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Der Zwirnhändler aus Oberösterreich. Ein Lustspiel in drey Aufzügen. ‹Von Ferdinand Kringsteiner› Für das k. k. priv. Theater in der Leopoldstadt. Wien, 1807. 5 Auf Kosten und im Verlag bey Johann Baptist Wallishausser. Herausgegeben von Andrea Brandner-Kapfer (Graz 2011)

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Der Zwirnhändler aus Oberösterreich.Ein Lustspiel in drey Aufzügen.

‹Von Ferdinand Kringsteiner›Für das k. k. priv. Theater in der Leopoldstadt.

Wien, 1807.5Auf Kosten und im Verlag bey Johann Baptist Wallishausser.

Herausgegeben von Andrea Brandner-Kapfer (Graz 2011)

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2Ferdinand Kringsteiner

Andrea Brandner-Kapfer (Hrsg.)

D1 2 PersonenRath S c h w e n k h e i m .F l o r i a n T r o m m e r , Zwirnhändler aus Oberösterreich)M a t h i e s T r o m m e r , Schustermeister ) BrüderF r a n z , Kanzlist. ) dessen Söhne 5T h a d d ä d l , Kanzleypraktikant. )Madam B e r g h e i m , eine Fremde.Z w i e b e l , Tanzmeister.Frau L i s e l , Pastetenbäckerin.J o s e p h i n e , ihre Tochter. 10E ‹ v › e r l , (Dienstmädchen) des Rath SchwenkheimM a r i a n d l , (Dienstmädchen) der Madame BergheimH a u e r , ein abgedankter Regimentstrompeter.Ein Tandler, eine Oebstlerin.Gäste, Bürgersleute, einige abgedankte Soldaten, Vermummte. 15

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3D1 – Der Zwirnhändler aus Oberösterreich

http://lithes.uni-graz.at

D1 3Erster Aufzug.(Zimmer in Mathias Wohnung.)

Erster Auftritt.Fr a n z tritt schüchtern ein.

Ein halbes Jahr ist verflossen, und mit Zittern betret ich dieses5Zimmer wieder. – Mit Zittern? – der Sohn das väterliche Haus? Ach!der verstoßne Sohn! – und warum? – weil ich das Liebesverständnißmeines Vaters mit der Fremden, die er in sein Haus aufnahm, nichtbilligte; weil ich ihm aufrichtig gestand, daß er sich dadurch zumGelächter der Stadt machen, und sein Unglück selbst gründen würde.10O Mutter! Mutter! dein Tod wär zu früh! – Nur einmal will ichmeinen Vater noch sprechen, vielleicht dringt die Stimme seinesSohnes zu seinem Herzen, vielleicht gelingt es mir, ihm den Schleyer

D1 4von den Augen zu rei-|ßen, und ihm den Abgrund zu zeigen, andessen Rand er steht.15

Zweyter Auftritt.M a t h i e s und F r a n z

M a t h . Wer hat dir erlaubt –F r a n z . Mein Vater!M a t h . Nenn mich nicht so, du ordinari Mensch du! – ich hab dir20

verbothen, nimmer in mein Haus z’ kommen.F r a n z . Leider! ich weiß es.M a t h . Also was willst?F r a n z . Zum letztenmale meine kindliche Pflicht erfüllen, zum

letztenmale sie vor dem Umgang der Madame Bergheim warnen. –25Verachten sie meinen Rath, wohl! mein Herz wird bluten, wenn ichsie bald mit Schand und Spott überhäuft sehe, aber mein Gewissendarf mir dann keine Vorwürfe machen – ich habe das meinige gethan.

M a t h . Halt’s Maul! du und mein saubrer Herr Bruder, der grobeZwirnhändler, ihr blast aus einem Pfeifferl. Was hast über meine30Parthie?

F r a n z . Das, was ich bereits vor einem halben Jahr wider siehatte – Sie half ihnen von ihrem Vermögen, brachte sie in Schulden,und lacht nun ihrer Leichtgläubigkeit.

D1 5M a t h . Das ist nicht wahr! Sie liebt mich| mit einer Zärtlichkeit –35o jemine! unser Amour soll kein böses Aug anschaun.

F r a n z . Vater! Um Gotteswillen –M a t h . Schweig! ich thu was ich will. Ist das der Dank, daß ich

dich zum Herrn Vetter, den Rath Schwenkheim, in d’ Stadt habherein geben? daß ich dich hab studirn lassen? Geh mir aus den40Augen, und laß dich ja nimmer blicken, oder ich werd mir auf eineandere Art vor dir Ruh schaffen, du – Weisheitskramer!

F r a n z . Wohl! ich geh – durch solch ein dichtes Gewebeweiblicher Bosheit dringt kein Strahl der Wahrheit! – Leben sie wohl,gebe Gott! daß ich nicht bald diese Schwelle wieder betreten muß, um45sie von Verzweiflung zu retten. (ab)

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4Ferdinand Kringsteiner

Andrea Brandner-Kapfer (Hrsg.)

M a t h . (allein) Der Tölpel! der bloße Neid ist’s, bey ihm und beymein Brudern, weil’s wissen, daß ich durch die Fürsprach meinerAmour ein Charg beym Magistrat z’ Nürnberg kriegen werd.

Dritter Auftritt.M a t h i e s und F l o r i a n . 5

F l o r i a n . (kömmt) Dein Franz war bey dir?M a t h . Ja, der Flegel!F l o r i a n . Du nennst Wahrheit – Grobheit!|

D1 6 M a t h . Ein Kind soll sein Vater nicht hofmeistern.F l o r i a n . Bruder, Bruder! du versündigst dich gewaltig an dein 10

Sohn! Er ist brav, er hat das beßte Herz von der Welt, und du hastihn aus dem Haus gejagt, du stoßt ihn, dein besten Freund, von dir.

M a t h . Wie gesagt, du und er, ihr seyd aus ein Model, ein jederversucht ehrlich – unpolitisch und grob.

F l o r i a n . Mathies! 15M a t h . Ich bitt dich, halt’s Maul, und fang nicht wieder ein

Predigt an – ich leid’s nicht. Hab ich dich deswegen ins Hausgenommen, daß du mir Verdruß machen sollst? Ist’s dir nicht recht,was ich thu, so geh weiter, ich halt dich gewiß nicht auf.

F l o r i a n . Es ist wahr, ich bin ein armer Mann, Haus und Hof ist 20mir abbrennt, und du versorgst mich während meines Hierseyns mitSpeis und Trank, aber fordert nicht grad das mich auf, dich zuwarnen, dir zu rathen? Bruder! mach d’ Augen auf, sey nicht blind beydein eigenen Wohl, laß ab von der Lebensart, die du führst.

M a t h . Soll ich denn mein Glück muthwillig mit Füßen treten? 25ich hab das Versprechen, daß ich Titularrath zu Nürnberg werd,glaubst du, das ist eine Kleinigkeit?

F l o r i a n . Du bist also wirklich ein Narr? Bruder, thu was duD1 7 willst, aber ich will dir nur mit ein paar Worten deine Zukunft pro-|

phezeihn. Dein Modeleben bringt dich in Schuldthurm – und deine 30Amour ins Narrenhaus. (ab)

M a t h . (allein) Narrenhaus? mich? ein angehender Titularrath? –Da sieht man halt, daß der Mensch kein Eiduxion hat.

Vierter Auftritt.M a t h i e s und T h a d d ä d l . 35

T h a d . (eilig) Das heiß ich geloffen –M a t h . Wo warst denn?T h a d . D’ alte Mahm, d’ Stückeleinsetzerin hab ich aufgesucht.M a t h . Hast du’s g’funden? wo wohnt’s denn?T h a d . Im Neulerchenfeld bey der Cichoriwurzen. Aber mein 40

Weg ist umsonst, sie ist frisch und gesund.M a t h . Also nicht zum sterben, wie wir gehört haben?T h a d . Ey ja ziwol! – Die Alte hat ein Haut wie ein Elephant –

unser einer stirbt eher zehnmal, als so eine alte reiche Kröten einmal.M a t h . Das ist zum Todtärgern! – was fangen wir nun an, 45

Thaddädl? – Die Akademie hab ich auf heut Abend ansagen lassen,die Gäst seyn eingeladen, und ich hab nicht zwey Gulden auf einordentliches Soupee.

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5D1 – Der Zwirnhändler aus Oberösterreich

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D1 8T h a d . He, he! da wird’s ja heut feyn bey| uns, wie im Himmel,die Leut werden d’ schönste Musik hören, und kein Bissen z’ fressenkriegen. Laß der Herr Vater d’ Musik absagen?

M a t h . Was? die Schand sollt ich mein Haus anthun? –Nimmermehr! ich gieb ja die Gesellschaften ohnedem meistens5wegen deiner – hingegen kennt kennt dich auch die ganze Stadt, alleshat dich gern, und lacht schon, wenn’s dich nur sehen. Weißt was,Thaddädl, geh hinüber zu der Frau Lisel, es traktiren d’ schönstenLeut von ihr – und bestell ein kaltes Soupee.

T h a d . Ich glaub nicht, daß ’s uns mehr was schickt, weil wir ihr10schon so lang nichts zahlt haben.

M a t h . Vielleicht persuadirst du’s doch – und bis morgen werdich schon wieder Geld auftreiben.

T h a d . Da werden wir wohl nicht viel davon sehen. Es traut unsja kein Mensch mehr, der ganzen Stadt seyn wir schuldig, und in15jeden Gassel begegnet uns ein Gläubiger – es ist nicht anders, alswann’s uns auf hundert Schritt riecheten.

M a t h . Ich werd mir auch deswegen Roß und Wagen anschaffen,damit man dem Gesindl nicht alleweil unter d’ Augen kommt. Abergelt Thaddädl, ich hab mich g’schwind ins noble Leben gefunden?20

T h a d . Zum Verwundern. In drey Jahren seyn dreyßigtausendD1 9Gulden hin, wir wissen| gar nicht wie. Man sollt gar nicht glauben,

daß ein Schuster so was im Stand wär.M a t h . Nur nicht grob – Apropo! weißt, dein Bruder war da, und

hat mich wieder hofmeistern wollen.25T h a d . Aber der Herr Vater hat ihn doch recht abgedrumpft?M a t h . Natürlich – aber ein bisserl hab ich mich doch

zurückgehalten, weil der Kerl allerhand Bücher schreibt, und dakönnt er einen leicht wo hinein bringen – es giebt schon so gewisseLeut.30

T h a d . Er wird auch auf mich denken –M a t h . Wie so?T h a d . Der Kerl hat ein bildsauberes Madel, der Frau Liesel ihr

Tochter – und die hat unser Herr Vetter, der Rath Schwenkheimgesehen, und sich sterblich auf 14 Täg in sie verliebt, und da muß ich35itzt hingehn, und ihr sein Vorschlag verdeutschen. Der Herr Vetter istzwar schon alt, und mein Bruder jung – aber das macht nichts, ’sschöne Geschlecht schaut heut zu Tag nicht auf d’ Runzeln, sondernnur aufs Geld.

M a t h . Der Rath ist doch ein feiner Strick, auf d’ Weibsbilder40geht er los, wie ein Falk auf die Tauben – ich hab ihn oft selbststundenlang beym Schanzel stehn sehn, und da wart er, bis einesaubre Linzerfuhr kommt. Nu, mach deine Sachen nur klug,Thaddädl! damit der stolze Bursch recht Gall kriegt.

D1 10T h a d . Verlaß sich der Herr Vater auf mich,| dafür hat mir der45Rath versprochen, er wird auf mich denken.

M a t h . Ists wahr?T h a d . Ja, erst neulich hat er mir gesagt, es seyn nur mehr 7

Vettern da, und wann die alle angestellt seyn, hernach kommts gleichauf mich.50

M a t h . Ich hab halt alleweil gesagt, du taugst zu nichts – als zueinem Kanzleyherrn. (es wird geklopft) Geh schau, wer da ist.

T h a d . (ab)

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6Ferdinand Kringsteiner

Andrea Brandner-Kapfer (Hrsg.)

M a t h . (besieht sich in einem Taschenspiegel) Heut siech ich wiedersuperb aus – wie ein Kavalier! den möcht ich sehen, der mirsankennte, daß ich vor 3 Jahren noch das Schusterhandwerk triebenhab.

T h a d . (kommt) O jemine, Herr Vater! d’ Frau Lisel – ich heiß 5alleweil d’ Schmauslisel – ist draust.

M a t h . Nu, und was hast du denn g’sagt?T h a d . Nu, ich hab g’sagt, ich will’s anmelden.M a t h . Da sieht man halt, daß du gar nichts nobels verstehst.

Wann so Gesindl um Geld kommt, so sagt man allzeit, d’ Herrschaft 10ist nicht z’ Haus.

T h a d . Ich hab mir halt denkt –M a t h . Daß du ein Esel bist.T h a d . Nein, das hab ich mir nicht denkt, sondern ich hab mir

D1 11 denkt, der Herr Vater wird| schon selber so viel Hirn haben, daß er’s 15mit guter Art vom Hals bringt.

