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Technology Outlook 2021 Deutsche Version

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Page 1: Deutsche Version - SATW

Technology Outlook 2021 Deutsche Version

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021

Page 2: Deutsche Version - SATW

Impressum

Autorinnen und AutorenThomas Anken, Christian Bach, Christophe Ballif, Fritz Bircher, Bernhard Braunecker, Rebecca Buller, Urs Burckhardt, Max Erick Busse-Grawitz, Vicente Carabias, Andreas Conzelmann, Alessandro Curioni, Reinhard Czichy, Patricia Deflorin, Gregor Dürrenberger, Xaver Edelmann, Regine Eibl, Andreas Fuhrer, René Gälli, Bernhard Gerster, André Golliez, Christian Grasser, Pierangelo Gröning, Daniel Gygax, Manfred Heuberger, Alessandra Hool, Hans-Peter Käser, Walter Karlen, Steffen Kelch, Christoph Kolano, Agathe Koller, Jens Krauss, Wolfgang Kröger, Thomas Küchler, Roland Küpfer, Andreas Kunz, Christian Laux, Daniel Liebhart, Katharina Link, Urs Mäder, Roger Marti, Hans-Peter Meyer, Bradley Nelson, Kristina Orehounig, Andrew Paice, Sven Panke, Greta Patzke, Adrian Perrig, Guido Piai, Thomas Puschmann, Michael Raghunath, Jörg Roth, Mark Rubin, Patrick Ruch, Christian Schaffner, Stefan Scheidegger, Daniel Schmid, Philipp Schmid, Thomas Justus Schmidt, Roland Siegwart, Lars Sommerhäuser, Adriaan Spierings, Thilo Stöferle, Bernhard Tellenbach, Anna Valente, Ilona Wettstein, Nicole Wettstein, Erich Windhab, Felix Wortmann, Tomas de Wouters, Shancong Yu, Manfred Zinn

Steering (Wissenschaftlicher Beirat der SATW)Hans Altherr, Walter J. Ammann, Bernhard Braunecker, Ulrich Claessen, Djordje Filipovic, Robert Frigg, Rolf Hügli, René Hüsler, Agathe Koller, Urs Mäder, Hans-Peter Meyer, Peter Seitz, Ulrich W. Suter, Alessandro Tschabold

ProjektleitungClaudia Schärer

RedaktionBeatrice Huber, Esther Lombardini

ReviewTony Kaiser

ÜbersetzungMaud Capelle (französisch) und Tanya Loringett (englisch)

GestaltungAndy Braun

BilderAdobe Stock

April 2021

Page 3: Deutsche Version - SATW

3

Vorwort 4

Einleitung 5

Europäische Trends und Vergleich mit der Schweiz 6 ImWandelderZeit 7

VergleichderSchweizmitEuropa 10

Ländervergleich 11

Bedeutung der Technologien für die Schweiz 14 VierForschungsfelder 17

NeueTechnologienindieserAusgabe 18

WiehabensichdieTechnologienseitderletztenAusgabeentwickelt? 19

Zusammenfassung 21

Methodik 22 AuswahlderTechnologien 23

Social-Media-Analyse 24

BedeutungderTechnologienfürdieSchweiz 25

ÜberführungderWerteindieQuadrantendarstellung 27

Technologien und Anwendungsgebiete 28 DigitaleWelt 30

EnergieundUmwelt 48

FertigungsprozesseundMaterialien 60

LifeSciences 68

TechnikundGesellschaft 80

Technologietrends 84 Einführung 86

DigitaleWelt 87

EnergieundUmwelt 94

FertigungsprozesseundMaterialien 98

LifeSciences 100

Inhaltsverzeichnis

Page 4: Deutsche Version - SATW

4

Vorwort

DieWeltistindenletztenDekadenreicherund–verwöhntdurchdieimmergrösseren

LeistungenderIndustrie–anspruchsvollergeworden.Esistschonvöllignormalgeworden,

vondenproduzierendenFirmen Jahr für JahrbessereResultatezuerhalten (undzu

fordern).AlleMarktteilnehmendensehenzwarein,dassesexponentiellesWachstum

aufDauernichtgebenkann,abermanistüberzeugt,dassesmöglichseinmuss,durch

diegeschickteMischung vonerfolgreichenProdukten, starkerMarktpräsenzund

schlauenNeuigkeiteneinüberallesexponentiellwirkendesWachstumzuerzielen.Es

fragtsichaber,wiedieseNeuheitenerkannt,verstandenundgenutztwerdenkönnen.

WeltweitsindzudiesenFragen«TechnologyOutlooks»alsOrientierungshilfenentwickelt

wordenundhabensichzuinternationalbeliebtenStandardwerkengewandelt.

DieSATWhatvorsechsJahrenihrenersten Technology Outlook herausgegeben.Das

damaligeProduktwarnochrechteinfachgehalten,eserhieltaberinderSchweizvon

IngenieurinnenundIngenieurensowievonForschendenermutigendeSignaleundHinweise.

DieweiterenAusgabenwurdenimmergehaltvoller.MitderviertenAusgabehaltenSie

nundas«ausgereifte»ProduktinHänden.EslehntsichandieVorgängeranundsetzt

auchneueAkzente.

SchoninderAusgabe2019wardieDominanzderdigitalenWeltauffallend.DieseEinsicht

istnunnochverstärkt.

DieBeiträgezuTechnologienundAnwendungsgebietenhalten–wiederTitelvorgibt–

denBlickaufpraktische,industrielleundkommerzielleAnwendungen:Siereichenvon

5G-Anwendungen,AnalysevonBigDataundkollaborativerRobotikbis zuQuanten-

computing.DieBeiträgezuTechnologietrendsbereitendagegendieLeserinnenund

LeseraufbreitereDiskussionenvorundbeschäftigensichmitweitläufigenThemenwie

autonomeSysteme,Cybersecurity,digitaleLandwirtschaftundnatürlichauchdieomni-

präsentekünstlicheIntelligenzunddieQuantentechnologien.

GestartetwirddiesmalmitinternationalenVergleichen(EuropäischeTrendsundVergleich

mitderSchweiz).DiesehrsorgfältigerhobenenDatenvonverschiedenenJahrenermög-

lichendieOffenlegungderStärkenundSchwächenverschiedenerLänderüberdieZeit.

IchwünscheIhnennamensdesWissenschaftlichenBeiratseinestimulierendeLektüreund

hoffe,derTechnology Outlook 2021könneIhnenbehilflichsein.

UlrichW.Suter|PräsidentWissenschaftlicherBeiratSATW

Page 5: Deutsche Version - SATW

5

Einleitung

Identifizierung, Beschreibung und Bewertung von Tech-

nologien, die für die Schweizer Wirtschaft und Gesell-

schaft in den kommenden Jahren1 von Bedeutung sein

werden,gehörenfürdieSATWzuihremGrundauftragin

der Früherkennung. Als Resultat dieser Aktivitäten ent-

steht als zweijährliche Publikation der Technology

Outlook,welcher2021bereitszumviertenMalerscheint.

DerTechnology Outlook 2021knüpftandie2019-Ausgabe

an.DiedortbeschriebenenTechnologienwurdeninBezug

aufihretechnischeReifeneubewertet.Solchemiteinem

ZeithorizontvonwenigeralsdreiJahrenbiszurProdukt-

reifewiediekontinuierlichenFertigungsverfahrenwurden

ausgeschlossen.InZusammenarbeitmitdenbeidenFrüh-

erkennungsgremienderSATWwurdenzwölfneue,rele-

vanteTechnologien identifiziert,diefürdieSchweizvon

BedeutungseinwerdenunddemanvisiertenZeithorizont

vonmindestensdreiJahrenbiszurProduktreifeentspre-

chen.DazugehörenzumBeispieldiekünstlichePhotosyn-

these,MikrobiotaundMikrobiomesowiemobileRoboter.

ZusätzlichthematisierenzweiBeiträgeallgemeineAspek-

tederDigitalisierung:dieselbstbestimmteNutzungper-

sönlicher Daten und das Vertrauen in digitale Produkte

undDienstleistungen.DerTechnology Outlook 2021stellt

insgesamt45TechnologienundAnwendungsgebietevor.

InderPublikationwird jederTechnologieein Iconzuge-

ordnet.DieSammlungallerIconsbefindetsichimKlappen-

texthinten.

FürdieaktuelleAusgabehatdieSATWerneutquantitati-

veAngabenzudeneinzelnenTechnologienerhobenund

dieQuadrantendarstellungweitergeführt. Somitkönnen

erstmals Trends für die Technologien aufgezeigt wer-

den.HabeneinzelneTechnologienanvolkswirtschaftli-

cherBedeutunggewonnen?HatsichfürgewisseAnwen-

dungendieForschungskompetenzinderSchweizerhöht?

Odergibtesgar«Absteiger»?DankkontinuierlicherDaten-

erhebung imBereichderSocialMedia ist aucherstmals

eineTrendanalyseaufinternationalerEbenemöglich.

Die im Technology Outlook präsentierten Technologien

wirken zusammen und ermöglichen so die Umsetzung

umfassenderTechnologietrends.Deshalbpräsentiertder

aktuelleTechnology Outlook neu13Technologietrends,

dieinderÖffentlichkeitstarkbeachtetwerden.Darunter

sindumfassendeThemenwieKreislaufwirtschaft,künst-

licheIntelligenzoderSmartCities.DerTechnology Outlook

erklärtdieBegriffe, lotetdasPotenzialfürdieSchweizer

Wirtschaft und Gesellschaft aus und stellt eine direkte

VerbindungzudeneinzelnenTechnologienher.Eswird

sichtbar,welcheTechnologienalsTreiberfürdieEntwick-

lungeinesTrendswirkenoder,umgekehrt,welcheTechno-

logienvonderfortschreitendenEntwicklungeinesTrends

profitieren.

DiePublikationstartetbreitmitdeminternationalenTech-

nologievergleichundfokussiertdannaufdieBedeutung

dereinzelnenTechnologienfürdieSchweiz.Imabschlies-

sendenKapitel«Technologietrends»gibtderBerichtnoch-

malseinenbreiterenÜberblick.

Dr. Claudia Schärer, die Projektleiterin des Technology

Outlooks, bedankt sich bei den zahlreichen Autorinnen

undAutoren,ohnederenEinsatz,GeduldundFachwissen

eine Publikation dieser Ausführlichkeit und Tiefe nicht

möglich wäre. Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, wün-

schenwireinespannendeLektüremiteinemhoffentlich

hohenErkenntnisgewinn.ÜberRückmeldungenfreuenwir

unsjederzeit!

1 TechnologyReadinessLevel4–7,Produktreifein3–5Jahren.DetailsdazufindensichimKapitelMethodikabSeite22.

Page 6: Deutsche Version - SATW

Europäische Trends und Vergleich mit der

Schweiz

6

Page 7: Deutsche Version - SATW

7

TechnologieniminternationalenVergleich:WasimTech-

nology Outlook 2019nuralsMomentaufnahme fürdas

Jahr2018möglichwar,kanninderaktuellenAusgabeals

Trendanalysepräsentiertwerden.Welches sinddieTop-

Technologien in Europa?Welches sinddie«Aufsteiger»

seit2018?Welchesdie«Absteiger»?

Seitdrei JahrenverfolgtdieSATWdieDiskussionenauf

denoffiziellenSocial-Media-Kanälenvon1‘300europäi-

schenHochschulen.Twitter istdabeideramhäufigsten

genutzteKanal.MitderSuchmaschineLinkAlong(https://

linkalong.com)werdendieoffiziellenTwitter-Kanäleder

europäischen Hochschulen nach spezifischen Begriffen

durchsuchtundausgewertet.Bewusstwirdaufdieoffi-

ziellenKommunikationskanälederHochschulenfokussiert,

sodassderDatensatzvornehmlichausQuellenmithoher

RelevanzundGlaubwürdigkeitstammt.

FürdieAnalysedereuropäischenTrendswurdendieDaten

vonsiebenLändernberücksichtigt.DiessinddieNachbar-

länderderSchweiz–Deutschland,Frankreich,Italienund

Österreich–sowiedreifürdieSchweizrelevanteVergleichs-

länder–Grossbritannien,NiederlandeundSchweden.Die

Daten für die Schweiz werden separat präsentiert und

sind dementsprechend im Datensatz der europäischen

Ländernichtenthalten.DieSuchbegriffezudenTechno-

logien wurden im Vergleich zum Technology Outlook

2019überarbeitetundalleDatenfürdieJahre2018,2019

und2020neuerhobenundanalysiert.AusdiesemGrund

lassen sich die Ergebnisse aus der aktuellen Publikation

nichtdirektmitdenjenigenausder2019-Ausgabeverglei-

chen, sindaber in sichkonsistent.AufgrundderCorona-

KrisesinddieDatenausdemJahr2020miteinemgewissen

Vorbehaltzuinterpretieren,dadieAnzahlPostszudenim

Technology OutlookbeschriebenenTechnologien2020

rückläufigwar.

Abbildung1(aufSeite8)zeigt,wiesichdieDiskussionzu

den europäischen Top-Ten-Technologien zwischen 2018

und2020entwickelthat.ZusätzlichzeigtdieAbbildung

auchdieEntwicklungvonBioplastikunddamitjenerTech-

nologie,diediestärksteZunahmeanPostszwischen2018

und2020ausserhalbderTopTenzeigt.

UnterdenTopTensindauffallendvieleTechnologienaus

demForschungsfeldDigitaleWelt.NurzweiTechnologien,

additiveFertigungundPhotovoltaik,entstammenanderen

Forschungsfeldern.Einerseitszeigtdies,dassgeradedigi-

tale TechnologienöffentlichkeitswirksameThemen sind.

AndererseitssinddieaufgeführtendigitalenTechnologien

sogenannteEnabling-Technologien,vonderenWeiterent-

wicklungzahlreicheAnwendungsfelderprofitieren.

Dominierten 2018 Analyse von Big Data, Augmented

RealityundBlockchaindieakademischeDiskussion,hatdie

IntensitätdieserDiskussionaufdenSocial-Media-Kanälen

dereuropäischenHochschulenetwasabgenommen.Die

höchsteAufmerksamkeiterreichte2020dieadditiveFerti-

gung.DerProzentsatzderPostsmitBezugaufdieadditive

FertigunghatsichindenletztendreiJahrenfastverdop-

pelt.DieBeiträgeimJahr2020drehtensichmehrheitlich

um Face Shields, Schutzwände aus Plexiglas und Beat-

mungsgeräte,dieallesamtmitdem3D-Druckergefertigt

werdenkönnen.GanzoffensichtlichnutzenauchHoch-

schulendieGelegenheit,sichderÖffentlichkeitaktualitäts-

nahzupräsentieren.

Im Wandel der Zeit

ÜberdenQR-CodegelangenSieaufunsereWebsite,woSieweitereInformationenzuden

europäischenTrendsfinden.

Page 8: Deutsche Version - SATW

8

Abbildung 1: Trendanalyse 2018–2020 für die europäischen Top-Ten-TechnologienDieAbbildungzeigt,wiesichdieErwähnungenderTop-Ten-TechnologienaufSocialMediaderHochschuleninsiebeneuropäischenVergleichsländernentwickelthaben.DieWertesindinProzentangegebenundbeziehensichaufdieGesamtanzahlanPostsüberdie43besprochenenTechnologien.ZusätzlichistauchBioplastik(alsDreieck)abgebildet,weildieserindenletztendreiJahrendiestärksteZunahmeanPostsaufweist.

Abbildung 2: Trendanalyse 2018–2020 für die Schweizer Top-Ten-TechnologienDieAbbildungzeigt,wiesichdieErwähnungenderTop-Ten-TechnologienaufSocialMediaderSchweizerHochschulenentwickelthaben.DieWertesindinProzentangegebenundbeziehensichaufdieGesamtanzahlanPostsüberdie43besprochenenTechnologien.ZusätzlichistauchdiesynthetischeBiologiemitderstärkstenZunahmeunddieMobilitätskonzeptemitderstärkstenAbnahmeanPosts(jeweilsalsDreiecke)abgebildet.

DieThemenBlockchainundhochautomatisierteFahrzeuge

haben im europäischen akademischen Diskurs an Auf-

merksamkeiteingebüsst.Starkzugenommenhabenhin-

gegendieTweetszuBioplastik.Dieskönntedieverstärkten

BemühungenderEUwiderspiegeln,denEinsatzvonEin-

wegplastikzureduzierenunddieVerwendungvonnatür-

lichenBiopolymerenzufördern.2

AndieserStellebietetsicheinVergleichmitderSchweiz

an.Abbildung2zeigtdieTrendsfürdieJahre2018bis

2020fürdieSchweizerTop-Ten-Technologien.Wieschon

inAbbildung1sindauchhierzusätzlichTechnologienaus-

serhalbderTopTenmitstarkenTrendsabgebildet:synthe-

tischeBiologiemitderstärkstenZunahme,respektiveMo-

bilitätskonzeptemitderstärkstenAbnahmeanPosts.

14

12

10

8

6

4

2

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Post

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2018 2019 2020

▲▲

25

20

15

10

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s

2018 2019 2020

▲▲ ▲

● AdditiveFertigung

● MaschinellesLernen

● AugmentedReality

● AnalysevonBigData

● Photovoltaik

● Blockchain

● InternetofThings

● Drohnen

● HochautomatisierteFahrzeuge

● Quantencomputing

▲ Bioplastik

● AugmentedReality

● Blockchain

● Photovoltaik

● MaschinellesLernen

● AdditiveFertigung

● AnalysevonBigData

● Drohnen

● MedizinischeWearables

● InternetofThings

● HochautomatisierteFahrzeuge

▲ SynthetischeBiologie

▲ Mobilitätskonzepte

Page 9: Deutsche Version - SATW

9

ImVergleichzu2018zeichnetsicheineVerschiebungab.

Mobilitätskonzepte haben in der Schweiz an Aufmerk-

samkeitverlorenundsindausdenTopTenverschwunden.

DassdieserAbstiegnichtnurdieakademischeDiskussion

betrifft,sondernauchdieBedeutungderTechnologiefür

dieSchweiz,zeigtdervonExpertinnenundExpertenkon-

statierteUmsatzrückgang,welchersichinAbbildung5

(aufdenSeiten14und15)imnachfolgendenKapitelzeigt.

GrunddafüristdasScheiternnationalerInitiativen.Neuin

denTopTensinddiemedizinischenWearables. Fastdie

HälftederPostsimJahr2020zumedizinischenWearables

istaufBeiträgerundumGesundheitsappszurückzufüh-

ren.Einedeutliche,stetigeZunahmeanPostszeigtzudem

diesynthetischeBiologie.DieskorreliertmitderEinschät-

zung der Expertinnen und Experten zum gesteigerten

Marktpotenzial.

InderSchweizdominieren2020AugmentedReality,Block-

chain und Photovoltaik die akademische Social-Media-

Diskussion.VerliefderAufstiegvonPhotovoltaikindenver-

gangenenJahrenkontinuierlich,erstarkteAugmentedRea-

litynacheinerKonsolidierungimJahr2019wieder.Anwen-

dungenvorallem inMedizin,BildungundKunstwerden

thematisiert;industrielleAnwendungenfehlenindenPosts

fastvollständig.DieBeiträgezuPhotovoltaiksindthema-

tischbreitundsprechenunteranderemNeuentwicklungen

beidenMaterialien,zusätzlicheEinsatzgebieteundökolo-

gische Aspekte an. Die Schweiz scheint, auch dank der

zahlreichen akademischen und industriellen Forschungs-

gruppen,gutgerüstetzusein,sicheinebedeutendePosi-

tioninNischenmärktenzuerarbeiten.

AuchinderSchweizhatdieDiskussionsintensitätzuaddi-

tiver Fertigung zugelegt. Die prozentuale Zunahme der

AnzahlPostsimBereichderadditivenFertigungistinder

Schweizallerdingsnichtganz soausgeprägtwie inden

europäischenVergleichsländern.DiePostsvonSchweizer

HochschulenhabenimeuropäischenVergleicheinestärker

industrielleAusrichtungunddiskutierenseltenerAnwen-

dungenimZugderCorona-Krise.

AuchwennBlockchaininderSchweiznochimmerdeut-

lich intensiver diskutiert wird als im Mittel der europäi-

schen Vergleichsländer, war der prozentuale Rückgang

derAnzahlPostsseit2018stark.Esscheintsicheinegewis-

se Desillusionierung breit zu machen. Es ist auffallend,

dassdiePostszuBlockchainvermehrtvonÖkonominnen

undÖkonomenwieauchJuristinnenundJuristenverfasst

werden.DrohnenhabeninderSchweizimakademischen

DiskursstarkanBedeutungverlorenundsind indiesem

JahraufRang7abgerutscht.Gründedafürsinddiezu-

nehmendeAuslagerungdertechnologischenEntwicklun-

genandievonHochschulabsolventinnenund-absolventen

gegründetenSpin-offsundStart-ups,3einGenerationen-

wechsel an den führenden Schweizer Hochschulen und

derenverstärkteAusrichtungaufLaufroboter.

2 Welcome to European Bioplastics.Abgerufen26.Februar2021vonhttps://www.european-bioplastics.org/3 DiePostsderSpin-offsundStart-upswerdeninderAnalysenichterfasst.

Page 10: Deutsche Version - SATW

10

DieUnterschiedezwischenderSchweizundEuropalassen

sichgrafischzeigen.Abbildung3vergleichtdierelativen

HäufigkeitenderPostsvonSchweizerHochschulen(hori-

zontale Achse) mit den relativen Häufigkeiten der Posts

vonHochschulendersiebeneuropäischenVergleichsländer

(vertikaleAchse).

DieDarstellunglässtsichinvierQuadrantenunterteilen.Im

QuadrantenobenrechtsbefindensichjeneTechnologien,

diesowohlinderSchweizalsauchinEuropaintensivauf

denSocial-Media-KanälenderHochschulendiskutiertwer-

den. In diese Kategorie gehören nur Augmented Reality

und maschinelles Lernen. Photovoltaik und insbesondere

Blockchain im unteren rechten Quadranten werden in

SchweizerakademischenKreisendeutlichintensiverdisku-

tiert als in Europa, was sich gut mit der Klassierung der

beidenTechnologienindenSchweizer,abernichtdeneu-

ropäischenTopThreedeckt.DieadditiveFertigungalsein-

zigeTechnologie imoberen linkenQuadrantenhingegen

wird in Europahäufiger diskutiert als in der Schweiz. Im

linken unteren Quadranten befinden sich diejenigen

Top-Ten-TechnologienmitdergeringstenDiskussionsinten-

sitätsowohl inderSchweizalsauchinEuropa.Trotzdem

lassen sich spezifischeUnterschiedeaufzeigen:So finden

beispielsweisedie inderSchweizanAufmerksamkeitge-

winnendenmedizinischenWearablesaufdenSocial-Media-

Kanälen der europäischen Hochschulen deutlich weniger

Beachtung.EineChancefürdieSchweiz?

Vergleich der Schweiz mit Europa

Abbildung 3: Vergleich der Schweiz mit sieben europäischen Ländern im Jahr 2020DieAbbildungzeigtaufderhorizontalenAchsedieErwähnungenderTop-Ten-TechnologienaufSocialMediaderSchweizerHochschulen;aufdervertikalenAchsegeltendieAngabenfürdiesiebeneuropäischenVergleichsländer.DieWertesindinProzentangegebenundbeziehensichaufdieGesamtanzahlanPostsüberdie43besprochenenTechnologien.DieLegendezudenIconsbefindetsichimKlappentexthinten.

%vonallenPostsinderSchweiz

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Page 11: Deutsche Version - SATW

11

Eslohntsich,dieDatenfürdieeuropäischenVergleichslän-

deraufzuschlüsselnundaufLänderniveauzuvergleichen.

Abbildung4(aufdenSeiten12und13)zeigtdieErwäh-

nungen der Top-Five-Technologien und die Summe der

restlichen Technologien in den Social-Media-Kanälen für

die Schweiz und sechs der sieben ausgesuchten Ver-

gleichsländer fürdas Jahr2020.FürSchwedenwerden

diedetailliertenDatennichtgezeigt,dadieAnzahlPostsim

Jahr2020imVergleichzudenVorjahrendeutlichtieferwar

unddeshalbkaumfundierteAussagenmöglichsind.

InsgesamtkommenindenTop-Five-Technologiendersieben

betrachteten Länder 13 verschiedene Technologien vor.

Die Posts zu den Top-Five-Technologien machen jeweils

rund50ProzentallerPostsaus.InGrossbritannienistdie

additiveFertigungdominantundfür23ProzentallerPosts

verantwortlich;dieTechnologienaufdemzweitenPlatz,

AugmentedRealityundDrohnen,erreichenjenochknapp

8Prozent. IndenanderenLändern istdieAbnahmeder

relativenHäufigkeitehergraduell.AusdenKreisdiagrammen

wirddieBedeutungvonAugmentedRealityunddesma-

schinellenLernensoffensichtlich.BeideTechnologiensind

inallenLändernausserindenNiederlanden(Augmented

Reality fehlt) und Grossbritannien (maschinelles Lernen

fehlt)inderGruppederTop-Five-Technologien.Auchdie

additive Fertigung ist in allen Ländern ausser in Italien

unddenNiederlandenunterdenTopFiveanzutreffen.

Eslohntsich,einigeländerspezifischeBesonderheitenge-

naueranzuschauen.Photovoltaikbelegt indenNieder-

landen den ersten Rang und wird auch in der Schweiz

auffallendhäufigerwähnt.ÜberdurchschnittlichvielePosts

stammeninderSchweizvonderEPFL,welchePhotovol-

taik-Forschung auf Weltklasseniveau betreibt. Posts von

ForschendenindenNiederlandenbeziehensichunteran-

derem auf die Installation schwimmender Solaranlagen,

da die verfügbare Fläche für Sonnenkollektoren in den

Niederlandensehrbegrenztist.

HochautomatisierteFahrzeugeschaffenesnurinDeutsch-

landunddenNiederlandenindieTopFive.DasErgebnis

überraschtfürDeutschlandnicht;dieAutomobilindustrie

ist ein bedeutender Wirtschaftszweig4. Die Bedeutung

derTechnologieindensozialenMedienderniederländi-

schen Hochschulen ist nur auf den ersten Blick überra-

schend.ImKPMG Autonomous Vehicles Readiness Index

von2019belegtendieNiederlandedenerstenPlatz–weit

vorDeutschland5.DieStudiekonstatiert,dassdieNieder-

lande zusammen mit Singapur unter anderem in den

BereichenInfrastrukturundBevölkerungsakzeptanzwelt-

weitdiebestenVoraussetzungenfürautonomesFahren

bieten. So thematisieren die Posts der niederländischen

HochschulendannauchmehrheitlichdieInteraktionvon

autonomenFahrzeugenmitMenschenundanderenVer-

kehrsteilnehmern.

AuffallendistdieverhältnismässighoheAnzahlPostszu

QuantencomputingindenNiederlandenundÖsterreich.

DieniederländischenHochschulen, allen vorandie TU

Eindhoven,thematisierenMaterialentwicklungengenauso

wie die mögliche Bedrohung der Datensicherheit durch

Quantencomputer.InÖsterreichäussernsichhauptsäch-

lich die Universitäten in Innsbruck, Linz und Wien zu

Quantencomputern und decken vielfältige Aspekte von

technischenEntwicklungenbishinzuErklärungenfürdie

breiteÖffentlichkeitab.

InÖsterreichdominierendiePostszuBlockchaindieaka-

demischeDiskussion.DiesewirdvonmehrerenUniversitä-

tengeführtund ist inhaltlichbreit:SieumfasstEntwick-

lungeninderForschungundFortschrittebeiindustriellen

sowiewirtschaftlichenAnwendungen,aberauchBeispie-

leausderKultur.

EineBeobachtungsollnochweiterausgeführtwerden:die

hohe Diskussionsintensität zu Drohnen auf den Social-

Media-KanälenderHochschulenGrossbritanniens.Einein-

4 Bundesministerium für Wirtschaft und Energie – Automobilindustrie. Abgerufen26.Februar2021vonhttps://www.bmwi.de/Redaktion/DE/Textsammlungen/Branchenfokus/Industrie/branchenfokus-automobilindustrie.html

5 KPMG International (2019). 2019 Autonomous Vehicles Readiness Index. Abgerufen26.Februar2021vonhttps://assets.kpmg/content/dam/kpmg/xx/pdf/2019/02/2019-autonomous-vehicles-readiness-index.pdf

Ländervergleich

Page 12: Deutsche Version - SATW

12

haltlicheAuswertungderPostsoffenbarteineinteressante

Verbindung.DieForschendenGrossbritanniensbesprechen

darinmöglicheEinsätzevonDrohnenzurBekämpfungder

Corona-Pandemie, beispielsweise die Überwachung des

LockdownsoderdieDesinfektionvongrossen,öffentlichen

FlächenausderLuft.

DieDatenvermittelnzeitnaheinenEindruckdavon, in

welchenLändernwieintensivüberwelcheTechnologien

diskutiertwird.AuchwenndieDatenkeinedirekteAussa-

geüberdievolkswirtschaftlicheBedeutungeinerTechno-

logieerlauben,zeigensiedochdieForschungsaktivitäten

der einzelnen Hochschulen und erlauben Rückschlüsse

aufderenthematischeSchwerpunkte.EinesolideBasisin

der akademischen Forschung ist das Fundament für er-

folgreiche industrielle Entwicklungen und entsprechend

auchfürdievolkswirtschaftlicheBedeutungeinerTechno-

logie.

SchweizAugmentedReality14%

Blockchain11%

Photovoltaik10%

MaschinellesLernen8%

AdditiveFertigung8%

ÜbrigeTechnologien49%

Deutschland

ÜbrigeTechnologien54%

AdditiveFertigung14%

AugmentedReality12%

HochautomatisierteFahrzeuge8%

Photovoltaik6%

MaschinellesLernen6%

FrankreichAnalysevonBigData13%

AdditiveFertigung12%

MaschinellesLernen11%

AugmentedReality10%

InternetofThings10%

ÜbrigeTechnologien44%

Page 13: Deutsche Version - SATW

13

Abbildung 4 zeigtdierelativeHäufigkeitanErwähnungenderTop-Five-TechnologienaufdenSocial-Media-KanälenfürdieSchweizundsechsdersiebenrelevanteneuropäischenVergleichsländerfürdasJahr2020.GleicheFarbebedeutetgleicheTechnologie.DerschwachgraugefärbteSektorerfasstalleanderenTechnologienausserhalbderTopFive.DieSektorengrössewiderspiegeltdierelativeHäufigkeitderPostszudeneinzelnenTechnologienimVerhältniszurGesamtanzahlanPostsproLandmitBezugzudenimTechnology Outlook 2021thematisiertenTechnologien.

Grossbritanien

ÜbrigeTechnologien47%

AdditiveFertigung23%

AugmentedReality8%

Drohnen8%

AnalysevonBigData7%

5G7%

Italien MaschinellesLernen12%

Mobilitätskonzepte11%

AugmentedReality9%

AnalysevonBigData9%

5G7%

ÜbrigeTechnologien52%

NiederlandePhotovoltaik15%

Quantencomputing11%

HochautomatisierteFahrzeuge8%

InternetofThings8%

MaschinellesLernen7%

ÜbrigeTechnologien51%

ÖsterreichBlockchain13%

AugmentedReality12%

Quantencomputing9%

MaschinellesLernen8%

AdditiveFertigung8%

ÜbrigeTechnologien50%

Page 14: Deutsche Version - SATW

14

Bedeutung der Technologien für die Schweiz

Abbildung 5: Relative Bedeutung der Technologien für die SchweizDiehorizontaleAchsezeigtdievolkswirtschaftlicheBedeutungderTechnologienfürdieSchweiz,dievertikaleAchsedieForschungskompe-tenzinderSchweiz.6NichtinderQuadrantendarstellungabgebildetsindDigitalTrustundDatensouveränität.BeideThemenbehandelneherdenEinsatzdigitalerTechnologieninderGesellschaftalsspezifischeTechnologien.DieLegendezudenIconsbefindetsichimKlappentexthinten.

6 DetailszurDarstellungfindensichimKapitelMethodikabSeite22. VolkswirtschaftlicheBedeutungfürdieSchweiz

Fors

chun

gsko

mpe

tenz

ind

erS

chw

eiz

10.0

0.0

Technologische Nische

Technologischer Hoffnungsträger

Page 15: Deutsche Version - SATW

15

ÜberdenQR-Code

gelangenSieaufunsere

Website,woSieweitere

InformationenzurBedeu-

tungderTechnologienfür

dieSchweizfinden.Vor

allemkönnenSiedortauch

mitFilternIhreeigene

Auswahltreffen.

10.0

Technologischer Star

Technologischer Selbstläufer

Page 16: Deutsche Version - SATW

16

DieAbbildung5(aufdenSeiten14und15)imStileiner

Quadrantendarstellung kartiert die Bedeutung der Tech-

nologienfürdieSchweizbasierendaufderSchätzungvon

Expertinnen und Experten, Branchen- und Geschäftsbe-

richtensowieeigenenRecherchen.DiehorizontaleAchse

stellt die volkswirtschaftliche Bedeutung dar. Diese wird

mitdenvierIndikatorenUmsatz2019,Marktpotenzialin

dennächstenfünfJahren,rechtlich-regulatorischeRah-

menbedingungenundAkzeptanzinderSchweizerGesell-

schaftgemessen.DievertikaleAchsezeigtdieakademische

und industrielle Forschungskompetenz in der Schweiz,

ebenfallsbasierendaufvierIndikatoren:Anzahlakademi-

scher Forschungsgruppen und deren Kompetenz wie

auchAnzahlindustriellerForschungsgruppenundderen

Kompetenz. Die volkswirtschaftliche Bedeutung ist eine

MomentaufnahmemitBlick indienaheZukunft.Sieba-

siertaufZahlen,diesichaufdasJahr2019beziehen.Da

eineSchätzungzurEntwicklungdesMarktpotenzialsindie

Berechnungeinfliesst,machtsieaucheineAussageüber

diekommendendreibisfünfJahre.

DieAbbildungistinvierQuadrantenmitunterschiedlicher

BedeutungderTechnologienfürdieSchweizerWirtschaft

unterteilt: «Stars» oben rechts, «Selbstläufer» unten

rechts,«Nischen»obenlinksund«Hoffnungsträger»un-

tenlinks.

ImblauenQuadrantenobenrechtssindachtTechnologien

zu finden, die als «Stars» gelten. Forschungskompetenz

undvolkswirtschaftlicheBedeutungsindhoch:Siesorgen

fürhoheUmsätzebeiheimischenUnternehmenundsind

GrundlagevonzahlreichenArbeitsplätzen;auchdie For-

schungbeschäftigtsichintensivmitdiesenTechnologien.

JenevierTechnologien,dieimgelbhinterlegtenQuadran-

tenuntenrechtszufindensind,könnenals«Selbstläufer»

bezeichnetwerden.ObwohldieseTechnologiennurwe-

nigbeforschtwerden,sindsieGrundlagevonProdukten,

diehoheUmsätzeerwirtschaften.Die«Selbstläufer»sind

reifeundbreitetablierteTechnologien,derenEntwicklung

derzeiteherlangsamvorangeht.Womöglichwirdessich

auszahlen,wennindenAuf-undAusbauvonrelevanten

Kompetenzeninvestiertwird.

ImrothinterlegtenQuadrantenoben linksfindensich

«Nischen».DiesefünfTechnologienwerdenzwarintensiv

beforscht,IndustrieundHochschulenverfügenüberhohe

Kompetenzen, dennoch kommt ihnen nur eine geringe

volkswirtschaftlicheBedeutungzu.Erwartetwird,dassein

TeilderNischen-Technologienzu«Stars»werden,sofern

guteRahmenbedingungenbestehenundAnwendungen

basierendaufdiesenTechnologiendenMarktdurchdrin-

gen.EinezentraleVoraussetzungdafürist,dassUnterneh-

meninnovativeundnachhaltigeGeschäftsmodelleentwi-

ckeln,dieeinbreitesAnwendungsspektrumermöglichen.

ImgrünhinterlegtenQuadrantenuntenlinksfindensichdie

«Hoffnungsträger».Die26TechnologienindiesemQuad-

rantenmachenmehralsdieHälfteallerimTechnology Out-

lookbeschriebenenTechnologienaus,wasangesichtsdes

imTechnology OutlookbetrachtetenTechnologyReadiness

Levels7auchzuerwartenist.HoffnungsträgersindTechno-

logien,beidenensowohldieakademischeundindustrielle

ForschungskompetenzalsauchdievolkswirtschaftlicheBe-

deutungnochalsgeringeingeschätztwerden.DieseTech-

nologien bedürfen einer stetigen und genauen Beobach-

tung,danochunklarist,wiesiesichentwickeln.

7 DetailszudenTechnologyReadinessLevelsfindensichimKapitelMethodikabSeite22.

Page 17: Deutsche Version - SATW

17

DieimTechnology OutlookaufgeführtenEinzeltechnolo-

gien können den vier Forschungsfeldern Digitale Welt,

EnergieundUmwelt,FertigungsprozesseundMaterialien

sowieLifeScienceszugeordnetwerden.Tabelle1macht

deutlich, dass ein gutes Drittel der in dieser Publikation

Werden die Werte zur Bestimmung der Bedeutung der

Einzeltechnologien gemittelt, zeigt sich, dass die durch-

schnittliche Forschungskompetenz der beschriebenen

TechnologienindendreiForschungsfeldernDigitaleWelt,

EnergieundUmweltundLifeSciencesdeutlichhöherist

als diejenige der Technologien aus dem Forschungsfeld

Fertigungsprozesse und Materialien. Die Technologien

ausdemForschungsfeldDigitaleWelt haben zudem im

Mittel die höchste volkswirtschaftliche Bedeutung. Dies

dürftemitunterdaranliegen,dassdiesemForschungsfeld

zahlreiche Enabling-Technologien wie Analyse von Big

Data und maschinelles Lernen entstammen, die im

Quadranten der «Stars» verortet sind. Solche Enabling-

TechnologiensindBasisfürzahlreicheProdukteundDienst-

leistungeninunterschiedlichenAnwendungsfeldern.

beschriebenen Technologien digitale Technologien sind.

Diesunterstreichterstens,dassauchdienächsten Jahre

von der Digitalisierung geprägt bleiben werden, und

zweitens,dasseineumsichtigeDigitalpolitiknotwendig

bleibt.

EinDrittelderindiesemTechnology Outlookbeschriebe-

nenTechnologienentstammendemForschungsfeldDigi-

tale Welt. Diesen Technologien kommt im öffentlichen

DiskursvielAufmerksamkeitzu.DerTechnology Outlook

machtaberdeutlich,dassauchdiewenigerdiskutierten

Technologien aus den Forschungsfeldern Energie und

Umwelt, Fertigungsprozesse und Materialien sowie Life

Sciences von zentraler Bedeutung für eine nachhaltige

underfolgreicheEntwicklungderIndustriesind.

Vier Forschungsfelder

«Stars» «Selbst- läufer»

«Nische» «Hoffnungs-träger»

Summe

Digitale Welt 5 1 2 8 16

Energie und Umwelt 2 1 1 6 10

Fertigungsprozesse und Materialien

0 2 0 5 7

Life Sciences 1 0 2 7 10

Summe 8 4 5 26 43

Tabelle 1: AnzahlTechnologiennachForschungsfeldundQuadrant

Page 18: Deutsche Version - SATW

18

Zuden31bereits imTechnology Outlook 2019 themati-

sierten Technologien kommen zwölf neue hinzu. Diese

insgesamt43Technologiensind inderAbbildung5 (auf

denSeiten14und15)kartiert.ZusätzlichwerdenauchDi-

gital Trust und Datensouveränität beschrieben. Auf eine

ErhebungderParameterwurdeverzichtet,weilbeideThe-

meneherAnwendungsmodalitätenals eine spezifische

Technologie beschreiben. Die erstmalig im Technology

OutlookbeschriebenenTechnologiensindimKlappentext

hintengrauhinterlegt. Es sind dies: 5G-Anwendungen,

alternativeAntriebssystemefürFahrzeuge,antimikrobiel-

leMaterialien,InternetofThings,künstlichePhotosynthe-

se,medizinischeWearables,MikrobiotaundMikrobiome,

mobileRoboter,Quantencomputer,dieneuartigeInternet-

architektur SCION, Recycling von seltenen Erden und

wärmeleitendeelektrischeIsolatoren.

