungsabstand r ermit-

DSS0

¼ 1� 14pS0

Zp

0

Z2p

0

cos�

2ffiffiffi2

pN TRD sin 2#sinf

�sin#d#df ð2Þ

teln.[60] # und f geben die Polarwinkel an, die die Lage desHauptachsensystems relativ zum Laborachsensystem festle-gen; N und TR bezeichnen die Zahl der Rotorzyklen bzw. dieRotorperiode.

F0r die Titelverbindung wird eine solch vereinfachteAnalyse allerdings kaum zum Ziel f0hren. Vielmehr sind hierVerteilungseffekte, m�gliche Mehrspinwechselwirkungenund die quadrupolare Natur des 11B-Kerns zu ber0cksichti-gen. Voraussetzung f0r eine Analyse der dipolaren Evoluti-onskurven ist demnach die Kenntnis der Auswirkung solcherSt�rungen auf diese Experimente.[67] So illustriert Abbil-dung 9a den Einfluss einer Gauß-f�rmigen Verteilung von

B-Si-Abstnden auf eine 11B-{29Si}-REDOR-Kurve. Als we-sentliche Erkenntnis lsst sich hier festhalten, dass der An-fangsverlauf der REDOR-Kurve weitgehend unabhngig voneiner solchen Verteilung ist. Erst bei langen Evolutionszeitenmacht sich die Verteilung durch eine Dmpfung der Oszilla-tionen bemerkbar. Auch eine Variation des Bindungswinkelsa, aufgespannt durch die beiden B-Si-Kernabstandsvektorenin einem SiB2-Dreispinsystem, beeinflusst den Anfangsver-lauf nur wenig, wie Abbildung 9b besttigt.[67] Daher lassensich die dipolaren Evolutionskurven zur Analyse der mittel-

Abbildung 8. Das Prinzip von REDOR: Die durch den Hamilton-Ope-rator hIS

D beschriebene, 2ber eine Rotorperiode TR gemittelte hete-ronucleare Dipolwechselwirkung zwischen den Kernen S und I wirddurch rotorsynchronisierte Pulse f2r die I-Spin-Spezies wieder einge-f2hrt. Das S-Spin-Signal wird dabei durch eine ebenfalls rotorsynchro-nisierte Spin-Echo-Sequenz detektiert. Die dipolare Kopplung zwischenI- und S-Spins f2hrt zu einer Abschw$chung der S-Spin-Signalintensit$t(S) relativ zum Referenzsignal, das ohne I-Spin-Pulse (S0) aufgenom-men wurde. Indem nun die Evolutionszeit NTR variiert wird und dasnormierte Differenzsignal (S0-S)/S0=DS/S0 als Funktion der Evoluti-onszeit verfolgt wird, erh$lt man die REDOR-Kurve. Aus dieser k/nnendie Abst$nde r zwischen den Kernen abgeleitet werden.

Abbildung 9. a) Simulierte 11B-{29Si}-REDOR-Kurven f2r ein isoliertesB-Si-Zweispinsystem. F2r beide Kurven wurde ein Abstand der B-Si-Kerne von 2.74 O zugrunde gelegt. F2r die durch die roten Punkte ge-bildete Kurve wurde zus$tzlich eine Gauß-Verteilung dieses Abstandesmit einer Halbwertsbreite von 0.5 O angenommen. b) Simulierte REAP-DOR-Kurven f2r ein Si-B2-Dreispinsystem. Der Winkel a, der von denbeiden Dipolvektoren aufgespannt wird, wurde zwischen 20 und 1808variiert.[67] Zur Berechnung der Evolutionskurven wurde das Simulati-onspaket SIMPSON verwendet.[68]

M. Jansen et al.Aufs�tze

4358 www.angewandte.de 2006 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Angew. Chem. 2006, 118, 4350 – 4370

Page 10: Der Weg zur Struktur amorpher Festkörper – eine Studie am Beispiel der Keramik Si3B3N7

reichweitigen Ordnung auch in Systemen mit Mehrspin-wechselwirkungen und Verteilungseffekten heranziehen,wenn man die Datenanalyse auf deren Anfangsverlauf be-schrnkt. Damit reduziert sich die Bestimmung der mittel-reichweitigen Ordnung mit dipolaren NMR-spektroskopi-schen Methoden auf die Aufklrung der zweiten Koordina-tionssphre eines zentralen Silicium- oder Boratoms alsAufatom. Nimmt man den Kernabstand (aus der Analyse derPCFs, siehe Abschnitt 2.2.1) als festen Parameter, erm�glichtdie Anwendung der dipolaren NMR-spektroskopischen Me-thoden die Ermittlung der Zahl der Silicium-/Boratome in derzweiten Koordinationssphre eines entsprechenden Atoms.

F0r die Experimente fand eine zu 100 % mit dem 29Si-Isotop angereicherte Si3B3N7-Probe Verwendung. Abbil-dung 10 fasst die Ergebnisse der 11B-{29Si}-REDOR-Experi-mente an dieser Probe zusammen.[69,70] Die Spektren zeigeneine sukzessive Reduktion der Intensitt des REDOR-Si-gnals relativ zum Referenzsignal mit zunehmender dipolarerEvolutionszeit. Die resultierende REDOR-Kurve (Abbil-dung 10b) lsst sich nun hinsichtlich der Zahl der Silicium-kerne in der zweiten Koordinationssphre eines zentralenBoratoms analysieren. Die Annahme einer einzelnen B···Si-Zweispinwechselwirkung mit einem Kernabstand von 2.74 N

liefert die blau gepunktete Kurve in Abbildung 10 b, die Si-mulation eines B-Si2-Dreispinsystems (r= 2.74 N, a= 608)f0hrt zu der gr0n gestrichelten Kurve. Offensichtlich ergibteine Dberlagerung beider Beitrge gemß 0.44 (BSi2) +

0.56 (BSi) eine befriedigende Anpassung des Anfangsverlaufsder REDOR-Daten (durchgezogene Linie in Abbil-dung 10b). Aus dieser Anpassung lsst sich eine mittlere Zahlvon 1.4 0.1 Siliciumatomen pro BN3-Einheit ableiten, d.h.,in Si3B3N7 ist ein Boratom (0ber die drei Stickstoffatome) mitdurchschnittlich 1.4 Siliciumatomen verkn0pft. Damit zeigtsich die Zahl der Si-Nachbarn pro BN3-Umgebung deutlichkleiner, als bei Vorliegen einer atomar homogenen Verteilungzu erwarten wre (d.h. 3.43 Si und 2.57 B pro BN3-Einheitsowie 4.57 Si und 3.43 B pro SiN4-Einheit).

Dieser Befund kann nun durch zwei weitere unabhngigeExperimente 0berpr0ft werden. Zum einen lsst sich miteinem 29Si-{11B}-REAPDOR-NMR-Experiment quasi inUmkehrung zum obigen 11B-{29Si}-REDOR-Ansatz die Zahlder Boratome um eine zentrale SiN4-Einheit ermitteln.REAPDOR bezeichnet dabei eine f0r Quadrupolkerne aufdem Dephasierungskanal optimierte Variante der REDOR-Spektroskopie. Die Ergebnisse dieses Experimentes sind inAbbildung 11 dargestellt.[67,70] In diesem Fall liefert die An-

passung eine mittlere Zahl von 1.8 0.2 Boratomen pro SiN4-Einheit, d.h., ein Siliciumatom ist (0ber Stickstoffatome) mitdurchschnittlich 1.8 Boratomen verkn0pft. Auch hier zeigtsich das Resultat nicht mit der Annahme einer atomar ho-mogenen Verteilung vertrglich und st0tzt somit die Ergeb-nisse des 11B-{29Si}-REDOR-Experiments.

Einen komplementren Zugang zur Aufklrung der mit-telreichweitigen Ordnung bietet die Ermittlung der Zahl derhomonuclearen 0bernchsten Nachbarn eines zentralen Bor-oder Siliciumatoms. Dies ist am einfachsten mit der statischenSpin-Echo-Spektroskopie m�glich, die f0r Spin-1=2-Kerne wie29Si quantitative Ergebnisse liefert. Der Spin-Echo-Zerfalllsst sich dabei im Allgemeinen mit einer Gauß-FunktionI/I0 = exp(�(2t)2M2/2) modellieren.[71] 2t gibt dabei die Evo-

Abbildung 10. a) 11B-{29Si}-REDOR-Spektren f2r Si3B3N7 als Funktionder Evolutionszeit NTR. Oben: 11B-MAS-Spin-Echo-Spektren; Mitte: 11B-{29Si}-REDOR-Spektren; unten: Differenzspektren. Die mit der Evoluti-onszeit zunehmende Abschw$chung der REDOR-Signalintensit$t ist of-fensichtlich.[69] b) Resultierende 11B-{29Si}-REDOR-Daten f2r Si3B3N7 (*)zusammen mit simulierten REDOR-Dephasierungskurven, die unterder Annahme einer einzigen B-Si-Dipolwechselwirkung (g) odereiner B-Si2-Dreispinwechselwirkung (a) berechnet wurden. In beidenSimulationen wurde ein Kernabstand von 2.74 O angenommen. Diedurchgezogene Linie (c) entspricht einer gewichteten Uberlagerungvon Zwei- und Dreispinwechselwirkungen gem$ß 0.44 (BSi2) +0.56 (BSi).

Abbildung 11. 29Si-{11B}-REAPDOR-Evolutionskurve (*) f2r Si3B3N7 undsimulierte REAPDOR-Evolutionskurven.[67] Experimentelle Details:nMAS=5 kHz, nRF(

11B)=89 kHz. Die gestrichelte Kurve (a) ergibtsich unter der Annahme einer einzigen Si-B-Dipolwechselwirkung, diegepunktete Kurve (g) bei Annahme einer Si-B2-Dreispinwechselwir-kung. Beide Simulationen wurden f2r einen B-Si-Kernabstand von2.74 O durchgef2hrt.

