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Der Zeller-Mörike-Garten - literaturblatt: Aktuelle · PDF fileVortrages über Eduard Mörike in dessen Briefwechsel ... Zeller 1832, ein Jahr nachdem er den Garten erworben hatte,

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Page 1: Der Zeller-Mörike-Garten - literaturblatt: Aktuelle · PDF fileVortrages über Eduard Mörike in dessen Briefwechsel ... Zeller 1832, ein Jahr nachdem er den Garten erworben hatte,

Es ist eine Erfolgsgeschichte. Auch wenn diejenige,die sie angestoßen hat, das glückliche Ende nichtmehr erleben durfte: Elisabeth Horn starb im Mai2007 nach kurzer schwerer Krankheit. Rein zufällig war die Germanistin und langjährigeLeiterin eines Literaturkurses an der VolkshochschuleNagold im Frühjahr 2000 bei der Vorbereitung einesVortrages über Eduard Mörike in dessen Briefwechsel

darauf gestoßen, dass Mörike zusammen mit seinemJugendfreund Johannes Mährlen im Juli 1862 aus Stutt-gart zur Badekur in das unweit Nagolds gelegene Röthen-bad gekommen war. Die beiden Freunde besuchten beidieser Gelegenheit wiederholt den wohlhabenden undwegen seines sozialen Engagements hoch angesehenenNagolder Apotheker, Pietisten und Privatgelehrten Dr.Heinrich Zeller – Mährlen war mit einer Schwester vonZellers Frau verheiratet, und seine Tochter Auguste hieltsich in diesen Sommerwochen mit einer Freundin imZellerschen Hause auf. Mörike und Mährlen gastiertennicht nur in Zellers Stadthaus, das damals noch unmittel-bar an der Nagold lag (heute: Stadtkämmerei, Badgasse6) und das Mörike durch seine hübsche Lage und die rei-chen Naturalien-Sammlungen »in reinlichen Glasschrän-ken« tief beeindruckte. Die beiden waren auch mehrmalsin Zellers idyllischem Biedermeier-Garten zu Besuch, derrund 15 Minuten zu Fuß nördlich vom Stadtzentrum aufdem Weg nach Röthenbach lag. Dort hatte Zeller erst zweiWochen zuvor ein »kleines Schweizerhaus« eingeweiht,dessen Veranda Platz für pietistische Gesprächszirkel,aber auch geselliges Beisammensein samt »Imbiss« bot.

Neugierig geworden, machte sich Elisabeth Horn mitihrem Mann auf die Suche nach diesem Garten und wurdeschnell fündig: Im Norden Nagolds, am Hang zwischenSchelmengraben und Emminger Straße gelegen, fandsich eingemauert und umzäunt – noch immer in Privat-besitz – das Flurstück in reichlich verwildertem Zustand.Es hatte mehrmals den Besitzer gewechselt und warzudem geteilt worden. Erhalten hatte sich, wenn auchverwittert, eine mit kunstvollen Giebel-Schnitzereien ver-zierte hölzerne Gartenlaube (»Vatersruh«), die HeinrichZeller 1832, ein Jahr nachdem er den Garten erworbenhatte, für seinen Vater anfertigen ließ. Das Gartenhausaus dem Jahr 1862, im damals beliebten »Schweizer Stil«mit rotem Sandsteinsockel und ausgemauertem Riegel-

fachwerk errichtet, war 1907 durch einen Anbau über derVeranda vergrößert und mit einer Bretterverschalungverdeckt worden. Aus dem Baugesuch wissen wir, wiedas Schweizerhaus ursprünglich ausgesehen hat; zeitge-nössische Darstellungen – etwa eine Zeichnung von derHand Mörikes wie die des ehemaligen Röthenbads –liegen nicht vor.