DerGrossteilderneuhinzugekommenenTechnologienist

im Quadranten der «Hoffnungsträger» oder knapp im

Quadrantender«Nischen»positioniert.Ausnahmensind

die alternativen Antriebssysteme für Fahrzeuge, die als

«Selbstläufer»eingestuftsind,aberbeigenauerBetrach-

tungeineetwasbreitergefassteAktualisierungdesBei-

tragsE-MobilitätdesTechnology Outlooks 2019darstel-

len8,wieauchder«Star»InternetofThings,derdenBeitrag

«SmartHome»9derletztenAusgabeersetzt.ImGegen-

satzzuSmartHomesindInternet-of-Things-Anwendungen

auchfürdieIndustrievonBedeutung,wasdiehohevolks-

wirtschaftlicheBedeutungerklärt.DerbreiteAufbaueiner

5G-Infrastrukturmacht5GzueinerEnabling-Technologie

mitpotenziellsehrbreitemAnwendungsspektrum.Deshalb

und aufgrund der breiten, öffentlich geführten Debatte

zu5Gwurden5G-Anwendungen indieseAusgabedes

Technology Outlooks aufgenommen,auchwenndieGrund-

technologiedemReifegraddesTechnology Outlooksbe-

reitsentwachsenist.

Neue Technologien in dieser Ausgabe

8 Vgl.Technology Outlook 2019,Seite409 Vgl.Technology Outlook 2019,Seite45

Page 19: Deutsche Version - SATW

19

Fürdie31Technologien,diesowohlinderletztenalsauch

indieserAusgabebeschriebensind,bietetsichan,die

Positionender2019-AusgabemitderPositioninderge-

genwärtigen Ausgabe zu vergleichen. Ein besonderes

Wie haben sich die Technologien seit der letzten Ausgabe entwickelt?

Augenmerk verdienen jene Veränderungen, die durch

dieEinschätzungvonExpertinnenundExpertengestützt

werden.DienachfolgendeGrafikzeigteineAuswahldavon

auf.

Abbildung 6: Vergleich der Jahre 2019 und 2021 für die SchweizAbgebildetisteineAuswahlderTechnologien,beidenensichdieForschungskompetenzund/oderdievolkswirtschaftlicheBedeutunggegenüberder2019-Ausgabesignifikantveränderthaben.DerStartpunktderPfeile(miteinemPunktdargestellt)beziehtsichaufdiePositionimJahr2019unddasIconamEndeaufdiePositionimJahr2021.

VolkswirtschaftlicheBedeutungfürdieSchweiz

Fors

chun

gsko

mpe

tenz

ind

erS

chw

eiz

0.0

5.0

10.0

0.0 5.0 10.0

Technologische Nische

Technologischer Hoffnungsträger

Technologischer Star

Technologischer Selbstläufer

Page 20: Deutsche Version - SATW

20

PositiveEntwicklungensindfürmaschinellesLernen,pho-

tonische Fertigung und Point-of-Care-Diagnostik zu be-

obachten.DerUmsatzmitAnwendungen,diemaschinel-

lesLernennutzen,konnteindenbeidenJahrenzwischen

demTechnology Outlook 2019und2021verdoppeltwer-

den,wasdazuführte,dassdieTechnologiedenSprung

vonden«Nischen»zuden«Stars»schaffte.Interessanter-

weisewiderspiegelt sichdiese Entwicklung auch in den

Social-Media-Posts der offiziellen Hochschulkanäle: So-

wohlinderSchweizalsauchimDurchschnittdersieben

europäischenVergleichsländernahmdierelativeHäufig-

keitder Posts zumThemamaschinelles Lernenmarkant

zu. Die Umsätze mit Anwendungen der photonischen

FertigunghabensichindenletztenbeidenJahreneben-

fallsverdoppelt.SomitwurdediephotonischeFertigung

nunals«Selbstläufer»anderGrenzezuden«Stars»ein-

gestuft.EinepositiveEntwicklungaufdervolkswirtschaft-

lichenAchseistauchfürQuantenkryptografiefestzustellen,

dennesgibtunterdessenerste,auchfürQuantencompu-

ternurschwerknackbareVerschlüsselungsprodukteund

das Marktpotenzial wird entsprechend höher einge-

schätztalsnochvorzweiJahren.Ebenfallspositivhatsich

die Point-of-Care-Diagnostik entwickelt: Nicht nur die

Forschungskompetenz,sondernauchdievolkswirtschaft-

licheBedeutunghatzugenommen,sodassdieseTechno-

logienunzuden«Stars»gerechnetwird.DadieDatener-

hebungnurbiszumJahr2019geht,istdieseEntwicklung

unabhängigvonderCorona-Pandemie.

EherunerwartetsinddieEntwicklungenbeidenMobili-

tätskonzepten,SmartGridsundbeiAugmentedReality.

Die imVergleich zur2019-Ausgabe tiefer eingeschätzte

volkswirtschaftlicheBedeutungderMobilitätskonzepteist

auf einen Umsatzrückgang zurückzuführen, verursacht

durchdasScheiternvonzahlreichen InitiativenundPro-

jekten in diesemBereich.Dieses zeigt sich ebenfalls in

einer Abnahme der Anzahl Social-Media-Posts der

Schweizer Hochschulen. Smart Grids werden vermehrt

vonplanbarenEnergiezellenabgelöst,wassiezueinem

sinkendenSternmacht.ImFallvonAugmentedRealityist

die Entwicklung weniger eindeutig. Da die Anzahl der

ForschungsgruppeninunseremModelleinzentralerFak-

torbeiderErmittlungderForschungskompetenzdarstellt,

wirktsicheineAbnahmeanForschungsgruppen,wiesie

in den vergangenen beiden Jahren bei der Technologie

Augmented Reality stattgefunden hat, negativ auf den

WertderForschungskompetenzaus.Diehohe Intensi-

tät,mitderAugmentedRealityaufdenSocial-Media-Ka-

nälenderHochschulendiskutiertwird,deutetallerdings

daraufhin, dassdie Technologie keineswegs anBedeu-

tungverlorenhat.

EinegegenläufigeEntwicklung von Forschungsintensität

und Marktentwicklung zeichnet sich für Bioplastik ab.

Zwarwurdendie Forschungsanstrengungen intensiviert,

dochstagniertedietatsächlicheMengeanverwendetem

Bioplastik in absoluten Zahlen, sodass bei steigendem

Plastikverbrauch der Anteil von Bioplastik am gesamten

Plastikvolumenrückläufigist.Dieslässtsichalseindeutli-

chesZeichenfüreinrückläufigesMarktpotenzialbegrei-

fen,weshalbdievolkswirtschaftlicheBedeutungvonBio-

plastik trotz gesteigerter Forschungskompetenz massiv

tiefereingeschätztwurdealsnochvorzweiJahren.

UmgekehrtgibtesauchTechnologien,derenPositionen

sichverschobenhaben,ohnedassnachAnsichtderExper-

tinnenundExperteneineEntwicklungimMarktoderin

der Forschungskompetenz feststellbar ist. In einigen

Fällenistdiesdaraufzurückzuführen,dassdieTechno-

logieundihreBeschreibungbreiter,respektiveengerge-

fasstwurden.DieswirktsichdirektaufdieAnzahlder

relevanten Forschungsgruppen und die Umsatzschät-

zungaus:ConnectedMachineswurdenbreiterundde-

zentraleEnergiesystemeengergefasst.InanderenFällen

liegtderGrundfürdiePositionsveränderungvonEinzel-

technologieninderNeueinschätzungenderParameter

durchneueExpertinnenundExperten.DiesistderFallbei

Geothermie,beimdigitalenZwillingundbeiderMassen-

kultivierungvonStammzellen.DennochsinddieParame-

terschätzungenüberdieTechnologienhinwegkonsistent.

Page 21: Deutsche Version - SATW

21

DiedreiTechnologienmitderhöchstenvolkswirtschaftli-

chenBedeutungfürdieSchweizsind:InternetofThings,

ConnectedMachinesundAnalysevonBigData.Alledrei

Technologien sind Produkte der Digitalisierung, welche

dieDigitalisierungderIndustrieweitervorantreibenwer-

den.Ferneristdiesengemein,dasssieindenletztenJah-

ren auch für KMU immer erschwinglicher wurden. Von

zentraler Bedeutung für die Wettbewerbsfähigkeit der

SchweizsindRahmenbedingungen,dieesKMUerlauben,

solche Technologien vermehrt zu nutzen, um Qualität

oderEffizienzzusteigern.

DievierTechnologienmitderhöchstenForschungskompe-

tenzinderSchweizsind:maschinellesLernen,Point-of-

Care-DiagnostiksowiepunktgleichaufdemdrittenRang

5G-Anwendungen und Photovoltaik. Gelingt es, diese

Kompetenzen noch besser in Geschäftsmodelle umzu-

wandeln,könntenzahlreicheArbeitsplätzeinunterschiedli-

chenBranchengeschaffenwerden.

Seitder2019-AusgabestiegdievolkswirtschaftlicheBedeu-

tungamdeutlichstenbeidendreiTechnologienmaschinelles

Lernen,photonischeFertigungundPoint-of-Care-Diagnos-

tik.BeiallendreiTechnologienkonntendiehiesigenFor-

schungskompetenzen genutzt werden. Allenfalls lohnt

sicheinevertiefendeAnalyse,wieundwarumesbeidiesen

Technologiengelungenist,Forschungskompetenzinvolks-

wirtschaftlicheBedeutungzuübersetzen.

Den stärksten Zuwachs an Forschungskompetenz kön-

nen die drei Technologien Point-of-Care-Diagnostik,

photonischeFertigungund3D-Biodruckverzeichnen.

Die Zunahme bei der Forschungskompetenz gilt es in

denkommendenJahrenauchfürdieIndustrienutzbarzu

machen.

DamitistmaschinellesLernennichtnurAufsteigerdesJah-

res,sondernauchüberallesgesehendiehöchstbewertete

TechnologieindieserAusgabe.

Zusammenfassung

Page 22: Deutsche Version - SATW

Methodik

22

Page 23: Deutsche Version - SATW

23

Im FolgendenwirddiedemTechnology Outlook 2021 zugrundeliegendeMethodikbeschrieben.Als Ersteswird

dargelegt,wiedieAuswahl an Technologien zustandekam. ImAnschlusswirddasVorgehenbei der Social-Media-

Analysebeschriebenunderklärt,welcheDatendemKapitel«BedeutungderTechnologienfürdieSchweiz»(abSeite14)

zugrundeliegen.

FürdieAuswahlderTechnologienistderwissenschaftli-

cheBeiratderSATWverantwortlich.InZusammenarbeit

mitdenLeiterinnenundLeiternderThemenplattformen

entstandeineprovisorischeTechnologieliste.DerReife-

gradderTechnologienaufdieserListeundderenBedeu-

tung fürdieSchweizwurdenvonExpertinnenundEx-

pertenbewertet.SchliesslichwurdennurTechnologien

mit einem Technology Readiness Level (TRL) von 4–7

undhoherRelevanzfürdieSchweizaufdiefinaleTech-

nologielistegesetzt.DerTechnologyReadinessLevelist

einModellzurBeschreibungdestechnologischenReife-

grads.

Auswahl der Technologien

TRL Umschreibung

1 BeobachtungundBeschreibungdesFunktionsprinzips

2 BeschreibungvonAnwendungeneinerTechnologie

3 NachweisderFunktionstüchtigkeiteinerTechnologie

4 Laborversuche

5 Feldversuche:EinsatzinderechtenUmgebung

6 PrototypinderEinsatzumgebung

7 PrototypimEinsatz

8 Qualifiziertes,einsatzbereitesSystem

9 Marktdurchdringung,Technologiehatsichbewährt

Tabelle 2: TechnologyReadinessLevelgemässeuropäischemForschungsprogrammHorizon2020.

Page 24: Deutsche Version - SATW

24

DieSATWnutztdiesemantischeSuchmaschinederSchwei-

zerFirmaLinkAlong (https://linkalong.com),welcheSoci-

al-Media-KanälewieTwitter,FacebookundInstagramso-

wie darin referenzierte Webseiten als Datenbasis nutzt.

MithilfedieserSuchmaschinewurdenallePostsvonoffizi-

ellenSocial-Media-KanälenderHochschulenausdenLän-

dern Schweiz, Deutschland, Frankreich, Grossbritannien,

Italien,Niederlande,ÖsterreichundSchwedenmitBezug

auf die einzelnen im Technology Outlook beschriebenen

Technologienzusammengetragenundausgewertet.Dazu

wurdefürjedederbeschriebenenTechnologieneineListe

mitSuchbegriffenangelegt,diediejeweiligeTechnologie

eindeutigbenennen. Indiese Listen sinddie Landesspra-

chenderuntersuchtenLänderundunterschiedlicheNamen

füreinunddieselbeTechnologieebensoeingeflossenwie

dieverschiedenen,möglichenSchreibweisen.Sokannbe-

stimmtwerden,wiehäufigdieverschiedenenTechnologi-

enaufdenoffiziellenSocialMediadereuropäischenHoch-

schulenerwähntwerden.DasichdieSocial-Media-Aktivität

derHochschulen indenverschiedenenLändernstarkun-

terscheidet,wurdefürjedeTechnologiejeLanddierelative

Häufigkeitbestimmt.DieGesamtzahlallerPostsmitBezug

aufdieimTechnology Outlook2021präsentiertenTechno-

logienwurdeals100Prozent festgesetzt, sodasssichfür

jedeTechnologieeinprozentualerAnteilswert,dierelative

Häufigkeit,berechnenlässt.

FürdieZeitreihen (Abbildungen1und2aufderSeite8)

wurdennichtnurdiePostsdesJahres2020ausgewertet,

sondern auch jene aus den Jahren 2018 und 2019. Dies

erlaubt,zuverfolgen,wiesichdas Interesseaneinerbe-

stimmtenTechnologieüberdieJahreveränderthat.

ZurBestimmungdeseuropäischenMittelswurdendierela-

tivenHäufigkeitenüberdiesiebenLändergemittelt(Abbil-

dung 1). Entsprechend stellt das europäische Mittel den

Durchschnitt der sieben Anteilswerte dar. Diese Berech-

nungsmethodehatdenVorteil,dassdieAnteilswertealler

Vergleichsländer gleich stark gewichtet sind. Denn die

HochschulenDeutschlandsundGrossbritannienssindauf

denSocial-Media-Kanälendeutlichaktiveralsbeispielswei-

sejeneinÖsterreichundSchweden.

DiefünfhäufigstenTechnologienjeLandwurdensodann

ineinKreisdiagrammjeLandüberführt,umdarauseinLän-

derprofilzuerstellen(Abbildung4aufdenSeiten12und

13).DieseAnteilswertelassensichüberdieverschiedenen

Ländervergleichen.

Social-Media-Analyse

Page 25: Deutsche Version - SATW

25

Zur Ermittlung der Bedeutung der Technologien für die

SchweizundzurKonstruktionvonAbbildung5(aufden

Seiten14und15)wurdenfürjedeTechnologiedesTech-

nology OutlooksachtParameterabgeschätzt.Vierdienen

zurBestimmungdervolkswirtschaftlichenBedeutungund

vier zur Bestimmung der Forschungskompetenz in der

Schweiz.DieachtParametersind:weltweiterUmsatzvon

in der Schweiz ansässigen Firmen mit Produkten und

Dienstleistungen im Jahr 2019, Marktpotenzial in den

nächstenfünfJahren,rechtlich-regulatorischeRahmenbe-

dingungen in der Schweiz, Akzeptanz in der Schweizer

Gesellschaft,AnzahlrelevanterakademischerForschungs-

gruppeninderSchweiz,Kompetenzdieserakademischen

Forschungsgruppen im internationalen Vergleich ausge-

drücktmitdemdurchschnittlichenh-Index10,Anzahlder

Firmen in der Schweiz mit F&E-Aktivitäten zum Thema

und deren Kompetenz im internationalen Umfeld. Die

WertebereichewurdenineinPunktesystemüberführt.

Bedeutung der Technologien für die Schweiz

Umsatz2019(U),basierendaufSchätzungenvonExpertinnenundExperten,Branchen-undGeschäftsberichten,

statistischenDatenbankenundInternetrecherchen:

MarktpotenzialindennächstenfünfJahren(M),basierendaufEinschätzungvonExpertinnenundExperten:

Rechtlich-regulatorischeRahmenbedingungeninderSchweiz(RR),basierendaufEinschätzungenvonExpertinnen

undExperten:

AkzeptanzinderSchweizerGesellschaft(RG),EinschätzungenvonExpertinnenundExperten:

Wert (inMio.CHF) <10 10–99 100–499 500–999 ≥1‘000

Punkte 1 2 3 4 5

Wert klein mittel gross sehrgross

Punkte 0.4 0.8 1.2 1.6

Wert ungünstig neutral optimal

Punkte 0.8 1 1.2

Wert hemmend neutral fördernd

Punkte 0.9 1 1.1

10Derh-IndexbasiertaufdenAngabenvonResearchGate.DieWertewurdenmitjenenvonGoogleScholarverglichenunddadurchplausibilisiert.

Page 26: Deutsche Version - SATW

26

AnzahlrelevanterakademischerForschungsgruppeninderSchweiz(FA),basierendaufAngabenvonExpertinnenund

ExpertensowieeigenenInternetrecherchen:

AnzahlFirmeninderSchweizmitF&EzumThema(FI),basierendaufAngabenvonExpertinnenundExperten,

Branchen-undGeschäftsberichtensowieInternetrecherche:

KompetenzdieserFirmeniminternationalenUmfeld(KI),basierendaufEinschätzungvonExpertinnenundExperten:

KompetenzderakademischenForschungsgruppen(KF),basierendaufdemdurchschnittlichenh-Indexder

ForschungsgruppeninderSchweiz,dieaufdementsprechendenGebietaktivsind:

Wert <10 10–19 20–39 40–49 ≥50

Punkte 1 2 3 4 5

Wert <10 10–29 30–69 70–99 ≥100

Punkte 1 2 3 4 5

Wert gering mittel hoch

Punkte 0.8 1 1.2

Wert <20 20–34 ≥35

Punkte 0.8 1 1.2

Page 27: Deutsche Version - SATW

27

DieermitteltenWertewurdenmittelsfolgenderFormelin

einePositionaufderhorizontalenAchse(volkswirtschaft-

licheBedeutung)überführt:

U * (M + RR + RG)

Die Gewichtung der Grössen in der Formel ist unter-

schiedlich. Der auf soliden Zahlen basierende Umsatz

wurdealsdiewichtigsteGrösse festgelegt,dieanderen

drei Werte modulieren den Umsatz. Der Einfluss des

MarktpotenzialsaufdieEntwicklungdesUmsatzeswurde

alsgrössereingeschätztalsderjenigederrechtlichregula-

torischenRahmenbedingungenunddergesellschaftlichen

Akzeptanz.DieseGewichtung liegtdemPunktesystem

zugrundeundbestimmtdamitdieÜberführungderWerte.

Die Position einer Technologie auf der vertikalen Achse

(ForschungskompetenzinderSchweiz)ergibtsichausder

folgendenFormel:

FA * KA + FI * KI

DieAngabenzuderAnzahlakademischerundindustrieller

Forschungsgruppen wurden als die beiden bestimmen-

denGrössenfestgelegt,derenKompetenzjeweilsalsMo-

dulatoren,wassich inderÜberführungderWerteberei-

cheindasPunktesystemwiderspiegelt.

DarausergebensichWertevon2.1bis19.5fürdiehorizon-

taleundWertevon1.6bis12fürdievertikaleAchse.Zur

VereinfachungderDarstellungwurdendieWertelinearso

transformiert, dass derminimalmöglicheWert für beide

Achsen0.0,dermaximalmöglicheWert10.0ist.

Überführung der Werte in die Quadrantendarstellung

Page 28: Deutsche Version - SATW

Technologien und Anwendungsgebiete

28

Page 29: Deutsche Version - SATW

29

Digitale Welt 30 5G-Anwendungen 31

AnalysevonBigData 32

AugmentedReality 33

Blockchain 34

ConnectedMachines 36

DigitalerZwilling 37

Drohnen 38

HochautomatisierteFahrzeuge 39

InternetofThings 40

KollaborativeRobotik 41

MaschinellesLernen 42

MobileRoboter 43

NeuartigeInternetarchitekturSCION 44

OpticalSpaceCommunication 45

Quantencomputing 46

Quantenkryptografie 47

Energie und Umwelt 48 AlternativeAntriebssystemefürFahrzeuge 49

DezentraleEnergiesysteme 50

Geothermie 51

KünstlichePhotosynthese 52

Mobilitätskonzepte 53

NachhaltigeLebensmittelproduktion 54

Photovoltaik 55

RecyclingvonseltenenErden 56

SmartGrids 57

ZukünftigeEnergiespeicherung 58

Fertigungsprozesse und Materialien 60 AdditiveFertigung–Materialentwicklung 61

AdditiveFertigung–Verfahren 62

AntimikrobielleMaterialien 63

Bioplastik 64

FunktionaleFasern 65

PhotonischeFertigung 66

WärmeleitendeelektrischeIsolatoren 67

Life Sciences 68 3D-Biodruck 69

AlternativeProteinquellen 70

BiokatalyseundBiosynthese 71

MassenkultivierungvonStammzellen 72

MedizinischeWearables 73

Medizinroboter 74

MikrobiotaundMikrobiome 75

PersonalisierteErnährung 76

Point-of-Care-Diagnostik 78

SynthetischeBiologie 79

Technik und Gesellschaft 80 Datensouveränität 81

DigitalTrust 82

Page 30: Deutsche Version - SATW

Digitale Welt

30

Page 31: Deutsche Version - SATW

31

So sieht es heute aus5G-NetzewerdeninderSchweizseitAnfang2019aufge-

baut. Ein wesentlicher Treiber ist der wachsende mobile

Datenverkehr. Dadurch stossen die bestehenden Mobil-

funknetze an ihre Kapazitätsgrenzen. Dazu tragen auch

Umweltauflagenbei,welcheKapazitätundLeistungsfähig-

keit limitieren,sodasseffizientereTechnologieneingesetzt

werdenmüssen,umdaswachsendeDatenvolumenbewäl-

tigenzukönnen.5GisteineklassischeEnabling-Technolo-

gie,welchedie infrastrukturelleGrundlage füreinebreite

PalettevonAnwendungendarstellt.AlsPlattfromkannsie

spezifischen Kundenbedürfnissen angepasst werden. Sie

erlaubtz.B.neueAnwendungenzurdrahtlosenSteuerung

undzurÜberwachungvonProduktionsprozessen,zurVer-

netzungvonSensorenundzumAustauschvonDaten.Bei

kritischen Infrastrukturen,etwa imEnergiebereichoder in

der Mobilität, die zunehmend über Mobilfunk gesteuert

werdenkönnen,bietet5GdenVorteil,dasssolcheSysteme

in eigenen vom restlichen Mobilfunknetz abgeschotteten

Anwendungenbetriebenwerdenkönnen,wasderenSi-

cherheitdeutlicherhöht.ZudemkönnenNetzkapazitäten

reserviertwerden–wassiebesondersfürdenEinsatzbei

BlaulichtorganisationenundbeikritischenUnternehmens-

prozessenauszeichnet.DieLatenzzeitistvieltieferalsbei

früherenStandards,sodassProzesseundMaschinenna-

hezuinEchtzeitgesteuertwerdenkönnen.Dietechnische

GrundlagenforschungbeschäftigtsichmitneuenÜbertra-

gungsfrequenzen und entsprechenden Antennentech-

nologien.FokusderangewandtenForschungistdieInte-

grationder neuen Technologie inbestehendeoder neu

geschaffene betriebswirtschaftliche und informations-

technischeProzesse.

Internationale Vorreiter sind Südkorea und China. In der

Schweizsind5G-NetzeseitApril2019inBetrieb. ImJuni

2020habenzudem14EU-StaatensowieNorwegenkom-

merzielle5G-NetzeinBetriebgenommen.NebendenUSA

undSüdkoreagehörtdieSchweizzudenweltweitersten

Ländern, in denen kommerzielle 5G-Dienste angeboten

werden.InderSchweizgibtesbereitseineReihevonPilot-

projekten, beispielsweise in der Landwirtschaft (Smart

Farming), der Maschinenindustrie (Industrie 4.0), bei der

Breitbandversorgung und in der Steuerung von Zügen

(Smart-Rail 4.0)oderimTourismus.InBezugaufNetzaus-

baugehörtdieSchweizmitzurWeltspitze.Allerdingsste-

hen restriktive Strahlenschutzvorschriften sowieVerzöge-

rungen und Blockaden bei den Bewilligungsverfahren in

Gemeinden und Kantonen dem flächendeckenden und

leistungsfähigenVollausbauentgegenundmachenihnim

internationalenVergleichsehrteuer.

Ein Blick in die ZukunftDigitalisierungundMobilfunkstehenganzobenaufder

europäischen Agenda und werden als eine notwendige

Voraussetzung für Innovations- und Wettbewerbsfähig-

keitgesehen.DieEUhatsichzumZielgesetzt,bisEnde

2025alleurbanenGebieteundVerkehrswegedurchgän-

gigmit5G-Empfangzuversorgen.

Anwenderunternehmenversprechensichvon5GWachs-

tumspotentiale durch die Digitalisierung von Prozessen

undGeschäftsmodellen.InderIndustriez.B.könnenzu-

sätzlicheProzesseautomatisiertwerden,wodurchProduk-

tionszeitenverkürztundAusfällereduziertwerdensollen.

Ferner können Produktionsabläufe vermehrt just-in-time

erfolgenundProduktestärkerindividualisiertwerden.Eine

StudiederASUTkommtzumSchluss,dass5G-Technologi-

enbis2030einenzusätzlichenProduktionswertvonüber

40MilliardenFrankengenerieren,wobeirund88Prozentin

denAnwenderbranchenanfällt.GutepolitischeRahmen-

bedingungenfür5GsindeineVoraussetzung,umdiewei-

tereDigitalisierungzubefördern.

5G – also die fünfte Generation des Mobilfunks – ist eine Plattform, die an ganz unterschiedliche Kunden-bedürfnisse angepasst werden kann. Im Vergleich mit den bisherigen Standards erlaubt 5G, mehr mobile Daten rascher und sicherer zu übertragen, und er ist in Bezug auf Reaktionszeiten und Anzahl gleichzeitiger Verbindungen deutlich leistungsfähiger. Die Übermittlung der gleichen Datenmenge verursacht also weniger Strahlung und einen geringeren Energieverbrauch als frühere Generationen. Neu ist zudem, dass bei 5G in der Regel adaptive Antennen eingesetzt werden. Diese strahlen nicht kontinuierlich in alle Richtungen, sondern nur dorthin, wo das Signal genutzt wird, also nur zu jenen Geräten, die Daten versenden oder empfangen.

5G-Anwendungen

Gregor Dürrenberger (FSM–ForschungsstiftungStromundMobilfunk)

undChristian Grasser(ASUT)

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32

So sieht es heute ausBigDataundKIsindheutenochengermiteinanderverbun-

denundsynergetischergeworden.DasglobaleWachstum

wirdvonDatenundKI-Dienstenangetrieben,dieüberdie

Cloudbereitgestelltwerden.DieZukunftwirddurchauto-

matisierte,KI-gesteuerteAnalysengeprägt,diekontinu-

ierlich praktisch umsetzbare Erkenntnisse liefern. KMU

könnenaufeineReihevonDienstenzugreifen,dievon

Cloud-Anbietern bereitgestellt werden und die Einfüh-

rung,dieAnpassungunddenEinsatzvonKI-Technologien

zurBig-Data-Analysevereinfachen.Damitwerdenfrühere

Hindernisse bei der Rekrutierung oder internen Entwick-

lungvonFachkräftenundbeiInvestitionenindieInfra-

strukturabgebaut.InBezugaufdieaktuellenHerausfor-

derungen haben Data Governance und Sicherheit auch

weiterhin Priorität und werden zu wichtigen Entschei-

dungskriterienfürUnternehmen,diekommerzielleLösun-

genfürdieBig-Data-Analyseeinführenmöchten.Darüber

hinausfordernKundinnenundKundenFlexibilität inBe-

zugaufCloud-Umgebungenundbemühensich,eineBin-

dunganeinenbestimmtenAnbieterzuvermeiden.Strate-

gien, die auf einer offenen Infrastruktur aufbauen,

werdenalsoimmerhäufiger.

FürdieSchweizgeltendieErgebnisseausdemTechnology

Outlook 2019bisheute.DiegrössteBrancheinBezugauf

dieMarktchancefürBigDataistdasBankwesen,welches

dazubeigetragenhat,dieEinführungvonTechnologienfür

dieBig-Data-Analyse zubeschleunigen.Dabei ist erwäh-

nenswert,dassausgewählteGrossunternehmenindenBe-

reichen Einzelhandel, Telekommunikation und Transport

eineBig-Data-StrategiefürpersonalisierteDienstleistungen

undKundenprofilierungeneingeführtundweiterentwickelt

haben.AktuellgibteskaumHinweiseaufeineweitverbrei-

teteNutzungvonBigDatainKMU.

Ein Blick in die ZukunftDieKombinationvonBigDataundKIwirdeineSchlüssel-

rolle für Initiativen zur digitalen Transformation spielen.

EinwichtigerTrend istdieerwarteteKonvergenzvonKI

undEdge-Computing.LauteinerGartner-Studiewerden

also immer mehr Datenanalysen am Ort der Erfassung

durchgeführt–50ProzentimJahr2023gegenüber5Pro-

zentimJahr2019.DementsprechendwirddieFähigkeit,

DatendurchEdge-Computingzuverarbeiten,fürdieEnt-

scheidungsfindunginEchtzeit,dieEinhaltungvonDaten-

schutzrichtlinien und die Skalierbarkeit von Infrastruktur

unabdingbar.EinanhaltenderTrendsinddiewachsenden

Investitionen in öffentliche Cloud-Dienste zur Erhöhung

der Flexibilität. Dieselbe Studie prognostiziert, dass 75

Prozent aller Datenbanken bis 2023 auf Cloud-Plattfor-

mengehostetseinwerden,wassichdirektaufAnbieter

vonDatenbankverwaltungssystemenauswirkenwird. Im

AllgemeinenwerdenCloud-Umgebungensehrheterogen

sein und Unternehmen werden sich wahrscheinlich auf

eine Mischung aus lokalen privaten Clouds, mehreren

öffentlichen Clouds und älteren Plattformen verlassen

müssen. Diese hybride Multicloud-Umgebung wird die

EinführungvonContaineranwendungenvorantreiben,die

aufjederPlattformausgeführtwerdenkönnen.DieErfas-

sung von Echtzeitdaten in Kombination mit Streaming-

AnalysenwirdfürdieEntwicklungvonAnwendungen,die

in Echtzeit erfassen, analysierenundhandeln,weiterhin

an Bedeutung gewinnen. Ein grosses Hindernis bei der

Einführung vonBig-Data-Lösungen sind für vieleUnter-

nehmengeeigneteGovernance-undSicherheitsmecha-

nismen.MöglichkeitenzurÜberwachungundDemons-

tration der digitalen Vertrauenswürdigkeit werden zu

wichtigenWirtschaftsgütern.Datensicherheitbleibteine

Priorität.UnternehmenmüssensichalsoimZugeihrer

digitalen Transformation auf robuste Sicherheits- und

Datenschutzpraktikenkonzentrieren.

Die Analyse von Big Data umfasst die Methoden und Technologien, die angewendet werden, um aus grossen vielfältigen Datenmengen praktisch umsetzbare Erkenntnisse abzuleiten. Fortschritte sowohl in der Kommunikations- und Datenverarbeitungsinfrastruktur als auch in der künstlichen Intelligenz (KI) erleichtern die Gewinnung weiterer geschäftlicher und technologischer Erkenntnisse aus Big Data. Bestimmte Sektoren wie Banken, Versicherungen, Pharma und verarbeitendes Gewerbe profitieren von dieser Entwicklung.

Analyse von Big Data

Alessandro Curioni undPatrick Ruch (IBMResearch–Zurich)

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InderSchweiz sehen sichKMUbeiderEinführungneuer

TechnologienmöglicherweisemitQualifikationslückenund

beschränkten Ressourcen konfrontiert. Hier besteht eine

ChancefürneueDatenverwaltungstechnologien,diemanu-

elleundlangwierigeAufgabenindenBereichenDatenma-

nagement,DataGovernanceundDatenverwaltungautoma-

tisieren.EswerdenhybrideCloud-Management-Plattformen

entwickelt, umdie EntwicklungundBereitstellung von

Big-Data-Anwendungen inUmgebungen zu vereinfachen,

indenenprivateOn-Premise-Datenverarbeitungsressourcen

mitRessourcenauseineröffentlichenCloudkombiniertwer-

den,wodurchUnternehmen jederGrössepraktischunbe-

grenzte Datenverarbeitungsressourcen zur Verfügung

stehen.DieseBig-Data-«Zutaten»ermöglichendieIdentifi-

zierungallerwertvollenDatenquelleninnerhalbeinesUnter-

nehmens,umschnellgeschäftlicheundtechnologische

Erkenntnissezugewinnen.DieInvestitionenwerdensich

weiterinRichtungIntegrationsplattformenverlagern.

So sieht es heute ausIn den letzten Jahren war auf dem Gebiet der Hard-

ware-Entwicklung ein deutlicher Fortschritt zu spüren.

DiesbetrifftinsbesonderedieErweiterungdesSichtfelds

bei MR-Brillen wie der HoloLens II von Microsoft. Neue

Geräte erlauben eine deutlich verbesserte Gestenerken-

nung,waszueineroptimiertenInteraktionmitdenvirtu-

ellen,eingeblendetenObjektenführt.Zudemwurdedie

Technologie zurPositionserfassung,welche fürAR-An-

wendungenzwingenderforderlichist,deutlichverbessert

und miniaturisiert. Ein Beispiel ist die halbleiterbasierte,

mitdemRadarverwandteLiDAR-Technik,diebereits im

Apple iPad Pro 2020 kommerziell verfügbar ist.Mit zu-

nehmenderDarstellungsqualitätentstehenbeider Inter-

aktionmitvirtuellenObjektenneueHerausforderungen.

SomöchtemandiesedankverbesserterGestenerken-

nungoderautomatischerPositionserfassungimVergleich

zuheutenatürlicherunderlebbarermachen.

InderSchweizhabensichindenletztenJahrensehrviele

Firmenetabliert,welchedieErzeugungvonvirtuellenIn-

halten,derenDarstellungsowieAspekteder Interaktion

bearbeitenundhierzuProdukteanbieten.Zudemsetzen

immermehrindustrielleAnwenderaufVR-undMR-Tech-

nologien, beispielsweise für Unterhalt oder Ausbildung

undSchulung.DerEinsatzdieserneuenTechnologienbei

SchweizerKMUstelltallerdingseineHerausforderungfür

dieEntwicklerinnenundEntwicklerdar,dasichdieInvesti-

tionschonnachkurzerZeit lohnenmuss. Inden letzten

Jahrenistderanfängliche«Hype»einergesundenErnüch-

terunggewichen.Manhaterkannt,wasdieneuenTech-

nologienzuleistenvermögenundwiemandiesezielfüh-

rend einsetzen kann. Dies hat zu einer gewissen

KonsolidierunginderenAnwendunggeführt.

Unter dem Begriff Augmented Reality (AR) – oder besser Mixed Reality (MR) – versteht man die visuelle Überlagerung von realen Objekten mit computergenerierten (virtuellen) Informationen. Hinzu kommen vermehrt Anwendungen von Virtual Reality (VR), also das komplette Eintauchen in eine computergenerierte Welt. Typische Anwendungen dieser verschiedenen Technologien finden sich in Ausbildung und Lehre, in der Produktentwicklung und Produktion sowie in der Medizin. In der Schweiz setzen viele Unternehmen AR bereits erfolgreich ein.

Augmented Reality

Andreas Kunz (ETHZürich)

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Ein Blick in die ZukunftDie derzeit verfügbaren MR-Geräte sind für eine weite

Verbreitungnochzuteuer.Esistzuerwarten,dassesin

dennächstenJahrenbeisteigendertechnischerLeistung

zu einemdeutlichen Preisabfall kommenwird.MRwird

zunehmendinderAnwenderschulunganrealenObjekten

(Fahrzeuge,Maschinen) sowie für Instandhaltungund

Serviceeingesetztwerden.

SchweizerFirmensindinternationalgutaufgestelltund

könnendankverkürzterEntwicklungs-undProduktions-

zeiten künftig einen Technologievorsprung vorweisen.

Neben der Dienstleistung oder dem Produkt wird sich

derdigitaleZusatznutzenzumeigenständigenMerkmal

und potentiellem Marktvorteil entwickeln. Damit die

SchweizerFirmenihrejeweiligeSpitzenpositionbewah-

renkönnen,brauchtesinnerhalbderUnternehmeneine

genaue Problembeschreibung, sodass die Technologie

konsequent ausgewählt und eingesetzt werden kann.

UnternehmensolltensichimdirektenGesprächmitFor-

schungsinstitutionenaustauschen,mitHochschulenge-

meinsamBachelor-undMasterarbeitenanbietenundFor-

schungskooperationen anstreben, um frühzeitig über

neueTechnologienundMöglichkeiteninformiertzusein.

So sieht es heute ausAlsneuerErfolgsfaktorfürBlockchainhatsichindenver-

gangenenJahrendieStandardisierungherauskristallisiert.

SoexistiertderzeiteinWettbewerbzwischenunterschied-

lichenBlockchainswieEthereumoderHyperledgerundes

sindeineReiheProtokolleentstanden,dieteilweisenicht

interoperabelsind.DeshalbarbeitetetwadasWorld Wide

Web Consortium (W3C) an geeigneten Standards und

Regeln,dieauchdieländerübergreifendeNutzungbetref-

fen.EineweitereFrageist,wiediePrivatsphärederNutze-

rinnenundNutzergeschütztwerdenkann,wennPseudo-

nymedurchDatenverknüpfungendeanonymisiertwerden

können. Weitere zentrale, bislang allerdings ungelöste

ProblemesindderProof-of-Work-Mechanismussowieder

hoheEnergieverbrauch.AlternativeKonsensusmechanis-

menzurValidierungvonTransaktionenwieetwaProof-

of-Stake befinden sich noch immer im Forschungsstadi-

um.

DieSchweizbeheimatetim«CryptoValley»einigeStart-

upsvonWeltruf.Darunterbefindensichfünfmiteinem

Wertvonmehrals1MilliardeUS-Dollar,alsosogenannte

«Einhörner»:Bitmain, Dfinity, Ethereum, Librabzw.Novi

undPolkadot.GeprägtistdieSchweizerFirmenlandschaft

abervonjungenStart-ups,welche(noch)wenigUmsatz

erwirtschaften.InderSchweizwieauchinternationalbil-

den sich viele Anwendungsbereiche heraus. Beispiele

hierzulande sind etwa Smart-Contract-Lösung für Versi-

cherungsverträge(B3i),SupplyChainManagementfürdie

pharmazeutischeIndustrie(Modum),TradeFinance(UBS)

Blockchains sowie Distributed Ledgers werden oft als «Technologien» bezeichnet. Genau genommen sind es jedoch Listen von kryptografisch verbundenen Datenelementen. Die Charakteristika von Blockchains und Distributed Ledgers sind die dezentrale Datenspeicherung und die Validierung mittels Konsensusmechanismen (z. B. Proof-of-Work und Proof-of-Stake), die Auditierbarkeit sowie die Persistenz. Grundsätzlich lassen sich die Formen «permissionless» (anonymer bzw. pseudonymer Benutzerkreis) und «permissioned» (bekannter, eingeschränkter Benutzerkreis) unterscheiden. Eine über die reine Datenstruktur hinausgehende Form sind sogenannte «Smart Contracts» mit semantisch interpretierbaren bzw. softwarelesbaren Inhalten, die auto-matische Transaktionen auslösen können.

Blockchain

Thomas Puschmann (UniversitätZürich)

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oderKonsortienwiedieSwiss Digital Trade Platformmit

Novartis, der Schweizerischen Exportrisikoversicherung,

derSchweizer Post,derUniversität ZürichsowiederZurich

Insurance.

Die Umsetzung dieser neuen Anwendungsbereiche ist

eng mit mindestens drei Erfolgsfaktoren verknüpft, die

sichseit2019positiventwickelthaben:(I)Verfügbarkeit

vonTalentenundderenAusbildungandenHochschulen:

WeitereKursewurdenanHochschuleneingeführt.(II)Ein

gutfunktionierendesÖkosystemausHochschulen,etab-

liertenAkteurenundStart-upsmitgutemZugangzuRisi-

kokapital:DieAnzahlStart-upshatsichauf842mit4‘400

Beschäftigten in der Schweiz und Liechtenstein erhöht.

MitSEBAundSygnum sinderstmalszweiUnternehmen

miteinerBanklizenzvertreten.(III)Einflexiblerregulatori-

scher und rechtlicher Rahmen: Der Nationalrat hat am

17.Juni2020einerinnovationsfreundlichenRechtsgrundla-

gefürdezentraleAnwendungenundGeschäftsmodelle

zugestimmt.