Amorphe Festk(rperAngewandte

Chemie

4359Angew. Chem. 2006, 118, 4350 – 4370 2006 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.angewandte.de

Page 11: Der Weg zur Struktur amorpher Festkörper – eine Studie am Beispiel der Keramik Si3B3N7

lutionszeit an, M2 bezeichnet das zweite Moment, das nachder Van-Vleck-Gleichung[72] [Gl. (3)] einen Zugriff auf die

M2 ¼35

�m0

4p

�2

gS4 SðSþ 1Þ�h2

Xi 6¼jrij

�6 ð3Þ

Kernabstnde rij erm�glicht (S= Spinquantenzahl). Wegender r�6-Abhngigkeit tragen die ersten beiden Koordinati-onssphren zu insgesamt 90–95 % zum gesamten zweitenMoment bei. Daher liefert eine Abschtzung vonM2 die Zahlder homonuclearen Nachbarn in der zweiten Koordinations-sphre und damit eine unabhngige Dberpr0fung der pr-sentierten REDOR- und REAPDOR-Ergebnisse.

Die Analyse der 29Si-Spin-Echo-Daten (Abbildung 12)f0hrt zu einemM2-Wert von 3.1 T 106 rad2 s�2. Legt man einen

Si-Si-Abstand von 2.98 N (aus den PCFs) zugrunde, so trgtjedes Si-Si-Paar in diesem Abstand 0.56 T 106 rad2 s�2 zumzweiten Moment bei. Somit ergeben sich nach dieser Rech-nung im Mittel 5.5 Siliciumatome in der zweiten Koordina-tionssphre eines zentralen Siliciumatoms. Dieser Befund istin Einklang mit den Resultaten der REAPDOR-Messungen:Mit ca. zwei Boratomen (nach den REAPDOR-Ergebnissen)und ca. sechs Siliciumatomen (nach den Spin-Echo-Experi-menten) sind alle acht freien Positionen der zweiten Koor-dinationssphre eines Siliciumatoms besetzt.

2.2.3. Langreichweitige Ordnung

Die Anwendbarkeit aller Interferenz-basierten Methodenzur strukturellen Charakterisierung amorpher Materialienbeschrnkt sich auf Lngenskalen von < 8 N, da die diesenMaterialien inhrente Verteilung von Bindungswinkeln und-lngen einen schnellen Abfall der Paarkorrelationsfunktio-nen bei gr�ßeren Abstnden nach sich zieht. Die dipolarenNMR-Methoden sind im Allgemeinen ebenfalls auf dieseLngenskala beschrnkt, sodass die Anwendung dieser Me-thoden zur Aufklrung von Strukturdetails jenseits von 8 Nkaum Erfolg verspricht. Gerade in diesem Lngenbereichtreten jedoch Effekte wie nanokristalline Ausscheidungenund Phasentrennungen in multinren Systemen auf, die dieMaterialeigenschaften ganz wesentlich beeinflussen. Abhilfe

schaffen hier direkt abbildende Methoden wie Rasterelek-tronenmikroskopie, Rasterkraftmikroskopie oder Transmis-sionselektronenmikroskopie unter Verwendung von Ener-giefilterung (Energy filtered TEM, EFTEM).[34] So wurdeEFTEM erfolgreich zur Charakterisierung der Titelverbin-dung eingesetzt. Abgesehen von den auf Elektronenstreuungbasierenden Paarkorrelationsfunktionen, die in den vorheri-gen Abschnitten vorgestellt wurden und zur Aufklrung derkurz- und mittelreichweitigen Ordnung beitrugen, liefernTEM-Untersuchungen Elementverteilungskarten von Si, Bund N in einer lateralen Aufl�sung von 0.7 nm. Abbildung 13

zeigt das EELS-Spektrum von Si3B3N7 im Bereich der B-K-Kante. Mithilfe eines abbildenden Energiefilters am TEMkann ein Energiefenster aus dem EELS-Spektrum ausge-whlt werden und ein Bild der rumlichen Intensittsvertei-lung der in dieses Fenster inelastisch gestreuten Elektronenerzeugt werden. Normalerweise werden drei solcher Bildergeneriert: Zwei Bilder f0r Energien unterhalb der Ionisie-rungsenergie des ausgewhlten Elements (pre-edge images),die zur Berechnung des Hintergrunds dienen, sowie ein Bildoberhalb der Ionisationskante (post-edge image; siehe graueBereiche in Abbildung 13). Nachdem der Hintergrund Pixelf0r Pixel vom post-edge image subtrahiert worden ist, r0hrtdie verbleibende Elektronenintensitt vom Zielelement her.Somit lsst sich nun die Verteilung dieses Elements qualitativals eine Karte darstellen, wobei die jeweilige Konzentrationdes Elements 0ber die einzelnen Pixel dieser Elementkartequantitativ erschlossen werden kann. Die Elementvertei-lungskarten (in lateraler Aufl�sung von 0.7 nm) von Bor, Si-licium und Stickstoff f0r eine Si3B3N7-Probe sind in Abbil-dung 14 zusammen mit einer Hellfeldaufnahme desselbenProbenbereichs wiedergegeben.[34] Die Elementverteilungs-karten zeigen f0r alle beteiligten Elemente homogene Ver-teilungen, insbesondere sind keine Anzeichen f0r Clusterungoder Phasentrennung zu erkennen. Es muss jedoch ber0ck-sichtigt werden, dass die Probendicke von ca. 5 nm Projekti-onseffekte hervorrufen k�nnte. Mit einer solchen Proben-dicke wre die vertikale Aufl�sung ungefhr um den Faktor

Abbildung 12. 29Si-Spin-Echo-NMR. Die Kreise (*) stellen die Intensit$tdes Spin-Echo-Signals in Abh$ngigkeit von der Echozeit 2t dar.[67] DieLinie (c) entspricht einer Anpassung, aus der sichM2=3.1V106 rad2s�2 ergibt.

Abbildung 13. EELS-Spektrum (Intensit$t I gegen Energieverlust E) vonSi3B3N7. Gezeigt ist der Bereich um die Bor-K-Kante. Der extrapolierteHintergrund wird von dem Nachkantenbild abgezogen, um ein Maßf2r die Bor-Konzentration zu erhalten.[34]

M. Jansen et al.Aufs�tze

4360 www.angewandte.de 2006 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Angew. Chem. 2006, 118, 4350 – 4370

Page 12: Der Weg zur Struktur amorpher Festkörper – eine Studie am Beispiel der Keramik Si3B3N7

sieben geringer als die Lateralaufl�sung, was die Aufdeckungeiner m�glichen Phasentrennung durch besagte Projektions-effekte verhindern w0rde.[73]

Die makroskopische Ordnung der Titelverbindung wurdeauch 0ber eine Dichtebestimmung mit einem He-Pyknometercharakterisiert, wobei die Dichte zu 1.899 gcm�3 bestimmtwurde.

2.3. Die Struktur von Si3B3N7 aus experimenteller Sicht

In diesem Abschnitt sollen die experimentellen Befundef0r Si3B3N7 bez0glich der kurz- und mittelreichweitigenOrdnung noch einmal zusammengefasst werden. Mithilfe vonXANES, Beugungstechniken und MAS-NMR-Spektroskopiewurden tetraedrische SiN4- und trigonal-planare BN3- sowieNB3�xSix-Einheiten als diejenigen Polyeder identifiziert, diedie kurzreichweitige Ordnung in der Titelverbindung domi-nieren (Abbildung 15). Lokale Deformationen scheinen sichin den N-Si-N-Bindungswinkeln zu akkumulieren. Die Ver-kn0pfung dieser Grundbausteine zum ausgedehnten dreidi-mensionalen Netzwerk ließ sich mithilfe der dipolaren NMR-spektroskopischen Methoden und der Analyse der Paarkor-relationsfunktionen studieren. Die Si-N-B-Verkn0pfungen,die sich unter Verwendung von Isotopenkontrasttechnikenaus den Neutronen-Paarkorrelationsfunktionen identifizie-ren ließen, wurden mithilfe der 11B-{29Si}-REDOR-, 29Si-{11B}-REAPDOR- sowie der 29Si-Spin-Echo-NMR-Spektroskopiebesttigt und quantifiziert. Die Resultate deuten auf eineteilweise Trennung der Bor- und Siliciumatome auf mittlerenLngenskalen hin, wie in Abbildung 15 d,e skizziert. Nachden Ergebnissen der NMR-spektroskopischen Untersuchun-gen ist ein zentrales Bor-Aufatom von vier bis f0nf Bor-[67] und

nur ein bis zwei Siliciumatomen in der zweiten Koordinati-onssphre umgeben. Gleichermaßen findet sich ein Silicium-atom (0ber die vier Stickstoffatome in der ersten Koordina-tionssphre) im Mittel mit sechs Silicium- und zwei Bor-atomen als 0bernchsten Nachbarn verkn0pft. Diese Struk-turfragmente auf kurzen und mittleren Lngenskalen bildennun eine Basis und einen Pr0fstand f0r die Modellierungen,die im nchsten Abschnitt beschrieben werden.

3. Theorie

F0r sich allein genommen reichen die experimentellenDaten nicht aus, ein komplettes Strukturmodell von a-Si3B3N7

abzuleiten. Hierf0r ist eine rechnerische Modellierung erfor-derlich.