Begeistert, umsichtig und couragiert machte sichElisabeth Horn daran, das Zellersche Gartenensembleeiner interessierten Öffentlichkeit zugänglich zu machen.Dabei war sie nicht die erste, die dazu Anlauf nahm. 1996war ein Versuch des Forstdirektors Jochen Löffler, dasAnwesen unter Denkmalschutz stellen zu lassen, klanglosgescheitert. Erst die Verbindung mit dem Dichter EduardMörike, dessen 200. Geburtstag im Jahr 2004 gefeiertwurde, brachte den Durchbruch. So bewährte sich diebekannte Wechselbeziehung zwischen Poesie und Gärteneinmal auf ganz andere Weise: Der Kurzbesuch Mörikesist wohl ausschlaggebend dafür gewesen, dass derNagolder Zeller-Garten nicht nur zum literarischen Ort,sondern zum Kulturdenkmal »Zeller-Mörike-Garten«anvancieren konnte. Mit seinem Ensemble aus abschlie-ßenden Mauern und Hecken, Sichtachsen, Gartenlaubeund Wohngartenhaus sowie seiner Beetgestaltung, weistder Zellersche Garten typische Merkmale eines Bieder-meiergartens auf, heute eine Rarität im deutschen Süd-westen.

Mörike ist damals nicht ohne »literarischen Gewinn«aus Nagold geschieden, wie im Einzelnen in ElisabethHorns 2004 vorgelegtem Marbacher »Spuren«-Heft nach-zulesen ist. Es trägt den Titel von Mörikes Gedicht »Lang,lang ist’s her«, das dieser zu Auguste Mährlens Hochzeit1866 verfasste und zu dem er am ersten Abend im Zeller-schen Haus inspiriert worden war: Hier hatten Augusteund ihre Freundin die deutsche Fassung des irischenLiedes »Long, Long Ago« so hinreißend vorgetragen, dassMörike davon ganz fasziniert war.

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Zeller-Mörike-Garten, Emminger Straße 42, 72202 NagoldÖffnungszeiten (Garten und Museum): 29. April bis 14. Oktober,jeweils Donnerstag und Sonntag von 14 bis 17 UhrAnsprechpartnerin: Monika Schanz, Vorsitzende desFördervereins Zeller-Mörike-Garten e.V., Nagold. Telefon 07452 / 4829Am 17. Juni um 15 Uhr: Öffentliche Führung durch den Gartenmit Eckhart Kern. Weiteres unter www.nagold.de

Der Zeller-Mörike-Garten in Nagold

Ein Kleinod am Rande der Landesgartenschau 2012

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11Spaziergang

2 Alexandra Birkert, Jahrgang 1957, lebt als freie Histori-kerin und Literaturwissenschaftlerin in Stuttgart. Sie hältVorträge, macht literarische Spaziergänge zum Rosen-stein und zu Albrecht Goes und arbeitet zur Zeit an einemEssayband. Zuletzt erschien ihr Buch Hegels Schwester. Aufden Spuren einer ungewöhnlichen Frau um 1800.

Zum Weiterlesen:

Elisabeth Horn, »Lang, lang ist’s her«. Mörikes Badekur inRöthenbach bei Nagold. Deutsche Schillergesellschaft,Marbach a. N. 2005 (Spuren 67). 16 Seiten, 4,50 Euro

Katrin Kommerell /Herma Klar, Im Schatten der großen Silber-pappel. Der Zeller-Garten in Nagold, und dies., Den Schöpfermit der Seele suchen. Heinrich Zeller – ein Lebensbild. StadtNagold 2011. 16 Seiten, 3 Euro (erhältlich im Nagolder »Muse-um im Steinhaus« und im Zeller-Mörike-Garten)

Eckhart Ph. Kern, Biedermeier-Rarität: Der Zeller-Mörike-Garten in Nagold. In: Schwarzwälder Hausschatz 2012. Ein Kalen-der und Nachschlagebuch für jedermann, S. 44–47. Schwarz-wälder Bote, Oberndorf 2011, 5,90 Euro

Irene Ferchl / Wilfried Setzler, Mit Mörike von Ort zu Ort.Lebensstationen des Dichters in Baden-Württemberg.Silberburg-Verlag, Tübingen 2004. 320 Seiten, 22,90 Euro