Ein Blick in die ZukunftGenerellbildensichBlockchainsundDistributedLedgers

mit ihrenzugrundeliegendenProtokollenalsneue Infra-

struktur für die nächste Generation des Internet heraus

(«Internet of Value»). Dies hat nicht nur für IT-lastige

DienstleistendewiedieFinanzindustriegrosseAuswirkun-

gen,sonderninKombinationmitdemInternetofThings

auch für die Industrie, so etwa bei Stromerzeugung,

-handelund-konsum.MitSmartMetersundSolarzellen

ausgestattete Häuser lassen sich intelligent steuern, in-

demdigitaleWährungendenPeer-to-Peer-Handelunter-

stützenundSmartContractsdendigitalenHandelunddie

Produktion vereinfachen. In der Schweiz wurde hierzu

einKonsortiumimRahmenderSchweizerischen Normen-

Vereinigung (SNV)mitdemNamenDLT-for-Powergegrün-

det.EinweitererwichtigerAnwendungsbereichsindso-

genannte«CentralBankDigitalCurrencies»(CBDC),also

von Zentralbanken emittierte digitale Währungen wie

etwaeindigitalerSchweizerFranken.FürdiesenAnwen-

dungsbereich istdasvonderBank für Internationalen

ZahlungsausgleichgegründeteBIS Innovation Huberwäh-

nenswert.

Die bislang einzige «Killerapplikation» für Blockchain ist

Bitcoin. Eine Vielzahl anderer Anwendungen befinden

sichnochimmerimExperimentierstadium.MöglicheGe-

biete sind etwa Handel (IBM und Walmart), Logistik

(Maersk), Verkehr (Novotrans) oder die öffentliche Ver-

waltung(Niederlande).WeitereInnovationspotenzialeer-

gebensichimBereichderNachhaltigkeitwiezumBeispiel

beiderRückverfolgbarkeitvonProdukten,derenBestand-

teilensowiederenProduktionsbedingungeninderge-

samtenLieferkette.

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36

So sieht es heute ausFürvieleHochlohnländeristdieseTechnologieiminter-

nationalen Wettbewerb ein Schlüsselfaktor für Erfolg.

ForschungundEntwicklungfokussierendeshalbaufdie

Themen Prozessoptimierung, Inline-Qualitätskontrolle,

Konzeptefür«SmartMaintenance»,durchgängigeInfor-

mationsflüsse,hoheFlexibilitätderFertigungsroboterund

ihrer Greifarme sowie Nachhaltigkeit in der Produktion.

Daraus resultieren zahlreiche entsprechende Anwendun-

gen,dieingrossenFirmen,indenForschungszentrender

HochschulenundweitererForschungsinstitutionensowie

inKMUundStart-upszurMarkreifegebrachtwerden

können.

DieHerausforderung inderSchweizbestehtdarin,aus

diesenInnovationensoschnellwiemöglichprofitableGe-

schäftsmodellezumachen.EsgibtpunktuellChampions,

die eine international führende Rolle einnehmen. Diese

SchweizerVorzeigeunternehmensindaufgrundderhohen

QualifikationundWettbewerbsfähigkeitwirtschaftlich

bedeutend.

Ein Blick in die ZukunftDie weltweite technologische Entwicklung begünstigt

Smart FactoriesundProzessautomatisierungen,da sich

Rechenleistung, Netzwerkbandbreite und die Fähigkeit,

komplexeAufgabenstellungenmitComputern zu lösen,

sehrraschentwickeln.Unternehmenwerdenlernen,mit

den damit einhergehenden Sicherheitsrisiken umzuge-

hen. Es gilt, Innovationen in Zukunft mit Geduld und

Sorgfaltschrittweiseumzusetzen.

DieindustrielleFertigunginderSchweizwirdihreStellung

im Weltmarkt aufgrund einer hohen Innovationsbereit-

schaftbehaupten.FürvernetzteundsmarteMaschinenin

einerSmartFactorybedeutet«Swissmade»,völligneue

Produktezuentwickeln,aberauchbestehendeLösungen

kontinuierlichzuverbessern.Umdieszuerreichen,sollte

dieangewandteForschungfokussiertvorangetriebenund

derenFörderungausgebautwerden.DieWirksamkeitder

SmartFactory steigtmitdemGraddesZusammenspiels

zwischenInformatik,Maschinen-sowieAnlagenbauund

Branchenfachwissen. Dies setzt eine gute Vernetzung,

Koordination und Zusammenarbeit der klugen Köpfe in

ForschungundPraxisvoraus,damitdieKMUalsRückgrat

derSchweizerWirtschaftoptimalprofitierenkönnen.

Connected Machines (vernetzte Maschinen) gewährleisten eine hochautomatisierte, vernetzte und vor-ausschauende Produktion, eine Smart Factory also. Eine vernetzte Maschine ist intelligent und interaktiv. Sie erlaubt die flexible, effiziente und äusserst genaue Fertigung bis hin zur Losgrösse 1 und ermöglicht innovative Lösungen.

Connected Machines

Daniel Liebhart (ZHAW)und Philipp Schmid (CSEM)

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So sieht es heute ausWährend in anderen Ländern grosse Industrien wie die

AutomobilbrancheeineVorreiterrolleübernehmen,istdie

vonKMUdominierteSchweizerIndustrielandschaftnoch

uneins.EinerseitswirdderdigitaleZwillingalsChancebe-

trachtet,anderseitsbildendiezutätigendenInvestitionen

einegrosseHürde–eineSituation,dieauchaufandere

Nationenzutrifft.BeimVergleichmitasiatischenStaaten

istfestzustellen,dassvoralleminChinaderdigitaleZwilling

positivwahrgenommenundstarkunterstütztwird.Inder

Schweizistdavonauszugehen,dassKMUnurdanneinen

VorteilausdenmächtigenKonzeptenrundumIndustrie

4.0undSmartFactoryziehen,wennsiedenNutzenauf

die menschlichen Akteurinnen und Akteure ausrichten

unddieseinsZentrumderAktivitätenstellen.

Ein Blick in die ZukunftDieMöglichkeitendesdigitalenZwillingswerdenzueiner

weiterenDigitalisierungder Industrie und zu steigender

KomplexitätinderProduktentwicklungführen.Produkte

werdenkünftigeinEbenbildindervirtuellenWeltbesit-

zen und somit über höhere Funktionalität und Effizienz

verfügen. Dies bedeutet eine Steigerung des Kunden-

nutzens.DiesteigendeKomplexitätistaberaucheineHer-

ausforderung. KMU müssen einen Weg finden, Wissen

aufzubauen,umdendigitalenZwillingnutzbringendein-

zusetzensowieständigaktuellzuhalten.DieFragefür

KMUlautet,wiemitdemdigitalenZwillingKundennutzen

undinternerNutzengeneriertwerdenkönnenundwelche

Werkzeuge dafür einzusetzen sind. Genauso wie sein

physischesPendantdecktderdigitaleZwillingdenganzen

LebenszyklusmitEntwicklung,Herstellungundinsbeson-

dereBetriebab.ForschungundEntwicklungwerdensich

indenkommenden Jahren verstärktmit dieser gesamt-

heitlichenKettebefassen.EineSchwierigkeitist,dasszwi-

schenProduktentwicklungund-nutzeneinelangeLatenz-

zeit besteht. Sollen zum Beispiel im Rahmen von Smart

Maintenancedatenbasierte Services angebotenwerden,

dannmussdasProduktbereitsinderEntwicklungdarauf

ausgerichtetwerden.EinUnternehmenmussalsokünftig

nebenDatenfürreininterneZweckewieQualitätssiche-

rungoderProzessoptimierungauchDatenfürsolcheSer-

viceserfassen.DiedrängendenFragensind:«Wowerden

Datenbenötigt,dienochnichterhobenwerden?»,aber

auch«WowerdenDatengesammelt,diekeinerbenötigt?».

DieAntwortendaraufweisendenWeg,umschlussendlich

Gewinnzuerzielen.

DieSchweizerIndustriesolltedasPotenzialdesdigitalen

Zwillingsausloten.DiebeschriebeneLatenzzeitzwischen

Produktentwicklungund-nutzenerfordertes,schnellEr-

fahrungenzusammeln.Auchwennnichtgleichdasange-

stammteGeschäftsmodellgeändertwerdenmuss,sollten

indenentsprechendenTätigkeitsfeldernWissenaufgebaut

understeMassnahmenergriffenwerden.

Beim digitalen Zwilling liegt das Hauptaugenmerk auf dem Abbilden realer Produkte oder Prozesse in der virtuellen Welt. Dies führt zu einem digitalen Schatten in der Produktion und im Betrieb. Dazu müssen Simulationsprogramme entwickelt, Fertigungsschritte verkettet und Daten aus dem «Product Lifecycle Management» mit jenen aus dem «Enterprise Resource Planning» verknüpft werden. Ein zentrales Anwen-dungsgebiet des digitalen Zwillings ist die Fertigung. Es bieten sich bei manuellen Arbeitsschritten neue Einsatzmöglichkeiten an, beispielsweise in der Mensch-Roboter-Interaktion und -Kooperation, in der Gestaltung des virtuellen Arbeitsplatzes oder von virtueller Schulung sowie in der Fernwartung. Neben der technischen Machbarkeit ist das Wahren der ökonomischen Balance zwischen Aufwand und Ertrag eine Herausforderung. Vieles ist möglich und ein durchdachtes Konzept wird im Unternehmen eine Effi-zienzsteigerung herbeiführen. Gegenteilig verhält es sich, wenn der Lösungsansatz falsch gewählt wird. Weiter ist das Augenmerk auf die Veränderungen für die Arbeitskräfte zu legen. Änderungen können zu Widerständen führen, die durch entsprechendes Change Management aufzufangen sind.

Digitaler Zwilling

Andreas Kunz(ETHZürich)undDaniel Schmid(ZHAW)

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So sieht es heute ausUnterderFührungderETH ZürichundderEPFLhatsichdie

SchweizalsHotspotfürDrohnentechnologieundStart-ups

aufdiesemGebiet entwickelt. Sie ist führend inderEnt-

wicklungneuerKonzepte sowiedernötigenTechnologie

zur autonomen Navigation im Freien und in Gebäuden.

Drohnentechnologie ist aufdemWeg, sichals volkswirt-

schaftlich relevanterundschnellwachsenderVorzeigebe-

reichderSchweizerWirtschaftzuentwickeln,derauch

vom Bundesamt für Zivilluftfahrt BAZL vorangetrieben

wird.KeinWunderistdieDrohnentechnologieindenmeis-

tenführendenIndustrieländernaufdemRadardervielver-

sprechenden Technologien aufgetaucht. Kommerzielle

Drohnen, speziell jenedesWeltmarktführersDJI,werden

immerautonomerundihrEinsatzvermehrtsichinverschie-

denstenBereichen.DieAnzahlverkaufterDrohnendeutet

aberaufeinengesättigtenKonsumentenmarkthin.Dafür

hatsichderprofessionelleEinsatzvonDrohnenstarkwei-

terentwickelt.DaDrohnenimmerhäufigeralssehrwichtige

Zukunftstechnologie eingestuft werden, ist es zu einem

kleinenHandelskriegzwischendenUSAundChinagekom-

men: Die USA haben den Import chinesischer Drohnen

starkeingeschränktundfördernsodieeigeneDrohnenin-

dustrie.DasbringtneueRisikenfürSchweizerDrohnenher-

steller,kannaberaucheineChancesein.DieRegulierung

fürdie IntegrationderDrohnen imöffentlichenLuftraum

machtguteFortschritte;inEuropaistdieSchweizführend.

DiehervorragendeStellungderDrohnenforschunginder

Schweizhat sichgutweiterentwickelt, diebestehenden

Start-upssindgewachsenundeinigeneuesindgegründet

worden.DasBAZLplant,2021einOnline-ToolfürdieIn-

tegrationvonDrohnen imöffentlichenLuftraumzu lan-

cieren.Damitwirdesmöglichsein,diegeplanteFlugroute

und -zeit einzugeben und fast unmittelbar ein Okay zu

bekommen. Dies wird den Schweizer Start-ups einen

massgeblichenMarktvorteilverschaffenundausländische

Drohnenfirmenanziehen.EineoffeneundklareRegulie-

rungistmatchentscheidendfürdieoptimaleEntwicklung

derDrohnenindustrie.

Ein Blick in die ZukunftIndennächstenJahrenwirdsichvorallemderEinsatzvon

DrohnenalsprofessionellesWerkzeugweiterentwickeln.

Bereits gut entwickelte Bereiche wie Landwirtschaft,

LuftüberwachungoderVermessungwerdenprofessiona-

lisiertundDrohnenbetreibendewerdenneueDienstleis-

tungenanbieten.DerseiteinigenJahrengehegteTraum

vonTransportdrohnenwirdsichlangsamaberstetigent-

wickeln.ErsteAnwendungsbereichewerdenLieferdienste

odermedizinischeTransporteinabgelegenenGegenden

sein.DerMassentransportmitDrohnenwirdsichaberin

dichtbesiedeltenGebietenkaumdurchsetzenkönnen.

DieneusteGenerationDrohnenkannnichtnur imfreien

Luftraum fliegen, sondern auch in Gebäuden eingesetzt

werdenundsogarindirektenKontaktmitderUmgebung

gehen.DamiterschliessensichneueAnwendungsgebiete

wieInspektionenvonBrückenoderEnergieanlagen,bei

denenderSensormithöchsterPräzisioninKontaktmitder

Infrastrukturkommenmuss.DieseneuartigenDrohnener-

schliessenalsoEinsatzbereiche,indenenheutemitGe-

rüsten,KränenoderamKletterseilgearbeitetwerdenmuss.

Auch indiesemBereich istdieSchweizmitdemStart-up

Voliroführend.NebendenTechnologien,dievonentspre-

chenden Start-ups vorangetrieben werden, ergeben sich

auchneueMarktchancenfürDienstleistungenmitDrohnen

wieLuftaufnahmenfürImmobilienfirmen,Landwirteund

Infrastrukturbetreiber.

Professionelle Drohnen sind in der Kartografie sowie in der Vermessung und Überwachung aus der Luft stark verbreitet. Vermehrt werden sie auch in der Landwirtschaft zur Überwachung der Felder, bei Katastro-pheneinsätzen oder für Transportaufgaben eingesetzt.

Drohnen

Roland Siegwart(ETHZürich)

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So sieht es heute ausDieEntwicklungautomatisierterFahrzeugeschreitetschnell

voranundistgetriebenvonstaatlichenundindustriellen

Förderprogrammen, wobei die USA und Giganten wie

AlphabetoderBaidusowieKooperationengrosserAuto-

mobilkonzerne eine führende Rolle spielen. Europa hat

mitder«Roadmap2019»ehrgeizigeZiele:Personen-und

LastwagenaufStufe3undgar4sollenschonbaldbreit

verfügbarsein.ExpertinnenundExpertendämpfendiese

Erwartungenallerdings,auchwennAlphabet-Waymoim

November2019inArizonaeinselbstfahrendesAutoohne

Sicherheitsbegleitergetestethat.AufdemWegzuStufen

4 und 5 spielen fortgeschrittene Assistenzsysteme eine

grosse Rolle, von denen einige gemäss EU-Sicherheits-

richtlinieab2022fürneueModellezwingendseinsollen.

Allgemein geht man von einer sukzessiven Einführung

aus,umjeweiligeErfahrungenzunutzen.Entwicklerinnen

undEntwicklerfordernallerdingsvermehrt,Stufe3oder

4zuüberspringen.

DieEntwicklungautomatisierterSystemefürdenPersonen-

und Güterverkehr ist vermehrt ein Forschungsschwer-

punktderETH Zürich, derEPFL,Fachhochschulenundbei

EntwicklerinnenundEntwicklernvonSensorik,Sicherheits-

analytik,SoftwareundSpezialfahrzeugen(z.B.Kyburz).

DieSchweizspieltmitihrerstarkvernetztenInfrastruktur,

hohen Mobilität und den Erfahrungen mit autonomen

PendelbusseneinezunehmendwichtigeRolleimHinblick

aufeininnovativeskollektivesMobilitätskonzept.

Ein Blick in die ZukunftWährend zunächst Fahrzeuge für den Individualverkehr

imZentrumstanden,siehtmanheuteFahrzeugefürspe-

zielleEinsatzbereichealsWegbereiter,soetwalangsame

Lieferwagen,PendelbusseundTaxiflottenausserhalbder

InnenstädtesowieimPulkgeführteLastwagen(«platoo-

ning»).EinMischverkehraustraditionellenundselbstfah-

renden Fahrzeugen bei Interaktion mit noch weiteren

Verkehrsteilnehmern istunvermeidlichundstelltgrosse

AnforderungenandiePlanung.AlsZulassungsverfahren

zeichnetsichfürEuropa, imGegensatzzurSelbstzertifi-

zierungindenUSA,diebereitsüblicheTypengenehmigung

ab.Nochoffenist,welchesSicherheitsniveaukonkretzu

erreichenundwiederNachweiszuerbringenist.Datesten

unter realen Verkehrsbedingungen zu zeitraubend und

teuer ist, sindalternativeWegezubeschreiten.DieEnt-

wicklung kritischer Szenarien und die Prüfung zunächst

auf Testständen und in gesonderten Bereichen stehen

dabeiimFokus.DerAnfallenormerDatenmengen(8Tera-

byteproAutoundStunde)undderSchutzderhochkom-

plexenFahrzeugevorCyberattackenrückenalsHerausfor-

derungenimmerstärkerindenVordergrund.DieHaltung

der Öffentlichkeit ist ambivalent – hohe Erwartungen

(bspw.Sicherheits-undKomfortgewinn)treffenauffunda-

mentaleBedenken(bspw.Kontrollverlust).

Auch wenn die Schweiz über keine Automobilindustrie

undgrossen Systemzulieferer verfügt, sollte sie auf den

Zugaufspringen.NichtnurkannsietechnischeSpeziallö-

sungenentwickeln, siebietet sichauchalsTestlabor für

innovative Mobilitätskonzepte und neue Geschäftsmo-

dellean,welche imEntwicklungsstadiumoder teilweise

schoninErprobungsind.DerSchweizkönntesoeineVor-

reiterrollezukommen,wasangesichtseinessichabzeich-

nendenMilliardenmarkteshochprofitabelwäre.

Fahrzeuge mit bedingter Automatisierung verfügen über Assistenzsysteme, mit denen sie gewisse Fahr-aufgaben selber ausführen können (Stufe 3). In kritischen Situationen ist allerdings eine Übernahme durch die Lenkerin oder den Lenker vorgesehen. In einer Stufe hoher Automatisierung (Stufe 4) fährt das Fahrzeug selbständig in einem vorbestimmten Bereich von A nach B und versetzt sich bei Bedarf in einen risikoarmen Zustand. Erst auf Stufe 5 kann das Fahrzeug in allen Situationen die Fahraufgaben komplett übernehmen.

Hochautomatisierte Fahrzeuge

Bernhard Gerster (BFH) und Wolfgang Kröger (ETHZürich)

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So sieht es heute ausZahlreicheIoT-AnwendungenwieRFID-TrackinginderPro-

duktion oder die vernetzte Heizung im privaten Umfeld

sindbereits seit JahrenRealität.Dennochhabengerade

produzierendeUnternehmen,dieeingewichtigesFunda-

ment der Schweizer Wirtschaft bilden, Schwierigkeiten,

vom IoT zu profitieren. Das Digitalisierungsparadox be-

schreibtdasweltweitePhänomen,dasstrotzhoherInves-

titionenindieVernetzungkeineentsprechendenErträge

erwirtschaftetwerden.InderPraxisstehtdasThemaKun-

denproblemundService-InnovationdurchIoTimMittel-

punkt. Was zunächst einfach klingt, bedeutet für viele

UnternehmenderproduzierendenIndustrieeinengrund-

legendenKulturwandel.HintervorgehaltenerHandheisst

es immer wieder: «Vernetzen können wir, aber das IoT

wirktüberdigitaleServices–undwirhabeneinfachkeine

Service-Denke imUnternehmen».DieangewandteFor-

schung an Hochschulen und in der Industrie fokussiert

sichdaherzunehmendaufdieFrage,wiesichdieneuen

technischen Möglichkeiten in betriebswirtschaftlichen

Erfolgüberführenlassen.

Ein Blick in die ZukunftDasIoTentwickeltsichstetigweiter.AmBeispielderver-

netztenundhochautomatisiertenFahrzeugewirdersicht-

lich,dassdasIoTnichtisoliertbetrachtetwerdendarf.Es

gibtzweiweiterezentraleTechnologien,dieeszuberück-

sichtigengilt:EinerseitsdiekünstlicheIntelligenz(KI),die

ausvernetztenObjektenintelligenteObjektemacht.Ande-

rerseitsfindetdieWertschöpfungimmerstärkerindezen-

tralenÖkosystemenstatt.DezentralePlattformtechnologi-

enwiedieBlockchainermöglichenes,dassObjektesicher

unddirektmitanderenObjektenkommunizieren–ohne

einenzentralenServerzunutzen.VernetzteObjektewer-

den in Zukunft zunehmend autark und eigenständige

Akteure.

FürdieSchweizistdieproduzierendeIndustrievonzentra-

lerBedeutung.HierhatdasIoTweitreichendeAuswirkun-

gen. Nicht nur die internen Prozesse können durch die

Vernetzungverbessertwerden(SmartFactory),auchneue

Produkte und Dienstleistungen (Smart Products) sind

durchdasIoTmöglich.EswirdsichindennächstenJahren

zeigen,obdieSchweizer IndustriedieChancenderVer-

netzungkonsequentnutztundihrestarkePositionvertei-

digt oder sogar ausbaut. Die Karten werden durch die

DigitalisierungaufjedenFallneugemischt:Hochinnovative

Unternehmen,vorallemauchausAsien,drängenzuneh-

mendaufdenMarkt.DasBeispielTeslamahnteindrück-

lich,dassmansich seinesheutigenVorsprungsnicht zu

gewissseindarf.LetztendlichbrauchtesvorallemMut,

PragmatismusundUnternehmergeistsowieeineentspre-

chendeRisikobereitschaft,Neueszuprobierenundumzu-

setzen.

Das Internet der Dinge (Internet of Things, IoT) steht für die Vision, dass potenziell jeder physische Gegen-stand mit dem Internet verbunden ist. Dadurch verschmelzen die physische und die digitale Welt. Dies ermöglicht völlig neue Produkte und Dienstleistungen. IoT fokussiert also nicht auf eine konkrete Techno-logie, sondern auf die allgegenwärtige Vernetzung von physischen Dingen. Konkrete Anwendungsbereiche sind zum Beispiel Smart City, Smart Home, Smart Manufacturing oder Smart Mobility. Ob hochautomatisierte Fahrzeuge, intelligente Häuser, medizinische Fitnesstracker oder vernetzte Produktionsanlagen: Die disruptive Kraft des IoT wird die Geschäftslogiken vieler Branchen fundamental verändern.

Internet of Things

Felix Wortmann (UniversitätSt.Gallen)

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So sieht es heute ausDerBegriff«kollaborativeRobotik»istindenNormenISO

10218andISO15066griffigdefiniertundumfasstsporadi-

scheoderständigeZusammenarbeitvonMenschundRo-

boter.DiesebedingeneinedirekteundsituativeInteraktion:

Entweder wird der Roboter langsamer, wenn er in den

ArbeitsbereichdesMenschenvordringt,oderdieRoboter-

anwendungistsosicher,dassCobotundMenschHandin

Hand arbeiten können. Die grosse Herausforderung ist,

Roboteranwendungengleichzeitigsicherundwirtschaftlich

zumachen:GrosseStückzahlenwerdenbesser vondedi-

ziertenAutomatenerledigt. FürkleineStückzahlen istdie

InstruktioneinesMitarbeitendenvielgünstigeralsdiePro-

grammierungeinesRoboters. Bleiben alsonurmittlere

Stückzahlen,wosichAutomatennichtlohnenundProduk-

tionsmitarbeitendezu teuerwären.Dassindheutenur

wenigeAnwendungen;indenmeistenFällenwärenCobots

zuteuerundzulangsam.DiesliegtandenSicherheitsanfor-

derungen und der verbesserungsfähigen technologischen

Reife.DieallgemeinenSicherheitsanforderungensindunter

anderemindenNormenISO13849oderIEC62061sowie

ISO10218-1und-2enthaltenundinderNormDINISO/TS

15066:2017-04fürdiekollaborativenRoboterausgeführt.

LetztereNormbasiertaufLösungsansätzen,dieinderaka-

demischen Forschungbekannt sind, aberbis anhin kaum

Eingangindie Industriegefundenhaben.Technologische

Lückengibtesbeiderträgheitsarmen,schnellenKraftkont-

rolle,beidendazugehörigenimpedanzbasiertenReglerstra-

tegienundderenUmsetzung ineinfachprogrammierbare

industrielleProdukte.Fortschrittehingegengabes indrei

Punkten: Eine Kombination aus Sensor und Aktor trifft

man inFormvon intelligentenGreifernund intelligenter

Roboterhautan.BeiderSoftwaregabesFortschrittebe-

züglichderBenutzeroberflächenundauchdieProgram-

mierbarkeit ist einfacher geworden. Und es gibt inzwi-

schen mehrere Hersteller, die integrierte Lösungen mit

CobotsaufmobilenPlattformenanbieten.

DieSituationinderSchweizbleibtunverändert:esgibt

viele KMU mit kleinen Losgrössen, hoher Varianz und

hohenLohnstückkosten,diedaherguteVoraussetzungen

fürdenEinsatzderkollaborativenRobotikhaben.Trotz-

demfindenkollaborativeRoboternurlangsamihrenPlatz

inderProduktion,sowohlinderSchweizwieauchinter-

national.DieVerkaufszahlenfürCobotssindzumindestin

derSchweizrückläufig,eshateinegewisseErnüchterung

stattgefunden.DerCobotistnichteinfacheinintuitivpro-

grammierbarer Arbeitskollegenersatz. Deshalb finden wir

heutenachwievorCobotsinAufgabenmitniedrigerFre-

quenzwiedemBe-undEntladenvonTeilenausMaschi-

nen. Diese und weitere Aufgaben für Cobots fallen ge-

meinhinunterdie«4D»:dull,dirty,dangerous,disallowed.

Ein Blick in die ZukunftInteressantwirdderEinsatzvonCobotsinZukunft,wenn

einUmdenkenstattfindetundfürProdukteundProdukti-

onsinfrastrukturein«DesignforAutomation»erfolgt.Dies

kannzumBeispieldurchgeeigneteFormgebungundka-

meragerechte Markierung geschehen. Fakt ist, dass die

Schlüsseltechnologien für einen produktiven Einsatz von

Cobotszwarstetig,abernurlangsamvoranschreiten.Fort-

schritte sind bei Greifern mit eingebauter Nachgiebigkeit

undschnellerKraftmessung,beidergünstigerenundrobus-

teren Objekterkennung und bei der intuitiven Program-

mierbarkeit zu erwarten. Für diese Themen sollten sich

Gross-undKleinunternehmenvoreinemKaufentscheidmit

möglichen Forschungspartnern abstimmen, insbesondere

mitdeninderkollaborativenRobotiktätigenFachhochschu-

len.DiesebietengriffigeAnsätze,umKostenzureduzieren

unddieRobustheitdesProduktionsprozesseszuerhöhen

oderdieMöglichkeit,anbieterneutralRoboterzuevaluie-

ren.LangfristigeForschungsthemenkreisesinddieintuitive

aufgabenbasierteProgrammierungunddasHand-in-Hand-

ArbeitenvonRoboternmitMenscheninklusiveAbsichtser-

kennungundentsprechenddynamischerPfadanpassung.

Roboter, die mit Menschen zusammenarbeiten, ihnen unangenehme oder stumpfsinnige Arbeiten ab-nehmen und auf diese Art den Produktionsprozess ökonomischer gestalten – ein Bedürfnis, das durch kollaborative Roboter, kurz Cobots, befriedigt werden kann. Die Technologie hinkt diesem Bedürfnis aber noch immer hinterher. Deshalb bleibt die kollaborative Robotik lediglich ein Hoffnungsträger.

Kollaborative Robotik

Max Erick Busse-Grawitz(maxonmotorag)

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So sieht es heute ausIndenletztenzweiJahrenwurdenimmaschinellenLernen

verschiedeneinnovativeFortschritteerzielt.Hierzuzählen

beispielsweise Generative Adversarial Networks (GAN),

die künstlich Videos oder Sprache produzieren und zu

Fortschritten beim Verständnis der Ergebnisse von KI-

Modellen beitragen. Es gibt jedoch verschiedene Ein-

stiegsbarrierenwieangemesseneKompetenzendesPer-

sonals,VerständnisfürdenGeschäftsanwendungsfallund

die Verfügbarkeit von Daten. Darüber hinaus sind auch

bei den Tools, die maschinelle Lernmethoden bereit-

stellen, erhebliche Fortschritte zu verzeichnen – Cloud-

Dienstevereinfachen,beschleunigenundsteuernhierdie

Bereitstellung.EinewichtigeHerausforderungbleibtwei-

terhinderAspektdesVertrauensinmaschinellesLernen.

Lösungenmüssensicherstellen,dassKI-Systemefreivon

Verzerrungen sind, erklärbare Ergebnisse liefern, über

ihre Lebenszyklen hinweg überprüft werden können

sowiesicherunddatenschutzfreundlichsind.

DieSchweiznimmteineVorreiterrolleinderKI-Forschung

einundsolltedahereineführendeRollebeiderZertifizie-

rungvonKI-Systemen,derFörderungeinerunverzerrtenKI

undderInformationderÖffentlichkeitüberKIspielen.Das

heisst,politischeEntscheidungsträgermüssensichmitden

HauptproblemenimZusammenhangmitVerzerrung,Ethik,

Erklärbarkeit,DatenschutzundSicherheitvonKIbefassen.

2019veröffentlichtederBundesrateineAnalysederHer-

ausforderungenundEmpfehlungenzuKI inderSchweiz.

DieAnalyseunterstrichdieNotwendigkeitderBewältigung

derobenaufgeführtenHerausforderungendurchpoliti-

scheEntscheidungsträger.Eswerden Initiativenbenötigt,

welchedieInteraktionzwischenakademischen,wirtschaft-

lichenundpolitischenAnspruchsgruppenstärken.Mitder

Definition spezifischer Handlungsfelder und Verantwort-

lichkeiteninnerhalbderSchweizwurdeeinentscheidender

SchrittinRichtungeinerbreitenEinführungdesmaschinel-

lenLernensgetan.DerHypeumKI-Technologienkannzu

unrealistischenErwartungen führenund letztendlichdie

WahrscheinlichkeiteinesScheiternsvonKI-Projektenerhö-

hen.DiesemRisikomussdurchdieFestlegungeinerinfor-

miertenKI-StrategieaufUnternehmensebeneentgegenge-

wirktwerden.

Ein Blick in die ZukunftEswirderwartet,dassdiekontinuierlicheWeiterentwick-

lung des maschinellen Lernens in der Cloud die Einfüh-

rungvonKIinUnternehmenvorantreibenwird,sodasssie

maschinellesLernenschnellintegrierenundskalierenso-

wievonderflexiblenNutzungvonDatenverarbeitungund

Entwicklungprofitierenkönnen.DieBereitstellungvonKI

amRandvonDatenverarbeitungssystemen,woDatener-

fasstwerden,hateindisruptivesPotenzial(Seite32).Sie

wirddieTrainingseffizienz tieferneuronalerNetzeerhö-

hen,wodurchwenigermenschlicheInteraktionerforderlich

wird.SobaldKI amRandeingebettet ist,werdenneue

AnwendungsfelderwieintelligenteRoboter,Drohnenund

Maschinen freigegeben. Der durch maschinelles Lernen

ermöglichte Automatisierungsgrad hat ein disruptives

Potenzial fürGeschäftsmodelleundKostenstrukturen.Es

wirderwartet,dassKI-gestützteUnternehmenbis2024

50ProzentschnelleraufKundinnenundKunden,Wett-

bewerber, Aufsichtsbehörden und Partner reagieren als

andereUnternehmen.

SchweizerUnternehmen,diesichaufdieEinführungvon

KIvorbereiten,solltenAnwendungsfällepriorisieren,den

Zugang zuden richtigenKenntnissen sicherstellenund

einefundierteKI-Strategieetablieren,umdiegeeigneten

Plattform-undTechnologieentscheidungenfürGovernance

undSkalierbarkeitzutreffen.

Maschinelles Lernen ist eine Form der künstlichen Intelligenz (KI). Es ist der Prozess des Trainings eines Softwarealgorithmus unter Verwendung von Beispieldaten anstelle einer expliziten Programmierung. Algorithmen für maschinelles Lernen, die auf neuronalen Netzen basieren, haben zu spektakulären Durch-brüchen bei der Spracherkennung und -übersetzung sowie bei der Bilderkennung geführt. Die Kombination aus maschinellem Lernen und Big Data hat für verschiedene Branchen ein disruptives Potenzial.

Maschinelles Lernen

Alessandro Curioni und Patrick Ruch (IBMResearch–Zurich)

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So sieht es heute ausDerzeitwirddasGrosderRoboterstationäreingesetztund

ist auf bestimmte industrielle Anwendungen ausgelegt.

Durch technische Fortschritte in der Sensorik, Steuerung

undVernetzungbeigleichzeitigerPreissenkunglassensich

immermehrProzessemitmobilenRobotersystemenflexi-

belautomatisieren.MobileRoboterkommenvermehrtfür

AnwendungeninderLogistikzumEinsatz.Sieunterstützen

dort den Transport von Gütern in den Produktions- und

Distributionszentren.MithilfevonMulti-Sensoren,Naviga-

tions- und Steuerungsalgorithmen bewegen sich mobile

Roboter autonom in Fertigungshallen. Entscheidungen

treffen sie eigenständig. Solche kognitiven Fähigkeiten

spielenauch fürweiterevielversprechendeAnwendungs-

bereichewieExploration,InspektionoderdieWartungvon

AnlageneinegrosseRolle.

Der Standort Schweiz spielt in der Entwicklung mobiler

RoboterlösungeneineSchlüsselrolle.WichtigeForschungs-

schwerpunkte sind die Wahrnehmungsfähigkeit und die

AdaptivitätmobilerSysteme.DieSchweizerHochschulen

undUniversitäten,insbesondereETH ZürichundEPFL,ge-

hörenindiesenBereichenzurinternationalenSpitze.Die

mobileRobotikhatinderSchweizzurGründungzahlrei-

cherStart-upsgeführt.

Ein Blick in die ZukunftMobileRobotersystemewerdeninZukunftimmerunspe-

zifischereAufgabenübernehmenkönnen.Dazuwerden

sie mit Fähigkeiten ausgestattet, die es ihnen erlauben,

sich selbst zu konfigurieren. So kann derselbe Roboter

mehrereAufgabenerfüllenundwechselndeBedürfnisse

abdecken. In der Fertigung werden mobile Roboter in

hybriden Mensch-Roboter-Teams kollaborativ arbeiten.

DadurchwandelnsichdieeherstatischenFertigungslinien

zudynamischenundselbstkonfigurierbarenEinheiten. In-

novationenimBereichderkünstlichenIntelligenzundder

NavigationstechnologiewerdendieRelevanzdermobilen

Robotikdeutlichsteigern.ZudenzukunftsfähigenAnwen-

dungsfelderngehöreninsbesonderedieSicherheitunddie

Landwirtschaft. So können mobile Roboter dereinst zur

Suche und Rettung von Menschen in Katastrophenge-

bietenoderzumPflanzenschutzundzurUnkrautbekämp-

fungeingesetztwerden.Darüberhinauswerdenweitere

Anwendungsgebieteerforscht,wiezumBeispielAssistenz-

roboter,diedenAlltagvonMenschenmitkörperlicherBe-

einträchtigungerleichtern.

DerzunehmendeEinsatzvonmobilenRoboternhatdas

Potential, viele Wirtschaftssektoren radikal zu verändern.

Dazu zählen Handel, industrielle Produktion, Landwirt-

schaft,Logistik,MedizintechnikundVerkehr.Auchimpri-

vatenBereichwirdderAlltagderMenschendurchRoboter-

unterstützungwesentlichbeeinflusst.UmdieVerbreitung

mobilerRobotervoranzutreiben,müsseneinheitlicheSicher-

heitsstandardsdefiniertwerden.Ausserdembrauchtes

ethische, rechtliche und soziale Rahmenbedingungen.

WeiterwirdderEinsatzmobilerRoboterstarkvonderBe-

nutzerakzeptanzabhängen.

Die mobile Robotik beschäftigt sich mit mobilen autonomen Systemen in unstrukturierten und dynami-schen Umgebungen. Solche Roboter finden sich auch unter wechselnden Umweltbedingungen zurecht und können sich eigenständig in ihrem Umfeld bewegen sowie autonom und situationsgerecht agieren. Die mobile Robotik deckt ein breites Anwendungsspektrum im Innen- und Aussenbereich ab und beschäf-tigt sich mit Boden-, Flug-, Unterwasser- und Lauf-Robotern.

Mobile Roboter

Agathe Koller(OST)

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So sieht es heute ausUnternehmen sinddarauf angewiesen,Datenüberweit

verzweigte Netzwerke sicher versenden zu können. Die

weitverzweigten Netzwerke machen den Versand aller-

dings anfällig für Störungen und Angriffe. Auch kleine

AkteurekönnenvomEinsatzeinersicherenInfrastruktur

profitieren,etwawennsieindenelektronischenZahlungs-

verkehr einsteigen möchten und nicht über die nötigen

finanziellenMittelfüreineeigeneLeitungverfügen.

Die Grundlagen von SCION wurden an der ETH Zürich

entwickelt. Inzwischen haben sich auch Forschungs-

gruppenandererUniversitätenanderEntwicklungbetei-

ligt. Internet Service Provider aus dem In- und Ausland

fungieren ineinemKonsortiumals IntegratorenundBe-

reitstellervonentsprechendenDienstleistungen.Nichtnur

inderEntwicklung,sondernauchimEinsatzvonSCION

spieltdieSchweizeineVorreiterrolle.MehrereSchweizer

BankennutzenSCIONfüreinensicherenundhochverfüg-

barenDatenaustausch.UndderBundsetztSCIONein,um

dieKommunikationmitBotschaftensicherzugestalten.

Derzeit gibt es Bestrebungen, mittels SCION einzelne

Branchennetzwerke zu etablieren, die den sicheren In-

formationsaustausch auch über einen Internet Service

Providerhinausgewährleisten.

Ein Blick in die ZukunftIndennächstenfünfJahrenwirdesdarumgehen,SCION

auchfürIoT-Anwendungenweiterzuentwickeln.Damit

SCIONsichetabliertunddasBGPablösenkann,müssen

weltweitInternetServiceProviderSCIONinihreProdukt-

palette aufnehmen. Erste internationale Internet Service

Provider unterstützen SCION und bieten nun entspre-

chendeProduktean.BeiweiterenInternetServicePro-

vidernlaufenVorbereitungen.ZudemwirdeineStiftung

eingerichtetmitdemZweck,dieWeiterentwicklungzu

koordinierenundeinZertifizierungsstandardeinzurichten.

WiebeivielenOpen-Source-Softwareprojektenistesauch

für die Weiterentwicklung und Etablierung von SCION

zentral,dasssicheineaktive,internationaleCommunity

bildet,die sichderWeiterentwicklungannimmt.Einauf

SCION basierender Zusammenschluss einzelner Wirt-

schaftssektoren oder Länder zu einem sicheren Daten-

raumkönntehelfen,dieseHerausforderungzumeistern.

Bei der Etablierung von solchen Branchennetzwerken

könntedieSchweizeineVorreiterrolleübernehmen.

Die zunehmende Digitalisierung aller Lebens- und Wirtschaftsbereiche erfordert ein sicheres Internet. Dem Internet liegt das seit 30 Jahren beinahe unveränderte Border Gateway Protocol (BGP) zugrunde, das Datenpakete durch das Internet lenkt. An jedem Netzwerkknoten bestimmt das Protokoll den Weg zum nächsten Knoten. An diesen Knotenpunkten können Daten leicht angegriffen, umgeleitet oder kopiert werden. Zwar existieren vereinzelte Lösungsansätze für die Probleme dieses Protokolls, so etwa das Ver-legen von privaten Leitungen. Doch das ist teuer und unflexibel. SCION ist eine neuartige Internet- architektur, die auf der Netzwerkinfrastruktur des Internets aufbaut. Der Weg, den Datenpakete nehmen sollen, wird ihnen bereits beim Absenden mitgegeben. Somit können die Daten nicht falsch geführt oder umgeleitet werden. Auch können gezielt einzelne Knoten ausgelassen werden. So verbessert SCION die Zuverlässigkeit der Übermittlung stark, was sich mitunter in einer erhöhten Übertragungsgeschwindigkeit bemerkbar macht. Dadurch könnte das BGP überflüssig werden. Diese neue Internetarchitektur ist beliebig skalierbar und kann über Länder- und Institutionengrenzen ausgeweitet werden.