3.1. .berblick �ber die Modellierungsverfahren

Da es zu Beginn der Untersuchungen nicht abzusehenwar, ob und inwieweit der tatschliche Syntheseweg Einflussauf Struktur und Eigenschaften von a-Si3B3N7 hat, wurdenf0nf Klassen von a-Si3B3N7-Modellen (A–E) auf unter-schiedlichen Wegen generiert:[74]

A: Abschrecken aus der Schmelze,B: Sintern aus Sub-Nanometer großen Kristalliten,[75]

C: Aufbau von a-Si3B3N7-Clustern nach einem von Glad-den[76] entwickelten und von Wefing[77] adaptierten Ver-fahren mit anschließender Sinterung dieser Cluster,

D: ungeordnete Atomstrahlabscheidung, modelliert mithilfeeines Algorithmus zur Generierung zuflliger dichterKugelpackungen,[78]

E: der tatschliche, relativ aufwndige Weg 0ber die Poly-merisierung von Einkomponentenvostufen, hnlicheinem Sol-Gel-Verfahren.[79, 80]

Alle Modelle der Klassen A–E umfassten 700–1300Atome. Der Simulations-/Relaxations-Teil der Modellierungwurde im Rahmen sowohl von Molek0ldynamik- als auch vonMonte-Carlo-Simulationen bei konstantem Volumen bzw.Druck durchgef0hrt. Bei Modellen der Klasse A bestanden

Abbildung 14. a) Hellfeld-Bild von Si3B3N7. b)–d) Elementverteilungenvon Si (b), B (c) und N (d) f2r denselben Bereich.[34] Die L$ngenskalaist in allen Abbildungen 5 nm.

Abbildung 15. Experimentell identifizierte Netzwerkfragmente ina-Si3B3N7. a)–c) Lokale Netzwerkpolyeder SiN4, BN3 und NB3�xSix;d), e) ausgedehnte Netzwerkfragmente im Einklang mit den dipolarenNMR-Experimenten; Si rot, B blau, N gr2n.

Amorphe Festk(rperAngewandte

Chemie

4361Angew. Chem. 2006, 118, 4350 – 4370 2006 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.angewandte.de

Page 13: Der Weg zur Struktur amorpher Festkörper – eine Studie am Beispiel der Keramik Si3B3N7

die Anfangskonfigurationen aus gut quilibrierten Schmel-zen, bei Modellen der Klasse B war der Ausgangspunkt eineMischung von BN- und Si3N4-Nanokristalliten, und die zusinternden Cluster (Klasse C) wurden durch die zitierten„build-up/build-down“-Algorithmen erzeugt. Schließlichwurden die Anfangskonfigurationen der Klasse D durch eineoptimale Platzierung der Si- und B-Atome in die L0cken vondichten Zufallspackungen der Stickstoffatome generiert.

Die experimentell untersuchten Proben von a-Si3B3N7

waren 0ber die Vorstufenroute synthetisiert worden. Wirbeschreiben in der Folge kurz die Schritte, die wir bei derModellierung (E) dieses Syntheseweges vorgenommen haben– Details k�nnen Lit. [79,80] entnommen werden. Zunchstbefinden sich die Vorstufenmolek0le mit einem DberschussNH3 in L�sung; die „Reaktionsgeschwindigkeit“ der Mole-k0le hngt von der Zahl der verf0gbaren reaktiven Stellenpro Molek0l und ihrer Konzentration in der L�sung ab. Nachder Verkn0pfung mehrerer Vorstufenmolek0le zu einemgr�ßeren Aggregat wird sich das entstandene Oligomer imMittel viel langsamer bewegen als die noch verbliebenenVorstufen- und NH3-Molek0le. Somit k�nnen die Oligomereals im Wesentlichen stationr angesehen werden und fungie-ren damit als Kondensationszentren f0r die noch mobilenReaktanten. Dies erm�glicht uns die Modellierung dieserletzten Phase der Polymerisation in Form eines Vielfach-kondensationsprozesses individueller Oligomere und Mono-mere. Am Ende dieses Stadiums werden viele isolierte Oli-gomere vorliegen, die sich nun langsam zum Polymer ver-netzen. Diese Entwicklung wird modelliert, indem man dieOligomere statistisch verteilt auf ein Gitter positioniert undihren Durchschnittsabstand schrumpfen lsst, bis sie mitein-ander in Wechselwirkung treten und Bindungen bildenk�nnen. Der abschließende Pyrolyseschritt vom Polymer zurKeramik wird durch eine Monte-Carlo-Simulation bei T=1200 K simuliert. Zwar bleibt diese Temperatur weit unter-halb der berechneten Schmelztemperatur des Systems(TSchmp.(Si3B3N7

krist.)� 2500 K und TSchmp.(Si3B3N7amorph)�

2000 K), unter diesen Bedingungen rekombinieren allerdingsdie meisten der noch vorhandenen gebrochenen („dangling“)Bindungen des Polymers.

F0r jeden der Flle A–E wurden Rohmodelle erzeugt, dieanschließend unter Einsatz von Monte-Carlo- und konju-gierten Gradienten-Methoden bei konstantem Volumen bzw.Druck energieminimiert wurden. Wir haben hierbei ein em-pirisches Potential aus der Literatur[81] verwendet, das ausAb-initio-Rechnungen an molekularen Fragmenten sowie ausStruktur- und Elastizittsdaten der binren VerbindungenSi3N4 und BN abgleitet worden war. Schließlich haben wir dieerzeugten Strukturen jeweils hinsichtlich der radialen Paar-korrelations- und Winkelverteilungsfunktionen, der mittlerenKoordinationszahlen innerhalb der ersten und zweitenNachbarsphren um die Atome und der Ringstatistik analy-siert. Ein direkter Vergleich kann dann mit der gemessenenPCF und den ersten und zweiten Koordinationssphren er-folgen. Aus den experimentellen Daten ist der Zugriff auf dieWinkelverteilungen allerdings nur indirekt m�glich; gleichesgilt f0r die dritte Nachbarsphre sowie f0r die Ringgr�ßenund -verteilungen. In Abschnitt 3.2 werden die Strukturei-genschaften der Modelle kurz beschrieben sowie ihre Qhn-

lichkeiten und Unterschiede diskutiert, sowohl in Bezugaufeinander als auch bez0glich der experimentellen Daten.

3.2. Struktureigenschaften der Modelle der f�nf Klassen3.2.1. Paarkorrelationsfunktionen

Abbildung 16 zeigt einen Vergleich der berechneten undexperimentell bestimmten Neutronen(N)- und R�ntgen(X)-Paarkorrelationsfunktionen DN/X(R). Alle aus den Modellen

Abbildung 16. Vergleich von R/ntgen- (a) und Neutronen-PCFs (b) mitden f2r die f2nf Modellklassen A (Schmelze), B (Nanokristallit), C(Molecular Modeling), D (dichte Zufallspackung) und E (Sol-Gel-Ver-fahren) berechneten PCFs.[74] c: experimentelle Daten; c: ausdem jeweiligen Modell abgeleitete Kurve.

M. Jansen et al.Aufs�tze

4362 www.angewandte.de 2006 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Angew. Chem. 2006, 118, 4350 – 4370

Page 14: Der Weg zur Struktur amorpher Festkörper – eine Studie am Beispiel der Keramik Si3B3N7

bestimmten Funktionen stimmen in ihrem allgemeinen Ver-lauf mit den experimentellen Funktionen 0berein. Wie ausTabelle 3 ersichtlich, k�nnen nun den Peaks in den experi-mentellen PCFs individuelle Atomabstnde gemß den Mo-

dellen zugeordnet werden (siehe auch Abbildung 17). Diebeste quantitative Dbereinstimmung wurde dabei f0r dasKristallfragment- (Klasse B) und das Sol-Gel-Modell (KlasseE) erhalten.

Anhand der computergenerierten Strukturmodelle lassensich Eigenschaften der amorphen Struktur analysieren, dieexperimentell nicht direkt zugnglich sind. Dies erm�glicht esz. B., die Interpretation der experimentellen PCFs abzusi-chern und zu erweitern. Die f0r die Modelle A und B be-rechneten partiellen Paarkorrelationsfunktionen DAB

N=X(R) f0rNeutronen- und R�ntgenstreuexperimente sind in Abbil-dung 17 dargestellt. Die Zuordnung der ersten Peaks undSchultern bis etwa 3.1 N stimmt mit der in Tabelle 3 0berein,die allein nach Abstandskriterien vorgenommen wurde. Dieflachen Maxima zwischen etwa 3.8 und 4.2 N in der experi-mentellen Paarkorrelationsfunktion (Abbildungen 16 und17) k�nnen jetzt mit den Abstnden eines Bor- oder Silici-umatoms zum drittnchsten Nachbarstickstoffatom in Ver-bindung gebracht werden, desgleichen die Oszillationen beica. 5.0–5.5 N mit N-N- und Si-N-Abstnden (Tabelle 3).Weiterhin resultieren kleine Peaks in den B-B-, Si-B-, Si-Si-und N-(Si/B)-N-partiellen Paarkorrelationsfunktionen bei ca.2.05, 2.2 und 2.6 N, die auf kantenverkn0pfte Polyeder hin-weisen. Diese Details sind in den experimentellen Paarkor-relationsfunktionen nur andeutungsweise zu erkennen.

