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Tagesordnungspunkt 1: Antrag der Bundesregierung: Beteiligung be- waffneter deutscher Streitkrfte an dem Einsatz einer Internationalen Sicherheits- unterstützungstruppe in Afghanistan auf der Grundlage der Resolutionen 1386 (2001), 1383 (2001) und 1378 (2001) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen (Drucksache 14/7930) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20821 A in Verbindung mit Tagesordnungspunkt 2: Antrag der Abgeordneten Erika Reinhardt, Bernd Schmidbauer, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSU: Nothilfe für Afghanistan (Drucksache 14/7785) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20821 B Gerhard Schrder, Bundeskanzler . . . . . . . . . 20821 C Friedrich Merz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 20823 C Joseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . 20826 B Dr. Wolfgang Gerhardt FDP . . . . . . . . . . . . . 20828 B Roland Claus PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20829 D Tagesordnungspunkt 3: Beschlussempfehlung und Bericht des Aus- wrtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkrfte an dem Einsatz einer Internationalen Sicherheitsunterstützungs- truppe in Afghanistan auf der Grundlage der Resolutionen 1386 (2001), 1383 (2001) und 1378 (2001) des Sicherheitsrats der Ver- einten Nationen (Drucksachen 14/7930, 14/7936, 14/7937) 20831 A Dr. Peter Struck SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20831 B Volker Rühe CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 20833 A Rezzo Schlauch BNDNIS 90/DIE GRNEN 20835 C Ulrich Irmer FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20836 D Wolfgang Gehrcke PDS . . . . . . . . . . . . . . . . 20838 D Rudolf Scharping, Bundesminister BMVg 20840 C Paul Breuer CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 20842 B Rita Griehaber BNDNIS 90/DIE GRNEN 20844 A Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU 20845 B Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundes- ministerin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20847 A Hans-Christian Strbele BNDNIS 90/ DIE GRNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20849 A Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . 20849 C Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20850 A Nchste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20852 D Anlage 1 Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 20853 A Anlage 2 Erklrungen nach § 31 GO der Abgeordneten Winfried Hermann, Annelie Buntenbach, Steffi Lemke und Monika Knoche (alle BNDNIS 90/ DIE GRNEN) zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung und den Bericht zu dem Antrag der Bundesregierung: Beteiligung be- waffneter deutscher Streitkrfte an dem Einsatz Plenarprotokoll 14/210 Deutscher Bundestag Stenographischer Bericht 210. Sitzung Berlin, Sonnabend, den 22. Dezember 2001 Inhalt:

Deutscher Bundestagdipbt.bundestag.de/doc/btp/14/14210.pdf · einer Internationalen Sicherheitsunterstützungs-truppe in Afghanistan auf der Grundlage der Resolutionen 1386 (2001),

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Tagesordnungspunkt 1:Antrag der Bundesregierung: Beteiligung be-waffneter deutscher Streitkräfte an demEinsatz einer Internationalen Sicherheits-unterstützungstruppe in Afghanistan aufder Grundlage der Resolutionen 1386(2001), 1383 (2001) und 1378 (2001) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen(Drucksache 14/7930) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20821 A

in Verbindung mit

Tagesordnungspunkt 2:Antrag der Abgeordneten Erika Reinhardt,Bernd Schmidbauer, weiterer Abgeordneterund der Fraktion der CDU/CSU: Nothilfe fürAfghanistan (Drucksache 14/7785) . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20821 BGerhard Schröder, Bundeskanzler . . . . . . . . . 20821 CFriedrich Merz CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . 20823 CJoseph Fischer, Bundesminister AA . . . . . . . . 20826 BDr. Wolfgang Gerhardt FDP . . . . . . . . . . . . . 20828 BRoland Claus PDS . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20829 D

Tagesordnungspunkt 3:Beschlussempfehlung und Bericht des Aus-wärtigen Ausschusses zu dem Antrag derBundesregierung: Beteiligung bewaffneterdeutscher Streitkräfte an dem Einsatz einerInternationalen Sicherheitsunterstützungs-truppe in Afghanistan auf der Grundlageder Resolutionen 1386 (2001), 1383 (2001)und 1378 (2001) des Sicherheitsrats der Ver-einten Nationen(Drucksachen 14/7930, 14/7936, 14/7937) 20831 A

Dr. Peter Struck SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20831 B

Volker Rühe CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . 20833 A

Rezzo Schlauch BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 20835 C

Ulrich Irmer FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20836 D

Wolfgang Gehrcke PDS . . . . . . . . . . . . . . . . 20838 D

Rudolf Scharping, Bundesminister BMVg 20840 C

Paul Breuer CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . . . 20842 B

Rita Grießhaber BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 20844 A

Christian Schmidt (Fürth) CDU/CSU 20845 B

Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundes-ministerin BMZ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20847 A

Hans-Christian Ströbele BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20849 A

Namentliche Abstimmung . . . . . . . . . . . . . . . 20849 C

Ergebnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20850 A

Nächste Sitzung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20852 D

Anlage 1

Liste der entschuldigten Abgeordneten . . . . . 20853 A

Anlage 2

Erklärungen nach § 31 GO der AbgeordnetenWinfried Hermann, Annelie Buntenbach, SteffiLemke und Monika Knoche (alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstimmung über die Beschlussempfehlung und den Bericht zu demAntrag der Bundesregierung: Beteiligung be-waffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz

Plenarprotokoll 14/210

Deutscher BundestagStenographischer Bericht

210. Sitzung

Berlin, Sonnabend, den 22. Dezember 2001

I n h a l t :

einer Internationalen Sicherheitsunterstützungs-truppe in Afghanistan auf der Grundlage derResolutionen 1386 (2001), 1383 (2001) und1378 (2001) des Sicherheitsrats der VereintenNationen (Tagesordnungspunkt 3 a und b) . . . . . . . . . . 20854 B

Anlage 3Erklärungen nach § 31 GO der AbgeordnetenHarald Friese, Waltraud Wolff (Wolmirstedt),Rüdiger Veit, Klaus Barthel (Starnberg), Götz-Peter Lohmann (Neubrandenburg), Dr. ChristineLucyga, Thomas Sauer und Konrad Kunick (alleSPD) zur Abstimmung über die Beschlussemp-fehlung und den Bericht zu dem Antrag der Bun-desregierung: Beteiligung bewaffneter deutscherStreitkräfte an dem Einsatz einer InternationalenSicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistanauf der Grundlage der Resolutionen 1386(2001), 1383 (2001) und 1378 (2001) des Si-cherheitsrats der Vereinten Nationen (Tagesordnungspunkt 3 a und b) . . . . . . . . . . 20855 A

Anlage 4Erklärungen nach § 31 GO der AbgeordnetenHeinz Schmitt (Berg) und Dr. Edelbert Richter(beide SPD) zur Abstimmung über die Be-schlussempfehlung und den Bericht zu dem

Antrag der Bundesregierung: Beteiligung be-waffneter deutscher Streitkräfte an dem Ein-satz einer Internationalen Sicherheitsunterstüt-zungstruppe in Afghanistan auf der Grundlageder Resolutionen 1386 (2001), 1383 (2001)und 1378 (2001) des Sicherheitsrats der Ver-einten Nationen (Tagesordnungspunkt 3 a und b) . . . . . . . . . . . 20855 D

Anlage 5

Erklärungen nach § 31 GO zur Abstimmungüber die Beschlussempfehlung und den Berichtzu dem Antrag der Bundesregierung: Beteili-gung bewaffneter deutscher Streitkräfte andem Einsatz einer Internationalen Sicherheits-unterstützungstruppe in Afghanistan auf derGrundlage der Resolutionen 1386 (2001), 1383(2001) und 1378 (2001) des Sicherheitsrats derVereinten Nationen (Tagesordnungspunkt 3 a und b) . . . . . . . . . . . 20856 C

Wolfgang Börnsen (Bönstrup) CDU/CSU . . . 20856 D

Dr. Uwe Jens SPD . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20857 A

Jürgen Koppelin FDP . . . . . . . . . . . . . . . . . . 20857 C

Manfred Müller (Berlin) PDS . . . . . . . . . . . . 20857 D

Helmut Rauber CDU/CSU . . . . . . . . . . . . . . . 20858 A

Christa Reichard (Dresden) CDU/CSU . . . . 20858 D

Deutscher Bundestag � 14. Wahlperiode � 210. Sitzung. Berlin, Sonnabend, den 22. Dezember 2001II

Deutscher Bundestag � 14. Wahlperiode � 210. Sitzung. Berlin, Sonnabend, den 22. Dezember 2001

Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Liebe Kol-leginnen und Kollegen! Ich begrüße Sie zur �Sondersit-zung� des Deutschen Bundestages. Die Sitzung ist eröff-net.

Ich rufe die Tagesordnungspunkte 1 und 2 auf:

1. Beratung des Antrags der BundesregierungBeteiligung bewaffneter deutscher Streitkräftean dem Einsatz einer Internationalen Sicher-heitsunterstützungstruppe in Afghanistan aufder Grundlage der Resolutionen 1386 (2001),1383 (2001) und 1378 (2001) des Sicherheitsratsder Vereinten Nationen� Drucksache 14/7930 �Überweisungsvorschlag:Auswärtiger Ausschuss (f)RechtsausschussVerteidigungsausschussAusschuss für Menschenrechte und humanitäre HilfeAusschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent-wicklungHaushaltsausschuss gemäß § 96 GO

2. Beratung des Antrags der Abgeordneten ErikaReinhardt, Bernd Schmidbauer, Dr. Maria Böhmer,weiterer Abgeordneter und der Fraktion der CDU/CSUNothilfe für Afghanistan� Drucksache 14/7785 �Überweisungsvorschlag:Auswärtiger Ausschuss (f)RechtsausschussVerteidigungsausschussAusschuss für Menschenrechte und humanitäre HilfeAusschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Ent-wicklungHaushaltsausschuss

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung ist für dieAussprache heute Vormittag eine Dreiviertelstunde vor-gesehen. � Das Haus ist damit einverstanden. Es ist so be-schlossen.

Ich eröffne die Aussprache und gebe dem Bundes-kanzler Gerhard Schröder das Wort.

(Walter Hirche [FDP]: Er muss für den Vertei-digungs- und den Außenminister mit reden, dienicht anwesend sind!)

Gerhard Schröder, Bundeskanzler: Herr Präsident!Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe eineMeldung der dpa von heute Morgen vor mir liegen. Esheißt dort:

Kurz vor seiner Vereidigung hat der neue afghani-sche Übergangsregierungschef Hamid Karsai Afgha-nistan Frieden versprochen.

Er wird zitiert:

Ich möchte versprechen, dass ich Ihre und meineAufgabe erfüllen will, Afghanistan Frieden zu brin-gen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordnetendes BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Weiter:

Wir respektieren die Frauen, die die Hälfte unseresVolkes ausmachen, und wir geben ihnen ihre Rechte.

Das sind die Schlüsselsätze von Herrn Karsai, der heutein sein Amt eingeführt worden ist.

(Beifall im ganzen Hause � BundesministerRudolf Scharping nimmt auf der Regierungs-bank Platz � Friedrich Merz [CDU/CSU]: DerVerteidigungsminister kommt gerade herein! �Zurufe von der CDU/CSU: Oh!)

� Meine Damen und Herren, finden Sie nicht auch, dassdie Situation ein bisschen ernster ist, als Sie sich gegen-wärtig benehmen?

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten derPDS � Friedrich Merz [CDU/CSU]: Soll erdoch pünktlich sein!)

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210. Sitzung

Berlin, Sonnabend, den 22. Dezember 2001

Beginn: 10.30 Uhr

Dass es in Afghanistan eine Übergangsregierunggibt, hat auch mit dem zu tun, was in Deutschland auf demBonner Petersberg stattfand. Das, worüber wir heute ent-scheiden, hat auch mit dieser erfolgreichen Konferenz zutun. Wir entscheiden in einer Situation, in der der Friedenin Afghanistan wirklich näher gerückt ist.

(Bundesminister Joseph Fischer und Bundes-ministerin Renate Künast nehmen auf der Re-gierungsbank Platz � Michael Glos [CDU/CSU]: Halb elf ist eine schwierige Zeit! � Zu-rufe von der CDU/CSU: Oh! � WilhelmSchmidt [Salzgitter] [SPD]: Er kommt aus einerSitzung! � Lothar Mark [SPD]: Ihr seid dochnicht im Bierzelt!)

Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Das Worthat der Bundeskanzler.

Gerhard Schröder, Bundeskanzler: Es gehört fürviele zu den bitteren Wahrheiten in dieser Zeit, dass derFrieden in Afghanistan nur durch Krieg näher gerückt ist.Es gehört zu den Lehren der jüngeren deutschen Ge-schichte, die wir alle miteinander erlebt haben, dass pseu-doreligiös legitimierte und motivierte Gewalt durch de-mokratisch legitimierte Gegengewalt außer Kraft gesetztund überwunden werden musste.

Exakt das ist der Inhalt der Resolution 1368 der Ver-einten Nationen. Ich finde, es ist auch richtig, in dieser Si-tuation festzustellen, dass die Vereinten Nationen in denletzten Monaten eine wirklich beeindruckende Rolle ge-spielt haben.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten derCDU/CSU und der FDP)

Sie sind gestärkt worden. Das ist sicher Ergebnis des Wil-lens der Völkergemeinschaft. Das ist aber auch und vor al-lem Ergebnis einer behutsamen, klugen, aber gleichwohlentschiedenen Politik des VN-Generalsekretärs KofiAnnan.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten derCDU/CSU und der FDP)

Im Deutschen Bundestag ist über die Frage, ob es ver-antwortbar sei, sich an den Kriegshandlungen zu beteili-gen � in welcher Form auch immer �, wie nicht anders zuerwarten, sehr heftig gestritten worden. Es sind viele Ar-gumente ausgetauscht worden. Zum Beispiel wurde ge-sagt, dass Krieg immer auch Unschuldige trifft. Das istwahr. Aber das Problem, dem wir uns heute stellen müs-sen, ist: Die Abwesenheit von demokratisch legitimierterGewalt hat viel, viel mehr Unschuldige getroffen, hat sierechtlos gemacht, zumal Frauen und Mädchen. Dass dieseSituation überwunden werden konnte, hat mit der von unsverantworteten Entscheidung zu tun. In erster Linie hat esnatürlich mit den Entscheidungen, die in den VereinigtenStaaten getroffen worden sind, dann aber auch mit der vonuns gewährten Solidarität � nicht nur, aber auch in mi-litärischen Fragen � zu tun.

Krieg trifft Unschuldige. Das ist keine Frage. Aber dasBeispiel Afghanistan zeigt: Nur mithilfe militärischer Ge-walt konnte verhindert werden, dass auch in Zukunft Un-schuldige unendlich leiden müssen.

Es hat weitere Argumente gegeben. Man hat gesagt,man dürfe zur Konfliktlösung nicht in erster Linie auf dasMittel der Gewalt setzen, auch wenn man es gebrauchenmüsse. Wir haben das nicht getan. Während der kriegeri-schen Handlungen hat die Diplomatie, hat die Politik kei-neswegs geschwiegen. Das Beispiel der Petersberg-Kon-ferenz zeigt vielmehr: Wir waren aktiv und sind esgeblieben. Beides zusammen � die Bereitschaft, Gegen-gewalt einzusetzen, und die Absicht, dabei immer auchpolitische Lösungen im Auge zu haben und sie konse-quent zu verfolgen � hat den Erfolg gebracht; jeder Aspekteinzeln für sich hätte ihn nicht gebracht. Auch das ist eineLehre der Diskussion der letzten Monate.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die internationale Friedenstruppe ist also die Kon-sequenz politisch entschiedenen Handelns. Sie ist dieKonsequenz einer Solidarität, die ich � dabei bleibe ich �uneingeschränkt genannt habe, weil sie sich eben auch aufden Gebrauch militärischer Mittel bezog. Sie ist die Kon-sequenz dessen, was in den letzten Monaten an Möglich-keiten entwickelt und durchgesetzt worden ist.

Weil das so ist, ist die Entscheidung, um die ich heutedas ganze Haus bitten will, eine, die man in voller Ver-antwortung treffen kann. Ich denke, dass alle Punkte, diewir hinsichtlich des Mandats miteinander diskutiert ha-ben, so weit erfüllt sind, dass sich ein Ja von jedem Ein-zelnen rechtfertigen lässt.

Was waren die Erwartungen? Unter uns war immerklar � ich habe das in den Gesprächen mit den Partei- undFraktionsvorsitzenden immer deutlich gemacht �, dasswir ein robustes Mandat brauchen; also nicht eines nachKapitel VI, sondern nach Kapitel VII der UN-Charta, weilnur auf dieser Basis ein angemessenes Maß an Eigensi-cherheit und Aufgabenerfüllung möglich ist. Der Sicher-heitsrat der Vereinten Nationen hat dieser Position, dieauch immer die Position unserer Partner war, zugestimmt.

Es hat die Erwartung gegeben, dass das Mandat be-grenzt sein müsse, was den Einsatzort angeht. Nicht zu-letzt hat es diese Erwartung deshalb gegeben, weil wirvielfach erlebt haben, über welche Einsatzorte spekuliertworden ist.

(Michael Glos [CDU/CSU]: Von HerrnScharping!)

Das Mandat, dem zuzustimmen ich Sie heute bitte, be-zieht sich auf Kabul und Umgebung. �Umgebung� meintin erster Linie den einzig brauchbaren Flughafen. Auchinsoweit sind, denke ich, die Erwartungen vieler hier imHohen Hause erfüllt worden.

Es ist gefordert worden, das Mandat müsse zeitlich be-grenzt werden. Auch das geschieht. Man kann darüberstreiten, ob die sechs Monate eine zureichende Begren-zung sind. Aber das ist nun einmal Gegenstand desSicherheitsratsbeschlusses gewesen. Ich denke, wir soll-

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ten jetzt keine abstrakten Diskussionen über die Frageführen, ob sechs Monate ausreichen oder nicht, sonderndeutlich machen: Es handelt sich um ein von den Aufga-ben her, vom Einsatzort her und von der Zeit her be-grenztes Mandat.

Es ist vielfach diskutiert worden � auch in Afghanistanselbst, in der provisorischen Regierung �, wie groß dieseinternationale Truppe sein müsse. Da war von 1 000 Mannund von weit mehr die Rede. Mein Eindruck ist, dass jenemaximal 5 000, die jetzt ins Auge gefasst sind, in der Lagesein werden, ihre Aufgabe so zu erfüllen, dass ihre eigeneSicherheit wie auch die Sicherheit bei der Aufgabenerfül-lung gewährleistet werden kann.

In diesem Zusammenhang war in den Debatten hierimmer die Frage außerordentlich wichtig: Kann man dieAufgaben und die Führung der Friedenstruppe von dengebotenen weitergehenden Kriegshandlungen in Afgha-nistan trennen? Es gibt zwei Kommandostränge: einen,der nach wie vor die vorwiegend amerikanischen Einsätzeorganisiert und befehligt � also Centcom �, und einen an-deren, davon unabhängigen, der sich auf die Friedens-truppe und ihre Aufgaben bezieht. Es gibt eine klare Tren-nung zwischen beiden, was in diesem Haus quer durchalle Parteien immer wieder gefordert worden ist. Das istalso erreicht worden.

Dass es insbesondere für Gefahrensituationen, dienicht aus eigener Kraft beherrschbar sind, eine enge Zu-sammenarbeit geben muss, liegt auf der Hand. Auch dasist gewährleistet. Die Trennung ist also gewährleistet,aber Vorsorge für Gefahrensituationen ist gleichwohl ge-troffen worden. Auch insoweit � denke ich � ist die Ent-scheidung des Sicherheitsrates angemessen.

Was ist der deutsche Anteil? Im Antrag, der Ihnen vor-liegt und dem zuzustimmen ich Sie bitte, ist von maximal1 200 Einsatzkräften die Rede, wobei wir davon ausge-hen, dass wir nicht unbedingt alle brauchen werden. Wirwerden eher unter dieser Zahl bleiben, als dass wir sie er-reichen.

Meine Damen und Herren, wir haben immer miteinan-der und über die Parteigrenzen hinweg diskutiert und ge-fordert, das, was wir dort tun müssen und tun wollen, zueuropäisieren. Mir ist besonders wichtig, dass wir das indem Rahmen, in dem es objektiv möglich ist, erreicht ha-ben; jedenfalls haben wir uns dem angenähert. Teil desdeutschen Kontingents werden Einsatzkräfte aus denNiederlanden und aus Dänemark sein. Ganz weg sinddie Erinnerungen an das vorige Jahrhundert mit seinenKriegen ja noch nicht. Insofern glaube ich, dass es vordem Hintergrund unserer gemeinsamen Geschichte in Eu-ropa ein wirklicher Erfolg ist � den man auch deutlich ma-chen sollte �, dass deutsche, niederländische und dänischeTruppen gemeinsam in einem fernen Land für Friedensorgen. Das ist etwas, was wir nicht unterschätzen sollten.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN und der FDP sowie bei Abgeord-neten der CDU/CSU)

Meine Bitte ist also, dass Sie, meine Damen und Her-ren, dem Antrag zustimmen. Ich verbinde das mit meinemungeteilten Respekt, meiner Anerkennung und meinen

guten Wünschen für diejenigen, die auf der Basis unsererdemokratischen Entscheidung sehr bald in AfghanistanDienst tun müssen. Es ist kein einfacher Dienst � wir wis-sen das wohl �, aber es ist ein verantwortbarer Dienst, derim Interesse der Menschen in unserem Land ist und denwir deswegen beschließen sollten, weil wir ihn be-schließen müssen.

Ich will das mit dem Dank an die Soldaten verbinden,die im Zusammenhang mit den Beschlüssen zu �EnduringFreedom� oder auch auf dem Balkan ihren schwerenDienst tun. Sie tun das für uns alle. Deswegen gehört un-ser Respekt all denjenigen, die diesen schweren Diensttun. In diesem Sinne bitte ich um Zustimmung.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten derCDU/CSU und der FDP)

Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Ich erteiledas Wort dem Vorsitzenden der CDU/CSU-Fraktion,Friedrich Merz.

Friedrich Merz (CDU/CSU): Herr Präsident! Meinesehr geehrten Damen und Herren! Als wir uns vor dreiMonaten einig waren, dass gegen den internationalenTerror entschlossenes Handeln gefordert ist, haben wirnicht zu hoffen gewagt, dass es zum Ende des Jahres ge-lingen könnte, das Zentrum des Terrors in Afghanistanweitgehend zu zerstören und das Talibanregime zu besei-tigen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir können heute feststellen, dass vor allem unsereamerikanischen Freunde etwas fertig gebracht haben, wasviele ihnen nicht zugetraut haben. Sie haben mit Bedachtund Umsicht, aber auch mit Entschlossenheit und mitmassiver militärischer Kraft eine Operation vorbereitetund durchgeführt, die binnen sehr kurzer Zeit erfolgreichwar. Dafür sind wir den Amerikanern Dank schuldig;denn sie haben mit diesem Einsatz auch im Interesse un-seres Landes und unserer Sicherheit gehandelt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowiebei Abgeordneten der SPD und des BÜNDNIS-SES 90/DIE GRÜNEN)

Die Strategie der USA war richtig und sie ist unverän-dert richtig. Die al-Qaida ist weitgehend � jedenfalls inAfghanistan � zerschlagen. Die weltweite Antiterroral-lianz hat bis heute gehalten. Die internationalen Hilfs-organisationen haben endlich gesicherten Zugang zu Afghanistan. Die Lage der Flüchtlinge hat sich verbessert,auch wenn immer noch Tausende von Hunger und Tod bedroht sind.

Der Kampf gegen den Terror ist damit aber noch längstnicht beendet. Er ist in Afghanistan nicht beendet und er ist an vielen anderen Orten der Welt nicht beendet. Erwird Jahre dauern und er wird auch uns Deutschen nochmehr abfordern als den Transport von Wolldecken vonRamstein in die Türkei; denn viel mehr ist es bisher nicht

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gewesen, was Deutschland geleistet hat. Ich kritisiere dasnicht, Herr Bundeskanzler, auch wenn es aus der Rück-schau einigermaßen grotesk anmutet, dass darüber fastdas rot-grüne Bündnis zerbrochen wäre.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Nun wird heute � vermutlich jedenfalls � eine Fraktionin diesem Parlament erneut einem Einsatz nicht zustim-men: Das ist die PDS-Fraktion.

(Michael Glos [CDU/CSU]: Koalitionspartner!)

Dies wäre der besonderen Erwähnung nicht wert, wennnicht zum gleichen Zeitpunkt, zu dem wir heute einenBundeswehreinsatz entscheiden

(Widerspruch bei Abgeordneten der SPD)

� ich weiß, dass Ihnen das nicht gefällt �, Ihre Partei, HerrBundeskanzler, eine Koalition mit dieser PDS in Berlineingehen würde � genau zum selben Zeitpunkt.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP �Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: KleineMünze!)

Sie, Herr Bundeskanzler, haben von Paris aus � bezeich-nenderweise in einer französischen Zeitung � erklärt, dasses nicht Ihr Wunsch sei, dass diese Koalition eingegangenwird. Das mag man glauben oder nicht. Aber die Tatsache,dass das zum selben Zeitpunkt geschieht, schadet demAnsehen unseres Landes und Ihrer Glaubwürdigkeit, HerrBundeskanzler.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Heute geht es darum, dem über Jahrzehnte geschun-denen Land Afghanistan und seinen Menschen eine Perspektive des Friedens und der Stabilität aus eigenerKraft zu eröffnen.

(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Gut,dass Sie zum Thema kommen!)

Die Übergangsregierung in Kabul, die heute ihre Arbeitaufnehmen soll, braucht Hilfe. Sie braucht sie gegen dievielen Tausend Gegner im eigenen Land, etwa gegen diegroße Zahl der Talibankämpfer, die noch nicht gefasst undentwaffnet sind, sowie gegen Straßenbanden und Fana-tiker. Die Friedenstruppe ist also in Afghanistan nur be-grenzt willkommen. Das müssen wir wissen. Das müssenaber vor allem unsere Soldaten wissen.

Der Aufbau einer zivilen Regierung und einer zivilenVerwaltung wird lange dauern und wird viel Kraft kosten.Die internationale Staatengemeinschaft hat sich dieserVerantwortung gestellt und mit dem UN-Mandat einevölkerrechtlich einwandfreie Grundlage für eine interna-tionale Sicherheitsunterstützungstruppe geschaffen.

Wir werden dem Antrag, den die Bundesregierungheute gestellt hat und der vorsieht, dass wir uns mit bis zu1 200 Bundeswehrsoldaten an dieser Truppe beteiligen,heute Nachmittag zustimmen. Ich will Ihnen, Herr Bun-deskanzler, allerdings nicht verhehlen, dass uns die Zu-stimmung außergewöhnlich schwer fällt.

(Zurufe von der SPD)

� Bitte, Sie wollen sie doch haben. Wenn man sich IhreReihen anschaut, dann stellt man fest, dass nicht nur diePairingpartner, sondern auch eine ganze Reihe anderer of-fensichtlich fehlen.

(Widerspruch bei der SPD)

Sie hätten ohne unsere Zustimmung die Mehrheit imDeutschen Bundestag nicht. Deswegen bitte ich Sie da-rum, dass Sie sich mit Ihren Zwischenrufen etwas zurück-halten.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich möchte Ihnen auch die Gründe sagen, warum esuns schwer fällt, dem Antrag der Bundesregierung zuzu-stimmen. Schon die Vorbereitung der Entscheidung desSicherheitsrates der Vereinten Nationen hat ein fatalesLicht vor allem auf die Europäer geworfen. Offensicht-lich sind sich die drei großen europäischen Nationen,nämlich Frankreich, Großbritannien und Deutschland,über die Ausformulierung des Mandats bis zum Schlussnicht einig gewesen. Von einer gemeinsamen Politik derEuropäer in der UNO, von einer gemeinsamen europä-ischen Außen- und Sicherheitspolitik war in diesem Zu-sammenhang nichts, aber auch gar nichts zu spüren.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Welchen Sinn, Herr Bundeskanzler, machen eigentlichalle Beschlüsse über eine europäische Eingreiftruppe,wenn man noch nicht einmal politisch Einigkeit darübererzielen kann, wie ein solches Sicherheitsmandat ausse-hen soll, wer es wie lange führen soll, wer wie viele Trup-penanteile stellen soll und wie lange der Einsatz über-haupt dauern soll?

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Die Europäische Union hat erneut praktisch keine Rollebei dieser für Afghanistan, aber auch für uns in Europa sowichtigen Aufgabe gespielt.

Ich weiß, es ist heute nicht der Tag, um über Europa zusprechen. Aber ich möchte doch wenigstens unserer Sorgedarüber Ausdruck verleihen, dass die Europäische Unionvon Anfang an, seit dem 11. September, bis heute auchnicht annähernd die Gemeinsamkeit aufgebracht hat, dieihrer Größe, ihrer Leistungsfähigkeit und vor allem ihremeigenen politischen Anspruch entspricht.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-neten der FDP)

Es stellen sich eine Reihe von anderen und zum Teil bisjetzt nicht oder nur unzureichend beantworteten Fragen:Wie wird die Frage der �lead nation� beantwortet, wenndie Briten nach drei Monaten gehen? Ist es sicher, dassdann etwa die Türkei das Kommando übernehmen wird?Wird der Grundsatz �Zusammen rein und zusammenraus� von allen beteiligten Nationen eingehalten? Ist ge-währleistet, dass ausreichende Rettungs- und Transport-kapazitäten zur Verfügung stehen, wenn sich die Lage zuspitzt? Wie sind die Kommandostrukturen? Wie ist � dies ist besonders wichtig � die Kooperation mit denamerikanischen Kampftruppen geregelt? Es heißt ja, eshandele sich um �distinct operations�, aber �Enduring

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Freedom�, also das amerikanische Kommando, besitzeim Konfliktfall �authority�. Was heißt das konkret?