Neuartige Internetarchitektur SCION

Adrian Perrig, Ilona Wettstein undShancong Yu(ETHZürich)

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So sieht es heute ausDieexperimentelleErprobungvonOpticalSpaceCommu-

nicationmitDatenratenvonmehrals1Gigabit/szwischen

Satelliten in niedrigen Erdumlaufbahnen (LEO) begann

2007.DieEuropäische Raumfahrtagentur ESAnahm2016

denerstenSatellitenmitoptischemTerminalfürdieopera-

tionelleNutzungimgeostationärenOrbit(GEO)inBetrieb.

Heute sind zwei GEO-Satelliten als Relaisstationen und

vierErdbeobachtungssatelliteninLEOmitoptischenDa-

tenübertragungssystemeninBetrieb.Nebendemkonti-

nuierlichenAufbaudieserSystemeindenUSAundEuro-

pawurden innerhalbder letztenJahreTechnologienfür

dieÜbertragungvonhöchstenDatenraten(Terabit/s)zwi-

schenBodenstationenundSatellitenentwickelt.Dieseer-

möglicheneinevölligneueSystemarchitekturzurDatenver-

teilung.Herausforderungendabeisinddiehochkomplexen

Systemsteuerungen imFernbetrieboderThemen imBe-

reichderLasertechnologieundOptik.

OpticalSpaceCommunicationbündelteineVielzahlkom-

plexerTechnologienwieLaser,Materialtechnologie,Me-

chanik,Mikroelektronik,OptikundSoftware,fürwelche

inderSchweizeinehoheKompetenzvorhandenist.For-

schungundIndustriehabensichhierzulandemitihrenje-

weils relevanten Fähigkeiten von Anfang an erfolgreich

engagiertunddamiteineguteAusgangslagegeschaffen.

DieHerausforderungenfürdieschweizerische Industrie

resultieren mehrheitlich aus der starken Förderung der

ausländischenKonkurrenzdurchnationaleTechnologie-

programme.

Ein Blick in die ZukunftDieerfolgreicheNutzungdieserTechnologieimWeltraum

führt internationalnebenAnwendungenfürRaumfahrt-

agenturenundRegierungsdienstezurWeiterentwicklung

kommerzieller Satelliten-Konstellationen mit optischen

Verbindungen,dieaufmobileDienstemitsehrhohen

DatenratenundglobalerAbdeckungausgelegtsind.Diese

KonstellationennutzenoptischeDatenverbindungenzwi-

schendenSatellitensowiezwischenSatellitenundBoden-

stationen. Wegen des ständig steigenden Bedarfs an

ÜbertragungskapazitätunddemTrendzuverbesserten

mobilenDienstenentwickeltsichOpticalSpaceCommuni-

cationrasantweiter.DiesbetrifftdenAufbauundBetrieb

vonSatellitennetzwerken,Geräte-undKomponentenent-

wicklung(optischeTerminalsfürSatelliten,Bodenstatio-

nen),aberauchdenDienstleistungsbereichunddieEnt-

wicklunginnovativerAnwendungen.

DieSchweizerIndustriekannsowohlhochwertigeKompo-

nentenundGerätefürdenEinsatzinSatellitenoderBoden-

stationen liefern als auch erfolgreicheGeschäftsmodelle

zurVerwaltungundNutzungvonInformationeninEcht-

zeit aufbauen. Allerdings ist zur Stärkung der Wettbe-

werbsfähigkeitgegenüberderinternationalenKonkurrenz

undzurEntwicklungmarktfähigerProdukteweiterhinein

starkes,fokussiertesEngagementdesBundesnotwendig.

Optical Space Communication bezeichnet die Übertragung von Daten von Satelliten zur Erde oder zwischen Satelliten mittels optischer Verbindungen im freien Raum. Dabei werden Laser im nahen infraroten Spektralbereich eingesetzt. Die Trägerfrequenz dieser Datenübertragungssysteme und damit die zur Ver-fügung stehende Übertragungsbandbreite ist wesentlich höher als bei Systemen mit Radiofrequenz: Die Laser-Wellenlänge von 1,55 µm entspricht beispielsweise einer Frequenz von 270 THz; kommerzielle Radio- frequenz-Systeme auf Satelliten arbeiten heute in Bereichen bis 40 GHz. Die Technologie erschliesst also völlig neue Bandbreiten-Ressourcen.

Optical Space Communication

Reinhard Czichy(Synopta)

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So sieht es heute ausGewisseProblemstellungenwerdenselbstmitdengröss-

ten klassischen Rechnern unlösbar bleiben, weil die zur

Lösung benötigten Rechenressourcen (Speicher, Rechen-

zeit) exponentiell mit der Problemgrösse anwachsen.

DemgegenübernehmenfürsolcheProblemstellungendie

von Quantenrechnern benötigten Rechenressourcen nur

sehrmoderatzu.EinBeispielsindkomplexeOptimierungs-

aufgaben,wodiezuprüfendenmöglichenKonfiguratio-

nen so schnell mit der Problemgrösse wachsen, dass

herkömmlicheRechnerkeineChancehaben,dies zube-

wältigen.EinQuantencomputerkannaberbeigewissen

ProblemstellungenalldieseKonfigurationengleichzeitig

prüfenundhatdadurcheinenormesPotentialgegenüber

klassischenSystemen.SeinEinsatzgebietwirdamAnfang

in Rechenzentren als Ergänzung zu klassischen Gross-

rechnernliegen.

HeutegibtesverschiedeneHardwareplattformen:Ionen-

fallen,supraleitendeSchaltkreise,Halbleiter-Quantenpunkte

undphotonischeSysteme.IndenletztenJahrenhatdie

ForschungriesigeFortschrittegemacht,wasdieKontrolle

dieser Quantensysteme anbelangt. Es existieren erste

kommerzielleQuantenrechnervonAlpine Quantum Tech-

nologies, Google, Honeywell, IBM, IonQundRigettimit

bis zu etwa hundert Quantenbits. Obwohl deren Leis-

tungsfähigkeitdurchdiedenQuantensystemeninhärente

Störungsanfälligkeitnochbegrenzt ist, lassensichdamit

bereitsersteProblemstellungenlösen,diemitklassischen

Rechnern nur schwer lösbar sind. International hat sich

hierzueinsehraktivesÖkosystemgebildet.ErsteAnwen-

dungenwerdenfürverschiedensteBereichegeprüftund

spezifischeKomponenten-Lieferkettenfürdiejeweilige

Hardwareplattform aufgebaut. Die Schweiz ist in der

Quantenforschung exzellent positioniert. Neben einigen

GrossunternehmensindbislangnurwenigeKMUindiesem

Bereichtätig,vorallemalsZulieferereinzelnerHochtech-

nologie-Komponenten für die komplexen Quantencom-

puter-Systeme.

Ein Blick in die ZukunftDieHardwareentwicklungwirdsichindennächstenJahren

daraufkonzentrieren,dieAnzahlderQuantenbitszuver-

grössernund insbesondere Fehler, die bei Berechnungen

auftretenkönnen,weiterzuunterdrückenundidealerweise

vollständigzukorrigieren.AufderApplikationsseitewer-

den intensiv Algorithmen für Optimierungsprobleme der

Chemie-,Finanz-,Pharma-,Logistik-,Transport-undande-

rerIndustrienentwickelt.DieKomplexitätderHerausforde-

rungenistsohoch,dasswahrscheinlichgrosseForschungs-

zusammenarbeitenundindustrielleForschungszentrendie

nächstenEntwicklungsschrittevonQuantenrechnernvor-

antreibenwerden.

HierdarfdieSchweizdenAnschlussnichtverpassen.Im

internationalenVergleichgibtesnocheinigesPotenzialfür

SchweizerKMUund Start-ups imBereichderQuanten-

software und in Teilbereichen der Quantenhardware. In

dennächsten fünf Jahren ist zuerwarten,dass sichdie

Cloud-basierte Nutzung von Quantenrechnern aus der

ForschungundLehrehinzuerstenAnwendungeninder

Industrieentwickelnwird.NichtnurfürgrössereUnter-

nehmenderFinanz-undPharmaindustrieisteswichtig,

jetztaktivzuwerden.AuchkleinereUnternehmensollten

prüfen,obQuantencomputeralternativeLösungsansätze

beirechenintensivenAufgabenbietenkönnten.Besonders

im Hochfrequenz-, Materialien-, Mikrotechnologie- und

Optikbereich,istesfürHerstellerlohnend,denEinsatzihrer

Hochtechnologie-KomponentenindenQuantencomputer-

Lieferkettenzueruierenunddieseallenfallsdafürzuopti-

mieren.

Verglichen mit der vorherrschenden Digitaltechnik nutzen Quantenrechner durchweg die Grundprinzipien der Quantenmechanik (sogenannte Quantenüberlagerung und -verschränkung).

Quantencomputing

Andreas Fuhrer und Thilo Stöferle (IBMResearch–

Zurich,SchweizerischePhysikalischeGesellschaft)

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So sieht es heute ausInletzterZeitwurdengrosseFortschritteerzielt.FürQKDist

einwichtigerbegrenzenderFaktordiemaximaleEntfernung,

beidersieerfolgreichoperierenkann.Indenvergangenen

JahrenwurdederEinsatzvonQKDaufgrosseEntfernungen

(gut500km)undGebiete(2‘000km2)sowiehoheRaten

(10 Mbits/s) ausgedehnt. Neue Protokolle wurden vorge-

schlagen,umQKDübernochgrössereEntfernungensichern

zukönnen.WeitereFortschrittebetreffendieSicherheitvon

QKDgegenüberAngriffenaufEbenederDetektoren.Trotz

dieserFortschritteunddemErreicheneinigerMeilensteine,

wiederEröffnungeinesneuenSegmentsimQuanten-Netz-

werkvonGrossbritannien,wirdQKDweiterhinkaumprak-

tischeingesetzt.FürdengrossflächigenEinsatzvonQKD,

ohnedassdenBetreiberndesQKD-Netzwerksvertrautwer-

denmüsste,wärederBauvonQuanten-Repeaternwichtig.

ImBereichvonPQKarbeitetdasUS-amerikanischeNational

Institute of Standards and Technology NISTweiterhinam

StandardisierungsprozessfürquantenresistenteSignaturen,

Public-Key-VerschlüsselungundAlgorithmenzumSchlüs-

selaustausch.TrotzBeteiligungamRennenumneuePQK-

StandardsundderMarktführerschaftvonID Quantiqueim

BereichderQKDbleibtdieBedeutungderQuantenkrypto-

grafiefürdieSchweiznochgering.

Ein Blick in die ZukunftEsgibtzwarbereitsdiverseLösungenundProdukte,diePQK

nutzenoderzumindesteinenUpgrade-Pfadintegriertha-

ben, doch ist noch unklar, welche Lösungsansätze sich

durchsetzenwerden.BisherpublizierteVerfahrensindrein

informativ.EinwichtigerMeilensteinstelltdaherderfür

2022–2024erwarteteAbschlussdesStandardisierungspro-

zessesquantenresistenterSignatur-undSchlüsselvereinba-

rungsverfahrendurchdasNISTdar.Spätestensdanndürften

dieseingängigeSicherheitslösungenübernommenwerden

und bis 2030 eine signifikante Durchdringung erreichen.

DiesistauchderfrühesteZeitpunkt,andemdieUS-Regie-

rungdenÜbergangzuPQKabgeschlossenhabenwill–und

kannalsZeichengewertetwerden,dassQuantencomputer

nochaufsichwartenlassendürften.AuchimBereichder

QKDgibtesbereitsmehrereLösungenundProdukte.Diese

werdenjedochaufgrunddiverserBeschränkungenwieden

EinsatzübergrössereDistanzenkaumbreiteingesetzt.Das

dürfte sich trotzderbeschriebenen Fortschritte kurzfristig

nichtändern.MitdemimMärz2020veröffentlichtenPosi-

tionspapierdesbritischenNational Cyber Security Centre

NCSCgibteszudemauchkritischeStimmen,dievomge-

genwärtigenEinsatzvonQKDgänzlichabraten.

DieBedeutungvonPQKistfürdieSchweizerForschenden

trotzBeteiligungamRennenumneuePQK-Standardseher

gering.FürdieWirtschaftbietetdieUmstellungaufPQK-

Verfahren Chancen für innovative Produkte und Dienst-

leistungen.FürQKDistdieSituationumgekehrt:Trotzder

MarktführerschaftvonID Quantiqueistdiewirtschaftliche

BedeutungfürdieSchweizaktuellundindenkommenden

Jahrenehergering.DemstehteinesteigendeForschungs-

aktivitätgegenüber,insbesonderewennauchForschung

zudenfürQKDbenötigtenGrundbausteinenberücksich-

tigtwird.Esistwichtig,dassdietechnologischeFührungim

QKD-Bereicherhaltenbleibt.

Für den Schutz sensitiver Informationen und Kommunikationsverbindungen sind sichere kryptografische Verfahren essenziell. Quantenkryptografie spielt bei der von Quantencomputern ausgehenden Bedrohung eine wichtige Rolle. Einerseits bringt sie kryptografische Verfahren hervor, die auf physikalischen Gesetz-mässigkeiten bezüglich des Zustandes von Lichtteilchen (Quanten) beruhen und die im Gegensatz zu den heutigen Verfahren von den Fähigkeiten der (Quanten-)Computer unabhängig sind. Dabei ist Quantum Key Distribution (QKD) eine Schlüsseltechnologie, welche die sichere Vereinbarung eines Schlüssels über einen unsicheren Kanal erlaubt. Andererseits ermöglicht Quantenkryptografie auch die Entwicklung von Verfahren, mit denen Quantencomputer einige der heute weit verbreiteten kryptografischen Standards viel effektiver angreifen können als klassische Computer. Als Gegenreaktion wurden kryptografische Ver-fahren entwickelt, deren Sicherheit auf mathematischen Problemen beruht, die Quantencomputer nicht signifikant schneller lösen können als herkömmliche Computer. Diese Verfahren werden unter dem Sam-melbegriff Post Quantum Kryptografie (PQK) zusammengefasst.

Quantenkryptografie

Bernhard Tellenbach (ZHAW)

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Energie und Umwelt

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So sieht es heute ausEswirderwartet,dassderAnteilanalternativenAntrieben

starksteigenwird.DabeikannzwischenzweiHauptent-

wicklungen unterschieden werden: Elektrifizierung der

AntriebeundElektrifizierungderTreibstoffe.DieElektrifizie-

rungderAntriebewurdedurchFortschritteinderBatte-

rietechnologie initiiert, die Reichweiten und Laderaten

ermöglichen,dievorherundenkbarwaren.DieElektrifi-

zierungderAntriebereichtvoneinfachenHybridkonzepten

überVollhybridebishinzureinenelektrischenKonzepten

mitBatterienoderBrennstoffzellen.DieForschungsschwer-

punkte liegen in derOptimierungdes Energiemanage-

mentswiederRekuperationoderderAbwärmenutzung

fürdieKabinenheizung,desLademanagementssowiein

der Entwicklung unkritischer Materialien mit höheren

SpeicherkapazitätenfürBatterien.

ZurElektrifizierungderTreibstoffezähltdieHerstellungvon

Wasserstoff und synthetischen Kohlenwasserstoffen.

DazuwirderneuerbareElektrizitätineinemerstenSchritt

fürdieZerlegungvonWasser inSauerstoffundWasser-

stoffgenutzt.DieserwirddannentwederdirektinWasser-

stoff-Fahrzeugengenutzt oder indirektdurchUmwand-

lung mit CO2 in Kohlenwasserstoff zum Antrieb von

Hybrid-oderkonventionellenFahrzeugen.Aufgrundder

hohenEnergiekostensensitivitätwirdhierprimärander

Wirkungsgradsteigerunggeforscht.

Ein Blick in die ZukunftAlleauferneuerbarenEnergienbasierendenKonzepteer-

reichenhinsichtlichCO2-EmissionenähnlichniedrigeWerte.

FürdieMarktentwicklungentscheidendsinddeshalbprimär

dieGesamtkosten.DieseliegenfüralleAntriebskonzepte

zueinemerheblichenAnteil ausserhalbder Fahrzeuge,

beispielsweise inder Infrastruktur oder der Energiespei-

cherungund-bereitstellung.UnterBerücksichtigungaller

Aspektekannbeiprimärlokal/regionaleingesetztenPer-

sonenwagenbzw.NutzfahrzeugeneinhoherAnteilan

elektrischenAntrieben(BatterieundBrennstoffzellen)er-

wartetwerden.FürinterregionaleAnwendungensowie

Langstrecken-undLastanwendungenwerdenesvoraus-

sichtlich mit synthetischen Treibstoffen betriebene Fahr-

zeugesein.

DieSchweizisttechnologischsowohldurchForschungsins-

titutionenwieauchIndustrieunternehmeninbeidenEnt-

wicklungsschwerpunktengutpositioniert.Entscheidend

ist,TechnologieoffenheitundwettbewerblicheRahmen-

bedingungenzuerhalten,umInnovationeninbeidenBe-

reichenbestmöglichzufördern.

Weltweit sind heute rund 1,3 Milliarden Fahrzeuge immatrikuliert – rund 90 Prozent davon mit konven-tionellen Benzin- und Dieselmotoren. Der Rest sind Fahrzeuge mit alternativem Antrieb. Gemäss EU-Richtlinie 2014/94/EU werden darunter solche mit teil- und vollelektrischem Antrieb sowie alle nicht mit Benzin oder Diesel betriebenen Fahrzeuge verstanden. Sie teilen sich heute auf 40 Prozent Ethanol-/Methanol-, 40 Prozent Gas-/ Flüssiggas- und 20 Prozent Hybrid-/Elektrofahrzeuge auf.

Alternative Antriebssysteme für Fahrzeuge

Christian Bach(Empa)

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50

So sieht es heute ausEinaktuellesThema in ForschungundEntwicklung sind

Identifizierung,QuantifizierungundNutzungdesPotenzials

derFlexibilität imStromnetz.WiekönnenEnergiebedarf

und-produktionflexiblergestaltetwerden,umsoeinen

weiterenNetzausbauzuverhindernundeineweitreichen-

de Integration der fluktuierenden Energiequellen Sonne

undWindzuermöglichen?DasvollePotenzialdezentraler

Energiesystemekannerfasstwerden,wenndieenergiere-

levantenSektorenGas,Mobilität,StromundWärmeganz-

heitlichberücksichtigtwerden.DielokaleBereitstellung

von Dienstleistungen wie Regelenergie, aber auch ver-

schiedensteEnergieumwandlungsoptionen,dievielseitig

fürGebäude,MobilitätoderIndustrieeingesetztwerden

können(z.B.Power-to-X,alsodieUmwandlungvonStrom

in gasförmige oder flüssige Energieträger) zeigen die

Möglichkeiten der Sektorenkopplung. Die Investitions-

kosten für dezentrale Systeme sind derzeit noch sehr

hoch. Es ist jedoch absehbar, dass deren Energiegeste-

hungskostenzukünftigdankSkaleneffektenundderNut-

zung erneuerbarer Energiequellenmassiv reduziertwer-

dendürften.

DerBundesrathatsichdieÖffnungdesStrommarktszum

Zielgesetzt,umInnovation inderEnergieversorgungzu

fördern, einheimische erneuerbare Energien zu stärken

unddieKlimazielezuerreichen,dadieSchweizbeimAus-

bauvonSonnen-undWindenergieimeuropäischenRaum

hinterherhinkt. Die einhergehenden regulatorischen An-

forderungensindeinebislangnichtgelösteHerausforde-

rungfürdieweitereÖffnungdesStrommarkts.Hingegen

konntendurchdasZulassenvonEigenverbrauchsgemein-

schaften,welcheSolarstrominlokalenZusammenschlüs-

senselbstproduzierenundverwalten,seit2018ersteGe-

schäftsmodellefürdezentraleEnergiesystemeentstehen.

Ein Blick in die ZukunftSolltedieweitereÖffnungderEnergiemärkteunddieSek-

torenkopplungindennächstenJahrenstattfinden,werden

dezentraleEnergiesystemeanBedeutunggewinnen.Für

SchweizerUnternehmenbietetdies vieleneueMöglich-

keiten,aufdenZugaufzuspringen.DazuzählenzumBei-

spielEntwicklung,PlanungundIntegrationvonerneuer-

barenEnergiesystemen,vonSpeicher-,Umwandlungs-und

Grid-TechnologiensowieSmart-Home-Lösungen,aber

auch neue Vertriebsmodelle, Contracting-Lösungen und

andereEnergiedienstleistungen,umdenUmbaudesEner-

giesystems voranzutreiben. Parallel dazu werden auch

StädteundGemeindeneinezunehmendwichtigeRollein

derUmsetzungspielen,daihrHandlungsspielraumdurch

die Entwicklungen imEnergiebereichmassiv vergrössert

wird.

Dezentrale Energiesysteme basieren auf dem lokalen Zusammenschluss mehrerer Gebäude, welche ver-schiedene Energieträger wie Biomasse, Gas, Geothermie, Öl und Solarenergie sowie unterschiedliche Umwandlungs- und Speichertechnologien (z. B. Batterien, Photovoltaik oder Wärme-Kraft-Kopplung) ge-meinsam nutzen. Energieproduktion und -nachfrage können mit einem solchen Energiesystem örtlich, aber auch zeitlich optimal bewirtschaftet und Lastspitzen verringert werden.

Dezentrale Energiesysteme

Kristina Orehounig (Empa)

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So sieht es heute ausDieSchweizhat,bezogenaufdieBevölkerung,weltweit

den grössten prozentualen Anteil an Erdwärmesonden.

Der Trend für neue Anlagen ist unvermindert steigend.

Heutewirdca.4ProzentderbenötigtenWärmefürRaum-

heizung und Warmwasser mit Geothermie gewonnen.

StatistikenüberdenEinsatzvonGeothermiezurKühlung

fehlennoch.UntiefeGeothermieanlagensindfürdieintelli-

gentethermischeVernetzungeinwesentlicherBaustein:

SogenannteAnergienetzekönnengleichzeitigdieWärme-

wieauchdieKälteversorgungfüreingeeignetesVersor-

gungsgebietsicherstellen.DieSchweiz isthiertechnolo-

gischweltweitmitführend.MitteltiefeGeothermieanlagen

gibteshingegenerstvereinzelt,obwohldieTechnologie

inunserenNachbarländernundauchweltweit in vielen

Ländernetabliert ist.PetrothermaleAnlagengibtesnur

imAusland.

Ein Blick in die ZukunftHydrothermaleAnlagensindweltweitetabliert,esbesteht

jedocheineAbhängigkeitvondennatürlichenWarmwas-

servorkommen im Untergrund. Mit der petrothermalen

TechnologiekannhiereineUnabhängigkeiterreichtwer-

den.DiesestehtdaherimZentrumvonForschungundEnt-

wicklungsowievonPilot-undDemonstrationsprojekten.

DieSchweizisthiereinesderaktivstenLänder.

InderSchweizsollenindennächstenJahrenfolgendehyd-

rothermaleundpetrothermaleProjekte realisiertwerden:

AGEPP, EnergeÔ Vinzel, Geo2RiehenundHaute Sorne.In

GenfsinderstemitteltiefehydrothermaleBohrungenfür

eine Fernwärmeversorgung im Bau. Dank dem neuen

EnergiegesetzwirdinderSchweizstarkindieForschung

investiert.Derzeitarbeitenrund80ForschendeimBedretto

Underground Laboratory for Geoenergies. Sie führen

verschiedene internationale Projektedurch,was zuopti-

mierten technologischen Verfahren und deutlichen Kos-

tensenkungenführt.DasPotenzialderGeothermieistin

derSchweizfüralleArtenderNutzungenorm.DieFor-

schungwirdwesentlichdazubeitragen,dasssichhierzu-

landeauchdiemitteltiefeundtiefeGeothermieetablieren

kann.SienimmteinebedeutendeRollebeiderErreichung

derKlimazieleeinund trägtwesentlichzueiner lokalen

Wertschöpfungbei.

Geothermische Energie ist im Untergrund gespeicherte Wärme. Über 99 Prozent der Erde sind heisser als 1‘000 °C. Somit ermöglicht geothermische Energie CO

2-freie Energiegewinnung – jederzeit. Hydrothermale Geothermie nutzt das in bestimmten Erdschichten natürlich vorhandene warme Wasser. Bei der petrother-malen Geothermie hingegen wird Wasser in den tiefen Untergrund gepumpt, um dort künstliche Wasser-fliesswege zu erschaffen oder zu erweitern. Bei beiden Technologien wird das warme Wasser in einem Kreislauf über eine Bohrung aus der Tiefe an die Oberfläche gepumpt, die Wärme für die Strom- und/oder Wärmeproduktion entnommen und das abgekühlte Wasser über eine zweite Bohrung in den Untergrund zurückgeführt. Je tiefer das Reservoir liegt, desto höher die Wassertemperatur. Bis ca. 500 Meter und ca. 30 °C spricht man von untiefer Geothermie zum Heizen und Kühlen von Gebäuden. Erdwärmesonden sind die bekannteste Nutzung. Mitteltiefe Geothermie (bis 3‘000 Meter und ca. 100 °C) dient zum Heizen von Bürogebäuden, Industrieunternehmen und ganzen Quartieren oder zur Einspeisung in Fernwärmenetze. Mit tiefer Geothermie (ab 3‘000 Meter und über 120 °C) kann auch Strom erzeugt werden.

Geothermie

Katharina Link (Geothermie-Schweiz)

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So sieht es heute ausDie«künstlichenBlätter»,indenendiesechemischenPro-

zesseablaufen,erfordern,dasskomplexeProzessekontrol-

liert werden. Das Sonnenlicht muss effizient zur Erzeu-

gungderunterschiedlichenLadungsträgerfürchemische

Prozesse genutzt werden. Diese Ladungsträger treiben

die brennstoffproduzierenden Prozesse an, indem sie

Wasser- oder CO2-Moleküle spalten. Die aktuelle For-

schungimBereichderkünstlichenPhotosynthesefokus-

siertzueinemgrossenTeilaufdenphotoelektrokataly-

tischen Aufbau und auch auf die Entwicklung hybrider

Systeme. Letztere nutzen Erkenntnisse aus der syntheti-

schenBiologiemitdemZiel,neuemolekulareKomponen-

tenzudesignen.WeltweitgibtesimBereichderkünstli-

chen Photosynthese und in verwandten Gebieten weit

mehralshundertForschungsgruppen,dieamVerständnis

grundlegenderZusammenhängeundanPrototypenarbei-

ten. Der 2017 lancierte EU-Wettbewerb «Fuel from the

Sun:ArtificalPhotosynthesis»verfolgtdasZiel,denge-

genwärtigen Entwicklungsstand zu verbessern. Im Blick-

feld der Forschung sind auch Kosten, Effizienz und Be-

ständigkeitderinvolviertenMaterialien.

Ein Blick in die ZukunftZielistes,innaherZukunftdieLeistungsfähigkeitaufca.

10 Prozent Solar-zu-Wasserstoff-Effizienz zu erhöhen. Es

wirdangestrebtdenWirkungsgradbisinsJahr2050auf30

Prozentzuerhöhen.KünftigkönntediekünstlichePhoto-

synthese von Erkenntnissen aus dem Bereich des CO2-

Captures und von der Entwicklung von photovoltaischen

Komponentenprofitieren.DiedirekteSpeicherungvon

SonnenenergieinBrennstoffenundanderenChemikalien

hatdasPotenzial,effizienterzuseinalsVerfahren,dieauf

Biomasse basieren. Zudem gibt es bei der direkten Um-

wandlungvonSonnenenergiekeinenZielkonfliktzwischen

Nahrungsmittel-undTreibstoffproduktion.

DieSchweizerForschungs-undUnternehmenslandschaft

istidealaufgestellt,umdieEntwicklungvondisruptiven,

direkten Solar-zu-Wasserstoff-Technologien massgeblich

zuprägen,obwohldiesersteinZwischenschritthinzuei-

nernachhaltigenProduktionvonAmmoniakundanderen

Schlüsselrohstoffendarstellt.DieNationalenForschungs-

programmederSchweizimBereichderEnergieforschung

inKombinationmiteinemstetigenWachstuminternatio-

nalerForschungskooperationenbildeneineausgezeichnete

Grundlage für weitere konzeptionelle Durchbrüche. Im

verwandtenFelddessolarthermochemischenEngineerings

gehört die Schweiz indes zur Weltspitze, und es ent-

standeninderSchweizüberdieletztenJahreausgereifte

Bioreaktoren und weitere Strom-zu-Gas-Projekte. Als

kleinesLandkanndieSchweizstarkvonTechnologienwie

derkünstlichenPhotosyntheseprofitieren,umdasEner-

gieportfolioweiter zudifferenzierenund ihreUnabhän-

gigkeitzustärken.ImFeldderkünstlichenPhotosynthese

könnte sie viele Innovationen exportieren. Zusätzliche

Folgeinnovationenkönntengenutztwerden, umWasser

zureinigen.UmdieanstehendenHerausforderungenzu

meistern,bedarfesstarkerundnachhaltigerKollabora-

tionenzwischenHochschulenundGrossunternehmen.

Verfahren, die Sonnenlicht nutzen, um Brennstoffe herzustellen, werden als künstliche Photosynthese bezeichnet. Diese Verfahren imitieren die natürliche Photosynthese, also den Prozess, mit dem Pflanzen Biomasse aus Wasser und Kohlenstoffdioxid produzieren. In der künstlichen Photosynthese wird Wasser in Wasser- und Sauerstoff oder CO

2 reduktiv in Wertstoffe überführt. Im Unterschied zu anderen lichtge-triebenen Technologien, wie etwa der Photovoltaik oder der solaren thermochemischen Brennstoff-produktion, kommen die Verfahren der künstlichen Photosynthese ohne die Zugabe von Biomasse oder externe elektrische Energiequellen aus.

Künstliche Photosynthese

Greta Patzke (UniversitätZürich)

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So sieht es heute ausNachanfänglichenErfolgeninHelsinki,SingapurundWien

konnten sich innovativeMobilitätskonzeptenurmarginal

weiterverbreitenodermusstenwegenfehlendenkommer-

ziellenErfolgseingestelltwerden.Esgabinsgesamtkeine

nennenswerten Fortschritte. Automatisierte Fahrzeuge

könntenfürmoderneMobilitätskonzepteeinGamechanger

sein.Die Fahrzeughersteller haben jedoch ihre zeitlichen

AmbitioneninBezugaufderenEinsatzstarkrelativiert,da

derÜbergangvomheutigenzumautomatisiertenBetrieb

nichtsoproblemloswieursprünglichangenommenüber

dieBühnegehenwird.VorallemdersogenannteMischver-

kehrunddiestufenweiseAnhebungdesAutomatisierungs-

gradsstellengrosseHürdenbeiderEinführungautomati-

sierterFahrzeugedar.AngetriebendurchdieKlimadebatte

konzentriertsichdieFahrzeugindustriedahervermehrtauf

dieEntwicklungvonneuenAntriebstechnologien.Nam-

hafte Fahrzeughersteller haben ihre Projekte im Bereich

Mobilitätgestoppt,obwohlnochimmerdieErwartungbe-

steht,dassmitMobilitätskonzepteneinwesentlicherBei-

tragzurCO2-Reduktionerbrachtwerdenkann.Diegrösste

HerausforderungbeidererfolgreichenUmsetzungneuer

MobilitätskonzepteistdiezersplitterteVerkehrslandschaft.

Nurdiegrossen Internetanbieter,nichtaberVerkehrsbe-

triebeunddieöffentlicheHand,verfügenaktuellüberdie

notwendigenVoraussetzungenundDaten,umdasThema

vernetzteMobilitätvoranzutreiben.Aktuellentstehenda-

hervorallemAngebote,welcheprimärkommerzielleIn-

teressenberücksichtigen.ZudembestehtdieGefahr,dass

dieöffentlichenHandzuwenigSteuerungseinflussaufAn-

gebotehat.

KeinesderinderSchweizinitiiertenMobilitätsprojektewie

dieMobilitätsappvonPostautooder«abilio»konntedie

VernetzungverschiedensterVerkehrsmittelbisherbewei-

sen.EinigedieserProjektewurdeneingestellt.Aktuellbe-

finden sich nur noch regionale Projekte in Entwicklung.

Neben der zersplitterten Verkehrslandschaft ist vor allem

dieFragenacheinemtragfähigenGeschäftsmodellfüralle

BeteiligteneinegrosseHürde fürdieerfolgreicheUmset-

zungvonMobilitätslösungen.DieErkenntnisseauseinzel-

nenVersuchenzeigen,dassfürdieerfolgreicheUmsetzung

neuerMobilitätsangeboteeineneutraleDateninfrastruktur

nötigist.DieerfolgreicheGründungentsprechenderZweck-

gesellschaftenhatgezeigt,dassdiebestehendenHürden

mehrheitlichüberwundenwerdenkönnen.

Ein Blick in die ZukunftNationalkontrollierteMobilitätskonzeptekönneneinen

wesentlichenBeitragzurBewältigungderanstehenden

HerausforderungenfürRaum,UmweltundVerkehrleisten.

BeiderenUmsetzunggilteswenigertechnischeundkom-

merzielle,sondernprimärorganisatorischeHürdenzuüber-

winden.

FallsinderSchweiznichtrascheinnationalkontrolliertes

Mobilitätskonzept umgesetzt wird, wird die unwieder-

bringlicheVerlagerunginRichtunginternationalerInternet-

konzerne kaum zu vermeiden sein. Die Bündelung aller

nationalrelevantenKräfteundProjekteineinerInitiative

mitbasisdemokratischerGovernancewürdedieoptimale

VoraussetzungzurSicherstellungnationalkontrollierter

Mobilitätskonzepteschaffen.

Mit Mobilitätskonzepten sollen unterschiedliche Verkehrsmittel aus Sicht der Nutzerinnen und Nutzer einfach und möglichst integral als eine Dienstleistung zusammengefasst werden. Dem Einsatz von auto-matisierten und geteilten Fahrzeugen kommt hierbei eine Schlüsselrolle zu.

Mobilitätskonzepte

Thomas Küchler (SchweizerischeSüdostbahnAG)

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So sieht es heute ausDieLebensmittel-WertschöpfungskettereichtvonderPri-

märproduktionder landwirtschaftlichenRohstoffeüber

prozesstechnischeLebensmittelverarbeitung,Verpackung,

Lagerung,Transport,DistributionundVerkaufbiszurZu-

bereitungvonMahlzeitenundderenVerzehr.Umsozial-

ökonomischeAspektedesKonsumsvonLebensmittelnzu

berücksichtigenundmassgeblicheRelevanzfüreineganz-

heitliche Nachhaltigkeitsanalyse zu erreichen, sollte die

Wertschöpfungskette um die Elemente Verdauung und

Gesundheiterweitertwerden.DennauchfalscheErnäh-

rung kann die Nachhaltigkeit beeinflussen: Selbst wenn

konsumierteLebensmittelunteroptimalenNachhaltigkeits-

kriterienproduziertwurden,resultierenbeifalscherErnäh-

rungdamitassoziierteKrankheiten,derenAuswirkungen

undBehandlungendieNachhaltigkeitsbilanznegativbe-

einflussenkönnen.FürdietechnologischfokussierteAna-

lyse wird der Gesundheitsaspekt nicht einbezogen, da

dieser im Kapitel «Personalisierte Ernährung» (Seite 76)

thematisiertwird.DieAgenda 2030derVereinten Nationen

mit17Entwicklungszielen imBereichderNachhaltigkeit

ist2020durchdieCorona-PandemieausdemTrittgeraten

undeinigeZielefürdienachhaltigeEntwicklung(Sustain-

ableDevelopmentGoalsSDGs)scheinendeswegenausser

Reichweite.EineAnpassungderSDGswirddiskutiert.

DasSchweizerErnährungssystemunddieLebensmitte-

lindustriehabendieSDGsaufbreiterAnwendungsebene

in ihre Zielsetzungen implementiert. Seit Veröffentli-

chung der SDGs im Jahr 2015 wurden in der Schweiz

sichtbare Fortschritte erzielt. Es bleibt abzuwarten, ob

sichdurchdieAuswirkungenderCorona-PandemieEin-

schränkungen oder Gewichtsverlagerungen ergeben

werden. Aus der Verbindung von SDG 3 (Gesundheit

und Wohlergehen) und SDG 12 (Verantwortungsvoller

KonsumundProduktion)lassensichneueSchwerpunkte

und relevanteGeschäftsmodelle ableiten, die auchder

ernährungsbasiertenKrankheitsprophylaxemehrBedeu-

tung einräumen. Entsprechende Kompetenzen sind in

derSchweizerIndustrievorhandenundsolltenverstärkt

aktiviertwerden.

Ein Blick in die ZukunftAustechnologischerPerspektivekönnendieLebensmittel-

Wertschöpfungsketten mittels verbesserter Integration,

Interaktion und Flexibilisierung der Komponenten ökolo-

gisch und ökonomisch nachhaltiger gestaltet werden.

DafürsindQuerschnittstechnologiengefragt,welcheder

ausgeprägten Diversität dieser Wertschöpfungsketten

unddenspezifischenRahmenbedingungenRechnungtra-

gen.SolchesindzumBeispielRobotik,additiveFertigungs-

verfahren, Biotechnologie, Digitalisierung und künstliche

Intelligenz,ProzessautomationsowieSensorikinEchtzeit.

Allenfalls müssen diese Querschnittstechnologien bezüg-

lichHygieneundSicherheitsaspektenandieAnforderungen

derLebensmittelindustrieangepasstwerden.DerEinsatz

vonBlockchainundKryptowährungermöglichteTranspa-

renz und Rückverfolgbarkeit unter Gewährleistung der

Datensouveränität und Privatsphäre. Eine entscheidende

Rolle über ganze Wertschöpfungsketten hinweg wird

künftig das sichere Management grosser Datenmengen

spielen.AufglobalpolitischerEbenewäreeineErweiterung

desCodex AlimentariusinsAugezufassen,umdernutri-

tivenundökologischenQualitätvonLebensmittelnStan-

dardszuzuordnen.

Schweizer Firmen verfügen in vorab genannten Quer-

schnittstechnologienübermassgeblicheKompetenzenund

beanspruchen teilweise internationale Marktführerschaft.

Nahezuallederrund2‘200UnternehmenderSchweizer

Lebensmittelbranche adressieren in ihren Zielsetzungen

Nachhaltigkeitsaspekte.Sierepräsentierenmitrund62‘000

Beschäftigtenundjährlichrund25MilliardenFrankenUm-

satz5,3ProzentdesSchweizerBIP.KonzertiertesHandeln

istangezeigt,umdieNachhaltigkeitszielederSchweizzu

erreichenundMarktpotenzialeabzuleiten.

Die nachhaltige Lebensmittelproduktion behandelt in einem systemorientierten Ansatz die gesamte Wert-schöpfungskette unter Einbezug ökologischer, ökonomischer und sozialer Aspekte. Es wird zunächst lokal und als Endziel global ein dynamischer Gleichgewichtszustand angestrebt. Um diesen zu erreichen, bedarf es einer mehrdimensionalen Analyse, welche die Kriterien entlang der gesamten Wertschöpfungskette ausgewogen darstellt.

Nachhaltige Lebensmittelproduktion

Erich Windhab (ETHZürich)

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So sieht es heute ausDerweltweitePV-MarkthatseinstetigesWachstummit

fast 130 GW Neuinstallationen im Jahr fortgesetzt und

2020 insgesamtfast760GWerreicht. Ineinemraschen

Wandel haben monokristalline c-Si-Module multikristal-

line c-Si-Module abgelöst. Unterdessen machen sie

wegendesPreiszerfallsdesmonokristallinenSiliziumsund

des höheren Wirkungsgrads mehr als 70 Prozent des

Marktesaus.Gut90ProzentderHerstellervonSolarzellen

habendiePERC-Technologie(PassivatedEmitterandRear

Cell) übernommen,dieeinenabsolutenEffizienzgewinn

von1,5–2,5ProzentaufZellenebeneermöglicht.2020er-

reichtendiegängigenPERC-ModuleeinenWirkungsgrad

von 19–20 Prozent. Gleichzeitig ist der Modulpreis auf

unter0,2–0,25US-Dollar/Wattgesunken.DankVerbesse-

rungenbeiderKonstruktionunddemBetriebvonSolar-

parkswirdinsonnenreichenLändernextremniedrigePro-

duktionskostenfürSolarstromvonunter2Euro-Centspro

kWhgemeldet.