3.2.2. Lokale Koordination und Winkelverteilungsfunktionen

Aus der Verteilung der Koordinationszahlen in den opti-mierten Modellen ergibt sich f0r Silicium vorwiegend Vier,f0r Bor und Stickstoff Drei als (bevorzugte) Koordinations-zahl. Dabei ist die Streuung um den Mittelwert bei Siliciumgr�ßer als bei Bor. Dies gilt f0r alle Modellklassen. Unter-

schiede zwischen den Modellen verschiedener Klassen kannman in der Verteilung der Stickstoff-KoordinationssphrenNB3�xSix erkennen. Diese Verteilung von NB3�xSix-Einheitenzeigt f0r die Modelle der Klassen A, C und D eine Prferenzf0r NB1Si2- und NB2Si1-Einheiten, wohingegen die Modelleder Klassen B und E einen h�heren Anteil an NSi3- und NB3-Einheiten enthalten.

Qhnlich wie die in Abschnitt 3.2.3 diskutierten Ringgr�-ßenverteilungen sind die Winkelverteilungsfunktionen f0rcomputergenerierte Modelle einfach zu berechnen, whrendsie experimentell nicht direkt zugnglich sind. Die Kenntnisdieser Verteilungsfunktionen kann uns demnach bei der In-

Tabelle 3: Peaklagen in den experimentellen Paarkorrelationsfunktionenvon a-Si3B3N7 und die entsprechenden Atomabst$nde, die sich aus denModellen ergeben.[a]

Peak(Experiment)

Paare/Abst$nde (Modelle)[b]

1.43 B-N (I) 1.431.72 Si-N (I) 1.722.5 N-N (I) 2.50, B-B (I) 2.502.8 N-N (II) 2.71, Si-B (I) 2.753.0 B-N (II) 2.90, Si-Si (I) 3.0, Si-N (II) 3.13.8 B-N (III) 3.804.2 Si-N (III) 4.20, B-B (II) 4.255.0–5.5 N-N (III) 5.2, B-B (III) 5.0, B-N (IV) 5.2, Si-Si (II) 5.5

[a] Die angegebenen experimentellen Daten sind die Mittelwerte 2ber dieMaxima der Konturen, die in den mit R/ntgen-, Neutronen- und Elek-tronenstreuung bestimmten PCFs sichtbar sind.[41] [b] Durchschnitte derinteratomaren Abst$nde der Modelle A–E. Alle Abst$nde sind in Ong-str/m angegeben. R/mische Ziffern werden zur Nummerierung vonAtomelementpaaren verwendet, die zu mehr als einem Peak in der ex-perimentellen Paarkorrelationsfunktion beitragen.

Abbildung 17. Vergleich von R/ntgen- (a) und Neutronen-partiellen (b)Paarkorrelationsfunktionen DAB

N=X(R), die f2r die Modelle der Klassen A(blau) and B (rot) berechnet wurden.[74]

Amorphe Festk(rperAngewandte

Chemie

4363Angew. Chem. 2006, 118, 4350 – 4370 2006 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.angewandte.de

Page 15: Der Weg zur Struktur amorpher Festkörper – eine Studie am Beispiel der Keramik Si3B3N7

terpretation subtilerer Aspekte der experimentellen Datenhelfen. Wie aus Abbildung 18 zu ersehen, entsprechen dieMaxima der Verteilungsfunktionen f0r die N-Si-N-, N-B-N-und (B/Si)-N-(B/Si)-Winkel bei allen Modellen den f0r einetetraedrische bzw. trigonale Koordination erwarteten. AlleModelle zeigen in den N-Si-N- und speziell in den (B/Si)-N-(B/Si)-Verteilungen ein kleines Maximum um 908. Diesstimmt mit der Beobachtung 0berein, wonach in allen Mo-dellen eine gewisse Menge kantenverkn0pfter SiN4-Tetraederund BN3-Dreiecke vorkommt. Die interatomaren Abstnded90(X-Y), mit X,Y= Si oder B, die zu diesen 908-Winkelngeh�ren, betragen d90(B-B)� 2.02 N, d90(Si-B)� 2.23 N undd90(Si-Si)� 2.44 N. Da diese Werte nahe bei anderen hufigauftretenden interatomaren Abstnden liegen, werden siesich in den integralen experimentellen Paarkorrelations-funktionen allenfalls als kleine Schultern gr�ßerer Peaks be-merkbar machen.

3.2.3. Zweite Koordinationssph�ren und Ringstatistik

Whrend alle Modelle in der ersten Koordinationssphresowohl f0r die Abstnde als auch f0r die Winkel jeweilshnliche Verteilungen aufweisen, unterscheiden sich dieModellklassen deutlich in der zweiten Koordinationssphre(Kation-Kation). Die Modelle der Klassen B und E enthaltenmehr Si-Si- und B-B-Kontakte der 0bernchsten Nachbarnals alle anderen Modelle und stimmen somit am besten mitdem Experiment 0berein. Ein Vergleich der Ringgr�ßenver-teilungen der verschiedenen Modelle (Tabelle 4) zeigt, dassca. 5–7% Vierringe (Si2N2, B2N2 und SiBN2) in Modellen derKlassen A–C und ca. 8–10% in den Klassen D und E vor-liegen. Die Vierringe k�nnen mit kleinen Maxima um 908 inden Winkelverteilungsfunktionen sowie Schultern in denpartiellen Paarkorrelationsfunktionen in Verbindung ge-bracht werden. Bei der Zusammensetzung viergliedriger

Abbildung 18. Verteilungsfunktionen der Winkel N-Si-N (a), N-B-N (b)und X-N-Y (c), wobei X,Y=Si,B sind, f2r die f2nf Modellklassen A(Schmelze), B (Nanokristallit), C (Molecular Modeling), D (dichte Zu-fallspackung) und E (Sol-Gel-Verfahren). Vertikale gestrichelte Linien:erwartete Maxima.

M. Jansen et al.Aufs�tze

4364 www.angewandte.de 2006 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Angew. Chem. 2006, 118, 4350 – 4370

Page 16: Der Weg zur Struktur amorpher Festkörper – eine Studie am Beispiel der Keramik Si3B3N7

Ringe kann keine Prferenz f0r Kantenverkn0pfung zwi-schen zwei SiN4-Tetraedern gegen0ber einer Verkn0pfungzwischen einem SiN4-Tetraeder und einem BN3-Dreieck be-obachtet werden. Der h�chste Anteil an sechsgliedrigenRingen kommt in den Kristallfragment-basierten Modellen(B) vor, die anfangs in der Startkonfiguration eine große Zahlan Borazin- (B3N3) und Si3N3-Ringen enthalten, und zwar zuje 40%. Ein wesentlicher Teil der Anfangsstruktur ist alsowhrend des „Sinterns“ unverndert geblieben. In den Mo-dellen der Klassen A, C und D dagegen liegen bezogen aufdie Kationen vorwiegend gemischte Sechsringe vor; nur dieModelle der Klasse E weisen einen erh�hten Anteil an Bor-azinringen auf.

3.2.4. Strukturunterschiede zwischen den Modellklassen

Die Strukturunterschiede zwischen den Modellklassentreten besonders deutlich in der zweiten Koordinationssphre(B-B, Si-B und Si-Si in den partiellen Paarkorrelationsfunk-tionen) zutage (Abbildung 17). Die Modelle der Klasse A(Schmelzmodell, blaue Kurven) enthalten beispielsweisemehr Si-B- und weniger B-B- und Si-Si-Paare bei 0ber-nchsten Nachbarn als die Modelle der Klasse B. Eine Hu-fung von homoatomaren B-B- und Si-Si-Kontakten bei0bernchsten Nachbarn entspricht Konzentrationsschwan-kungen im Sub-Nanometerbereich. Dies ist auch in denDarstellungen kompletter Strukturmodelle der Klassen Aund E in Abbildung 19 gut erkennbar. Bezogen auf diezweiten Koordinationssphren hnelt Klasse E der Klasse B,whrend die Klassen C und D der Klasse A entsprechen.Diese Aufteilung der Modelle in zwei Gruppen ist auch auf-grund der Ringgr�ßenverteilung berechtigt, da die Modelle Bund E einen erh�hten Anteil an Borazinringen aufweisen.Die alternierende Abfolge der Kationen in den aus derSchmelze erzeugten Strukturmodellen erinnert an die empi-rische L�wenstein-Regel.[82] Danach sollte das real verf0g-bare, 0ber den Sol-Gel-Prozess hergestellte a-Si3B3N7 wenigerstabil sein als eine hypothetische, durch Abschrecken einerSchmelze erzeugte Keramik. Im Einklang mit einer solchenVermutung ist die durchschnittliche Energie von Modellender Klasse A niedriger als die von Modellen der Klasse E(siehe Abschnitt 3.3 unten).

Die hier er�rterten Unterschiede in den Paarvertei-lungsfunktionen zwischen den jeweiligen Modellklassen sindgr�ßer als die Breite der entsprechenden Verteilungen in-nerhalb einer Klasse (Tabelle 5). Demnach sollte es m�glichsein, amorphe Modifikationen von Si3B3N7 zu unterscheiden,wenn erst einmal ihre Synthese auf den jeweiligen, unter-schiedlichen Synthesewegen realisiert werden konnte.

Tabelle 4: Anteil von n-gliedrigen Ringen in den Modellklassen A–E.[a]

Vierringe Sechsringe Achtringe

A 0.05 0.28 [0.01] 0.39B 0.06 0.41 [0.35] 0.32C 0.07 0.27 [0.02] 0.37D 0.10 0.24 [0.06] 0.36E 0.08 0.28 [0.11] 0.31

[a] Der relative Anteil von Borazinringen ist in Klammern angegeben.

Abbildung 19. Modelle der Struktur von a-Si3B3N7 f2r die Klassen A (a)und E (b), die durch das Abschrecken einer Si3B3N7-Schmelze bzw.durch Nachstellen der Sol-Gel-Route generiert wurden. Die Kationen-verteilung im Modell der Klasse A ist homogen, im Modell der KlasseE heterogen. Die Strukturen sind als Kugelmodelle dargestellt, wobeidie roten, blauen und gr2nen Kugeln den Si-, B- bzw. N-Atomen ent-sprechen. Die abgebildeten Modelle haben eine Kantenl$nge von ca.4.5 nm.

