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3/2006 Deutsches Jugendinstitut e.V. DJI Bulletin PLUS Jugend und Migration Migration und Bildung Migrationshintergrund Migration oder Milieu Multikulti funktioniert Sprachgebrauch – Freundeskreis Interkulturelle Beziehungen Interkulturelle Kompetenz

Deutsches Jugendinstitut e.V. - dji.de · Iris Bednarz-Braun, Ursula Bischoff V. Nockherstraße 2, 81541 München, Deutschland Presserechtlich verantwortlich: Prof. Dr. Thomas Rauschenbach

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DJI Bulletin 76 3/2006 1

3/2006Deutsches Jugendinstitut e.V.

DJI Bulletin PLUS

Jugend und Migration

Migration und BildungMigrationshintergrundMigration oder MilieuMultikulti funktioniertSprachgebrauch – FreundeskreisInterkulturelle Beziehungen

Interkulturelle Kompetenz

DJI Bulletin 76 3/20062

Seite 3 Editorial

Seite 4 Bericht

Thomas RauschenbachDas Gelingen von Migration und Integration –ein notwendiges Ziel für die Gesellschaft

Das Deutsche Jugendinstitut e. V. ist ein außer-universitäres sozialwissenschaftliches Forschungsinstitut.Seine Aufgaben sind anwendungsbezogene Grundla-genforschung über die Lebensverhältnisse von Kindern,Jugendlichen und Familien, Initiierung und wissenschaft-liche Begleitung von Modellprojekten der Jugend- undFamilienhilfe sowie sozialwissenschaftliche Dienstleistun-gen. Das Spektrum der Aufgaben liegt im Spannungs-feld von Politik, Praxis, Wissenschaft und Öffentlichkeit.Das DJI hat dabei eine doppelte Funktion: Wissenstrans-fer in die soziale Praxis und Politikberatung einerseits,Rückkopplung von Praxiserfahrungen in den For-schungsprozess andererseits. Träger des 1963 gegrün-deten Instituts ist ein gemeinnütziger Verein mit Mitglie-dern aus Institutionen und Verbänden der Jugendhilfe,der Politik und der Wissenschaft. Dem Kuratorium desDJI gehören Vertreter des Bundes, der Länder, desTrägervereins und der wissenschaftlichen Mitarbeiter-schaft des DJI an.

Das DJI hat z. Zt. folgende Forschungsabteilungen:Kinder und Kinderbetreuung, Jugend und Jugendhilfe,Familie und Familienpolitik, Zentrum für Dauerbeobach-tung und Methoden sowie die Forschungsschwerpunkte»Übergänge in Arbeit«, »Migration, Integration undinterethnisches Zusammeleben«, »Gender und Lebens-planung«, ferner eine Außenstelle in Halle.

ImpressumHerausgeber und Erscheinungsort:Deutsches Jugendinstitut e. V. Nockherstraße 2,81541 München, Deutschland

Presserechtlich verantwortlich:Prof. Dr. Thomas RauschenbachRedaktion: Dr. Jürgen BarthelmesTelefon: 089 6 23 06-180, Fax: -265,E-Mail: [email protected] VontzTelefon: 089 6 23 06-311, Fax: -265,E-Mail: [email protected]

Vertrieb: Stephanie VontzTelefon: 089 6 23 06-311, E-Mail: [email protected]

Satz, Gestaltung: Anja Rohde, Hamburg

Druck und Versand: grafik + druck GmbH, München

Bildnachweis:Titel, S. 3, 5, 9, 14, 17, 18, 19: Hans Lösch (Idee); S. 7, 25:DJI; S. 25, 26: privat.

ISSN 0930-7842

Das DJI-Bulletin erscheint viermal im Jahr.Alle Hefte sind kostenlos.

Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben die Mei-nung der Autorinnen und Autoren wieder.Der kostenlose Bezug erfolgt auf schriftliche Anforde-rung an die Redaktion. Geben Sie bei einer Adressen-änderung bitte auch Ihre alte Anschrift an. Die Adressender Abonnenten sind in einer Adressdatei gespeichertund werden zu Zwecken der Öffentlichkeitsarbeit des DJIverwendet.Kostenloser Nachdruck nur nach Rücksprache mit derRedaktion sowie unter Quellenangabe und gegenBelegexemplar gestattet.

Download (pdf) und HTML-Version unterwww.dji.de/bulletins

Seite 24 Kurz informiert

Seite 27 Tagungen

Vorschau: DJI Bulletin 77Themenheft

Kinder in Deutschland

Seite 8 Bericht

Jan MarbachWie deutsch ist deutsch?Zur Bedeutung des Migrationshintergrundes

Seite 12 Bericht

Birgit Reißig, Frank BraunGanz anders und total normal

DJI Bulletin PLUS

Xandra WildungInterkulturelle Kompetenz – ein Vexierbild des21. Jahrhunderts. Definition, Elemente, Standards, Praxis

Seite 7 Bericht

Parlamentarischer Abend des DJIMigration, Integration, interethnisches Zusammenleben

Seite 10 Bericht

Christian AltMilieu oder Migration – was zählt mehr?

Kirsten Bruhns

Interkulturelle Beziehungen als Potenzial –Neue Perspektiven für dieMigrationsforschung

Seite 16 Dossier

Seite 28 Publikationen

Seite 14 Bericht

Iris Bednarz-Braun, Ursula BischoffMultikulti funktioniert: Azubis wollen interkulturelle Vielfalt

Seite 20 Bericht

Martina Gille, Sabine Sardei-BiermannSprich mit mir … Freundeskreis und Sprachgebrauchbei Migranten und Einheimischen

Seite 21 Bericht

René BenditMigration – ein steiniger Weg?Jugendliche als Akteure zwischen Politik undeigenen Wünschen

DJI Bulletin 76 3/2006 3

Liebe Leserin, lieber Leser,

der Parlamentarische Abend 2006 desDJI in Berlin (am 26.10.2006) war demThema »Migration, Integration, inter-ethnisches Zusammenleben« gewidmet(siehe Bericht auf Seite 7). Die Referatedieser Veranstaltung sind in diesem Heftin überarbeiteter Form wiedergegebenund werden durch weitere Beiträge ausder aktuellen Forschung des DJI ergänzt.

Thomas Rauschenbach stellt Ergebnissedes jüngst veröffentlichten NationalenBildungsberichtes vor. Das Gelingen vonMigration und Integration muss für Poli-tik und Gesellschaft eine notwendigeZielsetzung sein.

Wie deutsch ist das Deutschland vonheute? Wer ist ein »Ausländer«, wer istein »Deutscher«? Jan Marbach zeigt an-hand der neuen Daten des Mikrozensussowie der Ergebnisse des DJI-Familien-surveys auf, dass Migration vielfältig ist.

Milieu oder Migration – was zähltmehr? Dieser Frage geht Christian Altnach, indem er die Befunde des Nationa-len Bildungsberichtes sowie des DJI-Kinderpanels miteinander in Bezugsetzt.

»Ganz anders und total normal«, socharakterisieren Birgit Reißig und FrankBraun die Lebensumstände und Zu-kunftspläne türkischer Hauptschüler/innen und junger Aussiedler/innen.

»Multikulti funktioniert«. Anhandvon Ergebnissen einer XENOS-Studiemacht Iris Bednarz-Braun die positiveSeite gelebter Interkulturalität sichtbar.Interkulturelle Kompetenz entstehtdurch gemeinsames Aufwachsen imKindergarten, in Schule, in Betrieben.

»Sprich mit mir …«, Martina Gille undSabine Sardei-Biermann verdeutlichen an-hand von Ergebnissen des DJI-Jugend-surveys, dass Freundschaften zwischenjungen Menschen mit Migrationshinter-grund und Einheimischen sowie einkompetenter Gebrauch der deutschenSprache Grundlagen für eine gelingendeIntegration sind.

»Migration, ein steiniger Weg?« RenéBendit veranschaulicht anhand der Über-gangsverläufe junger Migranten im Euro-päischen Vergleich, dass Jugendliche alsAkteure zwischen Politik und eigenen

Editorial

Wünschen hin und her gerissen werden.Ihre persönliche und berufliche Entwick-lung ist eher durch soziale Benachteili-gung bestimmt als durch das eigeneHandeln.

Welchen Weg aber soll Migrations-forschung gehen? Kirsten Bruhns verdeut-licht in einem Resümee der Forschungs-literatur, dass den Potenzialen interkul-tureller Beziehungen bislang noch zuwenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde.Neue Perspektiven für die Forschungsind erforderlich, um die Entstehungund Entwicklung gelingender interkul-tureller Beziehungen für Praxis und Poli-tik nützlich zu machen.

Was unter Interkultureller Kompetenzzu verstehen ist, wie sie erworben sowiepraktisch angewandt werden kann, undin welchen Phasen und Prozessen sichInterkulturelles Lernen vollzieht, erläu-tert Xandra Wildung im Bulletin 76PLUS.

Einige dieser Beiträge führen unter-schiedliche Daten zur Migration an –entsprechend der jeweiligen Leitlinieoder Forschungsperspektive.

Migrantenjugendliche werden in deröffentlichen Debatte eher mit »speziel-len Kollektiven und Problemen« sowie»Kulturkonflikten« in Verbindung ge-bracht. Das Bild über junge Migrantin-nen und Migranten ist nicht frei von Vor-urteil und Vorsicht.

Aus diesem Grunde verzichten wir indiesem Heft einmal ausnahmsweise aufBilder und Fotos. Bilder von Gesichternund äußerem Erscheinungsbild andererMenschen bedienen oftmals Klischeesund speisen Gemeinplätze, eingefahreneund überkommene Vorstellungen sowieStereotypen.

Hans Lösch hat für dieses Heft diebeiden Begriffe »fremd« und »vertraut« inverschiedenen Sprachen und Schriften zuTextcollagen kombiniert. Die Wörter»fremd« oder »vertraut« erinnern uns anErfahrungen und provozieren die Frage,ob wir uns selbst auf einen Prozess derMigration einlassen würden.

Das Wort »fremd« leitet sich etymo-logisch von dem germanischen Wort»fram« ab und bedeutet: »vorwärts«,»weiter«, »von etwas weg«, »entfernt«,»unbekannt« »unvertraut«. Der »Fremde«war »Gast« aus einem anderen Land undkonnte zum »Freund« (aber auch zum»Feind«) werden, ähnlich dem griechi-schen Wort xenos (Fremde, Gast,Freund).

Das Wort »vertraut« leitet sich abvon »trauen« im Sinne von »fest werden«,»glauben«, »hoffen«, »zutrauen«, »wagen«bis hin zu »sich mit jemandem eheli-chen«.

Mit diesen Ableitungen der beidenWörter »fremd« oder »vertraut« werdenim Grunde genommen Phasen von Pro-zessen der Migration benannt.

Ausgangspunkt für interkulturelle Be-ziehungen ist »der Respekt vor dem An-deren – egal wer er ist«, wie es der türki-sche Schriftsteller Orhan Pamuk, Nobel-preisträger für Literatur 2006, grundsätz-lich fordert. Menschen zu respektieren,deren Auffassung man nicht teilt, be-deutet nach dem französischen Schrift-steller und Philosophen Voltaire, sichimmer dafür einzusetzen, dass der An-dere seine Meinung öffentlich äußernkann, auch wenn diese einem selbstnicht genehm ist.

Mit besten Grüßen und WünschenJürgen BarthelmesStephanie Vontz

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Berichte

Bildung in Deutschland: Jugend und Migration – Ergebnisse des Nationalen Bildungsberichtes

Das Gelingen von Migration und Integration –ein notwendiges Ziel für die Gesellschaft

Migration, Integration, interethnisches Zusammenleben – diese Themen füllenderzeit die Bühnen der Politik und Medien. Die Vorkommnisse in der Rütli-Schule,die Pisa-Befunde, der Integrationsgipfel, die Grundsatzrede des Bundespräsiden-ten, die Diskussion um das Bleiberecht weisen nicht erst seit gestern auf eineProblematik hin, die zu Sorge Anlass gibt, nach Lösungen verlangt und nicht längerin den Nischen der Debattenzirkel einiger weniger Spezialisten verbleiben kann.

Deutschland erlebt gegenwärtig zwar eine moderate Zuwanderung. Dennochmuss sich diese Gesellschaft auf wachsende Herausforderungen durch Migrationeinstellen, da die Wirkungen und Folgen von Migration weitaus größer sind alsbislang angenommen – insbesondere für Kinder und Jugendliche. Darauf weistim Besonderen der erste nationale Bericht »Bildung in Deutschland« hin.

Deutschland hat kein aktuellesZuwanderungsproblem

Verrechnet man Zuwanderung undAbwanderung pro Jahr miteinander,dann gibt es in Deutschland einen jährli-chen Zuwachs von weniger als 100.000Zuwanderern (das sind etwas mehr als0,1 % der Bevölkerung). Die Zahlen derNeuzuwanderungen haben sich dem-nach deutlich entspannt, ein akuterHandlungsbedarf besteht in dieser Hin-sicht derzeit nicht. Dennoch ist das The-ma Migration in Gesellschaft und Poli-tik aktueller denn je. Warum?

Migration ist kein Rand- undNischenthema mehr

Mehr als ein Viertel der jungen Men-schen im bildungsrelevanten Alter (bis25 Jahre) und sogar rund ein Drittel derKinder unter sechs Jahren haben einenMigrationshintergrund.

Der erste nationale Bildungsbericht»Bildung für Deutschland« – von derKultusministerkonferenz (KMK) unddem Bundesministerium für Bildungund Forschung (BMBF) in Auftrag gege-ben und unter Mitarbeit des DeutschenJugendinstituts erstellt – enthält eineausführliche Analyse zum Thema Bil-dung und Migration. Auf der Basis amt-licher Daten des Mikrozensus (Statisti-sches Bundesamt 2006) wird erstmalsdas tatsächliche Ausmaß der Migrationund Zuwanderung in Deutschland auf-gezeigt. Dabei fragt der Mikrozensus2005 nicht mehr nur nach der Staatsan-

gehörigkeit, sondern auch nach demMigrationshintergrund. Demzufolgewerden in diesem Datensatz all jene alsMigranten ausgewiesen, die selbst oderderen Eltern nach Deutschland zugewan-dert sind (z. B. Spätaussiedler). Die da-durch sichtbar werdenden Größenord-nungen lassen erahnen, welche Dynamiksich hinter dem Thema Migration ver-birgt. Das tatsächliche Ausmaß der Mig-ration ist demnach weitaus größer alsbislang angenommen. 15,3 Mio. Men-schen in Deutschland haben einenMigrationshintergrund. Das sind 18,6 %der Gesamtbevölkerung – im Westen21,5 %, in Ostdeutschland 5,2 % – unddamit rund doppelt so viele wie nach

Abbildung: Bevölkerung und Migrationshintergrund in Deutschland (Angaben in Prozent)Quelle: Statistisches Bundesamt, Mikrozensus 2005 (vorläufige Ergebnisse)

dem bisherigen Ausländerkonzept (vgl.Abb.).

Migration ist somit längst kein Rand-und Nischenthema mehr. Dazu sind esmittlerweile zu viele Menschen, die sichhier niedergelassen, Fuß gefasst und eineneue Heimat gefunden haben. 5,8 Mio.junge Menschen unter 25 Jahren habeneinen Migrationshintergrund. Das ent-spricht einem Anteil von 27,2 % gegen-über den 18,6 % der Migrantinnen undMigranten der Gesamtbevölkerung. DieStatistik offenbart aber noch eine weitereSteigerung: Rund 33 % der Kinder bis zusechs Jahren haben einen Migrationshin-tergrund. Wenn auch der weitaus größteTeil davon in Deutschland geboren ist,sind bei jedem dritten Kind unter sechsJahren entweder die Eltern nach Deutsch-land zugewandert, oder die Kinder selbstsind nicht hier geboren.

Dabei unterscheiden sich die Werteim Bundesgebiet deutlich:– Die Bundesländer Hamburg und Bre-

men haben bei den unter 25-Jährigengegenwärtig die höchsten Migrations-anteile mit knapp über 40 %.

– In Hessen, Nordrhein-Westfalen undBerlin haben im Landesschnitt über

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30 % der jungen Menschen unter 25Jahren einen Migrationshintergrund.

– In allen neuen Bundesländern liegtder Anteil der jungen Menschen unter25 Jahren mit Migrationshintergrundjedoch unter 10 %.

Migration ist vor allem ein Thema fürdie Jugend-, Familien-, Bildungs- undSozialpolitik

In Deutschland ist inzwischen ein gewis-ser Pragmatismus eingekehrt, der sichnicht mehr mit verbalen Schattengefech-ten erschöpft, etwa in der müßigen Fra-ge, ob dieses Land nun ein Einwande-rungsland ist oder nicht, vielmehr wirdendlich danach gefragt, was in Anbe-tracht dieser Größenordnung zu tun ist.Von den Kindern unter sechs Jahren sindnur 7,3 % selbst zugewandert. Dadurchkönnte der Eindruck erweckt werden,dass die mit der Migration verbundenenProbleme für die Altersgruppe offenkun-dig nicht mehr so groß sind und sich als-bald von alleine erledigen, sofern es kei-ne neue steigende Zuwanderung gibt.Doch Deutschland kann sich in SachenMigration angesichts der rapide sinken-den Neuzuwanderungen vorerst keines-falls entspannt zurücklehnen.

Alle Daten und Befunde weisen da-rauf hin, dass der Umstand, hier geborenzu sein (»Zweitgenerationen-Effekt«),vorerst keinerlei Gewähr dafür bietet,dass die messbaren Unterschiede zwi-schen den Gruppen mit und ohne Mig-rationshintergrund mit Blick auf die Bil-dungs- und Integrationsleistungen ver-schwinden, sich als Merkmal der Diskri-minierung gewissermaßen in Luft auf-lösen.

Die Herausforderung der Integrationvon zugewanderten Menschen und ihrenKindern ist somit dringlicher denn je.Aus diesem Grund kommt es darauf an,auf der Basis belastbarer Befunde undErkenntnisse insbesondere auch die da-rin liegenden bildungs-, familien- undjugendpolitischen Facetten anzugehenund umzusetzen, also nicht nur diesicherheits-, sozial- oder arbeitsmarkt-politischen Aspekte zu fokussieren.

Die Debatte über Migration hat in-zwischen folgerichtig die frühen Jahreder Kindheit verstärkt ins Blickfeld ge-rückt. Dies ist insbesondere mit Blick aufBildung, Betreuung und Sprachentwick-lung im Kern der richtige Ansatz.

Wie steht es mit der Kindergarten-pflicht?

Angesichts der vergleichsweise hohenBesuchsquoten von Kindern mit Migra-tionshintergrund im Alter von vier bissechs Jahren ist eine Kindergartenpflichtweder gerechtfertigt noch verhältnismä-ßig. Wenn weit über 80 % aller Migran-tenkinder in den beiden letzten Jahrenvor der Einschulung einen Kindergartenbesuchen, dann ist der Ruf nach Pflichteine viel zu unpräzise Antwort, zumaldabei viel zu viel nicht intendierteNebenwirkungen in Kauf genommenwerden.

Des Weiteren besteht der Kreis derbenachteiligten und besonders förde-rungswürdigen Kinder – um die es beider Pflichtdebatte im Kern geht –, allen-falls aus einem Anteil von rund 3 %eines jeweiligen Altersjahrgangs, derzusätzlich erreicht werden könnte, alleanderen gehen schon heute von sich aushin. Bei dieser Frage vermengen sich dieEinflüsse von Migrationsstatus undSozialstatus. Migration ist demzufolgekein allein ausschlaggebender Indikator.

Pflicht ist somit kein probates Mittel,zumal hierfür die Verfassung geändertoder der Kindergarten in Schule verwan-delt werden müsste. Stattdessen gilt eszunächst, alle anderen, noch gar nichtausgereizten freiwilligen Möglichkeitenzu nutzen.

Die entscheidende Lebensphase: dasAlter zwischen zwei und vier Jahren

Der ganz überwiegende Teil der Kindermit Migrationshintergrund ist inDeutschland geboren. Für diese Alters-phase sind demnach Angebote der Bil-

dung, Betreuung und Erziehung bereit-zustellen, die den Bedarf decken sowieden natürlichen Zweitspracherwerb för-dern helfen. Die Frage der Sprachförde-rung ist zwar generell von elementarerBedeutung bei Kindern, doch im Rah-men der öffentlichen Kinderbetreuungmuss konsequenter eine andere alters-mäßige Akzentsetzung vorgenommenwerden als die gegenwärtig geplantenSprachtests sowie die anschließende För-derung im letzten Kindergartenjahr. Mehrals bisher sollte gezielt auf die Sprach-förderung von Kindern, insbesondere imAlter zwischen zwei und vier Jahren, Wertgelegt werden, da sie in dieser Zeit dieSprache bzw. Zweitsprache auf natürlicheWeise wie eine zweite Erstsprache erlernen.

Das Problem der Kinderbetreuungliegt vor diesem Hintergrund vor allemdarin, dass es im Westen der Republikviel zu wenig Betreuungsangebote fürKinder im Alter von zwei bis vier Jahrengibt und in dieser Altersphase die Inan-spruchnahme bei Kindern mit Migrati-onshintergrund deutlich geringer als beiKindern zwischen vier und sechs Jahrenist. Integrationspolitisch müsste dem-nach ein politischer Akzent ganz eindeu-tig auf diese Altersphase gelegt werden,da nur so Kinder mit Migrationshinter-grund in einem Alter erreicht werdenkönnen, in dem sie von Anfang an diedeutsche Sprache (und auch ihre Her-kunftssprache) erlernen.

Verstärkte Förderung der jungenFamilien mit Migrationshintergrund

Eine zielgerichtete Förderung in der Al-tersphase von zwei bis vier Jahren kannunter Umständen spätere, zusätzliche

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Maßnahmen im Schulalter überflüssigmachen. Integrationspolitisch muss sichdas Augenmerk aber auch auf frühereHilfe für benachteiligte Familien sowieauf Familien mit Migrationshintergrundrichten. Förderangebote müssen früheransetzen, um ungleiche familiäre undsoziale Startbedingungen von Anfang anauszugleichen. Dabei ist auch die Fami-lie direkt einzubeziehen. Insofern sindneue Formen der nicht-monetären För-derung von jungen Familien zu unter-stützen:– Aufbau und Ausbau von Familien-

bzw. Eltern-Kind-Zentren (Erweiterungvon Kindergärten durch zusätzliche,auch elternbezogene Familien-dienstleistungen)

– Gezielter Ausbau der aufsuchendenFamilienbildung (z. B. in Form vonLernprogrammen wie das Projekt»Opstapje«, ein u. a. in Bayern undBremen erfolgreich erprobtes Förder-programm durch Hausbesuche fürsozial Benachteiligte zur Stärkung derEltern-Kind-Interaktion).

Mit beiden Wegen – Betreuungsausbauund integrative Familienförderung – lie-ße sich das stärken, was in Deutschlandam meisten fehlt: eine frühe, personen-bezogene Einbindung von jungen Fami-lien mit Migrationshintergrund in einintegratives Angebot an Bildung, Betreu-ung und Erziehung, wie dies auch derZwölfte Kinder- und Jugendbericht derBundesregierung fordert.

Erforderliche Maßnahmen für dieIntegration junger Migrantinnen undMigranten

Neben der Perspektive der Kinder undder Kindertagesbetreuung ist jedochauch das Jugendalter mit den bildungs-biografisch anschließenden Stationender Schule und der beruflichen Ausbil-dung unter dem Gesichtspunkt einer ge-lingenden Integration ins Blickfeld zurücken.

Ausbau der Bildungsangebote jenseitsvon Schule und UnterrichtAußerschulische Bildungsangebote wer-den bislang häufiger von bildungswilli-gen Jugendlichen in Anspruch genom-men und verbessern somit deren Positi-on. Der Ausbau von Ganztagsschulen alsRegelangebot könnte diesbezüglich weg-weisend sein, eine ungleiche Inanspruch-nahme auszugleichen.

Kein Verstärken der Effekte vonMigration durch die SchuleJugendliche mit Migrationshintergrundsind in der Sekundarstufe I sowohl struk-turell überdurchschnittlich häufig in be-stimmten Schulformen als auch sozial-räumlich gehäuft in Schulen mit hohenMigrationsanteilen. Diese »Klumpung«zieht negative Leistungseffekte undnicht-integrative Nebenwirkungen nachsich, die es durch eine verbesserte sozial-integrative Herangehensweise von Sei-ten der Schule zu reduzieren gilt.

Die berufliche Bildung ist sicherzustellenBeim Übergang in den Ausbildungs-und Arbeitsmarkt zeigt sich ein massivesQualifizierungs- und Bildungsproblemvor allem bei Jugendlichen mit türki-schem Migrationshintergrund. Hierbeilassen sich auch zusätzliche geschlechts-spezifische Unterschiede ausmachen, dainsbesondere junge türkische Frauen aus-bildungs- und arbeitslos vom Arbeits-markt bzw. aus der Statistik »verschwin-den«. Hierauf sollte ein besonderes Au-genmerk gelegt werden.

FazitDas Ausmaß der Migration ist wesent-lich größer als bislang angenommen:Jedes dritte Kind hat einen Migrations-hintergrund.

Die vorhandenen Forschungsergeb-nisse machen deutlich, dass Sozialstatusund Migrationsstatus in einem Zusam-menhang stehen (vgl. den Beitrag vonChristian Alt in diesem Heft auf denSeiten 10 und 11).

Förderangebote müssen früher anset-zen, um ungleiche familiäre und sozialeStartbedingungen von Anfang an auszu-gleichen. Dabei sind die Familien direktmit einzubeziehen.

Die Sprachförderung muss in einemAlter beginnen, in dem Kinder auf natür-liche Weise Sprache und Sprechen ler-nen. Infolgedessen ist im Westen dasöffentliche Betreuungsangebot für Kin-der insbesondere im Alter von zwei bisvier Jahren bedarfsgerecht und flächen-deckend auszubauen.

Unterstützungsmaßnahmen und Bil-dungsangebote im Schulalter müssenauch jenseits des Unterrichts auf- undausgebaut werden, etwa durch eine diesoziale Integration fördernde Jugendar-beit oder durch entsprechende Konzepteeiner Ganztagsschule.

Jugendliche mit türkischem Migra-tionshintergrund besitzen am Ende ihrerSchulzeit ein fundamentales Bildungs-und Qualifikationsproblem, das auf un-gleichen Startbedingungen beruht undim Laufe der Bildungsbiografie offen-kundig nicht ausgeglichen werden kann.Diese Defizite müssen verstärkt ange-gangen werden.

Den Blickwinkel auf Migrationerweitern

Auch wenn die Zuwanderung zahlen-mäßig zurückgegangen ist: Die Heraus-forderungen der Migration nehmen inDeutschland vor allem im Kindes- undJugendalter vorerst zu.

Bei allen anstehenden Herausforde-rungen, die sich im Zusammenhang mitder Migration abzeichnen, gibt es auchBeispiele dafür, dass in Kindergarten,Schule und beruflicher Ausbildung eineenorme Integrationsarbeit geleistet wird(vgl. den Beitrag von Iris Bednarz-Braunin diesem Heft auf den Seiten 14 und15).