In der Schweiz hat die Installation von PV 2020 zuge-

nommen,mit430–460MWzusätzlich.JüngsteSzenarien

zeigen,dass35–50GWPV(stattderursprünglichinder

Energiestrategie geplanten 12 GW) in Kombination mit

der Elektrifizierung des Verkehrs und der Nutzung von

WärmepumpeneinenGrossteilderDekarbonisierungder

Schweiz ermöglichen würden. Auf Schweizer Dächern

und Fassaden besteht grundsätzlich das Potenzial für

dieProduktionvon67TWhSolarstrom(ungefähr65GW

Leistung).EssindaberzusätzlicheMassnahmennötig,

umdieInstallationvonPV-AnlagenimInlandaufüber1

GW/Jahrzuerhöhen.

Ein Blick in die ZukunftMehrereneueStudienzeigen,wieSonne,WindundEner-

giespeicherungdieHauptpfeilerderEnergiewendewerden

können. Auch wenn die PV heute auf einigen Märkten

wettbewerbsfähig ist,sindregulatorischeundfinanzielle

Unterstützung nötig, um das weltweite Volumen an

Neuinstallationenbis2030auf1‘000GWproJahrzustei-

gern,dasMindestniveau,daserforderlichist,umdieglo-

balenDekarbonisierungsbemühungenvollständigzuun-

terstützen.DaherbrauchtesindennächstenfünfJahren

nicht nur eine kontinuierliche SteigerungderModulleis-

tungundeinWachstumdesMarktes für fortschrittliche

Siliziummodultechnologien, sondern auch intensivierte

ForschungzuTechnologienmiteinemWirkungsgradvon

über 30 Prozent (beispielsweise Tandem-/ Perowskit-

Solarzellen)zutiefenKosten.ZugleichmüssenWegege-

funden werden, grosse Mengen an Solarstrom in das

Energiesystemeinzuspeisenunddortkurz-undlangfristig

zuspeichern.

Sowohl die Schweizer Forschungsinstitute als auch der

SchweizerHightech-PV-SektorimBereichAusrüstungund

KomponentennehmenweltweitweiterhineinestarkePosi-

tion mit bedeutenden Innovationen und Produkten in

einemsehrwettbewerbsorientiertenUmfeldein.EineChan-

cefürdieIndustriebestehtdarin,inderSchweizundEuropa

denNischenmarkt fürProduktemithohemMehrwertzu

erobern. Dazu gehören beispielsweise spezielle Produkte

mitultrahohemWirkungsgrad,Inselsysteme,gebäudeinte-

grierte, farbige, flexible oder leichte PV-Elemente, Mess-

techniklösungen,SoftwarebeispielsweisezumSolarstrom-

managementoderfürdieSystemsimulationsowieAnge-

botefürdieSolarmobilitätaufAutosundSchiffen.

Photovoltaik (PV) beschäftigt sich mit der direkten Umwandlung von Licht in Elektrizität dank Solarzellen und -modulen. Sie umfasst aber auch Komponenten, die die Nutzung dieser Elektrizität ermöglichen, Installa-tionsaspekte wie Montagesysteme und Gebäudeintegration, verschiedene Anwendungsbereiche sowie Planung, Überwachung, Wartung, Prognose und Systemintegration von Solarstrom.

Photovoltaik

Christophe Ballif (EPFL)

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So sieht es heute ausEinewesentlicheUrsachefürdiegeringenRecyclingquoten

ist,dassdieentsprechendenRohstoffenurinsehrgerin-

genMengenverwendetwerden,sodasssiehäufignicht

wirtschaftlichrezykliertwerdenkönnen.BeiMetallenmit

hohemWert–etwaGoldinderElektronikoderPlatinme-

talleinKatalysatoren–funktioniertdasRecyclinghingegen

schongut.WegendengrossenMengenunddergeringen

DurchmischungistauchdasRecyclingvonKobaltausAn-

triebsbatterien von Elektroautos vielversprechend und

wird in vielen Ländern als Vorbereitung zur Mobilitäts-

wendebereitsimplementiert.DasLithium-Recyclingmacht

in diesem Kontext ebenfalls Fortschritte. Auch bei den

SeltenerdmetallenlässtsichbeimanchenMagneten–etwa

in Windturbinen und Harddisks – das Recycling heute

schonwirtschaftlichdurchführen.EinwichtigerFaktorist

hierdieZuverlässigkeitdesRücklaufsderProdukte.Ent-

sprechendsindnichtnurInnovationeninderWiederver-

wertung gefragt, sondern auch in den logistischenund

wirtschaftlichenSystemen.

Ein Blick in die ZukunftEs istzuerwarten,dassKundinnenundKundenzuneh-

mendaufdiesozialenundökologischenProblemeinLiefer-

kettenaufmerksamwerden.Auchistesdenkbar,dassdie

Versorgungssicherheit wieder stärker zu einem gesell-

schaftlich diskutierten Thema wird. Die Anstrengungen

zum Recycling kritischer Metalle müssen im Sinne der

Kreislaufwirtschaftverstärktwerden.InZukunftwirddas

RecyclingvonBatterienfürdieElektromobilitätsowievon

Windkraft-undPhotovoltaikelementeneinenhohenStel-

lenwerteinnehmen.DiessindzudemBereiche,diesichzur

ImplementierungnachhaltigerGeschäftsmodellebeson-

derseignen.

InderSchweizsinddieMengenrezyklierbarerkritischer

RohstoffeinvielenFällenzugering,umwirtschaftlichren-

tabelzusein.InAnbetrachtdergeringenMengenistdie

VerwendungvonNeumaterialienzudemhäufignichtkos-

tenrelevant.NurspezialisierteUnternehmenverfügenüber

das nötige Know-how zum Recycling. Damit bleibt der

AnteilrezyklierterProdukteheuteoftnochklein.Wichtig

ist, zu identifizieren, welche technischen Kompetenzen

fürdasRecyclingspezialisierterMetalleselbstaufgebaut

werdenkönnenundwoessinnvollist,sichmitUnterneh-

men und Systemen – auch im Ausland – zusammenzu-

schliessen.GleichzeitigsollteeinAugenmerkaufgeopoli-

tischeEntwicklungenliegensowie–angesichtseineszu-

nehmendengesellschaftlichenFokusaufNachhaltigkeit–

transparenteLieferkettenangestrebtwerden.Esgilt,neue

Geschäftsmodellezuentwickeln:nichtnurimRecycling,

sondernauchinderErhöhungderRessourceneffizienz.

Ressourcen gelten als kritisch, wenn sie eine grosse volkswirtschaftliche Bedeutung haben und die Wahr-scheinlichkeit für Versorgungsprobleme hoch ist. Es gibt viele Listen sogenannt kritischer Rohstoffe. Auf fast allen kommen Hochtechnologiemetalle vor wie seltene Erden, Platingruppenmetalle, Kobalt, Niob, Tantal, Antimon, Gallium, Germanium und Indium. Eine hohe Nachfrage sowie Monopolstellungen und mangelnde Verlässlichkeit der Produktion sind wesentliche Treiber der Kritikalität von Rohstoffen. Hinzu kommen ökologische und soziale Risiken in der Lieferkette. Auch eine tiefe Recycling-Rate sowie mangelnde Substituierbarkeit durch Ersatzrohstoffe haben entscheidenden Einfluss auf die Kritikalität. Zum Themen-komplex Recycling gehören Sammlung, Trennung sowie Zerlegung von Einzelprodukten oder Komponenten und Separation in die entsprechenden Ausgangsstoffe. Ursachen der Kritikalität und Möglichkeiten des Recyclings unterscheiden sich je nach Rohstoff stark.

Recycling von seltenen Erden

Xaver Edelmann (WorldResourcesForum)und Alessandra Hool (EntwicklungsfondsSelteneMetalle,ESMFoundation)

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So sieht es heute ausDiedezentraleElektrizitätserzeugungbreitetsichzuneh-

mendaus,waszueinererhöhtenNachfragenachLösun-

gen zur Optimierung von Lastverläufen führt. Parallel

dazu spielt die nachfrageseitige Flexibilität eine immer

wichtigereRolle.DiesleiteteinengrundlegendenWandel

inderEnergiewirtschaftein,derüberNetzstabilisierung

undReduktionderLastspitzenhinausgeht.Dazukommen

diemodernenMobilitätskonzepteundLadeinfrastrukturen

fürElektrofahrzeuge.DiesestelleneinezusätzlicheHeraus-

forderungandieFlexibilisierungderLastverteilung.Strom-

versorgungsnetzemüssenaufdiemöglicheHöchstbelas-

tungausgelegtsein.AusvolkswirtschaftlicherSichtdrängt

sich eine Minimierung des erforderlichen Netzausbaus

durchdenEinsatzvonFlexibilitätauf.Esgehtalsoumeine

optimierte Auslastung der bestehenden Infrastruktur zu

tiefenBetriebskostenundeinengeringerenAusbaubedarf

mitEinsparungeninMilliardenhöhe.MitdemAusbauder

erneuerbarenEnergiequellenkanndieEinspeisungjeder-

zeitundsofortohneVoranmeldungzu-oderabnehmen,

waszusteigenderKomplexitätimNetzführt.SmartGrids,

gekoppeltmitsmarterDatenanalyse,gleichenErzeugung

undVerbrauchausundtragendazubei,dieRegelungdes

Lastausgleichssozusteuern,dasseineÜberlastungderIn-

frastrukturundeinNetzausbauverhindertwerdenkönnen.

DieHerausforderungeninderSchweizerEnergiewirtschaft

sind bekannt: Die Diskrepanz zwischen dem effektiven

Planungshorizont und der jederzeit gewünschten Versor-

gungssicherheiterschwertdasunmittelbareHandeln.Zu-

demistdasStromabkommenmitderEuropäischenUnion

nochnichtabgeschlossen,weshalbdieVersorgungssicher-

heitderSchweiznichtgewährleistetist.DieCorona-Krise

zeigte deutlich, dass sich die betroffenen Länder zuerst

umdieVersorgungder eigenenBevölkerungkümmern,

wasdieWichtigkeitvonAutarkieinderEnergieversorgung

betont.DieErkenntnis,dasssichdieaktuellenGesetzge-

bungenändernmüssen,hatsichnochnichtdurchgesetzt.

Ein Blick in die ZukunftEineumfassendeBetrachtungvonEnergieerzeugungund

-verbrauch rückt mit der Zunahme von dezentralen, er-

neuerbarenEnergiequellen indenVordergrund.EinVer-

bundmussentstehen, indemalleAkteuredesEnergie-

markts,auchdieNetzbetreiber,maximaldaranarbeiten,

denAusgleichdesEnergiehaushaltszwischenBereitstel-

lungundVerbrauchzuerreichen.InderSchweizmussein

Weggefundenwerden,umdersteigendenUnplanbarkeit

bei Energiebereitstellung und -verbrauch im Zuge der

Energiewende mittelfristig Herr zu werden. Andernfalls

drohenimmenseKostenfürdenAusbauderNetzinfrastruk-

tur.EsbrauchteinParadigmenwechsel,wiedieDimensio-

nierungderNetzinfrastrukturgeplantwerdensollteund

DatenzumwirklichnötigenAusbauinterpretiertwerden

können.DieHerausforderungenderEnergiewende,insbe-

sonderefürdieeffektivePlanungundSteuerungvonEner-

gienetzen,versetzenSmartGridsvoneinemtechnolo-

gischen Selbstläufer zurück zu einem technologischen

Hoffnungsträger.

Intelligente Netze, also Smart Grids, sollen die aus traditionellen und dezentralen Quellen eingespeiste Elektrizität und ihren dezentralen Verbrauch austarieren. Im Technology Outlook 2019 sind Smart Grids im gelben Quadranten als technologische Selbstläufer eingestuft. Es handelt sich um reife, gut etablierte Technologien, die sich momentan aber nur langsam entwickeln und für welche die Kompetenz in der Schweiz eher tief ist. Dieser Zustand könnte und sollte sich aber rasch ändern.

Smart Grids

Roland Küpfer (BKW)

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So sieht es heute ausIndenvergangenenJahrenwarnationalundinternational

mehrBewegungaufSeitenderEnergieversorgerzube-

obachten.DieGaswirtschaft denktoffendarübernach,

wiesieinZukunftBiogasoderWasserstoffbesserindie

Energieversorgung eingliedern kann. In Deutschland er-

halten die ersten Windparks keine Ausgleichszahlungen

mehrundmüssensichselbstvermarkten.DerFallNord-

deutschlandmachtdeutlich,dasszugewissenZeitenÜber-

kapazitäten vorhanden sind, die sich nur mit Speichern

sinnvollnutzenlassen.DadurchentstehterstmalseinMarkt

fürSpeicher.ZugleichverschlechtertsichdasMarktumfeld

fürfossileTechnologienzunehmend.AlsResultatbringen

Industriegrössen wie MAN Speicherlösungen auf den

Markt und die Petrochemie arbeitet an erneuerbaren

Grund-,Brenn-undTreibstoffen,umfossileEnergieroh-

stoffe zuersetzen.BrennstoffzellenundWasserstoff er-

haltenimBereichGüterverkehrzunehmendAufmerksam-

keit.DieZulieferindustriemusstechnischeKomponenten

undfertigungstechnischeVerfahrenmittelfristigfürBatte-

rien und Brennstoffzellen optimieren. Die Chemie muss

sichaufsynthetischeRohstoffeausrichtenundProdukte

wieBatterieelektrodenundMembranen liefernkönnen.

Die Entwicklung passender Geschäftsmodelle für die

SpeicherunghatsichindenletztenzweiJahrenleichtver-

bessert.

AusheutigerSichtstehenderSchweizfüreinenachhaltige

Energieversorgung Wasserkraft, Sonne, Wind und Geo-

thermiezurVerfügung.AufgrundderProduktionsprofile

vonSonneundWindimJahresverlaufunddesprognosti-

ziertenEnergiebedarfskannabgeschätztwerden,wieviel

EnergiemithilfevonSpeichernvomSommerindenHerbst

undWinterverlagertoderbeimangelndenSpeichertech-

nologien importiert werden muss. Es ist eine Optimie-

rungsaufgabeimDreieckvonImport,Energienetzenund

Speicher.DiebeidenEckpunkteImportundEnergienetze

sindinderSchweizseitlangemguterforscht,neuistdas

Feld der Energiespeicher im saisonalen Zusammenhang.

IndenvergangenensiebenJahrenwurdeninderSchweiz

diebekanntenLangzeitenergiespeicheroptionenimLabor-

massstaberforscht,bewertetundentwickelt.Damitwurde

eineguteAusgangslagefürdieUmsetzunggeschaffen:Die

Technologien für einenachhaltige, bequemeEnergiezu-

kunftstehenimLabormassstabzurVerfügungundmüssen

nun zur vollenMarktreife entwickeltwerden. Fürwirt-

schaftlichen Erfolg muss also wissenschaftliche Kompe-

tenzinGeschäftsmodelleumgewandeltwerden.

Ein Blick in die ZukunftIndennächstenJahrenwirdsichentscheiden,wiesichdie

Wasserstoffwirtschaftentwickeltundobesgelingt,kos-

tengünstigMethan,MethanoloderähnlicheVerbindungen

ausWasserstoff,BiomasseoderausderLuftgewonnenem

CO2herzustellen.ImBereichderWärmespeicherungwar-

tenSorptions-oderEisspeicheraufdenEinsatz.

FürdieSchweizbietetsichdieChance,ihrvonBrennstoff-

kosten(Öl,Gas,Uran)dominiertesEnergiesystemsoumzu-

bauen,dasszukünftigeAusgabeninwertbeständigeAn-

lagenzur regenerativenEnergieerzeugung (Geothermie,

Photovoltaik,Power-to-X,WasserkraftundWindenergie)

fliessen.DamitstärkendieAusgabenfürEnergiedieÖko-

nomie im eigenen Land. Das Schweizer Energiesystem

kannsorobusterundvonRohstoffmärktenunabhängiger

werden.DainderProduktionvonKomponentenfürdie

EnergiezukunftnochvielesneuundderMarkterstimEnt-

stehenist,birgtdieEntwicklungeinhoheswirtschaftliches

Potenzial,besondersfürdieimAnlagenbaustarkeSchweiz.

Esgilt,diesimUmfeldderheutigenGeschäftsmodellezu

erkennenundimAustauschmitKunden,Lieferantenund

EntwicklungspartnernChancenzuerarbeiten.

Zukünftige Speichertechnologien zielen auf Energiespeicher im grossen Stil, welche die Diskrepanz zwischen Stromproduktion und -verbrauch saisonal ausgleichen. Es braucht für die Zukunft Langzeitspeichersysteme, um die Abhängigkeit von Energieimporten zu verringern und die Stromkosten im Winter zu senken.

Zukünftige Energiespeicherung

Jörg Roth und Thomas Justus Schmidt (PSI)

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Fertigungsprozesse und Materialien

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So sieht es heute ausDieEntwicklungneuerMetall-undKeramikzusammen-

setzungenisteinrelativneuer,wachsenderTrend. Inter-

nationalwurdedieWerkstoffentwicklungfürdieadditive

FertigungindenletztenJahrenaufverschiedenenEbenen

undentlangdergesamtenProzesskette vorangetrieben.

DiesbeinhaltetedasHochfahrenderKapazitäteninder

Werkstoffproduktion,dadie Industrie erkannthat,dass

prozessspezifischeWerkstoffeAlleinstellungsmerkmalebe-

sitzen.DiesesBedürfnisnacherhöhterProduktionskapazi-

tätwirdsichmitderEntwicklungfortschrittlicherModel-

lierungswerkzeuge,auchinKombinationmitAnsätzender

KünstlichenIntelligenz,nochverstärken.

DieSchweizbeteiligtsichnurinbegrenztemUmfangan

diesemTrend.Dies istaufdiegeringe, jedochsteigende

ZahlvonUnternehmenzurückzuführen,dieadditivePro-

duktionsanlagenoderMaterialienentwickeln.Zudemist

derEinsatzfortschrittlicherModellierungswerkzeugenoch

sehrbegrenzt,dadieseaufMultiphysikbasierenund in

BezugaufLängeundZeitskalamehrereGrössenordnungen

abdecken müssen, um grosse und komplex geformte

Komponentenzumodellieren.DaheristihrEinsatzinder

RegelaufForschungsaktivitätenbeschränkt.

Ein Blick in die ZukunftIndennächstenJahrenwerdenEntwicklungenaufdem

Gebiet der Mehrfach- und Gradientenwerkstoffe sowie

derbiologischabbaubarenMaterialien fürdieKreislauf-

wirtschaftvermehrtAufmerksamkeitgewinnen.

DieSchweizverfügtübereinestarkeExpertiseinderEnt-

wicklungneuerMaterialformulierungenundderentspre-

chendenProzessgestaltung.InKombinationmiteinerbrei-

terenAnwendungderProzess-undMaterialmodellierung

würde dies zu einem Wettbewerbsvorteil für Schweizer

Unternehmen auf Gebieten wie Meta-Materialien, 4D-

DruckundKreislaufwirtschaftführen.Diessetztabervor-

aus, dass sich die Schweiz weiter auf ihre traditionellen

Stärkenkonzentriert,dassdieDigitalisierungauchfürdie

Material- und Prozessentwicklung umgesetzt wird und

UnternehmenvonderhiesigenForschungskompetenzpro-

fitierenkönnen.DieMaterialentwicklungfüradditiveFer-

tigung muss in der Schweiz gezielt unterstützt werden.

DabeiistdiegesamteWertschöpfungsketteinklusiveder

ProduktionskapazitätfürinnovativeMaterialienzuberück-

sichtigen.Dies isteinetraditionelleStärkeimKunststoff-

sektor. Die Produktion von fortschrittlichen Materialien

könnte jedoch auch Metallpulver, Photopolymere oder

anderesmarteMaterialienumfassenundderSchweizim

BereichdersmartenMaterialienundderdigitalenProduk-

tioneinehervorragendePositionermöglichen.Darausent-

stehenneueGeschäftsmodelleund-möglichkeitenentlang

dergesamtenHerstellungskette.

Materialien wie Metalle, Kunststoffe, Keramik und Verbundwerkstoffe müssen für die sehr spezifischen Verarbeitungsbedingungen in der additiven Fertigung ausgelegt sein – ein Verständnis, das vor Jahren vor allem im Kunststoffsektor begann. Nur so können neue Produkte mit hoher Performance ermöglicht, die hohen Qualitätsanforderungen in der Industrie erfüllt und innovative Lösungen für so unterschiedliche Märkte wie Hoch- und Tiefbau, Medizintechnik sowie Luft- und Raumfahrt realisiert werden.

Additive Fertigung – Materialentwicklung

Fritz Bircher (HES-SO-Fribourg), Lars Sommerhäuser (Empa), Adriaan Spierings (inspire)und Anna Valente (SUPSI)

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So sieht es heute ausWichtige Entwicklungstrends sind Technologien für die

Herstellung grosser Metallteile, auch in Serie, und ganz

allgemeinProduktivitätsverbesserungen.ImFokussind

Multi-Laser-Ansätze, fortschrittliche Drahtvorschubtech-

nologien oder die Automatisierung von Prozessketten,

welchedankdesverbreitetenEinsatzesvonSimulations-

werkzeugeninmehrerenGrössenordnungenvorangetrie-

benwerden.DanebensindAspektevonIndustrie4.0wie

dieIntegrationkünstlicherIntelligenzundDatenverarbei-

tungsmethodenindieMaschinensteuerungschnellwach-

sende,wichtigeEntwicklungen.SiebietenneuenAkteuren

imAM-MarktdieMöglichkeit,Lösungenfürfortschrittliche

und kostengünstigere Maschinenkonzepte anzubieten.

Aufder Ebene vonDatenverarbeitung,Maschinenhand-

habungundSensorikentstehenneueHerausforderungen,

derenLösungfüreineverbesserteProzesssteuerungund

eineschnelleZertifizierungvonAM-Teilenessenziellsind.

DieSchweizpartizipiertteilweiseandiesenTrends.Immer

mehrSchweizerUnternehmenerlangenKnow-howinder

AnwendungvonAModerinvestierenineigeneAM-Aktivi-

täten.DarüberhinausspieltdieSchweizeinewachsende

Rolle in der AM-Forschung. Diese wird von staatlichen

und industriellen Kooperationsplattformen wie IBAM,

SATW undSwissmem unterstützt,wasunabdingbar für

denErfolgderSchweizerAM-Aktivitätenist.

Ein Blick in die ZukunftNeueAM-Technologienstehenkurzvorderindustriellen

Umsetzung.IndiesemZusammenhanggewinnenBinder

JettingunddirekteMaterialstrahltechnologienanAttrak-

tivität, da sie erhebliche Produktivitätsvorteile verspre-

chen.GleichzeitigsteigtauchdasInteresseanfortschritt-

lichen, extrusionsbasierten Verfahren und Technologien

zurHerstellungvonStrukturenimMikrometerbereich.

DieweitereIndustrialisierungvonAMerfordertFachwis-

sen,das inderSchweiz traditionell vorhanden ist.Dazu

gehören Simulations- und Maschinenbaukenntnisse, Ex-

pertiseinNutzungundIntegrationvonAM,inkünstlicher

Intelligenz,inderVerarbeitunggrosserDatensätzeoderin

derAutomatisierungderProduktionvonIndustriebauteilen

fürAbnehmerinstarkreguliertenMärkten.DieSchweiz

solltedieseEntwicklungenunterstützenundsichauffort-

schrittliche Anlagen sowie Prozessüberwachung und

-steuerungfürdieProduktionhochwertigerTeilekonzen-

trieren. Es müssen Initiativen für die Entwicklung von

HochleistungstechnologiendernächstenGenerationun-

terstütztwerden,welchedie gesamteWertschöpfungs-

kette, ProzesskombinationenundMultimaterialverarbei-

tungfürden4D-Druckberücksichtigen.Dadurchkönnen

SchweizerUnternehmendieAM-Möglichkeitenentlang

dergesamtenWertschöpfungskettevollausschöpfen,wei-

tere Produktionsautomatisierungen realisieren und noch

kundenspezifischereProduktemithoherWertschöpfung

undverbesserterLeistungproduzieren.Sokanndie In-

dustrie aktiver auf sichänderndeBedürfnisse reagieren,

wettbewerbsfähigbleibenundArbeitsplätzeinderSchweiz

erhalten.EinaktivesÖkosystemausForschungsorganisati-

onen,IndustrieunternehmensowiePlattformenzurAusbil-

dungvonIngenieurinnenundIngenieuren,zumAustausch

vonFachwissenundzurUnterstützungvonInnovationen

sollteunterstützendwirken.

Additive Fertigung (Additive Manufacturing, AM) ist ein Sammelbegriff für eine Gruppe von Technologien, mit welchen Objekte nicht durch Drehen oder Schneiden, sondern durch Aufbauen von Material(ien) gefertigt werden. AM-Technologien umfassen das gesamte Spektrum an Bearbeitungsverfahren für Metalle, Kunststoffe und Keramik. Die aktuellen Entwicklungen betreffen die ganze Wertschöpfungskette einschliess-lich Vorverarbeitungswerkzeuge, AM-Prozesse und -Maschinen sowie Nachbearbeitungstechnologien.

Additive Fertigung – Verfahren

Fritz Bircher (HES-SO-Fribourg),Lars Sommerhäuser (Empa),

Adriaan Spierings(inspire)und Anna Valente (SUPSI)

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So sieht es heute ausWeltweitunterliegtdieVerwendungvonBiozidenstrikten

Auflagen.InEuropasinddieregulatorischenBestimmungen

jedochamstrengsten.Diesichfortwährendverschärfende

GesetzgebungunddiedamitverbundenenAuflagensind

einegrosseHürdefür innovativeUnternehmenundStart-

ups.InderSchweizgibtesdeshalbnurwenigeFirmen,die

aufdemGebietderHerstellungundAnwendungvonBiozi-

deninPolymerentätigsind. IndenletztenJahrenhatdie

ForschungdieAufmerksamkeit auf Polymeregelenkt,die

ohneZusatzvonBiozidenantimikrobiellsind:Diemeisten

dieserPolymereweiseneineschwachpositiveLadungauf.

DaMikroorganismeneinenegativgeladeneZelloberfläche

besitzen,werdensieandiepositivePolymeroberflächege-

bundenundsophysikalischzerstört.SolchePolymereblei-

benstabilundsindwenigergiftigfürMenschundUmwelt.

DieGefahrvonResistenzbildungenistwesentlichgeringer

alsbeiPolymeren,dieBiozideenthalten.InderSchweizwird

anverschiedenenForschungsanstaltenaufdemGebietdie-

ser antimikrobiellen Oberflächen geforscht. Ein anderer

Ansatz,deneineReihekleinerStart-upsinderSchweizund

inSüddeutschlandverfolgen,setztSysteme(Photokataly-

satoren,Enzymeetc.)ein,dieinsituBiozidebilden.Beide

Ansätzesind innerhalbderaktuellenGesetzgebungmög-

lich.Weilsieaberbiozidischwirken,mussdieUnbedenklich-

keitfürMenschundUmweltmitTestsbescheinigtwerden,

wasmithohenfinanziellenKostenverbundenist.

Ein Blick in die ZukunftPrognosengehendavonaus,dassantimikrobielleKunst-

stoffeimJahr2026einweltweitesMarktpotentialvon65

MilliardenUS-Dollarhabenwerden.DasMarktvolumenin

derSchweizwirdzwischen800MillionenundeinerMil-

liarde liegen.WichtigeMarkttreiber sinddie steigenden

Anforderungen an die Hygiene in verschiedenen Berei-

chen,etwainderProduktionantimikrobiellerOberflächen

vonmedizinischenApparatenundInstrumentenodervon

Berufs-undSchutzkleidungimGesundheits-undPflege-

bereich.MöglicheEinsatzfelderreichenüberdiemedizini-

scheVerwendunghinaus:SokönntenantimikrobiellePo-

lymere auch für die Verpackung und Lagerung von

Lebensmitteln,inSanitärprodukten,beiderWasseraufbe-

reitungoderzurHerstellungvonOberflächenimöffentli-

chenVerkehroderinFlugzeugengenutztwerden.Indie-

senEntwicklungenliegengrosseChancenfürinnovative

SchweizerUnternehmenausderChemieindustrie,Kunst-

stoffverarbeitung, Maschinenindustrie, Medizintechnik,

Nahrungsmittelindustrie, Textilverarbeitung, Verpackungs-

industrieundderWasseraufbereitung.

Innovationen und deren Anwendungen werden durch

diekomplexeChemikaliengesetzgebungerschwert.Für

vielekleinereUnternehmenistesunmöglich,sichdarin

zurechtzufindenunddendamitverbundenenAufwand

zu stemmen. Ein schweizerisches Kompetenzzentrum

mitFokusaufdasregulatorischeUmfeldunddieAnwen-

dungsentwicklung sowie mit entsprechenden Finanz-

mittelnfürdienotwendigenumweltrelevantenundtoxi-

kologischen Tests würde die Umsetzung innovativer

TechnologienfördernunddieMarktchancenfürSchwei-

zer Unternehmen in diesem zukunftsorientierten Ge-

schäftsfelderhöhen.

Infektionskrankheiten verursacht durch Bakterien, Pilze und Viren gehören zu den häufigsten Todesursachen. Die in Spitälern auftretenden multiresistenten Keime und die daraus entstehenden Infektionen sind be-sonders problematisch, weil sie von Bakterien verursacht werden, die gegen eine Vielzahl von Antibiotika resistent sind. Um die Übertragung von Mikroorganismen zu reduzieren, werden unter anderem antimikrobiell wirkende Stoffe (Biozide) zur Desinfektion von Oberflächen eingesetzt. Vermehrt werden auch antimikrobi-elle Polymere zur Herstellung oder Beschichtung von sich selbst desinfizierenden Kunststoffgegenständen eingesetzt. Die meisten dieser Werkstoffe basieren darauf, dass dem verarbeiteten Polymer ein Biozid zu-gesetzt wird. Polymere in Form von Fasern werden meist nach der Verarbeitung zum Textil mit Bioziden im-prägniert. Die Biozide gelangen an die Oberfläche, wo sie die Mikroorganismen abtöten. Häufig werden dazu Metalle wie Kupfer, Silber und Zink oder antimikrobielle organische Wirkstoffe verwendet. Ein Nachteil dieses Vorgehens ist, dass die Biozide aus dem Polymer ausgewaschen werden. Dadurch sinkt die Wirkung und die Biozide geraten in direkten Kontakt mit Mensch und Umwelt, was wiederum zur Resistenzbildung beiträgt.

Antimikrobielle Materialien

René Gälli (LivinguardAG)und Christoph Kolano (AVABiochemAG)

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So sieht es heute ausInderSchweiznimmtderPro-Kopf-VerbrauchanKunst-

stoff weiter zu und ist wesentlich höher als in anderen

europäischenLändern.ImJahr2019haben187Nationen

eineUN-Vereinbarungunterzeichnet,umdieländerüber-

greifendenStrömevonPlastikabfallzukontrollierenund

reduzieren.ImselbenJahrstimmtedasEU-Parlamentei-

nemVerkaufsverbotfürgewisseEinweg-Kunststoffartikel

zu.AusserdemhatdieEUbeschlossen,ab2021dieoxo-

abbaubarenKunststoffe,welchefragmentiert,abernicht

von Mikroorganismen biologisch abgebaut werden, aus

demVerkehrzuziehen.UndCostaRicawillab2021sogar

jeglichenEinwegplastikverbieten.

BioplastikfürMassenproduktewirdinvielenLändernpro-

duziert,nichtjedochinderSchweiz.DieVerwendungvon

nachhaltigenundinnovativenMaterialien inderVerpa-

ckungsindustriebewegt sichweiterhinaufeinem tiefen

Niveau;esfehlenregulatorischeSteuermechanismenund

Forschungsaktivitäten. Langsamkommt jedochBewe-

gungindieSzene.NestléetwahatdasNestlé Institute of

Packaging SciencesinLausanneeröffnet,welchessichdie

Entwicklungvonfunktionellen,sicherenundumweltfreund-

lichen Verpackungslösungen auf die Fahne geschrieben

hat.Weltweitgibtesetwa140Firmen,diesichmitder

EntwicklungundProduktionvonBioplastikbeschäftigen,

meistfürdenEinsatzbeiMassenprodukten.InderSchweiz

siehtdieSituationjedochandersaus.Wegendergeringen

Rohstoffverfügbarkeit steht hierzulande hochwertiger

Bioplastik für Spezialanwendungen zum Beispiel in der

Automobilindustrie, LandwirtschaftoderMedizintechnik

imFokus. Einige innovativeSchweizer Firmenbewähren

sichinZusammenarbeitmitHochschulenbereitsaufdie-

semkleinenGebietmithoherWertschöpfung.

Ein Blick in die Zukunft DasThemaKunststoffundspeziellBioplastikwirdinterna-

tionalaktuellbleiben.DieSchweizerAkteureaufdemGe-

biet sind unterschiedlich ausgerichtet, nicht vernetzt und

ohnePlattform.NebeneinerVernetzungundBündelung

derKräfteempfiehlt sich, fürdenSchweizerWirtschafts-

raumeinekohärenteVisionundStrategiezumThemaBio-

plastikzuerarbeiten.AuchdieAufklärungundInformation

derEndverbraucherinnenund-verbraucherzumThemaBio-

plastiksollteverstärktwerden.Diekürzlichbegonnenen

Forschungs- und Entwicklungsarbeiten zu neuartigem

Hightech-BioplastikbeispielsweiseaufProteinbasis sind

sehrzuunterstützen.FürregulatorischeSteuermechanis-

menzurFörderungvonBioplastikistesinderSchweiznoch

zufrüh.

Als Bioplastik bezeichnet man Kunststoffe, die entweder aus erneuerbarer Biomasse produziert werden, aber nicht bioabbaubar sind («Agrokunsstoffe»), oder solche, die bioabbaubar sind und entweder aus ei-nem nicht-erneuerbaren Rohstoff wie Erdöl oder auch aus erneuerbarer Biomasse hergestellt werden. Entgegen der weitverbreiteten Meinung gibt es also Bioplastik, der nicht bioabbaubar ist. Aktuell werden jährlich weltweit mehr als 400 Millionen Tonnen Plastik produziert, die potenziell als Mikro- und Nano-plastik die Umwelt belasten. Es gibt aber auch Bioplastik mit aussergewöhnlichen Eigenschaften, der sich nutzbringend einsetzen lässt.

Bioplastik

Roger Marti (HES-SOFribourg), Hans-Peter Meyer (ExpertInovaAG)

undManfred Zinn (HES-SOValais-Wallis)

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So sieht es heute ausDieForschungfürfunktionaleFasernfokussiertaufZusatz-

funktionenmithoherWertschöpfungimBereichderLeit-

fähigkeit vonElektrizitätundLicht sowiederAufnahme

oderAbgabe vonWirkstoffen.DieAnwendungsgebiete

spannenvonderKommunikationbiszurMedizintechnik.

Insbesondere Mehrkomponentenfasern können durch

KombinationverschiedenerKunststoffeneue technische

AnforderungenerfüllenundermöglichenimHinblickauf

die Balance zwischen Stabilität und Abbaubarkeit neue

Variationen.EinerfreulichesAnwendungsbeispiel istdas

Mobility Assisting teXtile eXoskeletonderFirmaMyoSwiss.

ZweikomponentenfasernmitschmelzbaremMantelwer-

deneingesetzt,umwahlweiseflexibleoderstarreStruktu-

renineinanderübergehenzulassen.

Die imTechnology Outlook 2019erwähnteEntwicklung

vonneuartigenFlammschutzmittelnhatweiterFahrtauf-

genommen.Esentstehenkommerziellerhältliche,flamm-

geschütztePET-undPolyolefinfasernsowieTextilienfür

AussenanwendungenundöffentlicheRäume.AnderExpo

2020,die2021inDubaistattfindenwird,werdensolche

ProdukteausderSchweizvorgestellt.Einebemerkenswer-

te Entdeckung ist, dass diese phosphorbasierten Flamm-

schutzmittel selbst bei niedrigen Konzentrationen eine

chemischeStabilisierungvonPolyesterschmelzenerzielen,

was für die Gestaltung von Recyclingprozessen Vorteile

bringenkann.

DieCorona-KrisehatunsinErinnerunggerufen,wiewich-

tigdieAdsorptionvonAerosoltröpfchenunddieWechsel-

wirkungvonbiologischenPartikelnmitFaseroberflächen

wieMaskenseinkann.DieWeiterentwicklungsolcherFlä-

chengebildewirdnichtnurdieForschendeninderSchweiz

fordern.

Ein Blick in die ZukunftSowohl internationalalsauchnationalgehendieAnfor-

derungen an Fasern in Richtung der Nachhaltigkeit von

MaterialienundProzessen.DiehoheStabilitätvonSynthe-

sefasernausfossilenRohstoffenundihreniedrigenProzess-

kostenerschwerendagegendieangestrebteHerstellung

vonFasern,welcheausbiobasiertenRohstoffenentstehen

undsichnachGebrauch schnell zersetzen.DieEntwick-

lungsolcherFasernwirddabeizunehmendeineFragedes

geeignetenProzesses.NeueLogistik-undGeschäftsmo-

dellesindgefragt,umAspektederKreislaufwirtschaftzu

integrieren.

DieseEntwicklung ist einegrosseChance für Schweizer

Unternehmen,dasiedengesamtenLebenszyklusdesPro-

duktseinschliesst.DieSchweizerBevölkerungistfürdiese

Thematiksensibilisiert.Alsnachteiligkönntesicherweisen,

dassdieGrundlagenforschungimBereichderKunststoff-

chemienationalundinternationalkeinSchwerpunktthema

mehrist,obwohleinMarktmithohenUmsatzzahlenbe-

steht.SchweizerUnternehmen,welchevondenneuenEnt-

wicklungenprofitierenmöchten,solltenaktivdenDialog

mitdenzahlreichenSchweizerForschungsinstitutensuchen

unddasFörderangebotfürMachbarkeitsstudiennutzen,

um spezifischesKnow-how fürdie Entwicklungeigener

ProdukteundzuinteressantenMärktenzuerwerben.

Funktionale Fasern zeichnen sich dadurch aus, dass sie zusätzlich zu den inhärenten Vorteilen der Faser-form neue, anwendungsspezifische Zusatzanforderungen erfüllen können. Dazu zählen etwa antimikrobi-elle Wirkung, hohe Wasserabsorption, Wirkstoffabgabe oder Schutzwirkung gegenüber diversen Einflüs-sen. Funktionale Fasern werden für die Schweiz in den Bereichen Biowissenschaften, Gesundheit und Technik in den kommenden Jahren relevant sein.

Funktionale Fasern

Manfred Heuberger (Empa)und Urs Mäder (SATW)

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So sieht es heute ausDieMegatrendsDigitalisierung,Globalisierung,Individuali-

sierungundSicherheit führenzustetigsteigendenAn-

forderungen bezüglich der Rückverfolgbarkeit von Bau-

gruppen, Produkten und Teilen entlang der gesamten

Prozess-undLogistikkette.NeueTrendswieKonnektivität,

MobilitätundNeo-Ökologiewerdendazu führen,dass

OberflächenstrukturierungvonMetallen,Halbleiternund

Polymeren,dasAbtragenvonSchichtensowieProduktions-

verfahrenindenBereichenDisplayoderE-Mobilitätimmer

wichtigerwerden.InsbesonderebeidenLetzterenentste-

hen vermehrt neue Applikationen, welche Laserstrahl-

quellenmitneuenParameterfeldernerfordern.

DieSchweizerForschungslandschaftistimBereichderpho-

tonischenFertigung im internationalenVergleichweiter-

hin führend.Das liegt einerseits anderhervorragenden

GrundlagenforschunganderETH ZürichundderEPFL. AndererseitsetablierensichdieFachhochschulenzuneh-

mendinindustrienahenBereichenangewandterForschung

undEntwicklungwiebeispielsweiseMaterialbearbeitung

mitLasern,BildverarbeitungoderOptoelektronik.DieFach-

gruppe Photonics der Swissmem sowie Swissphotonics

agieren zudem als Drehscheiben und Bindeglieder zwi-

schen Bildung, Forschung und Industrie. In den letzten

drei Jahren entstanden in der Schweiz im Umfeld der

HochschulenundIndustriefirmenneueForschungsgruppen.

ZudemwerdenneuThemenwieBio-Nano-Photonikoder

Mikrowellen-Photonik bearbeitet. Auch die Schweizer

Bildungslandschafthatsich indenvergangenenJahren

weiterentwickelt: Im Bereich Photonik wurden mehrere

neue Bachelorstudiengänge geschaffen und im Herbst

2020einneuerMasterstudiengangetabliert.

Ein Blick in die ZukunftDiePhotonikundinsbesonderedieOberflächenbearbei-

tungmitLasernetabliertsichzunehmendalsEnablertech-

nologie für so unterschiedliche Bereiche wie autonome

Systeme,Energieversorgung,Digitalisierung,Künstliche

Intelligenz,Medizintechnik,Quantentechnologie,Robotik

oderSmartCities.