Tabelle 5: Breite der Verteilung in den aus Neutronenstreuung gewon-nenen Paarkorrelationsfunktionen DYYDN(R) und DYZDN(R) der Modelleaus den Klassen Y,Z=A–E.[a]

A B C D E

A 0.15 0.38 0.32 0.17 0.93B 0.38 0.09 0.44 0.30 0.60C 0.32 0.44 0.20 0.25 0.81D 0.17 0.30 0.25 0.18 0.71E 0.93 0.60 0.81 0.71 0.13

[a] Die Breite der internen Verteilung in den PaarkorrelationsfunktionenDDY(R) innerhalb einer Klasse Y, die nY Einzelmodelle enth$lt, ist

DYY(DY(R))= (1/NR)

PNR

i¼1

PnYm¼1

[Dm(Ri)�hDY(Ri)i]2. Dabei ist hDY(Ri)i=(1/nY)

PnYm¼1

Dm(Ri) der Mittelwert der Paarkorrelationsfunktion bei dem

Abstand Ri und Dm(Ri) der Wert der Paarkorrelationsfunktion bei Ri desModells m aus der Klasse Y. NR ist die Zahl der ber2cksichtigten Ab-st$nde Ri. Um die Paarkorrelationsfunktionen von Modellen, die zuverschiedenenen Klassen Yund Z geh/ren, zu vergleichen, berechnen wir

DYZD(R)= (1/NR)PNR

i¼1[hDY(Ri)i�hDZ(Ri)i]2.

Amorphe Festk(rperAngewandte

Chemie

4365Angew. Chem. 2006, 118, 4350 – 4370 2006 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.angewandte.de

Page 17: Der Weg zur Struktur amorpher Festkörper – eine Studie am Beispiel der Keramik Si3B3N7

3.3. Dichte und Stabilit�t der Hohlr�ume

Die makroskopische Dichte ist eine weitere Gr�ße, dieeinen Vergleich der Modellklassen mit dem Experiment er-m�glicht. Sie ist eine besondere Herausforderung an dieModellierung, da die Dichte entscheidend von der Gestalt desNetzwerks im Lngenbereich von 0.5–2 nm abhngt. Geradedieser Bereich ist allerdings dem Experiment fast unzugng-lich, sieht man von Kleinwinkelr�ntgenbeugung oder Neu-tronenbeugung unter sehr g0nstigen Bedingungen ab. Esfehlen daher f0r die Modellierung wichtige Informationen,z. B., ob in a-Si3B3N7 kleine (1� 0.5–2 nm) stabile Hohlru-me enthalten sind. Die f0r die verschiedenen Modelle be-rechneten Dichten sind in Abbildung 20 dargestellt.[74] Die

beste Dbereinstimmung mit dem Experiment zeigen wiederdas Kristallfragment-Modell (Klasse B) und insbesondere dasSol-Gel-Modell (Klasse E). Subtrahiert man jedoch das Vo-lumen der Hohlrume vom Gesamtvolumen des jeweiligenModells, weisen die verbleibenden (hohlraumfreien) Berei-che der Modelle in allen Fllen (Klassen A–E) eine Dichtevon 1dicht � 2.5–2.8 gcm�3 auf. Dieser Wert passt sehr gut zuden Dichten der hypothetischen kristallinen ternren Ver-bindungen (1krist. � 2.9 gcm�3)[7, 83] sowie zu dem entsprechendgewichteten Durchschnitt der experimentellen Dichten vonkristallinem h-BN und b-Si3N4 (1� 2.75 gcm�3). Diese Be-trachtung legt nahe, dass der Grund f0r die 0berraschendniedrige Dichte von a-Si3B3N7 das Vorhandensein stabilerHohlrume (Kfige) mit Radien zwischen 3 und 10 N ist.

Nun wird die Struktur von realem a-Si3B3N7 bedingt durchden beschrittenen Syntheseweg viele Fehlstellen und -ver-kn0pfungen aufweisen, was auch die Bildung von Hohlru-men unterschiedlicher Gr�ße erwarten lsst. Die gute Dber-einstimmung der Dichte der Sol-Gel-Modelle mit dem Ex-periment ist daher in sich konsistent und rechtfertigt dasVertrauen in diese Klasse von Modellen. Gemß der Auf-tragung der Dichte gegen die potentielle Energie von Mo-dellen aller Klassen (A–E) in Abbildung 20 ist die Energiedes Modells jeweils umso niedriger, je h�her seine Dichte ist.Dies unterstreicht erneut, wie wichtig es ist, die Details desSyntheseweges bei der Modellierung von a-Si3B3N7 zu be-

r0cksichtigen – der Ansatz, einfach die Konfiguration desamorphen Stoffes mit der niedrigsten Energie zu suchen,w0rde das Ziel verfehlen und Strukturen mit viel zu hoherDichte generieren!

Die Verteilung der Hohlraumgr�ßen der Modelle derKlassen A und E des Si3B3N7 ist in Abbildung 21 darge-stellt.[84] Beide Strukturen weisen kleine L�cher im Bereich

unterhalb 2 N auf, welche die allgemeinen Packungsein-schrnkungen der SiN4-Polyeder und der BN3-Dreiecke in-nerhalb des kovalenten Netzwerks widerspiegeln. In dieserHinsicht hneln beide der (hypothetischen) kristallinen Ver-bindung,[7] die naturgemß eine sehr enge Gr�ßenverteilungder L0cken zeigt. Zugleich enthalten jedoch die Konfigura-tionen, die 0ber den Sol-Gel-Weg erzeugt wurden, viele ver-gleichsweise große Hohlrume mit Radien bis 7 N. Tempern(in silico) bei niedrigen Temperaturen 0ber einen langenZeitraum f0hrt sowohl innerhalb der abgeschrecktenSchmelze als auch in den Sol-Gel-Modellen zu einer redis-tributiven Vergr�berung. Allerdings sind die Effekte nichtsehr groß, und man stellt keine maßgebliche Qnderung in derGesamtdichte fest. Wenn dagegen ein Kristallfragment- oderein Sol-Gel-Modell bei konstantem Druck 0ber dieSchmelztemperatur erhitzt wurde, vergr�ßerte sich seineDichte wegen der Eliminierung gr�ßerer Hohlrume von 2.2bzw. 1.9 gcm�3 auf 2.6 gcm�3. Dies zeigt erneut, dass dasAbschrecken aus der Schmelze thermodynamisch stabilereModelle erzeugt als z. B. die Polymerroute. Whrend derSynthese nach der Polymerroute bleibt das System immerweit unterhalb der Schmelztemperatur. Diese großen Hohl-rume sollten daher (bis hinauf zu etwa 1500 K) relativ stabilsein.

Eine Untersuchung der Stabilitt von Hohlrumen ineinem System aus 5200 Atomen mit einer Anfangsdichte von1= 1.9 gcm�3 bei Temperaturen unterhalb des Schmelz-punktes ergab eine langsame Verdichtung des Systems.[84] DieDichte wuchs logarithmisch mit der Zeit an, wobei gr�ßereHohlrume stabiler waren als kleinere. Demnach sollten diegroßen Hohlrume im Innern von a-Si3B3N7 bis zu einerTemperatur von etwa 1500 K weitgehend stabil bleiben. Diegleiche Zeitabhngigkeit tritt auch bei der sehr langsamenAbsenkung der Energie whrend des Alterungsprozesses auf,wie im Rahmen von Langzeitsimulationen f0r a-Si3B3N7 beiTemperaturen unterhalb des Schmelzpunktes beobachtetwurde.[85] Das Verhalten des nanopor�sen Materials unter

Abbildung 20. Auftragung der Dichte 1 gegen die Energiedifferenz DE(zwischen dem jeweiligen Modell und der hypothetischen tern$renkristallinen Verbindung Si3B3N7

[7]) f2r Modelle der f2nf Klassen A(Schmelze), B (Nanokristallit), C (Molecular Modeling), D (dichte Zu-fallspackung) und E (Sol-Gel-Verfahren).[74]

Abbildung 21. Verteilung der Hohlraumgr/ßen f2r Modelle der KlassenA (Schmelze) und E (Sol-Gel). Die Verteilungen sind auf das Gesamt-volumen der Hohlr$ume in den Modellen normiert.

M. Jansen et al.Aufs�tze

4366 www.angewandte.de 2006 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Angew. Chem. 2006, 118, 4350 – 4370

Page 18: Der Weg zur Struktur amorpher Festkörper – eine Studie am Beispiel der Keramik Si3B3N7

hohem Druck[84] k�nnte bedeutende Auswirkungen auf seinAnwendungspotenzial haben. Simulationen mit konstantemDruck (1–50 GPa) bei 300 K zeigen, dass sich das Systemstark verdichtet, wobei ein Großteil dieser Verdichtung nichtreversibel ist. F0r Maximaldr0cke 0ber 15 GPa wird nachEntlastung auf Normaldruck ein Sttigungswert f0r dieDichte von ca. 2.8–3.0 gcm�3 beobachtet. Bei einer Tempe-ratur von 1500 K findet eine sehr viel schnellere Verdichtungauf ca. 2.8 gcm�3 statt, und zwar f0r alle Dr0cke oberhalb von1 GPa.[86]

3.4. Volumeneigenschaften

Steht ein zuverlssiges Strukturmodell zur Verf0gung, sok�nnen die physikalischen Eigenschaften der Verbindungberechnet werden. Ein kurzer Dberblick 0ber verschiedeneEigenschaften von a-Si3B3N7 wird in diesem Abschnitt pr-sentiert. Die Berechnung der PhononenzustandsdichteVDOS(n)[74, 89] (Abbildung 22) und der Kompressibilittsmo-duln B der Modelle[74] (B lag im Bereich von 70 bis 180 GPa)erfolgte mit dem GULP-Programm.[88] Die allgemeine Formder VDOS mit Maxima um etwa 1500 und 1000 cm�1, diewahrscheinlich den B-N- bzw. Si-N-Streckschwingungen zu-zuordnen sind,[90] bleibt bei allen Modellen gleich. DieSchallgeschwindigkeit vs kann aus der Ausbreitungsge-schwindigkeit eines Wrmepulses[92] abgeschtzt werden;daraus ergibt sich vs � 3–4 T 103 ms�1 f0r a-Si3B3N7.