Den Blick für diese gelungenen For-men zu schärfen, die Potenziale undChancen einer zielführenden Integra-tionspolitik auszuloten, wird daher inden nächsten Jahren auch Aufgabe vonWissenschaft und Fachpraxis sein.

Thomas Rauschenbach

Literatur

Bundesministerium für Familie, Senioren,Frauen und Jugend (BMFSFJ; 2006):Zwölfter Kinder- und Jugendbericht. Berichtüber die Lebenssituation junger Menschenund die Leistungen der Kinder- und Jugend-hilfe in Deutschland. Berlin

Konsortium Bildungsberichterstattung(2006): Bildung in Deutschland. Ein indikato-rengestützter Bericht mit einer Analyse zuBildung und Migration. Bielefeld

Statistisches Bundesamt (2006): Leben inDeutschland. Haushalte, Familien und Ge-sundheit. Ergebnisse des Mikrozensus 2005.Wiesbaden

Universität Mannheim (2006): »MannheimerErklärung zur frühen Mehrsprachigkeit«.11 Thesen. URL: http://kongress.sagmalwas-bw.de/media/pdf/MA%20erklaerung.pdf(18.12.2006)

Berichte

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Parlamentarischer Abend des DJI – Eine ZusammenfassungBerlin, 26.10.2006 (Presse- und Informationsamt der Bundesregierung)

Migration, Integration,interethnisches ZusammenlebenIn Deutschland nimmt gegenwärtig dieZahl der Menschen mit Migrationshin-tergrund um gerade mal 100.000 Men-schen pro Jahr zu. Migrationshintergrundhaben– ein Fünftel der Gesamtbevölkerung in

Deutschland, davon– mehr als ein Viertel der jungen Men-

schen (bis 25 Jahre),– rund ein Drittel der Kinder unter 6 Jah-

ren (auch wenn zum größten Teil inDeutschland geboren).

Migration ist eine zentrale Herausforderungfür die Politik. Dabei sind Jugend und Fa-milie sowie die Bereiche Bildung undSoziales besonders betroffen. Wie kannes zukünftig gelingen, herkunftsbedingtesoziale Ungleichheiten aufzuheben?

Die vorhandenen Daten zeigen unglei-che Startbedingungen zuungunsten vonKindern und Jugendlichen mit Migra-tionshintergrund. Daraus ergibt sich in-dividuelle Benachteiligung, die sich imLauf der Bildungsbiografie fortsetzt undverstärken kann. Der Mangel an Bildungund Qualifikation junger Menschen mitMigrationshintergrund kann jedoch al-lein durch Schule und Berufsbildungnicht gelöst werden. Das interethnischeZusammenleben insgesamt ist Aufgabeder Politik und Gesellschaft.Prof. Dr. Thomas Rauschenbach

Was ist der eigentliche Grund für dieUngleichheit von Bildung: die Migrationoder die Milieuzugehörigkeit? Ein inter-ethnischer Vergleich bei türkischen undrusslanddeutschen Familien (DJI Kin-derpanel) zeigt Folgendes:

Kinder in Milieus mit großen Kapi-talressourcen (Geldmittel, günstigeBildungsvoraussetzungen)– erreichen ihre Bildungserfolge durch

außerschulische Unterrichtsstunden,– bringen bessere Noten nach Hause,– erfüllen mehr die Erwartungen der

Eltern,– lassen in der Familie weniger kon-

fliktträchtige Situationen entstehen.

Die Freizeit ist– bei den Kindern der hohen Milieus

organisiert,– bei den Kindern der kapitalarmen

Milieus durch spontane Aktivität aufdem Spielplatz oder flanierendemAufenthalt in Einkaufszentren geprägt.

Bei den Medien nutzen– die Kinder der kapitalarmen Milieus

vor allem das Fernsehen und wenigerden Computer,

– die Kinder der hohen Milieus wenigerdas Fernsehen und mehr den Computer.

Kinder und Jugendliche aus Milieus mithöherer Kapitalausstattung sind im Bil-dungsbereich insgesamt erfolgreich (z. B.3,7-fache Chance einer Empfehlung zumÜbertritt an das Gymnasium). Sozialsta-tus und Migrationsstatus müssen dem-nach zusammen gesehen werden.Dr. Christian Alt

Aussiedlerjugendliche und Jugendlichetürkischer Herkunft stehen Deutschlandmit großer Distanz gegenüber. BeideGruppen– haben aber ein positives Verhältnis

zur Schule,– werden jedoch von ihren Eltern erheb-

lich weniger bei den schulischen An-forderungen unterstützt als Jugend-liche deutscher Herkunft,

– sind stark an Bildung und Ausbildunginteressiert bzw. orientiert,

– wollen nach der Schule nicht als Un-gelernte arbeiten.

Die Möglichkeiten, ihre Pläne für Aus-bildung und Beruf entsprechend zu ver-wirklichen, sind jedoch unterschiedlich:– Jugendliche deutscher Herkunft ha-

ben die besten Chancen, ihre Ziele zuverwirklichen.

– Jugendliche türkischer Herkunft sowieAussiedlerjugendliche landen häufigerst einmal in der Warteschleife.

– Insbesondere junge Männer türkischerHerkunft tragen ein erhöhtes Risiko,dass die Einmündung in Ausbildungund Erwerbsarbeit misslingt.

Birgit Reißig

Die große Mehrheit aller Azubis ausinterkulturell zusammengesetzten Lern-gruppen in Betrieben versteht sich sehrgut bis gut und bevorzugt eine Ausbildungin interethnischer Zusammensetzung.

Jugendliche aus interkulturell zusam-mengesetzten Lerngruppen sind mit ih-rer Ausbildung bei weitem zufriedenerals jene, die ausschließlich mit eigenenLandsleuten ausgebildet werden. DerGebrauch einer anderen als der deut-schen Sprache kann jedoch in diesenGruppen zu Irritationen führen.

Insgesamt verstehen sich Azubis un-terschiedlicher Herkunft besonders gut,wenn alltägliche Nähe und ein regelmä-ßiger Umgang in interkulturell zusam-mengesetzten Gruppen des Betriebesgewährleistet sind.PD. Dr. Iris Bednarz-Braun

Interkulturelle Beziehungen sind Poten-zial und Vermögen. Die bisherige Migra-tionsforschung hat diese jedoch vorwie-gend aus der Perspektive von Defizitenbetrachtet. Interethnische Beziehungengelten insbesondere als reich an Risikenund Konflikten (Fremdenfeindlichkeit,Kriminalität und Gewalt von jugend-lichen Migranten und Migrantinnen,Entstehung kultureller und ethnischerVorurteile).

Forschung und Politik setzten ihrenFokus bislang vor allem darauf, inter-kulturelle Spannungen zu mindern,Konflikten vorzubeugen sowie ethnischeBenachteiligung abzubauen. Die Reali-tät eines überwiegend friedfertigen Zu-sammenlebens unterschiedlicher Her-kunftsgruppen kam aber wenig in denBlick.

Eine Migrationsforschung für das Ge-lingen interkultureller Beziehungen fragtnach deren Entstehen und Verlauf, stelltgünstige Rahmenbedingungen fest,arbeitet Stärken sowie Effekte heraus,leugnet aber dabei weder Probleme nochWidersprüche.Kirsten Bruhns

DJI Bulletin 76 3/20068

DJI Familiensurvey

Wie deutsch ist deutsch?Zur Bedeutung des Migrationshintergrundes

Deutschland war schon immer ein »Mischvolk« aus Germanen, Kelten, Slawen,Romanen und vielen anderen mehr. Mit der Diskussion um Deutschland als Ein-wanderungsland sowie als Raum, in dem Menschen mit und ohne Migrations-hintergrund zusammenleben, wird erneut die Frage nach den Kategorien»Ausländer« und »Deutsche« gestellt.

Wie deutsch aber ist das Deutschland von heute? Wer gilt als Deutscher, werals Ausländer? Was ist entscheidend für Alltag und Leben, der Migrationshinter-grund oder die soziale Ungleichheit?

Berichte

Was ist ein »Migrationshintergrund«?Viele Deutsche haben in ihrer Familien-genealogie gemischte Herkünfte von Zu-wanderern. Migration ist kein neues Phä-nomen und sie zeichnet nicht nur immi-grierte Ausländer aus. Das StatistischeBundesamt (2006, S. 73 f.) hat sich umeine Definition des Migrationshinter-grundes bemüht, den Ausländer undDeutsche gleichermaßen haben können.

Personen mit Migrationshintergrundsind:Ausländer– zugewanderte Ausländer bzw. Auslän-

der der 1. Generation,– in Deutschland geborene Ausländer,

d. h. Ausländer der 2. und 3. Genera-tion.

Deutsche– zugewanderte Deutsche: Spätaussied-

ler sowie eingebürgerte zugewanderteAusländer,

– nicht zugewanderte Deutsche, wennsie eingebürgerte nicht zugewanderteAusländer sind;wenn sie Kinder zugewanderter Spät-aussiedler oder Kinder zugewanderteroder in Deutschland geborener einge-bürgerter Ausländer sind;wenn sie Kinder von Ausländern sind,die bei Geburt zusätzlich die deut-sche Staatsangehörigkeit nach dem»Jus Soli« erhalten haben;wenn sie Kinder sind, bei denen nurein Elternteil Migrant/Migrantin oderin Deutschland geborener Eingebür-gerter oder Ausländer ist.

Entsprechend dieser Definition haben8,9 % der Befragten deutscher Nationalität

des DJI Familiensurveys von 2000 einenMigrationshintergrund (der Mikrozensusvon 2005 beziffert diesen Anteil auf9,6 %). Ein Vergleich der Daten des DJIFamiliensurveys mit Daten des Auslän-derzentralregisters zeigt, dass sich dieVerzerrungen der befragten Ausländernach Herkunftsregionen in Grenzen hal-ten und eine systematische Bevorzugungoder Vernachlässigung bestimmter Re-gionen oder Gruppen nicht zu erkennenist.

Rechnet man im DJI-Familiensurveyalle befragten Deutschen und Ausländermit Migrationshintergrund zusammen,dann erreichen sie einen Anteil von 13,4 %(20,7 % sind es im Mikrozensus). Grundfür diese Differenz ist der Umstand, dassnur rund 57 % des »wahren« Ausländer-anteils im DJI Familiensurvey erreichtwerden – eine nicht zu vermeidende Fol-ge der Auswahl derjenigen, die des Deut-schen genügend mächtig waren, um denInterviewern ohne fremde Hilfe Redeund Antwort zu stehen.

Deutsche mit Migrationshintergrundstammen überwiegend ausOsteuropa

Sie unterscheiden sich je nachdem, obsie als Flüchtlinge, Spätaussiedler odersonstige Einwanderer nach Deutschlandgekommen sind, ferner nach ihrem Alterund Familienschicksal, ob sie ein oderzwei deutsche Eltern hatten und wie lan-ge sie mit diesen bis zur ihrer Volljährig-keit zusammengelebt haben.

Auch Deutsche ohne Migrationshinter-grund haben mitunter Erfahrungen mitder Migration gemacht. Eine Analyse der

zurückliegenden und aktuellen Partner-schaften der Befragten zeigt, dass etwa7 % bis 8 % der Deutschen, die selbstkeinen Migrationshintergrund aufwei-sen, durch einen ehemaligen oder aktu-ellen Partner meist ausländischer Her-kunft Migration »aus zweiter Hand« ken-nengelernt haben.

Wie leben Personen mit Migrations-hintergrund im Vergleich zu Perso-nen ohne Migrationshintergrund?

Schon in der Elterngeneration der Be-fragten zeichnen sich Strukturen derInterkulturalität von Partnerschaften ab,die auch in den aktuellen und zurück-liegenden Partnerschaften der Befragtenselbst eine Rolle spielen und somitsozial vererbt wurden:– Deutsche Mütter der Elterngeneration

deutscher Befragter neigten bereitsstärker zu interkulturellen Partner-schaften als deutsche Väter.

– Nicht-deutsche Mütter von Auslän-dern zeigten sich gegenüber interkul-turellen Partnerschaften dagegenreservierter als nicht-deutsche Väter.

– Die Anteile von interkulturellen Part-nerschaften in der Elterngenerationder Befragten variieren zudem mitden Gelegenheitsverhältnissen. Ge-hörten die Eltern zur Bevölkerungs-mehrheit, dann neigten sie prozentualseltener zu interkulturellen Partner-schaften, als wenn sie Angehörige ei-ner Minderheit waren.

Merkmale von Menschen mitMigrationshintergrund

Der Migrationshintergrund färbt dasDenken, Handeln und Fühlen ein:– Menschen mit Migrationshintergrund

praktizieren konservativere Lebensformenals Deutsche ohne Migrationshinter-grund, was sich vor allem in den An-teilen Lediger und Verheirateter nie-derschlägt.

– Das konservativere Familienleben derMenschen mit Migrationshintergrund

DJI Bulletin 76 3/2006 9

manifestiert sich auch in geringererKinderlosigkeit bzw. in höherenKinderzahlen.

– Ein Migrationshintergrund bedeutetmeist niedrigere Schulabschlüsse im Ver-gleich zu Menschen ohne Migrations-hintergrund.

– Auch erhöhte Arbeitslosigkeit ist einMerkmal, das mit dem Migrations-hintergrund in einem systematischenZusammenhang steht.

– Ein Migrationshintergrund ist zudemüberproportional verbunden mit ei-nem Leben in prekären Einkommensver-hältnissen, unabhängig davon, ob essich um Ausländer oder Deutsche mitMigrationshintergrund handelt.

– Migranten leben in urbanen Regionenhäufiger in Arealen mit hoher Problem-belastung (sozialer Brennpunkt). Aller-dings meiden nicht nur Deutscheohne, sondern auch solche mit Migra-tionshintergrund Stadtteile mit mitt-lerem und hohem Anteil an ausländi-scher Bevölkerung, während die be-fragten Ausländer gerade dort gehäuftleben.

– Wohneigentum ist bei Ausländern deut-lich seltener als bei Deutschen, wobeiDeutsche mit Migrationshintergrundwiederum hinter Deutschen ohne die-sen Hintergrund zurückliegen.

– Bei der Ausstattung der Haushalte mitElektronik gibt es wenig Unterschiede,nur Internetanschlüsse sind bei Aus-ländern noch deutlich seltener.

– Bei der Verteilung der Hausarbeit nachGeschlecht gibt es kaum Unterschiedezwischen den Gruppen, wohl aber beider Frage, in welcher Weise Männerihre Rolle zwischen Erwerbstätigkeitund Familie sehen. Befragte mitMigrationshintergrund neigen hier zukonservativen Ansichten, und Auslän-der wiederum mehr als Deutsche mitMigrationshintergrund, während dieUnterschiede bei Frauen weniger aus-geprägt sind.

Je mehr Migrationshintergrund:desto mehr erlebte Einsamkeit –desto stärker die Religiosität

Ein Migrationshintergrund scheint eherwenig Einfluss auf die Selbstwahrneh-mung und Befindlichkeiten im Alltagauszuüben – mit einer Ausnahme: DasGefühl, einsam zu sein, beschleicht Per-sonen mit Migrationshintergrund signi-fikant häufiger.

Ein Feld, auf dem ein Migrationshin-tergrund mit großen Unterschieden ver-bunden ist, sind Fragen der Konfessionund ihrer Ausübung. Von einem starkensubjektiven Gottesbezug berichten deut-lich mehr Personen mit Migrationshin-tergrund als Personen ohne diesen. Inder religiösen Praxis sind die Verhältnis-se jedoch weniger klar: Ausländer besu-

ter halten sich die Eltern mit Migrations-hintergrund stärker zurück.

Der Besuch des Kindergartens ist fürSchullaufbahn und soziale Interaktionvon großer Bedeutung. Es zeigt sich aber,dass der Einfluss des Migrationshinter-grunds eher bescheiden bleibt und hinterdie Einflüsse sozioökonomischer Un-gleichheit zurücktritt. Der KiTa-Besuch

chen zwar häufig Gottesdienste, sindaber auch führend bei denen, die nieeinen Gottesdienst besuchen. Ob dabeiräumliche Gelegenheiten, etwa die Näheeiner Moschee, eine Rolle spielen, lässtsich an dieser Stelle nicht klären.

Die klassischen Effekte sozialerUngleichheit wirken stärker – vorallem bei Bildung und Betreuung

Bei der Einstellung zu Kindern sowieihrer Betreuung und Schullaufbahnmacht sich der Migrationshintergrundzwar überwiegend statistisch bemerkbar,ist aber nicht der entscheidende Faktor.Der Migrationshintergrund zeigt sichinsbesondere darin, dass Eltern ihre Kin-der (auch) als ökonomische Hilfsquellebetrachten. Dies ist möglicherweise einGrund für die höhere Geburtenzahl beiPersonen mit Migrationshintergrund.Ansonsten führt ein Migrationshinter-grund häufiger dazu, dass Kinder imVorschul- und Grundschulalter– zu Hause keine/n Betreuer/in haben– seltener einen Kindergarten besuchen,– von Großeltern weniger häufig be-

treut werden und stattdessen ältereGeschwister dafür herangezogen wer-den, wenn auch nur vereinzelt.

Auch bei der Betreuung durch Tagesmüt-

steigt vor allem mit den Netto-Haus-haltseinkommen und mit der Höhe derBerufsposition.

Der nachrangige Stellenwert des Mig-rationshintergrundes hinter sozialer Un-gleichheit wie Bildung, Einkommen derEltern und Wohnareal zeigt sich desWeiteren– beim Besuch von Fachoberschulen

und Gymnasien,– bei der Zufriedenheit bzw.

Unzufriedenheit mit den Schulleis-tungen (hier neigen Ausländer zu grö-ßerer Zufriedenheit),

– als Faktor zur Erklärung von Klassen-wiederholungen.

So drängt sich der Schluss auf, dass eseher die klassischen Merkmale sozio-ökonomischer Ungleichheit sind, dieBildungskarrieren von Kindern mit Mig-rationshintergrund behindern – und we-niger die reinen Effekte der Migration.

Jan H. Marbach

Literatur

Statistisches Bundesamt (2006): Leben inDeutschland. Haushalte, Familien und Ge-sundheit – Ergebnisse des Mikrozensus2005. Wiesbaden

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Berichte

«Bildung in Deutschland» und DJI-Kinderpanel

Milieu oder Migration –was zählt mehr?

Die Studien PISA und IGLU deckten wiederholt auf, dass es zwischen jungenMenschen mit und ohne Migrationshintergrund erhebliche Ungleichheiten derkognitiven Kompetenzen sowie der Übergangsempfehlungen für die zu besu-chenden Schularten gibt. Die Gründe dafür liegen allem Anschein nach auf derHand: zum einen Mängel, die deutsche Sprache zu beherrschen, zum anderendeutlich geringere Geldmittel und Erwerbsquellen der Migrantenfamilien. Einesolche Sicht lässt jedoch außer Betracht, dass die Population der Migranten unter-schiedlich ist. Politisch und gesellschaftlich ist es aber notwendig, dass Kinder undJugendliche mit Migrationshintergrund ähnliche Kompetenzen und Bildungsab-schlüsse erreichen wie die gleichaltrige Bevölkerung ohne Zuwanderung.Der Bericht »Bildung in Deutschland« sowie das Kinderpanel des DJI zeigen, dassbisherige Forschung oft zu kurz greift und zu schnell Aussagen über Migrantin-nen und Migranten in die Runde wirft. Wo aber ist in Gesellschaft und Politik an-zusetzen: an der Migration oder am Milieu? Inwieweit hängen Milieu und Migra-tion unmittelbar zusammen?

Woher kommen dieMigrantenfamilien?

In Deutschland leben 81,4 % Menschenohne Migrationshintergrund. Der Bericht»Bildung in Deutschland« unterscheidetanhand der Daten des Mikrozensus(2005) für die Menschen mit Migrationfünf Gruppen der Herkunft: Dabei sinddie »Gastarbeiter« aus den früheren An-werbestaaten, insbesondere aus der Tür-kei, sowie die Aussiedler aus der Ex-UdSSR die wichtigsten Gruppen:– Türkei (3,4 %; circa 2,8 Mio)– Sonstige ehemalige Anwerbestaaten

(3,6 %; circa 2,9 Mio)– (Spät-)Aussiedler/-innen (2,5 %; circa

2 Mio)– Sonstige Staaten (6,8 %; circa 5,6 Mio)– Sonstige EU-15-Staaten (1,2 %; circa

1 Mio)(Konsortium Bildungsberichterstattung2006; Statistisches Bundesamt 2005).

Der Mikrozensus befragte die Men-schen mit Zuwanderung zum ersten Malnach ihrem Migrationshintergrund:Staatsangehörigkeit, Geburtsort, Zuzugs-jahr, Einbürgerung der Eltern sowie derKinder. Dadurch steigt in der Statistikder Anteil an Migrantinnen und Migran-ten von bislang 8 % auf 18 %, davonsind wiederum ein Drittel der Menschentürkischer Herkunft sowie (Spät-)Aus-siedler.

Wie halten sie es mit der Bildung?Die Menschen mit Migrationshinter-grund zwischen 25 und 65 Jahren zeigenfolgendes Bildungsprofil:

Keinen Schulabschluss haben– 31 % der Migranten aus der Türkei– 16 % der ehemaligen Anwerbestaaten

(»Gastarbeiter«)– 3,6 % der (Spät-)Aussiedler– 2,0 % der EU-Migranten– 1,4 % der deutschen Bevölkerung.Ohne beruflichen Abschluss sind– 68 % der Migranten aus der Türkei– 50 % der ehemaligen Anwerbestaaten

(»Gastarbeiter«)– 23 % der (Spät-)Aussiedler– 20 % der EU-Migranten– 13,2 % der Deutschen(Statistisches Bundesamt 2005).

Sind die augenfälligen Unterschiedeim Bildungsprofil nun allein durch Mig-ration bedingt? Die Gruppe der Aussied-ler beispielsweise erweist sich als nurgeringfügig verschieden von der Bevölke-rung ohne Migrationshintergrund. DieMigranten aus den EU-Staaten wiede-rum unterscheiden sich von der deut-schen Bevölkerung durch einen deutlichhöheren Anteil an Abschlüssen mit Abi-tur sowie durch mehr Personen ohne be-ruflichen Abschluss.

Misslingt Integration durch Bildungs-mangel?

Die Migrantinnen und Migranten ausder Türkei sowie aus den ehemaligenAnwerberstaaten bewirken zahlenmäßighohe Abweichungen vom Bildungsstandder deutschen Bevölkerung. Wie aber lässtsich ein solcher Tatbestand erklären?

Das Kinderpanel des DJI kann dazuaufgrund von Untersuchungen zu mi-lieuspezifischen Prozessen der Bildungeine neue Sichtweise vorschlagen, indemes grundsätzlich nach sozialer Ungleich-heit und damit verbundenen unter-schiedlichen Formen der Milieus fragt(das Kinderpanel ist eine seit 2000 lau-fende Längsschnittuntersuchung, die dieChancen und Risiken von türkischen,russischen und deutschen Kindern beimAufwachsen in Deutschland untersucht).

Soziale Ungleichheit entsteht dadurch,dass Menschen in einer Gesellschaft überGüter wie Bildung, Geld, Zugehörigkeit(Nationalität bzw. Migrationshinter-grund), Macht, Einfluss oder Prestigeverfügen und dies auch entsprechendeinsetzen können, wobei bereits die Ver-teilung dieser Güter als ungleich gilt.

Das Milieu als soziale UmgebungMilieus sind immer mit der Zugehörig-keit zu einer sozialen Schicht verbunden.Milieu ist ein Ensemble von handeln-den Personen,– die im sozialen Raum ähnliche Posi-

tionen einnehmen,– annähernd ähnliche Dispositionen,

Interessen, Wertvorstellungen undPräferenzen aufweisen.

Milieus sind demnach gekennzeichnetdurch die Ähnlichkeit– der (Aus-)Bildung,– der Erwerbstätigkeit,– des Wohlstandes im Sinne von Ein-

kommen,– des Berufs,– der Familienform,– des Familienstandes,– der Familiengröße.Die milieutypischen Umstände sind je-weils Voraussetzungen dafür, wie Kinderaufwachsen bzw. die Möglichkeiten derBildung und Ausbildung künftig wahr-nehmen können.

Familie und Bildung – die Milieus sindunterschiedlich

Informationsquellen im Kinderpanelsind die Mütter und die Kinder. Die

DJI Bulletin 76 3/2006 11

Mütter wurden befragt nach Familien-stand, Erwerbstätigkeit und Bildungsab-schluss, ferner nach den schulischen Er-folgen der Kinder. Anhand der Ergebnis-se lassen sich nach dem Kinderpanel desDJI fünf Milieus kennzeichnen. Im Fol-genden werden das höchste sowie dasunterste Milieu kurz charakterisiert.

Das höchste Milieu– ist geprägt durch einen hohen Anteil

verheirateter Kernfamilien,– enthält einen weit überdurchschnitt-

lichen Anteil von erwerbstätigen Müt-tern.

Das unterste Milieu– hat einen geringen Anteil an Kern-

familien,– erweist sich als besonders kinderreich,– ist dadurch gekennzeichnet, dass zwei

von drei Müttern keinen beruflichenAbschluss haben und nur 16 % derMütter einer Arbeit nachgehen.

Die schulische Situation der Kinder ent-spricht dann ebenfalls dem jeweiligenMilieu:– Mit steigendem Milieu wird die schu-

lische Situation für die Kinder stetsbesser.

– Die Leistungen in den Fächern Ma-thematik, Lesen und Sachkunde ent-sprechen dem Milieu: Kinder ausdem untersten Milieu schneidendurchschnittlich etwa eine halbe Noteschlechter ab als die Kinder des höchs-ten Milieus (die Schulnoten wurdendabei in vier statt sechs Kategorienerfasst).

Die Milieus unterscheiden sich demnachdeutlich nach den Merkmalen der Fami-lien sowie in Bezug auf den Schulerfolg.

Auch die Freizeit ist vom Milieugeprägt

Die Kinder wurden befragt, welche Mög-lichkeiten der Bildung sie in ihrer Frei-zeit haben: mit Spielkonsole spielen,Sport treiben, Video- und Fernsehen,Computer nutzen, schulische Unterstüt-zung durch die Eltern, ferner Besuch vonMusikschulen, Kinos, Theatern, Freizeit-heimen und Einkaufszentren. Dabei zei-gen sich folgende unterschiedliche Profi-le der Freizeit:

Die Kinder der höheren Milieus– treiben häufiger Sport,– nutzen weit häufiger und intensiver

den Computer,– werden stets von ihren Eltern in schu-

lischen Belangen unterstützt,

– besuchen häufig Musikschulen, Kinosoder Theater.