Meine Damen und Herren von der Koalition, mit die-sem Einsatzbeschluss, den die Regierung uns heute vor-gelegt hat, ist wohl die Grenze zur Überforderung derBundeswehr und ihrer Soldaten endgültig erreicht, wennnicht schon überschritten.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Dieser Einsatz macht auf erschreckende Weise deutlich,was in den letzten Jahren versäumt wurde, um die Bun-deswehr auf die Aufgaben, die ihr gestellt wurden � �

(Dr. Peter Struck [SPD]: Das ist ja ein Ding!Verteidigungsminister Rühe! � Weitere Zurufevon der SPD)

� Ich habe mit diesen Zwischenrufen gerechnet. Der Bun-deskanzler hat der �Süddeutschen Zeitung� ein Interviewgegeben � es ist heute abgedruckt � und sich zu diesemSachverhalt wie folgt geäußert:

Der Satz von der chronischen Unterfinanzierung derBundeswehr bezieht sich auf einen längeren Zeit-raum als nur auf diese Regierung und er ist nach un-seren Maßnahmen nicht mehr gerechtfertigt.

(Lachen des Abg. Dr. Wolfgang Gerhardt[FDP])

Herr Bundeskanzler, ich frage Sie: Was ist das eigentlichfür eine Logik?

(Michael Glos [CDU/CSU]: Hybris!)

Sie gestehen zu, dass es eine Unterfinanzierung der Bun-deswehr gibt. Dann entziehen Sie ihr 18,6 Milliarden DMund sagen, jetzt sei die Unterfinanzierung nicht mehr vor-handen. Was ist das eigentlich für eine Logik, mit der Sieuns hier hinters Licht führen wollen?

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Meine Damen und Herren, da halten Sie sich mit solchenZwischenrufen zurück!

Heute wird erneut deutlich, dass Sie der Bundeswehrnoch nicht einmal das zur Verfügung stellen wollen, wasSie selbst mit der Bundeswehrreform beschlossen haben.

In diesem Zusammenhang sage ich Ihnen auch Fol-gendes: Es mag ja sein, dass Sie Gründe haben, Ihren Ver-teidigungsminister im Amt zu belassen.

(Michael Glos [CDU/CSU]: Keiner kennt dieGründe mehr!)

Aber wenn Sie dem Land solche Peinlichkeiten wie die inden letzten Tagen weiter zumuten, dann wird das die Au-torität nicht nur Ihrer Regierung, sondern auch die desganzen Landes im Bündnis gefährden.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie beiAbgeordneten der FDP)

Herr Bundeskanzler, ersparen Sie uns und anderen dieFortsetzung dieser Peinlichkeiten! Nehmen Sie ihn überden Jahreswechsel in aller Stille aus dem Amt! Lassen Sieihn lange in die Karibik fahren! Sorgen Sie dafür, dass ein

Verteidigungsminister ins Amt kommt, der Autorität undAnsehen auch bei den Soldaten der Bundeswehr genießt!

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP �Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Merkwür-dige Art, diese Debatte zu führen!)

Damit aus dem, was ich kritisch zur Ausstattung derBundeswehr sage, kein Missverständnis entsteht: Dies istkeine Kritik an den Soldaten.

(Widerspruch bei Abgeordneten der SPD)

� Entschuldigung! Auch das mag Ihnen nicht gefallen,aber unsere Soldaten haben in den letzten Jahren, insbe-sondere im zu Ende gehenden Jahr 2001, weit überdurch-schnittliche Leistungen vollbracht, insbesondere in denAuslandseinsätzen, in die wir sie geschickt haben.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP �Detlev von Larcher [SPD]: Sie haben eine bes-sere Opposition verdient!)

� Das mit der besseren Opposition können Sie im nächs-ten Jahr selbst probieren, Herr Kollege. Dann sind Siedran, Opposition zu machen.

(Beifall bei der CDU/CSU � Detlev vonLarcher [SPD]: Machen Sie sich keine Hoff-nungen!)

Unsere Soldaten haben wirklich höchste Anerkennungverdient. Sie und ihre Familien verdienen es aber auch,dass der Dienstherr seiner Fürsorgepflicht ihnen gegen-über gerecht wird.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Die Verantwortung dafür nimmt Ihnen, Herr Bundes-kanzler, das Parlament mit seiner Zustimmung heute,wenn sie denn erteilt wird, nicht ab. Sie als Bundeskanzlertragen auch dann noch die Verantwortung dafür, dass al-les, aber auch wirklich alles getan wird, um unsere Solda-ten im Einsatz bestmöglich zu schützen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Der Einsatz in Afghanistan ist mit erheblichen Risi-ken verbunden. Nach Bosnien, dem Kosovo und Maze-donien ist es jetzt endgültig an der Zeit, dass Sie, HerrBundeskanzler, Ihre Politik korrigieren, Ihre Bundes-wehrplanung gründlich überarbeiten und neu ausrichten.Der Bundeswehr fehlen schon heute rund 7 000 Unterof-fiziere und Feldwebel. Die Zusage, dass Soldaten bei Aus-landseinsätzen maximal sechs Monate in der Auslands-verwendung und anschließend zwei Jahre ohne einesolche Auslandsverwendung sind, kann bei einer immergrößer werdenden Zahl von Soldaten aller Dienstgradenicht mehr eingehalten werden.

Herr Bundeskanzler, Sie können spätestens nach demheutigen Beschluss den Fragen nicht mehr ausweichen,die wir Ihnen seit Ihrem Amtsantritt seit drei Jahren stel-len � ich will sie zusammenfassen �: Welche regionalenund globalen strategischen Aufgaben sind Europa und vorallem der Europäischen Union gestellt? Welchen Beitragwill und kann Deutschland im Rahmen einer europäischenAußen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik dazu leis-ten? Was sind die realistischen Kosten eines solchen

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deutschen Beitrags und wie bringen wir sie auf? Schließ-lich: Welche Perspektiven und welche Sicherheit habenunsere Soldaten in Zukunft in ihrem Beruf?

Auf diese Fragen, Herr Bundeskanzler, müssen SieAntwort geben. Dem können Sie nicht ausweichen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Ich sage deshalb noch einmal: Mit dem heutigen Be-schluss ist endgültig die Zeit für eine Wende in der Poli-tik für die Bundeswehr gekommen. Wenn Sie sich dieserHerausforderung mit einer Kurskorrektur in Ihrer bisheri-gen Politik nicht stellen, wenn Sie die Bundeswehr wei-terhin in immer mehr internationale Einsätze schickenund ihr dafür immer weniger Geld zur Verfügung stellen,dann werden Sie, Herr Bundeskanzler, und Ihre Regie-rung der gewachsenen internationalen Verantwortung un-seres Landes ebenso wenig gerecht wie der Pflicht, denSoldaten der Bundeswehr ein fürsorgender und verant-wortlicher Dienstherr zu sein.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der FDP)

Wir stimmen dem Einsatz der Bundeswehr heuteNachmittag trotz all unserer Bedenken � sie sind in denletzten Tagen nicht kleiner geworden � zu. Wir stimmenzu, weil wir dem afghanischen Volk, den Menschen undvor allem den vielen Hunderttausend Kindern in diesemLand, helfen und ihnen eine Perspektive geben wollen.Wir stimmen aber auch zu, weil Sicherheit in Afghanistanauch ein Beitrag zum Schutz unseres Landes vor terroris-tischen Anschlägen fanatischer Extremisten ist.

Wir wünschen unseren Soldaten eine gute und vor al-lem eine gesunde Heimkehr. Unsere Soldaten und ihre Fa-milien sollen wissen, dass wir, die Abgeordneten desDeutschen Bundestages, diese Entscheidung heute, zweiTage vor dem Weihnachtsfest, hier, in Berlin, nach sorg-fältiger und gewissenhafter Prüfung treffen. Wir treffensie, weil wir damit gemeinsam auch einen Beitrag zur Si-cherheit in Deutschland leisten.

Herzlichen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der CDU/CSU � Beifall bei der FDP)

Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Ich erteiledas Wort dem Bundesaußenminister Joseph Fischer. Erspricht gleichzeitig für die Fraktion des Bündnisses 90/Die Grünen.

Joseph Fischer, Bundesminister des Auswärtigen:Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Vor wenigenStunden wurde in Kabul die Übergangsregierung verei-digt.

(Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Da warenSie noch nicht da, da hat der Bundeskanzler dasverkündet! � Weitere Zurufe von der CDU/CSU)

� Ich hätte große Lust, auch auf das einzugehen, was derKollege Merz und was Sie gesagt haben. Angesichts einer

solchen Entscheidung fand eine Fraktionssitzung statt, beider der zuständige Minister � bei seiner eigenen Frak-tion � entsprechend präsent war. Wenn Sie daraus so et-was machen, dann scheinen Ihre Argumente wirklich sehrdürftig zu sein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENund bei der SPD)

Angesichts der historischen Situation für Afghanistanmöchte ich heute bewusst keine innenpolitische Rede hal-ten. Wir treffen heute auch keine innenpolitische Ent-scheidung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENund bei der SPD)

Das werden wir im nächsten Jahr zu tun haben.

Es ist eine historische Situation. Nach 23 Jahren Inva-sion, Krieg und Bürgerkrieg hat Afghanistan seit heuteeine neue Chance. Es gab bewegende Bilder. Das, was ge-schehen ist, war erst der Beginn. Vor dem Land, vor denMenschen in Afghanistan, aber auch vor der internationa-len Gemeinschaft liegt noch eine schwierige und gefähr-liche Wegstrecke. Nach 23 Jahren, die von Invasion,Krieg und Bürgerkrieg sowie einem humanitären De-saster geprägt waren, das die Weltöffentlichkeit kaum zurKenntnis genommen hat und das sich seit Jahrzehnten je-den Winter wiederholt hat, besteht jetzt die große Chance,diesen Krieg bzw. Bürgerkrieg dauerhaft zu beenden. Ichfinde, dieses verdient nun wirklich alle Unterstützung.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENund bei der SPD)

Was mich ganz besonders freut, ist, dass dieses Datumauch mit dem Namen der Stadt Bonn verbunden ist, näm-lich mit der Vereinbarung, die auf dem Petersberg getrof-fen wurde. Für uns ist es nicht nur deswegen von großerBedeutung, weil die Petersberg-Konferenz hier war,sondern auch, weil es die Rolle der Vereinten Nationen imbeginnenden 21. Jahrhundert klar macht.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENund bei der SPD)

Die Vereinten Nationen werden dieses Land nicht anstelleder Afghanen regieren und befrieden können, aber sie sinddie entscheidende Garantie-Institution für diesen Prozess.

Ich stimme den Vorrednern, dem Bundeskanzler, aberauch Ihnen, Herr Merz, und all denen zu, die zu Recht da-rauf hinweisen, dass wir ohne die militärische Zerschla-gung der terroristischen Strukturen von al-Qaida, ohneBeseitigung des Talibanregimes heute nicht diese Situa-tion hätten, sondern die humanitäre Katastrophe auch inden kommenden Jahren und die schweren Menschen-rechtsverletzungen und vor allen Dingen die Unter-drückung der Rechte der Frauen und Mädchen imwahrsten Sinne des Wortes weiter angedauert hätten. Dasmuss man der Ehrlichkeit halber ebenfalls hinzufügen.

Dieser Kampf gegen den internationalen Terrorismus� auch darauf wurde bereits hingewiesen � ist noch nichtbeendet. Dennoch geht es bei dem heutigen Mandat umeine Friedensmission. Es geht nicht darum � ich habe dasbereits gesagt �, anstelle der Afghanen zu handeln. Anders

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als im Kosovo wird es darauf ankommen, von Anfang andie Übergangsregierung instand zu setzen, Sicherheit zugewährleisten. Insofern handelt es sich hier um eine robu-ste Mission, um eine Mission, die eindeutig unterstützensoll und Frieden bzw. die Herstellung des inneren Friedenszum Gegenstand hat, also um eine Friedensmission.

In diesem Zusammenhang haben Sie, Herr Merz, kriti-sche Anmerkungen, die ich verstehe, zur Rolle Europasgemacht. Das ist die Pflicht der Opposition. Sie kann daauch freier sprechen.

(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Das ist wahr!)

� Das bestreite ich ja auch gar nicht. � Es ist nur nicht rich-tig, dieses bei der Bundesregierung abzuladen.

(Zustimmung bei der SPD)

Das wissen Sie und auch Ihre Kollegen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENund bei der SPD)

Dazu kann ich Ihnen nur sagen: Wir diskutieren ja jetztnach Laeken im Zusammenhang mit der Zukunft Europasüber einen Verfassungsprozess.

Selbstverständlich hat der 11. September sehr klar ge-macht, dass die Europäische Union bisher nicht daraufvorbereitet ist, Entscheidungen über Krieg und Frieden zutreffen. Selbstverständlich hätten wir uns einen stärkereneuropäischen Ansatz gewünscht. Die Bundesregierung,insbesondere Bundeskanzler Schröder, hat von Anfangan � ich habe das hier schon mehrmals erläutert � daraufgedrungen, dass Europa hier stärker sichtbar wird. Nichtumsonst ist es ein deutscher Diplomat, der die EuropäischeUnion in Afghanistan als Sonderbeauftragter unter JavierSolana repräsentieren wird. Auch das macht unsere euro-päische Überzeugung klar. Wir waren nämlich der Mei-nung, dass die Europäische Union sichtbar handeln muss.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENund bei der SPD)

Hier gibt es auch einen engen Zusammenhang zur Verfas-sungsdebatte.

Es macht aber auch klar, wie wichtig es ist, dass sichdie Bundesrepublik Deutschland engagiert. Das istnicht nur eine Frage der humanitären Hilfe, das ist nichtnur eine Frage unserer Verpflichtung gegenüber den Ver-einten Nationen. Es ist nicht nur eine Frage der Bezie-hungen zu Afghanistan, sondern es ist auch eine ganz zen-trale europapolitische Frage, dass sich Deutschland indiesen Fragen gemeinsam mit seinen Partnern engagiert.Deswegen ist es sehr wichtig, dass die Niederländer unddie Dänen gemeinsam mit unseren Soldaten, wenn derBundestag dem zustimmt, an dieser Friedensmission derVereinten Nationen in Afghanistan teilnehmen werden.

Meine Damen und Herren, der Bundeskanzler hatdas Mandat bereits dargestellt. Es ist ein Mandat nachKap. VII der UN-Charta. Der Auftrag ist als Stabilisie-rung der Übergangsregierung klar definiert. Alleinseine Größenordnung lässt anderes nicht zu. Anderes istauch nicht intendiert. Der entscheidende Punkt ist dasVertrauen zwischen den Bürgerkriegsparteien, die jetztgemeinsam � nach einem langen Bürgerkrieg und

großem Misstrauen � in diese Regierung eintreten unddiese Regierung zu einem Handlungsinstrument der Be-friedung und des inneren Wiederaufbaus Afghanistansmachen sollen und machen müssen. In Kabul und Um-gebung muss man eine entsprechende Sicherheitsunter-stützungskomponente präsent haben. Das ist der Auftrag.

Es handelt sich hierbei um die Umsetzung des Peters-berg-Abkommens. Entsprechend steht es auch in der Re-solution des Sicherheitsrates geschrieben. Die räumlicheBegrenzung ist damit definiert. Die zeitliche Begrenzungsetzt eine Obergrenze von sechs Monaten. Die Fragen, dieSie hier gerade gestellt haben und die wir auch im Aus-schuss diskutiert haben, kann ich Ihnen insoweit beant-worten, als wir durchaus bereit gewesen wären, eine län-gere Perspektive ins Auge zu fassen, aber anerkennenmüssen, dass der Sicherheitsrat so beschlossen hat, wie erbeschlossen hat. Das heißt, zwischen dem Wünschbarenund dem, was durchsetzbar war, gibt es, wie oft in der Po-litik, in der Tat entsprechende Differenzen.

(Zuruf von der CDU/CSU: Tatsächlich?)

Die Frage �Was folgt auf die britische Lead-Funk-tion?�, die Sie gerade gestellt haben, ist eine Frage, dieweiter diskutiert werden muss. Es gibt noch keine diesbe-zügliche Entscheidung. Die Frage des �Gemeinsam reinund gemeinsam raus� wird sehr sorgfältig im Lichte des-sen, wo wir nach den sechs Monaten stehen, abzuwägensein. Dieser Aspekt wird die entsprechende Diskussionvermutlich schon vor Ablauf dieser sechs Monate sehrstark bestimmen.

(Zurufe von der CDU/CSU)

� Ich kann Ihnen nur Folgendes versichern: Wir haben einen Mandatsentwurf vorgelegt. Die Bundesregierunghat einen Kabinettsbeschluss herbeigeführt, in dem wirvon einer Dauer von sechs Monaten � bis spätestens zum20. Juni 2002 � ausgehen. Das ist unsere Position. Aberhier bestehen noch � um diesen Punkt möchte ich nichtherumreden � schwierige Fragen, die weiterhin zu disku-tieren sind.

Ich kann Ihnen nur sagen: Im Zusammenhang mit Mazedonien führten wir eine ähnliche Diskussion.

(Dr. Peter Struck [SPD]: Richtig!)

Wenn ich mir heute anschaue, wo wir in Mazedonien ste-hen, dann können wir doch alle gemeinsam sagen: Sorichtig und wichtig es ist, dass diese Fragen immer wiedergestellt werden müssen � damit ich hier nicht missver-standen werde: Darüber will ich mich überhaupt nicht be-schweren �,

(Michael Glos [CDU/CSU]: Sie würden sichja nur in Ihrer Fraktion beschweren!)

genauso richtig und wichtig ist es, heute festzustellen,dass wir mit den zwei Mandaten in Mazedonien nun wirk-lich einen Erfolg erreicht haben, und zwar mit einerpräventiven Politik unter Einschluss einer entsprechendenFriedenskomponente.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENund bei der SPD � Michael Glos [CDU/CSU]:Nur, weil wir ihnen zugestimmt haben!)

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Meine Damen und Herren, dasselbe gilt für die klareTrennung der Missionen. Es handelt sich eindeutig umzwei getrennte Missionen. Der Brief des britischenAußenministers macht sehr klar, dass es im Zusammen-hang mit der Luftraumkontrolle, mit der logistischen Un-terstützung und mit einer hoffentlich nicht eintretenden,aber durchaus denkbaren Situation des Entsatzes zu einerentsprechenden Koordination kommen muss und dass eshier auch eine Letztentscheidung geben muss. Im Lichtedessen, was er, als Bestandteil der Sicherheitsratsresolu-tion, an die Vereinten Nationen geschrieben hat, ist dies,wie ich finde, eine sehr gute Lösung, die wir als Bundes-regierung auch voll unterstützt haben.

Meine Damen und Herren, ich habe vorhin darauf hin-gewiesen, dass für Afghanistan heute ein besonderer Tagist. Ich sage nicht, dass diese Chance zum Frieden nach23 Jahren von selbst Realität wird. Ich sage nicht, dass inAfghanistan nicht große Risiken, auch in der Umsetzungdieses Mandats, vor uns liegen. Aber ich sehe es als dieeinzige Chance an, diesem gequälten, durch Krieg undBürgerkrieg zerstörten Land auf dem Weg zum innerenFrieden und zur Stabilisierung der gesamten Region, ei-ner sehr gefährlichen Region, zu helfen.

Deswegen möchte auch ich Sie um Zustimmung zudiesem Mandat bitten. Unsere Soldaten werden, wenn derBundestag zustimmt, gemeinsam mit unseren Partnern inEuropa und in der Welt eine Friedensmission beginnen.Dies werden sie im Auftrag der Vereinten Nationen undder Humanität tun. Zu Beginn wird es ein sehr riskanterund schwieriger Einsatz werden. Ich bitte Sie also auchfür die Soldaten, die vermutlich in diesen Einsatz gehenwerden, um Ihr Vertrauen und um eine breite Zustim-mung.

Vielen Dank.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENund bei der SPD)

Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Das Worthat der Vorsitzende der FDP-Fraktion, Dr. WolfgangGerhardt.

Dr. Wolfgang Gerhardt (FDP): Herr Präsident!Meine Damen und Herren! Ja, das ist ein großer Tag fürAfghanistan. Er gibt den Menschen dort, insbesondereden Frauen, die Menschenwürde zurück.

Ich kann meine Rede aber nicht beginnen, ohne mireine Bemerkung zu all dem ethisch aufgeblasenenSprachgewirr zu erlauben, das uns in den letzten Wochenbegleitet hat. Was haben eigentlich die zu dieser Entwick-lung beigetragen, die einen Stopp der Kampfhandlungengefordert haben?

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Wo ist eigentlich die Ethik derer, die das alles nicht woll-ten und die heute gerne dabei sind, nachdem andere dieseschwierige Arbeit übernommen haben? Das muss heuteMorgen im Deutschen Bundestag vorgetragen werden.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Herr Bundeskanzler und Herr Bundesaußenminister,eine etwas stärkere Präsenz der Regierungskoalitiondürfte heute Vormittag gewünscht sein. Auch das mussfestgestellt werden.

(Dr. Peter Struck [SPD]: Das ist ja Unsinn, wasSie sagen! � Joachim Poß [SPD]: Wo ist HerrWesterwelle, Herr Gerhardt? Sagen Sie dasdoch mal!)

Wir schicken Soldaten in einen Einsatz. Sie sollten auchsehen, dass wir Abgeordnete diesen Einsatz ernst nehmen.

Die deutsche Bundeswehr leistet eine hervorragendeArbeit. Diese leistet sie nicht erst seit heute. Die deutscheBundeswehr hat in Zeiten des Kalten Krieges den Friedengesichert. Sie hat in der Zeit der Wiederherstellung derdeutschen Einheit eine gewaltige Integrationsleistungvollbracht.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Sie hat sich in Südosteuropa tastend und schrittweise ininternationalen Einsätzen mit hohem Ansehen vorgear-beitet.

Verehrte Kolleginnen und Kollegen, wer nicht aus-schließlich mit einer Sichtblende in die deutsche Vergan-genheit des letzten Jahrhunderts zurückblickt, der musswissen � das ist ein Lob �, dass deutsche Soldaten welt-weit hohen Respekt genießen, gewünscht werden und an-erkannt sind. Ihnen gebührt unser ausdrücklicher Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU sowiebei Abgeordneten der SPD)

Die Bundeswehr ist eine großartige Armee. Sie leidetaber erkennbar unter einer miserablen politischenFührung.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU �Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: KommenSie doch einmal zur Sache!)

Das ist nicht ein Argument, das eine Opposition pflicht-gemäß vortragen würde. Ich gehe jede Wette ein: VomBundeskanzler bis zum letzten Regierungsmitglied aufder Regierungsbank wissen alle � sie spüren es und be-kommen es täglich aus den eigenen Reihen gesagt �: Werdie Bundeswehr auf hohem Niveau halten will, der musssie haushaltsmäßig gut ausstatten und muss die politischeFührung auswechseln. Das ist das Gebot der Stunde.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Der Bundesaußenminister hat wie auch der Bundes-kanzler zu Recht gewürdigt, dass der Sicherheitsrat derVereinten Nationen mandatiert hat. Das entspricht einertiefen Überzeugung der Bundestagsfraktion der FDP. Wirsollten uns darum bemühen, dass es auch in Zukunft sobleibt, dass die Vereinten Nationen der Ort des Gewalt-monopols sind und bleiben.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordnetender CDU/CSU)

Aber das bedarf gewaltiger Anstrengungen.

Das sagen wir im Übrigen auch unseren amerika-nischen Freunden: Wir hätten uns gewünscht, dass die

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Amerikaner schon früher ihre Beiträge an die UN gezahlthätten.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Wir haben nicht erst dann die UN als Institution erkannt,als der Friedensnobelpreis dem Generalsekretär verliehenworden ist. Amerika ist die einzig verbliebene Super-macht; das ist richtig. Aber eine Supermacht brauchtVerbündete. Kraft allein reicht nicht aus. Das muss auchunter Freunden gesagt werden.

Die NATO, die der Bundesaußenminister gewürdigthat, hat sich aus der alten bipolaren Welt heraus in eineneue sicherheitspolitische Wertegemeinschaft entwickelt.Ich sage aber, an alle NATO-Mitglieder gerichtet: Dannmuss man die NATO auch wollen und muss NATO-ge-führte Operationen machen. Die NATO ist kein Selbstbe-dienungsladen für Eventualfälle. Sie ist ein Bündnis, dasgemeinsam führen muss und das gemeinsam gebrauchtwird.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Wenn es für die deutsche Bundesregierung seit demSüdosteuropakonflikt eine Erkenntnis gibt, dann die, dasswir dringend eine europäische Sicherheits- und Verteidi-gungsidentität und -politik brauchen. Wir brauchen die�European Rapid Reaction Force�, die schon beschlossenworden ist. Vor der nächsten Wahl zum Europaparlamentsollte die Bundesregierung alle Anstrengungen unter-nehmen, diese Kräfte aufzubauen und haushaltsmäßigabzusichern. Das muss glaubwürdig geschehen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordnetender CDU/CSU)

Der Bundeswehr fehlen die notwendige Logistik undTransportmittel. Der Einsatz akrobatischer Finanzierungs-instrumente sollte unterlassen werden. Wenn Transport-kapazität benötigt wird, sollten die dafür notwendigenMittel im Haushalt ausgewiesen werden, sollte also eineklare Finanzierung erfolgen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU �Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Was hatdas mit Afghanistan zu tun?)

Wir signalisieren zum Mandat der UNO Zustimmung.Wir bezweifeln, ob die vorgesehene Dauer von sechs Mo-naten ausreicht. Der Sicherheitsrat der Vereinten Natio-nen hat jedoch � klug genug � beschlossen, das Mandat,wenn es notwendig sein sollte, verlängern zu können. Wirhaben auch Bedenken, ob ein Einsatz allein im RaumKabul ausreicht.

(Dr. Peter Struck [SPD]: Was? Soll es mehrsein?)

Wir müssen der neuen Regierung in Afghanistan dieChance geben, eine eigene Autorität zu entwickeln unddie Verantwortung in ihrem Land zu übernehmen.

(Beifall bei der FDP)

Die Bundesrepublik Deutschland sollte die Rolle der�lead nation� nicht anstreben. Wir sollten uns allerdingsdavor hüten, uns kleiner zu machen, als wir sind. VonDeutschland wird international ein bestimmter Beitrag er-

wartet; diesen kann es auch leisten. Deshalb wird meineFraktion Wert darauf legen, frühzeitig von der Bundes-regierung informiert zu werden, wie es nach der �lead nation� Großbritannien weitergehen soll.

(Beifall bei Abgeordneten der FDP)

Wir müssen uns heute in dieser Hinsicht nicht festlegenund Ja oder Nein dazu sagen. Wenn sich Aufgaben stellen,dann stellen sie sich.

(Joachim Poß [SPD]: Das ist ja eineErkenntnis!)

Die Bundeswehr kann solche Aufgaben bewältigen. Nur,wir sollten uns dabei nicht vordrängen.

Die Bundestagsfraktion der FDP stimmt dem Einsatzdeutscher Soldaten in Afghanistan zu. Sie übernehmendort eine verantwortungsbewusste Aufgabe. Sie haben an-dernorts bewiesen, dass sie solche Aufgaben übernehmenkönnen. Wir wünschen ihnen bei der Bewältigung dieserAufgabe Erfolg. Wir wünschen ihnen und ihren Familien,dass sie gesund zurückkommen.

(Joachim Poß [SPD]: Wo ist denn der HerrWesterwelle?)

Wir sind davon überzeugt, dass sie die Aufgaben inAfghanistan meistern werden.

Herzlichen Dank.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Ich erteiledem Vorsitzenden der PDS-Fraktion, Roland Claus, dasWort.

Roland Claus (PDS): Herr Präsident! Meine sehr ver-ehrten Damen und Herren! Meine Fraktion hat sich dieheute anstehende Entscheidung in der Tat nicht leicht ge-macht.

(Dr. Peter Struck [SPD]: Na, na, na! � MichaelGlos [CDU/CSU]: Ach Gott, ach Gott!)

Dies ist uns auch anzumerken. Denn die PDS-Fraktion isteben keine Fraktion mit ewigen Wahrheiten oder mit all-gemein gültigen Antworten auf Fragen, die noch gar nichtgestellt worden sind.

Deshalb war unser Verhalten Anlass zu manchen Spe-kulationen. Kollege Merz hat heute eine hinzugefügt: Erhat die Koalitionsverhandlungen in Berlin zu der heutigenEntscheidung in Beziehung gesetzt. Herr Kollege Merz,dazu möchte ich Ihnen sagen: Einer der heftigen Befür-worter der Koalitionsverhandlungen in Berlin war Kol-lege Glos aus Ihrer Fraktion.

(Michael Glos [CDU/CSU]: Was?)

Ihnen kann man es nun wirklich nicht recht machen. Dennwir haben uns daran gehalten.