[93] DieserWert liegt im Bereich der Schallgeschwindigkeiten, die manbei Experimenten an kristallinem b-Si3N4 (vs � 1.1 T 103 ms�1)

und h-BN (vs � 7 T 103 ms�1) gefunden hat. Die Wrmeleit-fhigkeit lsst sich berechnen, indem man in der Simulationeinen stationren Wrmefluss durch das System erzeugt;[92]

wir finden eine Wrmeleitfhigkeit von k� 4 Wm�1 K�1 f0ra-Si3B3N7,

[93] die nur eine geringe Temperaturabhngigkeitaufweist. Da die aus dem Experiment bestimmte Leitfhig-keit typischerweise um einen Faktor 3–5 gr�ßer als diejenigeaus den Simulationen ist,[92,93] sollte der tatschliche Wert f0ra-Si3B3N7 bei k� 15 W m�1 K�1 liegen.

Ein metastabiles Phasendiagramm[89,94] f0r das SystemSi3B3N7 wurde aus Monte-Carlo-Simulationsrechnungen 0berlange Zeitintervalle 0ber einen großen Temperatur- und Vo-lumenbereich eines Ensembles aus 702 Atomen abgeleitet.Wir sprechen von einem „metastabilen Diagramm“, da imfesten Zustand die energetisch niedrigste Phase einer ge-wichteten Mischung von b-Si3N4 und h-BN entspricht, gefolgtvon den ternren kristallinen Modifikationen[7, 83] von Si3B3N7.Bei sehr kleinen Kristalliten verliert die polykristalline Mi-schung aus b-Si3N4 und h-BN nat0rlich an Stabilitt gegen-0ber der amorphen Phase; der kritische Durchmesser daf0rbetrgt dkrit. � 30 N.[89,94] Dieses Ergebnis erklrt den Fehl-schlag des Versuchs, a-Si3B3N7 durch Sintern einer Mischungaus BN- und Si3N4-Mikrokristalliten (Durchmesser ca.500 nm) zu synthetisieren.[23] Aus einem Vergleich der ent-sprechenden freien Energien lsst sich zudem grob derDruck abschtzen, der zur Unterdr0ckung der Entwicklungvon N2 aus der kondensierten Phase von Si3B3N7 imBereich der Schmelztemperatur notwendig wre:pLimit(2000 K)� 4 GPa.

Nicht zuletzt ist es von großem praktischem Interesse,Einblicke in den Alterungsprozess der Nitridkeramik a-Si3B3N7 zu gewinnen. Besonders wertvoll sind Angaben 0berdie Wahrscheinlichkeit, mit der bei typischen Anwendungs-temperaturen Strukturnderungen, z.B. Ausscheidungenkristalliner Phasen, auftreten. Solche w0rden naturgemß zueiner Schwchung des isotropen ungeordneten Bindungs-netzwerkes f0hren. Die Simulationen[85] deuten auf einelangsame Alterung in logarithmischer Abhngigkeit von derZeit bei Temperaturen zwischen 1200 und 1700 K f0r a-Si3B3N7 hin. Ferner sollte aus der Schmelze erzeugtes Si3B3N7

im Temperaturbereich 1700–2500 K einen Glas0bergangaufweisen. Hierbei wird nat0rlich ein Stickstoffpartialdruckangenommen, der ausreicht, um die Zersetzung der ternrenSchmelze zu verhindern.

4. Zusammenfassung und Schlussfolgerung

Bisher ist Si3B3N7 nur als ungeordnetes nichtkristallinesNetzwerk zugnglich. Da es keine signifikanten Abweichun-gen von der Idealzusammensetzung zeigt, gleicht a-Si3B3N7 indieser Hinsicht Quarzglas und kann als ein ternres nitridi-sches Analogon von a-SiO2 betrachtet werden. Die kompli-ziertere Zusammensetzung von a-Si3B3N7 erschwert nat0rlichdie Strukturanalyse. Andererseits kann man erwarten, dassdie breitere Auswahl an Aufatomen f0r strukturempfindlicheSonden eine gr�ßere Bandbreite an Informationen liefert.

Die Verwendung m�glichst vieler unterschiedlicherstrukturempfindlicher Sonden hat sehr konsistente Ergeb-

Abbildung 22. Berechnete Phononenzustandsdichten VDOS von Mo-dellen der Klassen A–E; im Bild von unten (A) bis oben (E).[74] Roteund blaue vertikale Linien entsprechen den Schwingungen, die durchBeitr$ge von SiN4- bzw. BN3-Baueinheiten dominiert sind. GestrichelteLinien deuten die Positionen von Si-N- und B-N-Schwingungen in denexperimentellen Infrarotspektren[91] von a-Si3B3N7 an.

Amorphe Festk(rperAngewandte

Chemie

4367Angew. Chem. 2006, 118, 4350 – 4370 2006 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.angewandte.de

Page 19: Der Weg zur Struktur amorpher Festkörper – eine Studie am Beispiel der Keramik Si3B3N7

nisse geliefert. Insbesondere hat der Einsatz von einander0berlappenden Sonden, die also auf die gleiche Strukturei-genschaft ansprechen, sowie von Kombinationen einanderergnzender Sonden zu eindeutigeren und zuverlssigerenexperimentellen Ergebnissen gef0hrt. So ist jetzt gut belegt,dass die ersten Koordinationssphren von Silicium tetra-edrisch und diejenigen von Bor und Stickstoff trigonal-planarsind. Interessanterweise zeigen die Linienformen in denNMR-spektroskopischen Experimenten eine recht großeVarianz der inhomogenen Linienverbreiterungen. Whrendder Quadrupol0bergang bei Bor eine Linienform ergibt, diegenau dem Signal von hexagonalem BN entspricht, ist dasSignal von Silicium deutlich breiter als das entsprechendeSignal der Referenzverbindung a-Si3N4. Folglich weist Boreine praktisch ideale trigonal-planare Koordination auf,whrend sich die meisten der Deformationen, die als Folgeder unvermeidbaren mechanischen Spannungen im amor-phen Netzwerk auftreten, in den Siliciumumgebungen akku-mulieren. Auch die 15N-Linie ist deutlich verbreitert. Dies istleicht einsichtig, da vier unterschiedliche, angenhert trigo-nal-planare Umgebungen NB3�xSix zum Signal beitragen.Dberraschenderweise wird f0r die Schalen der 0bernchstenNachbarn eine Art Segregation beobachtet: Statt einer zu-flligen Verteilung der Kationen findet man eine Prferenzf0r das Vorliegen von Siliciumatomen als 0bernchstenNachbarn von Silicium, und entsprechendes gilt f0r Bor.

Diese Beobachtungen mit Sonden, die auf die lokaleUmgebung ansprechen, wurden durch Messungen der mit-telreichweitigen und langreichweitigen rumlichen Korrela-tionen im System ergnzt. Die f0r Si3B3N7 aus R�ntgen-streuung (Synchrotron) und Neutronenstreuung ermitteltenPCFs zeigen alle erwarteten strukturellen Aspekte. Aller-dings ist es nicht m�glich, die vollstndige Struktur aus diesenbruchst0ckhaften Informationen zu erzeugen. Ein Grunddaf0r ist der Mangel an eindeutiger Strukturinformation imLngenbereich zwischen einigen Nngstr�m und einigen Na-nometern. Ein weiterer Grund ist, dass alle Sonden auch imbesten Fall nur statistische Informationen liefern. Grund-stzlich kann eine Vielzahl von Strukturmodellen erdachtwerden, die alle Messdaten reproduzieren k�nnen, solangekein weiteres Kriterium herangezogen wird, um zwischenihnen zu ent- und unterscheiden.

Aus den genannten Gr0nden ist es daher notwendig, dieexperimentellen Sonden mit Computersimulationen zu er-gnzen. Dazu wurden Strukturmodelle durch rechnerischeVerfahren generiert und anschließend durch Abgleich mitden experimentellen Befunden validiert. Da anfangs nichtersichtlich war, in welchem Umfang der tatschliche Syn-theseweg die Struktureigenschaften der amorphen Keramikbestimmen w0rde, wurden f0nf Klassen von Modellen er-zeugt, von denen jede nach einem anderen hypothetischenSyntheseweg gestaltet wurde (Abschrecken aus der Schmelze,Sintern von Nanokristallen, Wachstum und Sintern vonClustern, Filmabscheidung und die Polymerroute). Ein Ver-gleich dieser Modelle mit den experimentellen Befundenzeigt, dass die kurzreichweitige Ordnung in allen Modellengut mit den experimentellen Daten 0bereinstimmt. Aller-dings wiesen die PCFs der Modelle der verschiedenen Klas-sen jenseits der Peaks, die den nchsten Nachbarn zugeordnet

sind, signifikante Unterschiede auf. Eine zufrieden stellendeDbereinstimmung mit den experimentellen Daten ist nur beizwei Modellen zu finden, nmlich den Nanokristallit- und denSol-Gel-Modellen. Auch hinsichtlich der experimentell ge-fundenen, inhomogenen Verteilung der 0bernchsten Nach-barn zeigen diese Modelle die beste Dbereinstimmung. Be-merkenswerterweise haben die Atomkonfigurationen dieserzwei Strukturmodellklassen systematisch eine h�here Ener-gie als diejenigen der anderen drei Klassen. Offensichtlich istdie partielle Separierung der Kationen im Sub-Nanometer-bereich auf einer rein thermodynamischen Basis mit der Mi-nimierung der Energie als einzigem Kriterium nicht erklr-bar.