Die Kinder des untersten Milieus– sehen häufig und umfassend fern,– nutzen bei weitem weniger den Com-

puter (insbesondere als Bildungs-träger),

– werden weniger von ihren Eltern un-terstützt,

– verbringen ihre freie Zeit deutlichhäufiger am Spielplatz, im Einkaufs-zentrum oder Freizeitheim

(Alt 2006, 2005a, 2005b).Die Ausstattung an »Kapital« (Geld-

mittel, Zugänge zu Bildung, Informati-on, Kommunikation) ist in den unterenMilieus gering. Mit den vom Milieu ab-hängigen Aktivitäten und Hilfeleistun-gen sind demnach für Kinder unter-schiedliche Anregungen gegeben, diesich mit dem Aufsteigen der Milieus ver-mehren und an Qualität verbessern.Dies hat dann auch Nebeneffekte für dieBereiche der Bildung, beispielsweise dieweit häufigere Nutzung von Computernund die für alle Kinder der obersten Mi-lieus geltende Unterstützung der Elternin schulischen Angelegenheiten.

Der Zusammenhang zwischenEthnien und Milieus

Das Kinderpanel des DJI beschränkt sichauf die deutsche Population ohne Migra-tionshintergrund, die (Spät-)Aussiedlerund die türkische Bevölkerung. Dement-sprechend ergibt sich folgendes Profilder Zugehörigkeit von Ethnie und Mi-lieu. (vgl. Abb.)

Der Vergleich von türkischen Kindernund Aussiedler-Kindern zeigt, dass Mig-ration als alleiniges Kennzeichen für diebeobachtbaren Unterschiede nur einschwacher Indikator ist:– Die türkischen Kinder gehören zu

41 % dem untersten Milieu an; keintürkisches Kind konnte dem höchstenMilieu zugeordnet werden.

– Die russischen Kinder gehören über-wiegend den mittleren Milieus an.

– Nur bei den deutschen Kindern sindin nennenswerter Anzahl auch Kinderaus dem obersten Milieu vorhanden.

Über die Milieus lassen sich hier deutli-che Unterschiede aufzeigen, die – wie

bereits dargestellt – auch im Bildungs-prozess zu deutlich verschiedenen Ent-wicklungen führen können. Es konntenteilweise gravierende Unterschiede derBedingungen des Bildungsprozessesfestgestellt werden.

Fazit– Die Population der Migrantinnen und

Migranten ist keine homogene Bevöl-kerungsgruppe.

– Unterschiede in Herkunft und Milieuhaben Auswirkungen auf die Lernbe-dingungen der Kinder.

– Wer aus einem niedrigen Milieustammt – gleichgültig ob mit oderohne Migrationshintergrund – wirdstets die gleichen Probleme im Bil-dungsbereich haben.

– Integration durch Bildung sollte dahernicht die Frage Milieu oder Migrationaufwerfen, sondern sollte Milieu undMigration als Determinanten einermehr oder minder gut gelingendenIntegration verstehen.

Christian Alt

Literatur

Alt, Christian (Hrsg.) (2005a): Kinderleben –Aufwachsen zwischen Familie, Freundenund Institutionen. Schriftenreihe des Deut-schen Jugendinstituts: Kinderpanel, Band 1:Aufwachsen in Familien. Wiesbaden

Alt, Christian (Hrsg.) (2005b): Kinderleben –Aufwachsen zwischen Familie, Freundenund Institutionen. Schriftenreihe des Deut-schen Jugendinstituts: Kinderpanel, Band 2:Aufwachsen zwischen Freunden und Insti-tutionen. Wiesbaden

Alt, Christian (Hrsg.) (2006): Integration durchSprache? Schriftenreihe des DeutschenJugendinstituts: Kinderpanel, Band 4: Bedin-gungen des Aufwachsens von türkischen,russlanddeutschen und deutschen Kindern.Wiesbaden

Konsortium Bildungsberichtserstattung(Hrsg.) (2006): Bildung in Deutschland. Einindikatorengestützter Bericht mit einerAnalyse zu Bildung und Migration. Im Auf-trag der Ständigen Konferenz der Kultus-minister der Länder in der BundesrepublikDeutschland und des Bundesministeriumsfür Bildung und Forschung. Bielefeld

Statistisches Bundesamt (2006): Leben inDeutschland. Haushalte, Familien und Ge-sundheit – Ergebnisse des Mikrozensus2005. Wiesbaden

Abbildung: Ethnische Herkunft der befragten Kinder nach Milieuzugehörigkeit(in Prozent) (Quelle: DJI, 1. Welle Kinderpanel und Migrantenzusatzstichprobe, Tanja Betz)

Herkunft der Kinder Unterstes Milieu Milieu 2 Milieu 3 Milieu 4 Höchstes Milieu

Deutsch N = 831 3,7 26,9 26,9 26,7 15,9Russisch N = 280 3,9 40,5 30,8 24,0 0,7Türkisch N = 281 40,9 45,8 9,1 4,2 0,0

DJI Bulletin 76 3/200612

Berichte

Lebensumstände und Zukunftspläne türkischer Hauptschülerinnenund Hauptschüler sowie junger Aussiedlerinnen und Aussiedler

Ganz anders und total normal

Ereignisse wie die an der Berliner Rütlischule nähren das Bild von der Haupt-schule als Restschule, an der sich überwiegend verhaltensauffällige Problem-kinder und Problemjugendliche konzentrieren. Sie stammen zudem meist ausZuwandererfamilien. Lässt man alle Vorurteile über die Hauptschulen und überjugendliche Zuwanderer beiseite, dann sind es genau jene Jugendlichen, die esbesonders schwer haben, erfolgreich das Bildungs- und Ausbildungssystem zudurchlaufen:– sie verlassen die Schule häufiger ohne Abschluss als Jugendliche deutscher

Herkunft;– sie weisen eine deutlich höhere Ungelerntenquote auf;– sie tragen somit ein erhöhtes Risiko, dass ihre Integration in den Arbeitsmarkt

misslingt – und damit auch ihre soziale Integration.

Jugendliche mit Migrationshinter-grund: keine homogene Gruppe

Der Blick auf »Jugendliche mit Migra-tionshintergrund« als Gesamtgruppe ver-deckt, dass Migrationsgeschichten, Le-bensumstände, Zukunftspläne und Zu-kunftschancen innerhalb der verschiede-nen Zuwanderergruppen unterschiedlichausfallen. Hinsichtlich der Bildungsbe-teiligung lassen sich ungleiche Chancenin Abhängigkeit vom Herkunftslandnachweisen. Insbesondere Jugendlichegriechischer Herkunft erweisen sich imdeutschen Bildungssystem als ausge-sprochen erfolgreich.

Inwieweit unterscheiden bzw. entspre-chen sich die Lebensumstände und Ein-stellungen von Hauptschülerinnen undHauptschülern unterschiedlicher Her-kunft sowie deren Erwartungen an dieZukunft? Haben sie Chancen, ihre Vor-stellungen auch verwirklichen zu kön-nen?

Zur Beantwortung dieser Fragen wer-den auf der Grundlage von Daten ausdem DJI-Übergangspanel (siehe Projekt-kasten) die zwei größten Zuwanderer-gruppen (Jugendliche türkischer Her-kunft sowie junge Aussiedler/innen) mitJugendlichen deutscher Herkunft ver-glichen. An dieser Längsschnittunter-suchung haben seit dem Frühjahr 2004an bisher sieben Befragungswellen 1.722Mädchen und Jungen teilgenommen, dieim März 2004 das letzte Pflichtschuljahrder Hauptschule besuchten, darunter253 Jugendliche türkischer Herkunft,

248 Aussiedler/innen sowie 687 Jugend-liche deutscher Herkunft.

Geschichte der Zuwanderung undSprachgebrauch

In eindrucksvoller Weise unterscheidensich die beiden größten Zuwanderer-gruppen in Bezug auf die Geschichte ihrerZuwanderung:– Die Jugendlichen türkischer Herkunft

sind überwiegend in Deutschland ge-boren.

– Die Aussiedlerjugendlichen sind fastalle außerhalb Deutschlands geboren.Zu hohen Anteilen kamen sie erst imschulpflichtigen Alter nach Deutsch-land.

Dennoch gibt es beim Sprachgebrauch inden Herkunftsfamilien Ähnlichkeiten:– Nur in einem kleinen Teil der Fami-

lien wird ausschließlich Deutsch ge-sprochen.

– In drei Viertel der Familien wirdneben Deutsch auch eine andereSprache gesprochen.

– In jeder fünften Herkunftsfamiliewird sowohl bei Aussiedlern als auchbei Jugendlichen türkischer Herkunftüberhaupt kein Deutsch gesprochen.

Obwohl die Aussiedlerjugendlichen inder Regel nicht in Deutschland geborensind, fühlt sich fast jede/r Zweite »alsDeutsche/r« und nur knapp jede/r sechs-te »als Bürger eines anderen Landes«.

Die überwiegende Mehrheit der Ju-gendlichen türkischer Herkunft ist zwarin Deutschland geboren, dennoch sieht

sich knapp die Hälfte eher als »Bürgereines anderen Landes« und nur jede/rFünfte fühlt sich primär als Deutsche/r.

Keine Lustlosigkeit gegenüber derSchule

Die Mehrheit der Hauptschülerinnenund Hauptschüler hat eine positiveEinstellung zur Schule. Hier stechen dieJugendlichen türkischer Herkunft noch-mals hervor:– Drei Viertel der türkischen Mädchen

und Jungen geben an, gern zur Schulezu gehen.

– Bei den Aussiedler/innen sind es gutdie Hälfte und bei den Jugendlichendeutscher Herkunft 60 %.

Übereinstimmend häufig meinen diedrei Gruppen, dass sie von ihren Lehre-rinnen und Lehrern ernst genommenwerden.

Unterstützen die Eltern bei denHausaufgaben?

Bei dieser Frage gibt es deutliche Unter-schiede zwischen den Jugendlichen tür-kischer Herkunft und den jungen Aus-siedler/innen auf der einen sowie denJugendlichen deutscher Herkunft auf deranderen Seite:

Die jungen Migrantinnen und Mig-ranten erhalten weit häufiger keine Un-terstützung, und geben weit seltener an,dass ihnen oft bzw. überhaupt geholfenwird.

Alterstypische ProblembelastungenDieser Bereich zeigt weniger Unterschie-de nach Herkunftsländern, jedoch mehrzwischen den Geschlechtern:– Mädchen berichten weit häufiger über

Zukunftsängste (»wusste nicht, wasspäter werden soll«) und dauerhafteAuseinandersetzungen mit denEltern.

– Am wenigsten von solchen Auseinan-dersetzungen belastet fühlen sich Jun-gen aus Aussiedlerfamilien (15 %),am häufigsten jedoch die Mädchendeutscher Herkunft (44 %).

DJI Bulletin 76 3/2006 13

– Probleme mit Polizei und Justiz be-nennen dagegen auffallend häufigmännliche Aussiedlerjugendliche(38 %) und am wenigsten die Mäd-chen türkischer Herkunft (8 %).

Die Motive für die Ausbildung sindähnlich …

Die Hauptschülerinnen und Hauptschü-ler insgesamt – und damit auch die Ju-gendlichen türkischer Herkunft sowiedie jungen Aussiedler – sind in denGründen, die sie für die Wahl eines Be-rufes für entscheidend halten, »total nor-mal«.

Wichtigste Kriterien sind,– dass die Ausbildung zu einem siche-

ren Arbeitsplatz führt,– dass überhaupt eine Chance besteht,

eine solche Ausbildung absolvierenzu können.

Aussiedler und Jugendliche türkischerHerkunft messen dem Kriterium, dassder Beruf Ansehen vermitteln soll, einehöhere Bedeutung zu als die Jugendli-chen deutscher Herkunft. Letztere spre-chen jedoch bei der Berufswahl denWünschen der Eltern und der Vorbild-wirkung von Freunden ein geringeresGewicht zu.

Bei den Plänen, die die Jugendlichenfür den unmittelbaren Anschluss nachBeendigung der Pflichtschulzeit nennen,zeigen sich folgende Unterschiede:– Die deutschen Jugendlichen und die

Aussiedler/innen wählen vor allemden direkten Übergang in eine Aus-bildung.

– Die Jugendlichen türkischer Herkunftdagegen planen zu diesem Zeitpunkteher den weiteren Schulbesuch alsnächsten Schritt.

– Während für Jugendliche deutscherHerkunft sowie die jungen Aussiedle-rinnen und Aussiedler die Teilnahmean einem berufsvorbereitenden Ange-bot eine eher ungeliebte Notlösungdarstellt, plant ein relativ hoher An-

teil der Jugendlichen türkischer Her-kunft (jede/r Fünfte) bereits im Märzdes letzten Schuljahres dies als näch-sten Schritt.

… die Ausbildungswege sindunterschiedlich

Die Frage zu den tatsächlichen direktenÜbergängen nach der Pflichtschulzeitmacht deutliche Einbrüche im Vergleichzu den ursprünglichen Plänen sichtbar.Die Unterschiede zwischen den Grup-pen verlaufen nun eher zwischen denJugendlichen mit Migrationshintergrundsowie den Jugendlichen deutscher Her-kunft. (Vgl. Abb.)

Lediglich 20 % der jungen Aussiedler/innen und nur 18 % der Jugendlichentürkischer Herkunft schaffen den direk-ten Übergang in die Ausbildung. Bei denJugendlichen deutscher Herkunft begin-nen immerhin 35 % sofort eine Ausbil-dung. Wie zu erwarten, ist der weitereSchulbesuch für die Jugendlichen türki-scher Herkunft der wichtigste Anschluss.Aber auch bei den jungen Aussiedlernund Aussiedlerinnen ist dies der Fall:Berufsvorbereitung ist für die Jugend-lichen türkischer Herkunft sowie für dieAussiedler/innen der zweithäufigsteWeg (jeweils 32 %), für die Jugendlichendeutscher Herkunft dagegen der Weg, derselten begangen wird (22 %).

Insgesamt ist festzustellen: die tradi-tionelle Abfolge »Aufnahme einer Be-rufsausbildung im unmittelbaren An-schluss an den Pflichtschulbesuch« fin-det nur für eine Minderheit statt. Insbe-sondere für die beiden untersuchten Mig-rantengruppen hat diese Abfolge fast Aus-nahmecharakter. Weit häufiger gehen sienach der Schule weiter zur Schule oderabsolvieren eine Berufsvorbereitung.Dies kann ein Weg sein, die Bildungs-und Ausbildungschancen zu verbessern.Es ist aber auch ein Weg, der mit demRisiko verbunden ist, über Warteschlei-fen ins berufliche Abseits zu geraten.

Ähnliche Wünsche und unterschied-liche Chancen

Die beiden größten Gruppen jungerMigrantinnen und Migranten inDeutschland identifizieren sich in unter-schiedlichem Umfang mit Deutschland:– Mit den Jugendlichen deutscher Her-

kunft gemeinsam haben sie einegrundsätzlich positive Einstellung zurSchule, eine hohe Wertschätzung fürweitere Bildung und Ausbildung so-wie den Wunsch, über Ausbildungeinen sicheren Arbeitsplatz zu finden.

– Jugendliche türkischer Herkunft set-zen dabei eher auf schulische Bil-dungsgänge, Aussiedlerjugendlicheund Jugendliche deutscher Herkunftdagegen eher auf eine betrieblicheAusbildung.

Bei den Chancen, unmittelbar imAnschluss an den Pflichtschulbesuchdiese Ziele auch verwirklichen zu kön-nen, öffnet sich eine Kluft zwischen denunterschiedlichen Migrantengruppensowie den Jugendlichen deutscher Her-kunft: Aussiedlerjugendliche und Ju-gendliche türkischer Herkunft schaffenden Sprung in die Ausbildung deutlichseltener als Jugendliche deutscher Her-kunft, überproportional häufig landensie in der ungeliebten Alternative Be-rufsvorbereitung.

Birgit Reißig, Frank Braun

Projekt: Übergangspanel (2004 bis 2009geplant)Auftraggeber: Bundesministerium für Bildungund Forschung (BMBF)Methode: Quantitative Längsschnittunter-suchung mit Klassenzimmerbefragung als Basis-erhebung und Telefoninterviews (CATI) für alleweiteren ErhebungenDurchführung: Nora Gaupp, Tilly Lex,Birgit Reißig (ab 01.01.2007)Kontakt: Tilly Lex, Tel. 089 62306-212,E-Mail: [email protected]: Konsortium Bildungsbericht-erstattung (2006): Bildung in Deutschland. Einindikatorengestützter Bericht mit einer Analysezu Bildung und Migration. BielefeldReißig, B. / Gaupp, N. / Hofmann-Lun, I. / Lex, T.(2006): Schule – und dann? Schwierige Über-gänge von der Schule in die Berufsausbildung.München/HalleGaupp, N. / Reißig, B. (2006): Welche Losten-funktionen sind wann für wen notwendig?Bildungswege benachteiligter Jugendlicher. In:Lex, T. / Gaupp, N. / Reißig,B. / Adamczyk, H.:Übergangsmanagement: Jugendliche von derSchule ins Arbeitsleben lotsen. Ein Handbuchaus dem Modellprogramm »Kompetenzagen-turen«, Übergänge in Arbeit, Band 7, München

Abbildung: Platzierungen von Jugendlichen deutscher und türkischer Herkunft sowie vonAussiedlern nach Ende der Pflichtschulzeit (November 2004) Quelle: DJI-Übergangspanel

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Berichte

Ergebnisse aus einer XENOS-Studie

Das multi-kulturelle Zusammenleben von Einheimischen und Zugewandertenwird in der öffentlichen Debatte überwiegend negativ betrachtet. Der Begriff»Parallelgesellschaften« beispielsweise steht für eine misslungene Integrationvon Zugewanderten. Dabei wird – zu Unrecht – unterstellt, dass sich Zugewan-derte überwiegend unter sich aufhalten, in sogenannten ethnischen Communi-ties leben sowie im Alltag kaum Kontakte zur einheimischen Bevölkerung haben.Ferner fokussiert sich der Blickwinkel auf das Verhalten von Teilen deutscherJugendlicher, die Zugewanderte aus fremdenfeindlichen Gründen ablehnen, aus-grenzen oder körperlich attackieren. Diese Probleme dürfen nicht klein geredetwerden und müssen dort, wo sie auftreten, auch nachhaltig gelöst werden. Den-noch versperrt die Überbetonung einer negativen Sicht den Blick auf das alltäg-lich stattfindende gelingende Miteinander von Menschen unterschiedlicher kultu-reller Herkunft. Die positive Seite von gelebter Interkulturalität sichtbar zu ma-chen, ist für eine Bestandsaufnahme und Analyse der interkulturellen Beziehun-gen in Deutschland ebenso bedeutsam wie die Frage nach den Ursachen für be-stehende Probleme.

Interkulturalität hat für Jugendliche im Betrieb eine erhebliche Bedeutung.Die Auszubildenden können aufgrund ihrer Erfahrungen selbst Ideen und Kon-zepte entwickeln, um die bestehende Praxis des interkulturellen Zusammen-arbeitens nachhaltig zu sichern und weiterhin zu fördern – dies ist das Ergebniseiner empirischen Studie zur Zusammenarbeit von in der Metallindustrie ausge-bildeten Jugendlichen unterschiedlicher Herkunftskultur.

Multikulti funktioniert:Azubis wollen interkulturelle Vielfalt

Wer wurde befragt?Die empirischen Ergebnisse desXENOS-Projekts »Auszubildende undjunge ArbeitnehmerInnen werden aktiv«stützen sich– auf 86 persönliche Interviews mit

Auszubildenden sowie deren Ausbil-dern;

– auf eine schriftliche Befragung von886 Auszubildenden aus den vierGroßbetrieben Bosch, Deutsche Bahn,Ford und Howaldtswerke DeutscheWerft.

Darüber hinaus wurden mit den Auszu-bildenden und ihren Jugend- und Auszu-bildendenvertretungen betriebsspezifi-sche Seminare durchgeführt. Sie dientender Entwicklung von Ideen und Maßnah-men zur weiteren Förderung und Opti-mierung der interkulturellen Beziehungen.

Interkulturelle Kompetenz entstehtdurch gemeinsames Aufwachsen

Für die meisten der befragten Jugend-lichen gehört es selbstverständlich zumAlltag, mit Gleichaltrigen anderer Her-

– 85 % der Befragten geben an, sich(sehr) gut mit ihren Mit-Azubis ande-rer Herkunftskulturen zu verstehen.

– 78 % der Befragten finden eine Zu-sammenarbeit mit Jugendlichen an-derer Herkunftskulturen interessanterals eine Ausbildung lediglich mit ei-genen Landsleuten.

– 83 % der Jugendlichen bevorzugeneine Ausbildung in interkulturellerZusammensetzung.

– Jugendliche aus interkulturell zusam-mengesetzten Lerngruppen sind mitihrer Ausbildungssituation deutlichzufriedener (75 %) als diejenigen, dieausschließlich mit Kolleginnen undKollegen der gleichen Herkunftskul-tur zusammen lernen und arbeiten(62 %).

Der Beitrag von Betrieben ist wichtigEs sind aber nicht nur die Jugendlichen,die aufgrund ihrer vorberuflich angeeig-neten interkulturellen Kompetenzen deninnerbetrieblichen Integrationsprozesspositiv beeinflussen und gestalten. Auchdie Betriebe leisten – in mehr oder weni-ger großem Umfang – Beiträge zu die-sem gelingenden Miteinander in der Arbeits-welt.

Ein Teil der Unternehmen praktiziertdie Strategie des Management Diversityoder vermittelt den jungen Nachwuchs-kräften gleich zu Beginn ihrer Ausbil-dung Unternehmenswerte, die vom Ge-danken der Anerkennung unterschiedli-cher Herkunftskulturen der Beschäftigtengetragen sind. In diesen Betrieben ist derAnteil an Auszubildenden mit Migra-tionshintergrund deutlich höher als inanderen Betrieben, ferner sind die Aus-zubildenden mit ihrer Ausbildung merk-lich zufriedener.

kunftskultur regelmäßig Kontakt zuhaben und Freundschaften zu pflegen(76 %). Insbesondere westdeutsche Azu-bis sind seit ihrer Kindheit mit Gleich-altrigen aufgewachsen, die einen Migra-tionshintergrund haben, d. h. deren Müt-ter und/oder Väter in einem anderenLand geboren sind. Durch den gemeinsa-men Besuch von Kindergarten und Schu-le haben diese Jugendlichen ein Erfah-rungswissen erworben, das interkultu-relle Kompetenz im Umgang miteinan-der beinhaltet. Demzufolge ist die Res-source Interkulturelle Kompetenz unter denjungen Nachwuchskräften vielfach vor-handen, und die meisten Auszubilden-den stehen einer interkulturellen Zusam-menarbeit sehr aufgeschlossen gegen-über. Dies zeigt sich in Folgendem:

DJI Bulletin 76 3/2006 15

Das gelingende Miteinander ist nichtfrei von Alltagsproblemen

Auch das positive Zusammenarbeitenstößt auf kritische Alltagssituationen:– Kommt es beispielsweise zu ethni-

schen Cliquenbildungen innerhalbeiner Ausbildungsgruppe oder sprechenJugendliche nicht deutsch, so kannsich ein Teil der Jugendlichen tempo-rär ausgegrenzt und ausgeschlossenfühlen.

– Die Auszubildenden wissen über diejeweiligen kulturspezifischen Sitten,Gebräuche und Gepflogenheiten so-wie deren mehr oder weniger starkausgeprägte Bedeutung im Alltag vonJugendlichen anderer Herkunftskultu-ren nicht hinreichend Bescheid.

Auszubildende, die ihren Wohnsitz inOstdeutschland haben und wegen ihrerAusbildung nach Westdeutschland pen-deln, stehen vor besonderen Herausfor-derungen: Im Vergleich zu in West-deutschland aufgewachsenen Jugend-lichen mit und ohne Migrationshinter-grund sind ihre interkulturellen Kontakt-möglichkeiten und ihre Chancen, inter-kulturelle Freundschaften zu schließen,aufgrund des niedrigen Anteils der aus-ländischen Wohnbevölkerung in denneuen Bundesländern sehr viel seltener.Erschwerend kommt hinzu, dass sie we-gen enger Familien- und Freundschafts-bindungen jedes Wochenende nach Hau-se fahren, was ihre Möglichkeiten ein-schränkt, zu ihren westdeutschen Mit-Azubis und Kollegen aus Zuwande-rungsfamilien vertiefte persönliche Be-ziehungen aufzubauen.

Die Jugendlichen wünschenkulturelle Vielfalt

An diesen Problemlagen setzen die vonden Auszubildenden erarbeiteten Ideenzur Optimierung der interkulturellenBeziehungen im Betrieb an.– Ein Teil der Vorschläge bezieht sich

auf die betriebliche Rekrutierungs-politik sowie die interkulturelle Zu-sammensetzung der Gruppen vonAuszubildenden sowie von kleinerenProjekteinheiten. So werden Ausbil-dungsleiter aus Betrieben mit ver-gleichsweise niedrigen Anteilen anJugendlichen mit Migrationshinter-grund dafür sensibilisiert, deren Zahlzu erhöhen.

– Weitere Empfehlungen gelten der Zu-sammensetzung der Gruppen vonAuszubildenden entsprechend dem

Prinzip einer möglichst breiten kultu-rellen Vielfalt.

– Bei der Zusammenstellung kleinererLern- und Projektgruppen soll dasRotationsprinzip angewandt werden.

Mit solchen Maßnahmen werden zu-gleich zwei Problemsituationen gelöst,die im betrieblichen Alltag immer wie-der auftreten: Zum einen wird die Bil-dung ethnischer Grüppchen (Cliquen)innerhalb einer Ausbildungsgruppe ver-hindert, zum anderen trägt eine solchepersonalpolitische Strategie der Grup-pen- und Projektzusammensetzung »au-tomatisch« dazu bei, Deutsch als gemeinsa-me Sprache zu verwenden.

Wer bist Du? Woher kommst Du? –Sich Kennenlernen im Alltag

Weitere Verbesserungsvorschläge dienender Erweiterung von Kenntnissen überkulturspezifische Gepflogenheiten undVerhaltensweisen, was das wechselseiti-ge Verständnis füreinander verstärkenkann. Dabei knüpfen die Ideen der Ju-gendlichen sowie bereits umgesetzteMaßnahmen an vorhandenen betrieb-lichen Aktivitäten an:– Das »Kennenlern-Spiel Herkunft«

wird als Modul regelmäßig im Rah-men der zum Ausbildungsbeginndurchgeführten betrieblichen Kennen-lernwoche eingesetzt:Die Anfänger/innen der Ausbildungtauschen sich in ungezwungener Formüber ihre persönlichen Interessen so-wie ihre jugendspezifischen Gewohn-heiten und Vorlieben aus. Dabei wer-den Themen der kulturellen Herkunftauf niedriger Schwelle angesprochen.

– Die Jugendlichen erstellen Fotoserienund Bildergalerien, bei denen die kul-turelle Vielfalt der im Betrieb be-schäftigten Auszubildenden über per-sönliche Portraits von Auszubilden-den dokumentiert wird.

– Im Rahmen von Bilderserien werdenkulturspezifische Themen, beispiels-weise die unterschiedliche Wahrneh-mung von verschiedenen Religionensowie deren Kenntnis, aufbereitet.

– Auch das von den Jugendlichen selbstkonzipierte Projekt »Kulturenfilme«dient dazu, den Auszubildenden auflockere und interessante Weise jeweilsandere Kulturen nahezubringen.