M a t h . Grobian! Schick das Weib herein.T h a d . Und ich schleich mich derweil zu ihrer Tochter, und

mach mein Anwurf. (ab)

Fünfter Auftritt. 20

M a t h i a s , Frau L i s e l .L i s e l . Ah Dienerin!M a t h . Wie gehts, Frau Lisel?L i s e l . Muß schon gut seyn, bis ’s besser wird. Ich war schon

zweymal da – wegen den Conto. 25M a t h . Hat ihn d’ Frau da?L i s e l . Ja! (zieht den Conto hervor) Summa Summarum 29 fl. 44 Kr.M a t h . Das ist nicht möglich!L i s e l . Möglich hin, möglich her! wann d’ Sach einmal gessen ist,

und man soll zahlen, kommts einem freylich viel vor. 30M a t h . Wie lang bin ich den ausständig?L i s e l . Seit 5 Wochen, und sie haben während dem just viel

traktirt. Da steht alles haarklein. (liest) 13 Kapauner, ein jeder mit einklein Fehler, 7 Gulden – 3 Fasanen, weil’s schon ein bissel ein Geruchg’habt haben, 1 Gulden 30 Kreuzer – 4 zerbrochene Linzertorten, 12 35Portion sauren Ochsenfuß, 20 gefaulte Lemoni, und –|

D1 12 M a t h . Es ist schon gut – aber theuer ist doch alles.L i s e l . I du lieber Himmel! muß ich auch alles theuer zahlen. Die

Herrschaften werden itzt alle Tag klüger – d’ meisten Kucheln seyngar zugesperrt, und um das wenige, was d’ Köch noch verschleppen 40könne, muß ich altrum tantum mehr geben, wenn auch schon einpaar Flügeln vom Kapauner herunter g’schnitten seyn.

M a t h . Freylich wohl!L i s e l . Es ist halt nimmer wie eh. – Es giebt keine Fest, keine

Hochzeiten mehr. Itzt laßt sich ja jeder Teufel in der Früh kopuliren, 45und da vergeht den Brautleuten bis Mittag schon aller Appetit,folglich giebt’s keine Hochzeitsschmauß, und hernach kann eineGarköchin wie ich, auch nicht viel kriegen. Es ist fast nimmer z’leben.

M a t h . D’ Frau hat doch ein kleines Kapital? 50

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7D1 – Der Zwirnhändler aus Oberösterreich

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L i s e l . Lieber Himmel, die paar Groschen hab ich mir in meinerJugend sauer verdient, mit den Pastetenmachen ist’s nichts mehr – ichmag noch so ein gute Backerey vorn Laden stellen, es beißt keinMensch mehr an. – Aber ich verplausch mich da – geben’s mir meinGeld!5

M a t h . (zieht einen Fleck Papier aus der Tasche) Von Herzen gern –aber d’ Frau wird mir kein Bankozettel mit hundert Gulden

D1 13wechseln| können. Also lassen wir’s bis morgen, ich brauch heutAbend so ein klein’s Soupee.

L i s e l . So lang nicht ’s alte zahlt ist, wird nichts mehr hergeben.10M a t h . D’ Frau wird mir doch kreditiren?L i s e l . Nichts für ungut – aber es wird nichts mehr hergeben.M a t h . Was das für ein grobes Volk ist!L i s e l . Was war das? nicht lang per Volk! Wer ist denn der Herr?

he? – Unser eins plagt sich ehrlich, und lebt nicht von Leut ansetzen,15verstanden?

M a t h . Halt sie’s Maul, oder ich laß’s hinaus werfen.L i s e l . Was? mich? eine öffentliche, eine gesessene Person? das

möcht ich sehen, das ist ein Schuster auch noch nicht im Stand.M a t h . Die hat eine Röhre, wie mein seliges Weib! – Aber muß20

man denn wegen so ein Pagatell so grob seyn?L i s e l . O ich bin schon oft wegen ein Gulden noch gröber

g’west – und kurz und gut, mein Geld will ich haben, oder ich klagbey Gericht. Es ist ein Schand und ein Spott das Leben. Ich bedaurenur sein braven Sohn, der muß kümmerlich leben, und der saubre25Herr Vater frißt und sauft für fünfzehn.

M a t h . Just recht! Ist das eine Art, daß d’ Frau mein Sohn widermein Willen ein Unterschleif giebt?

L i s e l . Was Unterschleif? mein Haus ist ein ehrlichs Haus – soD1 14muß mir der Herr| nicht kommen! Pfuy Teufel, ich thät mich30

schamen. Mein Meinung weiß der Herr – Geld oder Arrest – und itztGott befohlen. (geht brummend ab)

Sechster Auftritt.M a t h i e s allein.

Das verdammte Geld! Wann ich nur Mittel wüßt, eins35aufzutreiben. Auf mein Gesicht giebt mir kein Mensch ein Kreuzer –z’versetzen ist fast auch nichts mehr – Pah! laßts gut seyn, Mathies! –Aber die wahre Method, wie man auf die leichteste Art auf ander LeutUnkosten, vornehm thun kann, muß ich doch nicht wissen. Und dasHauptstudium fehlt mir, wie man’s macht, daß man nach der Krida40noch zehnmal besser lebt, als vorher. (ab)

Siebenter Auftritt.(Zimmer in Lisels Wohnung.)Fr a n z und J o s e p h i n e .

J o s e p h . Warst du bey deinem Vater?45F r a n z . Ja, und sein Zorn war der Lohn meiner Warnung.J o s e p h . Sey ruhig, und hoffe auf bessere Zeiten!

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8Ferdinand Kringsteiner

Andrea Brandner-Kapfer (Hrsg.)

D1 15 F r a n z . Ruhig? ruhig? O Josephine!| mein Herz arbeitetfürchterlich unter der Last des Unglücks! lächelnd würd ich jedemElende trotzen, brächte dieß mich nur an das Ziel meiner Wünsche.

J o s e p h . Vielleicht ist das Schicksal bald müde, uns zuverfolgen, und krönet unsre Liebe. 5

F r a n z . Mädchen! welche Hoffnungen willst du in mirerwecken? Nein! für mich ist kein Glück mehr auf dieser Welt. Einlistiges Weib brachte mich um die Liebe meines Vaters, brachte michum deinen Besitz, denn nie wird deine Mutter dich mir zum Weibegeben, da ich selbst kümmerlich lebe, und das Vermögen meines 10Vaters dahin ist.

J o s e p h . Hast du schon mit dem Rath Schwenkheimgesprochen?

F r a n z . Ich fürchte eine Unterredung mit ihm, ich kann denSchurken nicht bitten. 15

J o s e p h . Und doch hängt es nur von ihm ab, daß du dieerledigte Stelle erhältst.

F r a n z . Ich verdiene sie – ich habe Anspruch –J o s e p h . Lieber Franz! was nützt der gerechteste Anspruch

ohne Vorsprach’. Zwinge dich – 20F r a n z . Es sey!J o s e p h . Erhältst du die Stelle, so vergrößern sich deine

Einkünfte merklich, und dann kann es uns gelingen, die Einwilligungmeiner Mutter zu unserer Verbindung zu erhalten.|

D1 16 F r a n z . Ich will zu ihm – will ihn ersuchen, der Gerechtigkeit 25nicht den Hals umzudrehn – aber wenn er mich abweist, wenn ermich abweist – ich halt das nicht aus – denn ich fordre nichts, wasmir nicht gebührt.

J o s e p h . Ich weiß, du wirst sanft mit ihm sprechen – weil dichdeine Josephine darum bittet. 30

F r a n z . Göttliches Mädchen! stärke mich mit deiner Sanftmuth,und wenn tausend Plane mir mißlingen, wenn das Leben mir zur Lastwird, so stelle du dich vor mir hin, mit deiner duldenden Miene, undich liebe die Menschen wieder, die so teuflisch mit mir handeln. Lebwohl, ich gehe zum Rath! (ab) 35

Achter Auftritt.J o s e p h i n e allein.

Guter Junge! du sollst am längsten gelitten haben. O Gott! laßmein Unternehmen gelingen, und ich will seinen Vater mit einerGewißheit von den schändlichen Absichten der Madame Bergheim 40überzeugen, daß Beschämung und Reue ihn wieder zur Vernunftzurückbringen werden. (zur Seite ab)|

D1 17 Neunter Auftritt.T h a d d ä d l (kömmt, und sieht furchtsam um sich)

Da wär ich, ob ich aber ohne Nota Bene wieder hinaus komm, das 45steht zu erwarten. Es ist einen doch so wunderlich ums Herz, wennman so nicht mit den allerbeßten Absichten in ein Haus kommt. –Pah, Kourage! Wenn man nur einmahl ein schlechten Streich gemacht

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9D1 – Der Zwirnhändler aus Oberösterreich

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hat, hernach kriegt mans schon in d’ Uibung. (hustet stark)

Zehnter Auftritt.T h a d d ä d l und J o s e p h i n e .

T h a d . Guten Abend, Mamsell Sepherl!J o s e p h . Was ist zu ihren Diensten?5T h a d . Ist d’ Frau Mutter z’Haus?J o s e p h . Nein!T h a d . (leise) Das hab ich ohnedem gewußt.J o s e p h . Aber sie wird bald kommen, wollen sie indessen

verziehen?10T h a d . Wanns erlauben. (setzen sich. Josephine arbeitet) Wann ich

nur wüßt, wie ich das Ding einfadel.J o s e p h . (leise) Was will der Mensch?T h a d . Habens mein Bruder schon lang nicht gesehen?J o s e p h . Er war vor kurzem hier.15T h a d . Mir ist leid um sie, mit dem Menschen verschlagen sie

sich ganz.|D1 18J o s e p h . Wirklich?

T h a d . Ja, denn schauns – heurathen kann er sie nicht, bey seinerkleinen Besoldung, und mein Vater, der hat ihn enterbt, weil er so ein20Räsonär ist – und an ’s weiter kommen, ist auch nicht zu denken,denn er hat wollen gescheiter seyn, als andere, und das ist falsch. Erhat sich alles selbst verdorben. Er hat sich mit dem Aktuar Tellheimzertragen, und da ist er schon verlesen; denn der ist ein Anverwandtervom Sekretär Wimmel, und der Sekretär Wimmel, hat eine Schwester25vom Amtsrath Krenn, und der Amtsrath Krenn, hat seinemVorgesetzten zweytausend Gulden geliehen, und folglich richt ernirgends mehr was aus, das kenn ich als z’gut.

J o s e p h . Ja, da haben sie freylich recht, aber was soll ich thun?T h a d . He, he, ich wüßt ihnen wohl einen Rath.30J o s e p h . So lassen sie hören.T h a d . (leise) Das geht ja leichter, als ich denkt hab. (laut) Was

wurd mancher nicht alles anwenden, um einen zärtlichen Blick vonden schelmischen Augen, oder um ein Busserl auf das rotheGöscherl.35

J o s e p h . Ich versteh sie nicht.T h a d . ‹(leise)› Das ist eine rechte Gans, schön, aber dumm, wie

ein Austern. (laut) Ich hab mit der Frau Mutter gar nichts z’reden,sondern eigentlich mit ihnen.

J o s e p h . Mit mir?|40D1 19T h a d . Ja, ein reicher vornehmer Herr hat mir den Auftrag

gemacht, ich soll sie seiner wärmsten Freundschaft versichern. Beyihnen stehts nur, ’s glücklichste Leben zu haben; auf meineVerschwiegenheit können sie sich verlassen.

J o s e p h . Aber ihr Bruder?45T h a d . Dem geben sie ’s Laufzettel – mit einem armen Teufel

muß man nicht viel Ceremonie machen.J o s e p h . Er könnt sich das Leben nehmen.T h a d . Desto besser – so krieg ich eine Ruckung.J o s e p h . Und wer ist denn der scharmante Mann?50T h a d . Mein Herr Vetter, der Rath Schwenkheim.

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10Ferdinand Kringsteiner

Andrea Brandner-Kapfer (Hrsg.)

J o s e p h . Gott im Himmel! armer Franz! – Nein, das ist zu viel!Entfernen sie sich den Augenblick, oder ich mache Lerm im Hause.

T h a d . Was wär das?J o s e p h . Niederträchtiger! der sich ein Vergnügen daraus macht,

das Unglück seines Bruders zu befördern. Fort! 5T h a d . Aber so hörens doch –J o s e p h . Fort aus meinen Augen!T h a d . Aber ich muß ja doch eine Antwort haben.J o s e p h . Solch ein Antrag ist zu entehrend, und verdient nichts,

als Verachtung. 10T h a d . Bedenkens – |

D1 20 J o s e p h . Ich habe mich bedacht, eher zu sterben, als ungetreuund lasterhaft zu werden.

T h a d . Ah, das ist Fopperey! (will sie umarmen) Nichtwahr?J o s e p h . Zurück, Frecher! 15T h a d . Kinderey!

Eilfter Auftritt.Vo r i g e und F l o r i a n .

F l o r i a n . Was ist das?T h a d . Pfuy Teufel! der Herr Vetter! 20F l o r i a n . Was machst du da?T h a d . Was ich da mach, will der Herr Vetter wissen? – Nu – ich

hab mit der Mamsell Sepherl was z’reden g’habt.F l o r i a n . (zu Josephinen) Was will der Bursche?J o s e p h . Seinen Bruder verrathen, und mich an einen dritten 25

verkuppeln.F l o r i a n . Spitzbub!T h a d . Ein bisserl mehr Respekt – ich bin Kanzley-Praktikant –

und in ‹E›inem Praktikanten steckt gar viel, es kann noch einmahl eingroßes Thier aus mir werden. 30

F l o r i a n . Schweig, neubackner Bursch!T h a d . Ho, ho! ich kann noch so altbacken werden, wie der Herr

Vetter.F l o r i a n . Halts Maul, oder ich wirf dich zur Thür hinaus.T h a d . Ich find schon selbst hinaus. Aber das ist schon gemerkt 35

D1 21 – schau – der Herr| Vetter – sitzt aus Barmherzigkeit umsonst inunsern Haus, und ist so grob – Aber ich werds den Herrn Vaternsagen, der wird gleich Ausziehzeit halten – schau! der Zwirnhändler! –(ab.)