Aufgrund vorhandener Kompetenzen und Erfahrungen

könntedieSchweizerIndustrievorallemindenBereichen

MedizintechnikundRobotikprofitieren.DerGesamtmarkt

«Photonik»betruginderSchweizimJahr2019rund4,4

MilliardenSchweizerFranken,wovonmehralsdieHälfte

auf das Segment «Photonische Fertigung» entfiel, und

das jährliche Wachstum wird für die kommenden Jahre

mit6Prozentprognostiziert.UmvondiesemWachstum

profitieren zu können, sollten Schweizer Unternehmen

weiterhininForschungundEntwicklunginvestierenund

ihreVertriebsaktivitätenintensivieren.

Der Begriff Oberflächenbearbeitung umfasst eine Vielzahl von Verfahren, welche die Eigenschaften des Materials verändern oder die Oberfläche strukturieren. Für die Oberflächenbearbeitung kommen in der Regel Laser mit mittleren Ausgangsleistungen zum Einsatz, welche im Dauerstrichbetrieb, gepulsten Be-trieb (Mikro- bzw. Nanosekundenpulse) oder ultrakurzgepulsten Betrieb (Piko- bzw. Femtosekundenpulse) eingesetzt werden. Die Bearbeitung von Oberflächen ist für nahezu alle Branchen relevant, bespielweise für Automobilbau, Batterietechnik, Elektronik, Kommunikation, Luft- und Raumfahrttechnik, Medizin-technik, Nahrungsmittelindustrie, Sicherheitstechnik, Uhren und Schmuck, Unterhaltungselektronik oder Verteidigungstechnik.

Photonische Fertigung

Andreas Conzelmann (TRUMPFSchweizAG)

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So sieht es heute ausZurOptimierungderWärmeleitfähigkeitelektrischerIsola-

torenwerdensehrbegrenzt thermisch leitfähigeTräger-

materialien mit geeigneten festen Partikeln kombiniert.

DurchdieAnwendunganorganischerFüllstoffemitmass-

geschneidertenOberflächenwirddieWechselwirkungzwi-

schenPolymerundwärmeleitfähigemFüllstoffsignifikant

verbessert.WeiterwerdenflüssigeWärmetauschmedien

oderMaterialienentwickelt,dieesermöglichen,thermisch

induzierte Phasenumwandlungen zur Energieabfuhr zu

nutzen.AngestrebtwerdenelektrischisolierendeFunk-

tionsmaterialien,dieüber eine thermische Leitfähigkeit

verfügen, welche diejenige von herkömmlichen Kunst-

stoffenumeinenFaktorvon15bis30übertrifft.

DieSchweizisteinattraktiverundleistungsfähigerStandort

derAutomobilzulieferindustrie.MaterialienfürdieHerstel-

lungvonBatteriemodulenunddieFertigungvon(Elektro-)

FahrzeugenstellenfürdieAutomobilzulieferindustrieein

schnellwachsendesMarktsegmentdar.Diefortschreitende

MiniaturisierungunddiedamitverbundeneErhöhungvon

EnergiedichteninelektronischenBauteilenführtzuneuen

AnforderungenanwärmeübertragendeMaterialien:Diese

müssenmöglichstkleineLückenausfüllen.Dietechnolo-

gischen Herausforderungen liegen insbesondere darin,

Systemezufinden,diesichgutverarbeitenlassenundals

Klebstoff,«GapFiller»,KlebebandoderPadguteWärme-

übertragungundlangfristigeZuverlässigkeitgewährleisten.

ImE-MobilitätsbereichwerdenTIMsgefordert,dienach

Gebrauchleichtdemontierbarundrezyklierbarsind.

Ein Blick in die ZukunftTIM-InnovationenhabeningrossvolumigenAnwendungs-

felderndasPotenzial,einehoheWertschöpfungzugene-

rieren.Bis2025sindglobaleMarktvoluminavoneinigen

Milliarden Schweizer Frankenmöglich. Es ist aber eher

unwahrscheinlich,dassdieSchweizerIndustrieindiesem

zukunftsträchtigenFeldzeitnahzudenführendenIndust-

rienationenaufschliesst;esseidenn,ForschungundEnt-

wicklungimBereichderTIMwerdenpriorisiertundent-

sprechend gefördert. Das Auffinden und die Nutzung

marktfähigerLösungen,diesichineinemZeitrahmenvon

fünfJahrenumsetzenlassen,sindGrundvoraussetzungen

für das Bestehen in diesem anspruchsvollen, globalen

Marktumfeld. Eine weitere spezifische Herausforderung

fürdiehiesigeIndustrieistderUmstand,dassdieSchweiz

aufgrundihrerGrösseundBedeutungnichtzudenfüh-

rendenElektronik-undAutomobilindustrieländernzählt.

AusserdemverfügtsienichtüberdieRessourcen,umin

diesemFeldeinemassgeblicheRollezuspielen.

AuchwennSchlüsseltechnologien fürEnergieerzeugung

und-speicherungwenigeröffentlichkeitswirksamsindals

ITundGesundheitsthemen,sindsiedennochzentral.Esist

wichtig,dassdieSchweizer Industrieauch indiesenzu-

kunftsbestimmendenFeldernnichtdenAnschlussverliert.

Entscheidend für eine erfolgreiche Industrie- und For-

schungspolitik istdieEinbindungderSchweizerWissen-

schaftundIndustrieininternationaleForschungs-undIn-

dustriekooperationen.

Elektrische Isolatoren herzustellen, die über sehr gute Wärmeleiteigenschaften verfügen, ist technisch anspruchsvoll. Denn bei vielen Materialien, so bei Metallen oder Graphit, sind gute thermische Leiter auch elektrische Leiter. Thermisch leitfähige Materialien (engl. thermal interface materials: TIMs) sind wesentliche Bestandteile in der Entwicklung neuer Batterien für die E-Mobilität sowie für die Computer- und Medizin-technik. TIMs kommen als verbindende Klebstoffe oder lückenfüllende Giessharze zum Einsatz.

Wärmeleitende elektrische Isolatoren

Urs Burckhardt undSteffen Kelch (SikaTechnologyAG)

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Life Sciences

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So sieht es heute ausKerntechnikundHerausforderungzugleichistbei3D-Bio-

druckern die Extrusion von Material und Zellen aus einer

Kanüle.DaherbeschäftigensichForschendehauptsächlich

mitdemDesignderDruckköpfeundmitdruckbarenHydro-

gelen.EineAlternative istdiepatentgeschützteKenzan-

TechnikdesRegenovaDruckersvonCyfuse Biomedical K.K.:

ZellkugelnwerdenaufsenkrechteNadelnaufgespiesstund

dichtandichtplatziert,sodasssiemiteinanderverschmelzen

undauchohneHaltegerüsteStrukturenbilden.DieHerstel-

lung integrierterBlutgefässebleibtweiterhineineHeraus-

forderung.DieNASAinitiierte2016einenWettbewerb,um

ein1cm3umfassendesGewebe invitroherzustellen,das

durchblutgefässartigeStrukturenfür30Tageversorgtwird.

BisheutegabeskeineerfolgreicheLösung.

DieSchweizistinallenBranchen,welchedie3D-Biodruck-

Technologienutzenkönnen,starkaufgestellt.Dasgiltso-

wohlfürdieKosmetik-undPharmaindustriealsauchfürdie

regenerativeMedizin.InderSchweizgibteszahlreichepo-

tenzielle Zulieferer, die sowohl Hardware (Druckdüsen,

Elektronik,Roboterarme,Ventile)alsauchSteuerungssoft-

ware fürautomatisierteProzesseherstellen.Auch fürdie

ZellkulturbenötigtenKomponentenspieltdieSchweizeine

führendeRolle.DankderIntegrationderTechnologieinbe-

stehendeindustrielleundmedizinischeProzessesowieder

Vernetzung relevanter Industriepartner wird die Schweiz

ihregutePositionweltweithaltenkönnen.

Ein Blick in die ZukunftWährend die Anwendungsfelder für den 3D-Biodruck

gleichbleiben,werdensichneueDruck-undZellmontage-

verfahrenzudengegenwärtigenTechnikendazugesellen.

Dazu gehört das kontrollierte Erzeugen von Sphäroiden,

derenoptischeKontrolle,gezielteAufnahmeindieSphäroi-

denundNeupositionierung.ImAuslandgibtesstarkenati-

onaleStrategien:InSüdkoreawirdBioprintingzurStärkung

derregenerativenMedizinundderlokalenPharmaindustrie

gefördert.InChinagibtesersteBioprinting-Firmen.Inden

USAtratab2016dieInitiativeBioFabUSA inKraft,finan-

ziertmitje150MillionenUS-DollarvomVerteidigungs-

ministeriumundderIndustrie.ErklärtesZielistdieFörderung

vonProjekten imBereichdesBioadditiveManufacturing

unterEinbezugdes3D-Biodrucks.

ObwohldieSchweizmitREGENHUeinenWeltmarktführer

für3D-Biodruckhat,isteinevergleichbarenationaleStrate-

gie,dieTechnologieführerschaftindiesemBereichanstrebt,

derzeitnichterkennbar.ImSchweizerNationalen Themati-

schen Netzwerk Additive Manufacturing spielt 3D-Bio-

druckkeineRolle.MomentanwirdderTechnologiesowohl

aufForschungs-alsauchaufIndustrieebenezuwenigBe-

achtung geschenkt. Es bedarf nationaler Forschungspro-

grammeund-initiativenfüranwendungsorientierteGrund-

lagenforschung,uminternationalkompetitivzubleiben.Da

sich die Manipulation von Sphäroiden als Alternative zu

Spritzguss und Sprühen anbietet, ist es bedeutsam,dass

mehrereSchweizerUnternehmenwie InSphero AG, Kugel-

meiers AGundSUN bioscience AGZellkulturplattensyste-

mezurHerstellungvonZellkugelnanbieten.

Im Bereich Tissue Engineering hat sich die additive Fertigung von Geweben und Organen, der 3D-Biodruck («Bioadditive Manufacturing»), als vielversprechende Technologie etabliert. Er unterscheidet sich vom ein-fachen Drucken von Biomaterialien, da lebende Zellen Teil des Fertigungsvorgangs sind. Die Zellen werden gezielt auf gedruckte Strukturen gesprüht oder in ein Biomaterial, die Biotinte, eingebettet und in räumli-cher Verteilung abgesetzt. Mittels 3D-Biodruck können lebende Gewebe in einem Schicht-für-Schicht-Ver-fahren theoretisch beliebig zusammengesetzt und aufgebaut werden und es kann eine höhere Komplexi-tät als beim Standard Tissue Engineering erzielt werden. So sollte eine zunehmend vollständige physiologische Aktivität menschlichen Gewebes in Zellkultur möglich sein. Das ist wichtig für die Phar-maindustrie, da die Entwicklung von Medikamenten und Kosmetika sehr ineffizient und teuer ist. Standar-disiert hergestellte Gewebe können den Testprozess verbessern und gleichzeitig Tierversuche reduzieren. In der regenerativen Medizin erlaubt 3D-Biodruck, vaskuläre Strukturen in das Implantat zu drucken, was bei herkömmlichen Tissue-Engineering-Verfahren nicht möglich ist.

3D-Biodruck

Michael Raghunath(ZHAW)

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So sieht es heute ausIndenvergangenenJahrenhabensichzweiHauptstoss-

richtungenherauskristallisiert.DieeineadressiertAlgen-

und Insektenproteine, die als Lebensmittel bislang eine

untergeordnete Rolle spielten. Die andere entdeckt be-

stimmtePflanzenalsProteinquellenfürdenErsatztierischer

ProteineausEi-,Fleisch-undMilchprodukten(wieder).

FürdieProduktionvonInsektenproteinenfehltebisher

eine Umweltverträglichkeitsprüfung. Inzwischen haben

FirmenwieProtixausdenNiederlandenindustriellePro-

duktionsmassstäbeerreicht,womitrelevanteÖkobilanzie-

rungen möglich werden. Erste Analysen kommen zum

Ergebnis, dass Insektenproteine für die Herstellung von

Futtermittelnbereitskompetitivsind.WeitereEffizienzstei-

gerungen sind künftig absehbar, sofern bislang unge-

nutzte Biomasse-Abfallströme als Futterquellen genutzt

werden.DieerstelltenLebenszyklusanalysenlieferndarü-

berhinausHinweiseaufeineverbesserteUmweltverträg-

lichkeit, wenn organische Abfälle in Insektenbiomasse

umgewandelt statt kompostiert oder anaerob abgebaut

werden.

AlgensindeinevielversprechendeProteinquelle,dieinder

TrockenmasseeinenProteingehaltvonbiszu70Prozent

aufweisenundessenzielleAminosäurensowiesignifikante

MengenanMikronährstoffenenthalten.DieBlaualgeAr-

throspira,auchbekanntalsSpirulina,sowiedieGrünalge

Chlorellavulgarisgeltenals«Algen-Superfoods»schlecht-

hinmitvorteilhafterenAminosäureprofilengegenüber

typischenPflanzenproteinen.Allerdingsbesteht fürAuf-

bereitungund insbesonderewirtschaftlicheExtraktion

derhochwertigenAlgenproteinenochdeutlichertechno-

logischerEntwicklungsbedarf.Gleichwohl liegenausder

SchweizvielversprechendeUmsetzungenvor.Sowurde

bereitsAlgenbiomasseausChlorellaerfolgreichinprotein-

undfaserreicheFleischanalogeeingebunden.

Ein Blick in die ZukunftGemässaktuellenPrognosensolldereuropäischeMarkt

fürPflanzenproteinebis2024beieinerjährlichenWachs-

tumsratevonmehrals7ProzenteinGesamtvolumenvon

2,8MilliardenFrankenerreichen.DieFlexitarierbewegung,

alsoPersonendie sich vermehrt veganoder vegetarisch

ernähren, sowie Kosten-, Nachhaltigkeits- und Umwelt-

vorteilesinddietreibendenKräftediesesWachstums.Bei

den «neu entdeckten» Pflanzenproteinen aus Getreiden,

Hülsenfrüchten,Kernen,NüssenundÖlsaatensindneben

den bislang dominierenden Sojaproteinen vor allem

AckerbohnenundErbsenwegendeshohenProteinge-

haltsunddengeeignetenAminosäureprofilen von zu-

nehmenderBedeutung.Voraussetzung fürderenNut-

zung ist die technologische Beherrschung der Prozesse

zurEliminierungvonantinutrivenKomponentenundzur

effizientenProteinextraktion.Effizienzsteigerungensind

notwendig, auch wenn für die Weiterverarbeitung zu

Fleischanalogen, Käse oder Pflanzenmilchgetränken be-

reitsgeeignete,inderPraxisoptimierteProteinisolateund

-konzentrateverfügbarsind.

DieHerstellungvonFleischanalogenaufBasisvonPflan-

zenproteinenversprichtsynergistischeVorteileausökolo-

gischer,ökonomischerundsozialerPerspektive.Dieinder

Schweizseit2018sichtbare«Aufbruchstimmung»,welche

Forschungsgruppen, Start-ups und Firmen aller Grössen

gleichermassenerfassthat,gilteszufördern,durchtech-

nologischeBegleitentwicklungenauszubauenundesgilt

SchweizerBusinessCaseszuentwickeln.DieChancensind

aussichtsreich.

Eine längerfristig vorhergesagte globale Unterversorgung der wachsenden Weltbevölkerung mit Proteinen sowie ein in Industrienationen zunehmendes Hinterfragen der Nachhaltigkeit von Lebensmitteln tierischen Ursprungs haben in den letzten Jahren die Forschungs- und Entwicklungstätigkeiten zu neuen Proteinquellen und deren technologischer Bearbeitung massgeblich angeregt.

Alternative Proteinquellen

Erich Windhab (ETHZürich)

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So sieht es heute ausIndenletztenJahrenwurdensignifikanteFortschritteer-

zielt:DerNobelpreisfürChemiewurde2018anFrances

ArnoldfürdiegerichteteEvolutionvonEnzymenvergeben.

ZudemwurdenweitereEnzymfamilienindustriellnutzbar

gemacht und für die Herstellung von Pharmazeutika

eingesetzt sowie richtungsweisende industrielle Prozesse

entwickelt, indenenmehrereEnzymehintereinanderge-

schaltet wurden, um komplexe Produkte herzustellen.

AllerdingskönnenregulatorischeVorschriftenzumBeispiel

fürdenEinsatzvonEnzymenalsHilfsstoffeinderlebens-

mitteltechnologischenVerarbeitungsowiedrohendeEin-

schränkungendesoffenenZugangszubioinformatischen

Datendie industrielleNutzungvonBiokatalyseundBio-

syntheseerschweren.VieleChancen fürnachhaltigeEnt-

wicklungen,dieaufdiesenDatenberuhen,bliebenunge-

nutzt.

GrosseSchweizerUnternehmenwieNestléundNovartis

weitenihreKapazitäteninderBiokatalyse,derBiosynthese

sowie im Enzymdesign aus undnutzendie Technologie

zur Herstellung von Wertprodukten. KMU nutzen die

MöglichkeitenderBiokatalyseundBiosynthesenochsel-

ten.Umdas Problemder limitiertenVerfügbarkeit von

Fachkräftenzulösen,werdeninderSchweizaktuellneue

StudiengängeundWeiterbildungsprogrammeentwickelt.

Ein Blick in die ZukunftDank verbesserter Verfahren zur gerichteten Enzym-

evolutionunddemverstärktenEinsatzkünstlicherIntelli-

genz werden zusätzliche Enzymklassen industriell zu-

gänglichgemachtunddieZeitbiszurMarkteinführung

biokatalytischabgeleiteterProduktewirdverkürzt.Minia-

turisierungundAutomatisierungsindweitereTreiberindie-

sem Prozess. Neuartige biokatalytische Prozesse öffnen

dieTürfürInnovationenimBereichneuerWirkstoffe.Bio-

katalyseundBiosynthesekönnenzueinemGamechanger

indernachhaltigenProduktionvonChemikalienausnicht-

erdölbasiertenRohstoffensowiebeimAbbauvonPlastik-

abfallwerden.

DieCorona-KrisehatderSchweizeindrücklichvorAugen

geführt,dasssieinBezugaufdieProduktionessenzieller

Medikamente nicht selbstversorgend ist. Die Wirkstoffe

bzw. die entsprechenden Vorprodukte müssen vor allem

ausAsienbezogenwerden.DieSchweizsolltezumindest

kleineMengenlebenswichtigerMedikamentefürdieNot-

fallversorgung im Inland produzieren können. In diesem

Kontext könnten auch Biokatalyse und Biosynthese eine

Rollespielen.DerDialogzwischenindustriellenundaka-

demischen Partnern ist wesentlich, um den Erfolg von

Biokatalyse und Biosynthese weiter zu verstärken. Ein

mögliches Instrument für die Schweiz istdiefinanzielle

Förderung von Netzwerkprojekten, um den Austausch

zwischen relevanten Partnern zu ermöglichen. Will eine

FirmaBiokatalyseundBiosyntheseeinbinden,lohnensich

WissensaufbaudurchKollaborationen,Weiterbildungder

Belegschaft und entsprechende Anforderungsprofile an

personelleNeuzugänge.

Unter Biokatalyse und Biosynthese versteht man die Anwendung von Enzymen (natürlichen Katalysatoren) oder Mikroorganismen zur nachhaltigen Herstellung von Produkten in Ergänzung zur klassischen chemi-schen Synthese: Die biologisch abbaubaren Biokatalysatoren können mittels gerichteter Evolution für viele Einsatzgebiete massgeschneidert werden, welche für die traditionelle Chemie eine Herausforderung darstel-len. Biokatalyse oder Biosynthese werden bereits in vielen Industrien eingesetzt, so etwa zur Produktion von Feinchemikalien, in der Geschmacks- und Geruchsstoffindustrie oder in der Wirkstoffherstellung. Biokataly-se und Biosynthese sind Hoffnungsträger für die Nutzbarmachung erneuerbarer Rohstoffe und ermöglichen eine grössere Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern.

Biokatalyse und Biosynthese

Rebecca Buller (ZHAW)

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So sieht es heute ausUnabhängigvomZelltypbestehtweltweiteinwachsender

BedarfanhumanenStammzellen.Umdiesenzudecken,

müssendieStammzellenunterBeibehaltungihrerspezifi-

schen Eigenschaften in der erforderlichen Menge und

Qualitäthergestelltwerden.SolcheMassenkultivierungen

erfolgeninderRegelinsterilenKunststoffschalen,soge-

nanntenCellFactories.HierwachsendieStammzellenbei

37°Cinbiszu40übereinanderliegendenEbenenaufeiner

Gesamtfläche von bis zu einem Quadratmeter. Deren

HandhabungistjedochschwierigundihreÜberwachung

nur eingeschränktmöglich.Die Produktiongrosser Zell-

zahlenerfolgtdurcheineaufwändigeundteureMulti-

plikation der Kulturschalen. In der Schweiz werden

StammzellenfürtherapeutischeZweckeinSpitälernunter

VerwendungvonCellFactoriesvermehrt;grosseProduk-

tionsanlagenfehlenweitgehend.

Ein Blick in die ZukunftEinealternativeFormderHerstellungsindautomatisierte

Einwegbioreaktoren, in denen die Zellen mit oder ohne

Trägermaterialien(Microcarrier)inSuspension,alsoineiner

Flüssigkeit mit darin fein verteilten Kügelchen kultiviert

werden.SchweizerArbeitsgruppenhabenbereitserfolg-

reichStammzelleninEinwegbioreaktorenbiszumProduk-

tionsmassstabkultiviert.MitderEntwicklungvonaufdie

Stammzelltypen abgestimmten, chemisch definierten

KulturmedienundMicrocarriern leistetdieakademische

undindustrielleForschunginderSchweizweiterewichtige

Beiträge.OptimierungspotenzialbestehtnochbeiEinweg-

bioreaktorenkleinerenVolumensundderdazugehörigen

Sensortechnik.AuchdieMöglichkeit,die3D-Drucktechnik

zurHerstellungvonandieZellenangepasstenEinweg-

kesselnzunutzen,sollteindiesemZusammenhanggeprüft

werden.

Für2025wirdderglobaleStammzelltherapiemarktgemäss

der Prognose des Marktforschungsinstituts Analytical

Research Cognizance828,7MillionenUS-Dollarerreichen.

Schweizer Spezialistinnen und Spezialisten sind in einer

ausgezeichnetenPosition,ihreExpertiseinderMassenkul-

tivierungvonStammzelleninnationalenundinternationa-

lenForschungsprojekteeinzubringensowieProduzenten

vonZelltherapeutikawieetwaLonzaoderSpitälerzuun-

terstützen.

Humane Stammzellen sind menschliche Körperzellen, die Kopien von sich selbst herstellen und in verschie-dene Zelltypen oder Gewebe ausdifferenzieren können. Ihr enormes Potenzial für die Erforschung und Therapie schwerer Erkrankungen ist unbestritten. Beispiele sind neurologische, orthopädische, Augen-, Blut-, Herz- und Krebserkrankungen, bei welchen Stammzellen zum Ersatz oder zur Reparatur geschädigter Zellen oder Gewebe benutzt werden. Die Therapien werden sowohl mit körpereigenen als auch fremden Zellen durchgeführt. Neben pluripotenten Stammzellen werden vor allem Blutstammzellen und mesen-chymale Stammzellen (MSCs) aus dem Knochenmark und Fettgewebe verwendet. Pluripotente Stammzellen lassen sich in jeden Zelltyp des Organismus entwickeln und umfassen die natürlicherweise pluripotenten embryonalen Stammzellen sowie beliebige Körperzellen, die im Labor zu pluripotenten Stammzellen um-programmiert werden. Blutstammzellen und MSCs sind hingegen multipotent: Sie lassen sich nur in eine begrenzte Anzahl von Zelltypen differenzieren.

Massenkultivierung von Stammzellen

Regine Eibl (ZHAW)

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So sieht es heute ausMedizinischeWearables sind seit den1990ernaufdem

Markt.ZudenfrühenWearablesgehörenAssistenzalarme

fürBetagteundGerätezurMessungdesBlutsauerstoffge-

halts, sogenannte Pulsoximeter. In den letzten Jahren

habenWearablesdenFitnessmarkterobert.DieseConsu-

mer-Produkte beinhalten vermehrt auch medizinische

Features. Umgekehrt werden medizinische Geräte mehr

undmehrzuWearables.MedizinischeWearablesfinden

EinsatzinderGesundheitsvorsorgeund-promotion,wer-

denaberauchinTelemedizin,Rehabilitationundhäusli-

cher Pflege eingesetzt. Im Jahr 2019 wurden weltweit

mehr als 30 Millionen Einheiten verkauft, was einem

Marktvolumenvonrund10MilliardenFrankenentspricht.

Ein Haupttreiber für die Verbreitung von medizinischen

WearablesistdiemedizinischeFernüberwachungvonPati-

entinnenundPatienten.SiehelfenmedizinischenFachper-

sonen beim Beobachten von Krankheiten und ermögli-

chen den Patientinnen und Patienten, für ihre eigene

Gesundheitvorzusorgen,indemsieVitalparametereigen-

ständigbeobachtenunddanachhandelnkönnen.

DieEntwicklung vonmedizinischenWearables erfordert

dieZusammenarbeit vonFachleutenausverschiedenen

Disziplinen.DieHerausforderungenliegeninsbesondere

inderVerbesserungderDatenintegritätund imDaten-

schutz,inderBenutzerakzeptanzundderTherapietreue,

dermedizinischenComplianceunddernahtlosenIntegra-

tioninklinischeArbeitsabläufe.DieSchweizistgutpositi-

oniert,umeineführendeRolleimFelddertragbarenme-

dizinischenGerätezuspielen.InderletztenDekadesind

hierzulandehunderteneueStart-ups indiesemBereich

entstanden.

Ein Blick in die ZukunftEsistdavonauszugehen,dassdieVerbreitungvonmedi-

zinischen Wearables stark zunehmen wird. Zukünftige

Anwendungsgebiete sind Beobachtung von Krankheits-

verläufen und Intervention, besonders bei chronischen

Erkrankungen.DamitkönnendieBehandlungenbesser

evaluiert und an die Bedürfnisse von Patientinnen und

Patientenangepasstwerden.DieVerbreitungvonmedizi-

nischenWearableswirdeinedigitale,personalisierteGe-

sundheitsvorsorge ermöglichen. Die Corona-Pandemie

zeigtdeutlich,dasseinBedarffürmedizinischeWearables

besteht, um Krankheiten zu verhindern, Risikopatientin-

nen und -patienten zu verfolgen, respektive deren Ge-

sundheitsparameterzubeobachtenundVerhaltensände-

rungenzuunterstützen.GrosseHerausforderungensind

insbesondere regulatorischer Art. Dazu gehören die

Fragen,wemdiesogewonnenenDatengehören,wiedie

WearablesindieaktuelleGesundheitsvorsorgeintegriert

werden und ob die Daten für Krankenversicherungen

genutztwerdendürfen.

SchweizerEntwicklungenwerdendenMarktdermedizi-

nischen Wearables beeinflussen. Hiesige Hersteller von

medizinischenWearableskönnenihreguteAusgangslage

weiterverbessern,indemsieinternationalmitKrankenver-

sicherungen, IT- und Pharmaunternehmen sowie Smart-

phone-Herstellern kollaborieren. Zudem ist es von ent-

scheidender Bedeutung, dass weiter in Forschung und

EntwicklunginderbiomedizinischenSensorik,der(Medi-

zin-) Informatik,derMikrotechnologieund indieDaten-

analyse investiert wird. Medizinische Wearables werden

nurdanndurchschlagendenErfolghaben,wenndieRe-

gulatorienangepasstwerden.Esgiltsicherzustellen,dass

Datentransparentundsichergeteiltwerdenkönnen.

Medizinische Wearables sind am Körper getragene Geräte zum Erheben von Gesundheitsdaten. Diese Daten werden an verbundene Geräte (wie Computer oder Smartphones) oder über das Internet an Dienst-leister weitergeleitet. So ermöglichen sie eine kontinuierliche Überwachung des Gesundheitszustandes und den Zugang zu personalisierten medizinischen Dienstleistungen. Dazu beinhalten medizinische Wearables eine Kombination aus integrierten Sensoren, Aktoren, Prozessoren und Schnittstellen, um die Daten zu erheben, zu verarbeiten und zu teilen.

Medizinische Wearables

Walter Karlen (ETHZürich)undJens Krauss (CSEM)

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So sieht es heute ausSeit2019isteszueinerReihebedeutenderinternationaler

Entwicklungen gekommen, welche die Schlussfolgerun-

gendesTechnology Outlooks 2019bekräftigen.Anfang

2019 übernahm Medtronic für 1,7 Milliarden US-Dollar

Mazor Robotics,einisraelischesUnternehmenmitSchwer-

punkt robotergestützteWirbelsäulenchirurgie.DieKern-

technologie vonMazor liegt imBereichderRoboterleit-

systeme zur präzisen Planung und Durchführung der

Implantatplatzierung.ImFebruar2019übernahmJohnson

& Johnson für3,4MilliardenUS-DollarAuris Health,einen

US-amerikanischenEntwicklervonRoboterdiagnostikund

chirurgischenGerätenmitSchwerpunktLungenkrebs.Das

Kernprodukt von Auris ist die Monarch-Plattform für

Fern-Endoskopie mit kleinen Kameras und Werkzeugen,

diedurchnatürlicheÖffnungen indenKörpergelangen.

Später2019übernahmSiemensfür1,1MilliardenUS-Dollar

das US-amerikanische Unternehmen Corindus Vascular

Robotics, Hersteller einer minimalinvasiven Roboterplatt-

formfürkoronare,periphereundneurovaskuläreEingriffe.

KernproduktdesUnternehmensistderCorPath GRX zur

FernsteuerungvonGefässkathetern. Inden letztenzwei

JahrenerhieltStereotaxis,einUS-amerikanischerHersteller

vonmagnetischgeführterRobotertechnologiefürdieHerz-

chirurgie, zusätzliche 40 Millionen US-Dollar an Finanz-

mitteln. Kürzlich kündigte das Unternehmen sein neues

Genesis-SystemzurFernsteuerungvonKatheternmitma-

gnetischerSpitzeundintegrierterFluoroskopiean.Einwei-

teres Unternehmen für robotergesteuerte Koronarka-

theter,derfranzösischeCorindus-WettbewerberRobocath,

gab imAugust2020denAbschlusseinerFinanzierungs-

rundeinHöhevon40MillionenEurobekannt.

Asien, insbesondere China, hat auch weiterhin stark in

medizinischeRobotikinvestiertunddiebedeutendenIn-

vestitionenundAkquisitionenwerdensichindenkommen-

den Jahren mit grosser Sicherheit fortsetzen. Kleinere

GruppeninderSchweizkonntenFortschritteinderTech-

nologieentwicklungverzeichnen.Beispielsweiseoptimiert

CAScinationauchweiterhindieTumorablationstechnologie

durcheineverbesserteNadelplatzierungsowieeineredu-

zierte Eingriffszeit und Strahlenexposition. Forschungen

zumagnetischgeführtenchirurgischenEingriffenander

ETH ZürichhabendieerstenmobilenmagnetischenNavi-

gationssysteme hervorgebracht, die sich problemlos in

Operationssäleintegrierenlassen.TrotzdieserFortschritte

lagendieInvestitioneninderSchweiznichtaufdergleichen

Höhe wie in anderen Ländern weltweit. Wahrscheinlich

habenUnsicherheitendurchdieneueneuropäischenVor-

schriftenfürMedizinproduktedenEnthusiasmusderAn-

legergedämpft.DerlangeZeithorizont,aufdensichInves-

torenindiesemBereicheinstellenmüssen–inderRegel

fünfbiszehnJahrebiszurErzielungsignifikanterEinnah-

men–isteinweitererGrundfürdaseingeschränkteInte-

ressederSchweizerInvestorengemeinschaftanmedizini-

scherRobotik.

Die medizinische Robotik schafft eine enge Zusammenarbeit zwischen Mensch und computergestützter Technologie zur Optimierung von Chirurgie und Interventionsmedizin. Dieser Wandel im Gesundheitswesen umfasst die Einbeziehung künstlicher Intelligenz zum Beispiel in die Diagnose oder die detaillierte Über-wachung sowie den Einsatz intelligenterer medizinischer Geräte zur Erzielung therapeutischer Vorteile. Der Beitrag im Technology Outlook 2019 hob die damals bemerkenswertesten wirtschaftlichen Erfolge auf diesem Gebiet sowie die Folgen für das Schweizer Gesundheitswesen hervor, quantifizierte die Schweizer Forschungsaktivitäten in diesem Bereich sowie mögliche wirtschaftliche Auswirkungen für die Schweizer Medizinprodukteindustrie und identifizierte potenzielle regulatorische.

Medizinroboter

Bradley Nelson (ETHZürich)

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So sieht es heute ausDieErforschungdesMikrobiomsunddiedarausresultie-

renden Therapien stecken noch in den Kinderschuhen.

VieleForschungsaktivitätenkonzentrierensichaufdieZu-

sammensetzungunddieAktivitätenvonMikrobiomenin

krankenimVergleichzugesundenMenschen.Allerdings

isteineVerschiebungdesForschungsgegenstandeshinzu

einerkausalenVerknüpfungverschiedenerAusprägungen

desMikrobiomsundspezifischenphysiologischenZustän-

denzubeobachten.IndenletztenJahrenentstandenviele

Biotech-Unternehmen,dieAnwendungenzukommerziali-

sierenversuchen.DiemeistendieserStart-upssindengmit

Universitätenverknüpft.DieFokussedieserUnternehmen

liegeninderAnalyseundNutzbarmachungderErkennt-

nissefürTherapien.DieentstehendeIndustrieentwickelt

nichtnurneueMedikamente, sondernkonzentriert sich

auch darauf, wie das Mikrobiom als Therapeutikum zu

verwendenist.GegenwärtiggibtesindenUSAunterLei-

tungderBehörde für Lebens- und Arzneimittel FDAerste

experimentelleAnwendungen,diedasMikrobiomalsGan-

zesinderTherapiewiederkehrenderClostridioides-difficile-

Infektionenanzuwendenversuchen.Dieerstenglobalen

Forschungsanstrengungenwurden inEuropaunterdem

MetaHIT-ProjektzusammengefasstundindenUSAvom

Human Microbiome Projectkoordiniert.

Das menschliche Mikrobiom ist die Gesamtheit aller im Menschen lebenden Mikroorganismen. In den vergangenen Jahren wurde deutlich, dass diese ein wesentlicher Gesundheitsfaktor sind und mit einer Vielzahl chronischer Krankheiten in Verbindung gebracht werden können. Neben chronischen Entzündungen, Stoffwechsel- und immunologischen Krankheiten gehören auch Nervenkrankheiten dazu. So geraten Zu-sammensetzung und Funktion des Mikrobioms zunehmend in den Fokus und es ergeben sich vielverspre-chende, neue Ansatzpunkte für mögliche Therapien.

Mikrobiota und Mikrobiome

Tomas de Wouters(PharmaBiome)

Ein Blick in die ZukunftNatürlichwirddiemedizinischeRobotikauchindenkom-

mendenJahrzehntenAuswirkungenaufdasGesundheits-

wesenweltweithaben.EinbedeutendesVersprechender

TechnologieistdieVerbesserungchirurgischerFähigkeiten

beigleichzeitigerReduzierungdesSchulungsbedarfsund

BereitstellungeinersichererenundergonomischerenUm-

gebungfürChirurginnenundChirurgen.Daswiederauf-

keimendeInteresseanderTelemedizindurchdieCorona-

KriseunddieEignungderrobotergestütztenChirurgiein

diesemKontextverleihendenArgumentenfürmedizinische

RobotiknochmehrKraftals2019.

UmvondenglobalenEntwicklungenindermedizinischen

Robotikzuprofitieren,istesentscheidend,dassdieSchwei-

zer InvestorengemeinschafteineaggressiveRollebeider

Finanzierung von relevanten Start-ups einnimmt. Die

SchweizistinderLage,sowohldiePlattformenfürmedi-

zinischeRobotikalsauchdiechirurgischenInstrumentezu

kontrollieren,diediesePlattformenfüreineVielzahlvon

Interventionsverfahren nutzen. Ebenso wichtig ist, dass

FörderagenturenwiederSNFund InnosuissedieBedeu-

tungdiesesBereichsunddenerforderlichenlangfristigen

Horizonterkennen.ZudemmüssenRegulierungsbehörden

wieSwissmedicunbedingtdieRealisierungklinischerStu-

dienerleichtern, indemsieklare, realistischeRichtlinien

bereitstellen.

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DieSchlüsselherausforderungistdasVerständnisgrösse-

rerPopulationen,dieeinenhohenGradanKomplexität

aufweisen. Es wird angenommen, dass das Mikrobiom

ähnlich wie das menschliche Immunsystem hochgradig

kontextabhängig ist. Deshalb ist die beständige Erfor-

schungdesThemaszentralfürdienachhaltigeEntwicklung

desForschungsstandes.EineweitereHerausforderungist

dieÜbertragbarkeitderaktuellerforschtenKausal-Zusam-

menhängeinTierversuchenaufdenMenschen.

InderSchweizgibtesregeForschungsaktivitätenimFeld

desMikrobiomsmitKompetenzen inMikrobiologieund

Gnotobiologie (Erforschung von Tieren mit definierten

Mikrobiomen).TraditionellerweisenehmenzweiSektoren

eineSchlüsselrolleinderErforschungdesMikrobiomsein:

Nahrungsmittel-undPharmaindustrie.

Ein Blick in die ZukunftDie ersten Mikrobiomprodukte werden 2022 auf den

Marktkommen.Esistzuerwarten,dassesinderFolgezu

einerZunahmeklinischerProgrammeundneuerKandi-

datenindenEntwicklungspipelineskommt.Indennächs-

tenfünfJahrenwerdenzusätzlicheineReihegesundheits-

förderlicherLifestyle-ProdukteaufdenMarktkommen.Mit

einem fortgeschrittenen Verständnis der Zusammenset-

zungvonMikroorganismennimmtauchdiePlanbarkeitvon

therapeutischen und ernährungswissenschaftlichen In-

terventionenzu,dieeineEntwicklungdesPräbiotika-und

Nahrungsergänzungsmittelmarktesunterstützendürften.

Es ist anzunehmen, dass Mikrobiomtherapien einen we-

sentlichen Teil medizinischer Behandlungen ausmachen

werden. Nach substanziellen Investitionen in frühe Ent-

wicklungsphasenvonTherapiensinddiesenununterstren-

gerPrüfungderIndustrie.DieakademischenAnstrengun-

genwerdendieGeschwindigkeitderWeiterentwicklung

indennächsten Jahrenebenfalls starkbeeinflussen.Für

erfolgreiche Mikrobiomtherapien muss der Austausch

zwischenverschiedenenwissenschaftlichenExpertisen,mit

Kenntnissen aus der klinischen Entwicklung und Know-

howbezüglichindustriellerProduktionsprozesse,gefördert

werden.

So sieht es heute ausAusderSichtderErnährungsberatungundMedizinsind

alleKonsumentinnenundKonsumenten«Unikate»inBe-

zugaufihrErbgutunddessenAusprägung,ihrebakterielle

Mikroflora(Mikrobiom)undihreDarm-Gehirn-Achse.Da

dieErnährunggemässneuenErkenntnissendiesedrei

Faktoren beeinflusst, ist der Anspruch, personalisierte

LebensmittelfürjedesIndividuumherzustellen,kaumer-

füllbar und wirtschaftlich irrelevant. Es bedeutet aber

auch,dassmiteinergezieltenErnährungdiegenetische

Ausprägung, das Mikrobiom und die Verbindung vom

DarmzumGehirnso«eingestellt»werdenkönnen,dass

gesteigertesWohlbefindenresultiert.IndenletztenJahren

stelltedieForschung«personalisierteLebensmittel»fürver-

schiedenegrosseZielgruppenvor,die sich inBezugauf

Alter,Aktivitätsmuster, Ernährungsgewohnheiten,Ge-

Personalisierte Ernährung soll die individuellen Verbraucherbedürfnisse in Bezug auf Akzeptanz, gesund-heitsrelevante Aspekte und Präferenz befriedigen. Präferenzen werden vor allem durch kulinarisch-senso-rische Eindrücke hervorgerufen und Akzeptanz ist massgeblich sozio-politisch bestimmt. Ernährungs-bedingte Gesundheitsaspekte nehmen Konsumentinnen und Konsumenten entweder wegen Allergien, Abweichungen vom Idealgewicht, Krankheiten oder Unverträglichkeiten direkt wahr oder sie werden von Ernährungs- und Gesundheitsfachleuten diagnostiziert.