(Beifall bei der PDS)

Wir haben uns in diesem Hause sehr dafür eingesetzt,dass die Souveränität der UNO gestärkt wird. Es hat uns

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Respekt abverlangt, dass der UNO-Generalsekretär vorAngriffen auf den Irak gewarnt hat. Ähnliche Äußerungendes deutschen Bundeskanzlers unterstützen wir. Wir ha-ben Hoffnungen darauf gesetzt, dass es zu einem frie-denssichernden, souveränen Mandat kommen könnte.Wir haben bereits im November dieses Jahres hier imBundestag einen Antrag eingebracht, in dem wir unsereVorstellungen von einem UN-Mandat dargelegt haben.Kernforderungen sind: Stopp der Kriegshandlungen,wirkliche humanitäre Hilfe und Einsatz nach Kap. VI derUN-Charta, gemäß dem Selbstverteidigung und die Ver-hinderung von Menschenrechtsverletzungen sehr wohlmöglich sind.

(Beifall bei der PDS)

Wenn wir dem heutigen Antrag unsere Zustimmungversagen, so hat dies Gründe. Der erste Grund lautet: Die-ser UNO-Einsatz folgt der Kriegslogik; beide Missionensind vermischt.

(Zuruf von der SPD: Sie reden dummes Zeug! �Zuruf vom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Dasist falsch!)

Wir haben etwas dagegen, dass die Öffentlichkeit schlei-chend daran gewöhnt wird, dass zuerst bombardiert wirdund dass dann die UNO die Scherben einzusammeln hat.

(Beifall bei der PDS � Friedrich Merz [CDU/CSU]: Sie blamieren sich doch bis auf die Kno-chen! � Katrin Göring-Eckardt [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist lächerlich, HerrClaus!)

Sie können sich für die bisher erzielten Ergebnisse hiernatürlich gemeinsam feiern. Wir dürfen aber nicht durch-gehen lassen, dass zivile Opfer derart ausgeblendet wer-den.

(Beifall bei der PDS � Joachim Poß [SPD]: Wer�feiert� denn hier? Lassen Sie diesen Begriff! �Zuruf von der SPD: Das ist unerträglich!)

Sie haben sich auf eine formelle Trennung der Aktio-nen eingelassen. Diese formelle Trennung ist in dem An-trag allerdings überhaupt nicht festgeschrieben, sondernfindet sich lediglich in einem Brief des britischen Außen-ministers an den UN-Generalsekretär. Etwas später in diesem Brief steht, dass die UN-Truppe die Aktion �Enduring Freedom� nicht gefährden darf, und nicht etwaanders herum, wie es logisch wäre. Insofern handelt essich um die Nachfolgemission einer Fehlentscheidung.Wir bleiben bei unserer Aussage: Krieg ist die falscheAntwort auf den Terror.

(Beifall bei der PDS � Dr. Peter Struck [SPD]:Was für eine �Fehlentscheidung�? � WilhelmSchmidt [Salzgitter] [SPD]: Die Menschen inAfghanistan werden es Ihnen danken!)

� Dazu komme ich noch, Herr Kollege.

Ein Zweites. Es handelt sich um ein sehr unklares und diffuses Mandat. Die Differenzen zwischen den Vereinigten Staaten und Großbritannien einerseits sowieDeutschland und Frankreich andererseits sind nicht wirk-lich ausgeräumt. Sie haben doch gar keine Klarheit über

die Dauer und den Umfang des Einsatzes oder über dieLeitnation. Insofern werfen wir Ihnen vor, dass Sie hieretwas tun, was auch an anderen Stellen getan worden ist:Sie bestimmen eine Einstiegsoption, ohne eineAusstiegsoption zu haben. Das kennzeichnet den ganzenAntrag.

Ein Drittes. Sie haben sich hier in verschiedenen Re-den wie auch im Vorfeld der heutigen Entscheidung sehrdafür eingesetzt, dass den Not leidenden Menschen Hilfeund Unterstützung zuteil wird und dass Flüchtlingen ge-holfen wird. Das ist völlig in Ordnung. Nur stimmen Zielund Mittel, mit denen Sie vorgehen wollen, überhauptnicht überein. Mit dem Antrag, den Sie hier heute vorle-gen, installieren Sie � das werden Sie zugeben müssen �nichts anderes als eine Leibgarde für die neue Über-gangsregierung. Gewiss muss diese geschützt werden.Aber das kann doch nicht der ganze Bestandteil diesesPlanes sein.

(Beifall bei der PDS � Lothar Mark [SPD]: Sieglauben doch wohl selber nicht, was Sie da er-zählen! � Zuruf von der SPD: Die PDS gegender Rest der Welt!)

Deshalb ist einer solchen Kriegsnachsorge mit UN-Mandat bei Fortsetzung von Bombardements aus unsererSicht nicht zuzustimmen. Genauso wie wir sagen: �Un-eingeschränkte Solidarität gegenüber den USA ist derfalsche Begriff�, so darf es auch keine uneingeschränkteUnterstützung für UN-Einsätze geben, auch wenn Sie dasim Moment in Abrede stellen.

(Wilhelm Schmidt [Salzgitter] [SPD]: Was istdenn das für ein Unsinn!)

Die PDS wird sich weiter an den schwierigen Debattenüber internationale Konfliktlösung beteiligen. Diesen An-trag aber lehnen wir ab.

(Beifall bei der PDS � Friedrich Merz[CDU/CSU]: Jämmerlicher Auftritt!)

Vizepräsident Dr. h. c. Rudolf Seiters: Ich schließedie Aussprache.

Interfraktionell wird die Überweisung der Vorlagen aufden Drucksachen 14/7930 und 14/7785 an die in der Tagesordnung aufgeführten Ausschüsse vorgeschlagen. �Das Haus ist, wie ich sehe, einverstanden. Dann sind dieÜberweisungen so beschlossen.

Für die Ausschussberatung unterbreche ich nunmehrdie Sitzung bis voraussichtlich 14.30 Uhr. Der Wieder-beginn der Sitzung wird rechtzeitig durch Klingelsignalangekündigt.

Die Sitzung ist unterbrochen.

(Unterbrechung von 11.29 bis 14.30 Uhr)

Präsident Wolfgang Thierse: Guten Tag, liebe Kol-leginnen und Kollegen! Die unterbrochene Sitzung istwieder eröffnet.

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Ich rufe den Tagesordnungspunkt 3 auf:

a) Beratung der Beschlussempfehlung und des Be-richts des Auswärtigen Ausschusses (3. Aus-schuss) zu dem Antrag der BundesregierungBeteiligung bewaffneter deutscher Streitkräftean dem Einsatz einer Internationalen Sicher-heitsunterstützungstruppe in Afghanistan aufder Grundlage der Resolutionen 1386 (2001),1383 (2001) und 1378 (2001) des Sicherheitsratsder Vereinten Nationen� Drucksachen 14/7930, 14/7936 �Berichterstattung:Abgeordnete Hans-Ulrich KloseGert Weisskirchen (Wiesloch)Karl LamersRita GrießhaberUlrich IrmerWolfgang Gehrcke

b) Bericht des Haushalsausschusses (8. Ausschuss)gemäß § 96 der Geschäftsordnung� Drucksache 14/7937 �Berichterstattung:Abgeordnete Manfred HampelUta Titze-StecherDietrich AustermannAntje HermenauDr. Werner HoyerDr. Barbara Höll

Es liegt ein Entschließungsantrag der Fraktion derCDU/CSU vor.

Ich weise darauf hin, dass wir nach der Ausspracheüber die Beschlussempfehlung zu dem Antrag der Bun-desregierung namentlich abstimmen werden.

Nach einer interfraktionellen Vereinbarung sind für dieAussprache eineinhalb Stunden vorgesehen. � Ich hörekeinen Widerspruch. Dann ist so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und erteile dem KollegenPeter Struck, SPD-Fraktion, das Wort.

Dr. Peter Struck (SPD): Sehr geehrter Herr Präsident!Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir treffenheute die fünfte Entscheidung dieses Jahres zu Auslands-einsätzen der Bundeswehr.

(Dr. Wolfgang Bötsch [CDU/CSU]: Zählenkann er jedenfalls!)

Wir haben beschlossen, deutsche Soldaten zur Überwa-chung der Waffenabgabe in Mazedonien zu entsenden.Diese Aufgabe ist, wie wir alle wissen, ohne Schaden fürunsere Soldaten erfüllt worden. Der Friedensprozess inMazedonien wurde dadurch eingeleitet.

Die sich daran anschließende Aufgabe, OSZE- undEU-Beobachter in Mazedonien auch militärisch zu schüt-zen, ist unter Führung der deutschen Bundeswehr bishererfolgreich abgelaufen. Deshalb wurde dieses Mandat vorzwei Wochen vom Bundestag verlängert.

Nach dem 11. September haben wir der internationa-len Koalition gegen den Terrorismus unseren Beitritterklärt und dabei auch militärischen Beistand einbezogen.Für die Maßnahmen gegen das Talibanregime in Afgha-nistan und die Terroristen sind bis zu 3 900 Soldaten derBundeswehr bereitgestellt worden.

Da der letztgenannte Beschluss mit der Vertrauens-frage verbunden war, ist er von den Koalitionsfraktionenallein getragen worden. Festzuhalten bleibt aber, dass ab-gesehen von der PDS alle Fraktionen dieses Hauses dieAuslandseinsätze der Bundeswehr in Mazedonien undjetzt auch in Afghanistan mittragen. Ich begrüße dies aus-drücklich als ein wichtiges Zeichen für unsere Soldaten,die diese schwierigen Missionen wahrnehmen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten derCDU/CSU)

Ein Wort zur PDS: Eine Partei, die die Nachfolge derSED angetreten hat und dann in dieser Nachfolge auch zudenen stehen muss, die friedliche Bürger der damaligenDDR verfolgt haben, weil sie Aufnäher �Schwerter zuPflugscharen� getragen haben, hat überhaupt nicht dasRecht, in diesem Bundestag als Friedenspartei aufzutreten.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN � Paul Breuer [CDU/CSU]: IhreKoalitionspartei in Berlin! � Widerspruch bei derPDS � Dr. Peter Ramsauer [CDU/CSU]: Liebes-werben in Berlin! � Susanne Kastner [SPD]: Seitwann verteidigt die CDU/CSU die PDS?)

Einige Worte zur angeblichen Unterfinanzierung derBundeswehr. In den Jahren 1991 bis 1998 hat die alteBundesregierung den Verteidigungshaushalt um 11,2 Mil-liarden DM gekürzt.

(Peter Zumkley [SPD]: So ist das!)

Im Investitionsbereich wurden 1988 noch 13,2 Milliar-den DM ausgegeben, 1991 nur noch 10,8 Milliarden DMund 1997 schließlich nur noch 7 Milliarden DM.

(Christian Schmidt [Fürth] [CDU/CSU]: Wieviel hatten Sie gefordert?)

Die schwierige finanzielle Lage der Bundeswehr ist nichtvon uns zu verantworten, sondern von CDU/CSU undFDP.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN � Friedrich Merz [CDU/CSU]:Sie glauben selber nicht, was Sie da reden!)

Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen hat in seinerResolution vom 20. Dezember seine Genugtuung über dieEntwicklungen in Afghanistan ausgedrückt, �die es allenAfghanen erlauben werden, frei von Unterdrückung undTerror unveräußerliche Rechte und Freiheit zu genießen.�Dem schließen wir uns an.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Talibanregime ist von den Amerikanern mi-litärisch besiegt worden. Die Ausbildungslager der Terro-risten wurden vernichtet. Das Abkommen von Bonn ist der

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Beginn einer neuen staatlichen Ordnung für Afghanistan.Hilfsmaßnahmen für die geschundene Bevölkerung undfür Flüchtlinge wurden eingeleitet. Allein für die huma-nitäre Hilfe hat die Europäische Union 352 Millionen Eurozur Verfügung gestellt. Damit trägt sie entscheidend dazubei � unser Land hat daran einen wesentlichen Anteil �,dass die Menschen in Afghanistan über den Winter kom-men werden. Das Bonner Abkommen wird ab heute um-gesetzt. Die Übergangsregierung unter MinisterpräsidentHamid Karsai bedarf des Schutzes einer internationalenSicherheitsbeistandstruppe in Kabul und Umgebung.Diese ist � wie der Sicherheitsrat vor drei Tagen festge-stellt hat � dringend erforderlich, um den begonnen Sta-bilisierungsprozess zu festigen.

Afghanische Repräsentanten haben nach der erfolgrei-chen Petersberg-Konferenz eine wichtige Rolle unseresLandes beim Wiederaufbau erbeten; sicher auch wegender guten historischen Beziehungen unserer Länder undwegen des guten Rufes, den die Deutschen in Afghanistangenießen. Das Engagement der Bundesregierung für einen politischen Neuanfang in diesem Land wird nundurch die Teilnahme deutscher Soldaten an der von denVereinten Nationen geforderten und mandatierten Frie-denstruppe ergänzt. Ich halte dies für außenpolitisch rich-tig und auch für erforderlich.

Dies gilt auch deshalb, weil die Bedingungen desMandats eine erfolgreiche Umsetzung der Aufgaben undeinen ausreichenden Schutz der Soldaten möglich ma-chen.

Erstens. Der Einsatz erfolgt über Kap.VII der UN-Charta, das heißt, die Soldaten haben das Recht, nach ei-genem Ermessen militärisch gegen Friedensstörer vorzu-gehen. Ein so genanntes Blauhelmmandat nach Kap.VIwürde den tatsächlichen Gegebenheiten in diesem Landnicht gerecht werden.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das robuste Mandat nach Kap.VII ist zwingend, weil es indiesem Land noch marodierende Banden gibt, Clanführer,die sich den lukrativen Heroinhandel nicht streitig machenlassen wollen und dadurch die Sicherheit der Übergangs-regierung und der staatlichen Instanzen bedrohen.

Zweitens. Es gibt eine klare Trennung zwischen derUN-Friedenstruppe und der amerikanischen Operation�Enduring Freedom�. Das war aus politischen Gründennotwendig. Die Aufgabenstellung ist völlig unterschied-lich und die politischen Botschaften sind verschieden: Dieamerikanischen Truppen bekämpfen die verbliebenenTerroristen, die UNO-Einheiten sichern den Friedenspro-zess. Während es sich also in dem einen Fall um ein akti-ves militärisches Vorgehen handelt, sollen im anderen Fallgerade militärische Konflikte verhindert oder unterdrücktwerden.

Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen:Ich befürworte das fortgesetzte amerikanische Vorgehengegen die restlichen Taliban- und Terrorstrukturen unbe-dingt. Wir wären blind, wenn wir nicht sehen würden,dass ihre restlose Zerschlagung und Vertreibung eine we-sentliche Voraussetzung für die Stabilität Afghanistans

darstellt. Forderungen nach einem sofortigen Ende deramerikanischen Operation liefen nur darauf hinaus, einerReorganisation der Taliban- und al-Qaida-Einheiten dasWort zu reden. Damit würde nicht nur der Übergangspro-zess gefährdet, sondern auch die Sicherheit der UN-Sicherheitstruppen.

Darüber hinaus kann eines nicht übersehen werden:Die Internationale Sicherheitsunterstützungstruppe, wiesie offiziell heißt, wird auf die Kooperation mit den ame-rikanischen Streitkräften angewiesen sein. Sollte es Not-fälle massiver militärischer Auseinandersetzungen geben,wäre die UNO-Friedenstruppe auf die zuverlässige Ab-sicherung durch die USA angewiesen. Daher ist die ge-fundene Lösung einer gemeinsamen Koordinierungsstellemit Vertretern der beiden Oberkommandos und der af-ghanischen Übergangsregierung notwendig und richtig.

Meine Damen und Herren, mehr als in fast allen Jah-ren zuvor hatten wir im jetzt ablaufenden Jahr Fragen deräußeren Sicherheit zu entscheiden, bedingt durch die Si-tuation im ehemaligen Jugoslawien und durch die furcht-baren Ereignisse vom 11. September. Der Kampf gegenden Terrorismus ist noch nicht zu Ende. Wir wollen, dasser erfolgreich wird. Wir wollen, dass die Menschen über-all in der Welt friedlich zusammenleben. Das gilt aus-drücklich auch für Israel und Palästina.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie des Abg. Dr. WolfgangGerhardt [FDP] und des Abg. Roland Claus[PDS])

Es gibt keine Alternative zu friedlichem Zusammenlebenund zur Rückkehr an den Verhandlungstisch, so schwerdas manchem auch fallen mag.

Herr Präsident, meine Damen und Herren, für meineFraktion kann ich der Bundesregierung die Zustimmungzu ihrem Antrag zusichern.

(Walter Hirche [FDP]: Donnerwetter! � UlrichIrmer [FDP]: Das musste gesagt werden!)

Uns sind die großen Gefahren bewusst, die unsere Solda-ten zu gewärtigen haben. Es wird sicherlich einer derschwierigsten Friedenseinsätze werden, an denen sichdeutsche Soldaten bisher beteiligt haben. Umso wichtigerist die größtmögliche Zustimmung des Bundestages, da-mit die Soldaten sich bei ihrer schweren und gefahrvollenAufgabe auf die vorbehaltlose Unterstützung ihres Par-lamentes stützen können.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dies ist ein wesentliches Moment für ihre Motivation undEinsatzbereitschaft.

Den eingesetzten Soldaten, besonders jenen, die viel-leicht noch vor Weihnachten ausrücken müssen, wün-schen wir alles Gute, Gesundheit und Unversehrtheit,dass jeder von ihnen unbeschadet zu seiner Familie undseinen Angehörigen zurückkehren möge.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten derFDP)

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Präsident Wolfgang Thierse: Das Wort hat nun Kol-lege Volker Rühe, CDU/CSU-Fraktion.

Volker Rühe (CDU/CSU): Herr Präsident! Liebe Kol-leginnen und Kollegen! Was die Sicherungstruppe in Af-ghanistan leisten soll und was sie nicht leisten soll, kannam besten aus dem Namen hergeleitet werden. Das isteben keine Truppe, die für die Sicherheit in Afghanistanzuständig ist, sondern eine �International Security Assis-tance Force�. Sie hat nur eine assistierende Rolle. DieHauptverantwortung bleibt bei den Afghanen. Deswegengibt es keinen flächendeckenden Einsatz. Was wir fördernwollen, ist ein innerstaatlicher, sich selbst tragender Pro-zess der Stabilisierung.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU unddes BÜNDNISSES 90/ DIE GRÜNEN)

Darin � das muss man sagen � unterscheidet sich dieseMission grundlegend etwa von unserem Engagement imKosovo. Dort haben die Vereinten Nationen ein Protekto-rat errichtet, die Regierungsverantwortung übernommen.Deswegen müssen wir, wenn wir die Soldaten nach Kabulschicken, immer wissen: Gegen den Willen der Afghanenlassen sich Frieden und Sicherheit nicht erzwingen. Beiihnen bleibt die Hauptverantwortung. Wir können ihnennur Starthilfe für diesen neuen politischen Prozess geben.Das ist eine realistische Beschreibung.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP sowiebei Abgeordneten der SPD und des BÜND-NISSES 90/DIE GRÜNEN)

Deswegen sind aus meiner Sicht die sechs Monate inOrdnung. Denn es gibt in Afghanistan natürlich gemischteGefühle: auf der einen Seite sehr viel Stolz, das Heft selbstwieder in die Hand zu nehmen; auf der anderen Seite dasBewusstsein, internationale Hilfe zu brauchen. Wenn dasin sechs Monaten gemacht werden kann, dann sollte dasaus unserer Sicht in Ordnung sein. Aber das werden wirfeststellen.

Wir begrüßen, dass der Einsatz auf Grundlage vonKap. VII erfolgt. Damit haben unsere Soldaten nicht nurdie Möglichkeit der Selbstverteidigung, die sie übrigensauch nach Kap. VI haben. Dazu wird � auch in vielenNachrichtensendungen � viel Unsinn erzählt. Jeder Blau-helm kann sich natürlich selbst verteidigen. Kap. VII be-deutet vielmehr das Recht auf militärischen Durchgriffvor Ort. Deswegen müssen die Soldaten auch entspre-chend ausgerüstet sein und dieses Kap. VII im Hinter-grund haben.

(Beifall bei der CDU/CSU)Ebenso � hier gibt es weiterhin Einigkeit � findet die Ver-

zahnung der Kommandostrukturen unsere Zustimmung.Allerdings � das haben Sie, Herr Bundeskanzler, und derHerr Außenminister hier ausgelassen � heißt es, dass imKonfliktfall zwischen dem Kampfeinsatz und dem Frie-denseinsatz die �authority�, also die Autorität, bei dem ame-rikanischen Hauptquartier liegt. Das heißt, wenn die Ameri-kaner im Raum Kabul Taliban oder al-Qaida bekämpfen, hatdas amerikanische Hauptquartier den Vorrang.

(Michael Glos [CDU/CSU]: Das ist auch gutso!)

Ich glaube, das ist auch eine gute und richtige Lösung. Esgibt einen eigenständigen Ansatz für die Friedenstruppe;im Konfliktfall entscheidet aber das amerikanische Haupt-quartier.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und derCDU/CSU)

Jetzt zu den offenen Punkten, die auch als solche ange-sprochen werden müssen, zuerst zur Gesamtstärke. Wirwaren uns in den Gesprächen in den letzten Wochen im-mer einig: Für die Sicherheit unserer Soldaten ist die Ge-samtstärke ganz entscheidend. Der Verteidigungsministerhat von Divisionsstärke gesprochen. Aus dem Kanzleramtwar von mindestens 5 000 Soldaten die Rede. Im Antragder Bundesregierung gibt es keine Zahl. Im Beschluss desWeltsicherheitsrats gibt es keine Zahl. Deshalb war dieAuskunft des Außenministers im Auswärtigen Ausschusswichtig � wir haben Wert darauf gelegt �, dass von der In-terimsregierung signalisiert worden sei, dass man an eineGrößenordnung von 5 000 Soldaten denkt; Herr Bundes-kanzler, Sie haben das hier bestätigt. Das ist die Grundlageunserer Entscheidung. Das ist auch wichtig für die Sicher-heit unserer Soldaten in Afghanistan.

Jetzt zum Thema der Übernahme der Führungsverant-wortung. Ich glaube, da schulden Sie uns � Friedrich Merzhat das heute Morgen zu Recht angesprochen � schon nochAuskunft. Es wäre besser gewesen � auch für die Sicherheitunserer Soldaten und für die Effizienz der Mission �, wennNATO-Strukturen oder EU-Strukturen eingeführt wordenwären. Hier müsste die Regierung schon einmal sagen, anwem das letztlich gescheitert ist. Im Übrigen, Herr Außen-minister, hinkt der Vergleich mit Mazedonien insofern, alsdas natürlich eine Lead-Funktion Deutschlands im Rahmenvon NATO-Strukturen und von daher nicht vergleichbarmit der Situation in Afghanistan ist.

Was nun die Europäische Union angeht, so muss mander Regierung sagen, dass sie in den vergangenen drei Jah-ren finanziell nicht genug getan hat, um die militärischenStrukturen der ESVP zu entwickeln, sodass die Europä-ische Union in dieser Situation handlungsfähig gewesenwäre. Das wäre sicherlich wünschenswert gewesen.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie beiAbgeordneten der FDP)

Was die Petersberger Beschlüsse anbelangt, muss mansagen, dass das � so ähnlich, wie sich die Engländer mi-litärisch an einem Schönheitswettbewerb beteiligt haben �politisch sehr national aufgezogen worden ist. Durch eu-ropäische Präsenz, etwa durch Solana am Beginn und amEnde der Veranstaltung, hätte Deutschland deutlicher ma-chen können: Dies ist eine europäische Veranstaltung.

(Gernot Erler [SPD]: Das ist eine UN-Veran-staltung! Eine Veranstaltung der Vereinten Na-tionen, Herr Kollege!)

Ich glaube, dann hätten wir manche Streitigkeiten über diemilitärische Führung vermeiden können. Das ist meineKritik.

(Beifall bei der CDU/CSU)Was eine deutsche Führung angeht � die Führungs-

frage wird möglicherweise in den nächsten Monaten auf

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uns zurückkommen �, geht es nicht darum, dass sich ir-gendjemand drängelt. Die Frage ist: Können wir uns ent-ziehen und ist es eigentlich abwegig, dass so viele � dieVereinten Nationen, die Amerikaner und die Afghanen �bei der Frage der Führungsverantwortung gerade anDeutschland gedacht haben? Wir haben uns in der erstenPhase nicht an den Kampfhandlungen beteiligt. Wir habentraditionell gute Beziehungen zu Afghanistan. Wir habenkeine koloniale Vergangenheit. Wir haben mit der Aus-richtung der Afghanistankonferenz auf dem Petersberghohe Erwartungen an unsere künftige Rolle bei der inter-nationalen Absicherung geweckt. Es gab eben den aus-drücklichen Wunsch der Afghanen, der Vereinten Natio-nen und auch der Amerikaner, dass Deutschland dieseFührung übernimmt.

Nun gibt es zwei Argumente. Das militärische Argu-ment lautet: Wir können das nicht.

(Zuruf von der CDU/CSU: Scharping!)� Darauf komme ich gleich noch zu sprechen. � Dazumuss man sagen: Ein Teil liegt in der Vernachlässigungder Finanzstrukturen der Bundeswehr. Objektiv ist esrichtig, dass das mit den Führungsstrukturen, die sich ge-rade entwickeln, eine sehr schwierige Aufgabe fürDeutschland wäre.

Der Außenminister hat aber ganz anders argumentiert.Er hat im Auswärtigen Ausschuss gesagt, wir hätten keineInteressen in der Region und würden deswegen keineFührungsfunktionen am Hindukusch übernehmen. Dazumuss ich Ihnen sagen � das müssen wir der Öffentlichkeitimmer wieder erklären �: Warum schicken wir denn ei-gentlich Soldaten an den Hindukusch? Wir schicken dochSoldaten nach Afghanistan, um ganz entscheidend den in-ternationalen Terrorismus zu bekämpfen, damit er auch inDeutschland keine Chance hat, Anschläge durchzuführen.Daher müssen staatliche und politische Strukturen dortaufgebaut werden. Daher finde ich es falsch, wenn manwie der Außenminister grundsätzlich eine deutscheFührungsrolle bestreitet.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)Im Übrigen hat mir nicht gefallen, dass die Engländer

aus dem Koalitionslager kritisiert worden sind, obwohlman selbst nicht bereit ist, Verantwortung zu übernehmen.Jetzt ruht die Hoffnung auf der Türkei. Ich halte sehr vielvon den militärischen Fähigkeiten der Türkei.

(Zuruf des Abg. Rezzo Schlauch [BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN]

� Darauf gibt es schon die ersten Reaktionen. Aber be-denken Sie: Die Türkei ist die Hoffnung der Regierung,lieber Kollege Schlauch; denn Sie wollen ja nicht, dassDeutschland die Führungsrolle übernimmt. Aber wirbrauchen jemanden, der als �leading nation� auftritt unddie Führung übernimmt. Eines sage ich Ihnen auch: Wenndie Türkei dieser Hoffnung gerecht wird, dann müssen Siein der Tat umdenken und dafür sorgen, dass den türki-schen Verbündeten die Dinge geliefert werden, die Sie ih-nen in der Vergangenheit verweigert haben.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)Das wäre wirklich eine absurde Situation: Deutsche

Soldaten sind am Hindukusch einem türkischen Ober-

kommando unterstellt � wir sind auch froh darüber, weilsich sonst niemand findet � und wir verweigern der Türkeidie entsprechende Ausrüstung. Hier müssen Sie gewaltigumdenken. Deswegen noch einmal: Die Führungsfragekann auf uns zurückommen. Es geht nicht um Drängeln.Aber wir sollten darüber in aller Ruhe sprechen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Herr Bundeskanzler, Sie waren so freundlich, mir inder heutigen Ausgabe der �Süddeutschen Zeitung� zu sa-gen, ich hätte kein Recht, die Unterfinanzierung derBundeswehr zu kritisieren, weil ich hier selbst eine be-wegte Vergangenheit gehabt hätte.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN � Joseph Fischer, Bundesminis-ter: Wohl wahr!)

� Schon gut. Ich habe das deshalb so formuliert, damit Siedie Chance haben, zwischendurch Beifall zu spenden.

Der Bundeskanzler hat behauptet, ich selbst hätte dieUnterfinanzierung der Bundeswehr herbeigeführt. DerKollege Struck hat das eben aufgegriffen. Lassen Sie unseinmal über die Tatsachen sprechen. 1990 gab es 456 000Bundeswehrsoldaten plus ungefähr 60 000 Soldaten, dievon der NVA übernommen worden waren. Der Verteidi-gungshaushalt hatte damals ein Volumen von 55 Milliar-den DM. Bis 1994 � ich habe nachgerechnet � ist dieTruppenstärke um über 25 Prozent auf 370 000 Soldatenzurückgeführt worden. Trotz dieser Tatsache hat sich HerrStruck darüber beklagt, dass wir in unserer Regierungs-zeit den Verteidigungsetat um 11 Prozent zurückgefahrenhaben. Das war doch wohl eine vernünftige Sache. 1992hatte mein erster Wehretat � das war noch von meinemVorgänger, Gerhard Stoltenberg, durchgesetzt worden �ein Volumen von 53 Milliarden DM. Im Jahr darauf lagdas Volumen des Verteidigungsetats noch immer bei49,5 Milliarden DM, obwohl wir die Zahl der Soldatenum Zehntausende abgebaut haben. Es wäre nicht fair, dasmit der heutigen Situation zu vergleichen; denn die Trup-penstärke ist heute geringer.