– Bezogen auf die besondere Situationder ostdeutschen Auszubildendenentwickelten die Jugendlichen die

Idee »Jugendraum und Kulturstamm-tisch«. Der Jugendraum wird auf demBetriebsgelände eingerichtet und dieAzubis können sich dort unmittelbarnach Arbeitsschluss treffen. Der Kul-turstammtisch fördert Kontakte zwi-schen ostdeutschen Auszubildendenund Azubis mit Migrationshinter-grund durch die gemeinsame Planungund Vorbereitung von Veranstaltun-gen oder Projekten. Ziel ist es, durchgemeinsame Freizeitaktivitäten dasVerständnis untereinander zu ver-bessern und den Zusammenhalt zustärken.

Gemeinsames Aufwachsen vonAnfang an

Die Ergebnisse des XENOS-Projektszeigen, dass das gemeinsame Aufwach-sen in kultureller Vielfalt Ressourcen derinterkulturellen Anerkennung und Ver-ständigung hervorbringt, die über diefrühkindliche und schulische Sozialisati-on hinaus reichen. Sie bilden das Funda-ment für ein erfolgreiches Miteinanderin der Ausbildung, im späteren Erwerbs-leben und in den privaten bzw. persönli-chen Beziehungen. Die von den Jugend-lichen entwickelten Ideen und Maßnah-men zeigen aber auch, dass dieses Fun-dament gesichert und verbessert werdenkann, um auch in Zukunft tragfähig zubleiben. Zu dieser Qualitätssicherung,die der Kontinuität gelingender interkul-tureller Beziehungen im Erwachsenen-alter dient, können Betriebe und Unter-nehmen ebenso beitragen wie öffentli-che Einrichtungen.

Iris Bednarz-Braun / Ursula Bischoff

Literatur

Bednarz-Braun, Iris / Bischoff, Ursula (2006):Interkulturalität unter Auszubildenden imBetrieb. Eine Handreichung für die betrieb-liche Praxis. Ergebnisse aus dem XENOS-Projekt »Auszubildende und junge Arbeit-nehmerInnen werden aktiv!«. DeutschesJugendinstitut. München/Halle

Bednarz-Braun, Iris / Bischoff, Ursula (2004):Azubis unterschiedlicher Herkunftskultur:Wie kommen sie im betrieblichen Alltagmiteinander aus? Erste Ergebnisse einermündlichen und schriftlichen Befragung vonAuszubildenden aus vier Großbetrieben.Deutsches Jugendinstitut. München/Halle

Siehe auch S. 24: Forschungsgruppe Migration,Integration und interethnisches Zusammen-leben sowie Bulletin 70, Frühjahr 2005, S. 4–7

DJI Bulletin 76 3/200616

Dossier

Kirsten BruhnsMigrationsforschung

Interkulturelle Beziehungenals Potenzial –neue Perspektiven fürdie Forschung

Kinder und Jugendliche von heute treffen im Alltag immerhäufiger auf Gleichaltrige anderer kultureller und ethni-scher Herkunft. In Kindertagesstätte, Schule, Ausbildungund Freizeit sind interkulturelle Begegnungen und Bezie-hungen mittlerweile selbstverständlich. Der öffentliche Dis-kurs um die soziale Integration von Migrantinnen und Mig-ranten zeichnet jedoch ein anderes Bild des interkulturellenZusammenlebens: Ausgrenzung, »Parallelgesellschaften«,»ethnische Kolonien«. Interkulturelle Beziehungen werdenüberwiegend als nicht vorhanden oder aber als problem-belastet, konfliktreich, vorurteilsbehaftet und gewalttätiggesehen.Die Forschung bestärkt diese Wahrnehmung, wenn vorran-gig Probleme, Defizite und Konflikte zum Gegenstand wer-den, wie Nationalismus, Fremdenfeindlichkeit, Rechtsextre-mismus, Gewalt in Jugendgruppen. Derartige Untersuchun-gen zu interkulturellen Beziehungen sind unverzichtbar fürdie Entwicklung von Förderkonzepten sowie von Strategiender Konfliktlösung und Prävention; sie müssen aber ergänztwerden, da sie ein unvollständiges Bild des interkulturellenZusammenlebens zeichnen. Um die Potenziale interkultu-reller Beziehungen in Praxis und Politik nutzen zu können,ist es demnach erforderlich, die Entstehung und Entwick-lung »gelingender« interkultureller Beziehungen besser zuerforschen.

Der Alltag junger Migrantinnen und Migranten istinterkulturell

Die Beziehungen der Gleichaltrigen sind in Deutschland,wenn auch regional unterschiedlich, immer häufiger ethnischbzw. kulturell gemischt. Die meisten jungen Migrantinnen undMigranten haben eine Vielfalt und Vielzahl sozialer Beziehun-gen zur eingesessenen deutschen Bevölkerung sowie zu weite-ren Herkunftsgruppen:– Ausländerinnen und Ausländer unter 25 Jahren treffen sich

vor allem in der Freizeit mit Deutschen, und dies zu 88 %.Dabei stehen an erster Stelle die jungen Griechen, gefolgtvon Personen aus dem ehemaligen Jugoslawien, von Italie-nern und Türken. Bei drei Viertel aller Befragten finden sol-che Treffen mindestens einmal in der Woche statt (Bundes-ministerium für Arbeit und Sozialordnung 2002).

– Migrantenjugendliche unternehmen häufiger etwas mitDeutschen als mit türkischen Jugendlichen sowie Aussied-lerjugendlichen – Schülerinnen und Schüler sind dabei er-heblich aktiver als Auszubildende. Gemeinsame Aktivitä-ten mit Deutschen nennen über 80 % der polnischen, über60 % der russischen und über 50 % der türkischen Schüle-rinnen und Schüler (Heitmeyer u. a., o. J).

– Junge Erwachsene mit Migrationhintergrund im Alter von18 bis 30 Jahren haben Deutsche als Freundinnen undFreunde – 68 % der italienischen und 67 % der türkischenMigrantinnen und Migranten. Beziehungen zu Personenanderer als der eigenen bzw. deutschen Herkunft haben47 % bzw. 42 % (Haug 2005).

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Deutschland ist mittlerweile ein Einwanderungsland. Die zuwandernden Men-schen aus unterschiedlichen Herkunftsländern zwingen eine Gesellschaft dazu,sich zu verändern. Diese Veränderung vollzieht sich in unterschiedlichen Berei-chen wie Arbeit, Bildung oder soziales Zusammenleben. Im Zuge dessen kommtsowohl der Aneignung als auch der Erforschung und Vermittlung interkulturellerKompetenzen eine wachsende Bedeutung zu.Kontakt: [email protected]

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mente (Deardorff 2006):– Verstehen und Verständnis anderer

Weltanschauungen sowie fremderKulturen;

– Bewusstsein mit Blick auf die eigeneKultur sowie die Fähigkeit, sich selbstzu beurteilen (kulturelle Selbstrefle-xion);

– Fähigkeit der Anpassung an ein neueskulturelles Umfeld;

– Fähigkeit, zuzuhören und (aufmerk-sam) zu beobachten;

– allgemeine Offenheit für interkultu-relles Lernen sowie für Menschen an-derer Kulturen;

– Fähigkeit, sich wechselnden interkul-turellen Stilen der Kommunikationund Interaktion anzupassen und da-mit verbunden das Verständnis derRolle, die Kultur für das Verhaltenund die Kommunikation von Men-schen besitzt.

Haltung und Einstellung sind für die IKein wichtiger Ausgangspunkt, d. h.: Offen-heit für neue Lerninhalte, Respekt bzw.Wertschätzung allen Kulturen gegenübersowie Neugier und Entdeckergeist.Interkulturelle Kompetenz ist aber imGrunde genommen keine eigenständigeKompetenz, sondern bedient sich derKompetenzen anderer Bereiche des Ler-nens und Erfahrens.Interkulturelle Kompetenz umfasst– personale Kompetenzen: psychische

Belastbarkeit, Toleranz der Unsicher-heit, kognitive Flexibilität, emotiona-le Elastizität;

– soziale Kompetenzen: abgestufteSelbstwahrnehmung, realistischeSelbsteinschätzung, Übernahme vonRollen und Perspektiven, Empathie,Einfühlungsvermögen;

– kulturspezifische Kompetenzen: Sprach-kenntnisse, Kenntnisse kulturspezi-fischer Bedeutungen, Vertrautheit mit

Die Tochter einer türkischen Familie ist nachtskrank geworden, die Mutter bittet die deut-schen Nachbarn um Hilfe. Wie gehen beidemiteinander um, ohne dass beispielsweiseGrenzen der Scham oder Kränkung über-schritten werden?

Eine Sozialarbeiterin muss wegen einerJugendhilfemaßnahme eine muslimische Fami-lie zu Hause aufsuchen. Sie kann jedoch nichtgleich zum Thema kommen, denn sie wird ersteinmal der ganzen Familie vorgestellt, wird zumTee eingeladen, soll Kekse probieren, von sicherzählen und die Zeichnungen des jüngstenSohnes bewundern. Es dauert lange, bis sie daseigentliche Anliegen, »die Beteiligung der älte-sten Tochter im Unterricht«, ansprechen kann.

Eine griechische Praktikantin in einer Kin-dertagesstätte ist sichtbar unglücklich überihren Aufenthalt in Deutschland. Es kommtimmer wieder zu Missverständnissen und Irrita-tionen mit ihren deutschen Kolleginnen undKollegen, die ihrerseits auch nicht gänzlich zu-frieden sind mit der Zusammenarbeit.

Mit dem »Neuen« in einer Gruppe von Azu-bis gibt es Probleme: Er spricht selten und we-nig Deutsch. Der Personalleiter will mit ihmreden und nimmt einen Dolmetscher zu Hilfe.Doch die beiden, Dolmetscher und neuer Azubi,reden erst mal lange in ihrer Sprache, bevor sieden Personalleiter mit einbeziehen …

Dies sind nur einige Situationen im Alltag, dievon den Beteiligten Interkulturelle Kompetenzerfordern.

Interkulturelle Kompetenz

Was ist unter InterkulturellerKompetenz (IK) zu verstehen?Aufgrund vielfältiger Definitionen wur-de anhand einer Expertenbefragung(Delphi-Studie) folgender Konsens fest-gehalten (Deardorff 2006):

– Fähigkeit, wirksam und angemessenin interkulturellen Situationen zukommunizieren, und dies auf derGrundlage von interkulturellenKenntnissen und Einstellungen;

– Fähigkeit, das eigene Referenzsystementsprechend zu verändern sowie daseigene Verhalten in einem kulturellenZusammenhang anzupassen, d. h. Fä-higkeit zur Anpassung, Erweiterungund Flexibilität;

– Fähigkeit, kulturgeleitetes Verhaltenzu erkennen und sich auf neue Verhal-tensweisen in anderen sowie mit an-deren Kulturen einzulassen, auchwenn diese aufgrund eigener Soziali-sation unbekannt sind.

Diese Definition zeigt, dass Kenntnisseüber ein anderes Land oder in einer an-deren Sprache für eine IK noch nichtausreichen; es kommt viel mehr daraufan, eine Person zu befähigen, bestimmteProbleme erfolgreich zu lösen sowiekonkrete Situationen der Anforderung zubewältigen, zumal es bei interkulturel-len Begegnungen und Beziehungen im-mer wieder zu Irritationen der Beteilig-ten kommen kann (BMBF 2003).Interkulturelle Kompetenz ist demnachdie Fähigkeit, Angehörigen einer ande-ren Kultur zu begegnen, und zwar zurwechselseitigen Zufriedenheit, sowiemit ihnen unabhängig, sensibel undwirkungsvoll umzugehen.Zu den sechs wichtigen KomponentenInterkultureller Kompetenz gehören(nach der Delphi-Studie) folgende Ele-

Interkulturelle Kompetenz –ein Vexierbild des 21. JahrhundertsDefinition, Elemente, Standards, Praxis

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2 DJI Bulletin 76 PLUS 3/2006

kulturübergreifenden Mustern odertypischen Konfliktverläufen in inter-kulturellen Situationen;

– berufs- und feldspezifische Kompetenzen,die sich auf besondere interkulturelleAnforderungen beziehen.

Interkulturelle Kompetenz ist das Ergeb-nis von Prozessen des Lernens und derEntwicklung, die auf mehreren Ebenenausschlaggebend sind:– Kenntnisse (knowledge),– Fähigkeiten und Fertigkeiten (skills),– Bewusstheit (awareness),– Einstellungen (attitudes),– fremdsprachliche Kompetenzen

(language proficiency)(Müller/Gelbrich 2001).Erwünschte Wirkungen der IK lassensich in externe und interne einteilen:– Komponenten von internen Wirkun-

gen sind: Anpassungsfähigkeit, Flexi-bilität, Empathie, Relativierung einerethnozentrischen Sichtweise, Ent-wicklung eines von Abstammung los-gelösten Blickwinkels (Bennett 1993).

– Externe Wirkungen sind das angemes-sene und effektive Verhalten undKommunizieren in interkulturellenSituationen. Angemessen bedeutet:die Verletzung wichtiger Regeln zuvermeiden, Effektivität heißt: wichti-ge Ziele zu erreichen.

Bennett, Milton (1993): Towards ethno-relativism: A developmental model ofintercultural sensitivity. In: Paige, R. Michael(Hrsg.): Education for the interculturalexperience. Yarmouth, ME

Bundesministerium für Bildung und For-schung (Hrsg.; 2003): Expertise. Zur Ent-wicklung nationaler Bildungsstandards. Bonn

Deardorff, Darla K. (2006): Policy Paper zurInterkulturellen Kompetenz. Gütersloh

Müller, Stephan / Gelbrich, Katja (2001):Interkulturelle Kompetenz als neuartigeAnforderung an Entsandte. Status Quo undPerspektiven der Forschung. In: Schmalen-bachs Zeitschrift für betriebswirtschaftlicheForschung, Nr. 53, S. 246–271

Praktische Anwendunginterkultureller KompetenzDer Erwerb von IK erfolgt weder durchdas Erlernen einer Fremdsprache nochdurch das Lesen und Diskutieren überKulturen sowie durch Reisen ins Aus-land. Für Personen im Bereich der Bil-dung sowie des sozialen und bürger-schaftlichen Engagements wird IK durchProzesse des Lernens angeeignet, bei de-nen Folgendes (nach Deardorff 2006)erworben wird:

– Fähigkeit, ein umfassendes Wissen übereine bestimmte Kultur aufzubauen;

– Fähigkeit, zuzuhören, (aufmerksam)zu beobachten, zu deuten, zu bewer-ten, zuzuordnen;

– Fähigkeit, über das eigene Wissen so-wie die eigenen Fähigkeiten zu reflek-tieren.

Für den interkulturellen Umgang (insbe-sondere in geschäftlichen sowie sozialenSituationen) bieten sich (nach Dowd u. a.1999) folgende praxisbezogenen Strate-gien an:– self assessment (Selbsteinschätzung),– practicing flexibility (Flexibilität),– developing tolerance to differences

(Entwicklung von Toleranz gegenüberUnterschieden),

– accepting differences with creativityand style (Bereitschaft, Unterschiedezu akzeptieren),

– meeting personal needs (den persönli-chen Bedürfnissen gerecht zu werden),

– using humor to cope with culturaldifferences (Fähigkeit, mit Kulturun-terschieden humorvoll umzugehen).

Kann Interkulturelle Kompetenz nur inBezug auf bestimmte Kulturen erreichtwerden, oder kann sie (auch) als eine all-gemeine Fähigkeit erlernt werden (imSinne von »cultural awareness«)? DieAntwort hat dann beispielsweise Aus-wirkungen auf Form und Ausgestaltunginterkultureller Trainings.Die unterschiedlichen Disziplinen, diesich mit Interkultureller Kompetenz be-fassen (wie Psychologie, Erziehungswis-senschaft, Politologie, Soziolinguistik,Ethnologie, Wirtschaftswissenschaft)besetzen den Begriff mit jeweils eigenen,teilweise sich ausschließenden Bedeu-tungen und Inhalten, so dass es weniginterdisziplinäre Schnittstellen gibt.Nach wie vor besteht wenig Einigkeit inBezug auf die Festlegung der Kompo-nenten des Konzepts IK, ferner gibt esbislang kaum geeignete Methoden, IKdarzustellen und zu messen.

Deardorff, Darla K. (2006): Policy Paper zurInterkulturellen Kompetenz. Gütersloh

Dowd, Steven u. a. (1999): Will you fit, if youmove to a job in another culture? In: HealthCare Manager, 18. Jg., H. 2, S. 20–27

Interkulturelle Kompetenz = Kultur

Zum Begriff KulturIn Zusammenhang mit interkulturellerKompetenz bzw. interkulturellem Ler-

nen hat sich ein weites Verständnis vonKultur durchgesetzt:– Kultur ist ein Sinnsystem, das für eine

größere Gruppe von Menschen glei-chermaßen gültig ist.

– Kultur ist demnach ein »gemeinsamesWissen«, das den Mitgliedern eines»Kulturkollektivs« bzw. »Kulturkrei-ses« gleichermaßen vertraut ist, bei-spielsweise verankerte Erwartungen inBezug auf Gewohnheiten, Verhaltens-weisen, Werthaltungen, Deutungs-muster, Weltbilder.

Die verankerten Erwartungen werden imUmgang miteinander als selbstverständ-lich vorausgesetzt. Die Mitglieder kön-nen demnach davon ausgehen, dass siemit ihrem Verhalten, ihrer Redeweiseund ihren Ansichten vom anderen ver-standen und angenommen werden.Eine Abgrenzung der Kulturen hingegenerfolgt durch »Nationalkulturen« bzw.durch Merkmale wie Volkszugehörigkeit,Sprache, Religion. Kultur ist aber kein»abgeschlossenes« System. Menschenwerden heute als mehreren Kulturfel-dern zugehörig angesehen, z. B. durchNationalität, Organisation, Religion,Geschlecht, Generation, Familie.Die globale Herausforderung einer »ver-wobenen Moderne« bezieht sich für dieMenschen im Besonderen auf folgendePhänomene (Wimmer 1997):– Die kulturellen Identitäten der Men-

schen sind vielfältig und häufig wi-derstreitend und spannungsgeladen.

– Mediale Vernetzung und globale Mo-bilität lassen die Beständigkeit desLebensraums schwinden.

– Traditionelle Werte unterliegen ei-nem immer rascheren Wandel.

– Kulturelle Randzonen werden wichti-ger als Kulturkerne oder Kulturzentren.

Gegenüber dem postmodernen Kultur-begriff wird eingewandt, dass die Wahlder Identität mit der Rolle verwechseltwerde: Identität ist nicht gleichbedeu-tend mit Identifikation. Das Rollen-Setin nachmodernen Gesellschaften istzwar breiter geworden, doch Identitäten»werden nicht wie Hemden gewechselt«(Eckert 1998). Auch sind individuelleZugehörigkeiten oft nicht freiwillig (z. B.durch Migration).Die postmoderne Sicht übersieht auchdie langfristigen Wirkungen des Lernensund der Sozialisation sowie die Tatsa-che, dass trotz weltweiter Mobilität undMigration die meisten Menschen nach

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dards keine strikten Normen, sonderneher ungefähre Erwartungen von Regelnund Gewohntem.Ein Individuum wächst in eine Mono-kultur (abgegrenztes, einzigartigesHandlungsfeld mit überwiegend homo-gener ethnischer und kultureller Identi-tät) über spezifische normkonformeSchemata der Wahrnehmung sowie desDenkens und Verhaltens hinein. In Si-tuationen interkultureller Begegnungund Beziehung können unverträglichebzw. nicht miteinander vereinbareKulturstandards in einem »clash ofcultures« zusammenprallen. Dabeikommt es zu kritischen Erfahrungen, beidenen die »Dramatik des gegenseitigenUnverständnisses« im Extremfall zuLähmung bzw. Handlungsunfähigkeitführen kann (Thomas 1999).

Thomas, Alexander (1996): Psychologie inter-kulturellen Handelns. Göttingen

Thomas, Alexander (1999): Kultur als Orien-tierungssystem und Kulturstandards alsBauteile. In Institut für Migrationsorschungund Interkulturelle Studien der UniversitätOsnabrück, IMIS Beiträge, Heft 10/1999,S. 91–190

Thomas, Alexander / Kinast, Eva-Ulrike /Schroll-Macherl, Sylvia (2006): HandbuchInterkulturelle Kommunikation und Koope-ration. Göttingen

HybriditätKulturelle Formen und Identitäten wer-den als hybrid bezeichnet, wenn die Be-standteile der Mischung aus verschiede-nen kulturellen Zusammenhängen stam-men (Nederveen Pieterse 1998). Hybri-dität (lat. hybrida: Mischling, Bastard)als theoretische Position wirft die Vor-stellung einer ursprünglichen bzw. ein-heitlichen Identität des Menschen überBord. Hybridität beinhaltet ferner einepolitische Haltung, die die Handlungs-fähigkeit und Kreativität marginalisierter»nichtwestlicher« Gruppen herausstreicht.Darüber hinaus markiert Hybridität einehistorische Erfahrung, nämlich die »Ver-störung« des Subjekts durch kolonialeVerhältnisse, durch Erfahrungen der Mig-ration und Immigration oder durch dieRe-Definition politisch-administrativerterritorialer Grenzen.Migrantinnen und Migranten haben ihreIdentitätsentwicklung nie ganz abge-schlossen, weil sie gezwungen sind, mitden Kulturen, in denen sie leben, zu-rechtzukommen, ohne sich dabei einfachzu assimilieren. Hinter einer »hybriden

Mischung« verbirgt sich ein Kampf, derunter den Bedingungen von Ausbeutung,Unterdrückung, Sprachlosigkeit und in-neren Widersprüchen stattfindet (Reuter2004). Das Beispiel des in Deutschlandmedial breitgetretenen Kopftuchstreitszeigt, wie dabei »neue« Grenzziehungenetwa zwischen ertragbaren und nicht bzw.schwer ertragbaren Fremden entstehen.Nur wenige, privilegierte Mitglieder vonRandgruppen können sich den Luxuseiner hybriden, auf kreativer »Verstörung«basierenden Identität überhaupt leisten.Ohne Zugang bzw. Verfügung über öko-nomisches und kulturelles Kapital isteine Auseinandersetzung mit »zerrisse-ner«, »dezentrierter« Identität schwierigund führt zu Verwirrung (Rademacher1999).

Nederveen Pieterse, Jan (1998): DerMelangeeffekt. Globalisierung im Plural. In:Beck, Ulrich (Hg.): Perspektiven der Welt-gesellschaft. Frankfurt am Main, S. 87–125

Kien Nghi Ha (2005): Hype um Hybridität.Kultureller Differenzkonsum und postmo-derne Verwertungstechniken im Spätkapi-talismus, Cultural Studies Bd. 11, transcriptVerlag (Bielefeld)

Rademacher, Claudia (1999): Ein »Liebesliedfür Bastarde«? In: Rademacher, Claudia /Schroer, Markus / Wiechens, Peter (Hrsg.):Spiel ohne Grenzen? Ambivalenzen derGlobalisierung. Opladen, S. 255–269

Reuter, Julia (2004): Postkoloniales »DoingCulture«. Kultur als translokale Praxis. In:Reuter, Julia / Hörning, Karl H. (Hrsg.): DoingCulture. Zum Begriff der Praxis in der ge-genwärtigen soziologischen Theorie. Bielefeld

Terkessidis, Mark (1999): Globale Kultur inDeutschland oder: Wie unterdrückte Frau-en und Kriminelle die Hybridität retten. In:Hepp, Andreas / Winter, Rainer (Hrsg.): Kul-tur – Medien – Macht. Cultural Studies undMedienanalyse. Opladen/Wiesbaden

Interkulturelle Kompetenz –Interkulturelles Lernen

Mit dem weiten Kulturbegriff wird dieGesamtheit der Lebensäußerungen einerGruppe erfasst, d. h. nicht mehr nur un-mittelbar beobachtbare Dinge und Ver-haltensweisen, sondern auch gemeinsa-me Vorannahmen, Einstellungen, Wert-haltungen oder Weltbilder. Dabei geht esnicht um eine nationale oder ethnischeKultur, sondern um unterschiedlicheKulturen in einer Gesellschaft, die sichüberlappen und in einem Spannungsver-hältnis stehen, beispielsweise die main-stream-Kultur einer Gesellschaft sowieentsprechende Gegen- bzw. Subkulturen

wie vor nicht als »Global Player« durchdie Welt jetten, sondern aus verschiede-nen Gründen einen starken Bezug zum(Herkunfts-)Raum bzw. zur sozialen undemotionalen Heimat haben. Kulturensind zwar ungleichartig und durchlässig,doch Vielfalt hebt deren Grenzen nichtauf (Antweiler 2003).Kultur ist jene Lebenswelt, die jemandals die »eigene« definiert, weil sie dasGewohnte und Bekannte (Normalität)sowie das Nachvollziehbare und Ver-ständliche (Plausibilität) bietet, fernersoziales Routinehandeln ermöglicht(Bolten 2001).Für die interkulturelle Kompetenz istdie Unterscheidung zwischen einem en-gen (auf Kunst und Geisteskultur bezo-genen) und einem weiten (auf die Lebens-welt bezogenen) Kulturbegriff hilfreich.

Antweiler, Christoph (2003): Anthropologiegewaltsamer Konflikte. Konfliktmotorenund Gewaltmotive. In: Entwicklungsethno-logie, 12. Jg., H. 1/2, S. 26–73

Bolten, Jürgen (2001): InterkulturellesCoaching, Mediation, Training und Cosultingals Aufgaben des Personalmanagementsinternationaler Unternehmen. In: Clemont,Alois u. a. (Hrsg.): Strategisches Personal-management in Globalen Unternehmen.München, S. 909–926

Eckert, Julia (1998): Ethnizität, ethnische Kon-flikte und politische Ordnung – Theorienund Befunde im Überblick. In: Eckert,Roland (Hrsg.): »Wiederkehr des Volks-geistes«. Ethnizität, Konflikt und politischeBewältigung. Opladen, S. 271–312

Wimmer, Andreas (1997): Die Pragmatik derkulturellen Produktion. Anmerkungen zurEthnozentrismusproblematik aus ethnologi-scher Sicht. In: Brocker, Manfred / Nau,Heino Heinrich (Hrsg.): Ethnozentrismus.Möglichkeiten und Grenzen des inter-kulturellen Dialoges. Darmstadt, S. 120–140

KulturstandardsKulturstandards sind Elemente für denMaßstab, was in einer Kultur als »nor-mal« bzw. als »noch akzeptabel« angese-hen wird. Kulturstandards legen gleich-sam eine Vorstellung jener Norm undToleranz fest, mit der ein bestimmtesVerhalten allgemein akzeptiert wird. DieNorm gibt den Idealwert an, der Tole-ranzbereich umfasst die noch akzeptier-baren Abweichungen vom Normwert(Thomas 1999). Bewegt sich das Verhal-ten von Mitgliedern einer Kultur außer-halb des Bereiches der Toleranz, müssendiese mit Reaktionen der Beurteilung,Ablehnung, Regulierung und Sanktionrechnen. Insofern sind die meisten Stan-

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DJI Bulletin PLUS

bestimmter Milieus. InterkulturelleKommunikation findet nicht zwischensolchen Kulturen statt, sondern zwischenden Individuen. Interkulturelles Lernenfindet statt, wenn sich Menschen im Um-gang mit Menschen einer anderen Kultur– auf deren kennzeichnendes System

des Wahrnehmens, Denkens, Fühlens,Wertens und Handelns einlassen,

– dieses System zu verstehen versuchen,– die Merkmale dieses Systems in das

eigenkulturelle Orientierungssystemintegrieren und sie

– auf das eigene Denken und Handelnim fremdkulturellen Kontext anzu-wenden versuchen.