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rtZurück zurErfolgsgeschichte.Nach zähem Ringensind schließlich doch alle ins Boot gesprungen: Zusam-men mit einer Handvoll Nagolder Enthusiasten gründetedas Ehepaar Horn im März 2003 einen »FördervereinZeller-Mörike-Garten e.V.«, der heute fast hundert enga-gierte Mitglieder zählt. Hilfreiche Kontakte zur Volks-hochschule Nagold, zur Mörike-Gesellschaft und zurMarbacher Arbeitsstelle für literarische Museen, Archiveund Gedenkstätten wurden geknüpft. Schon im Novem-ber 2003 erfolgte, auf Antrag der Stadt Nagold, der Ein-trag des Ensembles in die Liste der KulturdenkmaleBaden-Württembergs. 2008 konnte die Stadt Nagold dasAnwesen mit Unterstützung der Denkmalstiftung Baden-Württemberg endlich aus privater Hand erwerben unddie Sanierung des Gartenhauses samt Anbau in Auftraggeben. Sie war bereits im Herbst 2008 zur Eröffnung der25. Baden-Württembergischen Literaturtage in Nagoldabgeschlossen, so dass das Gartenhaus erstmals fürLesungen und Vorträge öffnete. 2011 wurden die Garten-laube originalgetreu restauriert sowie die Grenz- undStützmauern saniert. Seit Ostern 2011 ist im Oberge-schoss des Gartenhauses ein Kurzfilm über Mörikes Be-such zu sehen, den die Ludwigsburger Filmakademie,unterstützt von der Marbacher Arbeitsstelle für literari-sche Museen, erstellt hat. Er bildet nun das Herzstück dergezielt sparsam bestückten Dauerausstellung, die unterder Federführung des Nagolder Stadtmuseums (»Muse-um im Steinhaus«) erarbeitet wurde und die an MörikesBesuch und Zellers Wirken als Pietist, Apotheker undWohltäter in Nagold erinnert. Hauptexponat der Ausstel-lung aber ist und bleibt das sorgfältig sanierte Gartenhausselbst, dessen Geschichte auf Tafeln erzählt und zugleichanschaulich in Szene gesetzt wird, etwa durch Tapeten-reste, die mit Zeitungen des Jahres 1862 unterfüttert sind.Zwei reich bebilderte und informative Hefte sind beglei-tend erschienen. Die Ausstellung ist schon ab Ende Aprilzu sehen, auch wenn sie erst am 27. Juni, genau 150 Jahrenach der Einweihung des Zellerschen Schweizerhauses,im kleinen Kreis offiziell eröffnet wird – das Häuschenfasst nur 35 Personen.

Garten und Museum sind während der Landesgarten-schau jeweils Donnerstag und Sonntag nachmittags ge-öffnet, auf Wunsch können für Gruppen beim Förder-verein Sondertermine gebucht werden. Ergänzend bietetder Verein ein Programm aus Lesungen, Vorträgen undFührungen an und sorgt an den Öffnungstagen auch fürdas leibliche Wohl der Besucher mit Kaffee, Kuchen und»Heinerles-Wein«. Wer mag, kann auch »Per Pedal zurPoesie« kommen und sich auf die von der MarbacherArbeitsstelle zusammengestellte Dichter-Route von Nagoldnach Pforzheim begeben, die am 15. Juli eingeweiht wird.

Ein kleiner Wermutstropfen in der Erfolgsgeschichtedes Zeller-Mörike-Gartens bleibt, dass er nicht in dasoffizielle Gelände der Landesgartenschau einbezogenwurde und seine vollständige Bepflanzung, die sich vor-sichtig dem historischen Vorbild annähern will, nochnicht abgeschlossen ist. Wie mag es hier wohl in ein, zweiJahren aussehen, wenn Weinreben, Apothekergartenund Alpinum wieder florieren? ll