Was kann man vergleichen? Man kann für einen Ver-gleich nur die vier Jahre heranziehen, für die Sie verant-wortlich sind.

(Zuruf von der Regierungsbank)

� Den Haushalt 2002 darf ich sicherlich einbeziehen;denn den haben Sie ja schon beschlossen. Sie, Herr Bun-deskanzler, sollten keinen Zweifel haben, dass Sie auchnoch das vierte Jahr schaffen.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU/CSU undder FDP � Hans Eichel, Bundesminister: Esmuss auch mal lustig sein!)

Wir haben damals unter Theo Waigel noch den Haus-halt 1999 und eine mittelfristige Finanzplanung bis 2002beschlossen. Wenn man Ihre und unsere Planungen fürdiese vier Jahre miteinander vergleicht, muss man fest-stellen, dass Sie 18,6 Milliarden DM weniger einsetzen.

(Gernot Erler [SPD]: Ihr hattet gar keine Deckung für eine mittelfristige Finanzpla-nung!)

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Trotzdem behaupten Sie, Sie würden die chronische Un-terfinanzierung der Bundeswehr beseitigen. Damit müs-sen Sie sich, Herr Bundeskanzler, auseinander setzen.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Wir hatten beabsichtigt � wie gesagt, ich vergleiche dievon Ihnen vorgelegten Zahlen nicht mit denen aus demJahr 1992 �, 2002 49 Milliarden DM in den Verteidi-gungshaushalt einzustellen, ohne Mittel für Auslands-einsätze.

(Gernot Erler [SPD]: Ohne Deckung!)

Wenn man die Mittel für die Auslandseinsätze und für dieletzten Entscheidungen herausrechnet, dann stellt manfest, dass Ihr Verteidigungshaushalt ein Volumen von nur45 Milliarden DM hat.

(Gernot Erler [SPD]: Aber das Geld ist da!)

Deswegen sage ich Ihnen: Hier sind Eingriffe in die Bun-deswehr erfolgt, die angesichts der Belastungen der Bun-deswehr, die Sie ihr zumuten, unverantwortlich sind.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Herr Bundeskanzler, es hat vor Ihnen keinen Bundes-kanzler gegeben, der die Soldaten der Bundeswehr in soviele internationale Einsätze geschickt und ihnen gleich-zeitig so wenig Geld zur Verfügung gestellt hat.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Das ist in Wirklichkeit zu Ihrem Markenzeichen gewor-den. Deswegen finde ich � uns allen liegt daran, dass dieBundeswehr die notwendige Unterstützung bekommt � esangemessen, wenn wir � fernab unserer Kontroverse überden Haushalt insgesamt, wir wissen, dass das im Hauseselbst sachlich errechnet worden ist � fordern, dass500 Millionen Euro zusätzlich zu den Mitteln des Einzel-plans 14 und des Einzelplans 60 zur Verfügung gestelltwerden, damit der Afghanistan-Einsatz unserer Soldatenvernünftig abgesichert ist. Neben der politischen undmenschlichen Unterstützung, die hier deutlich gewordenist, schulden wir das den Soldaten.

Lassen Sie mich als Letztes Folgendes sagen: Wir ha-ben seit dem 11. September immer wieder über uneinge-schränkte Solidarität gesprochen. Wir haben bisher� das ist kein Vorwurf � relativ wenig konkret getan. Daskann sich ändern; einiges ist auf dem Weg. Wenn wir un-seren Worten gerecht werden wollen, dann kann man vonuns zu Recht erwarten, glaube ich, dass wir uns in dieserWeise mit bis zu 1 200 Soldaten an der Friedensmissionin Afghanistan beteiligen. Sorgen Sie dafür, Herr Bundes-kanzler, dass die Soldaten die notwendige Ausrüstung be-kommen; das bleibt Ihre Verantwortung. Trotz der offenenFragen haben Sie unsere Unterstützung für diesen Ein-satz, weil wir glauben, dass es im Interesse unseres Lan-des liegt, diese Rolle wahrzunehmen.

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

Präsident Wolfgang Thierse: Ich erteile dem Kolle-gen Rezzo Schlauch, Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.

Rezzo Schlauch (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Weder möchteich die innenpolitische Debatte um die Bundeswehr führennoch möchte ich mich, Herr Kollege Rühe, an Spekulatio-nen über Entscheidungen beteiligen, die nicht heute, son-dern möglicherweise in zwei Monaten anstehen. Heutediskutieren und entscheiden wir über das Mandat des UN-Sicherheitsrats zur Entsendung einer multinationalen UN-Schutztruppe, genannt �International Security AssistanceForce�, das dieser in den letzten Tagen einstimmig be-schlossen hat.

(Unruhe bei der FDP)

� Meine Damen und Herren Kollegen von der FDP, dassIhr ehemaliger Außenminister ein bisschen Schwierigkei-ten mit dem Englischen hatte, wissen wir. Dass Sie da denChor anstimmen müssen, ist insofern okay.

Die vorrangige Aufgabe dieser Friedensmission wird essein, ein sicheres und stabiles Umfeld für die Arbeit derafghanischen Übergangsregierung zu gewährleisten, diein diesen Stunden ihre Amtsgeschäfte aufnimmt. Dazuwerden wir mit unserer Entscheidung heute unseren Teilbeitragen.

Wenn wir an dieser Stelle einen Moment innehaltenund an den Beginn der amerikanischen Militäraktion ge-gen das Talibanregime und das al-Qaida-Netzwerk, an dieüber Video verbreiteten zynischen Drohungen des Terro-ristenchefs Osama Bin Laden und an die menschenver-achtenden Zustände in Afghanistan unter der Talibanherr-schaft zurückdenken, dann wird deutlich, dass sich in derZwischenzeit mehr zum Besseren gewendet hat, als diemeisten von uns � nicht nur die Kritiker des amerikani-schen Vorgehens � je für möglich gehalten haben.

Erstmals besteht heute die realistische Chance für Afghanistan, den schrecklichen Kreislauf von Krieg undZerstörung, von Mord und Vertreibung zu durchbrechen,unter dem die afghanische Bevölkerung seit über 20 Jah-ren unvorstellbares Leid ertragen musste. Erstmals seitmehr als 20 Jahren kann die afghanische Bevölkerungheute auf eine Zukunft in Frieden und Freiheit, auf einselbstbestimmtes Leben in Zivilität und Sicherheit hoffen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENund bei der SPD)

Ein Meilenstein in dieser Entwicklung war ohne Zwei-fel die Afghanistan-Konferenz auf dem Petersberg beiBonn. Die Konferenz ist ein erstes Beispiel dafür, wie esden verschiedenen Bevölkerungsgruppen und Ethnien Afghanistans in Zukunft gelingen kann, ihre Interessen infriedlichen Gesprächen und Verhandlungen miteinanderzum Ausgleich zu bringen, anstatt Konflikte mit militäri-scher Gewalt auszutragen.

Heute wird die auf der Konferenz beschlossene Über-gangsregierung ihre Arbeit aufnehmen, die nach der Ver-einbarung von Bonn in einen verfassunggebenden Pro-zess und in freie Wahlen münden soll.

Die ersten Reaktionen aus Afghanistan zeigen, dassdiese Interimsregierung das Vertrauen breiter Bevölke-rungsschichten genießt und somit die große Chance be-sitzt, den ihr gestellten Aufgaben gerecht zu werden. Es

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kann kein Zweifel bestehen � das ist auch hier schonmehrfach ausgedrückt worden �, dass der Schlüssel zu ei-ner friedlichen Zukunft Afghanistans im Lande selbstliegt. Es wird auf den Mut und auf die Bereitschaft der ge-sellschaftlichen Gruppen in Afghanistan ankommen, denWeg eines fairen und geregelten Interessenausgleichs zubeschreiten, anstatt auf das Recht des Stärkeren zu setzen.Die ersten Nachrichten, nachzulesen in den Agenturen,zeugen von einer großen Hoffnung, dass die enormen Dif-ferenzen zwischen den Stämmen mit dem heutigen Tagüberwunden werden können.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENsowie bei Abgeordneten der SPD)

Eine gesellschaftliche und politische Ordnung, die derafghanischen Bevölkerung als von außen aufgezwungenerscheint, wird nie die Akzeptanz und das Vertrauen derMenschen gewinnen. Das ist eine Lehre der Geschichte,und zwar nicht nur in Afghanistan. Es kann aber ebensokein Zweifel daran bestehen, dass die afghanische Bevöl-kerung auf dem in Bonn skizzierten Weg die Unterstüt-zung und die Solidarität der internationalen Staaten-gemeinschaft benötigt.

Es wäre ein unverzeihlicher Fehler der internationalenGemeinschaft, heute erneut den Blick von Afghanistanabzuwenden, nur weil die Schreckensherrschaft der Tali-ban zum Glück beendet werden konnte. Die BeispieleBosnien, Kosovo und Mazedonien haben gezeigt, wiewichtig internationales Engagement gerade nach der Be-endigung gewaltsamer Auseinandersetzungen für denAufbau nachhaltig stabiler politischer Institutionen ist.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENsowie bei Abgeordneten der SPD)

Dieser Verantwortung müssen die internationale Staaten-gemeinschaft und auch die Bundesrepublik gerecht wer-den. Das vom Sicherheitsrat beschlossene Mandat istdafür die Grundlage.

Es sind vor allem drei positive Aspekte dieses Man-dats, die meines Erachtens besonderer Erwähnung bedür-fen:

Erstens. Die Stationierung der UN-Schutztruppe wirdvon der afghanischen Übergangsregierung unterstützt.Damit ist die Voraussetzung dafür gegeben, dass die UN-Mission in enger Kooperation mit den maßgeblichenKräften in Afghanistan auf das gemeinsame Ziel einerfriedlichen und stabilen Ordnung hinarbeiten kann. Damitist auch die Bedingung dafür erfüllt, dass die internatio-nale Präsenz in Afghanistan die Akzeptanz der dortigenBevölkerung findet.

Zweitens. Das Mandat erlaubt es den Soldaten, zurSelbstverteidigung Gebrauch von ihren Waffen zu ma-chen. Damit entspricht der Beschluss des Sicherheitsratsder Auffassung der Bundesregierung und unserer Auffas-sung, dass nur ein solches robustes Mandat die größt-mögliche Sicherheit der Soldaten gewährleisten und dieErfolgsaussichten der Friedensmission maximieren kann.

Drittens. Schließlich wahrt das Mandat � wir halten dasfür besonders wichtig � die organisatorische Trennung

zwischen der UN-Mission und der Operation �Endu-ring Freedom�.

(Heiterkeit bei Abgeordneten der CDU/CSUund der FDP)

Eine Vermengung der unterschiedlichen Ziele und derMittel der höchst unterschiedlichen Maßnahmen � auf dereinen Seite ein Beitrag zur Stabilisierung und zur Sicher-heit der afghanischen Übergangsregierung, auf der ande-ren Seite das militärische Vorgehen gegen das al-Qaida-Netzwerk und die Taliban � hätte letztendlich beidenZielen geschadet. Die Akzeptanz und die Legitimation derUN-Friedensmission hätte gelitten und die Autorität derUNO als neutraler Agent der Weltgemeinschaft hättelangfristig Schaden genommen. Es ist deshalb außeror-dentlich zu begrüßen, dass es nicht zuletzt dank des En-gagements der Bundesregierung gelang, die Trennungzwischen �Enduring Freedom� und der UN-Mission imBeschluss des Sicherheitsrats zu verankern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENsowie bei Abgeordneten der SPD)

Ich bin der festen Überzeugung, dass die Entsendungeiner UN-Schutztruppe nach Afghanistan auf der Grund-lage des vom Sicherheitsrat erteilten Mandats einen wich-tigen Beitrag zur Stabilisierung Afghanistans leisten wird.Eine Beteiligung der Bundesrepublik an dieser Missionist ein Gebot unserer Verantwortung in der internationa-len Staatengemeinschaft unter dem Dach der UNO. Dabeimuss aber jedem bewusst sein, dass die Entsendung einerUN-Schutztruppe Risiken und Gefahren für die Soldatenbirgt � so richtig und wichtig eine solche Entsendung auchist. Der Illusion eines risikofreien Einsatzes von Soldatensollte sich grundsätzlich niemand hingeben.

Umso mehr danken wir den Soldaten für ihre Bereit-schaft, den Einsatz in Afghanistan wahrzunehmen. Wirdanken auch den Soldaten, die derzeit ihren Dienst aufdem Balkan leisten, in Respekt und Achtung vor diesemDienst, der in unserem Interesse, aber auch im Interesseder dortigen Bevölkerung nach jahrelangen gewaltsamenAuseinandersetzungen liegt.

Danke schön.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENund bei der SPD)

Präsident Wolfgang Thierse: Ich erteile das Wortdem Kollegen Ulrich Irmer, FDP-Fraktion.

(Gernot Erler [SPD]: Wo ist denn jetzt der Westerwelle? � Dr. Peter Struck [SPD]: Genau,wo ist der Westerwelle?)

Ulrich Irmer (FDP): Herr Struck, das kann ich Ihnenbeantworten: Herr Westerwelle hat sich bemüht, hierherzu kommen. Er ist wegen der widrigen Witterungsver-hältnisse nicht hierher gekommen.

(Dr. Peter Struck [SPD]: Herr Westerwelle istin Urlaub!)

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Meine Damen und Herren, es war ja höchst herzerfri-schend, dass wir gerade noch einmal die Rede eines Frak-tionsmitglieds der Grünen hören konnten, nachdem bisherin außenpolitischen Fragen von der Ministerpartei �DieGrünen� nur noch Herr Fischer zu vernehmen war.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordnetender CDU/CSU � Kerstin Müller [Köln][BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist nichtrichtig!)

Es ist natürlich besonders schön, dass das sogar der Frak-tionsvorsitzende der Grünen � �Mister Hose� � getan hat,wie ich mir zu sagen erlaube, nachdem er ja hier das an-geblich schwäbisch gefärbte Englisch unseres früherenAußenministers kritisiert hat.

Meine Damen und Herren, es geht um Afghanistan.

(Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Den Eindruck haben wir bis jetzt nochnicht gehabt!)

Mit Absicht und mit Recht ist das Mandat des UN-Si-cherheitsrats eng begrenzt. Es ist darauf begrenzt, dieUmgebung von Kabul und die Stadt selbst zu schützenund dort der Interimsregierung, die heute ihr schweresAmt antritt, dabei Beistand zu leisten, dass sie nicht durchWirrnisse und Kämpfer aus den eigenen Reihen an ihrerTätigkeit gehindert wird. Das Mandat ist weiterhin aufsechs Monate begrenzt und auf höchstens 5 000 Soldaten,wie wir heute gehört haben. Jedermann weiß natürlich,dass auf diese Weise und unter diesen Bedingungen derFriede in Afghanistan durch militärische Kräfte vonaußen nicht hergestellt werden kann. Diese Grundidee istrichtig � ich wiederhole es noch einmal �, denn den Frie-den, die Ordnung und die Sicherheit sowie eine Zukunftin Afghanistan für Afghanistan herzustellen kann alleinAufgabe des afghanischen Volkes selbst sein.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordnetender CDU/CSU)

Die internationale Gemeinschaft wäre überfordert, wennsie sich vermessen wollte, dieses auch nur in Angriff zunehmen.

Gleichwohl müssen wir uns darüber im Klaren sein:Die Gefahren für das Land und seine Zukunft lauern nichtnur in der Hauptstadt. Wir kennen die Geschichte des Lan-des, wir kennen seine Zerrissenheit in unterschiedlicheethnische Gruppen, wir kennen die Zustände vor Ort, wokriegserfahrene Kämpfer, Warlords und andere sich ge-genseitig befehden und bekriegen. Es ist ja nur zu wün-schen, dass der Petersberg-Beschluss die Auswirkung ha-ben wird, dass diese Kämpfe jetzt ein Ende findenwerden. Niemand kann das aber garantieren.

Meine Damen und Herren, sollte die Mission, an derwir uns ab heute beteiligen wollen, keinen Erfolg haben,wird sich natürlich die Frage stellen: Sagt dann die inter-nationale Gemeinschaft, wir sind mit diesem begrenztenAuftrag gescheitert, oder entscheidet sie sich dann dafür,doch mehr zu tun und weitere Versuche der Stabilisierungvon Afghanistan zu fördern? Gott sei Dank müssen wirdiese Frage heute nicht beantworten, weil wir alle hoffen,dass wir einen Erfolg der Mission erleben werden. Wir

müssen aber auch die Gefahren sehen und sie auch des-halb ernst nehmen, weil es ja unsere Soldaten sind, die wirmit unserem heutigen Votum in die Auseinandersetzun-gen und in die Gefahr schicken werden.

Meine Damen und Herren, auch kann ich mir schwervorstellen, dass der Auftrag � wenn es denn hart auf hartkäme � wirklich darauf begrenzt sein könnte, die Inte-rimsregierung als eine Art Schweizergarde zu schützen.Was wäre denn, wenn die humanitären Einsätze, die in Af-ghanistan vollzogen werden, von den Taliban, von ma-rodierenden Banden oder von sonst wem gefährdet wür-den? Kann sich einer von uns vorstellen, dass unsereSoldaten dort vor Ort wären und nicht eingreifen würden,um diese humanitären Hilfsaktionen zu schützen? Es ist jadurch dieses Mandat durchaus möglich, dass dies ge-schieht. Aber ich hoffe, dass dies dann auch im Ernstfalleangewandt werden würde.

Im Übrigen � Wolfgang Gerhardt hat es heute früh fürdie FDP-Fraktion angekündigt � werden wir dem Antragder Bundesregierung zustimmen. Allerdings haben wirspeziell in einem Punkt ganz erhebliche Bedenken: Wirhalten das, was im Antrag zur Finanzierung gesagt wor-den ist, für in hohem Maße unseriös.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordnetender CDU/CSU)

Hier findet sich der lapidare Satz � das muss man sichwirklich auf der Zunge zergehen lassen �: �Die einsatz-bedingten Ausgaben werden im Haushaltsjahr 2002 ... ge-gebenenfalls durch Umschichtungen finanziert.� AlleNachfragen gestern und heute im Auswärtigen Ausschusshaben uns nicht weitergebracht. Ich erinnere daran, dassder Finanzminister uns vor noch gar nicht langer Zeit er-klärt hat, dass der Haushalt jetzt bis an die Grenzen desMöglichen befrachtet sei. Wo sollen denn diese Um-schichtungen herkommen? Das muss uns doch gesagtwerden. Oder ist daran gedacht, dass die Mittel, die jetztim Haushalt des Entwicklungsministeriums und im Haus-halt des Auswärtigen Amtes für humanitäre Zwecke undfür strukturelle Aufbauarbeit in Afghanistan vorgesehensind, dann reduziert werden sollen? Das könnte ja wohlnicht im Sinne der Sache sein.

Denn eines wollen wir doch festhalten: Ohne die � auch finanziellen � Aufwendungen der internationalenGemeinschaft für den Wiederaufbau von Afghanistan inder Zukunft würden alle Soldaten, die wir dort hin-schicken, nichts nützen und das Land würde nicht wiedervon sich aus auf die Füße kommen.

Meine Damen und Herren, heute früh ist vom Bundes-kanzler mit Freude darauf hingewiesen worden � ich teileseine Genugtuung darüber �, dass dem deutschen Kontin-gent auch niederländische und dänische Soldaten an-gehören werden. Dies ist ein vernünftiger Einstieg. Aber,Herr Bundeskanzler und Herr Außenminister, das ersetztdoch bei weitem nicht das Fehlen des europäischen unddes NATO-Ansatzes in diesen Fragen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordnetender CDU/CSU)

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Wir erleben hier, dass wiederum allein national gehan-delt wird. Da beschwören wir, da machen wir Pläne undda bekräftigen wir in Laeken und auf sonstigen Konfe-renzen, dass wir nichts Dringenderes benötigen als einegemeinsame europäische Sicherheits- und Verteidi-gungspolitik. Aber was geschieht jetzt, wo es konkretwird und wo dies vielleicht möglich gewesen wäre? �Wiederum kommt es nur zu nationalen Alleingängen.

Ich kritisiere gar nicht, dass die Bundesregierung dasvielleicht in den wenigen Tagen, die jetzt zur Verfügungstanden, nicht geschafft hat. Aber, meine Damen und Her-ren, die Briten haben ausdrücklich erklärt, dass sie ihrFührungsmandat nur für die ersten Monate ausüben wer-den. Es ist heute schon viel davon die Rede gewesen, dassdann eine neue Entscheidung getroffen werden muss.Machen das dann die Türken, machen das die Deutschenoder wer macht das?

Ich fordere die Bundesregierung auf, sich in den nächs-ten drei Monaten mit aller Kraft dafür einzusetzen, dass es möglich wird, das Führungsmandat dann auf die Euro-päische Union oder auf die NATO zu übertragen, damitwir nicht wieder darauf angewiesen sind zu bitten und zubetteln, dass eine Nation dies alleine übernimmt.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren, damit bin ich bei einem oh-nehin etwas traurigen Kapitel, nämlich bei dem Zustandder europäischen Sicherheits- und Verteidigungsgemein-schaft. In wenigen Tagen werden wir den Euro als unsereneue Währung einführen. Das ist ein Riesenerfolg und einRiesendurchbruch, von dem vor zehn Jahren noch nie-mand zu träumen gewagt hätte. Wenn es aber um Sicher-heits- und Verteidigungsfragen und um die Außenpolitikgeht, dann hinken wir hinterher wie zu Zeiten des Post-kutschenföderalismus vergangener Zeiten.

Es ist vorhin darauf hingewiesen worden, dass wir inder Außenpolitik hauptsächlich mit Militäreinsätzen tätigwerden. � Herr Fischer, Sie nicken zustimmend. Das findeich nett. Sie haben noch vor wenigen Jahren der altenBundesregierung und den sie tragenden Fraktionen vor-geworfen, sie betrieben die Militarisierung der deut-schen Außenpolitik.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordnetender CDU/CSU)

Wann immer wir in den letzten Monaten außenpolitischeDebatten geführt haben, ging es meistens um die Entsen-dung der Bundeswehr ins Ausland. Es gab allein in denletzten vier Monaten vier solcher Entscheidungen. Ichwerfe Ihnen jetzt nicht meinerseits vor, Sie betrieben dieMilitarisierung deutscher Außenpolitik. Was ich aber ver-misse, ist ein außenpolitisches Gesamtkonzept, das Sieuns vielleicht einmal hätten vorlegen können.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU �Michael Glos [CDU/CSU]: Genschmanfehlt!)

Dieses Konzept fehlt an allen Ecken und Enden. Ich habeden Eindruck, dass Sie � nicht ungeschickt � immer spon-tan auf Notwendigkeiten reagieren, die sich ad hoc erge-ben.

Ich will noch einmal auf diese vier Entsendeentschei-dungen zurückkommen, die wir in den letzten vier Mona-ten zu treffen hatten. Da gibt es ja nun nicht, wie manchein Ihren Reihen meinen, die guten Entscheidungen unddie bösen Entscheidungen. Ich sage Ihnen dazu: Die gutenEntscheidungen � auch die heute anstehende wird von Ih-nen so betrachtet � wären manchmal nicht möglich ohnedie vorangegangenen bösen Entscheidungen.

(Beifall bei der FDP sowie des Abg. WolfgangZöller [CDU/CSU])

Hier gibt es übrigens eine deutliche Parallele zwischenMazedonien und Afghanistan. Wir hätten den Beschluss,dass Deutschland als Führungsnation im Rahmen derNATO-Mission Soldaten nach Mazedonien schickt, um dortden zivilen Wiederaufbau zu schützen, nicht treffen können,wenn nicht vorher hier das Mandat erteilt worden wäre, dieBundeswehr auch zum Waffeneinsammeln nach Mazedo-nien zu schicken. Dazu hatten Sie keine eigene Mehrheit.Sie haben die Arbeit uns, der Opposition, überlassen.

(Beifall bei der FDP sowie bei Abgeordnetender CDU/CSU)

Ich freue mich ohnehin, den Vereinten Nationen, derNATO und allen unseren Bündnispartnern sagen zu kön-nen: Auf die deutsche Opposition ist natürlich Verlass.Wenn ich hier von deutscher Opposition spreche, nehmeich die PDS aus. Es ist schon außerordentlich verwunder-lich, Herr Struck, dass Sie sich zwar vorher mit der PDSauseinander gesetzt haben � so weit bin ich damit einver-standen �, ohne aber zu erwähnen, dass sich Ihre Parteizur gleichen Zeit ausgerechnet in Berlin mit ihr ins Bettlegt, obwohl die Vorgängerpartei, die SED, durch Berlindie Mauer gezogen hat. Darauf müssen Sie uns noch eineAntwort geben.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Lassen Sie mich schließen mit einem guten Wunsch anunsere Soldaten und deren Familien. Wir hoffen alle, dassdie Soldaten wohlbehalten heimkehren.

Ein allerletzter Wunsch: Der Beschluss, den wir heutefassen werden, soll dazu beitragen, dass wir einen kleinenSchritt dem näher kommen, was die Botschaft dieser lei-der vielfach sinnentleerten Weihnachtstage sein sollte:Friede auf Erden.

Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der FDP und der CDU/CSU)

Präsident Wolfgang Thierse: Nun erteile ich demKollegen Wolfgang Gehrcke, PDS-Fraktion, das Wort.

Wolfgang Gehrcke (PDS): Herr Präsident! VerehrteKolleginnen und Kollegen! Ich habe nicht gerade das Ge-fühl, dass ich mit irgendjemandem im Bett liege. Ich mussaber zugeben, dass es eine verführerische Alternative zudem wäre, was hier abläuft.

(Heiterkeit und Beifall bei der PDS � GernotErler [SPD]: Es kommt darauf an, mit wem!)

Man kann ja einmal darüber nachdenken.

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Wir sollten uns ernsthaft damit auseinander setzen � dasist der Gegenstand der Diskussion in meiner Fraktion �,wie rasch Hilfe für das afghanische Volk erfolgen kann, fürein Volk, das von Kriegen und Grausamkeiten geschundenist, für ein Volk, das militärische Interventionen � sei esvon Großbritannien als Kolonialmacht, sei es von derSowjetunion oder sei es von den Amerikanern � über sichergehen lassen musste, für ein Volk, auf das Bomben undRaketen abgeworfen worden sind und das von örtlichenKriegsherren, von Fanatikern und von Mörderbandenausgeplündert worden ist. Das ist unsere Zielsetzung. Wirglauben, dass es nicht so geht, wie es von der Mehrheithier vorgeschlagen wird.

(Gernot Erler [SPD]: Doch, doch!)

Ich hoffe � das will ich hinzufügen �, dass wir mit un-serer Auffassung Unrecht behalten. Ich befürchte aber,dass sie richtig sein wird. Gern würde ich im Interesse desafghanischen Volkes bezüglich meiner Prognosen Un-recht behalten.

(Beifall bei der PDS)

Wir haben einen anderen Weg vorgeschlagen � die Be-endigung des Krieges in Afghanistan ist dabei für uns dieVoraussetzung �: eine UNO-Mission nach Kap. VI derSatzung der Vereinten Nationen. Das hat nichts mit einemrobusten oder weniger robusten Einsatz zu tun; auch eineMission gemäß Kap. VI kann robust sein. Wir haben vor-geschlagen, rasch humanitäre Hilfe zu leisten und die Ver-sorgung der Bevölkerung sicherzustellen.

(Gernot Erler [SPD]: Das passiert doch!)

Das ist dringend notwendig. Wir haben eine Unterstüt-zung bei der Minenräumung und beim Aufbau einer zivi-len Verwaltung vorgeschlagen.

(Beifall bei der PDS)

Lassen Sie mich in diesem Zusammenhang eine Be-merkung zu dem machen, was Kollege Struck hier gesagthat; Kollege Irmer hat in diesem Zusammenhang nochdraufgesattelt. Ich setze mich gern mit Geschichtsfragen,die mich und meine Fraktion betreffen, auseinander; abernur dann, wenn sie nicht platt gestellt werden. Heute willich jedoch von der Plattheit absehen. Natürlich ist es be-rechtigt, uns immer wieder zu fragen, was wir zu be-stimmten Positionen gesagt und was wir in diesem Fallgetan haben. Ich gehöre zu denjenigen, die die sowjeti-sche Intervention in Afghanistan gerechtfertigt haben.Dies habe ich aber mit den gleichen schlechten Argumen-ten gemacht, wie ihr das heute tut.

(Beifall bei der PDS)

Auch ich habe damals von dem Unsinn des Kampfes ge-gen den Terror und gegen Banditengruppen und von derBeförderung des kulturellen Fortschritts gefaselt.

(Widerspruch bei der SPD)

Diese Argumente waren damals schlecht und sie sindheute nicht besser geworden.

(Beifall bei der PDS � Gert Weisskirchen[Wiesloch] [SPD]: Das ist ein UNO-Mandat!Das ist ungeheuerlich!)

Ich sehe nicht ein, warum man sich heute davon abset-zen muss, Schwerter zu Pflugscharen umformen zu wol-len. Ich kann euch ja einmal vorlesen, was in eurem Pro-gramm steht. Wir alle wollten das einmal. Daran solltenwir festhalten. Ihr macht es nicht!