Zwölfter Auftritt. 40

F l o r i a n . J o s e p h i n e .F l o r i a n . So redt der Bruderssohn mit mir, aber es wird bald

anders werden. Für wem hat er denn bey dir geworben. –J o s e p h . Für den Rath Schwenkheim! –F l o r i a n . Der? Pfui! – ich glaub, wann unser einer so was thät, 45

so heisset’s ein schlechter Streich – aber d’ ansehnlichen Herrnmeinen, sie erweisen einem noch eine Ehre, wenn sie sichherablassen, ein ehrlichs Madel in ihr Netz zu ziehen. – Geduld! du

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11D1 – Der Zwirnhändler aus Oberösterreich

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sollst ihm bald aus den Zähnen kommen. – Wie stehn deine Sachen?–

J o s e p h . Vortrefflich! – Ich schlüpfte gestern, wie gewöhnlich inMannskleidern zum Hause hinaus, und zum Tanzmeister.

F l o r i a n . War die saubre Madam Bergheim da? –5J o s e p h . Pünktlich! – Sie ist sterblich in mich verliebt, schimpft

über ihren Geldlosen Liebhaber, nämlich ihren Bruder, und istwillens, nächstens mit mir davon zu laufen. –

F l o r i a n . Das ist der Fleck, wo ich sie hab haben wollen. – DuD1 22schreibst gleich ein Billet, daß muß ihr der Tanzmeister zustellen,|10

worin du sie unter einem Vorwand ordentlich zur Flucht überredst –und auf morgen Abend zum Tanzmeister mit Sack und Pack bestellst.– Ich führ dann mein Brudern auch dahin – da soll er sich selbstüberzeugen, von ihrer schönen Aufführung. Ich hoffe, daß unserVorhaben gelingt. Mach deine Sachen nur klug – zum Lohn wird15Franz dein Mann; und du hast das edle Bewustseyn, einen altenNarren von Verderben gere‹t›t z’ haben. Du hast doch niemandenwas davon entdeckt? Auch Franzen nicht?

J o s e p h . Keine Sylbe – so schwer es mir auch fiel.F l o r i a n . Gut! – Bald hab ich nun Ruh, und Ordnung in mein’s20

Brudern Haus wieder hergstellt, bald ihn von dem weiblichen Satanbefreyt, sein braven Sohn versöhnt in seine Arm geführt; dann willich ruhig im freundschaftlichen Kreis, meine Tage zubringen, undmich freun, daß ich noch zu rechter Zeit nach Wien kommen bin, ummein vornehmen Bruder vom Narrenhaus z’retten.25

J o s e p h . Edler! bester Mann! (ab)F l o r i a n . (allein) Nein! das hätt ich mir nicht denkt, wie ich vor

acht Tagen mit mein zwey Schimmeln bey der Linie hereing’fahrenbin, daß ich mein Bruder statt als Schuster, als gnädigen Herrn findensollt – aber solche Verwandlungen seyn heut zu Tag nichts neues –30Aus ein Bedienten wird ein reicher Herr von – aus einer Mamsell ein

D1 23Fräule – – doch mein| Bruder soll die Narrheiten nicht längermitmachen – ich will ihn kuriren von seiner Modesucht, daß er gewißnimmer rezitiv wird. (er geht ab.)

Dreyzehnter Auftritt.35

(Zimmer bey Madam Bergheim.)B e r g h e i m vor einer Toilette, gleich darauf M a r i a n d l .

B e r g h . (springt auf) Mariandl! Mariandl!M a r . (kömmt) Nu! was wollens den schon wieder?B e r g h . Sey so gut, und richt mir mein Chignon, ich plag mich40

schon ein halbe Stund damit, und doch steht er immer krumm. –M a r . Ey was! das ewige zausen und krausen, ich bin zum

kochen, und nicht zum Frisiren da: zwar kocht wird in dem Hausnicht viel, aber desto mehr am Kopfputz studirt, weils alleweil bisüber d’Ohren brennt seyn. –45

B e r g h . Sey nur dasmal so gut!M a r . Warum setzens denn nicht ihr Paröckel auf?B e r g h . Ich habs ja der Nachbarin leihen müssen. (Mariandel

ordnet ihre Haare, alsdann setzt sich Mariandel, und Bergheim rangirt sieebenfalls) So! – nur recht einpudern – daß man d’weissen Haar nicht50

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12Ferdinand Kringsteiner

Andrea Brandner-Kapfer (Hrsg.)

sieht. – Du? – ist der schöne Offizier heut noch nicht vorbeygangen?|

D1 24 M a r . Nein!B e r g h . Dasmal haben wir wieder eine allerliebste Garnison: hi!

hi! wann ich nur ein Uniform sieh, so hüpft mirs Herz im Leib. – 5M a r . Ja das ist wahr, um einen Soldaten ists eine gute Sach –

denn schauns – ich war einmahl bey einer hautschlimmen Frau imDienst – und wie s’ mein damahligen Amanten gesehn hat – einhimmelhochen Grenadier, da ists so höflich g’worden – als nur seynkann. 10

B e r g h . Unter andern Mariandel! ich möcht dir wohl wasanvertraun!

M a r . Nu?B e r g h . Aber verrathen mußt mich nicht – ich werd nimmer

lang in dem Haus bleiben. 15M a r . Das glaub ich gern – Weil der Schuster kein Geld mehr hat

– –B e r g h . Eins – und zweytens hab ich vor fünf Tägen eine neue

Bekanntschaft g’macht mit ein schön jungen Menschen.M a r . Wer ist er denn? 20B e r g h . Wie ich hör, ein Baron – denn er tragt sich auch nobel.

–M a r . Mein! auf das müssens nicht gehn – denn ich hab ein

Kellner zum Liebhaber ghabt – und wann s’ den an einen Sonntaggesehen hätten, so hättens geschworen, er wär ein Lord. – – Wo ist 25denn die Bekanntschaft angangen?

D1 25 B e r g h . Beym Tanzmeister! – Ach! das| ist dir ein Bürschel! soverliebt! – an ihm wird mein Traum wohl ausgehn, denn mir hat vonRad und Galgen träumt, und hi! hi! – das bedeut den Trauring – und’s Brautlager – – Ich hab auch schon ein Plan mit ihm – Dir schenk 30ich 20 Gulden – damit s’schweigst – und ich – ich geh mit meinLiebhaber auf, und davon, – und laß den Schuster wie einengerupften Gimpel sitzen.

Vierzehnter Auftritt.Vo r i g e , und M a t h i e s . 35

M a t h . (guckt zur Thür herein) Ists erlaubt?B e r g h . Ach! mein Schatz! nur herein! Sie können ja zu mir

kommen, wanns’ wollen.M a t h . Wies heut wider ausschaun! – Alle Tag werdens schöner,

und ich alle Stund verliebter. – 40B e r g h . Sie Schelm!M a r . Da wird einem wunderlich ums Herz. (geht ab.)B e r g h . Ich hab mich ja müssen ein wenig putzen – wegen die

Leut, die zur Akademie kommen.M a t h . Wie gscheid! – Aber mich bringt itzt was ganz kurioses 45

zu ihnen. –B e r g h . So reden s’. –M a t h . Ich hab heut erschrecklichen Verdruß ghabt.|

D1 26 B e r g h . Mit wem? –M a t h . Zuerst mit mein Brudern, hernach mit mein ungerathnen 50

Sohn! –

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13D1 – Der Zwirnhändler aus Oberösterreich

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B e r g h . Doch nicht wegen meiner?M a ‹ t h › . Freylich! Sie wolln unser zärtliche Lieb verwüsten. –B e r g h . Das hab ich ihnen gleich gsagt den ersten Tag – Er hat

so ein fatals Gesicht –M a t h . So gwiß ehrlich!5B e r g h . Hat er sich zwanzig Jahre nicht um Sie bekümmert, so

hätt er itzt auch noch in sein Oberöstereich bleiben können. Aber ermuß oben auch ein Zanker gwest seyn – deswegen haben ihm d’ LeutHaus und Hof anzunden; hofmeistern will er? Ha! ha! für ihrn gutenWillen? daß sie’ n aufnehmen, abfütt‹ ›ern, hofmeistern? –10

M a t h . Mein Sohn – den Franzen –B e r g h . Der sich auch unsrer Lieb widersetzt. –M a t h . Den redt mein Bruder ’s Wort – heißt mich ein

Rabenvater –B e r g h . Der Grobian!15M a t h . Mein nobels Leben, sagt er, brächt mich in Schuldthurm

– und mein Amour – ins Narrenhaus! –B e r g h . Entsetzlich! Ich seh schon, der Mensch wird alles

anwenden, um sie mir abwendig z’machen – hernach sitz ich da ohneFreund – ohne Hülf – so weit von mein Heimath entfernt! Ich20Unglückliche. (weint)|

D1 27M a t h . Hörns auf !B e r g h . Aber ich will ihrn Brudern Platz machen – ich will ihn

nimmer sehn –M a t h . Und mein Herz zerfleischen? Nein! er muß aus dem Haus,25

und das heut noch. Sie solln mein seyn, eher laß ich mich in Oehlsieden, und das beste Leben bey mir haben; essen, und trinken, undreiten, und fahrn wollen wir – – zärtliche Liebesgeschichten lesen,und drüber weinen – und in d’Komödie wolln wir auch gehn – aberin so rechte Ritterstück – wo einem schon der Schauer übern Buckel30lauft – wann man nur den Titel lest. Werdens aber auch mein treueLieb bald belohnen?

B e r g h . Wanns wolln! wir reisen nach Nürnberg – dort solln sieeine Anstellung – und mein Hand obendrein haben.

M a t h . (freudig) Ists wahr? (reißt eine goldne Kette vom Leib) da!35nehmens die Ketten, sie hat mich 3 Dukaten kost – tragen sies – siedürfen mirs nimmer zuruckgeben – bey mir ists nicht wie bey andernAmourn – wann es Verdruß absetzt – oder das einander nicht mehrmögen, daß d’ Brieferln – Ringerln – Schnupftücherln undHaarwukeln, wie d’ Kriegsgefangenen gegen einander auslösen.40

B e r g h . Sie seyn so gütig! – womit kann ich Ihnen alles dasbelohnen? Ist Ihnen mein ewige Lieb gnug?

M a t h . Uibrigs gnug – (Umarmung)|

D1 28Fünfzehnter Auftritt.Vo r i g e . T h a d d ä d l .45

T h a d . (küßt der Bergheim die Hand) Ihr Gnaden unterthänigsterKnecht! – Herr Vater, die Gesellschaft ist schon fast beysamm.

M a t h . (leise) O verflucht! und kein Bissen z’ essen! (laut) MeinGoldtauben! spazieren’s derweil voraus, ich komm gleich nach.

B e r g h . Aber ja bald! Adieu Schatz! (wirft ihm Küsse zu, und geht50ab)

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14Ferdinand Kringsteiner

Andrea Brandner-Kapfer (Hrsg.)

M a t h . Thaddädl! um alles in der Welt, was fangen wir an? – dieSchand! Eine Akademie, und nicht ein geselchtes Würstel dazu!

T h a d . Ja! (sinnt nach) Ich wüßt wohl was –M a t h . O red, da hast zwey Gulden, hilf mir nur dasmal aus.T h a d . Und was krieg ich für ein Präsent? 5M a t h . Ich laß dir den Rock wenden.T h a d . Itzt hör der Herr Vater auf, der ist ja ohnedem schon

tamisch vor lauter wenden. – Nu! laß der Herr Vater nur michmachen, ich will uns auf d’ beste Art von Gästen helfen.

M a t h . Thaddädl, überwind dich, und mach kein Dalken. (ab) 10T h a d . Wie wars – richtig, so geht’s. Unten im Wirtshaus sitzen

D1 29 etliche abgedankte Soldaten, die haben eh jeder ein Spitzerl, und|unser ehmaliger Altgesell, der Schlauchwastel ist auch dabey, wennich ein jeden ein Siebenzehner gieb – so – he, he, he! Richtig, es geht!die Gäste kommen uns gewiß so bald nimmer! (ab) 15

Sechzehnter Auftritt.(Gesellschaftszimmer. H e r r e n und D a m e n sind versammelt. In der Mittedas Orchester, und welches sich einige Gäste als Dilletanten mit Instrumenten

beschäftigen.)E r s t e r G a s t . Das ist wahr, jede Musik ist schön, aber nichts 20

ist über die türkische.Z w e y t e r G a . Sie haben Recht, die hebt einem d’ Füß von

Grund auf.E r s t e r G. Aber hören’s, das Ding kommt mir heut verdächtig

vor, auf den Heerd hab ich kein Fünkerl Feuer gesehen. 25Z w e y t e r G. Wird halt aus dem Wirthshaus geholt werden.E r s t e r G. (getröstet) Glaubens? denn ich hab ein

erschrecklichen Hunger, weil ich heut statt dem Mittagmahl ’sDonaubad braucht hab. –

Siebzehnter Auftritt. 30

Vo r i g e . M a t h i e s führt die B e r g h e i m im Arme herein.M a t h . Meine Herren und Damesen!(Verbeugung von allen Seiten.)|

D1 30 E r s t e D a m e . (zur Zweyten) Wie sich die Alte putzt – wie einSchlittenpferd! 35

Z w e y t e D. Ich möchts mit kein Hölzel anrühren – (Bergheim istin der Reihe zu komplimentiren auch auf sie gekommen) Weils erlaubt haben– (küßt sie)

B e r g h . Es ist mir ein besonderes Vergnügen!M a t h . Allons, meine Herrn! ich kann’s schon nimmer erwarten. 40

Ists gefällig? (alles setzt sich) Wann der Thaddädl nur dasmal keinEselstreich macht!