Dieser Prozess schließt die Reflexion,Relativierung oder Revision des eigen-kulturellen Systems ein und kann zu ei-ner Übernahme »fremdkultureller Stan-dards« führen.Interkulturelles Lernen vollzieht sich inPhasen; dazu gibt es eine Vielzahl anAnsätzen, beispielsweise das Sechs-Pha-sen-Modell von Milton Bennett (1984):– denial (Ablehnung),– defense (Abwehr),– minimization (Minimalisierung,

Bagatellisierung),– acceptance (Akzeptanz),– adaptation (Adaption, Anpassung),– integration (Integration).

Bennett, Milton J. (1986): A developmentalapproach to training for interculturalsensitivity. International Journal ofIntercultural Relations, No. 2. S. 178–195

Transkulturelles LernenIn Abgrenzung zum Interkulturellen Ler-nen ist das Transkulturelle Lernen insbe-sondere auf die Entwicklung von Kom-petenzen ausgerichtet, »die Menschenmit unterschiedlichem kulturellen Hin-tergrund befähigen, auf lokaler wie aufglobaler Ebene Aufgaben zu bearbeitenund Lösungen zu finden, die sowohl aufdie Erhaltung und Weiterentwicklungeigener kultureller Identität als auch derErmöglichung gemeinsamer Lebens-und Überlebensleistungen gerichtetsind« (Flechsig 1996).

Flechsig, Karl-Heinz (1996): Kulturelles, inter-kulturelles und transkulturelles Lernen alsAneignung kultureller Skripte.www.user.gwdg.de

– die Bereitschaft, ihren Teil zur Ent-wicklung des Landes und der Gesell-schaft beizutragen;

– das Recht, im Gegenzug die Rechtenutzen zu können, die Staat und Ge-sellschaft für alle bieten;

– die Anerkennung der im Grundgesetzfestgelegten Grund- und Menschen-rechte.

Die Kombination von Pflichten undRechten schafft für sie Verbundenheit zurGesellschaft.Für die Menschen ohne Migrationshin-tergrund (alteingesessen, autochthon)bedeutet Integration wiederum– Sicherung eines friedlichen Zusam-

menlebens durch eine immer wiederneu herzustellende Kultur der Akzep-tanz;

– Respekt und Offenheit gegenüber denMenschen mit Migrationshintergrund,so dass diese ihre ethnische, kulturelleund religiöse Identität beibehalten so-wie ihren Lebensmittelpunkt in der Ge-sellschaft finden und sichern können.

Integration verlangt von der Gesell-schaft, dass die spezifischen Bedürfnisseder jeweiligen Menschen beachtet wer-den, denn beispielsweise türkische Ju-gendliche, die in Deutschland geborenwurden, Aussiedlerinnen und Aussiedleraus Osteuropa, die automatisch diedeutsche Staatsbürgerschaft bekommensowie die angeworbenen Arbeitnehme-rinnen und Arbeitnehmer (»Gastarbei-ter«), die heute in Deutschland Rentebeziehen, haben jeweils andere Bedin-gungen, Voraussetzungen und Probleme.Insofern verlangt die deutsche Bundesre-gierung von den Migrantinnen und Mig-ranten nur das Bekenntnis zu einemGrundwertekonsens, der jedem inDeutschland lebenden Bürger zuzumu-ten ist und sich aus dem Sinn der Staat-lichkeit als einer territorialen Ordnungergibt. Dieser Grundkonsens besteht ausdem Wertedreieck,– das Grundgesetz zu achten,– die deutschen Gesetze zu respektieren,– die deutsche Sprache zu beherrschen.

DGB-Bildungswerk: Migration online. Schlag-wort: »Integration«. www.migration-online.de

Schönhuth, Michael (2005): Glossar Kulturund Entwicklung. Trier/Bonn

Websites zum Thema:www.interkulturelles-portal.dewww.interculture.de

Xandra Wildung

Interkulturelle Kompetenz undIntegration

Je größer bei einer Migration die sozialeund kulturelle Distanz zwischen Her-kunfts- und Aufnahmegesellschaft ist,desto größer sind Aufgaben für die All-tagsbewältigung. Migrantinnen undMigranten kommen in ein Land mit ho-her Motivation (sofern es sich nicht umVerfolgte, Vertriebene und Flüchtlingehandelt) sowie mit dem Ziel, ihr Hu-manvermögen zur eigenen Wohlfahrts-bildung einzusetzen. Sie kommen inDeutschland in eine Gesellschaft, derenNiveau an Konsum und Wohlfahrt sehrhoch ist, und deren Umgangsweisen ih-nen fremd bzw. befremdlich erscheinen.Ferner begeben sie sich zugleich in dieKonkurrenz auf einem umkämpften Ar-beitsmarkt. Integration bedeutet dann,sowohl die eigenen Erfahrungen undVorstellungen in Bezug zu den neuenBedingungen zu setzen.Integration ist aber zugleich auch Aufga-be der Gesellschaft, dies den Migrantin-nen und Migranten entsprechend zu er-möglichen.Die Integration in ein soziales Gebilde(Gemeinschaft, Gesellschaft, sozialeGruppe, Staat) setzt einen Minimalkon-sens voraus, bei dem die Beteiligten diegemeinsamen Grundwerte sowie dieverbindlichen Verhaltens- und Orientie-rungsmuster anerkennen.Mit der Diskussion um Deutschland alsEinwanderungsland hat das Thema ei-nen neuen gesellschaftlichen Stellenwertbekommen. Dabei stehen sich die For-derungen nach Assimilation und die nachIntegration gegenüber.Assimilation bedeutet: Übernahme derKultur und Anerkennung der gesell-schaftlich-politischen Grundordnung desEinwanderungslandes bei gleichzeitigerAufgabe der eigenen spezifischen Her-kunftstradition.Integration bedeutet das Ja zur eigenenKultur bei gleichzeitigem Ja zur gesell-schaftlich-politischen Grundordnung desEinwanderungslandes (als ein Grund-wertekonsens).Grundlage von Integration ist die gleich-berechtigte Teilhabe in der Gesellschaft.Integration ist ein Prozess, bei dem beideSeiten gefordert sind.Für die Migrantinnen und Migrantenbedeutet dies

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– 41 % der Hauptschülerinnen und Hauptschüler mit türki-schem Migrationshintergrund nennen anhand einer dreiPersonen umfassenden Freundschaftsliste an erster StelleFreundinnen oder Freunde einer anderen als der eigenenHerkunft (Reinders 2004b).

– Für 35 % der türkischen Migrantenkinder waren Deutsche»gute« Freundinnen und Freunde, bei 14 % kamen sie ausweiteren Herkunftsländern. Die entsprechenden Anteile derKinder aus Aussiedlerfamilien lagen bei 43 % und 14 %.Auch die Cliquen der Kinder sind überwiegend ethnischgemischt (Traub 2006).

Diese Ergebnisse legen den Schluss nahe, dass interkulturelleBeziehungen umso wahrscheinlicher sind, je weniger eng undintim sie sind. Letztlich sagen sie jedoch nur eingeschränkt et-was über die Flüchtigkeit oder Intensität der unterschiedlichenBeziehungsformen aus. Die Freizeitkontakte können relativoberflächlich bleiben, aber auch auf der Basis von Freund-schaftsbeziehungen erfolgen.

Nur Probleme, nur Defizite, nur Konflikte?Interkulturelle Beziehungen werden bislang vor allem unterder Fragestellung der sozialen Integration und der sozialenAbgrenzung untersucht. Ein solcher Blick spürt im BesonderenMängel der sozialen Integration sowie Spannungen zwischenethnischen bzw. kulturellen Herkunftsgruppen auf. Im Mittel-punkt der Forschung stehen Erscheinungsformen von Nationa-lismus, Fremdenfeindlichkeit, Rechtsextremismus, ethnisch-kulturelle Konflikte zwischen Jugendgruppen, interethnischeKonflikte sowie die Entstehung und Wirkung von Vorurteilen.Die interkulturellen Beziehungen erscheinen vorrangig alsrisiko- und konfliktreich sowie von Vorurteilen und Stereo-typen geprägt.

Die Analyse von Problemen im sozialen Miteinander jun-ger Menschen ist unverzichtbar. Darauf deuten aktuelle Datenzur Verbreitung ausländerfeindlicher Haltungen in der Bevöl-kerung und fremdenfeindliche Übergriffe hin. Es darf auchnicht übersehen werden, dass manche Kinder und Jugendlichemit Migrationshintergrund (am häufigsten jene aus türkischenFamilien) überhaupt keinen oder nur wenig Kontakt zur Be-völkerung der Aufnahmegesellschaft haben. Reicht aber eineausschließlich defizit- und konfliktorientierte Sichtweise aus,um interkulturelle Beziehungen zu stiften und ein verträg-liches multiethnisches Zusammenleben zu fördern?

Eine vor allem an Defiziten und Problemen orientierteMigrationsforschung steht immer in Gefahr, folgende Bilderzu zementieren:– Die multikulturelle bzw. Zuwanderungsgesellschaft erzeugt

nur Schwierigkeiten.– Migrantinnen und Migranten haben Probleme und machen

Probleme.

– Interaktion und Kommunikation erscheinen prekär undsind bestimmt von Gewalt, Ausgrenzung und Vorurteilen.

– Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen mit Migrations-hintergrund wird ein erheblicher Nachholbedarf in den Be-reichen Sprache, soziale Integration und soziales Kapitaldes Herkunftslandes bescheinigt.

Migrantinnen und Migranten können solche Ansichten alsmangelnde Anerkennung bzw. Abwertung empfinden oder alsSignal deuten, in der deutschen Gesellschaft nicht willkom-men zu sein. Dies kann Anlass sein, sich in ethnische Com-munities zurückzuziehen oder sich offensiv abzugrenzen.

Integration ist ein Prozess, in den gesellschaftlich alle miteinbezogen sind. Demnach ist Integration abhängig vom Ver-halten der Zuwanderer sowie von der Bereitschaft der Aufnah-megesellschaft (Bericht der unabhängigen Kommission »Zu-wanderung« 2001), beispielsweise gute nachbarschaftliche Be-ziehungen zu pflegen sowie Freundschaften und Partner-

schaften einzugehen (Esser 2001). Integration kann nicht ein-seitig als »Angleichung an die Strukturen der Aufnahmegesell-schaft« (Haug 2006) gedeutet werden. Migrationsforschung,die nur die Migrantinnen und Migranten zum interkulturellenNetz befragt, bleibt deswegen zwangsweise verkürzt.

Unter welchen Bedingungen und in welchen Konstellatio-nen interkulturelle Beziehungen für eine gelingende Integrati-on wirksam werden, beantwortet die bisherige Forschung nurunvollständig. Hierzu wäre es erforderlich, die »Binnen-perspektive« interkultureller Beziehungen von Kindern undJugendlichen deutscher wie auch nicht-deutscher Herkunft inden Blick zu nehmen und zu fragen, wie sich interkulturelleBeziehungen auf soziale Integration auswirken.

Interkulturelle Beziehungen beinhalten individuelle,soziale und gesellschaftliche Potenziale

Innerhalb der Institutionen sowie in der Freizeit leben underleben heute viele Kinder und Jugendliche einen interkultu-rellen Alltag. Es gibt zwar auch Probleme und Spannungen imZusammenleben. Von pauschaler bzw. systematischer Desinte-

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Dossier

gration, Zurückweisung oder gar Feindschaft kann jedoch nichtdie Rede sein (Glatzer 2004). Das alltägliche soziale Mitein-ander unter Gleichaltrigen unterschiedlicher Herkunft ist viel-mehr überwiegend von gemeinsamen Unternehmungen undverträglichen sozialen Beziehungen geprägt.

Eine Migrations- und Integrationsforschung hat sich dem-nach verstärkt den alltäglichen, »gelingenden« interkulturellenBeziehungen zu widmen, ohne dabei Probleme und Konflikteaußer Acht zu lassen. Im Mittelpunkt stehen die individuellen,sozialen und gesellschaftlichen Potenziale, die junge Migran-tinnen und Migranten zusammen mit anderen Gleichaltrigenin interkulturellen Beziehungen entwickeln (können):– In interkulturellen Gruppen werden eigene Vorstellungen

und Orientierungen überprüft, erweitert und gefestigt.– Durch das Abwägen und Erproben von Selbst- und Fremd-

zuschreibungen werden Interessen ausgebildet sowie Denk-und Handlungsmuster entwickelt.

– Die Auseinandersetzung in Gleichaltrigenbeziehungen be-dingt sowohl Verunsicherung als auch Selbstvergewisserung,sie zwingt aber auch dazu, die eigenen sowie fremdenStandpunkte und Vorstellungen zu überprüfen.

In ethnisch heterogenen Beziehungen bieten sich besondereMöglichkeiten zur »Bildung« an – nicht nur des Denkens, son-dern auch des Fühlens und Handelns. Die erfolgreiche Aneig-nung entsprechender interkultureller Fähigkeiten, Fertigkeitenund Kenntnisse ist von der Forschung verstärkt in den Blick zunehmen. Dazu liegen erste Ergebnisse vor:– Jugendliche entwickeln in Freundschaften mit Gleichaltri-

gen anderer ethnischer Herkunft einen ihrer Elterngenera-tion widersprechenden kulturellen Horizont und zugleicheine Offenheit gegenüber anderen kulturellen Zusammen-hängen (Reinders 2004a).

– Interkulturelle Beziehungen tragen besonders zur Bildungkulturellen und sozialen Kapitals bei (Haug 2003; Roppelt2003).

– Jugendliche verschiedener Herkunft stellen im alltäglichenZusammenleben neue Deutungsmuster her: Beispiele fürProdukte der Konstruktion »transkultureller Realität« sindsprachliche Verknüpfungen, wie das sog. »Dönerdeutsch«bzw. die »Kanak-Sprak« oder stilistische Kombinationen inMusik und Kleidung (vgl. u. a. Dirim/Auer 2004;Androutsopoulos 2002).

– In den Mustern der Biografien von heutigen Kindern undJugendlichen vermischen sich Einflüsse und Hintergründeverschiedener Kulturen und verschmelzen miteinander(Bolscho 2005).

– In den interkulturellen Beziehungen verbinden sich Anteileunterschiedlicher Kulturen »transkulturell« zu Neuem, zu-mal sich die Alltagssituationen und Lebenswelten in einermobilen und globalisierten Welt nicht mehr als ausdrück-liche Eigen- und Fremdkultur beschreiben lassen (Badawia2002; Welsch 1995).

Migrationsforschung und Integrationsforschung eröffnenneue Horizonte

Die wissenschaftliche Analyse »gelingender« interkulturellerBeziehungen kann neue Sichtweisen eröffnen:– Wie können wechselseitige Integrationsprozesse fachlich

und politisch vorangetrieben und positiv gestaltet werden?– Wie lässt sich die verzerrte Wahrnehmung korrigieren, dass

Zuwanderung in erster Linie ein Problem ist?

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Literatur

Androutsopoulos, Jannis (2002): jetzt speak something about italiano.Sprachliche Kreuzungen im Alltagsleben. In: Osnabrücker Beiträgezur Sprachtheorie, H. 65: »Multisprech«: Hybridität, Variation, Identi-tät, S. 79–109

www.bieson.ub.uni-bieldefeld.de/volltexte/2006/870/ 15.5.2006Badawia, Tarek (2002): »Der Dritte Stuhl«. Grounded Theory-Studie

zum kreativen Umgang bildungserfolgreicher Immigranten-Jugend-licher mit kultureller Differenz. Frankfurt am Main/London

Bericht der unabhängigen Kommission »Zuwanderung« (2001):Zuwanderung gestalten – Integration fördern. Berlin.www.bmi.bund.de 11.06.2005

Bolscho, Dietmar (2005): Transkulturalität – ein neues Leitbild fürBildungsprozesse. In: Datta, Asit (Hrsg.): Transkulturalität und Identi-tät. Bildungsprozesse zwischen Exklusion und Inklusion. Frankfurt amMain/London, S. 29–38

Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung (BMA) (2002):Situation der ausländischen Arbeitnehmer und ihrer Familienangehö-rigen in der Bundesrepublik Deutschland. Repräsentativuntersuchung2001. Offenbach/München

Dirim, Inci / Auer, Peter (2004): Türkisch sprechen nicht nur die Türken.Über die Unschärfebeziehung zwischen Sprache und Ethnie inDeutschland. Berlin

Esser, Hartmut (2001): Integration und ethnische Schichtung. Arbeits-papiere – Mannheimer Zentrum für Europäische Sozialforschung,Nr. 40. Mannheim

Glatzer, Wolfgang (2004): Integration und Partizipation junger Auslän-der vor dem Hintergrund ethnischer und kultureller Identifikation.Ergebnisse des Integrationssurveys des BiB. Unter Mitarbeit vonRabea Krätschmer-Hahn. Materialien zur Bevölkerungswissenschaft,Heft 105c. Wiesbaden

Haug, Sonja (2003): Interethnische Freundschaftsbeziehungen und so-ziale Integration. Unterschiede in der Ausstattung mit sozialem Kapi-tal bei jungen Deutschen und Immigranten. In: Kölner Zeitschrift fürSoziologie und Sozialpsychologie, 55. Jg., H. 4, S. 716–736

Haug, Sonja (2005): Interethnische Kontakte, Homogenität und Multi-kulturalität der Freundesnetzwerke. In: Haug, Sonja / Diehl, Claudia(Hrsg.): Aspekte der Integration. Eingliederungsmuster und Lebens-situation italienisch- und türkischstämmiger junger Erwachsener inDeutschland. Schriftenreihe des Bundesinstituts für Bevölkerungs-forschung, Bd. 35, S. 251–275

Haug, Sonja (2006): Interethnische Freundschaften, interethnischePartnerschaften und soziale Integration. In: Diskurs Kindheits- undJugendforschung. 1. Jg. 1. Vierteljahr 2006, S. 75–92

Häußermann, Hartmut / Siebel, Walter (2001): Soziale Integrationund ethnische Schichtung. Zusammenhänge zwischen räumlicherund sozialer Integration. Gutachten im Auftrag der UnabhängigenKommission »Zuwanderung«. Berlin/Oldenburg

Heitmeyer, Wilhelm / Möller, Renate / Babka von Gostomski,Christian / Brüß, Joachim / Wiebke, Gisela (o. J.): ZwischenberichtII zum Forschungsprojekt »Integration, Interaktion sowie die Entwick-lung von Feindbildern und Gewaltbereitschaft bei Jugendlichen deut-scher und türkischer Herkunft sowie bei Aussiedler-Jugendlichen un-ter besonderer Berücksichtigung ethnisch-kultureller Konfliktkonstel-lationen (Längsschnittstudie), 2. Förderphase: 01.11.2002–31.10.2005.www.uni-bielefeld.de/ikg/download/Projekt_Feindbilder_Zwischenbericht-2.pdf, 6.10.2006

Reinders, Heinz (2004a): Subjektive Statusgleichheit, interethnischeKontakte und Fremdenfeindlichkeit bei deutschen Jugendlichen.In: Zeitschrift für Soziologie der Erziehung und Sozialisation, H. 2,S. 188–202

Reinders, Heinz (2004b): Entstehungskontexte interethnischer Freund-schaften in der Adoleszenz. In: Zeitschrift für Erziehungswissenschaft,H. 1, S. 121–145

Traub, Angelika (2006): Wann ist ein Freund ein Freund? In: Alt,Christian (Hrsg): Kinderleben – Integration durch Sprache? Band 4:Bedingungen des Aufwachsens von türkischen, russlanddeutschenund deutschen Kindern. Wiesbaden, S. 291–324

Welsch, Wolfgang (1995): Transkulturalität. Zur verändertenVerfaßtheit heutiger Kulturen. In: Zeitschrift für Kulturaustausch, Nr.45, H. 1, S. 39–44

– Wie kann der Beitrag von Migrantinnen und Migrantenzur Gestaltung des sozialen Wandels adäquat gewürdigtwerden?

– Welche nachhaltigen Wirkungen entwickeln entsprechendeinstitutionelle Angebote unter dem Blick des Abbaus vonVorurteilen?

– Welche Entwicklungslinien von gelingender Integrationzeigen sich im biografischen Verlauf?

– Welche Potenziale ergeben sich durch interkulturelle Bezie-hungen für die Weiterentwicklung der Praxis der Kinder-und Jugendhilfe, u. a. in der offenen und verbandlichen Ju-gendarbeit, in den Jugendmigrationsdiensten sowie in denEinrichtungen der Kinderbetreuung?

Das Aufdecken der Stärken von jungen Migrantinnen undMigranten wird für die Gesellschaft zu positiven Veränderun-gen führen und das Monologisieren über die anderen Men-schen aufheben:

»Zuwanderer müssen nicht ›toleriert‹, sondern respektiertwerden wie alle übrigen Mitbürger auch. Die Gewohnheit vie-ler Kommunalpolitiker, jeden Ausländer mit einem ›sozialenProblem‹ zu identifizieren, muss ein Ende haben« (Häußer-mann/Siebel 2001, S. 78).

Kontakt: [email protected]

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Ergebnisse aus dem DJI-Jugendsurvey

Junge Menschen wachsen zunehmend in Alltagssituationen auf, die multikultu-rell geprägt sind. Ein Viertel der 12- bis 29-Jährigen (so die Alterstufe des DJI-Jugendsurvey) hat einen Migrationshintergrund – und dieser Anteil geht weitüber diejenigen mit ausländischer Staatsbürgerschaft (gut ein Zehntel) hinaus.Wichtige Bedingungen einer gelingenden Integration sind Freundschaften zwischenjungen Menschen mit Migrationshintergrund und Einheimischen sowie ein kom-petenter Gebrauch der deutschen Sprache. Der DJI-Jugendsurvey ist diesen As-pekten der Integration nachgegangen. Dazu wurden 2003 ca. 6.300 Jugendlicheund junge Erwachsene im Alter von 12 bis 29 Jahren befragt (alte Bundesländer).

Sprich mit mir … Freundeskreis und Sprach-gebrauch bei Migranten und Einheimischen

Berichte

Was bedeutet Migrationshinter-grund?

Migrationshintergrund wird bestimmtdurch die Herkunft aus unterschiedli-chen Nationalstaaten bzw. Kulturen so-wie durch Zuwanderungserfahrungen.Der DJI-Jugendsurvey unterscheidet zwi-schen »eigener Migrationserfahrung« und»Migrationserfahrung der Eltern«:

Erste Migrantengeneration: Zu ihr gehö-ren Personen, die selbst zugewandertsind und bei denen mindestens ein El-ternteil ebenfalls außerhalb Deutsch-lands geboren ist. Ihr Anteil beträgt beiden 12- bis 15-Jährigen 9 %, bei den 16-bis 29-Jährigen 16 %.

Zweite Migrantengeneration: Zu ihr ge-hören Personen, die selbst in Deutsch-land geboren sind und bei denen minde-stens ein Elternteil im Ausland geborenist. Ihr Anteil beträgt bei den 12- bis 15-Jährigen 17 %, bei den 16- bis 29-Jähri-gen 13 %.

Einheimische: Als solche werden Ju-gendliche oder junge Erwachsene be-zeichnet, die selbst sowie ihre Eltern inder Bundesrepublik geboren sind.

Freundeskreise bei Einheimischen:noch wenig multikulturell geprägt

Für Integrationsprozesse sind neben ei-ner erfolgreichen Beteiligung in Schuleund Ausbildung die Freundschaften vonMigrantinnen und Migranten mitGleichaltrigen aus deutschen Herkunfts-familien förderlich.– Die Freundeskreise der Migrantenju-

gendlichen bestehen etwa zur Hälfteaus Freundschaften mit jungen Men-

schen aus ausländischen Herkunfts-familien.

– Die Freundeskreise der einheimi-schen Jugendlichen und jungen Er-wachsenen bestehen dagegen nur zueinem Sechstel aus Jugendlichen aus-ländischer Herkunftsfamilien.

Deutscher Sprachgebrauch: häufigerim Freundeskreis als in der Familie

Integration beruht auf Kenntnissen derdeutschen Sprache:– Im Freundeskreis wird sehr viel häufi-

ger deutsch gesprochen als in der Her-kunftsfamilie: Nur oder überwiegenddeutsch sprechen im Freundeskreis86 % der 12- bis 15-Jährigen und63 % der 16- bis 29-Jährigen, in derHerkunftsfamilie dagegen nur 37 %bzw. 33 %.

– Fast ein Fünftel der ersten Generationund fast die Hälfte der zweiten Gene-ration sprechen in der Familie und imFreundeskreis nur oder überwiegenddeutsch.

– Es kommt jedoch kaum vor, dass Jugend-liche und junge Erwachsene mit Migra-tionshintergrund in Familie und Freun-deskreis nur oder überwiegend eineandere Sprache als Deutsch sprechen.

Beim Sprachgebrauch spielen Aufenthalts-dauer und Zuzugsalter eine Rolle: z. B.nimmt bei Migrantenjugendlichen derersten Generation der deutsche Sprachge-brauch sowohl in der Herkunftsfamilieals auch im Freundeskreis mit der Auf-enthaltsdauer stark zu. Außerdem hatdas Zuzugsalter erhebliche Bedeutung.

Deutscher Sprachgebrauch in derHerkunftsfamilie fördert dieSchulkarriere

Bei den Migrantenjugendlichen über 15Jahren (insbesondere der zweiten Gene-ration) wird der Zusammenhang zwi-schen dem Sprachgebrauch in der Fami-lie und dem Bildungsniveau der jungenMenschen offensichtlich:– Die Jugendlichen mit Abitur(ziel)

sprechen zu fast zwei Dritteln in ihrerHerkunftsfamilie deutsch.

– Die Jugendlichen mit (höchstens)Hauptschulabschluss sprechen dage-gen nur zu einem Drittel in der Her-kunftsfamilie deutsch.

– Mit zunehmendem Bildungsniveauist der deutsche Sprachgebrauch inden Gruppen der Gleichaltrigen beiweitem häufiger (erste und zweiteGeneration).

Förderungsbedarf in deutscherSprachpraxis für bestimmteMigrantengruppen

Die deutschen Sprachkenntnisse vonMigrantenjugendlichen unterscheidensich deutlich nach Migrantengeneration,Zuzugsalter, Aufenthaltsdauer sowie Bil-dungsniveau. Somit sind gezielte Förde-rungsangebote unerlässlich. Eine schu-lische Förderung von Migrantenjugend-lichen reicht aber allein nicht aus. Beson-dere Angebote wären auch für diejenigenzu entwickeln, die nach dem deutschenPflichtschulalter zugewandert sind. Die-se Migrantenjugendlichen haben offen-sichtlich in ihrem Alltag keine ausrei-chenden Möglichkeiten, die deutscheSprache zu erlernen.