(Beifall bei der PDS)

Nun spreche ich einmal die Kolleginnen und Kollegenan, die wie ich als Linke aus dem Westen stammen � mankennt sich ja untereinander �: Seid einmal weniger lautund legt zugrunde, was wir und ihr � ich schaue dabei dieGrünen und einen Teil der Sozialdemokraten an � damalsgeschrieben haben! Das wäre nicht weniger unmenschlichund inhuman geworden als das, was im Osten Praxis war.Nehmt euch einmal ein Stück zurück! Auch gedachte Un-taten bleiben Untaten! Auch dazu sollte man stehen.

(Beifall bei der PDS)

Für mich ist die entscheidende Frage, ob das VN-Mandat den Bruch mit der Logik des Krieges darstelltoder ob es im Gegenteil auf der Logik des Krieges beruht.Es war interessant, zu hören, was der Herr Bundeskanzlerin seiner Erklärung dazu gesagt hat. Er hat das VN-Man-dat aus dem Krieg heraus entwickelt und beides mitei-nander verbunden. Ich halte die Logik, dass man durchdas Führen eines Krieges zu einem solchen Ergebniskommt, für fatal. Ich möchte, dass künftige UN-Missio-nen von Kriegen abgesetzt werden, dass sie das Gegenteilvon Krieg darstellen und dass es um zivile Lösungen geht.

(Beifall bei der PDS)

Hier liegen unsere Probleme mit dem Mandat selber.Für die Öffentlichkeit sei gesagt � die Kolleginnen undKollegen hier sollten es wissen �: Dies ist keine UNO-Mission, sondern eine Mandatierung der UNO für eineStaatengruppe. Das ist einfach ein Unterschied.

Großbritannien ist aus meiner Sicht ob seiner kolonia-len Geschichte und seiner Verwicklung in den Krieg alsLeitnation ungeeignet. Großbritannien tritt zweifach inErscheinung: als Kriegspartei und als Teil der UNO-Mis-sion.

In der Türkeifrage � da muss ich dem Kollegen RüheRecht geben; wo er Recht hat, hat er Recht � wird die Re-gierung beantworten müssen, wie sie künftig ihre Positionzur Türkei gestalten wird, wenn die Türkei ihre �lead na-tion� in Afghanistan sein wird.

Auch Folgendes werden Sie beantworten müssen:Wenn Sie die Bundeswehr so einsetzen, wie Sie sie ein-setzen, dann ist sie wirklich unterfinanziert. Ich will sienicht so einsetzen; aber um die Beantwortung dieserFrage kommen Sie nicht herum. In mindestens einem hal-ben Jahr werden Sie in der Türkeifrage und auch in ande-ren diesbezüglichen Fragen Farbe bekennen müssen.

Weiterhin ist festzuhalten, dass der Kampfeinsatz derUSA in Afghanistan und die dortige UNO-mandatierteTruppe � das Herumgerede hilft ja nicht weiter � dochmiteinander verbunden sind. Wenn man die Texte genaudurchliest, so stellt man fest, dass im Konfliktfall letzt-endlich die USA die Entscheidung treffen. Täuschen Siedie Öffentlichkeit doch nicht, wenn Sie das befürworten!

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Stellen Sie sich zu solchen Positionen und sagen Sie deut-lich, wie es sein wird!

(Beifall bei der PDS � Michael Glos [CDU/CSU]: Der Rühe hat es doch gesagt!)

Ich habe allergrößte Bedenken gegen ein Mandat nachKap. VII.

Ich will mich mit einer weiteren Frage auseinander set-zen. Die humanitäre Hilfe ist nicht Gegenstand des Man-dates. Das muss hier deutlich gesagt werden. Das Mandatdient zur Unterstützung, zur Assistenz und zur Sicherungder neuen Verwaltung. Da kann es vielleicht einen Sinnmachen. Aber Sie werden Fragen beantworten müssen.Was passiert, wenn die Scharia die Rechtsordnung bleibtund in Kabul und in ganz Afghanistan Hinrichtungen statt-finden? Dann hätten Sie kein Mandat, um unmittelbar ein-zugreifen. Was passiert, wenn die Differenzen zwischenGroßbritannien, Frankreich, den USA und auch Deutsch-land � das sind ja keine Kleinigkeiten � größer werden?

Lassen Sie mich noch eine Frage hinzufügen, die Sieheute fairerweise hätten beantworten müssen.

(Detlev von Larcher [SPD]: Er wird immerschlechter!)

Man kann Afghanistan nur im Gesamtzusammenhang se-hen. Sie hätten heute sagen müssen, wie es mit weiterenmilitärischen Einsätzen aussieht; diese Frage ist oftmalsaufgeworfen worden und steht damit in Zusammenhang.Da Sie das nicht tun, gibt es nur zwei Antworten. Entwe-der Sie wissen nichts � das spräche nicht gerade für Part-nerschaft; aber das kann ja so sein �, oder Sie sagen nichts,weil Sie den Eindruck, dass die Wahrheit scheibchen-weise verabreicht wird, vermeiden wollen: Die uneinge-schränkte Solidarität führte zum Beschluss der NATOüber den Bündnisfall. Die NATO wurde danach gar nichtmehr gefragt, aber das ist nicht mein Problem. Dann kamder Beschluss des Bundestages, für die Aktion der USA2 900 Soldaten zur Verfügung zu stellen. Wo sind die ei-gentlich stationiert? Wo sind sie geblieben? Darüber redetkeiner. Sind sie schon in Afghanistan? Sind sie in Soma-lia oder in Kuwait? Wo sind sie denn? Ich möchte endlichAntworten darauf haben, wo diese Soldaten sind.

(Beifall bei der PDS)Jetzt sollen 1 200 Soldaten für den UNO-Einsatz zur

Verfügung gestellt werden. Zum gleichen Zeitpunkt sagtder Verteidigungsminister zu Somalia, es gehe nicht mehrum die Frage des Ob, sondern nur um die Frage des Wannund mit welchen Mitteln. Das ist die Verknüpfung zwi-schen Kriegsaktion und Friedensmission. Die genau wol-len wir nicht. Sie aber nehmen sie vor bzw. laufen Gefahr,sie vorzunehmen. Deswegen haben wir uns zu einem Neinentschieden, was wir unter uns kritisch genug und auch inder Öffentlichkeit diskutiert haben.

(Beifall bei der PDS)

Präsident Wolfgang Thierse: Ich erteile das WortBundesminister Rudolf Scharping.

(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Jetzt hält derKanzler die Luft an! Jetzt hält die ganze Regie-rungsbank die Luft an!)

Rudolf Scharping, Bundesminister der Verteidigung:Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Mein erstesWort richtet sich an die Angehörigen der Bundeswehrsol-daten und an jene 7 500 Soldaten, die auf dem Balkan fürFrieden und Stabilität sorgen, die Weihnachten und denJahreswechsel getrennt von ihren Familien verbringenwerden und die diesen Dienst leisten, weil er den Interes-sen unseres Landes entspricht und weil wir in Europa mit-hilfe der Bundeswehr im Rahmen einer klugen Gesamt-politik einen unverzichtbaren Beitrag für Frieden undstabile Entwicklung gewährleisten.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dieses Wort richtet sich aber nicht nur an jene7 500 Soldaten, die zurzeit auf dem Balkan stationiertsind, sondern auch an die Bürgerinnen und Bürger unse-res Landes sowie an die Mitglieder des Deutschen Bun-destages.

Wir sollten bei allen diesen Entscheidungen nicht über-sehen, dass in der gegenwärtigen Situation von den etwa210 000 Berufs- und Zeitsoldaten und jenen, die freiwil-lig länger Wehrdienst leisten, über 60 000 für internatio-nale Einsätze fest eingeplant oder direkt für sie engagiertsind. Das bedeutet, dass wir fast 30 Prozent jener, diedafür zur Verfügung stehen, für solche Einsätze politischund vor allen Dingen persönlich � auch mit Blick auf de-ren Familien � unmittelbar beanspruchen.

Das sagt zugleich, dass wir bei unseren politischenEntscheidungen einen sehr strengen und klaren Maßstabanlegen müssen, wenn wir solche Entscheidungen treffen,und zwar nicht nur einen außen- und sicherheitspoliti-schen, sondern auch einen, der mit den Fähigkeiten derBundeswehr und der in der Bundeswehr engagiertenMenschen zu tun hat. Es wird wohl so sein, dass wir imZusammenhang mit Afghanistan gewährleisten können,dass diejenigen, die in einer 48-Stunden-Bereitschaft ste-hen, die Weihnachtstage noch bei ihren Familien verbrin-gen werden. Das gilt dann wahrscheinlich in dieser um-fassenden und sicheren Form für den Jahreswechsel nichtmehr.

Der Einsatz, über den wir heute entscheiden � das isthier gesagt worden �, ist mittlerweile der vierte innerhalbvon nur vier Monaten. Es ist ein Einsatz auf der Grund-lage von Kap. VII der Charta der Vereinten Nationen.Das wollten wir so. Das ist auch notwendig. Es ist ein Ein-satz, der nur deshalb möglich wird � darin stimme ich demKollegen Rühe und anderen ausdrücklich zu �, weil es zu-vor einen ebenso entschlossenen wie zielorientierten mi-litärischen Einsatz gegeben hat. Alles, worüber wir jetztgemeinsam im Sinne von Fortschritt, Herausforderungund Chancen in Afghanistan reden, ist nur möglich ge-worden, weil es den entschlossenen Kampf gegen Terro-risten und Taliban gegeben hat. Dieser Kampf � dasmuss man ebenso deutlich hinzufügen � wird noch län-gere Zeit andauern: in Afghanistan, auf verschiedenen po-litischen Ebenen, unter Nutzung verschiedenster Fähig-keiten, an verschiedenen Orten.

Vor diesem Hintergrund und weil in Afghanistan Auf-trag und Fähigkeiten getrennt sind, aber auf dem Terri-

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torium desselben Staates selbst bei großer räumlicher Ent-fernung in Kabul und Umgebung Sicherheit gewährleistetwerden soll, während andernorts gegen Terroristen undTaliban vorgegangen wird, bedarf es nicht nur einer kla-ren Trennung, wie wir sie wollten und wie sie gewähr-leistet ist, sondern auch einer engen Koordination.

Weil ich vermute, dass viele Außenstehende das nichtso gut nachvollziehen können, will ich an einem einzigenBeispiel erläutern, warum das politisch in Ordnung, sach-lich sinnvoll und operativ unverzichtbar ist.

(Friedrich Merz [CDU/CSU]: Jetzt wird es einHintergrundgespräch!)

Beim Zugang zu Kabul sind wir in Afghanistan unver-zichtbar darauf angewiesen, dass es eine gemeinsameLuftraumüberwachung und eine Koordination beim Luft-transport gibt. Übrigens für den Fall, dass sich angesichtsdes Risikospektrums, über das wir in den Ausschüssensorgfältig geredet haben, alles wesentlich ungünstigerentwickelt: Wenn für diese Sicherheitsunterstützung mi-litärische Unterstützung notwendig werden sollte, dannsind das alles Hinweise darauf, dass ohne enge Koordina-tion mit den Vereinigten Staaten und ohne zuverlässigeUnterstützung durch die Vereinigten Staaten gar nicht daszu bewältigen wäre, was wir uns jetzt in der gemeinsamenTruppe vorgenommen haben.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will einige Worte im Zusammenhang mit Bemer-kungen sagen, wie sie hier mit Blick auf die Vereinten Nationen, die Nichtregierungsorganisationen und andere gefallen sind. Es ist richtig, dass wir von einerUnterstützungsleistung sprechen. Es ist genauso richtig,dass diese Unterstützungsleistung auf den Raum Kabulund Umgebung begrenzt ist und begrenzt bleiben muss.Das bedeutet zugleich die schmerzliche Einsicht, dass wirnicht die Fähigkeit haben � Deutschland, Europa und dieinternationale Staatengemeinschaft insgesamt habennicht die Fähigkeit �, in Afghanistan für Sicherheit zu sor-gen.

(Christian Schmidt [Fürth] [CDU/CSU]: Werhat keine Fähigkeiten?)

Wir bräuchten über 300 000 Soldaten, um nur diegrößeren Städte und die Verbindung zwischen diesenStädten wirksam zu sichern.

Im Übrigen wäre diese Anforderung, die auch auf dieArbeit der Nichtregierungsorganisationen einen gewissenEinfluss hat, ein Widerspruch zum Petersberg-Abkom-men und zu der Sicherheitsratsresolution, die auf demPetersberg-Abkommen aufbaut. Ganz anders als auf dem Balkan appelliert sie bewusst an die Fähigkeit derStämme, der Volksgruppen, der Clans und der politischenFührer in Afghanistan, den Weg dieses Landes in die ei-genen Hände zu nehmen, und zwar von Anfang an, anstattdie Autorität dieser Regierung auf auswärtige Präsenz zubauen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

In diesem Zusammenhang ist genauso nüchtern daraufhinzuweisen, dass die Bereitschaft Großbritanniens,die Führung zu übernehmen, von der Bundesregierungnicht nur begrüßt wird. Das tun wir, aber es kommt nochetwas anderes hinzu: Wir müssen im Lichte der Erfah-rungen, die wir in den letzten Wochen gesammelt habenund möglicherweise in den nächsten Wochen und Mona-ten noch sammeln werden, sehr genau darauf schauen, obes für die Fortführung der Operationen � ich rede jetztnicht von diesem Mandat � und für mögliche künftigeEntscheidungen nicht doch mehr Sinn macht, wieder stär-ker auf integrierte Stäbe und Fähigkeiten, auf integriertebewährte Verfahren der multinationalen Zusammen-arbeit zurückzugreifen, als das in diesem Fall, aus wel-chen Gründen auch immer, möglich war.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sowie bei Abgeordneten derCDU/CSU und der FDP)

Ich sage das auch deshalb, weil � unbeschadet der De-batten, die wir hier führen � mit all diesen Entscheidun-gen auch gewisse Weichenstellungen hinsichtlich derFrage vorgenommen werden, wie wir das Verständnis vongemeinsamer Sicherheit und ihrer multinationalen Ge-währleistung in Zukunft in operative Fähigkeiten umset-zen wollen. Der größte Vorteil der NATO ist, dass siediese Fähigkeiten hat, dass diese eingeübt sind und dass es ein enormes Maß an politischem Vertrauen in dieFähigkeiten der NATO gibt. Das ist etwas, was wir in Europa und im Rahmen der ESVP noch entwickeln müs-sen.

In diesen Zusammenhang gehört die Frage, ob dieBundesrepublik Deutschland die Lead-Funktion hätteübernehmen können oder für die Zukunft übernehmensoll. Ich rate davon ab, so zu tun, als habe man schon dieFähigkeiten, die man in Zukunft erst erwerben will. Wirhaben das Einsatzführungskommando der Bundeswehrrund acht Monate früher in Funktion gebracht, als das ursprünglich beabsichtigt war. Das hat mit Enduring Freedom � also dem Kampf gegen den internationalenTerrorismus � zu tun. Die Bundesrepublik Deutschlandverfügt aber noch nicht über die Führungsstrukturen, dieFührungsmittel und die Unterstützungsmittel, die manbraucht, um einen solchen multinationalen Einsatz übereine so große Entfernung und über möglicherweise län-gere Dauer zu führen. Das ist eine ganz nüchterne realis-tische Einsicht. Das darf uns aber nicht davon abhalten,die notwendigen Fähigkeiten rasch zu erwerben. Dazudienen auch die 1,5 Milliarden DM aus dem Antiterror-paket der Bundesregierung. Diese Mittel stehen derBundeswehr dauerhaft zur Verfügung. Das ist wichtig fürdie Bundeswehr und für die Verbesserung der äußeren Sicherheit unseres Landes sowie seiner Partner.

Es ist ganz klar, dass wir diese 1,5 Milliarden DM fürMaßnahmen im Zusammenhang mit �Enduring Freedom�verwenden. Für die Maßnahmen, die wir hoffentlich jetztmit großer Mehrheit beschließen werden, haben wir300 Millionen DM eingeplant. Alles andere muss auf an-dere Weise aufgebracht werden.

Ich sage das auch mit Blick auf einen Umstand, den ichnicht zu übersehen bitte: Wir haben nicht den Ergeiz,

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diese Obergrenze auszuschöpfen. Das ergibt sich aus un-serer engen Zusammenarbeit mit den Niederlanden undanderen europäischen Ländern, mit denen wir über dieseFrage zurzeit noch im Gespräch sind. Damit wollen wirdeutlich machen, dass eine multinationale Zusammen-arbeit von Deutschland als Prinzip akzeptiert und im All-tag angewandt wird. Wir haben auch hinsichtlich derDauer des Einsatzes nicht den Ehrgeiz, die Obergrenzeauszuschöpfen. Ich sage das, um auf die Angehörigen der Bundeswehr zurückzukommen, sozusagen als Leit-planke.

Die Verpflichtungen, die wir mit unserem internationa-len Engagement zur Sicherung von Frieden und Stabi-lität eingegangen sind � auf dem Balkan oder in derBekämpfung des internationalen Terrorismus �, dürfendurch neue Engagements nicht in Gefahr gebracht wer-den. Unsere übernommenen Verpflichtungen müssen ein-gehalten werden. Das ist auch eine Frage der Zuverläs-sigkeit und der politischen Glaubwürdigkeit.

Mit Blick auf die Motivation in der Bundeswehr müs-sen die Verlässlichkeit der politischen Entscheidungen so-wie die Qualität der Nachwuchswerbung und Nach-wuchsgewinnung sichergestellt werden. Die Erfolge, diemit der Erneuerung der Bundeswehr erreicht worden sind,dürfen nicht in Gefahr gebracht werden.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Herr Kollege Rühe, auch wenn es sich vielleicht etwasunweihnachtlich anhört, schließe ich noch eine Bemer-kung an: Wenn die Zuverlässigkeit der mittelfristigen Fi-nanzplanung unserer Vorgängerregierung der Maßstab fürsolche Rechnungen, wie Sie sie aufgemacht haben, seinsoll, dann würde ich sagen, wir sollten uns für die Zukunfteher Grimms Märchenbuch als Maßstab für die Zuverläs-sigkeit nehmen, denn nicht eine einzige Ihrer mittelfris-tigen Finanzplanungen haben Sie eingehalten, und daswar zum Schaden der Bundeswehr.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Wolfgang Thierse: Ich erteile das Wortdem Kollegen Paul Breuer, CDU/CSU-Fraktion.

Paul Breuer (CDU/CSU): Herr Präsident! Meine Da-men und Herren! Das ist der fünfte Einsatzbeschluss, dender Deutsche Bundestag in diesem Jahr 2001 zu fassen ge-denkt. Am Anfang dieses Jahres 2001 hätte sicher diegroße Mehrheit dieses Hauses diesen Verlauf des Jahresnicht für wahrscheinlich gehalten. Das zu erkennen isteine wesentliche Voraussetzung dafür, sich zu überlegen,wie die Sicherheitspolitik und der Umgang mit den Streit-kräften aussehen müssen. In der Sicherheitspolitik undbeim Umgang mit den Streitkräften gilt es immer einganzes Stück Vorsorge zu betreiben.

Meine Damen und Herren Kollegen, wenn wir Ein-satzbeschlüsse fassen, dann darf das nicht zur Routinewerden. Ich habe auch nicht den Eindruck, dass das ge-schieht. Wir müssen uns immer wieder der Vorsorge und

der Sicherheit widmen und Risiken so weit wie möglichvermeiden.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie beiAbgeordneten der SPD)

Soldaten der Bundeswehr, die in Einsätzen sind, sagenoftmals: Ein Problem für uns ist nicht nur, dass wir einhalbes Jahr in den Einsatz gehen. � Das ist schwer genug;manche Familie hat riesige Probleme; manche Ehe schei-tert angesichts der Belastungen. � Nein, eine Belastung istauch, dass unsere Nachbarn und die anderen in dieserFriedensgesellschaft absolut kein Verständnis für die Be-lastungen aufbringen, die auf unsere Familien und unspersönlich einströmen.

Ein Jugendoffizier der Bundeswehr hat in seinem Jah-resbericht für 2000 geschrieben, dass die Jugendlichenbesser darüber informiert seien, was im �Big Brother�-Container geschieht, als darüber, dass Soldaten der Bun-deswehr in Containern in Bosnien oder im Kosovo unter-gebracht sind.

(Gernot Erler [SPD]: Weiß das Herr Westerwelle?)

Wenn wir heute einen Einsatzbeschluss für Afghanistanfassen, dann muss uns bewusst sein, dass das Weih-nachtsfest nicht nur für die Familien der Soldaten, dieauf dem Balkan eingesetzt sind, sondern auch für die Fa-milien derjenigen, die innerhalb der kommenden vier odersechs Wochen nach Afghanistan gehen, kein normalesWeihnachtsfest ist. Sie tun das für uns. Der Deutsche Bun-destag muss zum Ausdruck bringen, dass er ihnen allesVertrauen und alle Unterstützung mit auf den Weg gibt.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-neten der SPD, des BÜNDNISSES 90/DIEGRÜNEN und der FDP)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, Gefahren und Risi-ken gibt es in Afghanistan genügend. Uns allen ist klar,dass dies ein nicht nur geographisch-topographisch zer-klüftetes Land ist. Es ist ein Land mit vielen politisch-ethnischen Klippen und Gefahren. Das, was sich in denletzten Jahrzehnten dort abgespielt hat, kann � da darf eskeine Illusionen geben � nicht innerhalb von wenigen Jah-ren und schon gar nicht innerhalb von sechs Monaten ei-nes Bundeswehreinsatzes bekämpft werden.

Dem entsprechen die Risiken für unsere Soldaten. Unsmuss bewusst sein: Wir schicken deutsche Soldaten in einUmfeld, in dem es Risiken für Leib und Leben gibt. Hinzukommt: Wir schicken deutsche Soldaten in ein Umfeld, ausdem wir sie, wenn ein Notfall eintritt, wenn sie in Bedrängnis kommen, nicht mit deutschen Mitteln, mit Mit-teln der Bundeswehr, retten können. Wir sind auf die Un-terstützung der Vereinigten Staaten von Amerika ange-wiesen. Ich habe keinen Zweifel daran, dass wir auf dieVereinigten Staaten von Amerika und ihre Streitkräfte ver-trauen können. Es ist aber schon notwendig, dass wir hierfeststellen, dass diese Risiken vorhanden sind und dass die-ses Vertrauen notwendig ist. Dieses Vertrauen steht letztlichin Verbindung mit dem, was wir Solidarität gegenüber denVereinigten Staaten von Amerika genannt haben.

Die Gefahren für unsere Truppen in Afghanistan habenaber auch etwas damit zu tun, dass wir über eine Frage gar

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nicht diskutieren können: Das ist die Frage, ob nicht dieAusstattung der deutschen Streitkräfte womöglich et-was schwerer sein könnte. Könnte es mehr Panzerschutzgeben? Wir können hier nur sehr begrenzt darüber disku-tieren, weil wir zum Beispiel die Lufttransportmittel, diedafür notwendig sind, deutsche Panzer nach Afghanistanzu transportieren, nicht besitzen. Nun hängt es sicherlichmit der Geschichte der Bundeswehr und mit den Sicher-heitsrisiken aus der Vergangenheit im Ost-West-Konfliktzusammen, dass wir die Transportflugzeuge heute nichtbesitzen. Aber dann, liebe Kolleginnen und Kollegen,muss man darauf hinweisen, dass wir uns dringend darumbemühen müssen,

(Gernot Erler [SPD]: Machen wir doch!)

dass die Bundeswehr morgen die Ausstattung dafür be-sitzt und neue Flugzeuge bekommt.

Wenn Sie, Herr Kollege Erler, sagen: �Machen wirdoch�, dann will ich Ihnen eines sagen: Es sollte Ihnensehr zu denken geben, dass der Verteidigungsministerzwar 73 dieser Flugzeuge bestellt hat, im Hinblick auf dieVerpflichtungsermächtigung, die dieses Parlament ihmeingeräumt hat, aber nur die Hälfte finanzieren kann.

(Peter Zumkley [SPD]: Mehr als die Hälfte!)

Das ist skandalös, Herr Kollege Erler.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Sie haben in der Haushaltsabstimmung zum Haushalt2002 vor wenigen Wochen einem Antrag der CDU/CSUdie Zustimmung verweigert, der exakt zum Inhalt hatte,dem Verteidigungsminister die Möglichkeit zu geben,tatsächlich voll finanziert die 73 Flugzeuge zu bestellen.Das heißt, das, was wir hier im Hinblick auf die Finan-zierung der Bundeswehr sagen, ist nicht irgendeine oppo-sitionelle Attitüde; es ist das, was notwendig ist, um dergewachsenen Verantwortung Deutschlands in der Sicher-heits- und Verteidigungspolitik tatsächlich mit unsererBundeswehr gerecht werden zu können.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wir haben in dem Entschließungsantrag, auf den ichSie hinweisen möchte, aber auch eine andere Risikofrageangeschnitten, die nicht unbeachtet bleiben darf. In derSitzung des Verteidigungsausschusses gestern wurdedeutlich, dass ein Teil des Materials, ja auch ein Teil desPersonals, das in Afghanistan eingesetzt wird, vom Bal-kan abgezogen werden muss. Das heißt, es besteht die Ge-fahr, dass sich die Ausstattung der deutschen Streit-kräfte auf dem Balkan verschlechtert. Das wiederumheißt, dass Zusagen, die unseren Soldaten im Hinblick aufihre Einsatzbelastung gegeben worden sind, nicht einge-halten werden können. Ein Blick auf die Kräfte und aufdie Leistungsfähigkeit der Bundeswehr zeigt sehr deut-lich, dass diese � nicht die persönliche Leistungsfähigkeitder Soldaten, sondern die Leistungsfähigkeit des Trup-penkörpers � ihre deutlichen Grenzen hat.

Deswegen fordere ich ganz deutlich: Wir müssen uns inder zukünftigen Diskussion über die Ausstattung unsererStreitkräfte nicht an einer Situation orientieren, die viel-leicht gerade jetzt gegeben ist. Vielmehr müssen wir auchdie Eventualitäten mit einbeziehen. Niemand von uns hätte

den Afghanistan-Einsatz am Anfang dieses Jahres fürwahrscheinlich gehalten. Heute gibt es im Deutschen Bun-destag eine breite Mehrheit dafür, die Soldaten nach Af-ghanistan zu schicken. Daher müssen wir auch unabhän-gig von Wahrscheinlichkeitsgraden dafür sorgen, dass dieBundeswehr eine Ausstattung und eine Ausbildung besitzt,die sie für alle Eventualitäten infrage kommen lässt, diewir sicherheitspolitisch für notwendig halten.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Meine Damen und Herren Kollegen, ich möchte amEnde noch eine Frage anschneiden, die nicht ohne Risikoist � sie hat heute schon eine Rolle gespielt �: Das ist dieFrage des Oberkommandos der Streitkräfte in Afgha-nistan, des Oberkommandos dieser Sicherheitstruppe.Wir wissen, dass die britischen Partner in drei Monatenaus der internationalen Sicherheitstruppe ausscheidenwerden und dass sie dann ihre Führungsfunktion nichtmehr wahrnehmen werden.

(Gernot Erler [SPD]: Ende April!)

Ich frage mich, wie eigentlich die Unstimmigkeiten ins-besondere zwischen Deutschland und dem VereinigtenKönigreich zustande gekommen sind. Ich vermute Fol-gendes: Es war nicht gut � das ist schon von einigen Kol-legen angesprochen worden �, dass der Konferenz aufdem Petersberg eine nationale Grundlage gegebenwurde, obwohl es sich um eine UNO-Konferenz gehan-delt hat. Es wäre besser gewesen, eine europäische Flan-kierung anzustreben. Dafür spricht insbesondere einGrund: Eine solche Flankierung hätte unseren europä-ischen Partnern signalisiert, dass die Gemeinsame Außen-und Sicherheitspolitik kein Papiertiger, sondern etwas ist,was wir wirklich anstreben wollen. Ich bin davon über-zeugt, dass so manche Unstimmigkeiten mit Großbritan-nien hätten vermieden werden können. Das Signal, dasdie Briten stattdessen bekommen haben � versetzen wiruns einmal in ihre Lage �, ist: Die Deutschen lassen unskämpfen und Risiken übernehmen. Sie selbst wollen dieFriedensmacher sein, die nur feine Konferenzen ausrich-ten und keine Risiken übernehmen. � Ein solches Bilddarf Deutschland innerhalb Europas nicht abgeben.

(Beifall bei der CDU/CSU � Gernot Erler[SPD]: Das tun wir auch gar nicht!)

Präsident Wolfgang Thierse: Kollege Breuer, Siemüssen zum Ende kommen.

Paul Breuer (CDU/CSU): Ich komme zum Ende,Herr Präsident. � Ich hoffe, dass das, was wir mit demheutigen Einsatzbeschluss beginnen, zum Erfolg führenwird und dass wir dem geschundenen Land Afghanistandie Möglichkeiten geben, eine bessere Zukunft zu gestal-ten, sodass der Terrorismus in diesem Land � das ist un-ser vornehmliches Interesse � keine Grundlage mehr fin-den kann. Ich hoffe, dass unsere Soldaten, die wir nachAfghanistan schicken, heil und gesund wieder nach Hausekommen werden.

Danke sehr.

(Beifall bei der CDU/CSU und der FDP)

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Präsident Wolfgang Thierse: Ich erteile das Wortder Kollegin Rita Grießhaber, Bündnis 90/Die Grünen.