(Die Akademie fängt mit irgend einer Simphonie an. Gleich darauf hört manLärm und Säbelgeklirr. Alle springen auf und rufen: was ist das?)

T h a d d ä d l . (eilt herein) O weh! wir alle seyn hin! Besoffne 45Soldaten – sie schlagen alles z’samm – hauen alles todt. Hülf! Hülf! –

(Allgemeiner Lärm. Soldaten taumeln herein mit bloßen Säbeln, derSchlauchwastel mit einem Knotenstock; die Soldaten eilen theils auf Thaddädl,

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15D1 – Der Zwirnhändler aus Oberösterreich

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theils auf die Gäste, und wollen einhauen. Die Gäste stürzen durcheinander, dasOrchester wird umgeworfen, allgemeine Verwirrung und Geschrey. Alles eiltdavon unter lauten Hülferufen. Perücken, Handschuh und dergleichen bleiben aufdem Kampfplatz.)

Ende des ersten Aufzugs.|5

D1 31Zweyter Aufzug.(Zimmer im Hause des Rath Schwenkheim.)

Erster Auftritt.E v e r l allein.

Was? den Madeln nachlaufen – und mich und mein alt’s getreu’s10Herz auf d’ Seiten werfen? Geduld! das soll dem gnädigen Herrn übelbekommen!

Zweyter Auftritt.S c h w e n k h e i m und E v e r l .

E v e r l . Wird wieder ausgeflogen?15S c h w e n k h . Ich habe dringende Geschäfte!E v e r l . Die ihnen vor morgen fruh nicht werden nach Haus

kommen lassen, nicht wahr?S c h w e n k h . Du wirst ziemlich unartig!

D1 32E v e r l . Da schau ein Mensch! – Soll| ich etwa das Leben20gelassen ansehen und lachen?

S c h w e n k . Everl!E v e r l . Ey was! Everl hin, Everl her! Ich muß ’s Maul einmal

recht weit aufmachen, oder glaubens, daß ich statt Hirn, Spenat imKopf hab? Nicht wahr? vor zwey Jahren hat d’ Frau noch gelebt, da25hat es geheissen, liebe Everl links, liebe Everl rechts – wie viel Stundseyn’s nicht bey mir gesessen, und haben mir hundertmal gesagt,daß’s mir treu seyn, und mich heurathen wollen?

S c h w e n k h . Heurathen? heurathen?E v e r l . Wär’n etwa sie der erste, der sein Dienstmadel vom Fleck30

wegg’heurathet hätt? da giebt’s g’nug Beyspiel. Die angeseh’nsten,stolzesten Frauen, wer warn’s? – arme saubre Dienstbothen. Aber ichweiß schon, seit meiner letzten Krankheit – daß ich ein bisserl Thalabgeh mit mein G’sicht, itzt ließens mich sitzen, das wär mir richtignicht lieb.35

S c h w e n k h . Aber so beruhige dich nur –E v e r l . (immer heftiger) Ist das der Dank, daß ich mich von der

seligen Frau hab scheren lassen, wie ein Pudel? und daß ich nie keinLohn begehrt hab, weil ich weiß, daß sie’n nicht zahlen können? PfuyTeufel! ein schöner gnädiger Herr! und ich sags ihnen, ich g’spühr40was von einer Parthie, und wann ich drauf komm, so mach ich ihnenz’ Schanden vor der ganzen Welt, und kratz ihnen d’ Augen aus.(erzürnt ab.)|

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16Ferdinand Kringsteiner

Andrea Brandner-Kapfer (Hrsg.)

D1 33 S c h w e n k h . (wischt sich den Schweis ab) Wahrhaftig, eine solcheGattung Weiber macht den Teufel! höchst überflüssig!

Dritter Auftritt.S c h w e n k h e i m und E v e r l .

E v e r l . (trotzig) Der Kanzlist Trommer ist im Vorzimmer. 5S c h w e n k h . Trommer? Bin ich in der Fassung, mit ihm zu

sprechen? Wird doch er meine Verstellungskunst nicht scheiternmachen. – Er soll kommen!

E v e r l . (ab)

Vierter Auftritt. 10

S c h w e n k h e i m und Fr a n z .S c h w e n k h . Was steht zu Diensten, lieber Vetter!F r a n z . Ich komme um ihre Fürsprache zu bitten, im Betreff der

erledigten Stelle. Ich diene 10 Jahre, kenne das Geschäft, auch trifftmich die Reihe, somit glaub ich allerdings Ansprüche zu haben. 15

S c h w e n k h . Alles ganz gut! aber es giebt noch mehr gedienteLeute, auch kömmts nicht allein auf mich an, was ich beytragen kann– Sie haben ja eine Geliebte?|

D1 34 F r a n z . Ja, erhalt ich die Stelle, so hab ich Hoffnung, sie zumWeibe zu bekommen. 20

S c h w e n k h . (höhnisch) Ja, muß es denn geheurathet seyn?F r a n z . Ich bin nicht aus der großen Welt, sonst würd ich mich

mit Buhldirnen abgeben, oder Mädchen und Weibern Schlingen legen– so find ich nach vollendeten Geschäft nur Erhohlung im häuslichenGlück. 25

S c h w e n k h . Sie können um die Stelle anhalten.F r a n z . Und wenn Gerechtigkeit handelt, bin ich meiner Sache

gewiß.S c h w e n k h . Gerechtigkeit? Unter meiner Leitung gehn keine

Ungerechtigkeiten vor. 30F r a n z . Freylich, es geschieht A l l e s von Rechtswegen.S c h w e n k h . (leise) Bube! (laut) Wissen sie was, die Männer,

sehen sie, können eine Bitte nicht so gründlich unterstützen, als dieWeiber – Schicken sie mir ihre Geliebte, ich will sie meinen Kollegenvorstellen, vielleicht kann es ihnen glücken – 35

F r a n z . Herr Rath! um einen solchen Preis erkauf ich keineBeförderungen.

S c h w e n k h . Es geht nun einmal nicht anders – man mußgewisse moderne Maximen beobachten –

F r a n z . Die ich wohl hier am besten lernen könnte? 40D1 35 S c h w e n k h . Junger Mann mit der Dreu-| stigkeit werden sie

nicht reusiren – davor steh ich –F r a n z . Nicht? wirklich nicht? Nun gut – d a s sah ich voraus.

Sie zwingen mich also, mein Recht anderwärts zu suchen. Ich ruhenicht, und sollt ich bis vor dem Fürsten kommen. Ich will ihm die 45Rotte entlarven, die die Gewalt, die er ihr gab, so schändlichmißbraucht – ich will ihm Dinge entdecken, wozu s i e wahrlich nichtlachen werden.

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17D1 – Der Zwirnhändler aus Oberösterreich

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S c h w e n k h . (verlegen) Moderiren sie sich –F r a n z . (in der Folge immer heftiger) O daß ich laut genug rufen

könnte, die ganze Welt sollt es wissen, daß sie ein Nichtswürdigersind. Ich habe Beweise, das Geschrey der Unterdrückten, dasJammern der Betrogenen wird mich unterstützen, und ich will ihnen5eine Musik vorspielen, worüber sie die Sinne verlieren werden. Werbrachte den Sekretär Werner vom Brod, als sein Weib ehrlich genugwar, ihren teuflischen Vorschlägen zu widerstehn? wer verhalf ihmzur Vestung? wer machte die Kinder zu trostlosen Waisen? Ha, eswürkt! Herr Rath, ich erhalte, was mir vor Gott und der Welt gebührt,10oder sie üben an mir den letzten Bubenstreich aus! (schnell ab)|

D1 56 [recte 36]Fünfter Auftritt.S c h w e n k h e i m allein.

Das giebt heute einen heißen Tag! Impertinenzen von allen Seiten!aber ich will den Burschen demüthigen, daß er in Zukunft einen15Mann meines Gleichen gewiß mit den sekanten Wahrheitenverschont. – Verklagen willst du mich? Guter Junge! Eh ich s t ü r z e ,ist dein Glück schon in Tr ü m m e r n .

Sechster Auftritt.S c h w e n k h e i m und T h a d d ä d l .20

T h a d . War das nicht mein Bruder, der just fort ist?S c h w e n k h . Ja!T h a d . Haben sie mit ihm geredt?S c h w e n k h . Ja, und er mit mir. Aber wie stehts mit

Josephinen?25T h a d . Schlecht, ich dank dem Himmel, daß ich mit heiler Haut

davon kommen bin.S c h w e n k h . Wie so?T h a d . Mein grober Herr Vetter ist dazu kommen.S c h w e n k h . Verdammt! – und das Mädchen?30T h a d . Sie opfert der Tugend ihr Leben, sagt’s.

D1 37S c h w e n k h . Das hat ihr ein Esel gelehrt.| Was ist nun zu thun?noch geb ich meine Absicht nicht auf. Haben sie Muth zu einerneuen Unternehmung?

T h a d . Ja – wanns keine sichere Schläg giebt?35S c h w e n k h . Wir wollen das zärtliche Täubchen entführen.T h a d . Sie seyn doch ein feiner – – Aber wie stellen wir das Ding

an? mich allein prügelt’s wie ein Nußsack!S c h w e n k h . Zwey Vertraute von mir sollen sie begleiten.T h a d . Da bin ich schon dabey, wann unser drey d’ Schläg40

theilen, so kommt nicht so viel auf mich.S c h w e n k h . Hier ist Geld! Sie schleichen sich gegen 9 Uhr an

Josephinens Haus, wo schon meine Leute ihrer warten. Die Alte ist,wie ich durch andere Kundschafter erfahren, um diese Zeitgewöhnlich bey einer kranken Nachbarin zum Besuch.45

T h a d . Versteh schon! – wirf ihr ein Tüchel übern Kopf, und imWagen hinein – und daher.

S c h w e n k h . Richtig! aber vorsichtig, daß man sie nicht ertappt.

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18Ferdinand Kringsteiner

Andrea Brandner-Kapfer (Hrsg.)

T h a d . Ah, ich bin ja nicht so dumm –S c h w e n k h . Bringen sie mir das Mädchen, so will ich sie

reichlich belohnen.T h a d . Itzt geht’s z’samm – ich will gewiß mein Stückel

gescheidt ausführen.| 5D1 38 S c h w e n k h . Leben sie wohl, aber verschwiegen!

T h a d . Stumm wie ein Fisch! (ab)S c h w e n k h . Hab ich das Täubchen einmal in meinen Armen,

dann soll der zärtliche Koridon sein Liebchen suchen, wo er will – ha!ha! (ab) 10

Siebenter Auftritt.E v e r l , die den ganzen vorigen Auftritt mit angehört.

Was ist das? den ehrlichen Menschen sein Madel entführen? sieunglücklich machen? – Nein! das geschieht gewiß nicht. Mich hat dergnädige Herr betrogen, aber eine andere sollen sie nimmer betrügen! 15ich will die ganze Sach entdecken, und dann mit Sack und Pack ausdem Lasterloch wandern. (ab)

Achter Auftritt.(Zimmer in Mathies Wohnung.)

F l o r i a n allein. 20

Mein Bruder schleicht um mich herum, wie d’ Katz um den Brey –er will mir g’wiß was unangenehmes sagen, und traut sich nicht – ichbin doch kurios, wie weit’s die Alte bey ihm bringt.|

D1 39 Neunter Auftritt.Fl o r i a n und H a u e r . 25

H a u e r . Sie verzeihn, wohnt in dem Hause nicht ein Weibsbild?F l o r i a n . Mein lieber Freund! das ist eine weitschichtige Anfrag.H a u e r . Sie ist nur ein gemeines Weib, aber sie giebt sich für

eine Madam aus.F l o r i a n . Was? 30H a u e r . Sagt, sie war eine Offizierswittib, und zieht einen

dalketen Landschuster gar jämmerlich bey der Nasen herum, und thutschon 6 Monath bey ihm fouragiren. Sie ist leicht z’kennen, denn ihreZähne seyn wie eine Stadtmauer, die dresch geschossen ist.

F l o r i a n . So wahr ich leb, das ist die saubre Madam Bergheim! 35– Was hat er für ein Antheil an der Person?

H a u e r . Ach Gott! den schlimmsten von der Welt – sie ist meinWeib!

F l o r i a n . Sein Weib? Wer ist er?H a u e r . Ich war ein Regimentstrompeter, bin aber abgedankt 40

worden, weil mir der Athem ausgangen ist, da hat denn vor 4 Jahren,wie ich noch im Feld war, mein Weib den Regimentskornetenallerhand Supperln kocht, und Zuspeiserln gewarmt, und das hab ichhalt nicht gelitten, und da ist’s mir desertirt, und hat meine 7 Kinder,

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19D1 – Der Zwirnhändler aus Oberösterreich

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und mich, unausgewachsen sitzen lassen.|D1 40F l o r i a n . Abscheuliches Weib!