Martina Gille, Sabine Sardei-Biermann

Informationen: dji.de/jugendsurveyKontakt:[email protected]

Gille, M. / Sardei-Biermann, S. / Gaiser, W. /de Rijke, J. (2006): Jugendliche und jungeErwachsene in Deutschland. Lebensverhält-nisse, Werte und gesellschaftliche Beteili-gung 12- bis 29-Jähriger. Jugendsurvey 3.Wiesbaden

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Übergangsverläufe junger Migranten im Europäischen Vergleich

Der Wandel in Alltag und Arbeitsleben hat die europäische »soziale Landkarte«verändert. Dabei spielt die Migration junger Menschen eine gewichtige Rolle.Das Projekt »Jugend – Akteur des sozialen Wandels? (Up2Youth)« untersucht inunterschiedlichen Mitgliedsstaaten bzw. Regionen der EU jene Bedingungen, dieJugend als Lebensphase fördern oder behindern. Die Migrantenjugendlichen undderen Handlungsoptionen stehen dabei im Fokus, insbesondere deren Übergän-ge in die Arbeitswelt sowie das Hineinwachsen in ein modernes Erwachsenen-leben. Die Vergleichsstudien des europäischen Netzwerkes EGRIS fanden in denLändern Dänemark, Deutschland, Finnland, Portugal, Rumänien, Schweden undSpanien statt.

Migration – ein steiniger Weg?Jugendliche als Akteure zwischenPolitik und eigenen Wünschen

Migration in Europa nimmt stetigzu – mit wehenden Fahnen in einanderes Land

Als Ausländer werden von den nationa-len statistischen Ämtern sowie vonEUROSTAT (2006) folgende Personenbezeichnet:– Personen, die eine Staatsangehörig-

keit haben, die nicht mit der ihresWohnlandes übereinstimmt (foreignpopulation);

– Personen unbekannter Staatsbürger-schaft;

– Staatenlose.Dabei muss berücksichtigt werden, dassein erheblicher Teil der Migrantenbevöl-kerung (Personen mit Migrationshinter-grund) in Europa die Staatsangehörigkeitdes Landes besitzt, in dem sie lebt.

Die Zahl der Einwohner in den Län-dern der EU (Europa der 25) betrug am31.12. 2005 mehr als 461 Mio., davonsind rund 25 Mio. Personen Ausländer,das sind 5,5 % der Gesamtbevölkerungder EU (EUROSTAT 2006).

Die meisten ausländischen Mitbürgersind in Deutschland, Frankreich, Spani-en, Italien und im Vereinigten König-reich wohnhaft, wobei südeuropäischeLänder, wie z. B. Griechenland, Spanienund Zypern in den letzten Jahren diestärksten Raten der Migration pro Jahraufweisen.

Der Anteil der ausländischen Bevöl-kerung variiert von weniger als 1 % derGesamtbevölkerung (Slowakei) bis zu

39 % (Luxemburg). In den meisten Län-dern beträgt der Ausländeranteil jedochzwischen 2 % und 8 % der Gesamtbevöl-kerung (EUROSTAT 2006). Die größtenAusländergruppen sind– in Deutschland, Dänemark und den

Niederlanden die türkischen Staats-bürger,

– in Portugal die Bürger der früherenKolonien (Kap Verde, Brasilien undAngola),

– in Spanien die Bürger aus Ecuadorund Marokko,

– in Griechenland die Zuwanderer ausAlbanien sowie die Bürger aus ande-ren Teilen des früheren Jugoslawiens(Mazedonien).

Die Staatsbürgerschaft der ausländischenBevölkerung der EU-Mitgliedsstaatensetzt sich unterschiedlich zusammen,zumal die Mehrheit der ausländischenBevölkerung aus Ländern stammt, dienicht zur »EU der 25« zählen. Migrationin bestimmten Ländern hängt von geo-grafischen, historischen und ökonomi-schen Faktoren ab und ist durch politi-sche Ereignisse sowie gewachsene Ver-flechtungen bedingt.

Deutschland hat die größte Auslän-derbevölkerung der Europäischen Unionund weist in Bezug auf die fünf größtenAusländergruppen (Türken, Ex-Jugosla-wen, Italiener, Griechen und Polen) einebemerkenswerte Stabilität auf.

Wer sind die Personen der auslän-dischen Bevölkerungsgruppen?

In allen Mitgliedsstaaten der EU setztsich die Migrationsbevölkerung zusam-men aus– etablierten ethnischen Communitys,– Langzeit- und Zeitarbeitnehmern,– Kriegs- und Wirtschaftsflüchtlingen,– Grenzen überschreitenden »Pendlern«,– Akademikern und Geschäftsleuten.Unter ihnen sind sowohl beruflich nichtqualifizierte als auch hoch qualifiziertePersonen zu finden.

Migrantinnen und Migranten sindtendenziell jünger als die einheimischeBevölkerung (EUROSTAT 2006):– Bei den Erwachsenengruppen zwi-

schen 20 und 39 Jahren ist die auslän-dische Bevölkerung besonders starkvertreten: 41 % Ausländer gegenüber28 % Inländer.

– Die Altergruppe zwischen 25 und 29Jahren zeigt diesen Unterschied nochdeutlicher: 22 % Ausländer gegenüber14 % Inländer.

Dieser Bevölkerungstrend bei den Zu-wanderern wirkt sich kurzfristig in einerVerjüngung der Gesamtbevölkerung aus.

Bedroht Migration den sozialenZusammenhalt?

Die Debatten über Migrantinnen undMigranten in Europa kreisen um folgen-de Probleme:– Überalterung der einheimischen Be-

völkerung und damit verbundenerAusgleich der negativ demografischenEntwicklung durch Migration;

– Bedrohung des sozialen Zusammen-halts durch die Veränderung der Be-völkerung aufgrund von Migration(dies bezieht sich vor allem auf Bal-lungsgebiete in einigen Ländern);

– Zwiespalt zwischen unerwünschtenMigranten (nicht qualifizierte Ar-beitskräfte, Flüchtlinge, Asylsuchen-de) und erwünschten Gruppen von

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Berichte

Migranten (z. B. die in Deutschlandangeworbenen »ausländischen Arbeit-nehmer« oder »Green Cards«);

– Zunahme der Integrationsproblemebzw. der Bereitschaft zur Integrationvonseiten der Migrantinnen oderMigranten (insbesondere der zweitenund dritten Generation).

Benachteiligte Lebensbedingungenfür Migrantenjugendliche

Ein erheblicher Teil der Migranten-jugendlichen bzw. Angehörigen ethni-scher Minderheiten wächst unter ausge-sprochen schwierigen Lebensbedingun-gen auf.

Probleme der Integration sowie derEigentümlichkeit ihrer biografischenVerläufe haben in besonderem Maße– Jugendliche als Angehörige von ethni-

schen Minderheiten (Roma und Sintiin Portugal, Rumänien, Spanien);

– Jugendliche als Migrantenjugendlicheder ersten Generation;

– Jugendliche mit Migrationshinter-grund der zweiten und dritten Gene-ration, die in Trabantenstädten und inden französischen Banlieus leben;

– Jugendliche aus türkischen Einwande-rerfamilien in Deutschland;

– junge Pakistanis, Türken und Libane-sen in Dänemark und Finnland;

– junge Menschen aus dem Maghreb;– Jugendliche aus afrikanischen Staaten

in Spanien;– bestimmte Gruppen junger Latein-

amerikaner in Spanien;– junge Menschen aus Angola und den

Kapverdischen Inseln in Portugal(Up2Youth – Youth as actor of socialchange 2006).

Integrationsprobleme in westeuropäi-schen Gesellschaften haben des Weite-ren Migrantenjugendliche aus Osteuro-pa, die trotz relativ hohem Bildungsgradkeine »westlichen« Sprachen beherr-schen, beispielsweise junge Erwachseneaus Russland sowie aus den BaltischenStaaten in Finnland oder Jugendlicheaus Aussiedlerfamilien in Deutschland.

Bildung und Übergänge – ein steini-ger Weg für Migrantenjugendliche

Angehörige ethnischer Minderheiten undbestimmte Gruppen von Migranten-jugendlichen der ersten Generation habeninsgesamt schlechtere Bildungsvoraus-setzungen und weisen dementsprechendauch problematischere Schul- und Bil-

dungskarrieren auf wie Sprachprobleme,Lernschwierigkeiten, Erleben von Diskri-minierung, Schulmüdigkeit (»Schul-schwänzen«) und Schulabbruch:– Insbesondere Jugendliche der Roma

im Beitrittsland Rumänien sowie inPortugal verlassen frühzeitig dieSchule;

– Jugendliche afrikanischer Herkunft inSpanien erbringen die niedrigstenSchulleistungen.

Ausnahmen hierzu bilden osteuropäi-sche Jugendliche und bestimmte Grup-pen von Lateinamerikanern in Spaniensowie Osteuropäer in Finnland, die oftbessere Bildungsvoraussetzungen undSchulleistungen als die der gleichaltri-gen einheimischen Jugendlichen vorwei-sen können.

Das Geschlecht spielt bei der Bildungebenfalls eine Rolle:– Junge Migrantinnen und Mädchen

ethnischer Minderheiten erbringen inder Sekundarschule bessere Leistun-gen als die gleichaltrigen Mitschüler(wobei Mädchen aus Familien derRoma in Portugal, Rumänien undSpanien oft noch von ihren Eltern amSchulbesuch gehindert werden).

– In den meisten Ländern durchlaufenjedoch mehr männliche als weiblicheJugendliche eine berufliche Ausbil-dung.

– Männliche Jugendliche tendieren eherdazu, eine praktische berufliche Aus-bildung zu absolvieren, werden dabeiaber oft durch diskriminierende Prak-tiken entmutigt.

– Die jungen Frauen mit Migrations-hintergrund haben nach wie vor diegrößten Probleme bei der Arbeits-platzsuche.

Die Beschäftigungsverläufe von Migran-tenjugendlichen und Angehörigen ethni-scher Minderheiten sind oft durch prekä-re, zeitlich befristete sowie nicht qualifi-zierte Tätigkeiten gekennzeichnet. Sol-che »Jobs« werden oft parallel zum Schul-besuch angenommen; so üben 25 % deraus Afrika stammenden Jugendlichen inPortugal bereits im Alter von 15 bis 19Jahren solche Tätigkeiten aus.

Junge Migrantenjugendliche sowieAngehörige ethnischer Minderheiten,die keinen Ausbildungsplatz erlangenkonnten oder wollten, erlernen ihren Be-ruf häufig von den Eltern. Sie werden indas »Familienunternehmen« einbezogenoder bekommen über das soziale Netz-

werk der Familie Jobs in sogenannten»ethnischen Betrieben«.

Nicht qualifizierte Jugendliche habenes in Ländern mit hohen Bildungsstan-dards (wie Dänemark, Finnland undSchweden) besonders schwer, auf dendortigen Arbeitsmärkten Fuß zu fassen.Die hohen Erwartungen der Arbeitgeberan Bildungsvoraussetzungen von Schul-absolventen sind u. a. ein Grund für dasEntstehen von Vorurteilen und diskrimi-nierenden Praktiken gegenüber Migran-tenjugendlichen und Angehörigen ethni-scher Minderheiten (Up2Youth – Youthas actor of social change 2006).

Integration findet im Alltag stattFamilie, Stadtteil, Gleichaltrigengrup-pen, Jugendkulturen, Medien sowie eth-nische Gemeinschaften und Migranten-gruppen sind für die Jugendlichen mitMigrationshintergrund soziale und men-tale »Basislager« sowie Orte, in denensie sich »zu Hause« fühlen können:– Die Familien der Jugendlichen haben

eine unterstützende Rolle, wobei sichein Teil der Eltern bei der Hilfe fürschulische Aufgaben überfordert fühlt.

– Die meisten Eltern der Migranten-jugendlichen wünschen, dass ihreKinder eine bessere Schulbildung be-kommen als sie selbst – und unter-stützen zumindest materiell die schu-lische Entwicklung und Ausbildung.

– Ein Teil der Eltern legt besonderenWert darauf, die eigene kulturelleIdentität bei den Kindern aufrechtzu-erhalten bzw. den eigenen Lebensstilihren Kindern und Jugendlichen auf-zudrängen.

– In traditionell orientierten Migranten-familien werden spätmoderne Lebens-stile als problematisch angesehen,und es herrscht die Erwartung vor,dass unverheiratete junge Frauen sichnur in familialen Netzwerken undBeziehungen bewegen dürfen. Oftbestimmt das Familienoberhauptüber Berufsausbildung oder Eheschlie-ßung; daraus ergeben sich insbeson-dere für Mädchen und junge Frauenerhebliche Konflikte und Nachteile.

– Migrantenjugendliche und Angehöri-ge ethnischer Minderheiten mit nied-rigem Bildungsgrad übernehmen ei-nen eher »traditionellen Lebensstil«:sie heiraten früher als andere Jugend-liche; Mädchen sowie junge Frauenaus solchen Familien absolvieren öf-

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ter keine Berufsausbildung und krie-gen Kinder in relativ jungem Alter.

– In den (intraethnischen sowie eth-nisch-gemischten) Gleichaltrigen-Gruppen lernen die Migrantenjugend-lichen im Gegensatz zur eigenen Fa-milie andere Werte, Normen und Ver-haltensmuster kennen.

– Bestimmte Gruppen von Mädchenund jungen Frauen bleiben aus demLeben der Gleichaltrigen-Gruppenund Jugendkulturen ausgeschlossenoder werden von ihren männlichenGeschwistern daran gehindert bzw.kontrolliert. Dadurch sind ihnen Er-fahrungen informeller Lernsituatio-nen sowie jugendspezifische Lebens-formen spätmoderner Gesellschaftenverwehrt.

Die Integration in moderne Gesellschaf-ten sowie die Übernahme und das Aus-üben aktiver Bewältigungsformen(»agency«) vonseiten der Jugendlichen istinsgesamt ein schwieriger Prozess vonlanger Dauer in der Biografie (Up2Youth– Youth as actor of social change 2006).

Hat Politik ein Interesse an denMigrantenjugendlichen?

Das »Republikanische Modell« inFrankreichFrankreich betont die Eingliederung innationale Strukturen auf der Basis glei-cher staatsbürgerlicher Rechte undPflichten (»citoyenité«), wobei die kultu-rellen Belange von Migranten und Ange-hörigen ethnischer Minderheiten (»Parti-kularismen«) jedoch eher ausgeblendetwerden. Frankreichs Verständnis von Na-tionalität und Staatsbürgerschaft basiertauf einem staatszentrierten Konzept, wäh-rend in Deutschland bis vor kurzem einvolkszentriertes Konzept dominierte, des-sen Grundlage die Beteiligung an einergemeinsamen Kultur, Geschichte undSprache darstellte. Im französischen Fallsind Angehörige der zweiten Generationbereits automatisch »naturalisiert« undzwar als Resultat »eines staatszentrier-ten, expansiven und assimilativenSelbstverständnisses der französischenNation« (Schnapper 1992, S. 89). DieAuseinandersetzung um religiöse Sym-bole (»Kopftuch-Debatte«) in den Schu-len, antisemitische Aggressionen von-seiten Jugendlicher mit Migrationshin-tergrund in den Großstädten sowie dievon Gewalt geprägten Auseinanderset-zungen von Jugendlichen aus den Vor-

orten der Metropolen Paris und Mar-seille machen die Defizite einer gelin-genden Integration in Frankreich jedochoffensichtlich. Die Politik hat sozialpoli-tisch wenig Interesse an den partikulärenInteressen, speziellen Lebensbedingun-gen und sozialkulturellen Merkmalenbenachteiligter sowie an den Rand derGesellschaft gedrängter Gruppen mitMigrationshintergrund. Dementspre-chend entwickelt sie auch keine geziel-ten wohlfahrtsstaatlichen Integrations-programme und Jugendhilfemaßnahmenfür Migrantenjugendliche und Angehöri-ge ethnischer Minderheiten.

Das Sozialstaatliche Modell derBundesrepublik DeutschlandEine völlig andere historische und poli-tisch-administrative Situation ergibt sichin Deutschland. Ein SozialstaatlichesModell legt verstärkt Wert auf die sozia-le und kulturelle Integration sowie aufdie Stärkung der Einrichtungen. Kinder-gärten, Schulen und Institutionen derAusbildung bzw. Berufsvorbereitungwerden durch neue organisatorischeMaßnahmen sowie durch die Qualifizie-rung des Personals verbessert. Ferner sol-len neue Organisationen Integration för-dern und verstärken: Ausländerbeiräteund Ausländerbeauftragte (kommunal,regional, national); Ausländerabteilun-gen und Stabsstellen bei Wohlfahrtsver-bänden und anderen Institutionen; staat-liche Subventionierung von privaten Ini-tiativen bzw. Nicht-Regierungs-Organi-sationen (NGOs). Deutschland ist einesder wenigen Länder der EU, in denenspezielle sowie »direkte« Integrations-strategien auf Betriebe ausgerichtet sind.

Des Weiteren haben das neue Staats-angehörigkeitsgesetz (2001) sowie dasZuwanderungsgesetz (2002) günstigereBedingungen bezüglich des rechtlichenStatus von Zuwandererkindern und Mig-rantenjugendlichen geschaffen, dennneben das geltende Prinzip des »Jussanguinis« wurde das Prinzip des »Jussolis« gestellt, was die staatsbürgerlicheSituation insbesondere von Migrantin-nen und Migranten der zweiten und drit-ten Generation deutlich verbessert. So-mit hat sich Deutschland bezüglich indi-vidueller Rechte und Staatsbürgerlich-keit dem französischen republikanischenIntegrationskonzept angenähert, dochdas bisher praktizierte Modell der Wohl-fahrtsstaatlichkeit beibehalten und es

durch Elemente der niederländischenund schwedischen Integrationspolitik(z. B. »Integrationskurse«) ergänzt. Vordem Hintergrund eines solchen wohl-fahrtstaatlichen Integrationsmodus sindwiederum die in Deutschland praktizier-ten Übergangspolitiken für benachteilig-te Jugendliche sowie für junge Migran-tinnen und Migranten bzw. Jugendlichemit Migrationshintergrund zu verstehen.

Jugendliche als Akteure?Trotz der in den verschiedenen Ländernexistierenden Integrationspolitiken so-wie sozialpädagogischen Maßnahmensind die Möglichkeiten für die Heran-wachsenden mit Migrationshintergrundnach wie vor begrenzt, so dass deren zu-künftige persönliche und berufliche Ent-wicklung eher durch die soziale Benach-teiligung bestimmt wird als durch daseigene Handeln.

René Bendit

Literatur

Europäische Gemeinschaften: Amt für amt-liche Veröffentlichungen der Europäi-schen Gemeinschaften (2006): Europa inZahlen. Eurostat Jahrbuch 2005. Luxem-bourg

EUROSTAT (2006): Statistik kurz gefasst:Bevölkerung und Soziale Bedingungen,H. 8/2006

Schnapper, Dominique (1992): L’Europe desimmigrés. Paris, Francois Bourin

Up2Youth – Youth as actor of socialchange (2006): Transitions to work ofyoung people with an ethnic minority ormigrant background. Synthesis of NationalReports. Synthesis written by TorbenBechmann and Sven Moerch. Copenhagen

Projekt: Youth – actor of social change(Up2Youth)Laufzeit: 2006–2009Auftraggeber: 6. Forschungsrahmen-programmMethoden: Sekundäranalysen, ThematischeWorkshopsDurchführung: IRIS, TübingenKontakt: Dr. René Bendit, Tel.: 089 62306-194,E-Mail: [email protected]: www.up2youth.org

DJI Bulletin 76 3/200624

Aktuelles

Neue Forschungsgruppen am DJI einge-richtet (mit 01.12.2006)Migration, Integration und interethnischesZusammenleben (in Gründung)Im Mittelpunkt der neuen Forschungsgruppestehen das interethnische Zusammenlebensowie die interkulturellen Beziehungen unterKindern, Jugendlichen und Familien verschiede-ner Herkunftskultur. Gefragt wird vorrangignach den Voraussetzungen, Rahmenbedingun-gen und Entwicklungsverläufen gelingenderinterethischer Beziehungen unter Zugewan-derten und Einheimischen, ohne dabei denBlick für Brüche, Widersprüche, Konflikte undProbleme zu versperren.Eine Bestandsaufnahme und Analyse der inter-kulturellen Beziehungen in Deutschland mussdie positive Seite von gelebter Interkulturalitätsowie deren Ressourcen und Potenziale sicht-bar machen.Ziel der Forschungsgruppe ist es, die gesell-schaftlichen und individuellen Grundlagen undErfolge eines verträglichen Zusammenlebenssowie einer Anerkennungskultur zwischeneinheimischen Kindern, Jugendlichen, Familienund jenen mit Migrationshintergrund heraus-zuarbeiten; diese sind dann für die Weiterent-wicklung von Praxis und Politik fruchtbar zumachen.Die Forschungsgruppe befasst sich insbesonde-re mit folgenden Themenfeldern:Entwicklung interethnischer Beziehungen inbiografisch weichenstellenden Bildungseinrich-tungen (Kindergarten, Schule, Berufsausbil-dung); Umsetzung integrationspolitischer Zieleund Leistungen in der Kinder- und Jugendhilfe;Beiträge sozialer Netzwerke zur Förderung desinterethnischen Zusammenlebens; Rolle derdeutschen Sprache zur Herstellung von Inter-kulturalität.Durchführung: PD Dr. Iris Bednarz-Braun; Dr.Ursula Bischoff; M.A., Dipl.-Soz. Kirsten Bruhns;Dipl. Soz.-Päd. Xandra WildungKontakt: PD Dr. Iris Bednarz-Braun,Tel.: 089 62306-222, E-Mail: [email protected]

Gender und Lebensplanung(in Gründung)Die bisherige Abteilung »Geschlechterfor-schung und Frauenpolitik« des DJI wurde zum01.12.2006 in die Forschungsgruppe »Genderund Lebensplanung« umgewandelt.Jungen Paaren von heute fehlen begünstigen-de Rahmenbedingungen für eine Familiengrün-dung, zumal Ausbildung, Beruf und Kinderer-ziehung sich für junge Männer und Frauen zu-nehmend schwerer vereinbaren lassen. Im Mit-telpunkt der Forschung stehen die vielfältigenLebensentwürfe junger Frauen und Männersowie die jeweiligen Bedingungen, unter denendie jungen Erwachsenen ihre Lebensentwürfeumsetzen, gestalten und verändern könnensowie in Paarbeziehungen aufeinander abstim-men und realisieren. Damit sind folgende The-menbereiche verbunden: Analyse der gesell-schaftlichen Bedingungen und institutionellenVoraussetzungen für die Umsetzung von Le-bensentwürfen; Planung von Ausbildung, Beruf

und Familiengründung vonseiten der jungenErwachsenen; Bewältigung der erhöhten An-forderungen an Mobilität und Flexibilität in Aus-bildung, Studium und Beruf; Voraussetzungenfür das Gelingen, gleichzeitig befriedigendePaarbeziehungen aufzubauen sowie eine Fa-milie zu gründen.Durchführung: PD Dr. Waltraud Cornelißen;Dipl.-Soz. Kathrin Kreuz; Dipl.-Soz. DagmarMüller; Dr. Sabine Sardei-Biermann; Dr. InkenTremel; Dr. Brigitte WothaKontakt: PD Dr. Waltraud Cornelißen,Tel. 089 62306-283, E-Mail: [email protected]

Bundesweite Befragung bei Kindertages-stättenDas Projekt »Jugendhilfe und sozialer Wandel –Leistungen und Strukturen« wird zu Beginn desJahres 2007 eine repräsentativ angelegte Fra-gebogenerhebung bei Kindertageseinrichtun-gen durchführen. Vor dem Hintergrund deröffentlichen Diskussion um den Ausbau und dieQualität von Kindertagesbetreuung sollen mitdieser Befragung mehr Informationen über dieSituation und die Rahmenbedingungen vonKindertagesstätten in der gesamten Bundesre-publik gewonnen werden.Kontakt: www.dji.de/jhsw, Christian Peucker,Tel.: 089 62306-151, E-Mail: [email protected];Liane Pluto, Tel.: 089 62306-169, E-Mail:[email protected]

Kurz informiert

Nachlese

DJI-Online-Thema des Monats Oktober 2006Veränderung und Kontinuität imLebenslaufDer Innovationsschub in den Biowissenschaftenhat zu einem neuen Diskurs zwischen Gehirn-forschung und Humanwissenschaften geführt.Im Bereich der Biografie- und Lebenslauf-forschung stellt sich die Frage, ob Neurobiologieund Soziologie in einen fruchtbaren Dialog oderin Konkurrenz zueinander treten.www.dji.de/thema/0610

DJI-Online-Thema des Monats November 2006Keiner mehr da? Jugendhilfe unddemografischer WandelDie Klage ist bekannt: Zu wenig Kinder werdenin Deutschland geboren. Einige Regionen leidenbesonders unter Bevölkerungsschwund undAbwanderung. Schulen und Kindergärtenmüssen schließen. Gleichzeitig beklagen Elternin Ballungsgebieten einen eklatanten Mangelan Krippen- und Hortplätzen für ihren Nach-wuchs. Für die Einrichtungen der Kinder- undJugendhilfe stellt der demografische Wandeleine große Herausforderung dar, die nicht nurmit Zahlenspielen, sondern vor allem auch qua-litativ beantwortet sein will.www.dji.de/thema/0611

DJI-Online-Thema des Monats Dezember 2006Neue kommunale Konzepte für sozialeBrennpunkte im TestArmut, Arbeitslosigkeit, Gewalt – das sind dieKennzeichen von sozialen Brennpunkten. Jun-ge Menschen, die in diesen Vierteln unter äu-ßerst schwierigen Bedingungen aufwachsen,müssen eine faire Chance für den Start in einbesseres Leben bekommen. Alle Akteure vorOrt – wie Schulen, Jugendhilfe, Sozialämterund Polizei – sind deshalb gefordert, noch bes-ser zu kooperieren, um die Lösungen für dieProbleme zu finden. Einige Kommunen sinddarin erfolgreicher als andere. Warum – dashat ein Projektteam des DJI untersucht.www.dji.de/thema/0612

DJI-Online-Thema des Monats Januar 2007Jugendpolitik in EuropaDeutschland übernimmt im ersten Halbjahr2007 turnusgemäß die EU-Ratspräsidentschaftund will diese Chance nutzen, um als Impulsge-ber gerade die jungen Menschen mehr für dieeuropäische Idee zu begeistern. Voraussetzungfür eine stärkere gesellschaftliche Beteiligungder 75 Millionen Europäer/innen zwischen 15und 25 Jahren aber sind eine gute Bildung undgleiche Chancen für alle – seit Jahren erklärteZiele der länderübergreifenden JugendpolitikEuropas.www.dji.de/thema/0701

DJI Bulletin 76 3/2006 25

Personelles

Annemarie Gerzer-Sassist für die Zeit vom 15.09.2006 bis 31.12.2011vom DJI beurlaubt. Sie übernimmt die Leitung»Konzeptuelle Beratung im AktionsprogrammMehrgenerationenhäuser (MGH)« beim pmeFamilienservice München (pme = Partner fürMitarbeiterEffizienz).Kontakt: [email protected]

Annemarie Gerzer-Sasswurde am 08.11.2006 anlässlich derFachmesse ConSozialin Nürnberg durch dieBayerische Sozial-ministerin, FrauChrista Stewens, derConSozial-Wissen-schaftspreis verliehen.Das Thema »Familien-kompetenz-Transfer-Modell« wurde als diebeste sozialwissen-

schaftliche Arbeit der eingereichten Vorschlägeaus dem Bereich Sozialwirtschaft und Sozial-management prämiiert. Bei diesem Modell gehtes um die Implementierung von Alltagswissenaus Familie, Kindererziehung und Haushaltsfüh-rung in Wirtschaft sowie in berufliche professio-nelle Praxis mit dem Ziel der innovativen Perso-nalentwicklung in Beruf und Weiterbildung.Kontakt: [email protected]

Dr. Barbara Keddihat zum 31.07.2006 ihr zehn Monate dauern-des Fellowship am Hanse Wissenschaftskolleg inDelmenhorst beendet. Seit 01.08.2006 ist sie inder Abteilung Familie und Familienpolitik als Re-ferentin für Daueraufgaben tätig (Schwerpunktintegrierter Survey, qualitative Methoden).