Personalisierte Ernährung

Erich Windhab (ETHZürich)

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schlecht,Gesundheitszustand,Lifestyle,Nachhaltigkeits-

bewusstseinundUnverträglichkeitendeutlichunterschei-

den. In Folgemangelnderwirtschafltichüberzeugender

Konzeptewurdedieindividuell«personalisierteErnährung»

zwarnichtaufgegeben,trataberindenHintergrund.

Eine2019publizierteStudiederETH Zürichliefertfürdie

SchweizwertvolleErkenntnissezumassgeblichenNach-

haltigkeitsparameternundderenWechselwirkungenbei

gruppenspezifischenErnährungsgewohnheiten.Einege-

sundeErnährunggemässEmpfehlungenderSchweizeri-

schen Gesellschaft für Ernährung SGEwurdealsnachhal-

tigste Option ermittelt: Sie würde zu einer deutlichen

AbnahmedesökologischenFussabdrucks (-36Prozent),

derKonsumentenausgaben(-33Prozent)unddergesund-

heitsschädigendenEffekte(-2,7Prozent)imVergleichzur

aktuellenSchweizerDurchschnittsernährungführen.Eine

fleischorientierte Ernährung hingegen bewirkte einen

deutlichenAnstiegum23,20undgut4Prozentbeiden

vorgenanntenGrössen.WürdederFleischkonsummittels

Fleischanalogen auf Pflanzenbasis reduziert, resultierte

ein Gesundheitsnutzen mit positiven Auswirkungen auf

dieKostenfürdasGesundheitssystem.EinTrendimSchwei-

zerErnährungsverhaltenistdaswachsendeInteresseam

«Flexitarismus»,wasResonanzenaufSeitenetablierter

LebensmittelfirmensowiedieGründungvonStart-ups

ausgelösthat.Seit2018hatsichderFleischabsatzinder

Schweizumca.3Prozentreduziert.NichtnurFleischalter-

nativenaufPflanzenbasis,sondernauchpflanzenbasierte

Produkte anderer Lebensmittelkategorien tierischen Ur-

sprungs(z.B.Milch,Käse)mithoherWertigkeitundver-

besserter Nachhaltigkeit sind für die Weiterentwicklung

insRampenlichtgerückt.DieSchweizgeniessthierdank

ihrer industriellen, technologischen und wissenschaftli-

chenRahmenbedingungenweiterhineineausgezeichne-

tePosition.

Ein Blick in die Zukunft«PersonalisierteErnährung»fokussiertderzeitnichtauf

Individuen, sondern auf klar definierte Zielgruppen wie

Ältere,Kleinkinder,Mangel-undÜberernährte,Säuglinge

undSchwangere,aberauchaufPersonen,dieanAllergien,

Krankheiten und Unverträglichkeiten leiden. Eine Opti-

mierung der Ernährung ist vor dem Hintergrund rapide

steigenderGesundheitskosten fürdieseZielgruppenan-

gezeigt.Massgeschneiderte funktionaleErnährungals

Krankheitsprophylaxefindetderzeitsowohlinternational

alsauchinderSchweiznochvielzuwenigBeachtung.

NebendenobengenanntenZielgruppensindvorallemdie

Trendeinflüssevonwachsenden«Ernährungsgruppen»

wie Flexitarierinnen und Flexitarier zu berücksichtigen.

ÜberihrespezifischenPräferenzenundAkzeptanzenbrin-

gen sie Gesundheits- und Nachhaltigkeitsaspekte sowie

FragenzumTierwohlalsZielkriterienverstärktindieDis-

kussionein.SiesindsomitauchrelevanteAnsprechpart-

nerinnenundAnsprechpartner,wennesumEntwicklun-

genzurProphylaxeernährungsassoziierterKrankheitenund

dieVerbesserungderNachhaltigkeitsbilanzdesSchweizer

Ernährungssystemsgeht.IndenkommendenJahrenwird

sich inder SchweizderAnteil an Flexitarierinnenund

Flexitariernweitererhöhen.ProdukteaufderBasisvon

PflanzenproteinenwerdenAusgangspunktfürNeuentwick-

lungensein,diekulinarisch,sensorischundnutritivüber-

zeugenundfürspezifischeZielgruppenmassgeschneidert

werdenkönnen.DieSchweizerAgrar-undLebensmittel-

branche sowie die zuliefernde Maschinenindustrie sind

gefragt,denTrendzunutzenundZeichenzusetzen.

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78

So sieht es heute ausDiePOC-DiagnostikhatsichindenletztenJahreninSpitä-

lernetabliertundPOC-Testswurdenverstärktindigitale,

mobileGesundheitsplattformenintegriert.DiesesVorgehen

verkürztdieZeitzwischenTest,DiagnoseundTherapie.

POC-TestsunterstützendieÜberwachungvonKrankheiten

undKrankheitsverläufen.DerenIntegrationinmobileGe-

sundheitsdienste wie mHealth oder Telemedizin erfor-

dertdieZusammenarbeitmehrererAkteureundkommt

dahernurinkleinenSchrittenvoran.Teilprozessevonder

DiagnosevonKrankheitenbiszurÜberwachungvonKrank-

heitsverläufen sind noch nicht aufeinander abgestimmt

undtechnischesowierechtlicheFragennochungeklärt.

DerPOC-DiagnostikwirddurchdaspandemischeAuftre-

ten von Sars-CoV-2 eine grosse Aufmerksamkeit zuteil.

DerNutzenvonSchnelltestszumNachweisdesVirusmit-

telseinemAntigentestwirdwegendergeringerenSensi-

tivität verglichen mit dem PCR-Test und der sicheren

Handhabbarkeit durch Nichtfachleute kontrovers beur-

teilt.DerVorteildesSchnelltestsliegtdarin,dasserinner-

halbvoneinpaarTagenwiederholteingesetztwerdenkann

und daher erlaubt stark Infizierte zu identifizieren und

isolieren. Im Blut von Menschen, welche die Covid-19-

Krankheit überstanden haben, können mit analytischen

MethodenAntikörpergegenEiweisseausderHülledes

Virusnachgewiesenwerden.DieserPOC-Diagnostik-Test

haterheblicheVorteile,kannerdochdezentraldurchge-

führtundmitnetzfähigenMessgerätenverknüpftwerden.

InderLockerungsphasederGesundheitsschutzmassnah-

menkommtdemAntikörpertesteinegrosseBedeutung

zu,daMenschenalsgesund,infiziertoderimmuneinge-

stuft werden müssen. Der mobile und vernetzbare

POC-Diagnostik-Test kann hier wirkungsvoll eingesetzt

werden. Dessen Daten müssen hinreichend genau und

einfachzuhandhabenseinundperSmartphoneaneine

übergeordneteStelleübermitteltwerden.DiePraktikder

Durchführung eines Tests wird daher zur neuen Kultur-

technik,dieerlerntundgelehrtwerdenmuss.

DieSchweiz istwieandereNationalstaateninderCoro-

na-Krise auf sich zurückgeworfen worden. Sie versucht

heuteAbläufeneu zuordnen.DerAnsatzderdigitalen

GesundheitsplattformistinZukunftaufandereGesund-

heitsproblemeanwendbar.Eshatsichklargezeigt,dass

die Schweiz ihre Abhängigkeit von globalen Liefer- und

Wertschöpfungskettenreduzierenmuss,umdieVersor-

gungderBevölkerungmitDiagnostikaundMedikamenten

gewährleistenzukönnen.

Ein Blick in die ZukunftDasSmartphoneistschonheutemehralsblosseinTelefon;

inZukunftwirdihminKombinationmitPOC-Testsauchin

GesundheitsbelangeneinewichtigeRollezukommen.Es

istAufgabeundHerausforderungzugleich, indenkom-

mendenJahrendezentraleundvernetzbarePOC-Testsys-

teme fürdieunterschiedlichstenAnwendungsfelderwie

dasMonitoringderBlutwertevonArzneistoffenwieAnti-

biotika,Antiepileptika, Entzündungshemmernoder Im-

munsuppressivazuetablieren.

DiePOC-DiagnostikistfürdieSchweizerIndustrieseitlan-

gemeinTätigkeitsfeld,daseinerstarkenRegulierungund

einem hohen Kostendruck unterliegt. Die digitalen Ge-

sundheitsplattformentragenindividuellen,regionalenund

nationalenBedürfnissenRechnungundsinddeshalbweder

einfachübertragbarnochbeliebig skalierbar.Um inder

POC-Diagnostik erfolgreich zu sein, müssen neue Ge-

schäftsmodelleentwickeltwerdenundFirmenihreKern-

kompetenzen durch Kollaboration, internes Wachstum

oderZukaufvonanderenFirmenerweitern.

Die Point-of-care-Diagnostik (POC-Diagnostik) ist ein Teilgebiet der In-vitro-Diagnostik und soll diese näher an den Ort der Nachfrage bringen. Ausführende sind die Patientinnen und Patienten selbst oder Fach-personen in der Apotheke, beim Hausarzt oder der Spitex. Das bekannteste Beispiel ist die Insulinmessung bei Patientinnen und Patienten mit Diabetes.

Point-of-Care-Diagnostik

Daniel Gygax(FHNW)

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79

So sieht es heute ausIndenvergangenenzweiJahrenhatdiesynthetischeBio-

logieihrerasanteEntwicklungbesondersindenBereichen

der chemischen Synthese, genetischen Schaltkreise und

neuenMaterialienfortgesetzt.DieKonstruktionvonMi-

kroorganismenmitdenMethodendersynthetischenBio-

logiefindetinderchemischenIndustriebeiderklein-und

grossmassstäblichen Synthese von Chemikalien immer

stärkerenEingangindieProduktstammbäumeunderöffnet

ZugängezuneuenStoffen.BerechnungundEinsatzvon

Genschaltkreisen in Zelllinien und Tiermodellen wurden

fürneueKrankheitsbildermöglich.SolcheSchaltkreisesind

unterdessen empfänglich für externe Steuerungen wie

LichtundElektrizität.AuchderradikaleUmbauvonZellen,

umProteinemitneuenBausteinenodervollkommenneu-

artigen,programmierbarenPolymerenzu synthetisieren,

gehtmitunveränderterGeschwindigkeitweiter.

DieSituationinderSchweizistunverändertgut.Esbeste-

hen hervorragende Infrastrukturen und ein exzellentes

akademischesNetzwerk,daszusammenmitdemjenigen

vonGrossbritannienwahrscheinlichandereuropäischen

Spitze steht. Die kommerzielle chemische Synthese von

grossen Erbgutmolekülen ist einederKerntechnologien

der synthetischenBiologie. TrotzdergutenPositionie-

rung wächst diese Schlüsseltechnologie weiterhin am

stärksten ausserhalb der Schweiz, was angesichts des

exzellentenUmfeldsinorganischerSyntheseundMikro-

technologieeineungenutzteMöglichkeitundeinestrate-

gischeAchillesfersedarstellt.

Ein Blick in die ZukunftWiesooftinderGeschichtederBiotechnologiegehörtder

PharmabereichzudenfrühenAnwendern,soauchfürdie

synthetischeBiologie.DieSchweizerAkteure indersyn-

thetischenBiologiestellendiesemSektorvielWissenund

Ingenieurpotenzial zur Verfügung. Überlappungen mit

Technologien wie CRISPR/Cas9 sorgen für zusätzliche

Dynamik.Esistdaherdavonauszugehen,dassinZukunft

pharmazeutischeAnwendungenundDiagnostikwichtige

RollenbeiderweiterenDurchdringungder Industriemit

synthetischerBiologiespielen.Diegrossenmultinationalen

PharmaunternehmenderSchweizsinddafürhervorragend

aufgestellt und zahlreiche weitere Firmen sind sehr gut

unterwegs.InsbesondereindenBereichenderchemischen

SyntheseundMaterialienkönntederWissenstransferzwi-

schenakademischerForschungundIndustrieaberintensiver

sein. Intensive, industriell-akademische Kollaborationen

sindeinegrosseChance fürdieerwähnten industriellen

BereicheundkönntenpotenziellvonderInnosuissege-

fördertwerden.

Synthetische Biologie umfasst alle Aktivitäten, mit denen biologische Systeme nach Methoden der klassischen Ingenieurwissenschaften wie Elektrotechnik oder Maschinenbau auf die Herausforderungen unserer Zeit angewendet werden sollen. Es gelten ähnliche Vorstellungen, was Zuverlässigkeit, Entwicklungsgeschwindig-keit und Komplexität der angestrebten Entwürfe angeht. Damit reicht synthetische Biologie weit in alle Bereiche der chemischen Industrie und Life Sciences hinein und hat viele Berührungspunkte mit den Bereichen Diagnostik, Energie und Materialien.

Synthetische Biologie

Sven Panke(ETHZürich)

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Technik und Gesellschaft

80

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81

So sieht es heute ausDasPrinzipderDatensouveränitätwurdebisanhinprimär

unterdemdefensivenAspektdesSchutzesvorMissbrauch

der Daten rechtlich ausgestaltet. So insbesondere im

RahmenderDatenschutzgesetzgebunginBezugaufperso-

nenbezogeneDatenoderimWettbewerbs-undImmaterial-

güterrecht inBezugaufdieVerwendungvonSachdaten

privater Unternehmen. Mit der offensiven Perspektive,

vorhandeneDatenbessernutzenzukönnenunddabeiden

AnsprüchenderdatenberechtigtenIndividuenundOrgani-

sationenzugenügen,kommtdemPrinzipderDatensou-

veränitätkünftigeinezentraleBedeutungzu.Indenletzten

15 Jahren haben sich dazu in zahlreichen Ländern drei

Stossrichtungen herauskristallisiert: die offene und freie

NutzungmöglichstvielerSachdatenohnePersonenbezug

durchalleAkteure(«OpenData»),dieNutzungpersonen-

bezogenerDatendurchdiebetroffenenPersonenselbst

(«MyData»)sowiedasTeilensensitiverDatenunterrest-

riktivenBedingungenzwischenUnternehmenundVerwal-

tungen(«SharedData»).

InderSchweizsinddiesedreiPfeilereinerselbstbestimmten

underfolgreichenDatenwirtschaftnochwenigentwickelt.

Es fehlteineverbindlicheGesetzgebungfürOpenData,

insbesondereimVerwaltungsbereich(OpenGovernment

Data). Die Gesetzgebung zu den personenbezogenen

DatenkreistnachwievorvorallemumdenDatenschutz,

umfasstallerdingsinderneuen,revidiertenFassungauch

dasRechtaufDatenübertragbarkeit.Undfürdasvertrau-

enswürdige Teilen sensitiver Sachdaten zwischen Unter-

nehmenundVerwaltungenfehlensowohldierechtlichen

Rahmenbedingungenalsauchdienotwendigenorganisa-

torischenundtechnischenInfrastrukturen.

Ein Blick in die ZukunftDiekommendenJahrestehenunterderFrage,werüber

dieinderSchweizangefallenenodervonSchweizerinnen

und Schweizern produzierten Daten verfügt und diese

nutzen kann. Angesichts der zunehmenden exklusiven

KonzentrationderDatenbeiwenigenglobalenPlattformen

istdieDatensouveränitätderSchweizakutbedroht.Damit

in der Schweiz alle Bürgerinnen und Bürger, politischen

Körperschaften,Unternehmen,Verwaltungenundweitere

Institutionen und Organisationen ihre Daten in Zukunft

selbstbestimmtbessernutzenkönnen,sindrechtliche,or-

ganisatorische, technische und bildungsbezogene Mass-

nahmenaufallenEbenennotwendig.

DersouveräneUmgangmitdeneigenenDatenerfordert

indenkommendenJahreneineumfassendeDatenpolitik,

andersichGesellschaft,WirtschaftundWissenschaftbe-

teiligen,umgemeinsameinenvertrauenswürdigenDaten-

rauminderSchweizaufzubauen(SwissDataSpace).

Datensouveränität bezeichnet das Recht sowie die Fähigkeit von Individuen oder Organisationen, Daten die sie selbst generiert oder gesammelt haben oder die sich auf sie beziehen, kontrollieren und selbstbe-stimmt nutzen zu können.

Datensouveränität

André Golliez (ZetamindAG,SwissDataAlliance)

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82

So sieht es heute ausDiePraxis zeigt,dassdigitalesVertrauenheute vonver-

schiedenenFaktorenbeeinflusstwird.EinezentraleRolle

spielendasNutzererlebnis(UserExperience),derNutzungs-

komfort(Convenience),TransparenzundIntegrität.Trans-

parenz meint, dass Nutzerinnen und Nutzer erkennen

können,wieDatengenutztwerdenundinwelchenNut-

zungszusammenhängen sie stehen. Ein Anbieter gilt als

integer,wenn er dieWerteundDatenderNutzerinnen

undNutzerinvorausschaubarerWeiseschützt.DieReputa-

tiondesAnbietersundseineZuverlässigkeitfliesseneben-

fallsindieBeurteilungderVertrauenswürdigkeitein.An-

bieter von digitalen Produkten und Dienstleistungen

erhalten von ihren Nutzerinnen und Nutzern kurzfristig

«digitalesVertrauen».DiesesVertrauenkannsichlangfris-

tigverstetigen,wennsichzeigt,dassderAnbietermitsei-

nendigitalenAngebotendieobengenanntenKriteriener-

füllt.

DigitalTrustkannmittelsUmfragenerhobenoderdurch

dieAuswertungvonDatengemessenwerden.Wenneine

PersonsichfürdieVerwendungeinesProduktsentscheidet,

bestätigtsie ihrdigitalesVertrauenineinUnternehmen.

WichtigeIndikatorensindetwadieAbsprungrate,dasMar-

kenerlebnisoderdieBejahungderFrage:«VertrauenSie

diesem Unternehmen?» In der Entwicklung von Digital-

Trust-TechnologienbewegtsichdieSchweizimMittelfeld:

SieistwederSpitzenreiterin,nochistsiesichtbarimHin-

tertreffen. Die gezielte Anwendung von entsprechenden

PrinzipienisterstinAnsätzenerkennbar.

Ein Blick in die ZukunftEsgibtderzeitkeineHinweisedarauf,dassdasImplemen-

tieren von Prinzipien des Digital Trusts der Entwicklung

vonerfolgreichenGeschäftsmodellenimWegsteht,auch

wenndieszuweilenbehauptetwird.ImGegenteil:Weit-

sichtigeInformationsarchitekturenundGeschäftsmodelle

könnendafürsorgen,dassdiePrinzipiendesDigitalTrust

vonGrundaufindieArchitekturvondigitalenAngeboten

einfliessen.DiessolltemaninZukunftbeiderPlanungvon

IT-Lösungenund-Infrastrukturenvermehrtbeachten. Ist

diesderFall,entstehenkeine redundantenKostenund

DigitalTrustwirdnichtzueinemsignifikantenKostentrei-

ber.GeradebeigrossenSoftware-oderCloudlösungenist

esschwierig,diePrinzipiendesDigitalTrustsnachträglich

zu implementieren, was Anbieter von solchen digitalen

DienstleistungenvorHerausforderungenstellenkann.

InnaherZukunftwirdesdarumgehen,diePrinzipiendes

DigitalTrustszuverankern,sodasssieeineSelbstverständ-

lichkeitwerden.PolitischbestehtdieHerausforderungim

Aufbau von koordinierten Datenräumen, zum Beispiel

dem Swiss Data Space. Diese Datenräume schaffen die

Möglichkeit,dassDatennachklarenRegelngeteiltwerden

können,wasWirtschaftundGesellschaftzugutekommen

wird und neue, datengetriebene Projekte ermöglicht.

Solche Datenräume müssen konsequent so aufgebaut

werden,dasssievertrauensschaffendeAttributeaufwei-

sen.AndernfallswerdensiekeineAkzeptanzfinden.

Digital Trust (digitales Vertrauen) meint Vertrauen in digitale Produkte und Dienstleistungen. Aus Sicht der Nutzerinnen und Nutzer kann Vertrauen als Erwartung aufgefasst werden, dass der Anbieter auch zukünftig seinen Pflichten nachkommt. Digitales Vertrauen kann auch als die Grundannahme beschrieben werden, dass Nutzerinnen und Nutzer von einem digitalen Produkt oder einer Dienstleistung Gebrauch machen werden, weil sie davon ausgehen, dass ihnen der Gebrauch mehr nützt als schadet. Insofern ist Vertrauen – und so auch Digital Trust – nichts, über das ein Anbieter verfügt, sondern etwas, das ihm zugesprochen wird.

Digital Trust

Christian Laux (LauxLawyersAG)

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83

Page 84: Deutsche Version - SATW

Technologietrends

84

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85

Einführung 86

Digitale Welt 87 AutonomeSysteme 87

CyberphysischeSysteme 88

Cybersecurity 89

Industrie4.0 90

KünstlicheIntelligenz 91

Quantentechnologien 92

Energie und Umwelt 94 DigitaleLandwirtschaft 94

Energieversorgung 95

Kreislaufwirtschaft 96

SmartCities 97

Fertigungsprozesse und Materialien 98 ZukünftigeMaterialien 98

Life Sciences 100 Biotechnologie 100

Präzisionsmedizin 101

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86

ImvorangehendenKapitelwurdendieeinzelnenTechno-

logien, gruppiert nach Forschungsfeldern, kurz präsen-

tiert.DafürpraktischeAnwendungenundkommerzielle

ProdukteabermehrereTechnologieneineRolle spielen,

wirdhiererstmalsdasZusammenwirkenderTechnologien

fürdieUmsetzungvon13 inderöffentlichenWahrneh-

mung und in den Medien präsenten Technologietrends

betrachtet.DiessindumfassendeThemenwieKreislauf-

wirtschaft,künstlicheIntelligenzoderSmartCities,dieje

nachBetrachtungsweiseunterschiedlichbreitundtiefge-

fasstwerdenkönnen.DerTechnology Outlookerklärtdie

Begriffe und lotet das Potenzial für die Schweizer Wirt-

schaftundGesellschaftaus.Bewusstverzichtenwirdar-

auf,gesellschaftlicheunddemografischeTrendseinzube-

ziehen.

DiefolgendenBeiträgeerklären,welchederimvorange-

hendenKapitelpräsentiertenTechnologienfürdiejeweili-

genTechnologietrendszusammenwirken.BeijedemBei-

trag sind die Icons derjenigen Technologien aufgeführt,

diemitdemTechnologietrendinWechselwirkungstehen:

EntwederwirkteineTechnologiealsTreiberinfürdieEnt-

wicklungdesTrendsoderdieTechnologieprofitiertvon

derfortschreitendenEntwicklungdesTrends.AlsLesehilfe

dientdieÜbersichtderIcons,dieinderKlappehintenzu

finden ist. So wirken beispielsweise 5G-Anwendungen,

Blockchain,InternetofThings,Mobilitätskonzepteund18

weitereTechnologienalsTreiberfüroderprofitierenvon

derWeiterentwicklungautonomerSysteme.Analysevon

BigData,derdigitaleZwilling,BiokatalyseundBiosynthe-

se, synthetische Biologie und 15 weitere Technologien

stehenineinerengenWechselwirkungmitdemTechnolo-

gietrendBiotechnologie.

WaslässtsichausdemZusammenwirkenvonEinzeltech-

nologienindenTechnologietrendslernen?MiteinerBe-

trachtungsweise,dievondenTechnologietrendsausgeht,

kannvorallemderentechnologischeKomplexitätaufge-

zeigt werden. Um beispielsweise mit einem Unterneh-

men,dasimFeldderBiotechnologieaktivist,erfolgreich

zu sein, reicht es nicht, nur Technologien aus den Life

ScienceswieBiokatalyseundBiosyntheseodersyntheti-

sche Biologie zu beherrschen. Auch Anwendungen aus

der Prozessoptimierung wie vernetzte Maschinen

(ConnectedMachines)undderdigitaleZwillingkönnten

einen entscheidenden Vorteil bieten, um die Wettbe-

werbsfähigkeitzuerhalten.Gleichzeitig lohntessichfür

einsolchesUnternehmenunterUmständen,indieDaten-

analyseunddasDatenminingzuinvestierenunddenEin-

satzvonlernendenSystemenzuprüfen.AuchTechnologien

ausdemForschungsfeldderFertigungsprozessemüssen

gegebenenfalls indasPortfolioeines solchenUnterneh-

mensaufgenommenwerden.Wersichhingegenhaupt-

sächlichmitkünstlicherIntelligenzbeschäftigt,sollteauch

Anwendungen aus den Life Sciences wie medizinische

Wearables, Mikrobiota und Mikrobiome und personali-

sierteErnährungimAugebehalten.Genausowichtigsind

dieTechnologienausdenbeidenForschungsfeldernEnergie

undUmweltsowieFertigungsprozesseundMaterialien:

ZuerwähnensindhierbeispielsweisedieMobilitätskon-

zepteunddieadditiveFertigung,dievonEntwicklungen

inderkünstlichenIntelligenzprofitieren,dieaberauchals

TreiberfürdiesenTechnologietrendwirken.

Einführung

ÜberdenQR-CodegelangenSieaufunsereWebsite,woSieweitereInformationenzuden

einzelnenTechnologietrendsfinden,dieindergedrucktenAusgabedesTechnology Outlooks

keinenPlatzfanden.

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87

Digitale Welt

So sieht es heute ausDieForschunghatimBereichderautonomenSystemein

den letzten Jahren grosse Fortschritte gemacht. Jedoch

sinddiemeistendieserMaschinennochmehrereJahre,oft

Jahrzehnte von einer industriellen Umsetzung entfernt.

BereitsmitsteigenderNachfrageimEinsatzsindhingegen

autonome Putzmaschinen oder Transportroboter. Auto-

nomeSystemesindsehrkomplexundihreWeiterentwick-

lung bedingt hohe Investitionen in Forschung und Ent-

wicklung. Trotz attraktiven Versprechungen im Rahmen

der künstlichen Intelligenz ist es wichtig, das Machbare

wieLandwirtschafts-oderTransportroboteranzupacken,

stattvonVisionenwiehumanoidenRoboternzuträumen.

AutonomeSystemekombinierenAktorik,Präzisionsmecha-

nik,intelligenteRegelungundSensorik,umkomplexeAb-

läufeselbstständigauszuführen.

Ein Blick in die ZukunftDerEinsatzeinfacherautonomerSystemewieInspektions-,

Putz-oderTransportroboterwirdindennächstenJahren

starkzunehmen.KomplexereSystemewieselbstfahrende

Fahrzeuge,Indoor-DrohnenoderLandwirtschaftsroboter

werdenvermehrtEinsätzeinstrukturierterenUmgebungen

haben.WegenihrerKomplexitätwerdensichautonome

SystemenurlangsaminunseremtäglichenUmfeldetab-

lieren:EsistmittelfristigehereineEvolutionalseineRevo-

lutionzuerwarten.Längerfristigwerdenjedochautonome

Systeme wie selbstfahrende Fahrzeuge oder Landwirt-

schaftsroboterverschiedeneBereichedrastischverändern.

DankderhohenKompetenzinallenfürautonomeSysteme

relevantenBereichenhatdieSchweizwiekaumeinanderes

LanddieFähigkeit,solchekomplexenMaschinenzuent-

wickelnundinternationalerfolgreichzuvermarkten.Esgilt,

dieFührerschaftandenHochschulenweiterauszubauen

unddieseTechnologieninschnellskalierendenFirmenwirt-

schaftlichumzusetzen.

Autonome Systeme sind Maschinen und Prozesse, die zumindest teilweise selbstständig situationsbedingte Entscheide treffen können. Diese basieren auf kontinuierlichen Messungen mit Sensoren sowie auf Algo-rithmen der künstlichen Intelligenz. Systeme wie Roboter in Produktionsstrassen oder Werkzeugmaschinen, die selbstständig Entscheidungen in einem genau definierbaren Entscheidungsraum treffen, werden als automatische Systeme bezeichnet. Im Gegensatz dazu bewegen sich autonome Systeme, also beispielsweise selbstfahrende Autos, Drohnen oder Auslieferungsroboter, in einem Umfeld, wo der Entscheidungsraum offen ist und überraschende, nicht voraussehbare Situationen auftreten können, denen sie zuverlässig begegnen müssen. Ein vielversprechender, oft aber überschätzter Weg basiert auf lernenden Systemen. Allerdings bleibt die korrekte Reaktion auf überraschende Situationen, die für uns Menschen oft einfach erscheint, für autonome Systeme eine Herausforderung.

Autonome SystemeIntelligenteMaschinenimDienstderMenschheit

Roland Siegwart(ETHZürich)

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88

So sieht es heute ausHistorischsinddieUSAführend.Chinahatjedochinden

letztenzehnJahrenstarkaufgeholt.Europaundandere

LänderwieIndienfolgen.DieSchweizmussihreneigenen

Wegfinden,angepasstandiehiesigenKompetenzenund

industriellenStärken.VieleAnwendungensindzwarlängst

Realität,dennochgiltes,weitereMöglichkeiten,diemitder

wachsendenBandbreite,RechenleistungundSpeicherka-

pazitätverbundensind,rechtzeitigzuerkennenundspe-

ditivzunutzen.DiedazunötigedurchgängigeDigitalisie-

runginderBildung,inderIndustrieundinderGesellschaft

sollmitSondermassnahmenangestrebtwerden.

DieSchweizistalsinnovativesLandimBereichderDigitali-

sierungaktivundesentstehenverschiedeneerfolgreiche

Start-ups.DennochnutzenKMUoftdasChancenpotenzial

vielzuwenig,nichtzuletztwegenderKosten.DasZusam-

menspielvonTechnikundBetriebswirtschaftmussmittels

neuerGeschäftsmodellevorangetriebenwerden.

DieerforderlichenakademischenFachkompetenzenliegen

inderSchweizvor;Informatik,algorithmischeMethoden

undBetriebswirtschaftsindanSchweizerHochschulenTeil

derLehre.AllerdingsbestehenDefiziteimZusammenwirken

vonIngenieurinnenundIngenieuren,Industriephysikerin-

nen und -physikern, Industriemathematikerinnen und

-mathematikernsowieFachleutenderBetriebswirtschaftim

konkretenAnwendungsfall.HiersindUniversitäten,Fach-

hochschulen,aberauchdieAkademienwiedieSATWge-

fordert.

Ein Blick in die ZukunftCyberphysischeSystemeführenverschiedeneTechnologien,

vorallemVernetzungs-undKommunikationstechnologien,

zusammenundbündelnsie.Durchdierasantwachsenden

technologischenMöglichkeitenwerdendiecyberphysischen

Systemeimmerleistungsfähiger.DiesführtzuneuenGe-

schäftsmodellenundhöchsteffizientenProduktionsabläu-

fenfürKMU,diedannpermanentoptimiertundansich

ändernde Marktbedingungen stetig angepasst werden

können.

DieSchweizkannsichmittechnischenLösungenfürinnova-

tive cyberphysische Systeme im internationalenWettbe-

werbeinenführendenPlatzsichern,wennesihrgelingt,

dievorhandenenKernkompetenzenzusammenzuführen.

InsbesonderefürdieSchweizerIndustrie,dieweltweitin

derEntwicklungvonPräzisionsmaschinenundPräzisions-

systemeninvolviertist,bietensichhiergrosseChancen.

Cyberphysische Systeme, ursprünglich als Weiterführung des Konzepts Industrie 4.0 eingeführt, beschreiben diejenigen informationstechnischen Prozesse, bei denen physische Entitäten (Abläufe, Maschinen, Menschen, Objekte etc.) digital abgebildet werden und mit dieser Abbildung in Echtzeit interagieren. Cyberphysische Systeme finden in nahezu allen Bereichen der Gesellschaft Anwendung. Etwa im Finanzsektor, im Gesund-heitswesen, in der Industrie und Produktion oder in der Landwirtschaft. Anschauliche Beispiele sind der Onlinefahrplan der SBB, die Paketverfolgung der Post, die SwissCovid-App des Bundes, die sozialen Netz-werke (Facebook, LinkedIn etc.) und moderne Produktionsverfahren. Es ist zu erwarten, dass laufend neue Lösungen sowie neue Geschäftsmodelle und Dienste entstehen werden. Grundlage für die erfolgreiche Um-setzung und Anwendung von cyberphysischen Systemen sind flächendeckende, breitbandige und resiliente Internetinfrastrukturen, zentrale wie dezentrale Rechenleistungen und Speicherkapazitäten sowie mobile Geräte und Sensorik.

Digitale Welt

Cyberphysische Systeme Reale und virtuelle Welt im dynamischen Wechsel

Bernhard Braunecker(SchweizerischePhysikalischeGesellschaft)undGuido Piai (OST)

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89

Digitale Welt

So sieht es heute ausPolitischistdasBewusstseinfürdieBedeutungderCyber-

securityvorhanden.VieleLänderorientierensichwiedie

SchweizaneinernationalenCybersecurity-Strategie.Auf-

grund des globalen Bedrohungsumfelds und ähnlichen

Herausforderungenweisendie Strategien vieleGemein-

samkeitenauf.DankneuerTechnologienistderAufwand

fürerfolgreicheCyberangriffezwargewachsen,dochgibt

esnochimmerviele,teilsgravierendeSicherheitsvorfälle.

DiesesindhäufigaufdieVerletzunggrundlegenderSicher-

heitsprinzipienzurückzuführen,weshalbnebenderFörde-

rungneuerSicherheitslösungenauchdieRegulierungund

Zertifizierung von IKT-Dienstleistungen, -Produkten und

-ProzessenanBedeutunggewinnt.BeivielenmitdemIn-

ternetverbundenenProduktenfürdenPrivatgebrauchist

CybersecuritywegenfehlendergesetzlicherVorschriften,

ausKostengründenoderausGründeneinerschnellenPro-

duktlancierungkeinThema.

Dank ihrer Neutralität, Rechtssicherheit und politischen

StabilitätverfügtdieSchweizüberidealeVoraussetzungen

füreinerfolgreichesCybersecurity-Ökosystem.InvielenBe-

reichenhatsiebereitsResultateerzieltundistiminterna-

tionalenVergleichgutaufgestellt.MitdemNationalen Zen-

trum für Cybersicherheit (NCSC),derNationalen Strategie

zum Schutz der Schweiz vor Cyberrisiken (NCS) sowie

dem Cyber-Defence Campus (CYD) verfügt die Schweiz

überStrukturen,umderCyberproblematikaktivzubegeg-

nen.ErgänzendwirdanHochschulenundinUnternehmen

anaktuellenFragestellungengeforschtundausgebildet.

ImRahmendermilitärischenAusbildungkannneueineidge-

nössischanerkannterAbschlussalsCybersecurity-Spezialis-

tin oder -Spezialist erlangt werden. Um den steigenden

Bedarf nach innovativen technologischen Lösungen zu

decken, sind verschiedene Innovationsförderprogramme

aufCybersecurity-Start-upsausgerichtet.

Ein Blick in die ZukunftAuftechnischerEbenewirdeinezunehmendeAutomati-

sierungwichtig.Beispielsweise soll künstliche Intelligenz

helfen,SchwachstelleninSystemenzuerkennenundEin-

fallstorezuschliessen.Wichtigwirdkünftigauchsein,Infor-

mationenzubestehendenBedrohungenzuteilen.Interna-

tional laufenBemühungen,verbessertePlattformenzum

InformationsaustauschmittelsBlockchainaufzubauen.Auf

politischerEbenewerdeninnaherZukunftFragenzurRe-

gulierungundStandardisierungzentralwerden.InderEU

wirdmitdemCybersecurity ActdieEinführungverbindlicher

undüberprüfbarerStandardsundRegelnfürvitaleDienst-

leistungengeprüft,diefürUnternehmenundöffentliche

HandMassnahmenzurSicherungihrerLiefernetzeundPro-

zessedefinieren.

Cybersecurity bezeichnet Hard- und Softwarekomponenten, die datenverarbeitende Geräte vor unbefugtem Zugriff schützen, umfasst aber auch nichttechnische Massnahmen wie Gesetzgebung und Schulung von Nutzerinnen und Nutzern. Cyberangriffe können darauf ausgelegt sein, auf sensible Daten von Organisa-tionen oder Nutzerinnen und Nutzern zuzugreifen, diese zu erpressen oder die Daten zu löschen. Für eine der Vertraulichkeit der Daten angemessene Cybersecurity zu sorgen, ist Aufgabe der Hard- und Softwareher-steller, der Infrastrukturbetreiber, der Anbieter digitaler Dienste sowie deren Nutzerinnen und Nutzer. Cybersecurity bildet die Grundlage der umfassenden und sicheren Digitalisierung und ist für viele techno-logische Entwicklungen zentral.

CybersecurityTechnische,organisatorischeundsozialeMassnahmenfürsichereDaten

Hans-Peter Käser (BWL), Bernhard Tellenbach (ZHAW)und Nicole Wettstein (SATW)

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So sieht es heute ausEs zeichnen sich vor allem zwei Einsatzgebiete ab: die

smarteFabrikunddatenbasierteDienstleistungen.Inder

smartenFabrikumfasstIndustrie4.0dreiEbenenderPro-

zessautomatisierung: die Zustandsüberwachung einer

Maschine oder eines Prozesses, die datenbasierte Opti-

mierungdesProzessesdurchvorausschauendeIntervention

und die Selbstorganisation eines Systems basierend auf

SelbstdiagnoseundautonomerMaschinenentscheidungen.

DatenbasierteDienstleistungenwiedievorausschauende

Wartung resultieren aus der zunehmenden Vernetzung

vonMaschinenundderkontinuierlichenSammlungund

AnalysedererDaten.SokannnichtnurderZustandder

Maschinen aufgezeigt werden, es können auch voraus-

schauend zustandsbasierte Wartungsarbeiten abgleitet

werden.DiegrösstenHerausforderungenliegenaktuell

nichtinderTechnik,sondernbeimZugangzuqualitativzu-

friedenstellendenDateninausreichenderMenge.Gerade

fürdenEinsatzkünstlicherIntelligenzistdiesentscheidend.

Hervorzuheben sinddie Implementierungserfolge inder

Automobilindustrie,wovonauchandereBranchenprofi-

tieren.InderSchweizsindQualitätskontrolleninEchtzeit

sowie lückenlose Rückverfolgbarkeit bis auf Stückebene

grosseTreiberfürdenEinsatzvonKonzeptenderIndustrie

4.0.DieSchweizerIndustriehatsehrguteVoraussetzun-

gen,umindenEntwicklungenrundumIndustrie4.0als

effizienteUmsetzerinmitzuwirken.

Bei Industrie 4.0 stehen intelligente und digital vernetzte Systeme für die industrielle Produktion im Zentrum, welche sämtliche Funktionen von Einkauf bis Logistik umfassen. Industrie 4.0 beruht auf zahlreichen inno-vativen Technologien und Entwicklungen wie Augmented Reality, Datenanalyse, -speicherung und -über-tragung, dem digitalen Zwilling, kollaborativer Robotik sowie Sensorik.

Industrie 4.0 DankVernetzungundDigitalisierungInnovationenentwickelnundumsetzen

Patricia Deflorin (FHGraubünden)undPhilipp Schmid (CSEM)

Digitale Welt

InderSchweizwirdeineMeldepflichtfürCybervorfälle

diskutiert,dieaufEU-EbenefürgewisseVorfällebereits

gilt. Mit der zunehmenden Digitalisierung erhalten das

ThemaCybersouveränitätunddieFragenachderBevor-

zugungnationalerLösungenfürkritischeSystemegrössere

Bedeutung.EsistfürdieSchweizzentral,eigeneKapazi-

tätenundKompetenzenaufzubauen:EinSchweizerCyber-

security-Ökosystem istunabdingbarfürdenzukünftigen

Erfolg des Wirtschaftsstandortes. Ebenso besteht bei

SchweizerKMUundderBevölkerungderBedarfnachein-

fachanwendbarenLösungen.DaCybersecurityauchviel

mitmenschlichemHandelnzutunhat,isteinVerständ-

nisbeiArbeitnehmendensowieinderPolitikundbeiPri-

vatpersonen zentral. Es braucht neben technologischen

Innovationen auch Aufklärung und neutrale Wissensver-

mittlung.

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91

Digitale Welt

Ein Blick in die ZukunftIndustrie 4.0 wird die gesamte industrielle Produktion

durchdringenundeinegrosseökonomischeWirkunger-

zielen. Die günstige Verfügbarkeit von Rechenleistung,

Fortschritte bei der künstlichen Intelligenz und eine er-

höhteNutzungvonDatenwerdensowohlindersmarten

FabrikalsauchbeineuenDienstleistungeneineVielzahl

weitererAnwendungenermöglichen.

DadieSchweizkeinenglobalenAnbietervonSoftware-

lösungenfürdieFabrikautomationbeheimatet,istlokale

Vernetzung und Unterstützung essenziell. Gerade die

Schweizer KMU-Landschaft ist auf Lösungen von Ent-

wicklungspartnernausderangewandtenForschungan-

gewiesen.Um internationalkonkurrenzfähigzubleiben,

istIndustrie4.0fürdasHochlohnlandSchweizeinegrosse

Chance,diegenutztwerdenmuss.