H a u e r . Ungefähr find ich da in der nächsten Gassen ein bekanntKellner im Wirthshaus, der ehmals Marketander war, und der sagtmir, daß er mein Weib öfters in dem Haus an Fenster gesehen hat.5Ich möcht halt gern ein paar deutliche Wort mit ihr reden, hernachkann’s mir nochmal durchgehn, wann’s will, ich halt’s meiner Seelnicht auf.

F l o r i a n . Guter Freund! er geht schon recht, wir haben leiderden Satan im Haus, aber wir wollen’s bald los kriegen.10

H a u e r . So danken’s Gott! Eher wollt ich zehn Husaren ’ssingen lernen, als das Weib zur Raison bringen. Wann ich dazumalg’storben wär, wie’s noch bey mir war, so wär ich schnurgrad imHimmel g’fahren, denn d’ Höll hab ich an ihr schon auf Erden g’habt.

F l o r i a n . Wo seyn denn seine Kinder?15H a u e r . Den armen Würmerln hab ich im Wirthshaus derweil

ein paar Massel Wein einschenken lassen, vielleicht beißt ihnen dersechszehner d’Seel ab, denn erhalten kann ichs ohnedem nicht mehr;es ist zwar Schad, denn wenn uns der Herr alle z’samm blasen höret,so meinet er richtig, es ist ’s jüngste Gericht vor der Thür.20

F l o r i a n . Weiß er was, nimm er seine Kinder, und geh er dagleich in die zweyte Gassen, zum Tanzmeister Kaspar. Erzähl er ihm

D1 41das, was er mir itzt g’sagt hat, und laß er sich ein| Seitenzimmeraufsperren. Dort bleib er, bis ich komm, dort soll er sein Weib sehen.

H a u e r . Ganz gut! ich weiß zwar nicht, was ’s im Willen haben,25aber ich thue was ’s schaffen. (ab)

Zehnter Auftritt.Fl o r i a n , gleich darauf M a t h i e s .

F l o r i a n . Bruder! Bruder! in was für Händen bist du gewest!M a t h . (von der Seite) Just recht, daß ich dich find – du warst itzt30

8 Täg bey mir im Haus.F l o r i a n . Leider ja!M a t h . Es hat dir nichts gefehlt?F l o r i a n . Nein!M a t h . Ich kann dich nimmer behalten – ich laß mich nicht35

korigir’n, ich bin kein klein’s Kind.F l o r i a n . Aber ein großer Narr!M a t h . Bruder!F l o r i a n . Also dahin hat’s dein’ ehrsame Madam sogar bracht?

dein eignen Brudern willst aus dem Haus werfen?40M a t h . Ich laß mir nichts vorschreiben, ich leb nach der Mod.F l o r i a n . Ah so! du schamst dich deines Standes, und giebst

dich für mehr aus, als du bist, weil’s Mod ist? du laßt dein Sohn imD1 42Elend sitzen, und lebst voll auf, weil das Mod| ist? du laufst mit dein

grau’n Haaren den Weibsbildern nach, weil’s Mod ist? O über die45verdammte Mod! sie war schon das Grab von so viel hundertFamilien, sie hat Ruh und Eintracht aus manchem Haus vertrieben,und ein Jammer und Elend zurucklassen, das gewiß nicht modernwar.

M a t h . Das alles denkst nur du von mir!50F l o r i a n . Nein! ich sag das, was die ganze Stadt redt.

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20Ferdinand Kringsteiner

Andrea Brandner-Kapfer (Hrsg.)

M a t h . Und was sagt’s?F l o r i a n . Daß du hint und vorn betrogen bist. Es ist gut, ich

geh! aber vorher muß ich dir noch ein paar Wort sagen. Ich hab zwarglaubt, wie ich mein Haus und Hof in Flammen gesehen hab, meinBruder wird mich nicht erhungern lassen, ich hab glaubt, du wirst 5noch in dein friedlichen Landstadel sitzen, und deinSchusterhandwerk treiben, und meine alten Tag fristen, aber da habich mich betrogen. – Der Zufall laßt dir 30.000 Gulden aus derLotterie gewinnen, du hängst dein ehrlichs Handwerk am Nagel, undtreibst dafür ein schlechtes, du machst ein Tagdieb, und dein jüngerer 10Sohn macht dirs auf ein Haar nach. Ueber all’s das find ich dich altenKerl mit einer Liebschaft, die dir schon 6 Monath übern Hals sitzt,sich für eine Offizierswittib ausgiebt, dich um dein Geld rein prellt,und dein braven Sohn verschwärzt hat.

M a t h . Du bist grob! 15D1 43 F l o r i a n . Es kommt erst. Sag, was soll| aus der Geschichte

werden? deine Gläubiger werden alle Tag dringender, deine Schuldengrößer – wie willst zahlen?

M a t h . Ich hab gute Freund!F l o r i a n . Bau nicht auf Freundschaft in der Noth, sie ist wie ein 20

schwacher Stock, wer sich z’ stark darauf lehnt – der fallt in Koth!M a t h . Aber was willst denn mit mir?F l o r i a n . Dein Modeteufel austreiben! – Bruder, laß ab! noch

ist’s Zeit, werd wieder was du warst – ein ehrlicher Schuster! so vielwoll’n wir bald z’samm bringen, um deine größten Schulden z’ 25zahlen, versöhne dich mit dein Franz, widersetz dich seiner Heurathmit sein braven Madel nicht länger, halt dein Thaddädl in bessererZucht, gieb deine schlechte Liebschaft auf!

M a t h . Du bist halt ein grober Zwirnhandler, ein dreyfadigerFlegel! 30

F l o r i a n . Aber meine Ehre ist vierfadig, und deine ist vonSchustergarn! – Mathies! zum letztenmale red ich mit dir, deinUnglück ist nah, Schand und Spott wart auf dich – und du hast nichteinmal den besten Trost im Elend, reines Gewissen.

M a t h . Es ist wahr, ich hab ein bisserl viel Schulden, aber meine 35Amour ist ehrlich.

F l o r i a n . Ich will dich überzeugen, heut noch überzeugen, daßdu schrecklich hintergangen bist. Alle Abend geht’s zum Tanzmeister,liebelt wie eine alte Katz, lacht über dich, und itzt – itzt hat’s einen

D1 44 jungen Buben, mit dem| will’s durchgehn, und dich im Morast sitzen 40lassen.

M a t h . Mein Amour? das ist nicht möglich!F l o r i a n . Du sollst’s sehen. Dank Gott, daß ich auf ihre Schlich

kommen bin! dank Gott, daß ich dich noch zu rechter Zeit rettenkann, eh alle Hülfe zu spat ist. 45

M a t h . Wenn das wahr wär – Florian, wenn du recht hättest –ich häng mich auf !

F l o r i a n . Dadurch machst dein Fehler nicht gut. Sey reuig,verlaß die Stadt, wirf den gnädigen Herrn weg, setz dich wieder aufdein Dreyfuß, sey Vater deiner Kinder, das war ja die letzte Bitt 50deines sterbenden Weibes – hast die so bald vergessen?

M a t h . Das verfluchte noble Leben! Bruder, ich geh mit dir! führmich hin, und wann ichs sieh, so tritt ich die Alte mit Füßen, so langich mich rühren kann! (ab)

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21D1 – Der Zwirnhändler aus Oberösterreich

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F l o r i a n . Dem Himmel sey Dank! ich hab gewonnen! meinBruder ist wieder bekehrt, und auf den Weg, ein ehrlicher Mann z’werden.

Eilfter Auftritt.Fl o r i a n und der T a n d l e r mit einem Bild.5

T a n d l e r . Nichts für ungut hint und vorn! wo ist denn der jungeHerr vom Haus?|

D1 45F l o r i a n . Was will er ihm denn?T a n d l e r . Den Schopf beuteln, hint und vorn! denn so ein

Leutbetrüger existirt nicht, wie er.10F l o r i a n . Warum? wer ist der Herr?T a n d l e r . Ich bin ein Tandler, und hab zwar nicht die Ehr, den

Herrn z’kennen, aber der Herr schaut so ziemlich ehrlich her. Dakommt vor ein paar Tagen der Schlingel, der Thaddädl zu mir, undverkauft mir das Bild vor’n Prinz Eugeni, und sagt, in der Kleidung15hätt er sich begraben lassen.

F l o r i a n . Der Spitzbub! das bin ja ich!T a n d l e r . Er redt mir’s hint und vorn ein, und ich Esel gieb

ihm ein halben Thaler dafür, wie ich’s nun den Leuten als eine Raritätzum kaufen anbiethen will, lachen mir alle ins Gesicht, und sagen, der20seh den Prinz Eugeni so wenig gleich, als ich einen türkischen Pascha.

F l o r i a n . Die Schand, den Vetter auf ’n Tandelmarkt!T a n d l e r . Was Schand! das bitt ich mir aus, übern Tandelmarkt

muß der Herr hint und vorn nicht schimpfen! bey mir hängen d’respektabelsten Leut und d’ schönsten Sachen herum. Schau! wer25weiß, hat der Herr so ein guten Rock anzulegen, wie ichs verkauf. Beymir kann sich der Handwerksbursch wie der Kavalier von Fuß aufkleiden, und d’ neusten Moden kann man da um ein leicht’s Geldmitmachen, also Respekt hint und vorn! verstanden?

D1 46F l o r i a n . Nu, nu! sey der Herr nur| nicht bös. Ich zahl dem30Herrn das Bild, wie er’s kauft hat, und somit bleib’n wir gute Freund.(giebt ihm Geld.)

T a n d l e r . (nimmt das Geld vor das Bild) Ah, wann das ist! So –gestrenger Herr! wann’s was brauchen, nur geschafft! – Am bestenist’s im Fasching zu kaufen, denn da bringen d’ Leut d’ schönste35Sachen um’s halbe Geld, weil manchem hint und vorn ein Redoutlieber ist, als ein ganzer Rock. Nu, ich befehl mich hint und vorn! (ab)

F l o r i a n . Also um Geld z’kriegen, verkauft er mein Bild; so ister auch um’s Geld im Stand, mich selbst zu verkaufen. WartThaddädl! dich zu bekehren, wird nur ein Haßlinger im Stand seyn.40(zur Seite ab)

Zwölfter Auftritt.Der T a n z m e i s t e r .

Da war ich! – Wann ich nur die alte Strunzel z’ sehen kriegt. Es istdoch ein verdammte Spitzbüberey, zu der ich mich brauchen laß. Nu,45wann d’ Alte wüßt, daß ihr vielgeliebter junger Baron ein verkleidt’sMadel ist, und daß sie’s nur foppen wollen, sie drehet mirs G’nackum, wie ’s sich gehöret. Aber es geschieht ihr schon recht, sie macht’s

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22Ferdinand Kringsteiner

Andrea Brandner-Kapfer (Hrsg.)

ja den armen Schuster um kein Haar besser. Ha, ha, ha! die Altespienzeln z’ sehen, das ist über alles. D’ Augen glosen ihr, wie ein

D1 47 Diebslaternel,| d’ Adern laufen ihr an wie d’ Plunzen, und schwitzenthut’s dabey wie ein Lehnkutscherrössel, das in ein Nachmittagsechsmal im Prater war. Ah sapperment, da hör ich wem! 5

Dreyzehnter Auftritt.K a s p a r und M a r i a n d l .

K a s p . Ah guten Abend, Schatzerl! möchten’s nicht so gut seyn,und mich bey der gnädigen Madam anmelden?

M a r . Warum gehn’s denn nicht selbst hinein? 10K a s p . Ey ja, da bin ich kein Narr! ein einzigsmal hab ich mir die

Freyheit genommen, und bin gäh hinein gangen, aber mir war baldübel worden.

M a r . Warum denn?K a s p . Da hab ich meine Wunder gesehen, da ist ihr langer 15

Chignon und Toupee mit einander in der größten Freundschaft aufein Paröckenstöckel gestanden, da seyn drey Farbentiegel gewest, undda herüber seyn ein 4 Stockzahnderln gelegen, und sie – ha ha! sie hatsich just barbiert, (beyde lachen) und seit der Zeit geh ich nimmerunangemeldt zu einem Frauenzimmer. 20

M a r . Unter andern, Herr Kaspar –K a s p . Monsieur! wenn ich bitten darf.M a r . Also Monsieur Kaspar! sie könnten mir ein rechten

Gefallen erweisen.|D1 48 K a s p . So ein hübschen Madel mit Vergnügen! 25

M a r . Ich hab eine neue Amour mit ein blondenKaufmannsdiener, und der tanzt so gern, und da möcht ich halt auchso ein bildschön Menuet lernen.

K a s p . Versteh schon! So lernen sie lieber die Tanzkunst vonGrund aus. 30

M a r . Ja, wie lang dauert denn die Lehrzeit?K a s p . Es ist halt nicht gleich! eins lernt langsamer, ’s andere

g’schwinder, je eher eins anfangt, desto eher wird’s fertig.M a r . Aber die Zeit?K a s p . In drey Monathen, zwey Tägen. In ein halb Stund und 35

drey Sekunden lern ich einem ’s tanzen, er müßt nur Stroh im Kopf,Baumwoll in Ohren, und Bley in Füßen haben. Kommens nur zu mirin d’ Schul; ich hab gute Musik, recht laut, es geht alles frisch vomFleck weg.