Dr. Harald Seehausen,langjähriger Mitarbeiter des DJI, erhielt am31.10.2006 im Frankfurter Römer durch dieBürgermeisterin der Stadt Frankfurt, Frau JuttaEbeling, die Verdienstmedaille des Verdienstor-dens der Bundesrepublik Deutschland, die derBundespräsident ihm verliehen hat. In der Lau-datio der Bürgermeisterin wurden insbesondereseine Verdienste für die jahrzehntelange Arbeitin den Bereichen der Kinderbetreuung und Ge-schlechterdemokratie hervorgehoben sowieseine wissenschaftlichen Impulse, die sich durchPraxisnähe sowie Durchführbarkeit auszeichnen.Kontakt: [email protected]

Prof. Dr. Thomas Rauschenbachwurde in die konstituierende Bund-Länder-Arbeitsgruppe im Rahmen des Nationalen Akti-onsplans »Für ein kindergerechtes Deutschland2005–2010« (NAP) berufen. Als Steuerungs-instrumente zur Umsetzung des NAP werdenneben der Bund-Länder-Arbeitsgruppe sechsthematisch orientierte Arbeitskreise entspre-chend den Themen des NAP eingerichtet(Chancengerechtigkeit durch Bildung, Auf-wachsen ohne Gewalt, Förderung eines gesun-den Lebens und gesunder Umweltbedingun-gen, Beteiligung von Kindern und Jugendlichen,Entwicklung eines angemessenen Lebensstan-dards für alle Kinder sowie internationale Ver-pflichtungen); darüber hinaus werden eineServicestelle und eine Agentur etabliert.

Doris Veidthat ab 01.10.2006 die Nachfolge von ElfriedeRoth im Sekretariat der Institutsleitung über-nommen.

Prof. Dr. Jürgen Zinneckerwurde zusammenmit PD Dr. ImbkeBehnken am20.10.2006 vomFachbereich 2 derUniversität Siegenanlässlich desfünfundzwanzig-jährigen Jubiläumsdes »Siegener Zentrums für Kindheits-,Jugend- und Biografieforschung (SiZe)« feier-lich verabschiedet. Jürgen Zinnecker und ImbkeBehnken waren die beiden Initiatoren und Or-ganisatoren des SiZe, das sich auch auf interna-tionaler Ebene erfolgreich etabliert hat. An dernationalen »Initiative 2020: Familie ist Zukunft«wird sich das SiZe (zusammen mit regionalenund überregionalen Instituten, so auch dem DJI)aktiv beteiligen.Prof. Dr. Jürgen Zinnecker stand dem DJI seitJahrzehnten als Mitglied des Vereins sowie alsMitglied des Wissenschaftlichen Beirates mitRat und Tat zur Seite. Ferner gab es zwischenKolleginnen und Kollegen des DJI und ihm einenregen wissenschaftlichen Austausch. Dafür danktihm die Mitarbeiterschaft des DJI herzlich.

Eine Generation geht …

Elfriede RothMit zwei kleinen Kin-dern und alleinstehendsuchte Elfriede Roth1977 eine Stelle alsSchreibkraft und lan-dete im DeutschenJugendinstitut. Am

Anfang stolperte sie noch über so manchessoziologische Fachwort, doch schon nach eini-gen Jahren übertrug man ihr die Stelle des Se-kretariats in der Institutsleitung. Sie erlebte dreiDirektoren unterschiedlicher Persönlichkeitund verschiedenen Forschungsschwerpunktenverpflichtet. Mit dem Aufstieg ging auch dieRevolution von der Schreibmaschine mit Kor-rekturband zum PC einher. Das Sekretariatbeim Direktorium des DJI ist immer Dreh- undAngelpunkt eines Hauses. Neue Projekte, neueMenschen, neue Aufgaben erfordern täglichFlexibilität sowie das Talent des stetigen Orga-nisierens und Improvisierens. Kontakte nachinnen zu den Kolleginnen und Kollegen sowieKontakte nach außen in die Welt der For-schung und Politik bzw. der Institute, Institutio-nen und Ministerien waren tägliche Herausfor-derung, ständig neue Erfahrung und ein rei-ches Maß an Abwechslung. Neben ihrer Tätig-keit am DJI galt es aber für Elfriede Roth auch,Kindererziehung und Beruf unter einen Hut zubringen. Dabei kamen ihr die Erkenntnisse desInstitutes zugute, insbesondere was die Erzie-hung ihrer Kinder betraf. Manchmal musste siejedoch als Mutter auch schmunzeln über diehochtrabend dargestellten wissenschaftlichenErkenntnisse, denn Mütter und Großmütterwussten schon vieles von selbst auch ohne Wis-senschaft. Sekretärinnen kriegen bekannter-maßen alles mit – und kriegen auch viel ab. DerMythos des Sisyphos bestimmt ihr Dasein aufbesondere Weise: In den 18 Jahren ihrer Tätig-keit als Sekretärin im Direktorium hat sie schät-zungsweise 60.000 Mal Tee oder Kaffee ge-kocht, 15.000 Unterschriftmappen erstellt undabgeheftet, 1.000 Ordner mit Papier gefülltund abgelegt, 1.000 Dienstreisen gebucht undabgerechnet, 500 Texte (Vorträge, Artikel) mitLiteratur versorgt, eine Unmenge an Blumen-sträußen besorgt und, und, und – die Vorzim-mer-Statistik ließe sich beliebig erweitern, dochElfriede Roth möchte die Zeit am DJI nicht mis-sen. Den Sisyphos und Stress besiegte sie mitihrer Leidenschaft für die Musik und für dasSingen. Hier holte sie Ausgleich und Stärke. DasMusikhören und der aktive Gesang werden sienun auch während ihrer nachberuflichenLebenszeit in besonderem Maße begleiten.

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Kurz informiert

… und auch jüngereKolleginnen gehen

Claudia ZinserDie Erziehungswissen-schaftlerin und diplomier-te Sozialpädagogin kam1998 mit vielfältigen Er-fahrungen der Praxis undBeratung im Bereich derJugendpartizipation andas DJI. Ihr Erfahrungs-gepäck konnte Claudia

Zinser gleich im Projekt »Modelle gesellschaft-licher Beteiligung von Kindern und Jugendli-chen« umsetzen. Nach zwei Jahren DJI-Pausestieg sie in die fachlich-wissenschaftliche Beglei-tung beim Projekt »Lokale Bündnisse für Famili-en« ein; hierfür erstellte und akquirierte sieinternetangebundene Arbeitshilfen. Im An-schluss betreute sie Themenbereiche der »Da-tenbank ProKiTa« und führte Fokusgruppen-interviews mit Jugendlichen für die »EvaluationProjekt P« durch – alles Tätigkeiten, bei denenClaudia Zinser ihre hohe Kommunikationskom-petenz einsetzen konnte. Sie schätzte am DJIdie anregende und wohltuende Teamarbeitsowie die Breite der Erfahrungen an Wissen-schaft und Forschung. Jetzt steht ihr der Sinnjedoch wieder nach mehr Nähe zur Praxis undpersönlichen Vermittlung, denn das vorrangigschriftliche Verbreiten von wissenschaftlichenForschungsergebnissen genügt ihr auf Dauergesehen nicht. Claudia Zinser zieht es in dieunmittelbare Fort- und Ausbildung der sozial-pädagogischen Praxis. Berlin sieht sie dafür alsgutes Pflaster an. Dort will sie ihre Dissertationzu Ende schreiben sowie Kooperationen vonForschung, Beratung und Fortbildung in Gangbringen. Die Zeit am DJI möchte sie aber aufkeinen Fall missen, gerade auch in Bezug aufdie Zusammenarbeit mit den Kolleginnen undKollegen, und sie freut sich, wenn persönlicheKontakte und berufliche Vernetzung erhaltenbleiben.

Internationales

Arbeitsstelle Kinder- und Jugendkriminali-tätsprävention / Youth Crime Prevention inChina and USA:Offenes Forum mit zwei Vorträgen inenglischer Sprache mit DiskussionDJI München, 12.09.2006Teilnehmerinnen: Ms Ju Quing, Deputy Directorof Crime Prevention am Chinese Youth andChildren Research Centre in Peking/China:Jugendkriminalität und Prävention in China;Ms Rachel Davis, Managing Director am USA-weit arbeitenden Prevention Institute inOakland, Kalifornien: Jugendkriminalität undPrävention in den USA.Während Jugendkriminalitätsprävention inChina nur von staatlicher Seite betrieben unddementsprechend strukturiert sowie gestaltetwird, sind in den USA dafür eine Vielzahl vonOrganisationen und Akteuren zuständig. Vordem Hintergrund dieser Differenzen wurdenach Anregungen für die deutschen Debattengesucht und nach Gemeinsamkeiten für zu-künftige Kooperationen.

Arbeitsstelle Kinder- undJugendkriminalitätspräventionLeipzig, 13. bis 16.09.2006Das 9th International Colloquium »Violenceprevention with boys: A gender relatedapproach – Experiences in different countries«mit Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Uni-versität »La Sapienza« in Rom/Italien, der Uni-versität Wien/Österreich, der UniversitätEdinburgh/Schottland, des Instituto Werden/Porto Alegro/Brasilien, des Prevention Institute,Oakland/USA, des China Youth and ChildrenResearch Center, Beijing/China und des Deut-schen Jugendinstituts München/Deutschland.Die Teilnehmer/innen befassten sich mit denunterschiedlichen Strategien jungenspezifi-scher Gewaltprävention. Während diese ineinigen Ländern mühsam, aber auch innovativvor Ort entwickelt werden und den schwieri-gen Weg durch Institutionen und Organisatio-nen suchen müssen, gibt es in anderen Ländernnationale Programme. Diese sichern zwar einDach und binden jungenspezifische Gewalt-prävention z. B. in Aus- und Fortbildung ein,gleichzeitig besteht aber das Risiko, damit eine»Pflicht« abzuhaken und lokal sinnvolle Innova-tionen eher zu erschweren.

Paths & Crossroads: Moving People,Changing Places11. Internationale Metropolis KonferenzLissabon, 01. bis 06.10.2006Mehr als 700 Fachleute aus Politik, Praxis undWissenschaft befassten sich im Rahmen derjährlichen Metropolis Konferenz mit Migrationund deren Folgen. In den Debatten wurde derBlick bewusst nicht nur auf die Einwanderungs-länder, sondern auch auf die Auswanderungs-länder geweitet. Diese Öffnung führte zu ei-nem ganzheitlicheren Bild. Migration wirkt sichauf Aufnahme- und Herkunftsländer gleicher-maßen aus, in einer besseren Zusammenarbeitliegen daher noch ungenutzte Potenziale fürbeide Seiten. Heiner Schäfer von der Arbeits-

stelle Kinder- und Jugendkriminalitätspräven-tion am DJI organisierte im Rahmen der Konfe-renz zusammen mit Pedro Calado vom Portu-giesischen Hohen Kommissariat für Immigrationund ethnische Minderheiten sowie mit BeatrizPadilla vom Zentrum für soziologische For-schung und Studien (Lissabon) den ganztägigenWorkshop »The challenges of immigrantdescendants’ integration in Europe«. Im Mittel-punkt dieses Workshops standen die besonde-ren Schwierigkeiten bei der Integration vonMigrantenjugendlichen in mehreren europäi-schen Ländern sowie die politischen und päd-agogischen Reaktionen. Heiner Schäfer zeigtein seinem Referat am Beispiel der Schwierig-keiten mit der Integration »junger Russen« inDeutschland auf, wie bedeutend das Wissenüber deren »mitgebrachte Erfahrungen« so-wie im Aufnahmeland Kenntnisse über dieStrukturen und Bedingungen des Aufwachsensim Herkunftsland sein können.

International Youth-Researcher-MeetingWien, 11. bis 14.12.2006Im Rahmen der International Conference onNational Youth Policy (ICNYP): »YouthParticipation, Governance and DemocraticCitizenship« organisierte Dr. René Bendit (DJI)zusammen mit Dr. Marina Hahn (Bundesmini-sterium für Soziale Sicherheit, Generationenund Konsumentenschutz der Republik Öster-reich; BMSG) das »International Youth-Researcher-Meeting« zum Thema »Youth in aglobalised world«.Bei dieser Veranstaltung beteiligten sichJugendforscherinnen und Jugendforscher ausArgentinien, Australien, Brasilien, China, CostaRica, Deutschland, Finnland, Irland, Kanada,Korea, Mexiko, Österreich, Portugal, Russland,Ungarn und den Vereinigten Staaten vonAmerika. Zentrale Themen der Tagung waren:youth between political participation, exclusionand instrumentalisation; youth transitions –patterns of vulnerability and processes of socialinclusion; education, qualification and employ-ment – anticipating future demands foreducation and training in a global context;youth cultures and new technologies: impactson real social relationships and communicationskills; voluntary services: potentials of non-formal and informal learning during youngpeople’s transitions to the labour market;evidence based youth policy: strategies andnetworks and international and Europeanco-operation programs in the field of youthresearch.Zur Eröffnung des Youth-Researcher-Meetinghielt Dr. René Bendit einen Vortrag zum ThemaYouth in a globalised world. Dr. WolfgangGaiser (DJI) hielt bei der Eröffnung der ICNYP-Konferenz eine Keynote Address zum ThemaYouth participation, governance anddemocratic citizenship und referierte zumThema Political participation of youth – youngGermans in the European context. Die vorge-tragenen Beiträge sollen 2007 in überarbeite-ter Form als Buch im DJI-Verlag erscheinen.Kontakt: [email protected]

Lehraufträge im Wintersemester 2006/07

Dr. René BenditEuropäische JugendpolitikVortragsreihe beim Fortbildungsseminar (Políticade Juventud en Castilla León) für Mitarbeiterder Jugendarbeit im spanischen BundeslandCastilla-León, Valladolid, 05.11.–07.11.2006

Sabrina HoopsPädagogische Konzepte im Umgang mitden sogenannten SchwererziehbarenKatholische Stiftungsfachhochschule Mün-chen, Abteilung Benediktbeuern

Prof. a.V. Dr. Claus J. TullySozialisation für und durch ArbeitFreie Universität Bozen

Prof. Dr. Klaus WahlSozialwissenschaftliche Versuche überdie LiebeUniversität München

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»Experts on Youth Research and Informa-tion«. 12th Annual Meeting des Europarat-NetzwerksStraßburg, 11. bis 13.10.2006»Joint Meeting of Youth Researchers andEuropean Knowledge Centre for YouthPolicy Correspondents«. European YouthCentreStraßburg, 11. bis 13.10.2006Bei diesen beiden Treffen beteiligte sich Dr.René Bendit (DJI) in beratender Funktion. Dabeiging es insbesondere um folgende Themen:Agenda 2020 (»White paper« on the CoEyouth policy)National reviews and advisory missionsCampaign all different – all equalState of affairs on EC common objectives on abetter understanding of youth and on Euro-pean network of youth knowledge7th Framework ProgrammeResearch partnership activities (researchseminars and publications, study on economicdimension of youth work)European Knowledge Centre (EKCYP)MA European Youth StudiesEuropean Research Network – networking,news and updates

Tagungen

Rückblick

Herausforderung Integration – BessereBildungs- und Berufschancen für Jugend-liche aus ZuwandererfamilienRegionaltagung des Deutschen Jugend-institutes (DJI) in Kooperation mit demBayerischen Rundfunk (BR)München, 27.07.2006Bildung und Arbeit sind Grundpfeiler für gesell-schaftliche Integration. Kinder und Jugendlicheaus Zuwandererfamilien haben jedoch schlech-te Karten. Im Gegensatz zu den deutschenJugendlichen verlassen sie die Schule in deutlichhöherer Zahl ohne Abschluss, an Universitätensind sie drastisch unterrepräsentiert, der Anteilderjenigen ohne Schulabschluss ist bei ihnendreimal so hoch.

Dr. Nora Gaupp, Dr. Jan Skrobanek, PD Dr.Iris Bednarz-Braun sowie Prof. Dr. ThomasRauschenbach, alle vom DJI, skizzierten dieSituation von Kindern und Jugendlichen mitMigrationshintergrund unter dem Aspekt derBildungs- und Berufschancen. In Deutschlandhat derzeit ein Drittel der Kinder unter sechsJahren einen Migrationshintergrund. UngleicheStartbedingungen setzen erfahrungsgemäßeine benachteiligte Bildungsbiografie fort.

Melten Adams, Magdalena Kellner, Benja-min Gruschka, alle vom Team der FORD-Berufs-ausbildung in Köln, zeigten auf, dass interkultu-relle Vielfalt in der Ausbildung einen Erfolgsfak-tor darstellt, denn gemischte Azubi-Teams sindeffektiver als homogene, erbringen bessere Leis-tungen und bereichern das positive Arbeitsklima.

Claudia Walther von der Bertelsmann Stif-tung in Gütersloh wies darauf hin, dass insbe-sondere die Kommunen durch ihre Politik dieBildung und den Spracherwerb von Kindernund Jugendlichen mit Migrationshintergrundfördern könnten; das dreigliedrige Schulsystemsei jedoch für eine gelingende Integration zueiner Sackgasse geworden.

Prof. Dr. Ingrid Gogolin, Universität Ham-burg, erklärte es für notwendig, in der For-schung den Bildungsweg von Kindern und Ju-gendlichen aus Zuwanderfamilien kontinuier-lich über längere Zeit zu begleiten sowie denAusbau der systematischen Sprachförderungvon Kindern und Jugendlichen voranzutreiben.

Prof. Dr. Hartmut Esser, Universität Mann-heim, wies auf die fördernden Voraussetzun-gen für den Erwerb der Zweitsprache hin: frü-hes Einreisealter, frühe interethnische Kontak-te sowie eine möglichst geringe ethnische Bal-lung in den Schulen bzw. Schulklassen.

Nurgül Altuntas, Lehrerin an der Gesamt-schule, Wilhelm-Heinrich-von Riehl-Schule,Wiesbaden-Biebrich, forderte aufgrund ihrerErfahrungen, die Stärken der Kinder und Ju-gendlichen aus Migrantenfamilien vermehrtanzuerkennen, zu fördern und gezielt zu nut-zen, denn sie haben eine Brückenfunktiondurch ihre Kenntnisse der Sprache und Kultu-ren sowie durch ihre Kontakte im Alltag.

Das Gesprächsforum zwischen den einge-ladenen Migrantenjugendlichen und den Ver-treterinnen und Vertretern der Wissenschaftmoderierte Sibylle Giel, die PodiumsdiskussionJutta Prediger, beide vom BR.

Generationenpolitik – Generationen-forschungDJI WerkstattgesprächMünchen, 11.07.2006Angesichts der demografischen Veränderun-gen ist das Verhältnis der Generationen inner-halb und außerhalb von Familien ein Dauer-brenner der aktuellen öffentlichen Agenda.Die Abteilung Familie und Familienpolitik des DJIlud zu einem Workshop über veränderteGenerationenverhältnisse ein. Professor KurtLüscher (Bern) stellte Thesen zur Generatio-nenpolitik vor. Im Zentrum seines Ansatzessteht die Gestaltung der individuellen und kol-lektiven sozialen Beziehungen zwischen denGenerationen. Eine Generationenpolitik mussgesellschaftliche Bedingungen schaffen, die esermöglichen, Generationenbeziehungen soleben zu können, dass sie der freien Entfaltungder Persönlichkeit in Verantwortung gegen-über anderen sowie für sich selbst förderlichsind und gleichzeitig die gesellschaftliche Ent-wicklung gewährleisten.

PD Dr. Andreas Lange (DJI) skizzierte An-schlussstellen an den Generationendiskurs fürdie Konzeptbildung und Forschung am DJI. Da-bei sind drei Fragen von Bedeutung: Inwiefernleben die Generationen heute in einer»common culture«? Wie werden die Genera-tionenbeziehungen durch den flexibilisiertenArbeitsmarkt sowie den aktivierenden Sozial-staat beeinflusst? Ob und wie kann das Gene-rationenlernen in unterschiedlichen Settingsintentional arrangiert werden, was aufgrundder Anforderungen an die Kompetenzen vonalten und jungen Menschen auch eine Fragemit durchaus praktischer Relevanz darstellt?Kontakt: [email protected]

Informelles Lernen und Kompetenzerwerbin schulischen und außerschulischenKontextenFachtagung des Zentrums fürSchulforschung der Universität Halle (ZSL)und des Deutschen Jugendinstitutes (DJI)Halle, 19./20.10.2006Die Bedeutung des informellen Lernens hatsowohl im Alltag von Kindern und Jugendlichensowie in Wissenschaft und Forschung zuge-nommen. Dabei wird mit dem Begriff des infor-mellen Lernens zumeist ein weites Lernfeldbeschrieben, das außerhalb des offiziellen Cur-riculums der Schule und anderer organisierterBildungsangebote liegt und dessen Bedeu-tungsspektrum von selbstgesteuerten bis hin zuunbewussten Lernprozessen reicht. Bei dieserFachtagung wurde in einführenden Referatenein Überblick über die Diskussion zum informel-len Lernen und Kompetenzerwerb in Familie,Schule, sozialpädagogischen Handlungsfeldernsowie in der Erwachsenen- und Medienbildunggegeben: Referenten und Referentinnen wa-ren Prof. Dr. Peter Büchner (Universität Mar-burg), Dr. Anna Brake (Universität Augsburg),Prof. Dr. Eckhard Klieme (DIPF Frankfurt amMain), Prof. Dr. Richard Münchmeier (FU Ber-lin), Dr. Bernhard Schmidt und Prof. Dr. RudolfTippelt (beide Universität München).

DJI Bulletin 76 3/200628

Tagungen

In den anschließenden Workshops wurdenForschungsprojekte vorgestellt, die sich mitinformellen Lernprozessen in Familie undGleichaltrigen-Gruppen sowie in den Jugend-verbänden beschäftigen sowie informelles Ler-nen unter dem Aspekt des biografischen Ler-nens betrachten. Das Zentrum für Schulfor-schung der Universität Halle (ZSL) war dabeivertreten durch Sven Brademann, UlrichDeppe, Anja Gibson, Nora Hofmann, MerleHummrich, Sina Köhler, Michael Meier, SaschaRichter, Katrin Zaborowski, Carolin Ziems,Maren Zschach, das Deutsche Jugendinstitut(DJI) durch Prof. Dr. Thomas Rauschenbach,Katja Flämig, Dr. Nora Gaupp, Dr. Karin Garske,Annemarie Gerzer-Sass, Birgit Reißig, UlrikeRichter, Heinz-Juergen Stolz sowie Wibken Düxund Erich Sass vom Forschungsverbund Deut-sches Jugendinstitut / Universität Dortmund.Die Moderation von Diskussion und Workshopsoblag Prof. Dr. Heinz-Hermann Krüger (Univer-sität Halle), Dr. Karin Garske (DJI Halle), Prof. Dr.Werner Helsper (ZSL). Frau Dagmar Szabados,Bürgermeisterin der Stadt Halle und Vorsitzen-de des Kuratoriums des DJI, begrüßte die Teil-nehmerinnen und Teilnehmer und lud zumEmpfang der Stadt Halle ein.www.dji.de/veranstaltungen/2006

Migration, Integration, interethnischesZusammenlebenParlamentarischer Abend des DJI imPresse- und Informationszentrum derBundesregierungBerlin, 26.10.2006Siehe Bericht auf der Seite 7.

Expertenworkshop der Arbeitsstelle Rechts-extremismus und FremdenfeindlichkeitHalle, 09.11.2006Auf diesem Workshop wurden erste Ergebnisseder Untersuchung mit den Expertinnen undExperten diskutiert sowie zentrale Fragestel-lungen weiterentwickelt. Ferner wurde überEvaluationspraxen, Methoden und Fallstrickeihrer Anwendung aus Sicht der empirischenSozialforschung informiert. In einem Berichtwurden Evaluationsansätze zu Maßnahmengegen Rechtsextremismus in der Schweiz so-wie über die damit verbundenen Herausforde-rungen im Feld aufgezeigt. Die Ergebnisse derAnalysen und des Workshops werden als Band7 der projekteigenen Publikationsreihe derFachpraxis zugänglich gemacht.Kontakt: [email protected]

Kollegiale Fremdevaluation – eine geeig-nete Perspektive zur externen Evaluationin der Kinder- und Jugendhilfe?Expertinnen- und Expertentagung desProjektes »Strategien und Konzepte exter-ner Evaluation in der Kinder- und Jugend-hilfe – eXe«München, 13./14.11.2006Lassen sich die Vorzüge selbstevaluativer Ver-fahren (Feldkenntnis) mit den Vorteilen exter-ner Evaluationen (»Blick von außen«) in Ein-klang bringen? Wie müssten solche Konzepte»kollegialer Fremdevaluation« in der Kinder-und Jugendhilfe gegebenenfalls aussehen? ZurErörterung dieser Fragestellung lud das Projekt»eXe« Expertinnen und Experten sowohl ausdem Bereich der Kinder- und Jugendhilfe alsauch aus angrenzenden Handlungsfeldern zueiner Tagung in das DJI ein. Unter der Leitungvon Dr. Christian Lüders nahmen als Referentenfolgende Experten teil:

Dr. Uwe Schmidt (Zentrum für Qualitätssi-cherung und -entwicklung der UniversitätMainz), Prof. Dr. Michael Winkler (Friedrich-Schiller-Universität Jena), Heinz Müller (Institutfür Sozialpädagogische Forschung, Mainz), Dr.Franz Huber (Staatsinstitut für Schulqualitätund Bildungsforschung, München) und Dr. PaulErdelyi (Landesjugendamt des Landschaftsver-bands Westfalen-Lippe, Münster). Vonseitendes DJI wirkten darüber hinaus Karin Haubrichund Bernhard Babic an der Veranstaltung mit.Die Einladung von Referenten aus dem Bereichder Schul- und Hochschulevaluation erwies sichdabei als äußerst gewinnbringend, da dort um-fangreiche Erfahrungen mit Verfahren derPeer-Evaluation vorliegen, die auf ihre Über-tragbarkeit in den Bereich der Kinder- undJugendhilfe hin diskutiert wurden. Die Ergeb-nisse der interdisziplinären Tagung bestärktendas Projekt »eXe« darin, die programmatischeAuseinandersetzung mit der Anwendung bzw.Anwendbarkeit von bislang wenig verbreitetenAnsätzen der Kollegialen Fremdevaluation inder Kinder- und Jugendhilfe weiterzuver-folgen.