Rita Grießhaber (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN):Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Obwohl dieErwartungen an das Petersberger Abkommen bei vielenwahrlich nicht besonders hoch waren, kann man nur fest-stellen: Es wurde nicht nur deutlich mehr erreicht, als diemeisten erwartet hatten; vielmehr ist die Afghanistan-Konferenz zu einem außerordentlichen Erfolg geworden.Der deutsche Beitrag zum Gelingen war alles andere alsgering. Aber, Kollege Rühe, es war in allererster Linieeine Veranstaltung der Vereinten Nationen, nicht Deutsch-lands.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENund bei der SPD)

Das Petersberger Abkommen war zwar ein riesigerMeilenstein, aber es garantiert noch keinen Frieden. DieSicherheitskomponente, über die wir gleich abstimmenwerden, ist ein wichtiger und notwendiger Teil des ganzenProzesses. Jedoch sollten wir darüber hinaus nicht die po-litischen Aufgaben vergessen, die im Hintergrund desGanzen stehen. Afghanistan braucht in der Phase der Sta-bilisierung nicht nur ein sicheres Umfeld in der Haupt-stadt für die Regierung. Kollege Irmer, mit Verlaub, derVergleich mit der Schweizergarde ist nicht der schlechtes-te. Wenn man sich die historische Rolle anschaut, diediese Garde für den Vatikan gespielt hat, kann man nur sa-gen: Es wäre nicht schlecht, wenn die internationale Si-cherheitstruppe in Afghanistan die gleiche Rolle spielenkönnte. Nur, ich kann mir nicht vorstellen, dass dieseTruppe so lange und letztlich nur noch als schön geklei-dete Staffage dort bleiben wird, wie es die Schweizer-garde beim Vatikan tut.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENund bei der SPD)

Afghanistan braucht auch und gerade die Hilfe derVereinten Nationen bei der Schaffung neuer staatlicherStrukturen. Der Verfassungsprozess muss auf den Weggebracht werden. Die Gerichtsbarkeit ist neu zu ordnen.Sicherheits- und Polizeikräfte sind aufzubauen und zuschulen. Die humanitäre Hilfe muss nach besten Kräftenim Lande wirksam werden. Das ist die Aufgabe der neuenRegierung. Sie erhält dabei große Unterstützung von zahl-reichen internationalen Hilfsorganisationen.

Mir macht Hoffnung, dass mit der FrauenministerinSima Simar eine sehr engagierte Frau in die Übergangs-regierung berufen wurde, die nicht nur in Quetta das Ma-lai-Krankenhaus aufgebaut hat, sondern die mit der vonihr gegründeten Frauenorganisation Shuada auch aus demwichtigen aktiven zivilgesellschaftlichen Spektrumkommt, das gerade jetzt in Afghanistan dringend ge-braucht wird.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENund bei der SPD)

Ich erinnere mich an das Entsetzen, als die Taliban dieBäckereien schlossen, mit deren Hilfe viele afghanischeFrauen die schlimmste Not lindern konnten. Ich freue

mich jetzt, dass am Donnerstag in Kabul genau dieseBäckereien von den Frauen wieder eröffnet wurden.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENund bei der SPD)

Auch andere Gesten sollten wir zur Kenntnis nehmen.Nicht nur Rabbani, sondern auch Dostum war heute beider Einführung der neuen Regierung. Er hat Karsai dieHand geschüttelt. Das darf man nicht überbewerten, aberes ist ein Signal, das man aufnehmen muss.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENsowie bei Abgeordneten der SPD)

Wenn wir genau hinschauen, dann erkennen wir: In Af-ghanistan gibt es jetzt die Personen, die aus der leidvollenVergangenheit Lehren ziehen. Eines ist klar: So viel Hoff-nung wie heute gab es in diesem Land schon Jahrzehntenicht mehr. Diese Chance nicht zu nutzen wäre nieman-dem mehr zu vermitteln.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN undbei der SPD sowie bei Abgeordneten der FDP)

Zum Einsatz selbst: Ich möchte noch ein Wort zu derDebatte über die �lead nation� sagen, Kollege Rühe. Dasmuss man sehr sorgfältig diskutieren und darf es nicht iso-liert in Bezug auf Afghanistan sehen. Die Verantwortung,die wir in Mazedonien übernommen haben, hat sich mit-nichten erledigt. Dort steht noch einiges aus. Ich erinnerenur an die Wahlen im April. Auch die Amnestiefrage istnoch längst nicht geregelt. Wenn man darüber redet, waswir noch alles übernehmen wollen und können, dannmuss man sich auch ernsthaft überlegen, ob die bisherübernommenen Aufgaben schon abgeschlossen sind. Voneiner Lead-Funktion zur nächsten hüpfen, das kann eswahrlich nicht sein.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENsowie bei Abgeordneten der SPD)

Das Mandat des Sicherheitsrats � das wurde schon gesagt � enthält zwei wichtige Elemente. Es betont die Eigenverantwortung Afghanistans ganz ausdrücklichund es besteht darauf, dass die internationale Gemein-schaft nur unterstützend tätig wird. Gleichzeitig ist es einMandat nach Kap. VII. Damit ist die Mission in derLage, ihren Auftrag robust durchzusetzen. Herr Gehrcke,ich glaube nicht, dass Sie die Charta der Vereinten Natio-nen wirklich so schlecht kennen, dass Sie nicht wissen,was der Unterschied zwischen einem Mandat nachKap. VI und einem Mandat nach Kap. VII ist.

(Ulrich Irmer [FDP]: Der braucht erst eineAuslegung durch Karlsruhe!)

Die Robustheit, die man braucht, um tatsächlich etwasdurchzusetzen, hat man nur bei Maßnahmen nachKap. VII.

Es ist sicherlich kein Zufall, dass vieles, was jetzt aufden Weg gebracht wurde, durch die Vermittlung vonHerrn Brahimi zustande kam. Er hat einen doppelten Er-fahrungshintergrund. Er kennt sowohl die Fehlschläge inAfghanistan als auch die Fehlschläge der Missionen derVereinten Nationen. Er war der Vorsitzende der so ge-nannten Brahimi-Kommission und hat bei Kofi Annan

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seine Empfehlungen abgegeben, die ganz klar feststellen:Wir brauchen in einer Situation wie in Afghanistan robus-tere Mandate. Er hat jahrelang vergeblich versucht, in Af-ghanistan eine politische Lösung zu erreichen. Ohne dieMission �Enduring Freedom� wären wir heute nicht andem Punkt, an dem wir glücklicherweise stehen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und beider SPD sowie des Abg. Ulrich Irmer [FDP])

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wer wünscht sichnicht eine bessere Welt und idealere Bedingungen für denEinsatz? Nur: Es ist doch gerade die Aufgabe der Verein-ten Nationen, in dieser Welt, so wie sie ist, dann tätig zuwerden, wenn der Frieden gefährdet ist, außer Kraft ge-setzt wurde oder bedroht ist. Noch nie � das ist hier schonmehrfach richtigerweise gesagt worden � barg ein Einsatzso viele Risiken wie dieser Afghanistan-Einsatz. Er istnicht wirklich kalkulierbar. Es ist selbstverständlich, dassdie Soldaten auf die Gegebenheiten im Lande sorgfältigvorbereitet werden müssen und dass sie so gut wie mög-lich ausgerüstet sein müssen.

Letztlich bleibt für uns doch nur eines: Auf der Peters-berger Konferenz wurde mit aller Skepsis, mit aller Um-sicht und mit dem vollen Engagement das Beste zum Ge-lingen beigetragen. Das sollten wir jetzt auch mit derMission in Afghanistan tun.

Ich danke Ihnen.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENund bei der SPD)

Präsident Wolfgang Thierse: Nun hat der KollegeChristian Schmidt, CDU/CSU-Fraktion, das Wort.

Christian Schmidt (Fürth) (CDU/CSU): Herr Präsi-dent! Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen!Karl Feldmeyer schreibt heute in der �Frankfurter All-gemeinen Zeitung� zu dem Thema, das wir diskutieren:

Es ist eine der schwierigsten Entscheidungen, die dasParlament je treffen mußte � nicht nur wegen der Ri-siken der militärischen Mission, sondern wegen derfast völligen Unklarheit darüber, welche Konsequen-zen sich aus dem Votum ergeben. Das Mandat, dasder UN-Sicherheitsrat nach langem Ringen be-schlossen hat, wirft mehr Fragen auf, als es beant-wortet.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Hiermit hat Karl Feldmeyer sicherlich Recht. Es fälltuns deswegen in keiner Weise leicht, diesem Mandat zu-zustimmen. Wenn wir es tun, dann geschieht es aufgrundaußenpolitischer Grundsatzüberlegungen und nicht, weildieses Mandat in sich besonders überzeugend wäre. Fra-gen bestehen, die den Einsatz selbst betreffen. Die Pla-nung eines solchen Einsatzes ist sicherlich sehr schwierig.Die Frage, welche Rolle man bei solch einem Mandatspielt � das Thema �Führungsnation � Ja oder Nein?�wurde angesprochen �, kann nicht so beantwortet werden,dass man � ich erinnere daran, dass die Amerikaner, de-nen uneingeschränkte Solidarität zugesagt worden ist, die

Bitte geäußert haben, sich in diesem Bereich besonders zuengagieren � in einem Wust von Missverständnissen,Diskussionen und Zurücknahmen vorheriger Aussagenverschwindet.

Tatsache ist doch, dass die deutschen Soldaten zahlen-mäßig einen durchaus beachtlichen Anteil stellen, obwohlDeutschland an der Konzeption und an der Umsetzungdes Mandats keinen maßgeblichen Anteil hat. Woherkommt das? � Das kommt daher, dass man in der Außen-politik und in der Sicherheitspolitik offensichtlich überkein � ich wiederhole das Wort, das der Kollege Irmer ge-nannt hat � Gesamtkonzept verfügt. Gesamtkonzept heißtnicht, dass es eine Checkliste gibt, mithilfe derer man aufJahre hinaus voraussagen kann, welche Dinge notwendigsind und welche nicht. Leitkonzept, Leitlinien, Gesamt-konzept, das heißt, dass man wissen muss, welche Inte-ressen man hat, wo man sie einbringt, wie man sie umsetztund wo man unabdingbar gefordert ist.

Unbestritten sind wir hinsichtlich dieses Mandatsaußenpolitisch gefordert. Es handelt sich um eine Frageder Solidarität � ich habe das angesprochen �, wenn auchnicht in der Form, in der sie ursprünglich angefordertworden war. Es handelt sich aber auch um eine Frage deseigenen Interesses. Darüber werden wir schon noch ein-mal diskutieren müssen. Wenn die Zeit dazu heute nichtausreicht, dann müssen wir das in Zukunft bei vielfältigerGelegenheit tun.

Es kann nicht sein, dass man sich nicht traut, den Be-griff des nationalen und des europäischen Interesses inden Mund zu nehmen, um sich die Mehrheit in der eige-nen Koalition zu erbetteln.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeord-neten der FDP und der PDS)

Es kann nicht sein, dass unter dem Diktat von HerrnStröbele und den Grünen eine Zensur, eine Feststellungdes politisch Korrekten vorgenommen wird, sodass es zuso einer bizarren Situation kommt, dass ein Bundeskanz-ler die Abstimmung über Dinge, die eigentlich selbstver-ständlich sind, mit der Vertrauensfrage verbinden muss.Dadurch ist im Ausland der Eindruck entstanden,Deutschland sei in einer Frage tief zerstritten, über die inWahrheit � mit Ausnahme einiger weniger � ein großerund breiter Konsens besteht.

(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg.Ulrich Irmer [FDP])

Das führt dazu, dass man Ausflüchte in Vorstellungenüber die Lösung von Weltkonflikten sucht und diese Vor-stellungen derart abheben, dass das, was man sagt, mit ei-nem Gesamtkonzept im guten Sinne nichts mehr zu tunhat. So eine überhöhte Position habe ich neulich bei einemDialog, den ein Kollege aus der SPD-Fraktion bei andererGelegenheit geführt hat, gespürt. Er sagte ziemlich wört-lich: Und die haben uns doch versprochen, es gäbe eineneue Weltsozialpolitik, und jetzt sind wir in Afghanistan. �Ja, wer eine neue Weltsozialpolitik im Zusammenhangmit der Terrorismusbekämpfung erwartet, der wird mit Si-cherheit enttäuscht werden. Wenn aber solche Kategorieneingeführt werden müssen, um Überzeugungen zu ändernund Zustimmung zu gewinnen, dann stimmt etwas nicht

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mit dem eigenen Bewusstsein bezüglich der Interessen,die man als Volksvertreter in diesem Hause für unser Volkauch artikulieren und vertreten muss.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Bei der Gelegenheit komme ich auf eine Frage zu spre-chen, die heute und auch gestern bereits in den Ausschüs-sen eine Rolle gespielt hat, nämlich wie sich die Bundes-wehr auf diesen Einsatz vorbereiten kann. Auch KolleginGrießhaber hat es gerade noch einmal angesprochen. Ichstimme Ihnen zu, dass die Bundeswehr natürlich gut vorbereitet sein muss. Die Soldaten müssen die bestmög-liche Ausrüstung � deswegen unsere Finanzierungs-forderungen � und das bestmögliche Training erhalten.Das sind wir ihnen schuldig. Gleichzeitig heißt das aller-dings auch, dass diejenigen, die Verantwortung tragen undfür Entscheidungen geradestehen müssen, die Gelegen-heit erhalten müssen, dies auch umsetzen zu können.

Manchmal entsteht der Eindruck, der Deutsche Bun-destag wäre eine Art Generalstab oder Führungskom-mando, wo über Einzelheiten solcher Einsätze diskutiertwird. So hört man, dass man nicht einmal ein Voraus-kommando schicken dürfe, bevor der Bundestag ent-schieden hat. Ich glaube nicht, dass das Bundesverfas-sungsgericht mit der Parlamentsbeteiligung sozusageneine Tätigkeitsblockade bis zu einer Entscheidung erzeu-gen wollte. Wir müssen über die Frage des Verfahrens undüber die Frage des Inhalts der Parlamentsbeteiligung, wo-mit im Wesentlichen ein Kontroll-, Ratifizierungs- undRückholrecht, aber kein Gestaltungsrecht gemeint ist,sehr intensiv nachdenken.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU undder FDP)

Ich glaube, dass der entsendegesetzlose Zustand, den wirgegenwärtig haben, auf Dauer so nicht haltbar ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Ich will noch einen weiteren Punkt, der über diesenEinsatz und das militärische Engagement hinausgeht, an-sprechen � Kollege Breuer hat das bereits im Hinblick aufdie Beziehungen zu Großbritannien getan �: Das ist diegroße Zahl von Irritationen, die wir zwischenzeitlich ha-ben. Der Kanzler, der seine Politik mit Überschriften ge-staltet, unter denen dann aber nichts mehr folgt, erwecktden Eindruck, als wäre Deutschland aufgrund seiner Po-litik in der Welt besonders angesehen. Ein tieferer Blickzeigt, dass das nicht so ist.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU)

Das, was der amerikanische Außenminister Rumsfeldin den letzten Wochen über deutsche Politiker, An-gehörige der Bundesregierung,

(Rezzo Schlauch [BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN]: Verteidigungsminister!)

� ja, Sie korrigieren mich, er hat über unseren Verteidi-gungsminister gesprochen und ist selber Verteidigungs-minister � gesagt hat, macht es nicht einfacher. Es geht umdie Tatsache, dass ein amerikanisches Regierungsmitgliedfaktisch ein deutsches Regierungsmitglied verhöhnt undder deutsche Bundeskanzler gar keine Möglichkeit hat,

darauf zu reagieren. Diese Dinge können eine schwereBelastung darstellen.

(Michael Glos [CDU/CSU]: Ganz schwer!)

Der britische Außenminister Jack Straw schreibt in einemInterview im �Independent�, das nicht widerrufen wordenist, dass die Italiener, die Spanier, die Kanadier und dieJordanier gemeinsam mit den Briten an der anfänglichenPlatzierung in Afghanistan teilnehmen würden. Er gestehtzu, dass es mit Deutschland und auch mit FrankreichSchwierigkeiten gebe, insbesondere aufgrund der Weige-rung Deutschlands, sich unter ein Kommando der Ameri-kaner zu begeben. Dabei schwingt viel mehr mit, als unshier glauben gemacht werden soll. Bisher hatten wir be-rechtigterweise Kritik an der Bundesregierung geübt, dasssie das deutsch-französische Verhältnis verlottern lässt.Ich stelle fest, dass das deutsch-britische Verhältnis of-fensichtlich genauso verlottert zu sein scheint wie dasdeutsch-französische.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wie könnte es denn ansonsten sein, dass die deutsche Ein-flussnahmemöglichkeit auf die Frage der Gestaltung desMandats anscheinend nicht einmal so weit geht, über dieFrage der regionalen Begrenzung und über die Frage desUmfangs wirklich mitreden zu können? Wie kann es dennansonsten sein, dass Deutschland in der Frage, die aufdem Petersberg verhandelt worden ist, offensichtlich dieeuropäische Komponente übersehen hat?

(Zurufe von der SPD: Nein! Das ist doch Unsinn!)

� Natürlich, das ist jetzt ein rein nationales Kommando.Das ist eine gewisse Retourkutsche für das, was auf demPetersberg umgekehrt gewesen ist. So gestaltet man euro-päische Politik nicht.

(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU � Zurufvom BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Peinlich!)

� Herr Außenminister, das ist überhaupt nicht peinlich.Das ist peinlich für Sie, weil Sie einen Punkt lernen müs-sen. Dieser Punkt heißt: Nur wer in Europa den gemein-samen Weg nicht nur sucht, sondern auch findet, gestaltetund finanziert,

(Michael Glos [CDU/CSU]: Richtig!)

wird auf gleicher Augenhöhe mit den USA reden und ver-handeln können.

(Beifall bei der CDU/CSU)

Wenn Sie es genau wissen wollen, sage ich Ihnen: Werso tut, als ob die europäische Einsatztruppe, die die Eu-ropäer finanzieren wollen � Stichwort Headline Goals �,einsatzfähig wäre, faktisch aber festzustellen ist, dassaußer einem Papiertiger nichts zustandegebracht wordenist, der nimmt Schaden für die europäische Entwicklungund die Unfähigkeit, Interessen zu vertreten, in Kauf. DieLage ist sehr viel ernster, als wir dies in den allgemeinenDebatten der letzten Monate gehört haben.

Ich appelliere an die Bundesregierung, hier ihre Politikzu ändern. Gemeinsam wünschen wir, dass die Soldaten,die, wie ich höre, nach Weihnachten � das ist gut so � den

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Weg in ihren Einsatz finden müssen, wohlbehaltenzurückkommen. Wir denken alle an sie. Wir denken auchan diejenigen, die für Nichtregierungsorganisationen tätigsind. Bei dieser Gelegenheit möchte ich noch folgendeBemerkung machen.

Präsident Wolfgang Thierse: Nein, KollegeSchmidt. Diese Gelegenheit ist vorüber. Sie müssen zumEnde kommen.

Christian Schmidt (Fürth) (CDU/CSU): Herr Präsi-dent, ich wollte an sich nur noch an die Shelter-Now-Leute erinnern.

(Beifall bei der CDU/CSU � Zurufe von derSPD: Nein!)

Präsident Wolfgang Thierse: Ich erteile der Bun-desministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul das Wort.

Heidemarie Wieczorek-Zeul, Bundesministerin fürwirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung: HerrPräsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Als ich vorzehn Tagen in Afghanistan war, habe ich gespürt, welcheEnergie und welcher Mut zu einem Neuanfang bei denMenschen in diesem Land vorhanden ist, welcher Mutvon ihnen ausgeht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)

Mein Besuch in Afghanistan in der schwierigenÜbergangsphase

(Michael Glos [CDU/CSU]: Ihr Besuch wardoch im Ramadan!)

vor der Bildung der Übergangsregierung sollte ein Zei-chen der Solidarität und Unterstützung für die Menschensein,

(Michael Glos [CDU/CSU]: Das war doch imRamadan!)

die so lange gelitten haben, die so lange auf uns gehoffthaben und die so sehr auf uns hoffen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dieses Zeichen haben sie dankbar aufgenommen.Heute ist es in dieser Diskussion immer wieder so gewe-sen, dass unsere Gedanken und Wünsche zu denjenigengehen, die die afghanische Übergangsregierung gebildethaben und die ihre sicher nicht leichten Ämter angetretenhaben. Alle meine Gesprächspartner in Afghanistan, unteranderem Ministerpräsident Karsai und Innenminister Quanuni, haben im Gespräch mit mir deutlich gemacht,dass sie eine Zusammenarbeit, die langfristig auf die Frie-denssicherung im Lande orientiert ist, verwirklichen wol-len und dass sie einen wirklichen Neuanfang anstreben.

�Der Frieden in Afghanistan ist in Deutschland gebo-ren worden. Jetzt müssen wir gemeinsam dafür sorgen,dass das neugeborene Kind groß und stark wird.� So hates der neue Innenminister Quanuni mir gegenüber ausge-

drückt. Dies lässt die große Hoffnung spüren, die auf unsgesetzt wird. Wir alle haben es in der Hand, dass die Men-schen in Afghanistan lernen können: Frieden lohnt sich.Bisher haben sie in den letzten Jahrzehnten unter denWarlords nur gelernt, dass Gewalt sich lohnt. Sie habenjetzt die Chance, zu spüren, dass sich Frieden für sie undihr Land lohnt.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN � Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Wie war das mit dem Ramadan?)

Wenn wir eine gerechtere Weltordnung wollen, in derMenschenrechte Beachtung finden, die internationaleWertebasis Geltung hat und alle Menschen eine reelleChance bekommen, ihr Leben und ihre Zukunft zu ge-stalten, dann ist das jetzt auch unsere Stunde. Die interna-tionale Gemeinschaft muss in Afghanistan beweisen, dasses ihr ernst ist und dass sie ihrer Verantwortung gerechtwird. Wir dürfen nicht nur hinsehen � das ist natürlich not-wendig zum Beispiel bei einer Bedrohung durch terroris-tische Netzwerke �, wenn uns selbst akute Gefahr droht.Wir dürfen nicht wegsehen, wenn Menschenrechte ver-letzt werden. Es muss ein Ende haben, dass solche Prak-tiken in der Welt passieren und die internationale Ge-meinschaft sich davon abwendet.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Damit wir von der Koalition gegen den Terrorismus zueiner Koalition für Entwicklung finden � �

(Unruhe)

� Herr Präsident, ich möchte an die Adresse der Kolle-ginnen und Kollegen sagen: Dies ist eine Debatte, dieauch viele Tausend Menschen in Afghanistan interessiert.Wir sollten sie daher in einer Weise und in einem Aus-tausch führen, die deutlich machen, dass wir hier wech-selseitig einander zuhören.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN � Hartmut Schauerte [CDU/CSU]: Korrigieren Sie Ihre Fehleinschätzung!)

Ich wiederhole, was ich vorhin gesagt habe: Wenn wireine gerechtere Weltordnung wollen, in der Menschen-rechte Beachtung finden, die internationale WertebasisGeltung hat und alle Menschen eine reelle Chance be-kommen, ihr Leben und ihre Zukunft zu gestalten, dannist das jetzt unsere Stunde. Wir dürfen nicht wegsehen.

Damit wir von der Koalition gegen den Terrorismus zueiner Koalition für Entwicklung finden, ist das Mandat fürdie internationale Sicherheitstruppe klar von der Betei-ligung an der Operation �Enduring Freedom� getrennt. Esist gut, dass das so verwirklicht worden ist. Die internatio-nale Sicherheitstruppe sichert den politischen Friedenspro-zess in Afghanistan ab und damit auch den wirtschaftlichenWiederaufbau und den wirtschaftlichen Friedensprozess,damit Rückschläge vermieden werden.

Ich sage an die Adresse derjenigen, die diesen Antragablehnen wollen: Ohne eine solche Friedenstruppe wirdauch die Chance des wirtschaftlichen Wiederaufbaus und

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die Chance für den Frieden verspielt. Deshalb fordere ichalle auf, diesem Antrag zuzustimmen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Der Leiter des Weltentwicklungsprogramms der Ver-einten Nationen Mark Malloch Brown hat nach seinemAfghanistanbesuch gesagt, das Land habe lange im Schat-ten der Weltöffentlichkeit gelegen. Jetzt habe Afghanistandie Chance, vielleicht 15 Minuten in der Sonne der inter-nationalen Gemeinschaft zu stehen. Wir haben es mit inder Hand, dafür zu sorgen, dass kein neuer Schatten aufAfghanistan fällt und dass Afghanistan mehr als diese15 Minuten Sonne der Weltgeschichte erhält.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD)Wir fangen jetzt erst an, die Grundsteine für den Frie-

den zu legen. Sie müssen sorgfältig und eng beieinandergelegt werden. Die Bundesregierung wird im nächstenJahr 160 Millionen DM für den Wiederaufbau bereitstel-len. Wir wollen von Anfang an tragfähige Strukturen imBereich des Rechts aufbauen, mit der Verwaltung und derSicherheit erarbeiten. So ist gestern bei der BrüsselerKonferenz der entsprechenden Geber sichergestellt wor-den, dass ein Interimsfonds gebildet wird, der die Ar-beitsfähigkeit der neuen Regierung sichern soll; denn esist wichtig, dass sie unabhängig ist und dass ihre Arbeitauch abgesichert wird.

Es wird auch ein weiterer Fonds aufbereitet, aus demdie internationalen Geber die wichtigen Aufgaben finan-zieren, zum Beispiel den Wiederaufbau der Schulen, so-dass die Kinder � vor allen Dingen auch die Mädchen �wieder die Chance haben, in die Schule gehen zu können.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir sind bereit, mit dazu beizutragen, dass in Afghanis-tan zivile Strukturen zur Kontrolle und Steuerung von Si-cherheitskräften aufgebaut und entwickelt werden.

Frauen sind das Rückgrat der Gesellschaft. Das Tali-banregime hat versucht, dieses Rückgrat zu brechen. Dasist ihnen nicht gelungen. Viele Frauen kehren an ihre altenArbeitsstätten in Kliniken und Schulen zurück und wollenihr Leben in ihre eigene Hand nehmen. Sie haben die Be-seitigung des Talibanregimes als wirkliche Befreiung er-lebt. All diejenigen, die in dieser Frage immer Zweifel hat-ten, sollten zur Kenntnis nehmen � das möchte ich deutlichhervorheben �: Ohne die Aktionen gegen den Terrorismuswäre diese Befreiung nicht möglich gewesen.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die Beteiligung der Frauen an der Petersberg-Konfe-renz ist dabei nur ein erster Schritt. Die Machtverhältnissesind noch längst nicht verändert. Zwar werden die Schleierzum Teil abgelegt. Aber das bedeutet nur, dass darunter daserlittene Unrecht, die erlittenen Verletzungen sichtbar wer-den. Der Heilungsprozess wird noch lange dauern. Wirwerden deshalb nicht nachlassen, auf die Beteiligung derFrauen und auf ihre Gleichberechtigung zu dringen.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD und desBÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich denke in dieser Stunde an die neue Gesundheitsmi-nisterin, an Frau Seddiqi, die ich zum Gespräch getroffenhabe. Die Taliban hatten sie über Jahre aus ihrer ärztlichenLeitungsfunktion in einem Krankenhaus in Kabul ver-drängt. Sie und alle Frauen in Afghanistan können sichauf unsere Unterstützung verlassen.

(Beifall bei der SPD sowie bei Abgeordnetendes BÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN)

Ich denke in dieser Stunde an die Waisenkinder, die ichin der Aschiana-Schule in Kabul getroffen habe. DieMädchen, die in ganz großer Zahl zum ersten Mal dieChance hatten, in die Schule zu kommen, wollen lernen.Wir tragen mit dazu bei, dass sie warme Kleidung, Tischeund Bänke erhalten, dass sie, so wie es der Leiter derSchule ausgedrückt hat, als Kinder lernen, mit dem Blei-stift und den Schulbüchern umzugehen � und nicht mitdem Gewehr.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, desBÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und derPDS)

Das ist eine ganz wichtige Aufgabe. So können wir zu ei-nem zivilen Aufbau beitragen und dazu, von der Verhet-zung in den Koranschulen, die es in den Jahren zuvor gab,wegzukommen.

Ich denke in dieser Stunde an die Menschen, die Anti-personenminen entschärfen, Antipersonenminen, die zu-sammen mit noch nicht explodierten Sprengsätzen dasLand verseuchen. Wir wollen mit dazu beitragen, dassdiese Minen und Sprengkörper beseitigt werden, damitdie Landwirtschaft endlich wieder in Gang kommt, dieMenschen ihre eigene Existenz sichern können und Kin-der nicht mehr durch explodierende Minen zerfetzt wer-den.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, desBÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN, der CDU/CSU, der FDP und der PDS)

Ich danke den internationalen Hilfsorganisationen,die in Afghanistan dafür sorgen � ich habe die Vertreter alldieser Organisationen getroffen �, dass die humanitäreHilfe alle Regionen erreicht. Ich danke ganz besondersden Nichtregierungsorganisationen, zum Beispiel derWelthungerhilfe, die über Jahrzehnte in Afghanistan ge-arbeitet und den Menschen in Zeiten geholfen haben, indenen sich sonst niemand um sie gekümmert hat. Ihre Ar-beit werden wir weiter unterstützen. Sie haben eine ganzwichtige Leistung für die dortigen Menschen erbracht.