M a r . Aber sie geben ja auch außerm Haus Lektion? 40K a s p . Ich muß wohl! Aber ich hab jetzt ganz eine neue

Spekulation. Weil’s bey den schlüpfrigen Zeiten höchst nothwendigist, daß d’ jungen Leut nicht allweil stolpern, so will ich den Kindernund Erwachsenen ’s gehen lernen, und ’s ausweichen, dadurch wirdmein Nahrungszweig erweitert, und ich werd unentbehrlich.| 45

D1 49 M a r . Sie seyn halt ein Kreuzkopf. Also ich bin ihre Schülerin?K a s p . Sie sollen sich über meine leichte Lehrart wundern. Aber

was habens denn da mein Schatz?M a r . St! das darf niemand wissen, das ist’s Jauserl für mein Frau,

ein halb Seitel Brandtwein und 6 Würst. 50

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23D1 – Der Zwirnhändler aus Oberösterreich

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K a s p . O pfuy Teufel! Da müssen ja ihre Küsse verdammtkropferln. Speisen sie vielleicht auch mit?

M a r . Der Himmel bewahr mich! für ein solches Traktament istmein Nervensystem viel zu schwach, ich trink meistens Kaffee. Indem Punkt ist der Dienst recht gut.5

K a s p . Um Verzeihung, seyn sie schon lang da?M a r . Schon seit 14 Tägen, und das ist von 25 Diensten, die ich

in Zeit von 3 Wochen g’habt hab, einer von besten. Meine Frau lebtauf den besten Fuß mit mir. Unter uns, wo die Frau nicht viel taugt,haben ja die Dienstbothen die besten Täg.10

K a s p . Aber itzt seyn’s so gut –M a r . Den Augenblick. (zur Seite ab.)K a s p . Itzt Zwiebel, nimm dich z’samm, damit d’ Alte nicht

merkt, daß’s prellt wird, sonst weh mir.|

D1 50Vierzehnter Auftritt.15

K a s p a r und M a d a m B e r g h e i m .B e r g h . Ah mein lieber Maitre!K a s p . Unterthänigster Knecht, ihr Gnaden!B e r g h . Was bringen sie Gut’s?K a s p . Ein Brief von jungen Baron.20B e r g h . Ein Brief? O geschwind!K a s p . Der junge Herr ist völlig außer sich vor Lieb! (giebt ihr den

Brief)B e r g h . Wer weiß, wie viele junge Leut schon aus Lieb zu mir

gestorben seyn. Aber ich kann ja nicht ganze Welt gern haben, ich25theil mein Herz ohnedem in 50 kleine Stückerln, und verschenk’s dortund da.

K a s p . Das ist eine Oekonomie!B e r g h . (liest) „Mein Engel!“ (nimmt eine Prise Taback) Der

Schelm!30K a s p . O pfuy Teufel! der Liebsbrief ist ja schon kästenbraun

von den zarten Tabackfingerln.B e r g h . (liest) „So eben erhalt ich Briefe von meinem Vater – er

ist auf den Tod krank. Ich muß also diese Stadt schleunig verlassen.Da aber meine Liebe gegen sie zu groß ist, als daß ich allein reisen35sollte, so hoff ich, werden sie keinen Augenblick versäumen, ihr Haabzusammen zu packen, und mit mir auf den Flügeln der Liebe davon

D1 51zu eilen. Ihre Antwort, die mein Glück entscheidet, wird|Uiberbringer dieses Briefel mir melden. Ich bin ihr ewig getreuerJoseph Baron von Schnaller.“ – Herrlich! Scharmant! sagen’s, daß ich40völlig weg bin.

K a s p . Ja!B e r g h . Daß ich kommen werde –K a s p . Ja!B e r g h . Und wann’s Spieß regnet –45K a s p . Ja!B e r g h . Daß ich mein Schatull gleich zu samm pack, und ihm

folg.K a s p . Ja!B e r g h . Mich in seine Arme wirf –50K a s p . O ja!

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24Ferdinand Kringsteiner

Andrea Brandner-Kapfer (Hrsg.)

B e r g h . Und mich nimmer von ihm trennen will.K a s p . Gut! aber kommens ja bald, denn wie ich hör, so seyn die

Postpferd schon bestellt.B e r g h . (giebt ihm Geld) Da haben’s für die Nachricht! ich komm

den Augenblick. O Kuppido! Kuppido! wie lieb hast du mich! (ab.) 5K a s p . Geduld Alte! freu dich nicht z’fruh. Sie beißt an! – Nu,

die wird Augen machen, und ein Göscherl haben, wann’s die ganzeGeschicht erfahrt – ich laß mich nicht sehen, sonst massakrirts mich.(ab)|

D1 52 Fünfzehnter Auftritt. 10

(Zimmer in Lisels Wohnung.)J o s e p h i n e in Mannskleidern.

Nun bin ich mit dieser Mummerey fertig! – vielleicht ist’s heutzum letztenmale, daß ich diese Kleidung trage, vielleicht fängt sich dieHeuchlerin in ihren eigenen Schlingen, und macht mich unendlich 15glücklich. – O Franz! Franz! was würd ich aus Liebe zu dir nicht allesunternehmen? Welche Wonne für mein liebendes Herz, den Jünglingmit seinem Vater versöhnen zu können, und ihn dann bald meinnennen zu dürfen. Aber wo Kaspar heut so lange bleibt? – Mir wirdangst und bang, wenn mich meine Mutter in der Verkleidung träfe – 20

Sechszehnter Auftritt.J o s e p h i n e und L i s e l .

J o s e p h . O Gott! da ist sie!L i s e l . Wer ist denn das? Was wolln’s denn noch so spät in mein

Haus? 25J o s e p h . Mutter! liebe Mutter!L i s e l . Was? Sepherl, du bist’s? was soll denn das? bist narrisch?J o s e p h . Die Liebe brachte mich zu dieser Verkleidung.|

D1 53 L i s e l . So red doch!J o s e p h . Bald hätten sie alles erfahren, aber ich will sie jetzt 30

beruhigen. Sie wissen meine Liebe mit Franzen –L i s e l . Leider ja! und ihr konntet schon lang ein Paar seyn, wann

der Esel von einem Vater nicht sein ganzes Vermögen angebrachthätt.

J o s e p h . Sie wissen auch, daß sein Bruder, der Zwirnhändler aus 35Oberösterreich, bey ihm im Haus ist?

L i s e l . Freylich, dem Haus und Hof abgebrennt ist.J o s e p h . Es ist nicht so, liebe Mutter. Er ist reich, und treibt

einen ausgebreiteten Handel. Der Wunsch, seinen Bruder wiedereinmal zu sehen, brachte ihn hieher, wo er ihn aber leider in der 40traurigsten Lage fand. Er beschloß dem Uebel zu helfen, gab sich fürarm aus, und belauschte die Schritte der niederträchtigen MadamBergheim. Da erfuhr er, daß sie täglich Abends spät sich aus demHause schleiche, und bey dem Tanzmeister Kaspar verschiedeneZusammenkünfte halte. Während dem lernte er auch mich kennen, 45fand sich in der Schilderung, die Franz ihm von mir gemacht, nichtbetrogen, und entwarf einen Plan mit mir, um die alte Liebesritterin

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25D1 – Der Zwirnhändler aus Oberösterreich

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zu fangen.L i s e l . Nur weiter! weiter!J o s e p h . Der Tanzmeister ward durch Geld auf unsere Seite

gebracht, und übernahm es, mich so maskirt der Madam BergheimD1 54als| einen Baron vorzustellen, ich stelle mich in sie verliebt, und sie5

wurd es im Ernst.L i s e l . Die alte Schachtel!J o s e p h . So zwar, daß sie bereit ist, vielleicht heute mir mir

durchzugehn.L i s e l . Ich will doch nicht hoffen –10J o s e p h . Nicht doch, liebe Mutter! Der ehrliche Zwirnhändler

bringt seinen Bruder heut zum Tanzmeister, wo er sich selbstüberzeugen soll. Franzens Vater wird dadurch von seiner Thorheitgeheilt, und Franz –

L i s e l . Wird dein Mann! nicht wahr? Ja umsonst thut’s ihr15Madeln kein gutes Werk. Alles gut, aber das ist doch nicht schön, daßdu ohne mein Wissen so bey Nacht und Nebel zum Haus hinauswanderst, und noch dazu in Hosen.

J o s e p h . Liebe Mutter, Verzeihung! die Sache mußte geheimbleiben, wann sie anders gelingen sollte; nicht einmal Franz weiß20etwas davon.

L i s e l . Was nutzt’s, wann ich dich brav ausmach? Geschehn istgeschehn! Aber der alte grobe Schuster verdient nicht, daß du dichseiner annimmst, er hat mich heut empfindlich beleidigt.

J o s e p h . Denken sie, liebe Mutter, er sey krank, und wann er25geneset, wird er mit dankbaren Herzen ihre Nachsicht erkennen.

L i s e l . Man sieht halt, daß du Bücher gelesen hast, du weißtD1 55einem die Sach so um’s| Maul z’ schmieren, daß ich dich auf d’ letzt

noch loben muß.

Siebenzehnter Auftritt.30

Vo r i g e und K a s p a r .K a s p . Nu, seyn’s fertig? – O weh, die Alte!L i s e l . Wer ist denn das? etwa auch ein verkleidtes Madel?J o s e p h . Nein, das ist der ehrliche Tanzmeister. Nur näher,

lieber Zwiebel! meine Mutter weiß alles.35K a s p . Nichts für ungut, aber ich bin unschuldig.L i s e l . Schon recht, schon recht! d’ Absicht ist löblich, aber d’

Mutter hätt man soll’n davon wissen lassen. Aber was geschieht itzt?K a s p . Itzt? – itzt geht der Ritterzug an. Der Brief hat g’wirkt,

die Alte kommt mit Sack und Pack.40L i s e l . Ins Himmelsnahmen! Ich weiß, du bist ein braves Madel,

und wirst dich in nichts einlassen, was deiner Ehre zuwider wär, geh!aber komm bald mit froher Nachricht. – Herr Tanzmeister! vonihnen fordere ich das Madel!

K a s p . Ich steh für sie. Kein Haarl soll ihr krümmt werden. Aber45wir haben höchste Zeit – d’ Alte wird schon zappeln vor lauter Lieb.|

D1 56J o s e p h . Leben sie wohl Mutter, bald werden sie ihre Tochterglücklich wissen, und das ist ja ihr einziger Wunsch.

L i s e l . So geh nur, du Wetterhex! (alle drey ab.)

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26Ferdinand Kringsteiner

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Achtzehnter Auftritt.(Gasse. Zur einen Seite des Tanzmeisters Wohnung, mit der transparenten

Inschrift: „Kaspar Zwiebel, privilegirter Tanzmeister.“ Zur andern Lisels Haus.Man hört dumpfe Musik)

T h a d d ä d l , gleich darauf einige Ve r m u m m t e . 5

T h a d . Das verfluxte Passen – mich frierts wie ein Hund! oderbeutelt mich’s G’wissen? – Kinderey! ’s Gewissen ist wie einGallakleid, das muß man höchst selten anlegen. Die Kerln lassenmich verdammt lang warten. Holla! die Thür geht auf. (Kaspar undJosephine kommen aus dem Hause, und gehen nach Kaspars Wohnung) Das 10war gewiß mein Bruder der Franz, und der grobe Herr Vetter! destobesser, so ist’s Täuberl ganz allein. (die Vermummten erscheinen.)

E r s t e r Ve r m . Bst, Bst!T h a d . Ah, das seyn meine Leut! Bst, bst!E r s t e r Ve r m . Sind sie da? 15T h a d . Freylich, und das schon ziemlich lang.|

D1 57 E r s t e r Ve r m . Ist alles in Ordnung?T h a d . Ja, es liegt itzt nur an uns, alles in d’ Unordnung z’

bringen. Ist der Wagen da?E r s t e r Ve r m . Dort an der Ecke. 20T h a d . Also frisch herein, und Hand ans Werk. (alle drey ab)

Neunzehnter Auftritt.(Voriges Zimmer.)L i s e l arbeitet.

Das Blitzmadel! wie kouragirt sie ist. D a s ist wahr, nur auf die 25Art können dem hochmüthigen Modeschuster d’ Augen geöffnetwerden. O lieber Himmel! wie froh wär mancher, der z’ lang nobelgelebt hat, wann auf d’ letzt so ein Bruder käm, der mit Zwirnhandelt, weil ihm der Faden abgerissen ist. (löscht ohngefähr das Lichtaus) Ey wie ungeschickt – wo werd ich in der Finster Licht 30hernehmen?

Zwanzigster Auftritt.Vo r i g e . T h a d d ä d l . D i e Ve r m u m m t e n .

T h a d . Kein Licht da! – Bst! niemand da?L i s e l . Wer ists?| 35

D1 58 T h a d . Hurtig! die ist’s! (er fällt mit den Vermummten über Liseln her,werfen ihr ein Tuch über den Kopf, und schleppen sie zur Seitenthüre hinaus.Lisel ruft um Hülfe, Thaddädl treibt zur Flucht. Allgemeiner Lärm.)

(Der Vorhang fällt.)