So sieht es heute ausKIkonnte inden letztenzehnJahrenmehrerebahnbre-

chendeInnovationenverzeichnen–wiedasErkennenvon

Bildern,dasSpielenkomplexerBrettspieleunddasBeant-

wortenvonFrageninnatürlicherSpracheinQuizshows.Die

meistendieserDurchbrüchebasierenaufeinerbestimmten

Art des maschinellen Lernens, die als Deep Learning be-

zeichnetwird.HeutesindvieleausgereifteAnwendungen

verfügbar,dievonGesichts-,Gesten-undSpracherkennung

über personalisierte Empfehlungsdienste bis hin zu Wirk-

stoffentdeckungundmedizinischerBildanalysereichen.

DieSchweiznimmtinderKI-Forschungundihrerprakti-

schen Anwendung eine Vorreiterrolle ein. Es ist nötig,

Richtlinieneinzuführen,umAnspruchsgruppentransparent

überdieVorteileundRisikenvonKIzu informierenund

einenregulatorischenRahmenzuschaffen,dereinesichere,

vertrauenswürdigeundethischeKIgewährleistet.Darüber

hinausistderErwerbdererforderlichenKenntnisseinEnt-

wicklungundEinsatzvonKI-TechnologiendurchdieArbeit-

nehmendenentscheidendfürdieerfolgreicheEinführung

vonKIinSchweizerUnternehmen.

Ein Blick in die ZukunftEswirderwartet,dassdiePräsenzvonKIinunseremAlltag

kontinuierlichzunehmenundindenBereichenNachrichten-

konsum,personalisierteDienstleistungen,intelligenteSyste-

mezuHauseoderamArbeitsplatzsowiesozialeNetzwerke

zurNormalitätwird.IndiesemSinneistesschwervorstell-

bar,dassirgendeineBranchenichtaufdieeineoderandere

WeisevonKIbetroffenseinwird.Unternehmen,dieKI-Tech-

nologien erfolgreich einsetzen, können davon ausgehen,

dasssieaufzweiEbenenprofitieren:erstensdurchdieVer-

besserungderEffizienzinternerProzessedurchKI-gestützte

Künstliche Intelligenz (KI) ermöglicht Computern und Maschinen, die Prozesse des menschlichen Gehirns in Bereichen der Wahrnehmung, des Lernens, der Erarbeitung von Lösungsansätzen und der Entschei-dungsfindung nachzuahmen. Man unterscheidet oft zwischen schwacher KI, welche auf die Lösung kon-kreter Anwendungsprobleme fokussiert ist, und starker KI, welche über verschiedene Aufgabengebiete hinweg mit menschenähnlichen intellektuellen Fähigkeiten handeln kann.

Künstliche IntelligenzIntelligentausErfahrung

Alessandro Curioni und Patrick Ruch (IBMResearch–Zurich)

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AutomatisierungundzweitensdurchdieEinbettungvonKI

inProdukteundDienstleistungen,umKundinnenundKun-

denwieauchGeschäftspartnerbesserbedienenzukönnen.

Dementsprechend muss sich das Qualifikationsprofil der

MitarbeitendenändernunddieIndustriemusssichanpas-

sen. Für dieGesellschaftwird imZuge zunehmender ver-

braucherorientierterDienstleistungenmitKI-Unterstützung

undmiteinemverstärktenFokusaufdieNutzungpersonen-

bezogenerDatendasBedürfnisnachmehrTransparenz in

BezugaufdieKI-Technologiezunehmen.

PolitikundUnternehmen inderSchweizkönnenessich

nichtleisten,KIzuignorieren.KIistinBezugaufdieAuto-

matisierung von Geschäftsprozessen, die Mensch-Ma-

schine-InteraktionunddieGewinnungwichtigerErkennt-

nisseausBigDatadisruptiv.UnternehmenmüssendieKI

nutzen, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Andererseits

bringtdieKIbesondereHerausforderungenmitsich,die

bewältigt werden müssen. Politische Anspruchsgruppen

müsseneinenproaktivenAnsatzverfolgenundFührungs-

qualitätendemonstrieren,dasichdieKIschnellweiterent-

wickeltundgesellschaftlicheBedenkeninBezugaufEthik,

Datenschutz und Transparenz angegangen werden

müssen.

So sieht es heute ausDieQuantenkryptografie istschonmitProduktenaufdem

Markt,wobeiderSchweizerFirmaID Quantiqueeinewelt-

weiteVorreiterrollezukommt.Quantensensorensindinkom-

merziellenMagnetfeld-Sensorenintegriert,undauchdie

AutoindustrieundMedizintechnikarbeitenanzukünftigen

Produkten.DienächsteGenerationAtomuhren,«Optische

Uhren»,bietenerheblichverbesserteGenauigkeit.Insbeson-

deredieInformationsverarbeitungmitQuantencomputern

ziehtvielAufmerksamkeitaufsich:SiehatdasPotenzial,un-

seredigitalisierteGesellschaftstarkzuverändern,vorallem,

wennesumrechenintensiveProblemstellungengeht.Quan-

tencomputersindimMomentnochstörungsanfällig,wer-

denaberschonjetztkommerzielleingesetzt,umneuartige

QuantenalgorithmenaufihrenNutzenzuprüfen.Generell

istdieinhärenteEmpfindlichkeitgegenüberjedwedenäus-

seren Störeinflüssen, ob elektrischer, magnetischer oder

mechanischerArt,einezentraleHerausforderungundein

GrundfürdieKomplexitätderTechnologie.DieSchweiz

istbezüglichderForschungindenGebietenderQuanten-

Der Begriff «Quantentechnologie» umfasst generell alle Technologien, die zentral auf Quanteneffekten basieren zum Beispiel quantisierte atomare Energieniveaus, Tunneleffekt, Zustandsüberlagerung oder -verschränkung. Im Zusammenhang mit der zweiten Quantenrevolution wird aber oft nur der Unterbereich gezählt, der sich die gezielte Kontrolle einzelner Quantensysteme zunutze macht, um völlig neuartige Bauelemente oder Methoden zu ermöglichen. Hierzu gehören zum Beispiel Quantencomputing, -kommu-nikation, -kryptografie, -sensoren und -simulation, deren Entwicklungsstand jedoch recht unterschiedlich ist.

Quantentechnologien DerTanzderQuantenwirdreiffürdiegrosseBühne

Bernhard Braunecker (SchweizerischePhysikalischeGesellschaft),Andreas Fuhrer und Thilo Stöferle(IBMResearch–Zurich,SchweizerischePhysikalischeGesellschaft)

Digitale Welt

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93

Digitale Welt

technologieninternationalsehrgutpositioniert.Allerdings

gilt es, diese Expertise über langfristige Forschungspro-

grammeweiter zu fördern,umeine«kritischeMasse»zu

erreichen,SchwerpunktclusterzubildenunddieBrückenzur

Industrieauszubauen.NursokönnenSchweizerUnterneh-

mendasMarktpotenzialindiesenGebietenerschliessen.

Ein Blick in die ZukunftDasGebietderQuantentechnologiehatindenletztenJah-

reneinenwahrenBoomerlebtmitsignifikantenstaatlichen

undprivatwirtschaftlichenInvestitionen.Dashatzurasan-

tenFortschrittengeführt,undesistzuerwarten,dasssich

dieseEntwicklungindennächstenfünfJahrennochver-

stärkt.ImmermehrLösungenwerdenMarktreifeerlangen,

angeführtvonQuantenkommunikationüberQuantensen-

sorikbiszuQuantencomputing.GleichzeitigstelltdieKon-

trollesolcherSystemeextremeAnforderungenandiePrä-

zisionundStabilitätdermechanischen,elektrischenund

optischen Kontrollsysteme. Das eröffnet eine Vielfalt an

MöglichkeitenfürSchweizerKMU,Hochtechnologie-Kom-

ponentenimBereichderFabrikationoderfürdenBetrieb

der Quantentechnologien zu liefern. Die Rahmenbedin-

gungenspielenhiereinezentraleRolle,umlängerfristig

internationalwettbewerbsfähig zubleiben. So etwadie

Ausbildung von Quanteningenieurinnen und Quanten-

ingenieuren,dieFörderungvonStart-upsundKMUsowie

grösserestrategischeInitiativenindiesemsichschnellver-

änderndenBereich.

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So sieht es heute ausDieraschenFortschritteimBereichderSensorikermögli-

chenes,Umwelt-,Pflanzen-,Tier-undMaschinendatenzu

erfassenunddieablaufendenProzesseimmerbesserzuver-

stehenundzuquantifizieren.DiesbildetdieBasisfüreine

OptimierungderProduktion,welcheunnötigeKostenund

negativeAuswirkungenaufUmwelt,TierundMenschver-

meidenwill.NebeneinzelnenSensoren,diebeispielsweise

dieBodenfeuchtefürdieBewässerungerfassen,werden

auchneueProduktionsverfahrenentwickelt.

ErsteTechnologienwiederMelkroboter,derinderSchweiz

über800MalimEinsatzsteht,Kraftfutterautomatenfür

Milchküheoderautomatische,satellitengesteuerteLenk-

systemefürTraktorensindinderSchweizschonweitver-

breitet. Ebenso nutzen Landwirtinnen und Landwirte

SmartphonesmitverschiedenenApplikationen.Alldiese

Anwendungendürfenabernichtdarüberhinwegtäuschen,

dassinderSchweiznocheingrossesPotenzialfürdigitale

TechnologieninderLandwirtschaftbrachliegt.Diesist

zum Teil sicherlich durch die kleinen Betriebsstrukturen

bedingt,dieübersichtlichundeinfach zumanagen sind

unddenEinsatzdigitalerTechnologiewenigerforcieren.

GleichzeitigbestehenabernochvieletechnischeHeraus-

forderungen,umdieZuständevonPflanzen,Bödenund

TierenadäquatzuerfassenunddieseDatenfürdieBewirt-

schaftunggewinnbringendnutzenzukönnen.

Ein Blick in die ZukunftUnbemannteFahrzeugesindaufdemWegzurEinführungin

diePraxis.SieerkennenUnkräuterautomatischundbehan-

delndieseeinzelpflanzenspezifisch.MittelsDrohnenundSa-

tellitenbildern ist es möglich, den Ernährungszustand von

Pflanzenzuerkennenunddiesebedarfsgerechtundlokalzu

düngensowieTraktorenzentimetergenauzusteuern.Alldie-

senAnwendungenistgemein,dassSensorenDatenerheben,

die verarbeitet werden und schliesslich als Entscheidungs-

grundlagezurSteuerungderProduktiondienenundsomit

dasgrosseErfahrungswissenderLandwirtinnenundLand-

wirteergänzen.VieleAnwendungenbefindensichnochin

derEntwicklungundstehennochnichtimPraxiseinsatz.

ImHinblickaufdiebegrenztenRessourcenunddiesteigende

Weltbevölkerungisteszentral,dassWissenweiteraufge-

bautunddieTechniklaufendverbessertwerden.Nursoist

esmöglich,diebenötigtenNahrungsmittelnachhaltigund

effizientzuproduzieren.

ÄhnlichwiebeiderAutomobilindustriespieltdieSchweiz

imAgrartechnikmarktkeineprägendeRolle.InderSchweiz

werden jedochzahlreicheBauteile fürdiedigitaleLand-

wirtschafthergestellt.Dies sindvorallemSensoren für

Maschinen,3D-KamerasfürMelkroboter,Temperatur-und

andereSensorenfürWetterstationenetc.Zudemversu-

chenverschiedeneStart-upsmitinnovativenIdeenBewäs-

serungsanlagenzuautomatisieren,SchafeaufdenAlpen

automatischzuortenodereinendererstenUnkrautroboter

zubauen.DabietensichalsovielekleineundgrösserePo-

tenzialefürdieSchweizerUnternehmen.

Landwirtschaftliche Produktionsprozesse sind geprägt von komplexen Wechselwirkungen zwischen Boden, Klima, Pflanzen, Nutztieren und Menschen. Diese Prozesse können gesteuert werden, indem der Boden möglichst bedarfsgerecht gedüngt, Unkraut mit mechanischen und Pflanzenschutzmitteln reguliert oder Tiere gezielt gefüttert werden. Dabei sollen die natürlichen Ressourcen geschont, die Tiergesundheit sicher-gestellt, unnötige Inputs vermieden und optimale Erträge erzielt werden. Der Technologietrend «Digitale Landwirtschaft» bezeichnet sämtliche digitalen Technologien, die den landwirtschaftlichen Produktions-prozess unterstützen.

Digitale Landwirtschaft DigitaleTechnologienfüreineeffizienteundnachhaltigeLandwirtschaft

Thomas Anken (Agroscope)

Die digitale WeltEnergie und Umwelt

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Energie und Umwelt

So sieht es heute ausInsbesonderederDruck,dieklimarelevantenEmissionen

zuverringern,verursachtinderEnergieversorgungeinen

Wandel:WegvondenfossilenPrimärenergienwieErdgas

und Erdöl hin zu erneuerbaren Quellen (insbesondere

PhotovoltaikundWind). IngewissenAnwendungsberei-

chenistdiestechnologischeinfacherzubewerkstelligen,

sobeiderStromversorgung,demprivaten Individualver-

kehrundderWärmeversorgungvonGebäuden.Beiande-

ren gestaltet sich diese Transition schwieriger, etwa im

Flug- und Güterverkehr. Technologien zur Speicherung

elektrischerEnergie, insbesondereBatteriespeicher,wer-

denimmerhäufigereingesetzt.ImMobilitätsbereichwird

der Einsatz von synthetischen Treibstoffen und Wasser-

stofferforschtundimGebäudebereichverdrängenWärme-

pumpenvermehrtHeizungen,dieauffossilenEnergieträ-

gernbasieren.ZunehmendwerdenintelligenteNetz-und

Systemsteuerungenauf lokalerEbenegetestetundzum

Teilerfolgreichumgesetzt.

Inder Schweizgibt es eine rege Forschungstätigkeit im

Energiebereich. Erforscht werden Speichertechnologien,

synthetische Treibstoffe und intelligente Netzsysteme.

AuchinderGrundlagenforschunggibteshervorragende

WissenschaftlerinnenundWissenschaftlermitinternatio-

nalerBedeutung.IndenletztenJahrzehntenhatsichdie

Gebäudeenergietechniksehrerfolgreichentwickelt.Dies

hatdazugeführt,dassdieCO2-Intensitätstarkabgenom-

menhatundwohl auchweiterhin abnehmenwird.Die

MobilitäthingegenhinktderEntwicklunghinterher.Der

AusstossvonKlimagasennimmtwederabsolutnochrela-

tivzurWegstreckeab.DergeschlosseneSchweizerMarkt

beiderStromversorgungwirkthemmend:InnovativeLö-

sungenimdezentralenBereich(indenVerteilnetzen)wer-

denimGegensatzzumAuslandnurselteneingesetzt.Für

dieEnergieversorgungderSchweiz istdieDekarbonisie-

rungdiegrössteHerausforderung:DieReduktionvonCO2

unter Beibehaltung einer hohen Versorgungssicherheit

undzubezahlbarenKosten.InsbesonderefürdieMobili-

tät ist das einegrosseHerausforderung.Die zusätzliche

ElektrifizierungdesWärme-wie auchdesMobilitätsbe-

reichswerdeneinenAnstiegdesStrombedarfsbewirken,

derentsprechendabgefangenwerdenmuss.InderStrom-

versorgungisteineerhöhteFlexibilitätgefragt,sodasshier

neueTechnologienundintelligenteSystemenötigsind.

Ein Blick in die ZukunftSowohlimHinblickaufdieMobilitätalsauchimGebäu-

debereichlässtsichdieAbkehrvonfossilenBrennstoffen

nurdannzeitnahumsetzen,wennsichdieRegulierungen

verschärfen.ImEnergiebereichwerdenInnovationen,die

einemKlimazieldienlichsind,eherErfolghabenalsande-

re. Gemäss den gegenwärtigen Szenarien werden die

Energiepreise nur leicht ansteigen. Das Ziel einer klima-

neutralenSchweizbis2050 istehrgeizig,aberdringend

notwendig. ImStromsektorhängtvieldavonab,obder

MarktinderSchweizvollständiggeöffnetwird.Einesol-

cheLiberalisierungkönntevielenneuenPlayerndenEin-

stiegermöglichenundwichtigeInnovationenvorantreiben.

ZudemspieltdasVerhältniszurEUeinewichtigeRolle:

Nur wenn der Austausch mit unseren Nachbarländern

auchinZukunftflexibelundeffizienterfolgenkann,wird

dieVersorgungssicherheitinhohemMasseundzurelativ

günstigenPreisengarantiertwerden.

Die Energieversorgung umfasst Elektrizität, Brenn- und Treibstoffe sowie Wärme. Ihr Ziel ist den Energie-bedarf jederzeit sicher, zuverlässig, bezahlbar und nachhaltig zu decken.

EnergieversorgungNachhaltig, zuverlässig, sicher, bezahlbar

Christian Schaffner (ETHZürich)

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So sieht es heute ausDieEuropäische KommissionunternimmtlaufendSchritte,

umAnsätzederKreislaufwirtschaft zu stärkenunddie

Wirtschaftnachhaltigerzugestalten.Sohatsie2015ein

entsprechendesPaketverabschiedet.BeiderEtablierung

derKreislaufwirtschaftspieltdieÖkodesign-Richtlinieeine

zentraleRolle.SieistdierechtlicheGrundlagefürMindest-

anforderungenanHaushaltgeräte.DieseRichtlinieschreibt

denmaximalenEnergieverbrauchvorundverlangt,dass

Gerätereparierbarsind.

2016beschäftigtendiefürdieKreislaufwirtschaftrelevan-

tenSektoreninderEUübervierMillionenArbeitnehmende.

DerweltweiteMarktfürKreislaufwirtschaftsowieMaterial-

undRessourceneffizienzistindenletztenfünfJahrenum

überzehnProzentgewachsen.DamitwächstdieserMarkt

schnelleralsderWeltmarktinsgesamt.InderÖffentlichkeit

werdenImpulsprogrammezurFörderungnachhaltigerWirt-

schaftsformenauchunterdemNamen«GreenNewDeal»

verhandelt.

Als rohstoffarmes LandverfolgtdieSchweizbereits seit

Mitteder1980er JahreAnsätzederKreislaufwirtschaft.

Soistesgelungen,gewisseKreisläufezumindestteilweise

zu schliessen. 2018 wurden von 17,5 Millionen Tonnen

RückbaumaterialienwieBeton,Kies,Sand,Asphaltund

Mauerwerkknapp12MillionenTonnenwiederverwertet.

Dagegen befanden sich mehr als 5 Millionen Tonnen,

insbesondereMischabbruch,nochnichtineinemgeschlos-

senenKreislauf.BeidenSiedlungsabfällenwirdetwasmehr

alsdieHälfteseparatgesammeltundstofflichwieder-

verwertet. In der Schweiz steht der hohen Recycling-

quotejedocheinegewaltigeAbfallmengegegenüber.In

kaumeinemanderenLandfälltproKopfderartvielSied-

lungsabfallan.

Ein Blick in die ZukunftDieKreislaufwirtschafterforderteinenneuenUmgangmit

Ressourcen.DasWirtschaftswachstummussvomRessour-

cenverbrauchentkoppeltunddiesermussdrastischreduziert

werden. Gleichzeitig muss die Ressourcenproduktivität

massiv erhöht werden. Das bedeutet, dass mit weniger

Ressourcen mehr produziert werden können muss. Um

diesesZielzuerreichen,brauchtesalternativeökonomische

Ansätze.NurmitVerhaltensänderungenbeiKonsumentin-

nenundKonsumentensindFortschrittehinzueinerechten

Kreislaufwirtschaftmöglich.

SozialeundökonomischeAspektederKreislaufwirtschaft

sindnochzuweniguntersucht.Esbrauchtdazualsowei-

tereForschung.SollendieplanetarenGrenzennichtüber-

schrittenunddieVerpflichtungendesPariserAbkommen

zumKlimaschutz eingehaltenwerden, ist dieReduktion

des Rohstoffverbrauchs unabdingbar. Die Schweiz muss

sichdafürengagieren,dassRohstoffkreisläufegeschlossen

werdenundnichtnurdem«Greenwashing»dienen.Nur

sokönnendieUmweltauswirkungenunsererWegwerfge-

sellschaftverringertwerden.

Die Kreislaufwirtschaft ist ein Prinzip zur Reduktion des Verbrauchs natürlicher Rohstoffe. Sie zeichnet sich dadurch aus, dass Rohstoffe effizient und so lange wie möglich in ihrer ursprünglichen Qualität genutzt werden. Dazu müssen Material- und Produktekreisläufe geschlossen und Produkte wie Materialien länger im Umlauf gehalten werden. Im Vergleich zum aktuellen, linearen Wirtschaftssystem sinkt der Verbrauch von Primärrohstoffen. Produkte werden langlebiger, und es fällt weniger Abfall an. Dadurch sollen die Umweltbelastung reduziert und die Wertschöpfung gesteigert werden.

Kreislaufwirtschaft GeschlosseneMaterial-undProduktekreisläufe

Xaver Edelmann (WorldResourcesForum)

Die digitale WeltEnergie und Umwelt

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97

Energie und Umwelt

So sieht es heute ausSmartCitiesumfassenauch verschiedeneTechnologien,

dieaufKommunikationsnetzwerkenundderEchtzeitver-

fügbarkeitvonDatenausdemöffentlichenRaumbasieren

undmitderVerarbeitungvongrossenDatenmengenge-

koppeltwerden.Dafürmüssenderzeitseparateöffentli-

cheundprivateDatenquellenmiteinanderverknüpftwer-

den.Dadurcherhofftmansich,dasssmarteInfrastrukturen

effizienterundtransparentersind.Sounterstützensiedie

Nachhaltigkeitsziele, die Optimierung des Einsatzes von

Ressourcenunddamit eine verbesserte Lebensqualität.

Beispiele solcher Anwendungen sind verbesserte Ver-

kehrsführung,dieKoordinationzwischenAbteilungender

öffentlichenVerwaltungusw.DieHerausforderungeninder

EntwicklungvonSmart-City-Anwendungenliegeninder

KomplexitätsolcherSystemesowie inderSicherstellung

desDatenschutzesunddesDatenbesitzes.Eineerfolgreiche

ImplementierungerforderteineinformierteZusammenar-

beitvonÖffentlichkeit,RegierungundWirtschaft.

InternationalgibtesvieleSmart-City-Initiativen,vonPilot-

undLeuchtturmprojektenbishinzustädtischenTransfor-

mationsprozessen.AufgrundderVielfaltdermöglichen

ZielehatjedochkeineStadtdasvollePotenzialerreicht.In

denjenigenRankings,indenenSchweizerStädtemitbeur-

teiltwurden,gehörendiesezudenTop-Anwärterinnen.

ImmermehrSchweizerStädtehabeneineSmart-City-Strate-

gie.DiesinspiriertoftauchNachbarsgebietedazu,ihreeige-

neSmart-City-oderzumindesteineDigitalisierungsstrategie

zudefinieren.Vonden84Städten,dieamSwiss Smart City

Survey 2020 teilgenommenhaben,behandelnrund43Pro-

zentdasThemaSmartCityaktiv.AlleteilnehmendenGross-

städte(mitüber100‘000EinwohnerinnenundEinwohner)

entwickelnsichzueinerSmartCity.Hingegenbehandeltnur

einknappesDrittelderkleinerenStädteundGemeinden(un-

ter20‘000EinwohnerinnenundEinwohner)dasThemaak-

tiv.DasInteresseamThemanimmtauchbeidenkleineren

undmittelgrossenStädtenzu,obschondiesgeradefürdiese

anspruchsvollist,vornehmlichaufgrundbeschränkterperso-

nellerundfinanziellerRessourcen.

Häufige Ansätze sind Anwendungen für E-Government

oderdieErreichungvonEffizienz-undNachhaltigkeitszie-

len.DieSchwerpunktebeiderEntwicklungeinerSmartCity

liegenfürdieStädteindenBereichenEnvironment(46,4

Prozent),Living(43,7Prozent)undPeople(42,3Prozent).

InallenFällengehtesdarum,dieStadtfürihreBürgerinnen

undBürgerundfürdieWirtschaftzueinemattraktiven

Lebens-undArbeitsortzumachen.

Ein Blick in die ZukunftDiewesentlicheHerausforderungbestehtdarin,zudefi-

nieren,wasSmartCityfürdiejeweiligeBevölkerung,fürdie

lokaleWirtschaftundfürdieGemeindeverwaltungbedeu-

tet.Davonabgeleitet kanndannbestimmtwerden,wie

diese Vorteile unter Gewährleistung der Akzeptanz

durchalleBeteiligtenerreichtwerdenkönnen.

StaatundWirtschafthabenInteresseanSmart-City-Anwen-

dungen. So wird das Thema in der Schweiz aktiv bewirt-

schaftet.DerWegzurUmsetzungistjedochnochlang.Mit-

telfristig können verschiedene Pilotprojekte und Versuche

erwartetwerden,davieleStädteundRegionennachLösun-

gensuchen,die für sie funktionieren.DieSmartCitywird

eherpartnerschaftlichentstehen,alsimplementiertwerden.

Das Konzept der Smart Cities umfasst verschiedene Bestrebungen, um mit sozialen und technologischen Innovationen die Lebensqualität sowie die Ressourceneffizienz von Städten und urbanen Lebensräumen zu erhöhen. In den letzten zwanzig Jahren haben sich die Definition und Ziele stark verändert. Heute ste-hen vor allem Verbesserungen für Bürgerinnen und Bürger, die Umwelt, Unternehmen und die Verwaltung durch digitale Transformationen der urbanen Lebenswelt im Zentrum der Anstrengungen.

Smart CitiesGesteigerteLebensqualitätundoptimierteRessourceneffizienz

Vicente Carabias (ZHAW)und Andrew Paice (HSLU)

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Fertigungsprozesse und Materialien

So sieht es heute ausZentraleTreiberfürdieEntwicklungneuerMaterialiensind

diegegenwärtigenökologischen,ökonomischenundge-

sellschaftlichenHerausforderungen:etwaderKlimawandel,

dieKreislaufwirtschaftunddieDigitalisierung.NeueMa-

terialien spielen in der Dekarbonisierung von Industrie

undGesellschafteinezentraleRolle.SobasierendieSpei-

cherungelektrischerEnergieoderdieHerstellungsynthe-

tischerTreibstoffeundCO2-Absorbermitunteraufneuen

Materialien.DamitsichdieKreislaufwirtschaftumsetzen

lässt,müssenWirtschaftszweigewiedieBauwirtschaftoder

dieVerpackungsindustrievermehrtaufrezyklierbareMa-

terialien setzen.QuantenmaterialienwieGraphenoder

topologischeMaterialien,dieanderOberflächeandere

Eigenschaften als im Volumen haben, ermöglichen die

EntwicklungneuerelektronischerKomponenten,dieauf

quantenmechanischenEffektenfürdieInformationsverar-

beitungbasieren.DadurchsinktderEnergiebedarffürdie

Informationsverarbeitungdrastisch.MöglicheAnwendun-

gensindhochsensibleSensoren,neuromorpheChipsfür

künstlicheIntelligenzoderultraschnelleQuantencomputer.

Dies ist insbesonderedeshalbwichtig,weildieheutige

Computerarchitekturbaldanihrematerialbedingtenphy-

sikalischenGrenzenstossenwirdunddiefortschreitende

DigitalisierungnachimmerleistungsfähigerenComputern

verlangt.

DieMaterialforschunganSchweizerHochschulenundFor-

schungsinstitutenistsehrbreitaufgestelltundspieltinter-

national auf Top-Niveau. Die Zusammenarbeit von öf-

fentlicherForschungundIndustrieistseitJahrzehntengut

etabliertundanwendungsorientiert.

Ein Blick in die ZukunftKohlenstoffisteinvielversprechenderGrundbausteinvon

zukünftigenMaterialienundwirdstrategischeBedeutung

erlangen.AlsVerbundwerkstoffhatKohlenstoffherausra-

gendemechanischeEigenschaften,alsNanostrukturister

ein Hoffnungsträger für die Postsiliziumelektronik. Als

BiowerkstoffistKohlenstoffzudembiologischabbaubar.

DamitvereintKohlenstoffvielederAnforderungenanein

zukünftigesMaterial.ProduktefertigungundMaterialsyn-

thesewerden zunehmend integriert bis zumExtremfall,

bei dem beide Prozesse buchstäblich miteinander ver-

schmelzen, zumBeispiel im3D-Metalldruck.Dadurch er-

höhtsichdieKomplexitätvonFertigungsprozessenmassiv,

giltesdochnebenderEinhaltungvonFertigungstoleran-

zenauchdieQualitätdesMaterialsinderProdukteherstel-

lungsicherzustellen.DeshalbwerdenMaterialkompeten-

zenundProzessverständnisindermodernenFertigung

immerwichtiger.SoistdieEntwicklungvonneuenMate-

rialienmeistauchmitneuenVerarbeitungs-undProzess-

technologienverbunden.

Der Technologietrend Zukünftige Materialien bezeichnet eine unbestimmte Menge von Materialien mit neuen oder deutlich verbesserten physikalischen Eigenschaften. Wichtige Ziele in der Entwicklung neuer Materialien sind die multifunktionale Anwendbarkeit, eine ressourceneffiziente Produktion und Verarbei-tung sowie das Schliessen von Wertstoffkreisläufen.

Zukünftige MaterialienMaterialiengestaltendieZukunft

Pierangelo Gröning(Empa)

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Fertigungsprozesse und Materialien

AufgrundderhohenKomplexitätwerdennursehrwenige

Unternehmen inderLagesein,dienotwendigenFertig-

keitenaufzubauen.DieSchweizerHochschulenundFor-

schungsinstitutionenverfügenüberdienotwendigenKom-

petenzen.InnovationenundwirtschaftlicheErfolgewerden

sichinsbesonderedorteinstellen,wodieIndustrieunddie

öffentlicheForschungpartnerschaftlichzusammenarbeiten.

ImRahmenvonPublicPrivatePartnerships,wie inden

schweizweiten Advanced Manufacturing Technology

Transfer Centers,werdenOpen-Access-Pilot-Produktions-

anlagen betrieben. Unternehmen erhalten so die Mög-

lichkeit, sich mit Unterstützung von Hochschulpartnern

mitneuenMaterialienundderenVerarbeitungstechnolo-

gien vertraut zu machen. So gewonnene Erfahrungen

kommensowohldenUnternehmenalsauchderForschung

zugute.DerTechnologietransfervomForschungslaborin

dieIndustriewirddadurcherleichtertundeffizienter.Mit

solchen InitiativenkönnenauchdiefinanziellenRisiken

vonUnternehmenminimiertwerden.

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100

Life Sciences

So sieht es heute ausBei der industriellen, biotechnologischen Produktion von

Biotherapeutika,alsovongrossenMolekülenwiemonoklo-

nalenAntikörpern,spieltdieSchweizweltweitinderersten

Liga.Ausserdemkündigten2017dieglobalenSchwerge-

wichte Biogen, CSL Behring und Lonza fast gleichzeitig

grosseInvestitionenfürdieHerstellungsolcherMolekülein

derSchweizan.LeiderhatdieChemieinderSchweizdie

BiotechnologielangeZeitalsKonkurrenzbetrachtet,wes-

halb nach wie vor ein Nachholbedarf bei deren Anwen-

dungfürdieProduktionvonFeinchemikalien,Naturstoffen

und komplizierten chemischen Strukturen besteht. Eine

weitereBesonderheitderSchweizistdasseit2005gelten-

deGentech-Moratorium,dasdenEinsatzvongentechnisch

verändertenPflanzenverbietetund2017umweiterevier

Jahreverlängertwurde.

Ein Blick in die ZukunftInZukunftwerdenzweiTrendsundderenkombinierteAn-

wendungdieBiotechnologieentscheidendprägen:synthe-

tischeBiologieundDigitalisierung.SynthetischeBiologieals

Anwendungsgebiet der Gentechnik ermöglicht die Kon-

struktion neuartiger, synthetischer biologischer Systeme,

diefürdieindustrielleProduktionoptimiertsind.Siewird

dieProduktionvonorganischenMolekülenrevolutionie-

renunddemAspektderNachhaltigkeitRechnungtragen.

SchonseitlangemistdieBioprozesstechnikaufRechneran-

wendungenangewiesen,seiesfürdiemassiveVerarbei-

tungkomplexerund typischerweiseverrauschterDaten

oder fürdieautomatisierte FührungvonProzessenmit

lebenden Organismen. Die Digitalisierung wird die Bio-

prozesstechnik in Bezug auf Flexibilität, Qualität und

SchnelligkeitaufeinneuesNiveauheben.Einenüchterne

Neubeurteilung des Gentech-Moratoriums wird für die

Schweizunumgänglich sein,daes zahlreiche,potenziell

attraktiveundvor allemnachhaltigebiotechnologische

Wertschöpfungskettenblockiert.

Chemie und Physik waren die Naturwissenschaften des 19. und 20. Jahrhunderts, Biologie ist diejenige des 21. Jahrhunderts. Und die Biotechnologie ist deren praktische Anwendung, die sich natürliche Prozesse und lebende Organismen industriell zu Nutze macht. Die Biotechnologie profitiert enorm von den Fort-schritten in der Gentechnik, welche gezielte Veränderungen und Neukombinationen im Erbgut ermögli-chen. Die Gentechnik wurde vor gut vierzig Jahren erstmals industriell eingesetzt. Sie erlaubt die Produk-tion von Molekülen wie Insulin, die ein Mikroorganismus nie produzieren würde. Dank der Gentechnik wurde die Biotechnologie global zu einem Milliardengeschäft und unverzichtbaren Instrument der Produk-tion und des Umweltschutzes.

BiotechnologieNatürlicheProzesseundlebendeOrganismenimDienstdesMenschen

Hans-Peter Meyer (ExpertInovaAG)

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Life Sciences

Die Präzisionsmedizin ist ein neues Paradigma der medizinischen Behandlung. Sie geht von dem Umstand aus, dass jeder Mensch einzigartig ist. Im Unterschied zur klassischen Medizin bezieht sie individuelle Merkmale von Patientinnen und Patienten in die Behandlung mit ein. So hängen Therapien nicht nur von Krankheitsbildern, sondern auch von der genetischen Prädisposition, von Umweltfaktoren und Lebensstil ab. Dabei kommen modernste Werkzeuge zum Einsatz, wie die Analyse des individuellen Genoms.

Präzisionsmedizin Medizin,individuellzugeschnittenundzurrichtigenZeitamrichtigenOrt

Mark Rubin und Timo Staub (UniversitätBern)

So sieht es heute ausInderBehandlungvonKrebserkrankungenundinderPhar-

makologie hat sich die Präzisionsmedizin schon teilweise

etabliert. In präzisionsmedizinischen Behandlungen be-

stimmtmitunterdiegenetischeDispositiondieAuswahlund

Dosierung von Medikamenten. Schon heute sind grosse

PharmaunternehmenimBereichderPräzisionsmedizinstark

engagiert;siestellenpräzisionsmedizinischeTherapienher

und offerieren auch entsprechende Diagnostik-Lösungen.

AuchkleinereUnternehmenundStart-ups sind aktiv.Die

PräzisionsmedizinberuhtaufderAuswertunggenomischer

Daten. Dies führt zu grossen Herausforderungen beim

Schutz vonPersonendaten, entsprechendaufwändig sind

dieKontrollmechanismen.DieGesundheitskostenmüssen

imRahmenbleiben,trotzdemsolltenalleBevölkerungs-

schichtenvonderPräzisionsmedizinprofitierenkönnen.

EineMöglichkeit,dieKostenvonpräzisionsmedizinschen

Behandlungenzureduzieren,istdasEtabliereneinerstratifi-

ziertenMedizin,beiderjenachindividuellerSituationunter-

schiedlicheStandardlösungenzumEinsatzkommen.

Ein Blick in die ZukunftDiePräzisionsmedizinermöglichtTherapien,diebisvorwe-

nigenJahrenundenkbarwaren.Schonheutefindenpräzi-

sionsmedizinischeAnsätzeAnwendungimStandardreper-

toiremedizinischerTherapien.IndennächstenJahrenwird

diePräzisionsmedizinweiteranBedeutunggewinnen.

DiemitderPräzisionsmedizinerzieltenTherapieerfolgetra-

genzurLanglebigkeitbei.EsbrauchtgesellschaftlicheDe-

batten,wiedamitumgegangenwird,dassMenschenälter

werdenundlängergesundbleiben.

DiePräzisionsmedizinentwickeltsichandenSchnittstellen

zwischenMedizin,Informatik,DataSciencesundMole-

kularbiologie. Technologische Treiber sind maschinelles

Lernen und künstliche Intelligenz, genomische Pipelines

sowieEntwicklungenundAnwendungenimBereichder

Molekularbiologie. Die Präzisionsmedizin ist ein Wachs-

tumsmarkt,indemsichGrossfirmenundStart-upsglei-

chermassen engagieren. Der Bund fördert die Präzisi-

onsmedizinmitProgrammenwiedemSwiss Personalized

Health Network (SPHN).ForschungundTherapienkönn-

ten davon profitieren, wenn das regulatorische Rah-

menwerknationalbesserabgestimmtwürde.Sosehendie

Gesetze(insbesonderedasHumanforschungsgesetzHFG)

kantonale Bewilligungsmechanismen vor, dazu kommen

unterschiedlicheRegelungenindenbeteiligtenSpitälern.

DiesmachtdieAbläuferelativkomplexundbürokratisch,

wasdenDatenaustauschüberdieKantonsgrenzenhin-

wegunnötigerschwert.

DieindividuelleGenomik,ProteomikoderMetabolomik

habeneinengrossenEinflussaufdieGesundheitvonMen-

schen.DeshalbwerdensieinZukunftnichtnurindiemedi-

zinische Behandlung einfliessen, sondern auch für die

KrankheitsvorbeugungundbeiderErhaltungderGesund-

heiteine immergrössereRollespielen,etwainFormvon

spezialisiertenMedikamentenoderalsVerhaltensregelnbei

erhöhtemKrebs-oderAlzheimerrisiko.UmdieVorteileder

Präzisionsmedizinvollumfassendnutzenzukönnen,bedarf

eseiner«digitalenKopiedesPatienten/derPatientin»mit

allengesundheitsrelevantenInformationen.Gesellschaftlich

stellensichFragenzumDatenschutzundzurDatensicherheit.

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Hier geht es zur Legende mit allen Icons und weiteren Erklärungen

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Fertigungsprozesse und Materialien

5G-Anwendungen 31

Analyse von Big Data 32

Augmented Reality 33

Blockchain 34

Connected Machines 36

Digitaler Zwilling 37

3D-Biodruck 69

Datensouveränität 81

Drohnen 38

Hochautomatisierte Fahrzeuge 39

Internet of Things 40

Kollaborative Robotik 41

Maschinelles Lernen 42

Mobile Roboter 43

Neuartige Internetarchitektur SCION 44

Optical Space Communication 45

Quantencomputing 46

Quantenkryptografie 47

Alternative Antriebssysteme für Fahrzeuge 49

Dezentrale Energiesysteme 50

Geothermie 51

Künstliche Photosynthese 52

Mobilitätskonzepte 53

Massenkultivierung von Stammzellen 72

Nachhaltige Lebensmittelproduktion 54

Medizinische Wearables 73

Photovoltaik 55

Medizinroboter 74

Recycling von seltenen Erden 56

Mikrobiota und Mikrobiome 75

Smart Grids 57

Personalisierte Ernährung 76

Zukünftige Energiespeicherung 58

Point-of-Care-Diagnostik 78

Synthetische Biologie 79

Additive Fertigung – Materialentwicklung 61

Additive Fertigung – Verfahren 62

Antimikrobielle Materialien 63

Bioplastik 64

Funktionale Fasern 65

Photonische Fertigung 66

Wärmeleitende elektrische Isolatoren 67

Alternative Proteinquellen 70

Digital Trust 82

Biokatalyse und Biosynthese 71

Digitale Welt

Energie und Umwelt

Life Sciences

Technik und Gesellschaft

Neu im Technology Outlook 2021 aufgenommene Technologien sind grau hinterlegt.

Abbildung links zeigt die Bedeutung der Technologie für die Schweiz und korrespondiert mit Abbildung 5 auf den Seiten 14 und 15.

Abbildung rechts zeigt die relative Häufigkeit von Social-Media-Posts analog zur Abbildung 3 auf Seite 10 (horizontale Achse: Schweiz; vertikale Achse: europäische Vergleichsländer).

Abbildungen im Kapitel «Technologien und Anwendungsgebiete»

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