(Beifall bei Abgeordneten der SPD, desBÜNDNISSES 90/DIE GRÜNEN und derPDS)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, heute Morgen ist inunseren Zeitungen die Nachricht zu finden, dass weltweit10 Millionen Kinder vor ihrem fünften Lebensjahr anHunger, an Unterernährung, an Krankheiten und Gewaltsterben. Dies ist auch der Tag zu sagen: Lassen Sie unsalle mit dazu beitragen, dass aus der Koalition zurBekämpfung des Terrorismus auch eine Koalition zurBekämpfung der weltweiten Armut wird, damit alleKinder dieser Welt eine gute Zukunft haben!

Deutscher Bundestag � 14. Wahlperiode � 210. Sitzung. Berlin, Sonnabend, den 22. Dezember 2001

Bundesministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul

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Ich danke Ihnen sehr.

(Beifall bei der SPD und dem BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsident Wolfgang Thierse:Als letztem Redner er-teile ich dem Kollegen Hans-Christian Ströbele das Wort.

Hans-Christian Ströbele (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN): Herr Präsident! Verehrte Kolleginnen und Kolle-gen! Als letzter Redner vor Weihnachten stelle ich fest:Wir entscheiden hier heute nicht über die Beteiligung aneinem Krieg, sondern wir entscheiden hier heute darüber,ob sich die Bundesrepublik Deutschland und somit dieBundeswehr an einem Einsatz beteiligt, der dem Friedendienen soll und der helfen soll, die Chancen für einendauerhaften Frieden zu sichern.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich gehöre zu denjenigen, die den Krieg in Afghanistanabgelehnt haben und ihn auch heute noch ablehnen. Durchdie Ereignisse in Afghanistan auch in der gestrigenNacht � dort sind durch Bombardierungen wahrscheinlichüber 50 Menschen zu Tode gekommen � habe ich michdarin bestätigt gesehen. Das war kein �bring to justice�,das war eher ein Zerstören und Liquidieren. Ich kritisiereauch, dass die Engländer als eine der ehemaligen Kolo-nialmächte, als eine Macht, die in Afghanistan bereitszweimal Krieg geführt hat, die �leading nation� sind.

Ich erkenne auf der anderen Seite aber an, dass sich dieBundesregierung bemüht hat, zwischen dem Kriegskom-mando und dem Kommando für diese Friedensmissionganz streng zu trennen. Ich stelle fest, dass die Bundesre-gierung in diesen Bemühungen zwar erfolgreich gewesenist, aber dass sie � das will ich nicht übersehen � nicht voll-ständig Erfolg gehabt hat; denn nach wie vor kann es, wennes bei der Friedenssicherung zu schwierigen Situationenkommt, eine Zuständigkeit des US-Kommandos geben.

All diese Überlegungen und die Überzeugung, dasswir, Teile dieses Hauses, nicht wollen, dass zur Sicherungwirtschaftlich wichtiger Ressourcen jemals Krieg geführtwird, auch nicht in Afghanistan, bringen viele von uns zudem Ergebnis zu sagen: Wir können dem Einsatz nicht zu-stimmen.

(Zuruf von der SPD: Wir wollen auch nicht,dass Menschen unterdrückt werden!)

Ich aber habe für mich, nachdem ich mir bis heute Mor-gen auch noch nicht ganz im Klaren darüber war, die Ent-scheidung gefällt: Die UNO hat dieses Abkommen maß-geblich ausgehandelt. Die UNO gibt und überwachtdieses Mandat. Und weil ich will, dass die UNO starkwird, dass sie in Zukunft in der Welt solche Konflikte re-gelt, dass sie die Einzige sein soll, die das Gewaltmono-pol auf der Welt für sich in Anspruch nehmen kann,stimme ich diesem Einsatz hier heute zu.

(Beifall beim BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN so-wie bei Abgeordneten der SPD �Walter Hirche[FDP]: Diese intellektuellen Anstrengungen ha-ben andere früher unternommen!)

Präsident Wolfgang Thierse: Ich schließe die Aus-sprache.

Wir kommen zur Abstimmung über die Beschluss-empfehlung des Auswärtigen Ausschusses auf Drucksa-che 14/7936 zu dem Antrag der Bundesregierung zur Be-teiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an demEinsatz einer Internationalen Sicherheitsunterstützungs-truppe in Afghanistan auf der Grundlage der Resolutio-nen 1386, 1383 und 1378 des Sicherheitsrats der Verein-ten Nationen. Der Ausschuss empfiehlt, dem Antrag aufDrucksache 14/7930 zuzustimmen.

Es ist namentliche Abstimmung verlangt. Zur Abstim-mung liegen schriftliche Erklärungen von insgesamt17 Kolleginnen und Kollegen vor.1) Bei der Stimmabgabebitte ich alle Kolleginnen und Kollegen, sorgfältig daraufzu achten, dass die Stimmkarten, die Sie verwenden, IhrenNamen tragen.

Gleich anschließend an die namentliche Abstimmungfindet eine Abstimmung über den Entschließungsantragder CDU/CSU statt.

Ich bitte nun die Schriftführerinnen und Schriftführer,die vorgesehenen Plätze einzunehmen. Ist alles zur Ab-stimmung bereit? � Das ist der Fall. Ich eröffne die Ab-stimmung.

Ist noch ein Mitglied des Hauses anwesend, das seineStimme nicht abgegeben hat? � Das ist offensichtlichnicht der Fall. Ich schließe die Abstimmung und bitte dieSchriftführerinnen und Schriftführer, mit der Auszählungzu beginnen.

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschlie-ßungsantrag der Fraktion der CDU/CSU auf Druck-sache 14/7938. Wer stimmt für diesen Entschließungs-antrag? � Gegenprobe! � Enthaltungen? � Der Entschlie-ßungsantrag ist mit den Stimmen von SPD, Bündnis 90/Die Grünen und PDS abgelehnt.

Bis zum Vorliegen des Ergebnisses der namentlichenAbstimmung unterbreche ich die Sitzung. Ich wünsche alldenjenigen, die jetzt fluchtartig das Haus verlassen, vonHerzen ein frohes Weihnachtsfest.

(Beifall)

(Unterbrechung von 16.33 bis 16.40 Uhr)

Präsident Wolfgang Thierse: Die unterbrocheneSitzung ist wieder eröffnet.

Ich gebe das von den Schriftführerinnen und Schrift-führern ermittelte Ergebnis der namentlichen Abstim-mung über die Beschlussempfehlung des AuswärtigenAusschusses zum Antrag der Bundesregierung zur Betei-ligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatzeiner Internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe inAfghanistan bekannt: Abgegebene Stimmen 581. Mit Jahaben gestimmt 538, mit Nein haben gestimmt 35, Ent-haltungen 8.

Deutscher Bundestag � 14. Wahlperiode � 210. Sitzung. Berlin, Sonnabend, den 22. Dezember 2001

Bundesministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul

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1) Anlagen 2 bis 4

Endgültiges ErgebnisAbgegebene Stimmen: 581;davon

ja: 538nein: 35enthalten: 8

Ja

SPDBrigitte AdlerGerd AndresIngrid Arndt-BrauerRainer ArnoldErnst BahrDoris BarnettDr. Hans-Peter BartelsEckhardt Barthel (Berlin)Klaus Barthel (Starnberg)Wolfgang BehrendtHans-Werner BertlFriedhelm Julius BeucherPetra BierwirthRudolf BindigLothar Binding (Heidelberg)Kurt BodewigKlaus BrandnerWilli BraseRainer Brinkmann (Detmold)Bernhard Brinkmann

(Hildesheim)Hans-Günter BruckmannEdelgard BulmahnUrsula BurchardtDr. Michael BürschHans Martin BuryHans Büttner (Ingolstadt)Marion Caspers-MerkWolf-Michael CatenhusenDr. Peter DanckertDr. Herta Däubler-GmelinChristel DeichmannKarl DillerPeter DreßenDetlef DzembritzkiDieter DzewasDr. Peter EckardtSebastian EdathyLudwig EichPeter EndersGernot ErlerPetra ErnstbergerAnnette FaßeLothar Fischer (Homburg)Gabriele FograscherNorbert FormanskiRainer FornahlHans ForsterDagmar FreitagLilo Friedrich (Mettmann)Harald FrieseAnke Fuchs (Köln)Arne FuhrmannMonika GanseforthKonrad GilgesIris GleickeGünter Gloser

Uwe GöllnerRenate GradistanacGünter Graf (Friesoythe)Dieter GrasedieckMonika GriefahnKerstin GrieseAchim GroßmannWolfgang GrotthausKarl-Hermann Haack

(Extertal)Hans-Joachim HackerKlaus HagemannManfred HampelAlfred HartenbachAnke HartnagelKlaus HasenfratzHubertus HeilReinhold HemkerFrank HempelRolf HempelmannGustav HerzogMonika HeubaumReinhold Hiller (Lübeck)Stephan HilsbergGerd HöferJelena Hoffmann (Chemnitz)Walter Hoffmann

(Darmstadt)Iris Hoffmann (Wismar)Frank Hofmann (Volkach)Eike HovermannChristel HummeLothar IbrüggerBrunhilde IrberGabriele IwersenRenate JägerJann-Peter JanssenVolker Jung (Düsseldorf)Johannes KahrsUlrich KasparickSabine KaspereitSusanne KastnerUlrich KelberHans-Peter KemperKlaus KirschnerMarianne KlappertSiegrun KlemmerHans-Ulrich KloseWalter KolbowFritz Rudolf KörperKarin KortmannAnette KrammeNicolette KresslVolker KröningAngelika Krüger-LeißnerHorst KubatschkaErnst KüchlerHelga Kühn-MengelUte KumpfKonrad KunickWerner LabschChristine LambrechtBrigitte LangeChristian Lange (Backnang)Detlev von LarcherChristine LehderRobert LeidingerKlaus LennartzDr. Elke Leonhard

Eckhart LeweringGötz-Peter Lohmann

(Neubrandenburg)Gabriele Lösekrug-MöllerErika LotzDieter Maaß (Herne)Winfried ManteDirk ManzewskiLothar MarkUlrike MascherChristoph MatschieHeide MattischeckMarkus MeckelUlrike MehlUlrike MertenAngelika MertensUrsula MoggChristoph MoosbauerSiegmar MosdorfJutta Müller (Völklingen)Christian Müller (Zittau)Franz MünteferingVolker Neumann (Bramsche)Dr. Edith NiehuisDr. Rolf NieseDietmar NietanEckhard OhlLeyla OnurManfred OpelHolger OrtelAdolf OstertagAlbrecht PapenrothDr. Martin PfaffGeorg PfannensteinJohannes PflugDr. Eckhart PickJoachim PoßKarin Rehbock-ZureichDr. Carola ReimannMargot von RenesseRenate RennebachBernd ReuterDr. Edelbert RichterChristel Riemann-

HanewinckelReinhold RobbeDr. Ernst Dieter RossmannMichael Roth (Heringen)Birgit Roth (Speyer)Marlene RupprechtThomas SauerDr. Hansjörg SchäferGudrun Schaich-WalchRudolf ScharpingBernd ScheelenDr. Hermann ScheerSiegfried SchefflerHorst SchildOtto SchilyHorst Schmidbauer

(Nürnberg)Ulla Schmidt (Aachen)Silvia Schmidt (Eisleben)Dagmar Schmidt (Meschede) Wilhelm Schmidt (Salzgitter)Dr. Frank Schmidt

(Weilburg)Regina Schmidt-ZadelHeinz Schmitt (Berg)

Carsten SchneiderDr. Emil SchnellWalter SchölerKarsten SchönfeldFritz SchösserOttmar SchreinerGerhard SchröderGisela SchröterDr. Mathias SchubertRichard Schuhmann

(Delitzsch)Brigitte Schulte (Hameln)Reinhard Schultz

(Everswinkel)Volkmar Schultz (Köln)Ewald SchurerDr. Angelica Schwall-DürenRolf SchwanitzBodo SeidenthalErika SimmDr. Sigrid Skarpelis-SperkDr. Cornelie Sonntag-

WolgastWieland SorgeWolfgang SpanierDr. Margrit SpielmannJörg-Otto SpillerDr. Ditmar StaffeltAntje-Marie SteenLudwig StieglerRolf StöckelRita Streb-HesseDr. Peter StruckJoachim StünkerJörg TaussJella TeuchnerDr. Gerald ThalheimWolfgang ThierseFranz ThönnesUta Titze-StecherAdelheid TröscherHans-Eberhard UrbaniakRüdiger VeitSimone ViolkaUte Vogt (Pforzheim)Hans Georg WagnerHedi WegenerDr. Konstanze WegnerWolfgang WeiermannReinhard Weis (Stendal)Matthias WeisheitGert Weisskirchen

(Wiesloch)Dr. Ernst Ulrich

von WeizsäckerJochen WeltDr. Rainer WendHildegard WesterLydia WestrichInge Wettig-DanielmeierDr. Margrit WetzelJürgen Wieczorek (Böhlen)Helmut Wieczorek

(Duisburg)Heidemarie Wieczorek-ZeulDieter WiefelspützHeino Wiese (Hannover)Brigitte Wimmer (Karlsruhe)Engelbert Wistuba

Deutscher Bundestag � 14. Wahlperiode � 210. Sitzung. Berlin, Sonnabend, den 22. Dezember 2001

Präsident Wolfgang Thierse

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Barbara WittigDr. Wolfgang WodargWaltraud Wolff

(Wolmirstedt)Heidemarie WrightDr. Christoph ZöpelPeter Zumkley

CDU/CSU

Ulrich AdamIlse AignerPeter AltmaierDietrich AustermannNorbert BarthleGünter BaumannBrigitte BaumeisterMeinrad BelleDr. Sabine Bergmann-PohlOtto BernhardtHans-Dirk BierlingDr. Joseph-Theodor BlankRenate BlankDr. Heribert BlensPeter BleserAntje BlumenthalDr. Maria BöhmerSylvia BonitzJochen BorchertDr. Wolfgang BötschKlaus BrähmigDr. Ralf BrauksiepePaul BreuerMonika BrudlewskyGeorg BrunnhuberKlaus Bühler (Bruchsal)Hartmut Büttner

(Schönebeck)Dankward BuwittCajus CaesarPeter H. Carstensen

(Nordstrand)Leo DautzenbergHubert DeittertAlbert DeßRenate DiemersThomas DörflingerHansjürgen DossMarie-Luise DöttMaria EichhornRainer EppelmannAnke Eymer (Lübeck)Ilse FalkDr. Hans Georg FaustAlbrecht FeibelIngrid FischbachAxel E. Fischer

(Karlsruhe-Land)Klaus FranckeDr. Gerhard Friedrich

(Erlangen)Dr. Hans-Peter Friedrich

(Hof)Erich G. FritzJochen-Konrad FrommeHans-Joachim FuchtelDr. Jürgen GehbNorbert GeisDr. Heiner Geißler

Georg GirischMichael GlosDr. Reinhard GöhnerPeter GötzDr. Wolfgang GötzerKurt-Dieter GrillHermann GröheManfred GrundHorst Günther (Duisburg)Carl-Detlev Freiherr von

HammersteinGottfried Haschke

(Großhennersdorf )Gerda HasselfeldtNorbert Hauser (Bonn)Hansgeorg Hauser

(Rednitzhembach)Helmut HeiderichUrsula HeinenManfred HeiseSiegfried HeliasHans Jochen HenkeErnst HinskenPeter HintzeKlaus HofbauerMartin HohmannJosef HollerithDr. Karl-Heinz HornhuesSiegfried HornungHubert HüppeSusanne JaffkeGeorg JanovskyDr.-Ing. Rainer JorkDr. Harald KahlBartholomäus KalbDr.-Ing. Dietmar KansyIrmgard KarwatzkiVolker KauderEckart von KlaedenUlrich KlinkertNorbert KönigshofenEva-Maria KorsHartmut KoschykThomas KossendeyDr. Martina KrogmannDr. Hermann KuesWerner KuhnKarl LamersDr. Karl A. Lamers

(Heidelberg)Dr. Norbert LammertHelmut LampDr. Paul LaufsKarl-Josef LaumannVera LengsfeldWerner LensingPeter LetzgusUrsula LietzWalter Link (Diepholz)Eduard LintnerDr. Manfred LischewskiWolfgang Lohmann

(Lüdenscheid)Julius LouvenDr. Michael LutherErich Maaß

(Wilhelmshaven)Erwin Marschewski

(Recklinghausen)

Dr. Martin Mayer (Siegertsbrunn)

Wolfgang MeckelburgDr. Michael MeisterDr. Angela MerkelFriedrich MerzHans MichelbachMeinolf MichelsDr. Gerd MüllerBernward Müller (Jena)Elmar Müller (Kirchheim)Claudia NolteGünter NookeFranz ObermeierFriedhelm OstEduard OswaldNorbert Otto (Erfurt)Dr. Peter PaziorekAnton PfeiferDr. Friedbert PflügerRonald PofallaRuprecht PolenzMarlies PretzlaffDr. Bernd ProtznerHans RaidelDr. Peter RamsauerPeter RauenChrista Reichard (Dresden)Katherina ReicheHans-Peter RepnikKlaus RiegertDr. Heinz RiesenhuberFranz RomerHannelore Rönsch

(Wiesbaden)Heinrich-Wilhelm RonsöhrDr. Klaus RoseKurt J. RossmanithDr. Norbert RöttgenDr. Christian RuckVolker RüheAnita SchäferDr. Wolfgang SchäubleHartmut SchauerteHeinz SchemkenNorbert SchindlerBernd SchmidbauerChristian Schmidt (Fürth)Dr.-Ing. Joachim Schmidt

(Halsbrücke)Andreas Schmidt (Mülheim)Michael von SchmudeDr. Andreas SchockenhoffDr. Rupert ScholzReinhard Freiherr

von SchorlemerDr. Erika SchuchardtWolfgang SchulhoffGerhard SchulzDiethard Schütze (Berlin)Clemens SchwalbeWilhelm Josef SebastianHorst SeehoferHeinz SeiffertDr. h. c. Rudolf SeitersBernd SiebertWerner SiemannJohannes SinghammerBärbel Sothmann

Margarete SpäteCarl-Dieter SprangerErika SteinbachDr. Wolfgang Freiherr

von StettenAndreas StormDorothea Störr-RitterMax StraubingerThomas Strobl (Heilbronn)Michael StübgenDr. Rita SüssmuthEdeltraut TöpferDr. Hans-Peter UhlArnold VaatzAngelika VolquartzAndrea VoßhoffDr. Theodor WaigelPeter Weiß (Emmendingen)Gerald Weiß (Groß-Gerau)Annette Widmann-MauzHeinz Wiese (Ehingen)Hans-Otto Wilhelm (Mainz)Klaus-Peter WillschBernd WilzWerner WittlichElke WülfingPeter Kurt WürzbachWolfgang ZeitlmannBenno ZiererWolfgang Zöller

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Marieluise Beck (Bremen)Volker Beck (Köln)Matthias BerningerGrietje BettinEkin DeligözDr. Thea DückertFranziska Eichstädt-BohligDr. Uschi EidHans-Josef FellAndrea Fischer (Berlin)Joseph Fischer (Frankfurt)Katrin Göring-EckardtRita GrießhaberGerald HäfnerAntje HermenauKristin HeyneUlrike HöfkenMichaele HustedtDr. Angelika Köster-LoßackDr. Helmut LippeltDr. Reinhard LoskeOswald MetzgerKerstin Müller (Köln)Winfried NachtweiChrista NickelsCem ÖzdemirSimone ProbstChristine ScheelRezzo SchlauchAlbert Schmidt (Hitzhofen)Werner Schulz (Leipzig)Christian SterzingHans-Christian StröbeleJürgen TrittinDr. Antje Vollmer

Deutscher Bundestag � 14. Wahlperiode � 210. Sitzung. Berlin, Sonnabend, den 22. Dezember 2001

Präsident Wolfgang Thierse

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Die Beschlussempfehlung ist angenommen.

(Beifall bei der SPD, dem BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN, der CDU/CSU und der FDP �Wolfgang Lohmann [Lüdenscheid] [CDU/CSU]: Die Bundesregierung scheint das nichtzu interessieren! Die ist nicht mehr da!)

Wir sind damit am Schluss unserer heutigen Tagesord-nung.

All denen, die dageblieben sind, wünsche ich von Her-zen frohe Weihnachten und einen heiteren und freundli-chen Jahreswechsel.

Ich berufe die nächste Sitzung des Deutschen Bundes-tages auf Mittwoch, den 23. Januar 2002, 13 Uhr, ein.

Die Sitzung ist geschlossen.

(Schluss: 16.41 Uhr)

Dr. Ludger VolmerSylvia VoßHelmut Wilhelm (Amberg)Margareta Wolf (Frankfurt)

FDP

Hildebrecht Braun (Augsburg)

Ernst BurgbacherJörg van EssenUlrike FlachPaul K. FriedhoffHorst Friedrich (Bayreuth)Rainer FunkeDr. Wolfgang GerhardtHans-Michael GoldmannDr. Karlheinz GuttmacherKlaus HauptDr. Helmut HaussmannUlrich HeinrichWalter HircheBirgit HomburgerDr. Werner HoyerUlrich IrmerDr. Klaus KinkelDr. Heinrich L. KolbGudrun KoppIna Lenke

Sabine Leutheusser-Schnarrenberger

Dirk NiebelGünther Friedrich NoltingDetlef ParrCornelia PieperDr. Edzard Schmidt-JortzigGerhard SchüßlerDr. Irmgard SchwaetzerMarita SehnDr. Hermann Otto SolmsDr. Dieter Thomae

Nein

SPD

Gudrun Roos

CDU/CSU

Dr. Wolf BauerWolfgang Börnsen

(Bönstrup)

FDP

Jürgen Koppelin

PDS

Monika BaltDr. Dietmar BartschPetra BlässMaritta BöttcherEva Bulling-SchröterRoland ClausHeidemarie EhlertDr. Heinrich FinkDr. Ruth FuchsWolfgang GehrckeDr. Klaus GrehnDr. Gregor GysiUwe HikschDr. Barbara HöllCarsten HübnerGerhard JüttemannDr. Evelyn KenzlerDr. Heidi Knake-WernerUrsula LötzerDr. Christa LuftHeidemarie LüthPia MaierAngela MarquardtKersten NaumannPetra PauDr. Uwe-Jens RösselChristina Schenk

Gustav-Adolf SchurDr. Ilja SeifertDr. Winfried Wolf

Fraktionslose Abgeordnete

Christa Lörcher

Enthalten

SPD

Dr. Uwe JensRené Röspel

CDU/CSU

Helmut Rauber

BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN

Annelie BuntenbachWinfried HermannMonika KnocheSteffi Lemke

PDS

Manfred Müller (Berlin)

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Präsident Wolfgang Thierse

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Deutscher Bundestag � 14. Wahlperiode � 210. Sitzung. Berlin, Sonnabend, den 22. Dezember 2001 20853

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Albowitz, Ina FDP 22.12.2001

Altmann (Aurich), BÜNDNIS 90/ 22.12.2001Gila DIE GRÜNEN

Bachmaier, Hermann SPD 22.12.2001

Becker-Inglau, Ingrid SPD 22.12.2001

Beer, Angelika BÜNDNIS 90/ 22.12.2001DIE GRÜNEN

Dr. Berg, Axel SPD 22.12.2001

Dr. Blüm, Norbert CDU/CSU 22.12.2001

Bohl, Friedrich CDU/CSU 22.12.2001

Bosbach, Wolfgang CDU/CSU 22.12.2001

Brandt-Elsweier, Anni SPD 22.12.2001

Brüderle, Rainer FDP 22.12.2001

Carstens (Emstek), CDU/CSU 22.12.2001Manfred

Dehnel, Wolfgang CDU/CSU 22.12.2001

Elser, Marga SPD 22.12.2001

Dr. Fink, Heinrich PDS 22.12.2001

Fischer (Hamburg), CDU/CSU 22.12.2001Dirk

Follak, Iris SPD 22.12.2001

Frankenhauser, CDU/CSU 22.12.2001Herbert

Frick, Gisela FDP 22.12.2001

Graf (Rosenheim), SPD 22.12.2001Angelika

Hauer, Nina SPD 22.12.2001

Hedrich, Klaus-Jürgen CDU/CSU 22.12.2001

Dr. Hendricks, SPD 22.12.2001Barbara

Holetschek, Klaus CDU/CSU 22.12.2001

Holzhüter, Ingrid SPD 22.12.2001

Hörster, Joachim CDU/CSU 22.12.2001

Imhof, Barbara SPD 22.12.2001

Janz, Ilse SPD 22.12.2001

Jelpke, Ulla PDS 22.12.2001

Jünger, Sabine PDS 22.12.2001

Kampeter, Steffen CDU/CSU 22.12.2001

Dr. Kohl, Helmut CDU/CSU 22.12.2001

Kraus, Rudolf CDU/CSU 22.12.2001

Lehn, Waltraud SPD 22.12.2001

Dr. Lippold CDU/CSU 22.12.2001(Offenbach), Klaus W.

Marhold, Tobias SPD 22.12.2001

Dr. Meyer (Ulm), SPD 22.12.2001Jürgen

Müller (Düsseldorf), SPD 22.12.2001Michael

Nahles, Andrea SPD 22.12.2001

Neuhäuser, Rosel PDS 22.12.2001

Neumann (Bremen), CDU/CSU 22.12.2001Bernd

Oesinghaus, Günter SPD 22.12.2001

Ostrowski, Christine PDS 22.12.2001

Otto (Frankfurt), FDP 22.12.2001Hans-Joachim

Palis, Kurt SPD 22.12.2001

Philipp, Beatrix CDU/CSU 22.12.2001

Rachel, Thomas CDU/CSU 22.12.2001

Reinhardt, Erika CDU/CSU 22.12.2001

Roth (Gießen), Adolf CDU/CSU 22.12.2001

Rübenkönig, Gerhard SPD 22.12.2001

Schlee, Dietmar CDU/CSU 22.12.2001

Schloten, Dieter SPD 22.12.2001

Schmitz (Baesweiler), CDU/CSU 22.12.2001Hans Peter

Dr. Schwarz-Schilling, CDU/CSU 22.12.2001Christian

Simmert, Christian BÜNDNIS 90/ 22.12.2001DIE GRÜNEN

entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich

entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich

Anlage 1

Liste der entschuldigten Abgeordneten

Anlagen zum Stenographischen Bericht

Dr. Stadler, Max FDP 22.12.2001

Steiger, Wolfgang CDU/CSU 22.12.2001

Strebl, Matthäus CDU/CSU 22.12.2001

Strobl (Amberg), SPD 22.12.2001Reinhold

Thiele, Carl-Ludwig FDP 22.12.2001

Dr. Tiemann, Susanne CDU/CSU 22.12.2001

Weißgerber, Gunter SPD 22.12.2001

Dr. Westerwelle, Guido FDP 22.12.2001

Dr. Wieczorek, Norbert SPD 22.12.2001

Wiesehügel, Klaus SPD 22.12.2001

Wimmer (Neuss), SPD 22.12.2001Willy

Wissmann, Matthias CDU/CSU 22.12.2001

Wohlleben, Verena SPD 22.12.2001

Wöhrl, Dagmar CDU/CSU 22.12.2001

Wolf (München), CDU/CSU 22.12.2001Hanna

Anlage 2

Erklärung nach § 31 GOder Abgeordneten Winfried Hermann, AnnelieBuntenbach, Steffi Lemke und Monika Knoche(alle BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) zur Abstim-mung über die Beschlussempfehlung und den Be-richt zu dem Antrag der Bundesregierung: Betei-ligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an demEinsatz einer Internationalen Sicherheitsunter-stützungstruppe in Afghanistan auf der Grund-lage der Resolutionen 1386 (2001), 1383 (2001)und 1378 (2001) des Sicherheitsrats der VereintenNationen (Tagesordnungspunkt 3 a und b)UN-Friedenseinheiten und von der UN legitimierte

Schutztruppen können unter bestimmten Umständenwichtige Beiträge zur Beilegung von kriegerischen Kon-flikten leisten. Dies hängt allerdings wesentlich von derVorgeschichte sowie von den Bedingungen vor Ort undden konkreten Aufgaben des Mandats ab. So sehr auch wirden Menschen in Afghanistan den Frieden wünschen, sobleiben doch erhebliche Bedenken am Zustandekommenwie auch am Friedenswert des Mandats selbst.

Voraussetzung des Mandats ist der Krieg der USA zu-sammen mit Großbritannien unter dem Titel �EnduringFreedom� gegen den internationalen Terrorismus, vor al-lem das al-Qaida-Netzwerk Osama bin Ladens, das Tali-banregime sowie das Land Afghanistan. Dabei wurde dieTötung vieler Menschen, auch unschuldiger Opfer billi-

Deutscher Bundestag � 14. Wahlperiode � 210. Sitzung. Berlin, Sonnabend, den 22. Dezember 200120854

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gend in Kauf genommen. Das ohnehin durch jahrzehnte-langen Krieg ruinierte Land wurde durch Bomben undRaketen weiter zerstört.