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27D1 – Der Zwirnhändler aus Oberösterreich

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Dritter Aufzug.(Zimmer beym Rath Schwenkheim. Ein Tisch mit Lichtern.)

Erster Auftritt.S c h w e n k h e i m allein.

Endlich bin ich am Ziele, und der stolze Bursche gedemüthiget –5wie er winseln und schmachten wird, ha, ha! – Ich bin doch begierig,wie sich die spröde Schöne gegen mich betragen wird? Vermuthlichweinen, schmählen, und dann verschämt in meine Arme sinken; somachen sie’s alle. (horcht an der Seitenthür) Was Teufel! die poltert ja

D1 59herum wie eine Rasen-|de? Tische und Stühle wirft sie10durcheinander! – Immerhin, ich lache deiner ohnmächtigen Wuth, dubist nun in meiner Gewalt, und in diesem abgelegenen Zimmer istjeder Ruf um Hülfe vergebens. (öffnet die Thür, Liesel stürzt wüthendheraus.)

Zweyter Auftritt.15

S c h w e n k h e i m . L i s e l .L i s e l . Mordelement! was soll das seyn?S c h w e n k h . Alle Teufel! was ist das?L i s e l . Wer seyn sie? wer hat mich daher bracht?S c h w e n k h . Verdammt! der Esel bringt mir statt der Jungen20

die Alte!L i s e l . Nu, kann der Herr reden? Antwort will ich haben, oder

ich mach ein Lärm, daß’s Haus z’samm fallt?S c h w e n k h . Nur ruhig, liebe Frau! ich – man hat –L i s e l . Sich betrogen, nicht wahr? meiner Tochter hätt das gelten25

sollen, und nicht mir?S c h w e n k . Nein, das nicht –L i s e l . Nu wird’s? heraus mit der Farb, oder ich kratz ihm d’

Augen aus!S c h w e n k h . Das Weib hat dem Teufel im Leib!30L i s e l . Ist das eine Art? ehrlicher Leut Kinder stehlen? He! Aber

D1 60ich komm euch| gwiß auf die Spur, und will euchs Handwerk legen. –Stell sich ein Mensch vor – mich eine öffentliche Person – bey Nachtz’entführen! was kann das nicht für ein Aufsehen machen! – MordElement! mich um mein ehrlichen Namen bringen? das leid ich nicht!35– henken müßt ihr Spitzbuben – eher ruh ich nicht. –

S c h w e n k h . Das ist eine verdammte Wäsche! –L i s e l . (packt ihn an der Brust) Red er! oder ich beutel ihm sein

verdam‹m›te Seel aus dem Leib.S c h w e n k h . Nu ja! ich will ja alles erklären nur gemach!40L i s e l . (laßt ihm los) So red der Herr!S c h w e n k h . Ich bin – ich habe die besten Absichten auf ihre

schöne Tochter –L i s e l . Das glaub der Teufel –S c h w e n k h . Meine große Liebe brachte mich auf den Einfall –45

der –

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28Ferdinand Kringsteiner

Andrea Brandner-Kapfer (Hrsg.)

L i s e l . Zum Glück nicht gelungen ist – Wer ist der Herr?S c h w e n k h . Ich bin Rath Schwenkheim!L i s e l . Der saubre Vogel? – ich sags ja! wann d’Alten anfangen

zu spienzeln so seyns noch zehnmal ärger als d’Jungen.S c h w e n k h . Nur ein wenig moderat! 5L i s e l . Was moderat – schamen sie sich – sie seyn schon so alt –

und wolln noch ein Liebsjäger machen? ehrliche Madeln verführen,und ihre Liebhaber wegschnappen? – Und von ihnen ists doppelt

D1 61 schlecht – weil der arme| Franz ihr weitschichtiger Vetter ist – washat Ihnen der Mensch gethan? z’ehrlich wird er seyn, deswegen 10kugeln s’ihn auch herum wie ein Pudel.

S c h w e n k h . Sie irren sich – liebe Frau – ich wußte gar nicht –L i s e l . Still sag ich! – Itzt sieh ich erst, daß selbst der Himmel

das Vorhaben meiner Tochter billige; denn wärs nicht zumTanzmeister gangen, so hätts der Raubvogel schon in Klauen. Aber 15nun lassens mich fort! –

S c h w e n k h . Nich‹t› eher! bis sie mir verzeihen, und über dieSache ein Stillschweigen geloben.

L i s e l . Das auch noch? Meinetwegen! Aber das sag ich ihnen –wanns mein Madel nicht mit Ruh lassen, und den ehrlichen Franzen 20nur im geringsten schikanirn – so geh ich selbst zum Fürsten, undzeig ich, was er dort und da für saubre Hechten hat. – Marsch!zeigens mir den Weg.

S c h w e n k h . Ich möcht rasend werden (beyde zur Seite ab.)

Dritter Auftritt. 25

Fr a n z , und E v e r l .F r a n z . Auch hier ist sie nicht? Ach warum ist sie nicht früher zu

mir gekommen?D1 62 E v e r l . Mein Gott! hab ich Ihnen doch| nirgends gefunden. –

Aber da muß seyn – mein Kopf gieb ich zum Pfand. – 30F r a n z . Josephine! wo? wie wer‹d› ich dich wider finden? ha! daß

ich nicht überirdische Macht habe, um den Bösewicht tausendfach zumartern! – Schwenkheim! Fluch dir! du untergräbst mein Glück!meine Ruhe! du raubst mir das Einzige was ich liebe – raubst mirJosephine! 35

E v e r l . So fassen sie sich doch! Lieber Himmel, wer wird sichdenn das schlimmste vorstellen?

Vierter Auftritt.Vo r i g e und S c h w e n k h e i m , (kommt zurück.)

F r a n z . Ha! Schändlicher! 40S c h w e n k h . Verflucht! wider ein neuer Kampf! –F r a n z . Wo ist Josephine?S c h w e n k h . Ich weiß es nicht! –F r a n z . Wo ist das Mädchen! Sprich! oder ich tödte dich auf der

Stelle. 45S c h w e n k h . Junger Mensch! besinnen sie sich –F r a n z . Ich bin besonnen dich zu erwürgen, wann du mir ihren

Aufenthalt verschweigst!

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29D1 – Der Zwirnhändler aus Oberösterreich

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E v e r l . Da muß sie seyn – ich weiß alles! – ich war Zeuge ihrerUnterredung mit Franzens Brudern!|

D1 63S c h w e n k h . Dummkopf, der ich war.F r a n z . Sprechen Sie! bringen sie mich nicht aufs’ äusserste, oder

bey Gott, ich vergreife mich! –5S c h w e n k h . Es ist wahr! ich hatte Absichten auf das Mädchen!F r a n z . Also deswegen sollte sie meine Fürsprecherin seyn? ich

selbst sollte sie in ihre Arme liefern? schändlich! – abscheulich! –S c h w e n k h . Ihr Bruder both mir selbst die Hand.E v e r l . Das ist erlogen.10S c h w e n k h . Aus ihr spricht die Eifersucht.F r a n z . Weiter!S c h w e n k h . Aber eine glückliche, oder unglückliche

Verwechslung, wie mans nehmen will, brachte mir statt Josephinen,ihre Mutter ins Haus.15

F r a n z . Neue Betrügerey!S c h w e n k h . So wahr ich lebe, so eben führt ich sie die

Hintertreppe hinab. Durchsuchen sie mein ganzes Haus, und wennsie das Mädchen finden, so prostituiren sie mich vor der ganzen Welt.

F r a n z . Also Josephine trafen ihre Kundschafter nicht?20S c h w e n k h . Nein, es war unmöglich, da sie, wie ihre Mutter

selbst sagte, gerade einige Augenblicke vorher (spöttisch) zumTanzmeister gegangen ist.

F r a n z . Zum Tanzmeister? nicht möglich!|D1 64S c h w e n k h . Dasmahl können sie meinen Worten trauen. Sie25

sehen, wir haben uns beyde in dem Mädchen geirrt – wir hielten siefür rechtschaffen –

F r a n z . Sprechen sie den Frevel nicht aus. Verdacht kann auf ihrliegen – aber schuldig ist sie nicht.

E v e r l . Ja, ja, glauben sie ’s nicht – ich kenn die feine Ränk des30gnädigen Herrn –

F r a n z . O schreckliche Ungewißheit! Herr Rath, umGotteswillen, überwinden sie ihre Gewohnheit – und reden sie nureinmahl die Wahrheit.

E v e r l . Der Sach wollen wir bald auf den Grund kommen, sie35gehn nach der Frau Lisels Wohnung und zum Tanzmeister – ich bleibindessen als Schildwach da.

F r a n z . Gut! – aber wenn sie mich wieder betriegen, so schwörich zu Gott, sie haben es das Letztemahl gethan. (ab)

E v e r l . Der arme Mann!40S c h w e n k . Everl!E v e r l . Wir reden nichts mehr mitsamm. Ich paß an der

Hausthür – denn über die Schwelle geh ich nimmer. (ab)S c h w e n k h . Das Stückchen ist schlecht gelungen! – Warum

hab ich aber auch einen Esel zum Unternehmer gewählt. (ab)|45

D1 65Fünfter Auftritt.(Zimmer in Mathies Wohnung.)

T h a d d ä d l .Das ist wahr, den Streich hab ich allerliebst ausgeführt. Der Rath

wird mich g’wiß rufen lassen, so bald er wieder so was braucht. He,50

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30Ferdinand Kringsteiner

Andrea Brandner-Kapfer (Hrsg.)

he, ich bin doch ein ganzer Kerl! Ohne ein Muxerl hab ichs erwischt– und fort mit ihr! Nu, d’Alte wird Augen machen, wann sie ’sTöchterl nicht find. Ha, ha, sie wirds schon wieder kriegen. Und meinBruder, der wird wüthen, wie ein wilder Ochs. Such Franzerl, ’sTäuberl ist ausgeflogen; so gehts, wann man sich mit wichtigen 5Personen verfeind’t.

Sechster Auftritt.T h a d d ä d l und M a r i a n d l .

M a r . Das ist eine schöne Geschicht, der Hausherr schickt schondreymahl herauf um den Zinns. 10

T h a d . Das ist einfältig!M a r . Warum?T h a d . Weil noch kein Hausherr von uns ein Zinns kriegt hat –

und der wird g’wiß nicht der erste seyn.M a r . Das könnens ihm selber sagen. Aber sie, ich weiß eine 15

andere Neuigkeit –|D1 66 T h a d . Eine gute? – Ist etwa gar d’alte Stückeleinsetzerin

g’storben?M a r . Nein, das nicht, aber die zwey Brüder seyn, glaub ich,

versöhnt – sie sitzen bey einander – und trinken und küssen sich. 20T h a d . Was? mein Vater und der Zwirnhandler? küssen sich? –

das versteh ich nicht! was muß denn da geschehn seyn?

Siebenter Auftritt.Vo r i g e . D e r T a n d l e r mit T r ä g e r n .

T a n d l e r . Nur herein! Ah da ist ja der pfiffige junge Herr, der 25sich so gut hint und vorn aufs Leut betriegen versteht –

T h a d . O jemine, der Tandler!T a n d l e r . Wir haben itzt nichts mit einander z’thun – ich will

nur meine Kasten salviren. Packts an, frisch!T h a d . Was geschieht denn da? 30T a n d l e r . Mein Sach, was noch nicht zahlt ist, laß ich

forttragen, weil ich nicht d’ Krida abwarten will, von der schond’ganze Stadt, hint und vorn voll ist –

M a r . Das ist eine wahre Neumodi-Wirthschaft.T h a d . Wie? ein Krida machen? wie dalket – wir stehn allo 35

Cabalo!T a n d l e r , Ja, wie der Esel auf ’n Eis. Ey, ich laß mich nicht

zweymal anschmieren! Fort! Frisch! (Träger tragen Einrichtungsstückefort)|

D1 67 Achter Auftritt. 40

Vo r i g e . Eine O e b s t l e r i n .O e b s t l . Geh ich da recht, zum nobeln Schustermeister?T a n d l . Ja, ja!O e b s t l . Ich möcht ihm gern was vertrau’n.T h a d . So kommt denn das Gesind’l all’s auf einmahl? 45

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31D1 – Der Zwirnhändler aus Oberösterreich

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O e b s t l . Ich hör, er will durchgehn – das wär mir nicht lieb –eher soll er mich zahlen, hernach kann er hingehn, wo er will.

T h a d . Wer ist denn d’Frau?O e b s t l . Ich bin d’ Oebstlerin, vom Eck, und da ist der Herr

alleweil dort gestanden – hat diskurirt, und von 12 bis 1 Uhr nichts als5Obst gefressen – aber alles auf Borg, und itzt will ich mein Geldhaben – oder ich laß’n einsperrn.

T a n d l e r . Das ist eine recht Philu-Familie – der Vater wie derSohn!

T h a d . Der stichelt auf mich. Weiß der Herr, wer ich bin? der10Herr hat meine Ehr tödtlich verwund’t!

T a n d l e r . Mein, mein, an den Blessuren sterben heut z’Tagunter Hunderten, nicht zwey.

M a r . Ich will den alten Herrn rufen, sonst wird der Lärm nochgrößer. (ab)|15

D1 68Neunter Auftritt.Vo r i g e , und noch mehrere B ü r g e r s l e u t e .

1 t e r B ü r g e r . Ohne Umständ, Gevatter! das Kastenwegräumen ist mir verdächtig – ein Schneider braucht auch sein Geld.