Die besten simulierten Modelle stimmen selbst in Detailsgut mit den experimentellen Resultaten 0berein. So findetman z.B. die strksten Abweichungen von der idealen lokalenUmgebung bei Silicium. Diese ußern sich in einer Streuungder lokalen Koordinationszahlen und in einer breiten Ver-teilung der N-Si-N-Winkel. Sogar die Kantenverkn0pfungvon Polyedern, wie sie sich aus den Berechnungen ergibt,kann Schultern in der experimentellen PCF zugeordnetwerden, die vorher nicht erklrbar waren. Eine derart guteDbereinstimmung sowohl bei globalen als auch lokalenStruktureigenschaften gibt uns die Sicherheit, ein Struktur-modell nahe der Realitt generiert zu haben.

Die niedrige im Experiment f0r Si3B3N7 gefundene Dichte(nur 2=3 des f0r eine binre Mischung aus BN und Si3N4 er-warteten Wertes) deutet auf eine relativ offene Struktur hin.Eine vergleichbar niedrige Dichte wurde auch im Rahmender Simulationen der Vorstufenroute gefunden (als der ein-zigen der f0nf Modellklassen). Auch zeigen die Relaxationenvon Konfigurationen mit Sub-Nanometer großen Poren je-weils bei konstanter Temperatur eine hohe strukturelle Sta-bilitt bis zu relativ hohen Temperaturen. Weitere Volu-meneigenschaften wie die spezifische Wrme, der Kompres-sionsmodul oder die Wrmeleitfhigkeit konnten bei Kennt-nis der Struktur berechnet werden; die zugeh�rigen Experi-mente wurden allerdings noch nicht durchgef0hrt.

Die hier vorgestellten Untersuchungen unterstreichen dieNotwendigkeit, bei der Modellierung der Struktur einesamorphen Materials seinen Syntheseweg zu ber0cksichtigen.Bei a-Si3B3N7 bedeutet dies, die Einzelschritte der Polykon-densation in L�sung ebenso zu modellieren wie die Alterungdes Polymers und schließlich dessen Pyrolyse.

Die hier vorgestellten Arbeiten wurden großz�gig vom Fondsder Chemischen Industrie, der Max-Planck-Gesellschaft undder Deutschen Forschungsgemeinschaft (SFB 408 an derRheinischen Friedrich-Wilhelms-Universit2t Bonn) gef�rdert.Die Autoren danken allen Mitarbeitern und Kollegen f�r ihrewertvolle Unterst�tzung; ihre Beitr2ge sind im Literaturver-zeichnis aufgef�hrt. Es ist uns ein besonderes Anliegen, diestets angenehme und effiziente Zusammenarbeit mit allen amSFB 408 beteiligten Kollegen zu w�rdigen. Schließlich giltunser Dank Dr. Alexander Hannemann f�r seine kompetenteHilfe bei der Fertigstellung des Manuskriptes.

Eingegangen am 24. November 2005

M. Jansen et al.Aufs�tze

4368 www.angewandte.de 2006 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Angew. Chem. 2006, 118, 4350 – 4370

Page 20: Der Weg zur Struktur amorpher Festkörper – eine Studie am Beispiel der Keramik Si3B3N7

[1] W. H. Zachariasen, J. Am. Chem. Soc. 1932, 54, 3841 – 3851.[2] R. Zallen, The Physics of Amorphous Solids, Wiley, New York,

1983.[3] S. R. Elliott, Physics of Amorphous Materials, Longman Scien-

tific & Technical, Essex, 1990.[4] C. A. Angell, Science 1995, 267, 1924 – 1934.[5] C. A. Angell, B. E. Richards, V. Velikov, J. Phys. Condens. Matter

1999, 11, A75 – A94.[6] D. J. Wales, Energy Landscapes with Applications to Clusters,

Biomolecules and Glasses, Cambridge University Press, 2004.[7] J. C. Sch�n, M. Jansen, Angew. Chem. 1996, 108, 1358 – 1377;

Angew. Chem. Int. Ed. Engl. 1996, 35, 1286 – 1304.[8] J. C. Sch�n, M. Jansen, Z. Kristallogr. 2001, 216, 307 – 325; J. C.

Sch�n, M. Jansen, Z. Kristallogr. 2001, 216, 361 – 383.[9] M. Jansen, Angew. Chem. 2002, 114, 3896 – 3917; Angew. Chem.

Int. Ed. 2002, 41, 3747 – 3766.[10] O. Mishima, L. D. Calvert, E. Whalley, Nature 1985, 314, 76 – 78.[11] C. A. Tulk, C. J. Benmore, J. Urquidi, D. D. Klug, J. Neuefeind,

B. Tomberli, P. A. Egelstaff, Science 2002, 297, 1320 – 1323.[12] Rein formal bezeichnet man ein System als ergodisch, wenn f0r

alle Observablen das Zeitmittel 0ber (unendlich lange) Trajek-torien gleich dem Ensemblemittel ist. Falls dies zutrifft, sind aufdas betreffende System die Verfahren der statistischen Mecha-nik des Gleichgewichts anwendbar, und in der Regel kann einergodisches System als im thermodynamischen Gleichgewichtangesehen werden. Merkmale von nichtergodischem Verhaltensind unter anderem Alterungsphnomene, (Zeit-)Ratenabhn-gigkeit von Observablen oder Verletzungen des Fluktuations-Dissipations-Theorems. Anzumerken ist, dass einige Untersys-teme auf der Beobachtungszeitskala nherungsweise ergodischsein k�nnen, auch wenn das System als Ganzes nicht ergodischist. Solchen so genannten lokal ergodischen Regionen[8] ent-sprechen z. B. metastabile Verbindungen.

[13] M. Goldstein, J. Chem. Phys. 1969, 51, 3728 – 3739.[14] F. H. Stillinger, T. A Weber, Phys. Rev. A 1982, 25, 978 – 989.[15] F. H. Stillinger, Science 1995, 267, 1935 – 1939.[16] C. A. Angell, The Landscape Paradigm 1996, 1 – 30.[17] A. Heuer, Phys. Rev. Lett. 1997, 78, 4051 – 4054.[18] J. C. Sch�n, P. Sibani, J. Phys. A 1998, 31, 8165 – 8178.[19] W. Kob, J. Phys. Condens. Matter 1999, 11, R85 – R115.[20] S. Sastry, P. G. Debenedetti, F. H. Stillinger, T. B. Schroder, J. C.

Dyre, S. C. Glotzer, Physica A 1999, 270, 301 – 308.[21] L. Angelani, G. Parisi, R. Ruocco, G. Viliani, Phys. Rev. E 2000,

61, 1681 – 1691.[22] H. P. Baldus, O. Wagner, M. Jansen in Mater. Res. Soc. Symp.

Proc. , Vol. 271 (Hrsg.: M. J. Hampden-Smith, W. G, Klemperer,C. J. Brinker), S. 821–826, MRS, Warrendale, 1992.

[23] M. Jansen, P. Baldus,Angew. Chem. 1997, 109, 338 – 354;Angew.Chem. Int. Ed. Engl. 1997, 36, 328 – 344.

[24] M. Jansen, Solid State Ionics 1997, 101–103, 1 – 7.[25] M. Jansen, H. J0ngermann, Curr. Opin. Solid State Mater. Sci.

1997, 2, 150 – 157.[26] „Amorphous Multinary Ceramics in the Si-B-N-C System“: M.

Jansen, B. Jschke, T. Jschke, Struct. Bonding (Berlin) 2002,101, 138 – 191, zit. Lit.

[27] P. Baldus, M. Jansen, D. Sporn, Science 1999, 285, 699 – 703.[28] K. Su, E. E. Remsen, G. A. Zank, L. G. Sneddon, Chem. Mater.

1993, 5, 547 – 556.[29] O. Funayama, T. Kato, Y. Tashiro, T. Isoda, J. Am. Ceram. Soc.

1993, 76, 717 – 723.[30] F. Aldinger, M. Weinmann, J. Bill, Pure Appl. Chem. 1998, 70,

439 – 448.[31] D. Srivastava, E. N. Duesler, R. T. Painer, Eur. J. Inorg. Chem.

1998, 6, 855 – 859.[32] R. Riedel, A. Kienzle, W. Dressler, L. Ruwisch, J. Bill, F. Al-

dinger, Nature 1996, 382, 796 – 798.

[33] Abhngig von den Details der Synthese (Wahl der Vorstufen-molek0le, Verkn0pfungsreagentien, Atmosphre und Tempe-raturprogramm whrend der Pyrolyse etc.) erhlt man Kerami-ken, die sich z. B. in ihrem Kohlenstoffgehalt unterscheiden.Unser Augenmerk liegt auf der prototypischen ternren Ni-tridkeramik a-Si3B3N7, da ihre Zusammensetzung im Unter-schied zu derjenigen von z.B. SiBN3C genau definiert ist.