Das Talibanregime wurde beseitigt und große Teile deral-Qaida-Strukturen in Afghanistan sind inzwischen ge-schwächt. Mit aktiver Unterstützung durch militärischeKräfte in Afghanistan, vor allem mithilfe der in demokra-tischer und menschenrechtlicher Hinsicht fragwürdigenNordallianz, wurde das Land zurückerobert. Osama binLaden, der mutmaßliche Hauptverantwortliche terroristi-scher Anschläge, ist bisher allerdings nicht gefunden wor-den. Das anfängliche Hauptkriegsziel ist damit verfehlt.Ebensowenig kann mit den groben Militärschlägen in Af-ghanistan das Problem des internationalen Terrorismusgelöst werden. Die Gefahr ist groß, dass Terroristen nurvertrieben und unfreiwillig neue Sympathisanten geför-dert wurden.

Während die Sicherheitsmission ihre Arbeit beginnt,führen die USA weiter Krieg und gefährden damit dasZiel dieser Mission, weitere Menschenleben und den Friedensprozess. Nicht friedensförderlich ist auch, dassGroßbritannien als Kriegspartei die Führung der Truppeübernimmt. Zwar ist die Kommandogewalt dank der Intervention der deutschen Regierung von �Enduring Freedom� formal getrennt, aber im Konfliktfall wirdGroßbritannien als �lead nation� das Kommando nach ei-genem Bekunden an die USA abgeben. Die Entsendungeiner Friedenstruppe bei gleichzeitiger Kriegführung,wenn auch auf kleiner Flamme, durch US- und britischeTruppen in Afghanistan könnte diese diskreditieren undletztlich als Teil der Kriegführung erscheinen lassen. Dievom Anspruch her neutrale Schutztruppe gerät in Gefahr,Konfliktpartei zu werden.

Es wächst der Eindruck einer hochproblematischenArbeitsteilung: Die USA führen den (Anti-Terror-)Kriegaus der Luft unter Inkaufnahme ziviler Opfer und verfol-gen dabei auch eigene machtpolitische und ökonomischeInteressen. Die UNO sorgt nachher für die Beseitigungder Trümmer mit tatkräftiger und finanzieller Unterstüt-zung anderer Länder. Es bleibt der Staatengemeinschaftder schwierige, fast nicht lösbare Auftrag, auf der Basiseines Gewaltfriedens Menschenrechten und Demokratiezum Durchbruch zu verhelfen, also wirklichen Frieden zuschaffen.

Das lange Ringen um Art, Ausmaß, Funktion undDauer des Mandats macht deutlich, wie schwierig die po-litische Lage ist. Die Interessen der verschiedenen afgha-nischen Gruppen wie auch der Staaten im Sicherheitsratgehen weit auseinander. Auch wenn inzwischen die offi-zielle Zustimmung der künftigen afghanischen Über-gangsregierung vorliegt, lehnen wichtige bewaffneteKräfte in Afghanistan innerhalb und außerhalb der Nord-allianz eine bewaffnete Friedenstruppe von mehr als sym-bolischer Größe weiterhin ab, sodass die Gefahr einerKonfrontation mit diesen Kräften besteht. Die im UN-Si-cherheitsrat beschlossene Beschränkung der Sicherheits-truppe auf Kabul und Umgebung löst diese Problemenicht, sondern wirft eher die Frage auf, ob der Schutz derRegierungsgebäude nicht eventuell mit geringerem Auf-wand erreicht werden könnte. Ein Schutz der Zivilbevöl-

entschuldigt bisAbgeordnete(r) einschließlich

kerung vor rivalisierenden Warlords ist mit einer solchenTruppe und einem solchen Mandat nicht zu gewähr-leisten.

Einer Truppenentsendung in ein hochriskantes Um-feld, in einen instabilen politischen Kontext, der zwischenKrieg und Frieden pendelt, mit einem teilweise unpräzi-sen und eher symbolischen Mandat, können wir nicht zu-stimmen.

Anlage 3

Erklärung nach § 31 GOder Abgeordneten Harald Friese, WaltraudWolff (Wolmirstedt), Rüdiger Veit, KlausBarthel (Starnberg), Götz-Peter Lohmann (Neu-brandenburg), Christine Lucyga, Thomas Sauerund Konrad Kunick (alle SPD) zur Abstimmungüber die Beschlussempfehlung und den Berichtzu dem Antrag der Bundesregierung: Beteili-gung bewaffneter deutscher Streitkräfte an demEinsatz einer Internationalen Sicherheitsunter-stützungstruppe in Afghanistan auf der Grund-lage der Resolutionen 1386 (2001), 1383 (2001)und 1378 (2001) des Sicherheitsrats der Verein-ten Nationen (Tagesordnungspunkt 3 a und b)Unsere Zustimmung zur Entsendung deutscher Bun-

deswehreinheiten nach Afghanistan gründet sich auf dieHoffnung einer Wende in der politischen, ökonomischenund sozialen Situation des kriegsgeschüttelten Landesund nicht auf die Billigung des bisherigen Vorgehens derUSA im Rahmen der Aktion �Enduring Freedom�.

Diese berechtigte Hoffnung wird genährt durch dieChancen, die sich durch die Einbeziehung der UNO, dieErgebnisse der Bonner Vereinbarungen und die Ansätzeauf Bildung einer alle Bevölkerungsgruppen repräsentie-renden Regierung Afghanistans ergeben. Diese Chancendürfen kein zweites Mal wie schon zu Beginn der 90er-Jahre verschenkt werden.

Dennoch bleiben folgende Hauptkritikpunkte beste-hen:

Dem Parlament fehlen für seine Entscheidung wesent-liche Informationsgrundlagen. Dies betrifft die tatsäch-liche militärische Lage und die strategischen Planungender von den USA geführten Aktion �Enduring Freedom�,die Kräfteverhältnisse der afghanischen Kriegsparteienund die Rolle der Taliban, auch der mit ihnen bisher odernoch verbündeten Kräfte. Gleiches gilt für die humanitäreSituation, das Ausmaß an zivilen Opfern und Zerstörun-gen der Infrastruktur.

Unsere Zweifel an der Sinnhaftigkeit, Verhältnis-mäßigkeit und Angemessenheit des bisherigen Verlaufesder amerikanischen Aktion sind auf der Grundlage der all-gemein zugänglichen Informationen nicht ausgeräumt.Die Bombardierung eines ganzen Landes mit Tausendenziviler Opfer zur Bekämpfung eines terroristischen Net-zes und der sie stützenden politischen Struktur war wederangemessen noch wirksam im Sinne der Belangung derHauptverantwortlichen und der Vermeidung der Gefahr

weiterer Anschläge. Zunehmend gewinnt die These anPlausibilität, dass die bisherigen politischen, geheim-dienstlichen, polizeilichen und diplomatischen Fehler, diees schon bisher bei der Verfolgung Bin Ladens und seinerHelfer gab, sich fortsetzen. Offenbar planen die USA wei-tere militärische Schläge, auch gegen andere Staaten. Eswird ignoriert, dass der Charakter krimineller, terroris-tischer Netze gerade nicht vorrangig in Form militärischerharter Ziele besteht, sondern in Form militärisch unan-greifbarer Verbindungen. Zudem leidet die derzeitige Artder Terrorismusbekämpfung seitens der USA erheblich anGlaubwürdigkeit, insbesondere im Hinblick auf das Ver-halten der Regierung zum Palästinakonflikt. Die dort tatenlos zugelassene Eskalation, für die die von den USAgestützte Regierung Israels eine wesentliche Schuld trifft,bereitet künftigem Terrorismus den Boden.

Der deutsche Beitrag steht in dem Widerspruch, einer-seits in �uneingeschränkter Solidarität� an �EnduringFreedom� als Konfliktpartei in Afghanistan beteiligt zusein und gleichzeitig mit dem Ruf des unbeteiligten Neu-tralen in Kabul und Umgebung schlichtend und beru-higend einen Friedensprozess sichern zu sollen. Dies geschieht unter britischer Führung, der es an der notwen-digen militärischen und politischen Distanz zu krieg-führenden Einheiten und an historischer Unbelastetheitmangelt. Im Hinblick auf diese Verflechtungen, auf die Be-lastungen der Bundeswehr und die schwer einschätzbareVorgehensweise der US-Regierung in der Zukunft ist dasMandat der Bundeswehr zur Teilnahme an �Enduring Fre-edom� spätestens jetzt hinfällig. Die Frage hinsichtlich ei-ner offensichtlich vorhandenen Verknüpfung bzw. der zufordernden strikten Trennung der militärischen Befehls-stränge konnte nicht befriedigend beantwortet werden.

Die Kosten für das neue Mandat sind, soweit sie nichtdurch Umschichtungen im Rahmen der Verteidigungs-ausgaben oder die Reduzierung anderer Mandate zu er-wirtschaften sind, keinesfalls zulasten anderer Ressortsaufzubringen.

Im Übrigen bedarf die globale Terrorbekämpfung wei-terer politischer Anstrengungen, vor allem im Hinblickauf das Palästinaproblem, die Einrichtung eines allgemeinanerkannten Internationalen Gerichtshofes, die Biowaf-fen-Konvention und den Zusammenhalt der Anti-Terror-Koaltition.

Auch in ihrer Ablehnung einer Ausweitung der mili-tärischen Aktionen auf andere Staaten oder Gebiete un-terstützen wir nachdrücklich die Haltung der Bundesre-gierung.

Anlage 4

Erklärungen nach § 31 GOder Abgeordneten Heinz Schmitt (Berg) und Dr. Edelbert Richter (beide SPD) zur Abstim-mung über die Beschlussempfehlung und denBericht zu dem Antrag der Bundesregierung:Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräftean dem Einsatz einer Internationalen Sicherheit-sunterstützungstruppe in Afghanistan auf der

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Grundlage der Resolution 1386 (2001), 1383 (2001)und 1378 (2001) des Sicherheitsrats der VereintenNationen (Tagesordnungspunkt 3 a und b)Unsere Zustimmung zur Entsendung deutscher Bun-

deswehreinheiten nach Afghanistan gründet sich auf dieHoffnung einer Wende in der politischen, ökonomischenund sozialen Situation des kriegsgeschüttelten Landesund nicht auf die Billigung des bisherigen Vorgehens derUSA im Rahmen der Aktion �Enduring Freedom�.

Diese berechtigte Hoffnung wird genährt durch dieChancen, die sich durch die Einbeziehung der UNO, dieErgebnisse der Bonner Vereinbarungen und die Ansätzeauf Bildung einer alle Bevölkerungsgruppen repräsentie-renden Regierung Afghanistans ergeben. Diese Chancendürfen kein zweites Mal wie schon zu Beginn der 90er-Jahre verschenkt werden.

Dennoch bleiben folgende Hauptkritikpunkte bestehen:

Dem Parlament fehlen für seine Entscheidung wesent-liche Informationsgrundlagen. Dies betrifft die tatsächli-che militärische Lage und die strategischen Planungen dervon den USA geführten Aktion �Enduring Freedom�, dieKräfteverhältnisse der afghanischen Kriegsparteien unddie Rolle der Taliban, auch der mit ihnen bisher oder nochverbündeten Kräfte. Gleiches gilt für die humanitäre Si-tuation, das Ausmaß an zivilen Opfern und Zerstörungender Infrastruktur.

Unsere Zweifel an der Sinnhaftigkeit, Verhältnis-mäßigkeit und Angemessenheit des bisherigen Verlaufsder amerikanischen Aktion sind auf der Grundlage derallgmein angenommenen Informationen eher gestiegen.Die Bombardierung eines ganzen Landes mit Tausendenziviler Opfer zur Bekämpfung eines terroristischen Net-zes und der sie stützenden politischen Struktur war wederangemessen noch wirksam im Sinne der Belangung derHauptverantwortlichen und der Vermeidung der Gefahrweiterer Anschläge. Zunehmend gewinnt die These anPlausibilität, dass die bisherigen politischen, geheim-dienstlichen, polizeilichen und diplomatischen Fehler, diees schon bisher bei der Verfolgung Bin Ladens und seinerHelfer gab, sich fortsetzen. Offenbar planen die USA wei-tere militärische Schläge, auch gegen andere Staaten. Eswird ignoriert, dass der Charakter krimineller, terroristi-scher Netze gerade nicht vorrangig in Form militärischerharter Ziele besteht, sondern in Form militärisch unan-greifbarer Verbindungen. Zudem leidet die derzeitige Artder Terrorismusbekämpfung seitens der USA erheblich anGlaubwürdigkeit, insbesondere im Hinblick auf das Ver-halten der Regierung zum Palästinakonflikt. Die dort ta-tenlos zugelassene Eskalation, für die die von den USAgestützte Regierung Israels eine wesentliche Schuld trifft,bereitet künftigem Terrorismus den Boden.

Der deutsche Beitrag steht in dem Widerspruch, einer-seits in �uneingeschränkter Solidarität� an �EnduringFreedom� als Konfliktpartei in Afghanistan beteiligt zusein und gleichzeitig mit dem Ruf des unbeteiligten Neu-tralen in Kabul und Umgebung schlichtend und beruhi-gend einen Friedensprozess sichern zu sollen. Dies ge-schieht unter britischer Führung, der es � wenn schon nichtdirekt militärisch, so doch politisch � an der notwendigenDistanz zu kriegführenden Einheiten und an historischer

Unbelastetheit mangelt. Im Hinblick auf diese Verflech-tungen, auf die Belastungen der Bundeswehr und dieschwer einschätzbare Vorgehensweise der USA-Regie-rung in der Zukunft ist das Mandat der Bundeswehr zurTeilnahme an �Enduring Freedom� spätestens jetzt hinfäl-lig. Die Frage hinsichtlich einer Verknüpfung bzw. der zufordernden strikten Trennung der militärischen Befehls-stränge konnte nicht befriedigend beantwortet werden.

Die Kosten für das neue Mandat sind, soweit nichtdurch Umschichtungen im Rahmen der Verteidigungs-ausgaben oder die Reduzierung anderer Mandate zu er-wirtschaften sind, keinesfalls zulasten anderer Ressortsaufzubringen.

Im Übringen bedarf die globale Terrorbekämpfung An-strengungen, vor allem im Hinblick auf das Palästinapro-blem, die Einrichtung eines allgemein anerkannten Inter-nationalen Gerichtshofes, die Biowaffen-Konvention undden Zusammenhalt der Anti-Terror-Koalition.

Auch in ihrer Ablehnung einer Ausweitung der mi-litärischen Aktionen auf andere Staaten oder Gebiete un-terstützen wir nachdrücklich die Haltung der Bundesre-gierung.

Anlage 5

Erklärungen nach § 31 GOAbstimmung über die Beschlussempfehlung undden Bericht zu dem Antrag der Bundesregierung:Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte andem Einsatz einer Internationalen Sicherheitsun-terstützungstruppe in Afghanistan auf der Grund-lage der Resolutionen 1386 (2001), 1383 (2001)und 1378 (2001) des Sicherheitsrats der VereintenNationen (Tagesordnungspunkt 3 a und b)

Wolfgang Börnsen (Bönstrup) (CDU/CSU): Ich stim-me der Entscheidung aus Gewissensgründen nicht zu.

Die Bundeswehr ist nach unserer Verfassung ganz ein-deutig eine Verteidigungsarmee. Der Einsatz in Kabulentspricht nicht der Verfassungslage. Darüber hinaus istder auf Kabul beschränkte Einsatz von 5 000 Soldaten aufdie Sicherheit von 2 Millionen Menschen in der Haupt-stadt und auf die Hilfe für sie beschränkt. 23 Millionenweitere Frauen, Kinder und Männer dieses Landes sinddamit von humanitärer Hilfe ausgeschlossen. Mit demGrundsatz der Einhaltung von Menschenrechten für alleBürger ist diese sektorale Hilfe nicht vereinbar.

Weder der Umfang noch der Zeitraum des Einsatzes,noch die Sicherheit der Soldaten sind gewährleistet. NachAussage von Militärexperten kann von einem tatsäch-lichen robusten Mandat nicht die Rede sein. Hier werdenLeib und Leben Tausender von Soldaten einem unvertret-baren und unkalkulierbaren Risiko ausgesetzt. Auch ausdiesem Grund kann es keine Zustimmung geben. Schließ-lich enthält eine Kabul-Zustimmung den Beginn eines Au-tomatismus für ständig weiteren weltweiten Einsatz deut-scher Soldaten, ohne dass die Verfassungslage geklärt, dieFinanzierung der Bundeswehr gesichert und die Aufträgean politische Lösungen der Konflikte gebunden sind.

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Die rot-grüne Bundesregierung hat mit ihrer mit demnationalen Interesse nicht übereinstimmenden Ausrich-tung einer uneingeschränkten Solidarität eine Zwangs-beteiligung an kriegerischen Konflikten unverantwortlicheröffnet. Damit schadet sie dem Lande. Unabhängig da-von holt sie mit dieser Ausrichtung verstärkte Risikendurch Terroristen ins eigene Land.

Diese Politik, die nicht zuerst von einer Friedenssiche-rung durch politische Lösungen ausgeht, lehne ich ab. Ge-rade unser Land sollte bei der Beteiligung an Kriegen, bedingt durch seine Vergangenheit, eine besondere Ver-antwortung zeigen, so, wie es die Kohl-Regierung beiähnlichen Krisen getan hat.

Dr. Uwe Jens (SPD): Warum ich der Entscheidungdes UNO-Sicherheitsrats nicht zustimmen konnte undmich im Bundestag der Stimme enthalten habe:

Meine grundsätzlichen Bedenken gegen den jetzt ge-planten Einsatz deutscher Soldaten im Rahmen einer in-ternationalen Friedenstruppe sind geringer als bei denvorherigen Entscheidungen des Deutschen Bundestageszum Kriegseinsatz in Afghanistan. Jedoch bleiben etlicheungeklärte Fragen und schwer wiegende Probleme beimjetzt geplanten Einsatz von 1 200 Bundeswehrsoldaten.Diese Mission ist kaum gefährlicher für Leib und Lebender Soldaten als die bisherigen Einsätze.

Es gibt auch in diesem Fall für mich Bedenken vonschwer wiegender Bedeutung, die ich kurz zum Ausdruckbringen muss.

Erstens. Auch diese Entscheidung des Sicherheitsratsder Vereinten Nationen ist nicht nachhaltig durch die Ideedes Multilateralismus geprägt. Bei dem Hin und Her überdie Ausgestaltung des Mandats sind die unterschiedlichs-ten Denk- und Handlungsweisen erneut zum Vorscheingekommen. Der Extraweg der US-Amerikaner, die in Kri-senfällen das Oberkommando behalten, zeigt sich in dereinseitigen Kündigung des ABM-Vertrages, in der Ver-weigerung der Zustimmung zur Biowaffen-Konvention,in der Ablehnung von UNO-Beobachtern in Palästina undunter anderem in der bisherigen Nichtunterzeichnung ei-nes Vertrages über die Einrichtung des InternationalenStrafgerichtshofes. Meines Erachtens müssen wir jetzt dieWeichen stellen für eine neue Weltordnung, die von derGleichberechtigung aller Staaten ausgeht, unabhängigvon ihrer Größe und dem Entwicklungsstand.

Zweitens. Der Beginn des 21. Jahrhunderts kann Angstbereiten, die bekanntlich stets ein schlechter Ratgeber ist.Aber nach allem, was bisher getan und gesagt worden ist,ist die Ausweitung des Krieges auf andere Länder, insbe-sondere auf Somalia und/oder den Irak aus meiner Sichtebenfalls nicht unwahrscheinlich. Das Erste, was in die-sen Zeiten schnell zerstört wird, ist das Bemühen umWahrheit. Eine Ausweitung der Terrorismusbekämpfungmit militärischen Mitteln auf andere muslimische Staatenwürde die weltweite Unsicherheit, die Gefahren einesWeltbrandes deutlich steigern.

Dieser möglichen Entwicklung will ich mahnend ent-gegentreten. Deutschland muss verstärkt darauf aufmerk-sam machen, dass es nur begrenzte Kapazitäten hat, dassdie Belastungsschwelle in finanzieller und personeller

Hinsicht bereits jetzt überschritten ist. Solidarität kann nie-mals uneingeschränkt sein; sie kann sich stets nur auf ei-nen bestimmten Zeitraum und auf konkrete Fälle beziehen.

Jürgen Koppelin (FDP): Die Bundeswehr ist nachmeiner Auffassung für einen Einsatz in Afghanistan we-der ausgebildet noch ausgerüstet. Weder hat die Bundes-wehr akzeptable Transportkapazitäten noch die notwen-dige Logistik für diesen Einsatz. Das ist jedoch dringendnotwendig, damit jederzeit ein Standortwechsel im Landvorgenommen werden könnte. Ebenso sind die Möglich-keiten eines schnellen Abzugs begrenzt.

Für mich bleiben auch nach dem Beschluss des UN-Si-cherheitsrats die Aufgaben der Bundeswehr bei einemEinsatz in Afghanistan im Unklaren. Das trifft auch aufdie Zeitdauer des Einsatzes zu.

Für mich gibt es trotz der Konferenz in Bonn und de-ren Ergebnissen erhebliche Zweifel über die Friedensaus-sichten in Afghanistan. Unklar bleibt auch, welche Rolle dieUSAbei diesem Einsatz der Bundeswehr übernehmen � dasheißt auch, Klarheit darüber zu haben, ob die USA wei-tere Militärschläge in Afghanistan beabsichtigen.

Für mich stellt sich zusätzlich die Frage, warum sichandere Staaten wie Indonesien, Thailand oder Ägyptennicht an diesem Einsatz beteiligen oder warum sie nichtaufgefordert worden sind.

Ich stimme diesem Einsatz der Bundeswehr auch nichtzu, weil die Bundeswehr mit dem Einsatz auf dem Balkanbereits am Rande ihrer Kapazitäten angekommen ist.

Mit Sorge sehe ich, dass der Deutsche Bundestag da-rüber im Unklaren gelassen wird, wer nach einem drei-monatigen Einsatz in Afghanistan das Kommando überden Einsatz übernimmt.

Als Abgeordneter des Deutschen Bundestages fühleich mich durch die Bundesregierung über die Gefahrenund die Konsequenzen dieses Einsatzes nicht ausreichendund umfassend informiert. Mit innerer Betroffenheit mussich feststellen, dass Auslandseinsätze der Bundeswehrfast zu einer Routineangelegenheit werden. Für mich wirddas niemals Routine sein.

Manfred Müller (PDS): Abweichend vom Votum mei-ner Fraktion werde ich mich bei der Abstimmung über denAntrag der Bundesregierung auf �Beteiligung bewaffne-ter deutscher Streitkräfte an dem Einsatz einer Internatio-nalen Sicherheitsunterstützungstruppe in Afghanistan aufder Grundlage der Resolutionen 1386 (2001), 1383 (2001)und 1378 (2001) des Sicherheitsrats der Vereinten Natio-nen� der Stimme enthalten. Ich gebe dazu folgende per-sönliche Erklärung nach § 31 der Geschäftsordnung desDeutschen Bundestages ab.

Ich teile die Kritik meiner Fraktion sowohl am Krieg inAfghanistan als auch an der konkreten Ausgestaltung desMandats. Die UN-Friedensmission birgt, nicht zuletzt we-gen der fortgesetzten US-amerikanischen Kampfhandlun-gen, der ungeklärten Kommandostrukturen und einernicht vorhandenen Exit-Strategie, erhebliche Risiken. Da-von abgesehen sehe ich jedoch keine grundsätzlichen Be-denken gegen die Beteiligung von Bundeswehreinheiten

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an einer von den Vereinten Nationen mandatierten Frie-densmission in Afghanistan.

Es handelt sich um einen völkerrechtlich legitimiertenEinsatz, der dem Ziel dient, die Umsetzung der BonnerVereinbarungen abzusichern. Der Petersberger Prozesseröffnet Chancen für eine friedliche Zukunft Afghanis-tans, die nicht ungenutzt bleiben dürfen. Er bedarf � ge-rade angesichts der unsicheren Sicherheitslage vor Ortund der bekannten Rivalitäten innerhalb der Übergangs-regierung � substanzieller Absicherung von außen.

In der Abwägung aller Chancen und Risiken kann ichmich der Ablehnung des Antrags durch meine Fraktionnicht anschließen, weil dies in der Konsequenz hieße, dieRolle der UNO bei der Stabilisierung Afghanistans ent-scheidend zu schwächen und damit die Chancen für einefriedliche Entwicklung des Landes zu mindern.

Helmut Rauber (CDU/CSU): Es gibt niemanden, derAfghanistan, diesem über Jahrzehnte gequälten Land,keinen dauerhaften Frieden wünscht.

Dies muss aber ein sich selbst tragender und keinScheinfrieden sein.

Es gibt gute Gründe, der Mandatierung zuzustimmen,aber auch ebenso gute Argumente, diese Form des Man-dats abzulehnen.

Es geht mir nicht um eine Mandatierung ja oder nein,sondern um den Umfang unseres Engagements mit maxi-mal 1 200 Soldaten und einem Finanzvolumen von rund680 Millionen DM. Mit einem weit geringeren Kontin-gent lassen sich die anzustrebenden Ziele genauso gutbzw. genauso wenig erreichen.

Ich sehe folgende substanzielle Bedenken:Erstens. Afghanistan ist zweimal so groß wie die Bun-

desrepublik Deutschland, besitzt aber mit 25 MillionenEinwohnern gerade mal ein Drittel unserer Größe. Zuglauben, mit circa 5 000 Soldaten Sicherheit in diesemLand zu schaffen und das in einem Zeitraum von 6 Mo-naten, ist schlicht eine Illusion.

Zweitens. Schon jetzt ist die Bundeswehr überfordertund der Sechs-Monate-/Zwei-Jahres-Rhythmus ist beiFührungskräften, Spezialisten, Medizinern und Fernmel-desoldaten schon lange nicht mehr einzuhalten. Diese Be-lastung unserer Soldaten hat erhebliche Auswirkungen aufdie Attraktivität und damit auf die Leistungsfähigkeit un-serer Bundeswehr. Spitzenkräfte werden unter diesen Be-dingungen nicht bereit sein, in der Bundeswehr zu dienen.

Drittens. Die Warlords sind an einer Präsenz der UN, dieihre Kreise stört, nicht interessiert. Wir dürfen nicht über-sehen, dass es die Nordallianz war, die dieses Land zwi-schen 1992 und 1996 ruinierte, und dass das dazu führte,dass die Taliban, die �law and order� brachten, als Be-freier begrüßt wurden. Jetzt sind wir dabei, den Teufel mit

dem Beelzebub auszutreiben. Karsai verdient Vertrauen,aber er besitzt keine Hausmacht und er ist auf die gleicheNomenklatura der alten Machenschaften angewiesen.

Viertens. Jeder Automatismus bei der Entsendungdeutscher Truppen ins Ausland ist abzulehnen. Was abereingefordert werden muss, sind Mindestbedingungen, diesich an den vitalen Interessen Deutschlands ebenso zu ori-entieren haben wie an einer klaren politischen Konzeptioneinschließlich einer Exit-Strategie mit einem zeitlichenund finanziellen Rahmen. Wer sich aus Gründen einerFriedensschaffung und Friedenssicherung in Afghanistanengagiert, der muss schon schlüssig die Frage beantwor-ten, warum dann nicht im Nahen Osten, in Kaschmir, inIndonesien, in Angola, in Ruanda, im Sudan, im Kongo,in Sri Lanka usw.

Fünftens. Es passt nicht zusammen, wenn der Ent-wicklungshilfeetat, der eigentlich steigen müsste, um rund100 Millionen Euro gekürzt wird und im nächsten Jahr no-minell und prozentual unter dem liegt, was die RegierungKohl ausgegeben hat. Die FAO hat in ihrem jüngsten Be-richt deutlich gemacht, dass weltweit 815 Millionen Men-schen hungern. Der militärische Beitrag kostet die Bun-desregierung rund 700 Millionen DM, was fast 10 Prozentdes Entwicklungshilfeetats ausmacht. Aufwand und Nutzenstehen in keinem Verhältnis. Wenn die Entwicklungshilfe-zahlungen an die Kooperationsbereitschaft der Warlords ge-koppelt werden, könnte ein größerer sicherheitspolitischerGewinn erzielt werden.

Sechstens. Bei diesem Mandat ist strikt zu trennen, wasDeutschland bezüglich des Kampfes gegen den inter-nationalen Terrorismus versprochen hat und was ande-rerseits nicht nur in Afghanistan, sondern weltweit für denStaatsaufbau bzw. die wirtschaftliche Gesundung zu leis-ten ist. Dass Deutschland seine Verpflichtungen im Kampfgegen den internationalen Terrorismus erbringen muss, istunstrittig. Wo bei diesem Mandat dieser Beitrag aber kon-kret liegt, ist nur schwer zu erkennen.

In der Abwägung, was für bzw. gegen das vorliegendeMandat spricht, enthalte ich mich der Stimme.

Christa Reichard (Dresden) (CSU/CSU): Der Betei-ligung bewaffneter deutscher Streitkräfte an dem Einsatzeiner internationalen Sicherheitsunterstützungstruppe inAfghanistan stimme ich zu, kann dies aber nur mit großemBedenken tun, denn ich halte die Betreuungssituation für dieSoldatenfamilien angesichts der steigenden Belastungendurch die Zunahme an Auslandseinsätzen für unzureichend.Mit meiner Zustimmung verbinde ich die dringende Auf-forderung an die Bundesregierung, schnellstmöglich dasgeplante flächendeckende Familienbetreuungsnetz mit 32 Familienbetreuungszentren mit je vier hauptamtlichenDienstposten einzurichten und dieses Projekt nicht erst inzwei Jahren umzusetzen. Weiterhin fordere ich angemes-sene Rahmenbedingungen für die ehrenamtliche Betreu-ungsarbeit der Soldatenfrauen.

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