2 t e r B ü r g e r . So wie ein Schuster! – Er ist ja, wie ich hör,20selber ein gelernter Schuster; wenn er nicht zahlen will, so hätt er sichja seine Stiefeln selber doppeln können.

T h a d . Wann ich nur dasmahl beym Loch draus wäre. Jetztwirds mit die gnädigen Herrn bald aus seyn; denn die Arbeitsleuthaben alle die verdammte Gewohnheit, sie traktirn einem nur so lang25höflich, als man ’s zahlt.

3 t e r B ü r g e r . Wo ist er denn? hat er sich sehen lassen, wie erd’ Schulden g’macht hat, so soll er sich itzt auch sehen lassen, wannsans zahlen kommt – aber da seyn die windigen Herrn meistens nichtz’Haus.30

Zehnter Auftritt.Vo r i g e , F l o r i a n und M a t h i e s in Mänteln.

F l o r i a n . Was giebst da für ein Lärm? was wollen die Leut?A l l e . Unser Geld wollen wir haben, unser Geld!

D1 69F l o r i a n . Das sollt’s kriegen! Kommt’s| morgen Früh alle35wieder her – da wird alles bezahlt, ich bin ein Zwirnhändler asOberösterreich – und steh für meinen Bruder gut.

1 t e r B ü r g e r . Ja, Herr Trommer, ich kenn ja den Herrn schonlang. Ja, ja! Leut – den dürfen wir schon trauen!

F l o r i a n . Auf mein Wort, morgen ist Zahltag! das wird was40ungewöhnlichs seyn, in dem Haus.

A l l e . Nu, wir empfehlen uns derweil. (all‹e› ab)M a t h i e s . Bruder, du zahlst?F l o r i a n . Das ist dir wieder was neues, du wirst heut noch mehr

erfahren.45T a n d l e r . So kann ich meine Kasten auch wieder da lassen.F l o r i a n . Fort damit, hier braucht mein Bruder kein

Einrichtung mehr.

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32Ferdinand Kringsteiner

Andrea Brandner-Kapfer (Hrsg.)

T a n d l e r . Ist auch recht. (ab)T h a d . O je, der Herr Vetter hat Geld? Ach, theuerster Herr

Vetter!F l o r i a n . Mit dir Lump, wird wer anderer reden.T h a d . Ich hoff doch nicht – 5M a t h i e s . Schweig!F l o r i a n . Der Haßlinger wird dich bekehren, und dir die Lust,

schlechte Streiche z’machen, vertreiben. Komm Bruder, laß uns denHauptschritt machen, ich hoff, er wird gut ausfallen.

M a t h i e s . Florian, fast trau ich mich dich itzt schon nimmer 10anz’schauen.|

D1 70 F l o r i a n . Laß ’s gut seyn, jeder Mensch muß in sein Lebeneinmahl ein dummen Streich machen. Komm, zum Tanzmeister!(beyde ab)

T h a d . (allein) Was hab ich g’hört? ich glaub gar, mein Vetter will 15sich bekehren. Und d’alten Herrn haben ja was von Tanzmeisterg’sagt. Thaddädl, das mußt wissen. Marsch nach, zum Tanzmeister!(ab)

Eilfter Auftritt.(Gasse wie im zweyten Akt.) 20

Fr a n z und L i s e l aus ihren Haus.L i s e l . Aber itzt seyns ruhig?F r a n z . Vollkommen! das herrliche Mädchen, wie viel hab ich

ihr zu verdanken; wenn sie meinen Vater von seiner Thorheitzurückbringt. 25

L i s e l . Alles wird gut werden! Kommens nur, beym Tanzmeisterwerden wir schon die ganze Gesellschaft finden.

F r a n z . Nun ist mir alles klar. (beyde zum Tanzmeister ab)

Zwölfter Auftritt.M a t h i e s und F l o r i a n . 30

F l o r i a n . Da ist der Aufenthalt deiner Betrügerin.M a t h i e s . Mit mein Knieriem will ich ein Menuet auf ihr’n

Buckel tanzen, den’s ihr Lebtag nicht vergessen soll.D1 71 F l o r i a n . Nur mäßig! verrath dich nicht| durch unzeitige Hitz,

und sey in deiner Bekehrung nicht so schnell, wie in dein Fehler. 35M a t h i e s . Ich verlaß mich ganz auf dich, und wann du wahr

geredt hast – so – o so gieb mir für jedes böse Wort, das ich dirgesagt hab, ein Ohrfeigen, so will ich dir d’Hand küßen, wie ein Kindsein Vatern, und an d’Brust schlagen, und sagen: Bruder, verzeih, ichbin ein Mensch! 40

F l o r i a n . Auf den Trümmern der Bosheit sollst dein neuesGlück finden. (beyde zum Tanzmeister ab)

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33D1 – Der Zwirnhändler aus Oberösterreich

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Dreyzehnter Auftritt.Tanzsaal. Viele Gäste tanzen, unter denen auch B e r g h e i m und

J o s e p h i n e . K a s p a r steht zur Seite. In der Folge M a t h i e s undF l o r i a n .

K a s p a r . Nu, Alte, das ist gewiß dein letzter Menuet! – Aber5beym Kehraus möcht ich nicht mithalten.

F l o r i a n . Siehst du?M a t h i e s . Die Heuchlerin!F l o r i a n . Mit welcher Anmuth als ’s tanzt.M a t h i e s . Wart Alte!10B e r g h . (hat zu tanzen aufgehört) Nun, mein englischer Baron –

versäumen wir die Zeit nicht länger! ich hab alle meine Kostbarkeitenmitbracht, und auch von dem dalketen Schuster noch mitgenommen,was ich gefunden hab.

M a t h . Dalketen Schuster!|15D1 72J o s e p h . Bald sind wir im u‹n›gestörten Besitz unserer Liebe.

B e r g h . Werdens mich aber auch ewig lieben?J o s e p h . Ewig! Ewig!B e r g h . So kommens!M a t h . Nur ein Menuet müssen wir noch tanzen, alte Betrügerin!20

hernach kannst gehn!B e r g h . (erschrickt) O weh!F l o r i a n . (hält ihn ab, sie zu mißhandeln) Gieb dich nicht ab!M a t h . Bruder! Bruder! du hast mich bekehrt!F r a n z und L i s e l . (kommen aus dem Seitenzimmer) Wir gratulirn!25M a t h . Was ist das?F r a n z . ) Meine Josephine!J o s e p h . ) Lieber Franz!F l o r i a n . Wie gefallt dir das Madel, Mathies?F r a n z . Es ist meine Geliebte, die es über sich nahm, durch30

diese Verkleidung sie zu kuriren.B e r g h . Was? mein Baron ein Weibsbild? – O, die Tölpel haben

mich g’fangt!M a t h . Kannst mir verzeihen, Franz?F r a n z . O mein Vater!35F l o r i a n . Madam! itzt haben wir noch ein kleines Examen. Sie

haben mein Bruder abscheulich betrogen!B e r g h . Warum war er der Esel, und hat alles glaubt.M a t h . Sie hat noch Recht auch!F l o r i a n . Sie seyn verheurathet!40B e r g h . Wer kann das behaupten?|

D1 73F l o r i a n . Ihr Mann lebt!B e r g h . O, der ist schon lang todt!H a u e r . (hat sich indessen aus dem Kabinet geschlichen, sich mit seinen

7 Söhnen in Positur gestellt, und stößt nun sammt seinen Kindern in die45Trompete.)

B e r g h . (schreyt) Weh mir! – Mein Mann!A l l e . Ihr Mann?H a u e r . Weib! du kommst wieder unter mein Regiment, ich will

dir was blasen, daß dir Hör’n und Seh’n vergehen soll.50B e r g h . Wann ich nur ein Strick hätt!

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34Ferdinand Kringsteiner

Andrea Brandner-Kapfer (Hrsg.)

K a s p . Da bring ich d’ Schatull, die die Madam bey mir hataufzuheben geben.

B e r g h . Spitzbub!K a s p . He! langsam, sag ich! es ist nicht gleich, daß man einem

Menschen d’ Augen auskitzelt. 5M a t h . (öffnet die Schatull) Da sieh Bruder, alle meine Präsenten,

einige Obligationen – Schmuck –F l o r i a n . (nimmt einen Geldbeutel aus derselben) Da, guter Freund!

(zu Hauer) Nimm er das, doch mit Beding, daß er das Weib mit sichnimmt, und soldatenmäßig zur Raison bringt. 10

H a u e r . Tausend Dank, lieber Herr! Also sogar zahlen thun d’Leut, nur daß’s dich los kriegen. Meinethalben, so lang ’s Geld dauert,will ich dich behalten, wanns aber gar ist, so sag ich dich wieder selber

D1 74 zum Teufel! – | Ich empfehl mich allerseits! Marsch, Satan! voraus!B e r g h . Dasmal eine gnädige Frau g’spielt, und in meinem 15

Leben nimmer! (mit Hauer und den Kindern ab.)K a s p . Nu, die werden kein schlechten Contra mit einander

tanzen – Aber so viel ich sieh, hat sich ja alles recht gut geben?F l o r i a n . Nach unsern Wunsch! – Du Bruder, gehst mit mir

nach Oberösterreich, und treibst dein Handwerk wieder. 20M a t h . Und mein Franz heurath das brave Madel.L i s e l . Ins Himmelsnahmen! der Monsieur Franz ist fleissig, und

mein Madel auch, bis auf ihre alten Täg werden’s schon was z’sammbringen.

F l o r i a n . Du Franz legst deine Stell nieder, führst meine 25Rechnungen, und wann ich stirb, so verzehrst mein Vermögen –denn unter d’ große Welt taugst nicht, du red’st d’ Wahrheit, und mitder muß man subtil umgehn, sie ist wie ein geladenes Gewehr – wennman losdruckt, kann man nicht wissen, wen’s trifft.

L i s e l . Ja, ja, folgen’s – hier möcht’s manchmal noch 30Abentheuer geben, und ich käm auf d’ letzt auch ins Geschrey.

F l o r i a n . Dein Thaddädl –T h a d . (kömmt eben herein) Was schaffens, Herr Vetter?

D1 75 F l o r i a n . Wird sich gefallen lassen, der| Trommel z’ folgen,denn wir ziehn nichts mehr aus ihm. 35

M a t h . Dein Willen ist der meinige, ich hab einmal mein Kopfgefolgt, und es war stock an.

T h a d . Ich versteh zwar die ganze Geschicht nicht, abermeinetwegen! Zehn Jahr praktizir ich so schon, und es rührt sichnichts – und in dem Gewandl kennt mich auch schon die ganze Stadt, 40und in der Uniform – wer weiß, ob ich nicht mein Glück drinn find.

F l o r i a n . Und nun weg mit dem gnädigen Herrn –M a t h . (wirft seinen Frack weg) Fort damit! Es ist besser ein

Schurzfell, und ein reines Gewissen haben, als in einem Moderockstecken, und ein Schelm seyn. 45

T h a d . Kurios!L i s e l . (zu Thaddädl) Hernach müssen erst wir ein paar Wort

reden.K a s p . Aber weil sich denn alles gar so scharmant giebt, so sollten

wir die Nacht recht froh zubringen, denn bey einer solchen 50Hauptversöhnung ist ja ein Weinl und ein Tanzerl unausbleiblich.

F l o r i a n . Der Herr hat recht. Wir woll’n froh die Nachthinbringen, die für uns so wichtig und so glücklich war. Ich bin nunwieder heiter und froh, und reicher als vorher, denn ich hab das Wohl

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35D1 – Der Zwirnhändler aus Oberösterreich

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meines Bruders vom Verderbern gerettet, und auf die That krieg ichg’wiß ein Anweisung, die mir einst da oben herrlich bezahlt werdenwird.|

D1 76T h a d . Also soll ich denn wirklich statt der Federn die Muskettein die Hand nehmen? – Der Herr Vetter wird sehen, d’Geschäften5werden ins Stocken kommen, wenn ich nimmer bey der Kanzley bin.

F l o r i a n . Sey ohne Sorgen! ich glaub, du wirst dein Vaterlandmit deiner Hand mehr nutzen, als mit dein Kopf.

T h a d . Das ist doch ein bissel traurig – he, he! d’ Madeln werdenfreylich nachher auf mich diebeln, wann ich so in der Uniform10dahersteigen, und die Civilröckler übern Haufen rennen werd – aber(weinerlich) mit dem Mandolettiessen wird’s halt hernach auch ein Endhaben.

M a t h . Das Naschen wird dir schon vergehn.T h a d . Ins Himmelsnahmen – aber das sag ich, wenn ich15

erschossen werd, so geh ich alle Nacht in Herrn Vettern seinSchlafzimmer um, und zwick den Herrn Vettern mit glühendenZangerln in Leib. Und itzt hab ich noch eine einzige Bitt, weil wirdenn schon alle beym Tanzmeister seyn, so möcht ich zu guter letztnoch ein klein’s Tanzerl machen, damit ich doch nach dem Takt ein20Held werd.

F l o r i a n . Meintwegen, dein Bitt sey gewährt. Wir bleiben allezusamm da, und zechen und tanzen, bis der Morgen anbricht. Walztihr nach eurer Art, ich will eins auf Oberlandnerisch tanzen. He da!lustig! nehmt d’ Geigen in d’ Hand! rührt euch!25

Ende.