Europäische Jugendpolitik der Bundes-regierung, Task Force des BMFSFJBonn, 21.11.2006Dr. René Bendit beteiligte sich als Vertreter desDJI an der 27. Sitzung dieses Gremiums, bei deru. a. der Stand der Vorbereitungen des Pro-gramms der deutschen EU-Ratspräsidentschaft /»Teampräsidentschaft« (im Bereich Jugend-politik) beraten sowie die Implementierung des»Strukturierten Dialogs« in Deutschland disku-tiert wurde.

Publikationen

Neue DJI-Materialien

Sabrina Hoops, Hanna Permien»Mildere Maßnahmen sind nicht möglich!«Freiheitsentziehende Maßnahmen nach§ 1631 b BGB in Jugendhilfe und Jugend-psychiatrieMünchen 2006142 S.ISBN 3-935701-17-9

Der Bericht stellt die Projektergebnisse vor, diedurch qualitative Interviews mit Jugendämtern,Jugendpsychiatrie, Heimen mit teilgeschlosse-nen Gruppen sowie durch Aktenanalysen ge-wonnen wurden. Die Ergebnisse beziehen sichvor allem auf– die Indikationen für Freiheitsentzug in

Jugendhilfe und Jugendpsychiatrie,– die Umsetzung der rechtlichen Vorgaben bei

Verfahren nach § 1631 b BGB,– die Kooperation von Jugendhilfe, Justiz und

Jugendpsychiatrie,– die Erfahrungen und Einschätzungen von

betroffenen Jugendlichen bezüglich teil-geschlossener Unterbringung.

Die Broschüre kann kostenfrei bezogen wer-den über: Deutsches Jugendinstitut Münchene.V., Nockherstraße 2, 81541 München;E-Mail: [email protected] oder [email protected];download: www.dji.de/freiheitsentzug

DJI Bulletin 76 3/2006 29

Elke Schreiber (Hrsg.)Chancen für SchulmüdeReader zur Abschlusstagung desNetzwerks Prävention von Schulmüdigkeitund SchulverweigerungMünchen/Halle 2006Reihe »Wissenschaft für alle«206 S. Der Reader enthält Beiträge zum ThemaSchulmüdigkeit – Schulverweigerung. Die Au-toren gehen der Frage nach, welche Strategi-en es an Schulen und in Projekten der Jugend-hilfe gibt, die– Jugendliche zum Schulabschluss führen,– Jugendliche beim Übergang von der Schule

in den Beruf unterstützen,– die Bedingungen in und außerhalb der

Schule verbessern,– die migrationsspezifischen Lebensumstände

von Mädchen und Jungen berücksichtigen?Der Reader kann gegen einen Versandkosten-beitrag von 2,20 c in Briefmarken pro Exemplarangefordert werden beim Deutschen Jugend-institut, Außenstelle Halle, Anke März,Franckeplatz 1, Haus 12/13, 06110 Halle.Der Reader ist auch als Download erhältlich:www.dji.de/bibs/229_6264_Reader_Chancen_fuer_Schulmuede.pdf

Aufsätze von Autorinnen und Autoren des DJI

René BenditYouth Sociology and Comparative Analysisin the European Union Member StatesIn: Papers (Universidad Autónoma de Barcelo-na) 79, 2006, S. 49–76Reflecting on sources and methods ofsocial co-production of youth knowledge.The possible contribution of differentsocial actors to youth knowledgeproductionIn: Milmeister, Marianne / Williamson, Howard(Eds.): Dialogues and networks. Organisingexchanges between youth field actors. EditionsPhi. Esch/Alzette (Luxembourg) 2006.www.phi.luAvailable (also in French: »Dialogues etréseaux«) from Éditions PHI, B.P. 321, 4004Esch-sur-Alzette (Luxemburg), E-Mail: [email protected]; Fax : 00352 54 08 84-3577;Tel.: 00352 54 08 84-685

René Bendit, Kerstin Hein, Andy BiggartDelayed and negotiated autonomy:domestic emancipation of youngEuropeansIn: Informationszentrum Sozialwissenschaftender Arbeitsgemeinschaft Sozialwissenschaftli-cher Institute e. V. Bonn (IZ) (Hrsg.): Jugend-forschung. Bonn, H. 2/2006, S. 9–21

Petra Best, Karin JampertSprachliche Förderung – eine Frage desGeschlechts?In: Theorie und Praxis der Sozialpädagogik,H. 8/2006, S. 28–31

Frank BraunEntwicklungsaufgaben und LebenslagenJugendlicher im Übergang Schule – Berufs-ausbildung – ErwerbsarbeitIn: Verein für Kommunalwissenschaften e. V.(Hrsg.): Ein Jahr nach der Arbeitsmarktreform:Erste Erfahrungen der Jugendhilfe mit Hartz IV.Berlin 2006

Frank Braun, Tilly LexDie Rolle der Jugendsozialarbeit im Über-gangssystem Schule – BerufIn: Friedrich-Ebert-Stiftung (Hrsg.): Übergängezwischen Schule und Beruf und darauf bezoge-ne Hilfesysteme in Deutschland. Bonn 2006,S. 59–65

Waltraud CornelißenKinderwunsch und Kinderlosigkeit imModernisierungsprozessIn: Berger, Peter A. / Kahlert, Heike: Der demo-graphische Wandel. Chancen für die Neuord-nung der Geschlechterverhältnisse. Frankfurtam Main/New York 2006, S. 137–163Lebensentwürfe – politisch steuerbar?In: Berliner Debatte Initial, 17. Jg., H. 3/2006,S. 24–36Von der Frauenbewegung zurGeschlechterforschungIn: GiP – Gleichstellung in der Praxis, H. 6/2006,S. 27–31

Waltraud Cornelißen, Martina GilleLebenswünsche junger Menschen und dieBedeutung geschlechterstereotyper MusterIn: Zeitschrift für Frauenforschung, Geschlech-terstudien, 23. Jg., H. 4/2005, S. 52–67

Wolfgang Gaiser, Martina Gille, Johann deRijkePolitische Beteiligung von Jugendlichenund jungen ErwachsenenIn: Hoecker, Beate (Hrsg.): Politische Partizipa-tion zwischen Konvention und Protest. Einestudienorientierte Einführung. Opladen 2006,S. 211–234Wie politisch sind Jugendliche heute? Poli-tisches Interesse und politische Partizipati-on von Jugendlichen und jungen Erwach-senen. Lernort GemeindeIn: Zeitschrift für theologische Praxis, 24. Jg.,H. 3/2006, S. 12–18Beteiligung von Jugendlichen in Organisa-tionen und der Stellenwert von Kirchenund GewerkschaftenIn: von Alemann, Ulrich / Morlok, Martin /Godewerth, Thelse (Hrsg.): Jugend und Politik.Möglichkeiten und Grenzen politischer Beteili-gung der Jugend. Schriften zum Parteienrechtund zur Parteienforschung, Bd. 34. Baden-Baden 2006, S. 23–41

Wolfgang Gaiser, Martina Gille, Johann deRijke, Sabine Sardei-BiermannCulture politique des jeunes AllemandsIn: AGORA débats/jeunesses, Nr. 40, 2. Trime-ster 2006, S. 90–106Entwicklungstrends im Verhältnis Jugendund Politik. Ergebnisse des DJI-Jugend-surveys von 1992 bis 2003In: Politische Bildung, H. 3/2006, S. 145–155Zukunft Europa im Blick der JugendIn: Aus Politik und Zeitgeschichte, H. 47/2006,S. 18–26

Nora Gaupp, Irene Hofmann-Lun, Tilly Lex,Birgit ReißigSchwierige Übergänge von der Schule indie BerufsausbildungIn: Lehren und Lernen, Zeitschrift für Schuleund Innovation in Baden-Württemberg, H. 8/9/2006, S. 34–43

Martina GilleWerte, Rollenbilder und Lebensentwürfeder 12- bis 29-Jährigen in Deutschland.Ergebnisse aus dem DJI-JugendsurveyIn: Keuchel, Susanne / Wiesand, Andreas J.(Hrsg.): Das 1. Jugend-KulturBarometer »Zwi-schen Eminem und Picasso …«. ARCult Media.Bonn 2006, S. 183–190

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Ursula Hoffmann-Lange, Johann de RijkeDie Entwicklung politischer Kompetenzenund Präferenzen im Jugendalter. Ein empi-rischer Beitrag zur Diskussion um die He-rabsetzung des Wahlalters auf 16 JahreIn: Alemann, Ulrich von / Morlok, Martin /Godewerth, Thelse (Hrsg.): Jugend und Politik.Möglichkeiten und Grenzen politischer Beteili-gung der Jugend. Baden-Baden 2006, S. 59–74

Karin Haubrich, Christian Lüders, GerlindeStruhkampWirksamkeit, Nützlichkeit, Nachhaltigkeit.Was Evaluationen von Modellprogram-men realistischerweise leisten könnenIn: Schröder, Ute / Streblow, Claudia (Hrsg.):Evaluation konkret. Fremd- und Selbstevalua-tionsansätze anhand von Beispielen aus Ju-gendarbeit und Schule. Opladen/FarmingtonHills 2007, S. 183–201

Karin JurczykProduktion, Reproduktion, GenderIn: Dunkel, Wolfgang / Sauer, Dieter (Hrsg.):Von der Allgegenwart der verschwindendenArbeit. Neue Herausforderungen für dieArbeitsforschung. Berlin 2006, S. 259–263

Nicole KlinkhammerArbeitsmarkt versus Kindeswohl?In: Theorie und Praxis der Sozialpädagogik,H. 5–6/2006, S. 74–78

Nick Kratzer, Andreas LangeEntgrenzung von Arbeit und Leben: Ver-schiebung, Pluralisierung, Verschränkung.Perspektiven auf ein neues Re-Produk-tionsmodellIn: Dunkel, Wolfgang / Sauer, Dieter (Hrsg.):Von der Allgegenwart der verschwindendenArbeit. Neue Herausforderungen für dieArbeitsforschung. Berlin 2006, S. 171–200

Andreas LangeZukunft von Familie und Kindheit –Highlights und Denkanstöße aus dem7. Familienbericht und der aktuellenfamilienwissenschaftlichen DiskussionIn: Buschmeier, Ulrike (Hrsg.): 1. ZukunftsforumFamilie, Bad Honnef, S. 125–143

Andreas Lange, Bernd SchorbZwischen Entgrenzung und Stabilisierung.Medien als Generatoren von JugendIn: Merz (Medien und Erziehung), 50. Jg.,H. 2/2006, S. 8–15Themenschwerpunkt Jugend und MedienIn: Merz (Medien und Erziehung), 50. Jg.,H. 4/2006, S. 7

Hans Rudolf LeuBeobachtung in der PraxisIn: Fried, Lilian / Roux, Susanne (Hrsg.): Pädago-gik der frühen Kindheit. Weinheim 2006,S. 232–243

Tilly Lex, Birgit Reißig, Nora GauppKompetenzagenturen – Ergebnisse desCase MangementsIn: INBAS Werkstattbericht (Hrsg.): Modellpro-gramm Arbeitsweltbezogene Jugendsozial-arbeit. Modellphase: Kompetenzagenturen.Offenbach am Main 2006, S. 121–129

Christian Lüders, Bernd HolthusenDas Modellprojekt »Kooperation im Falljugendlicher Mehrfach- und Intensivtäter«In: Praxis der Rechtspsychologe, 16. Jg., H. 1/2/2006, S. 182–193

Irene PackMit Bildungs- und Lerngeschichten denDialog stärken. Die Beobachtung und Do-kumentation mit den Bildungs- und Lern-geschichten fördert den Austausch zwi-schen Erzieher/-innen, Kindern und ElternIn: Kinderleicht, H. 4/2006, S. 8–11

Hanna PermienIndikationen für Geschlossene Unterbrin-gung in der Praxis von Jugendhilfe undJugendpsychiatrieIn: Recht und Psychiatrie, H. 3/2006, S. 111–118

Thomas RauschenbachPädagogische Aus-, Fort- und Weiterbildung:Fachschule, Fachhochschule, UniversitätIn: Krüger, Heinz-Hermann / Rauschenbach,Thomas (Hrsg.): Einführung in die Arbeitsfelderdes Bildungs- und Sozialwesens. Opladen/Farmington Hills 2006, S. 299–315

Thomas Rauschenbach, Michael GaluskeArbeit und BerufIn: Antor, Georg / Bleidick, Ulrich (Hrsg.) Hand-lexikon der Behindertenpädagogik. Stuttgart2006, S. 182–186

Regina RempsbergerVom Lernen der Kinder erzählen. Das Pro-jekt »Bildungs- und Lerngeschichten« desDeutschen JugendinstitutsIn: Theorie und Praxis der Sozialpädagogik,H. 4/2006, S. 42–46

Peter RiekerRechtsextremismus ein Jugendproblem?Altersspezifische Befunde und for-schungsstrategische HerausforderungenIn: Diskurs Kindheits- und Jugendforschung,1. Jg., H. 1/2006, S. 245–260

Peter Rieker, Christian SeipelOffenheit und Vergleichbarkeit in der qua-litativen und quantitativen ForschungIn: Rehberg, Karl-Siegbert (Hrsg.): Soziale Un-gleichheit – Kulturelle Unterschiede. Verhand-lungen des 32. Kongresses der Deutschen Ge-sellschaft für Soziologie in München 2004.Frankfurt am Main 2006, S. 4038–4046

Johann de Rijke, Wolfgang Gaiser, MartinaGille, Sabine Sardei-BiermannWandel der Einstellungen junger Men-schen zur Demokratie in West- und Ost-deutschland – Ideal, Zufriedenheit, KritikIn: Diskurs Kindheits- und Jugendforschung,1. Jg., H. 3/2006, S. 335–352

Publikationen

Ekkehard Sander, Andreas LangeFamilie und Medien im Spiegel von Me-dienrhetorik und empirischen BefundenIn: Marci-Boehncke, Gudrun / Rath, Matthias(Hrsg.): Jugend – Werte – Medien: Der Diskurs.Weinheim/Basel 2006, S. 70–92

Heiner Schäfer, Bernd HolthusenPrevenzione della criminalità giovanile e lalegge: supporto, educazione sociale e penaIn: Ministerio della Giustizia – Dipartimento perla Giustizia Minorile: I.S.U. Università CattolicaMilano (Hrsg.): Giustizia per i minori: strategie eprogetti. Milano 2006, S. 119–131

Jan SkrobanekPerceived discrimination, ethnic identityand the (re)ethnicication of youth withTurkish ethnic background1st report of the Jacobs Foundation foundedresearch »Determinants of occupational andsocial integration and of ethnic self-exclusionamong young immigrants. A longitudinalstudy«. Jacobs Foundation Zürich 2006

Claus J. TullyRezension zu »Aus Kindern werden Leute,aus Mädchen werden Bräute«In: Diskurs Kindheits- und Jugendforschung,1. Jg., H. 3/2006, S. 466–468Von der Schulbank … zum ArbeitsplatzIn: Neu im Job. Hrsg. vom Arbeitskreis für Ar-beitssicherheit/Prävention bei den Landesver-bänden der gewerblichen Berufsgenossen-schaften. o.O. 2006, S. 30–31Die Zukunft selbst entwerfenInterview in der Frankfurter Rundschau,22.08.2006, S. 25Stillstand ist das Gegenteil der ModerneSüddeutsche Zeitung, 26./27.08.2006, S. V2/3Stillstand ist die Sache der AltenFrankfurter Rundschau, 25.07.2006, S. 7

Claus J. Tully, Claudia ZerleHandys im JugendalltagIn: Anfang, Günther u. a. (Hrsg.): Handy – EineHerausforderung für die Pädagogik. München2006, S. 16–21

Franziska WächterWirksame politische Beteiligung aus derSicht von JugendlichenIn: JugendPolitik, H. 3/2006, S. 19–20

Svendy Wittmann, Kirsten BruhnsUmstände und Hintergründe der Einstel-lungen von Mädchen zur Gewalt. Fach-wissenschaftliche AnalyseIn: Heitmeyer, Wilhelm / Schröttle, Monika(Hrsg.): Gewalt. Bundeszentrale für politischeBildung. Bonn 2006, S. 294–317Geschlechterreflektierende offene Jugend-arbeit. Prävention und InterventionIn: Heitmeyer, Wilhelm / Schröttle, Monika(Hrsg.): Gewalt. Bundeszentrale für politischeBildung. Bonn 2006, S. 332–336

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Neue DJI-Publikationen

www.dji.de/veroeffentlichungenBezug nur über den Buchhandel!

Hans Bertram, Helga Krüger,Katharina C. Spieß (Hrsg.)Wem gehört die Familie der Zukunft?Expertisen zum 7. Familienbericht der Bundes-regierungOpladen: Verlag Barbara Budrich 2006515 S., 36,00 cISBN 3-86649-049-6

Der Band versammelt ausgewählte Expertisenfür den 7. Familienbericht der Bundesregie-rung, dessen Geschäftsführung am DeutschenJugendinstitut angesiedelt war.Die Sachverständigenkommission des 7. Fami-lienberichts der Bundesregierung hatte sichaufgrund ihres Auftrags, einen umfassendenBericht zum Thema »Zukunft der Familie – Ge-sellschaftlicher Wandel und soziale Integration«vorzulegen, dazu entschieden, den breit ge-fächerten Forschungsstand zu dieser Thematikauch durch den Sachverstand von Expertinnenund Experten zu erschließen. Sie hat dahereine vergleichsweise große Anzahl von Einzel-expertisen mit sehr unterschiedlichen Themen-schwerpunkten vergeben. Für die Veröffent-lichung hat sie gezielt solche Expertisen ausge-wählt, die in Ergänzung zu den Aussagen des7. Familienberichts die Orientierung an einerlebenslaufbezogenen Familienpolitik unter-streichen und neue Aspekte in die Debatteeinbringen.

Walter Bien, Thomas Rauschenbach,Birgit Riedel (Hrsg.)Wer betreut Deutschlands Kinder?DJI-KinderbetreuungsstudieWeinheim: Beltz-Verlag 2006317 S., 29,90 cISBN 3-407-56310-8

Von der Kindertagesbetreuung wird derzeitviel erwartet. Die moderne Erwerbswelt erfor-dert neue Angebote an Bildung und Betreu-ung, die vor allem die Vereinbarkeit von Berufund Familie unterstützen sowie die Flexibilitätneu ausbuchstabieren. Gleichzeitig soll Kinderneine frühe Förderung zuteil werden, die dasFundament für gelingende Bildungsverläufelegt. Doch wie steht es um das empirische Wis-sen darüber, wie Kinder heute aufwachsenund auf welche Weise Familien ihren Alltagorganisieren? Wie bedarfsgerecht ist die öf-fentliche Unterstützung?Die DJI-Kinderbetreuungsstudie gibt erstmalsumfassend über diese Fragen Auskunft. Aufder Basis einer bundesweiten repräsentativenElternbefragung analysiert der vorliegendeBand die Inanspruchnahme und Zufriedenheitmit dem öffentlichen Bildungs- und Betreu-ungsangebot, relevante Betreuungslücken, dieNutzung der Tagespflege sowie die Vielfaltprivater Betreuungskontexte, mit denen Kin-der in Berührung kommen. Besondere Auf-merksamkeit gilt auch der Frage, welche Kin-der keinen Kindergarten besuchen und welcheBetreuung sich Eltern für ihre Kinder unter dreiJahren wünschen.Mit diesem Band wird ein fundierter Überblickfür Fachpolitiker und andere familienpolitischInteressierte sowie für Fachpraxis und Ausbil-dung geschaffen, des Weiteren werden Impul-se für einen zielgenauen Ausbau der Angebotegegeben.

Heike Förster, Ralf Kuhnke, Jan Skrobanek(Hrsg.)Am Individuum ansetzenStrategien und Effekte der beruflichenFörderung von benachteiligten JugendlichenReihe Übergänge in Arbeit, Band 6München: Verlag Deutsches Jugendinstitut2006246 S., 13 ,80 cISBN 3-87966-412-9

Wie können Jugendliche mit schlechten Start-chancen auf dem Weg von der Schule in Ausbil-dung und Erwerbsarbeit optimal gefördertwerden? Das Deutsche Jugendinstitut hat ei-nen Förderansatz untersucht, der Arbeits-erfahrungen mit Ernstcharakter mit für dieJugendlichen attraktiven Qualifizierungsele-menten verbindet und dabei an der jeweilsindividuellen Ausgangslage der Jugendlichenanzusetzen sucht.Die Untersuchung, deren Ergebnisse hier vor-gestellt werden, ging folgenden Fragen nach:Was sind die Merkmale von Jugendlichen mitschlechten Startchancen, wie sind die Motiveund Orientierungen, die Lebensumstände undLebensverläufe dieser Jugendlichen? Wie se-hen Strategien aus, die Arbeit und Lernen beider Förderung der Jugendlichen systematischzu verbinden suchen? Welche Effekte habensolche Förderstrategien für die Stabilisierungder Jugendlichen, für den Abbau von Problem-belastungen, für das Gelingen der Einmündungin Ausbildung und Arbeit?Das Buch liefert differenzierte Informationenüber die Lebenssituation von Jugendlichen mitschlechten Startchancen. Es gibt Auskunftüber die Effekte unterschiedlicher Förderstra-tegien und zeigt, wie durch Verfahren einerempirischen Evaluationsforschung das Wissenüber die Wirkung von Förderprogrammen ver-bessert werden kann.

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Publikationen

Alfred Hössl, Andreas VosslerBildungsverläufe in der GrundschuleSchulerfolg und Belastungen aus der Sicht vonKindern und ElternBad Heilbrunn: Klinkhardt-Verlag 2006191 S., 25 ,00 cISBN 3-7815-1493-5

Wichtiges Ziel aktueller Reformbemühungen inder Grundschule ist die Realisierung offenerLernkulturen, die den unterschiedlichen Fähig-keiten und Bedürfnissen der Schulanfängerentgegenkommen und den individuellen Bil-dungserfolg aller Kinder unterstützen sollen.Dabei bleibt die Frage offen, wie schulischeBildungsanforderungen und Angebote von denBetroffenen wahrgenommen und angenom-men werden. Die Autoren haben Bildungsver-läufe während der Grundschulzeit anhand vonprozessbezogenen Individualdaten von 24 Kin-dern an vier bayerischen Grundschulen unter-sucht. Dabei wurden vor allem Misserfolge undBelastungen sowie die potenziellen Barrierenund Benachteiligungen aus der Sicht von Schü-lern und Eltern unter Berücksichtigung der je-weiligen Klassensituation und des Unterstüt-zungssystems Familie in den Blick genommen.

Frank Lettke, Andreas Lange (Hrsg.)Generationen und FamilienFrankfurt am Main: Suhrkamp Verlag399 S., 14,00 cISBN 978-3-518-29411-6

Von der Krise der Familie und dem demo-grafischen Ende des Generationenvertrags istallenthalben die Rede. Dieser Band unternimmtdie längst fällige Bestandsaufnahme der For-schung und ergänzt dabei den Diskurs überFamilien und Generationen in der Gegenwarts-gesellschaft in theoretischer und empirisch-konzeptueller Hinsicht. Die Beiträge zielen nichtnur auf die Soziologie und angrenzende Diszi-plinen, sondern explizit auch auf die Politik undauf öffentlich geführte Debatten, etwa zurVereinbarkeit von Familie und Beruf sowie zurGestaltung und Regulation von Generationen-beziehungen. Der Band bietet eine vielfältigeund offene, zugleich aber auch eine unaufge-regte, nüchterne Analyse der Lebenskontexteund Lebensrealitäten heutiger Generationen.

Sonderausgabe vonKomDat Jugendhilfe

Wird Kindern und Eltern genug geholfen?KomDat Jugendhilfe ist der regelmäßig erschei-nende, kostenlose Informationsdienst der Ar-beitsstelle Kinder- und Jugendhilfestatistik ander Universität Dortmund.Aus aktuellem Anlass werden im Rahmen einerSonderausgabe vom Oktober 2006 Daten zuKindesvernachlässigungen und staatlichen Hil-fen aufbereitet und kommentiert. Themensind im Einzelnen Kindstötungen, Hilfen zurErziehung, Inobhutnahmen, Sorgerechtsent-züge und Adoptionen.

Die Sonderausgabe kann auf den Seiten derArbeitsstelle kostenlos als PDF-Datei herun-tergeladen werden:www.akjstat.uni-dortmund.de

KomDat kann kostenfrei als Druckversion oderPDF-Datei per E-Mail bestellt werden. Bezugs-adresse: [email protected] oderFax 0231 755-5559.

Tilly Lex, Nora Gaupp, Birgit Reißig,Hardy AdamczykÜbergangsmanagement: Jugendliche vonder Schule ins Arbeitsleben lotsenEin Handbuch aus dem Modellprogramm»Kompetenzagenturen«Reihe Übergänge in Arbeit, Band 7München: DJI-Verlag 2006153 S., 9 ,80 cISBN 3-87966-413-7

Warum Übergangsmanagement? Auf demWeg Jugendlicher von der Schule in Ausbildungund Erwerbsarbeit ist die traditionelle Abfolgeder Schritte »Schule, Berufsausbildung, Arbeit«zur Ausnahme geworden. Um zu anerkanntenAusbildungsabschlüssen zu gelangen, müssenviele Jugendliche vor dem Beginn einer Berufs-ausbildung längere Abfolgen von Schrittenabsolvieren: Schnupperlehren oder Praktika inBetrieben, berufsvorbereitende oder berufs-schulische Bildungsgänge, Maßnahmen derArbeitsagenturen oder ARGEn. Häufig müssensie dabei wiederholt und unter unklaren Rah-menbedingungen Entscheidungen über nächs-te Schritte treffen. Dabei kann das Gelingender beruflichen Integration durch Umwege,Abbrüche und Sackgassen gefährdet werden,wenn es Jugendlichen in unserem unübersicht-lichen System von Bildungsinstitutionen und-angeboten nicht gelingt, passende, an ihrenVoraussetzungen, Zielen und Lebenslagen an-knüpfende Anschlüsse zu finden.Übergangsmanagement bietet den Jugend-lichen Unterstützung, indem es für sie eine Lot-senfunktion von der Schule in die Berufsausbil-dung anbietet. Dieses Handbuch gibt Antwortauf die Fragen, wann welcher spezifische Un-terstützungsbedarf besteht, wie Unterstüt-zung gestaltet werden muss, welche Metho-den und Instrumente eingesetzt werden kön-nen, wie insgesamt ein Übergangsmanage-ment für benachteiligte Jugendliche dieseLotsenfunktion erfüllen kann.