[34] D. Heinemann, W. Assenmacher, W. Mader, M. Kroschel, M.Jansen, J. Mater. Res. 1999, 14, 3746 – 3753.

[35] Zur Definition der mittelreichweitigen Ordnung verwenden wirdas Abstandskriterium, das 0blicherweise bei NMR-MessungenAnwendung findet. Alternative Definitionen beziehen sich z. B.auf die gegenseitige Orientierung der Koordinationspolyederund lassen daher den Bereich der mittelreichweitigen Ordnungbei etwa 4 N beginnen.

[36] G. Binnig, H. Rohrer, C. Gerber, E. Weibel, Appl. Phys. Lett.1982, 40, 178 – 180.

[37] W. Raberg, V. Lansmann, M. Jansen, K. Wandelt,Angew. Chem.1997, 109, 2760 – 2762; Angew. Chem. Int. Ed. Engl. 1997, 362646 – 2648.

[38] R. Franke, St. Bender, I. Arzberger, J. Hormes, M. Jansen, H.J0ngermann, J. L�ffelholz, Fresenius J. Anal. Chem. 1996, 354,874 – 878.

[39] R. Franke, St. Bender, H. J0ngermann, M. Kroschel, M. Jansen,J. Electron Spectrosc. 1999, 101–103, 641 – 645.

[40] R. Franke, J. Hormes, SFB-408-Arbeits- und Ergebnisbericht1995 – 1997, Bonn, 1998.

[41] R. M. Hagenmayer, U. M0ller, C. J. Benmore, J. Neuefeind, M.Jansen, J. Mater. Chem. 1999, 9, 2865 – 2870.

[42] R. M. Hagenmayer, U. M0ller, M. Jansen, Physica B 2000, 276–278, 423 – 424.

[43] K. R. Carduner, C. S. Blackwell, W. B. Hammond, F. Reidinger,G. R. Hatfield, J. Am. Chem. Soc. 1990, 112, 4676 – 4679.

[44] U. M0ller, W. Hoffbauer, M. Jansen, Chem. Mater. 2000, 12,2341 – 2346.

[45] G. Jeschke, M. Jansen, Angew. Chem. 1998, 110, 1342 – 1343;Angew. Chem. Int. Ed. 1998, 37, 1282 – 1283.

[46] G. Jeschke, W. Hoffbauer, M. Jansen, Solid State Nucl. Magn.Reson. 1998, 12, 1 – 7.

[47] R. K. Harris, M. J. Leach, D. P. Thompson, Chem. Mater. 1990, 2,320 – 323.

[48] G. Jeschke, M. Kroschel, M. Jansen, J. Non-Cryst. Solids 1999,260, 216 – 227.

[49] B. F. Chmelka, K. T. Mueller, A. Pines, J. Stebbins, Y. Wu, J. W.Zwanziger, Nature 1989, 339, 42 – 43.

[50] K. T. Mueller, J. H. Baltisberger, E. W. Wooten, A. Pines, J.Phys. Chem. 1992, 96, 7001 – 7004.

[51] A. Samoson, E. Lippmaa, J. Magn. Reson. 1989, 84, 410 – 416.[52] K. T. Mueller, Y. Wu, B. F. Chmelka, J. Stebbins, A. Pines, J. Am.

Chem. Soc. 1991, 113, 32 – 38.[53] A. Medek, J. S. Harwood, L. Frydman, J. Am. Chem. Soc. 1995,

117, 12 779 – 12787.[54] A. Medek, L. Frydman, J. Braz. Chem. Soc. 1999, 10, 263 – 277.[55] J.-P. Amoureux, M. Pruski, D. P. Lang, C. Fernandez, J. Magn.

Reson. 1998, 131, 170 – 175.[56] J.-P. Amoureux, C. Fernandez, S. Steuernagel, J. Magn. Reson.

Ser. A 1996, 123, 116 – 118.[57] L. B. Alemany, S. Steuernagel, J.-P. Amoureux, R. L. Callender,

A.K. Barron, Solid State Nucl. Magn. Reson. 1999, 14, 1 – 18.[58] T. Gullion, J. Schaefer, J. Magn. Reson. 1989, 81, 196 – 200.[59] Y. Pan, T. Gullion, J. Schaefer, J. Magn. Reson. 1990, 90, 330 –

340.[60] A. E. Bennet, R. G. Griffin, S. Vega, NMR Basic Principles and

Progress, Vol. 33, Springer, Berlin, 1994.[61] L. van W0llen, B. Gee, L. Z0chner, M. Bertmer, H. Eckert, Ber.

Bunsen-Ges. 1996, 100, 1539 – 1549.

Amorphe Festk(rperAngewandte

Chemie

4369Angew. Chem. 2006, 118, 4350 – 4370 2006 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.angewandte.de

Page 21: Der Weg zur Struktur amorpher Festkörper – eine Studie am Beispiel der Keramik Si3B3N7

[62] L. van W0llen, L. Z0chner, W. M0ller-Warmuth, H. Eckert,Solid State Nucl. Magn. Reson. 1996, 6, 203 – 212.

[63] T. Gullion, Magn. Reson. Rev. 1997, 17, 83 – 131.[64] T. Gullion, J. Magn. Reson. 1995, 117, 326 – 329.[65] T. Gullion, Chem. Phys. Lett. 1995, 246, 325 – 330.[66] L. Chopin, S. Vega, T. Gullion, J. Am. Chem. Soc. 1998, 120,

4406 – 4409.[67] L. van W0llen, U. M0ller, M. Jansen, Chem. Mater. 2000, 12,

2347 – 2352.[68] M. Baks, J. T. Rasmussen, N. C. Nielsen, J. Magn. Reson. 2000,

147, 296 – 330.[69] L. van W0llen, U. M0ller and M. Jansen, Angew. Chem. 2000,

112, 2574 – 2576; Angew. Chem. Int. Ed. 2000, 39, 2519 – 2521.[70] L. van W0llen, M. Jansen, J. Mater. Chem. 2001, 11, 223 – 229.[71] D. Lathrop, D. Franke, R. Maxwell, T. Tepe, R. Flesher, Z.

Zhang, H. Eckert, Solid State Nucl. Magn. Reson. 1992, 1, 73 – 83.[72] J. H. van Vleck, Phys. Rev. 1948, 74, 1168 – 1183.[73] K. D. Schulmeister, Dissertation, Universitt Bonn, 2003.[74] A. Hannemann, J. C. Sch�n, H. Putz, T. Lengauer, M. Jansen,

Phys. Rev. B 2004, 70, 144201.[75] A. Hannemann, J. C. Sch�n, C. Oligschleger, M. Jansen in Proc.

DGK-Workshop on Struktur und Eigenschaften nichtkristallinerMaterialien – Meßdaten und Strukturmodelle (Wolfersdorf, Sep-tember 1999) (Hrsg.: B. M0ller), Universitt Jena 1999 ; sieheauch: Cond-Mat/0001319.

[76] L. F. Gladden, J. Non-Cryst. Solids 1990, 119, 318 – 330.[77] S. Wefing, J. Non-Cryst. Solids 1999, 244, 89 – 111.[78] A. Hannemann, J. C. Sch�n, M. Jansen,Comput. Phys. Commun.

2002, 144, 284 – 296.[79] J. C. Sch�n, A. Hannemann, M. Jansen, J. Phys. Chem. B 2004,

108, 2210 – 2217.

[80] A. Hannemann, J. C. Sch�n, M. Jansen, J. Mater. Chem. 2005, 15,1167 – 1178.

[81] M. Gastreich, C. M. Marian, J. D. Gale, Phys. Rev. B 2000, 62,3117 – 3123.

[82] U. M0ller, Anorganische Strukturchemie, Teubner, Stuttgart,1992.

[83] P. Kroll, R. Hoffmann, Angew. Chem. 1998, 110, 2616 – 2620;Angew. Chem. Int. Ed. 1998, 37, 2527 – 2530.

[84] A. Hannemann, J. C. Sch�n, M. Jansen, Philos. Mag. 2005, 85,2621 – 2639.

[85] A. Hannemann, J. C. Sch�n, M. Jansen, P. Sibani, J. Phys. Chem.B 2005, 109, 11770 – 11776.

[86] Erste experimentelle Messungen der Dichte nach Anwendunghoher Dr0cke[87] scheinen eine gute qualitative Dbereinstim-mung mit unseren Simulationen zu zeigen.

[87] P. Balog, pers�nliche Mitteilung, 2003.[88] J. D. Gale, J. Chem. Soc. Faraday Trans. 1997, 93, 629 – 637.[89] A. Hannemann, Dissertation, Universitt Bonn, 2003.[90] Der Vergleich mit einem im Anfangsstadium der Pyrolyse ex-

perimentell bestimmten IR-Spektrum[91] ergibt eine qualitativeDbereinstimmung zwischen berechneten und beobachtetenResultaten.

[91] O. Wagner, Diplomarbeit, Universitt Bonn, 1991.[92] C. Oligschleger, J. C. Sch�n, Phys. Rev. B 1999, 59, 4125 – 4133.[93] J. C. Sch�n, A. Hannemann, G. Sethi, M. Jansen, P. Salamon, R.

Frost, L. Kjeldgaard in Proc. XXIII Workshop on structure andkinetics of nucleation and crystallization in non-crystalline ma-terials (Hrsg.: B. M0ller), Jena, September 2002 ; siehe auch:cond-mat/0212279.

[94] A. Hannemann, J. C. Sch�n, M. Jansen, Phys. Rev. E, einge-reicht.

M. Jansen et al.Aufs�tze

4370 www.angewandte.de 2006 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Angew. Chem. 2006, 118, 4350 – 4370